Untersuchung des dynamischen Verhaltens von Zuckermodellverbindungen durch Kernresonanzspektroskopie

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J. Buddrus, M. Jablonowski, A. Brinkmeier Untersuchung des dynamischen Verhaltens von Zuckermodellverbindungen durch Kernresonanzspektroskopie Joachim Buddrus", Maria Jablonowski und Arno Brinkmeier Institut fur Spektrochemie und angewandte Spektroskopie, Bunsen-Kirchhoff-StraBe 11, D-4600 Dortmund 1 Eingegangen am 7. Januar 1987 Investiprdoll of tbe Dy.lmie Bebavior ot Smgu Medsl Cam- mbYN=J=M.psaic- Rate constants for the tautomeric cqaiiibrigm of 5-hydroxypen- tanal, a modal compound for aldopynmose, have ban deter- mined by lin~shape analysie or the W-NMa sptctnrm ob- tained from an acidified solution in water. In den letzten Jahren ist mehrfach iiber die Dynamik von Mo- nosacchariden in Wasser berichtet worden'-6), wobei man sich hauptsachlich der NMR-Spektroskopie (Linienformanalyse, Spin- sattigungsiibertrag) bediente. Die Untersuchungen erwiesen sich z.T. als schwierig, u. a. weil Monosaccharide mehrere Ringtauto- mere bilden konnen. Im folgenden wird gezeigt, dalj man Einblick in die Dynamik von Zuckermolekiilen auch rnit bestimmten Mo- nohydroxycarbonyl-Verbindungen erhalten kann, die jeweils nur ein einziges Ringtautomer und damit einfacher auswertbare NMR- Spektren liefern. 5-Hydroxypentanal (I), eine Modellverbindung fur Aldopyra- nosen, steht in wal3riger Losung im Gleichgewicht rnit a-Hydro- xytetrahydropyran (2). Bei 43.7"C betragt das Verhaltnis 1: 2 = 4: 96'). 2 1 2 Das 'H-NMR-Spektrum der neutralen waljrigen Losung weist ausnahmslos scharfe Signale auf. Die 'H-Kerne an C-5 und C-5' bilden bei Entkopplung der 'H-Kerne an C-4 und (2-4' die Spin- systeme AB & C2 k_, BA mit vier Signalen fur AB (oder BA) und einem Signal fur C1. Beim Ansauern der Losung beobachtet man als Folge verkiirzter Ver- weilzeiten der 'H-Kerne in dem jeweiligen Tautomer Verbreiterung der Signale, die mit steigender Saurekonzentration zunimmt und zur Koaleszenz der funf Signale fiihrt. Das 13C-NMR-Spektrum der neutralen waljrigen Losung von 1 und 2 weist ebenfalls scharfe Signale auf. Die 13C-Kerne bilden bei Entkopplung der Protonen fiinf Spinsysteme vom Typ Lxp kcxp A&B Lp rnit je fiinf Signalen herriihrend von 1 und 2. Nach dem Ansauern treten Linienverbreiterungen auf, die rnit steigender Temperatur zunehmen. Die starkste Verbreiterung erfahrt das Signal von C-1, da der Abstand zum korrespondierenden Signal (herriihrend von C-1') am groBten ist (Abb.). Computersimulation der Linienform rnit dem Rechenprogramm DNMR3*), das modifiziert wurde'), er- 547 gibt die Geschwindigkeitskonstanten der Ringoffnung kexp und iiber die Gleichung K = kpexp/kexp (K = 2/1) auch die Geschwindig- keitskonstanten der Ringschlieljung k--erp. Die Geschwindigkeits- konstanten der protonenkatalysierten Ringoffnung und -schlieBung, kH+ und k--H+, erhalt man aus k,,, = kH+ . [H'] bzw. kpexp = kpH+ . [H']'o'. 7-7- 210 90 60 40 T= 42.6OC I I 1 T= 623°C 7-77- 'Pm h J!. k= 24 k.40 - A- Abb. 25-MHz-"CNMMR-Spektren der miteinander im Gleichge- wicht stehenden Verbindungen 1 und 2 in Abhangigkeit von der Temperatur: gemessen in D 2 0 (links) und simuliert (rechts). Der pD-Wert der bei 43.7 "C gemessenen Losung betragt 7.0, ansonsten 1 .O; Aldehyd-Hydrat-Signale mit * gekennzeichnet. Liebigs Ann. Chem. 1987, 547 - 548 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1987 0170-2041/87/0606-0547 $02.50/0

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J. Buddrus, M. Jablonowski, A. Brinkmeier

Untersuchung des dynamischen Verhaltens von Zuckermodellverbindungen durch Kernresonanzspektroskopie Joachim Buddrus", Maria Jablonowski und Arno Brinkmeier

Institut fur Spektrochemie und angewandte Spektroskopie, Bunsen-Kirchhoff-StraBe 11, D-4600 Dortmund 1

Eingegangen am 7. Januar 1987

Investiprdoll of tbe Dy.lmie Bebavior ot Smgu Medsl Cam- mbYN=J=M.psaic- Rate constants for the tautomeric cqaiiibrigm of 5-hydroxypen- tanal, a modal compound for aldopynmose, have ban deter- mined by lin~shape analysie or the W-NMa sptctnrm ob- tained from an acidified solution in water.

In den letzten Jahren ist mehrfach iiber die Dynamik von Mo- nosacchariden in Wasser berichtet worden'-6), wobei man sich hauptsachlich der NMR-Spektroskopie (Linienformanalyse, Spin- sattigungsiibertrag) bediente. Die Untersuchungen erwiesen sich z.T. als schwierig, u. a. weil Monosaccharide mehrere Ringtauto- mere bilden konnen. Im folgenden wird gezeigt, dalj man Einblick in die Dynamik von Zuckermolekiilen auch rnit bestimmten Mo- nohydroxycarbonyl-Verbindungen erhalten kann, die jeweils nur ein einziges Ringtautomer und damit einfacher auswertbare NMR- Spektren liefern.

5-Hydroxypentanal (I), eine Modellverbindung fur Aldopyra- nosen, steht in wal3riger Losung im Gleichgewicht rnit a-Hydro- xytetrahydropyran (2). Bei 43.7"C betragt das Verhaltnis 1: 2 = 4: 96').

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Das 'H-NMR-Spektrum der neutralen waljrigen Losung weist ausnahmslos scharfe Signale auf. Die 'H-Kerne an C-5 und C-5' bilden bei Entkopplung der 'H-Kerne an C-4 und (2-4' die Spin- systeme

AB & C2 k_, BA

mit vier Signalen fur AB (oder BA) und einem Signal fur C1. Beim Ansauern der Losung beobachtet man als Folge verkiirzter Ver- weilzeiten der 'H-Kerne in dem jeweiligen Tautomer Verbreiterung der Signale, die mit steigender Saurekonzentration zunimmt und zur Koaleszenz der funf Signale fiihrt.

Das 13C-NMR-Spektrum der neutralen waljrigen Losung von 1 und 2 weist ebenfalls scharfe Signale auf. Die 13C-Kerne bilden bei Entkopplung der Protonen fiinf Spinsysteme vom Typ

L x p kcxp

A & B Lp

rnit je fiinf Signalen herriihrend von 1 und 2. Nach dem Ansauern treten Linienverbreiterungen auf, die rnit steigender Temperatur zunehmen. Die starkste Verbreiterung erfahrt das Signal von C-1, da der Abstand zum korrespondierenden Signal (herriihrend von C-1') am groBten ist (Abb.). Computersimulation der Linienform rnit dem Rechenprogramm DNMR3*), das modifiziert wurde'), er-

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gibt die Geschwindigkeitskonstanten der Ringoffnung kexp und iiber die Gleichung K = kpexp/kexp ( K = 2/1) auch die Geschwindig- keitskonstanten der Ringschlieljung k--erp. Die Geschwindigkeits- konstanten der protonenkatalysierten Ringoffnung und -schlieBung, kH+ und k--H+, erhalt man aus k,,, = kH+ . [H'] bzw. kpexp = kpH+ . [H']'o'.

7 - 7 -

210 90 60 40

T= 4 2 . 6 O C I

I 1 T= 6 2 3 ° C

7 - 7 7 -

'Pm

h

J!.

k= 24

k.40

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A-

Abb. 25-MHz-"CNMMR-Spektren der miteinander im Gleichge- wicht stehenden Verbindungen 1 und 2 in Abhangigkeit von der Temperatur: gemessen in D 2 0 (links) und simuliert (rechts). Der pD-Wert der bei 43.7 "C gemessenen Losung betragt 7.0, ansonsten

1 .O; Aldehyd-Hydrat-Signale mit * gekennzeichnet.

Liebigs Ann. Chem. 1987, 547 - 548 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1987 0170-2041/87/0606-0547 $02.50/0

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Die Autoren danken Herrn Dr. D. Stiiwer und Herrn Dr. H. Bauer fur ihre Hilfe bei der Modifizierung des DNMR3-Pro- gramms. Dem Bundesminister fur Forschung und Technologie und dem Minister fur Wissenschaji und Forschung des Landes Nordrhein- U7estfalen wird fur die finanzielle Unterstutzung dieser Arbeit ge- dankt.

Experimenteller Teil 5-Hydroxypentanal(1): 8.4 g 2,3-Dihydropyran wurden in 250 ml

Wasser, versetzt mit 2.5 ml konz. Salzsaure, suspendiert und bis zum Entstehen einer homogenen Phase geruhrt. Die Isolierung er- folgte nach Lit."); Ausb. 5.6 g (55%), Reinheit laut GC (Carbowax):

Die NMR-Untersuchungen erfolgten mit dem Gerat JEOL FX 100. Digitale Auflosung: 0.31 Hz/Datenpunkt. Referenz fur die che- mische Verschiebung: Dioxan. pD-Messung mit einem Digital-pH- Meter nach pD = pH-Meter-Ablesung +0.412). Die Temperatur- messung erfolgte simultan uber die Frequenzdifferenz der '3C- NMR-Signale von Methyleniodid und Cycl~octan'~). Fur die Si- mulation der NMR-Signale von lf4) wurden unterschiedliche T2ef- Zeiten venvendet, im Falle des obersten Spektrums: 0.347 s-' (C-

(C-5, C-5'); im Falle der darunter befindlichen Spektren: vorste- hende Werte, jedoch mit 0.5 multipliziert (der Faktor berucksichtigt die durch Saurezugabe verursachte Verbreiterung des Locksignals und damit auch die der zu messenden Signale).

98.5%.

1, C-l'), 0.318 (C-2, C-2), 0.325 (C-3, C-3'), 0.327 (C-4, C-4), 0.306

"P. W. Wertz, J. C. Garver, L. Anderson, J. Am. Chem. SOC. 103 (1981) 3916. J. Pierce, A. S. Serianni, R. Barker, J. Am. Chem. SOC. 107 (1985) 2448.

3 , C. F. Michelfort, R. K. Gupta, I. A. Rose, Biochemistry 15 (1976) 2178.

4, A. S. Serianni, J. Pierce, S. G. Huang, R. Barker, J. Am. Chem. SOC. 104 (1982) 4037.

5, W. J. Goux, J. Am. Chem. SOC. 107 (1985) 4320. 6, H. Bauer, A. Brinkmeier, J. Buddrus, M. Jablonowski, Liebigs

Ann. Chem. 1986, 1804. 7, Die Gleichgewichtsmischung enthalt noch einen gewissen Anteil

an hydratisiertem Aldehyd (s. Abb.). Die Hydratisierung verlauft allerdings vie1 langsamer als die wechselseitige Umwandlung der Ring-Ketten-Tautomeren und ubt deshalb nahezu keinen Ein- fluI3 auf die Geschwindigkeit der Ringoffnung aus, wie auch Mo- dellrechnungen zeigen.

*) G. Binsch, J. Am. Chem. SOC. 91 (1969) 1304; D. S. Stephenson, G. Binsch, Quantum Chem. Progr. Exch. 10 (1978) 365.

9, Das modifizierte Rechenprogramm erlaubt die Eingabe von in- dividuellen Linienbreiten (s. Experimenteller Teil) und die Kor- rektur von Linienhohen (ein Korrekturfaktor fur jedes Spinsy- stem).

lo) Streng genommen gilt kenp = kHlo + kH+ . [H'] und kerp = k - ~ ~ o + k-H+ . [H+]. Die Geschwindigkeitskonstanten der durch Wasser katalysierten Ringoffnung und -schlieBung, kH20 und kH20 sindjedoch vie1 kleiner als kexp bzw. kdeap und konnen daher vernachlassigt werden.

'I) Organic Synthesis, Coll. VoZ. 111, 470. 12) P. K. Glasoe, F. A. Long, J. Phys. Chern. 64 (1960) 188.

! I 3 ) D. W. Vidrine, P. E. Petersen, Analyt. Chem. 48 (1976) 1301. j4) Zuordnung nach A. J. de Hoog, Org. Magn. Reson. 6 (1974) 233.

CAS-Registry-Nummern 1: 4221-03-8 / 2,3-Dihydropyran: 110-87-2

Liebigs Ann. Chem. 1987, 547-548