unterwegs 22/2010

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24. Oktober 2010 ISSN 1436-607X Märtyrer: Zeugen des Glaubens Fantasie in der Kirche n Wie wir die göttliche Logik erkennen können. Seite 9 Gräben in der Stadt n Hintergründe zum Protest gegen »Stuttgart 21«. Seite 10 Bibel auf der Insel n Was Robinson Crusoe mit Methodismus zu tun hat. Seite 20 Magazin der Evangelisch-methodistischen Kirche 22/2010 Magazin der Evangelisch-methodistischen Kirche

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Das Magazin der Evangelisch-methodistischen Kirche

Transcript of unterwegs 22/2010

24. Oktober 2010ISSN 1436-607X

Märtyrer: Zeugen des Glaubens

Fantasie in der Kirchen Wie wir die göttliche

Logik erkennen können. Seite 9

Gräben in der Stadtn Hintergründe zum Protest

gegen »Stuttgart 21«. Seite 10

Bibel auf der Inseln Was Robinson Crusoe mit

Methodismus zu tun hat. Seite 20

Magazin der Evangelisch-methodistischen Kirche 22/2010Magazin der Evangelisch-methodistischen Kirche

::: Vorweg2

kurz gesagt

So erreIchen SIe unS:Redaktion »unterwegs« Telefon 069 242521-150 E-Mail: [email protected]: 0711 83000-0

chrIStlIche MInderheIten werden in den Katastrophen-gebieten Pakistans bei Hilfs- und Aufbaumaßnahmen benachteiligt. Das hat das christliche Hilfswerk Open Doors (Kelkheim bei Frank-furt am Main) mitgeteilt. Partnerorganisationen in Pakistan hätten über 1.000 Meldungen dokumentiert, in denen Christen von Benach-teiligung bei der Verteilung von Hilfsgütern berichten. Manche würden zum Über-tritt zum Islam aufgefordert, wenn sie Hilfe erhalten wollten.

dIe Schuld der eVanGelI-Schen KIrche gegenüber Frauen hat der bayerische Landesbischof Johannes Friedrich bekannt. Viel zu lange habe sie Frauen den gleichberechtigten Zugang zum Pfarramt verweigert, sagte er beim 75. Jubiläum des bayerischen Theologin-nenkonvents in Nürnberg. Unzählige Frauen hätten »bitter und erniedrigend erfahren müssen, dass ihr Zeugnis in der Kirche nichts galt«. Das habe tiefe Wunden geschlagen. Die bayerische Landeskirche führte 1975 gegen erhebliche innerkirch-liche Widerstände als eine der letzten evangelischen Kirchen in Deutschland die Frauenordination ein.

KrItIK Von den MedIen müssen Religionsvertreter aushalten. Das hat der Men-schenrechtsexperte Heiner Bielefeldt (Erlangen) betont. »Ohne Meinungsfreiheit gibt es auch keine Religionsfrei-heit«, sagte er bei einer Tagung in Nürnberg.

Religiöse Empfindlichkeiten dürften daher kein Grund für Einschränkungen der Medienfreiheit sein. Sensible Themen wie Zwangsverhei-ratung, Burka, Ehrenmord oder sexueller Missbrauch dürften nicht tabuisiert werden. Bielefeldt ist Professor für Menschen-rechte an der Universität Erlangen- Nürnberg und als erster Europäer UN- Sonderberichterstatter für Religions freiheit.

PFarrer VolKer SchulZ ist zum Bischof der Brüder- Unität eingesegnet worden. Der 52-Jährige ist Pfarrer der Herrnhuter Brüder-gemeine in Basel. Er wuchs in Königs feld (Schwarzwald) auf und studierte in Bethel, Berlin, Zürich und Heidel-berg Theologie. Seinen Pfarrdienst versieht er seit 1983 in der Brüder-Unität. Seit 2005 ist Schulz Präsident der Herrnhuter Mission in der Schweiz. Das Bischofsamt ist in der Brüder-Unität ein seelsorger-liches Amt für die gesamte Kirche. Die äußere Leitung der Kirche gehört nicht zum Auftrag der Bischöfe.

MIt 35 MIllIonen euro unterstützt die Bundes-regierung die Feiern zum 500. Jubiläum der Reforma-tion im Jahr 2017. Das er-klärte Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) kürzlich vor dem Kultur-ausschuss des Deutschen Bundestags. Jährlich seien fünf Millionen Euro für die Luther dekade in seinem Etat.

epd / idea / B. Lassiwe

»Gott hat gewonnen!« Dieser Satz ging um die Welt, nachdem eine Rettungskapsel die ersten Bergleute in der chilenischen Atacama-Wüste aus einem eingestürzten Schacht herausgeholt hatte. 70 Tage waren sie in 700 Metern Tiefe einge-schlossen. Am 13. Oktober schaff-ten die Bergungsmannschaften, was viele nicht für möglich gehalten hatten: Alle 33 Eingeschlossenen wurden wohlbehalten gerettet. Die Medien sparten nicht mit Schlagzeilen: »Das Wunder von Chile« oder »Gott ist ein Kumpel« war zu lesen. »Die Erde hat einen Sohn geboren«, sagte ein TV-Re-porter vor Ort. Als »Symbol der Hoffung für die ganze Welt« wurde die Rettungsaktion gefeiert. Bilder von betenden Menschen gingen um die Welt. Zugegeben: Es fällt mir schwer, manchen Medien den plötzlichen Anfall von Religiosität abzuneh-men. Das meiste ist einfach zu dick aufgetragen. Ich bin auch dagegen, religiöse Gefühle medial auszu-schlachten. Aber ist es nicht tröst-lich zu erleben, dass dort, wo Worte fehlen und das übliche Dauerge-schwätz verstummt, Menschen Gott entdecken? Das macht mir Mut, auch in den weit weniger dra-matischen Situationen meines All-tags fest mit Gottes Wirken zu rechnen. Wunder gibt es nämlich nicht nur in der Atacama-Wüste, sondern auch direkt vor meiner Haustür. Ihr Volker Kiemle Redaktionsleiter

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Eine evangelische Kirchengemeinde, irgendwo in Berlin. 15 Männer und Frauen haben sich am Sonntagnachmittag zusammengefunden, singen

persische Lieder, sprechen Gebete. Vor dem Altar steht ein älterer Mann mit Brille, ganz in Schwarz gekleidet. Es ist Sadegh Sepheri. Der ehemalige Generalsekretär der iranischen Bibelgesellschaft trat als junger Mann vom Islam zum Christentum über.

»Schon an der muslimischen High-School interes-sierte ich mich für die Religion«, sagt Sepheri. Aber auf seine Fragen erhielt er nie befriedigende Antwor-ten. Im Iran, noch zur Zeit des Schah-Regimes, mach-te er sich auf die religiöse Suche. »Ich habe Gottes-dienste der Bahaii besucht, aber auch dort wurde ich nicht glücklich«, sagt Sepheri. Ein christlicher Arbeits-kollege schenkte ihm ein Neues Testament. Über ihn lernte Sepheri einen Pastor aus Armenien kennen. »Der lud mich in eine Hausgemeinde ein.« Dort mach-te Sepheri eine Entdeckung: An der Wand hing ein Bilderrahmen, darin drei Worte: »Gott ist Liebe.« »Ich kannte mehr als 1.000 Namen Allahs aus dem Koran, aber dass Gott Liebe ist, habe ich dort nicht gelesen«, erinnert sich der Pfarrer.

Der Iraner begann, im Neuen Testament zu lesen. Regelmäßig besuchte er die Hausgemeinde und ließ sich schließlich taufen. Danach schloss er sich einer presbyterianischen Gemeinde an. »Die dortigen Men-schen habe ich nach dem Gottesdienst oft nicht ver-standen«, erzählt er.

Nach einiger Zeit begann er, seinen Mitmenschen von seiner Taufe zu erzählen. »Mein Chef wurde wü-tend und beschimpfte mich«, sagt Sepheri. Auf An-weisung seines Chefs musste er abends in ein Haus kommen, in dem ein muslimischer Geistlicher lebte. »Ich sollte mit ihm sprechen und mich von ihm wieder zum Islam bekehren lassen«, sagt Sepheri. »Aber ich habe einen Fehler gemacht: Ich habe gegen den Koran argumentiert, anstatt die Vorzüge des Christentums hervorzuheben.« Sepheri schuf sich Feinde. Ein Killer wurde auf ihn angesetzt. »Ein Mitarbeiter auf dem Basar hat mich davor gewarnt«, sagt Sepheri. »Sonst wäre ich heute schon tot.« Sepheri behielt das Leben, verlor aber seine Arbeitsstelle.

Als Traktatverteiler half er in der iranischen Bibel-gesellschaft aus. Er besuchte die Bibelschule der pres-byterianischen Gemeinde in Teheran. Nach verschie-denen Seelsorgetätigkeiten wurde er zum Pastor ordi-niert und begann, als Generalsekretär der iranischen Bibelgesellschaft zu arbeiten. Dann kam die islami-sche Revolution. Immer wieder wurde der Pastor ver-haftet. Schließlich legte man ihm ein vorgefertigtes Geständnis vor, wonach er Spion des Westens gewesen sei, und forderte ihn auf, dieses Papier binnen eines Monats zu unterschreiben. »Als Christ lüge ich nicht, und ich war kein Spion des Westens«, sagt Sepheri. 1989 verließ er den Iran, für immer.

Heute ist Sepheri in ganz Europa aktiv. In Berlin und zahlreichen anderen Städten betreut er iranische Ge-meinden. Waren es erst nur Flüchtlinge aus den christ-lichen Gemeinden Persiens, versammeln sich heute auch viele Muslime, die in Europa zum Glauben ka-men, in den Gottesdiensten Sepheris. »Seit 1989 habe ich rund 450 Menschen getauft«, schätzt Sepheri.

Bekehrt zum Gott der LiebeSadegh Sepheri trat als junger Mann vom Islam zum Christentum über. Trotz vieler Widerstände hielt er daran fest und wurde sogar Generalsekretär der iranischen Bibelgesellschaft. Benjamin Lassiwe hat ihn getroffen.

BENjaMIN LaSSIWEist freier journalist und spezialisiert

auf Themen rund um Kirche und Diakonie.

Er lebt in Berlin.

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Was genau ist eigentlich ein Martyrium?hüSeyIn cIceK: Martyrium wird heute meist gleichgesetzt mit »Leiden« und taucht daher in-flationär auf – vor allem in den Medien. Wenn man aber zum Ursprung zurückgeht, so landet man beim jüdischen Begriff »Kiddush Hashem«, was so viel bedeutet wie »Heiligung des göttlichen Namens«. Das heißt, jede gläubige Jüdin und jeder gläubige Jude, die oder der nach den Geboten und Gesetzen des Judentums lebt, ist eine Zeugin beziehungsweise ein Zeuge des Judentums. Stirbt ein solcher Zeuge, wird er gleichzeitig zum Märtyrer. Das ist auch sehr wichtig für das Verständnis des muslimischen Märtyrerbe-griffs. Dort heißt der entsprechende Begriff »Fi sabil Allah«, was so viel bedeutet wie »Auf dem Wege Gottes«. Auch hier gilt: Wer alle Gesetze und Gebote beachtet, ist ein Zeuge des Islam und wird, wenn er stirbt, zum Märtyrer.

Und wie ist das im Christentum?hüSeyIn cIceK: Ganz anders! Da haben wir Jesus Christus, den Gottessohn, der ein normschaffendes Vorbild für alle Christen ist. Diese »Imitatio Christi«, also die Aufforderung, Christus nachzufolgen, ist für das Christentum grundlegend. Und dazu gehört auch das Leiden, das Jesus Christus durchstehen musste.

Das ist ein ganz anderes Modell als im Judentum und im Islam! Die Propheten im Islam und Judentum – etwa Mohammed und Moses – sind gleichzeitig Heer-führer und geistliche Führer. Das gibt es im Christentum nicht: Jesus ist ein spiritueller Führer und nimmt daher eine ganz andere Rolle ein. In der heutigen westlichen Welt bedeutet Martyrium meist nur, dass jemand gelitten hat. Das verkürzt den Begriff erheblich.

Gibt das Martyrium der Religion Sinn?hüSeyIn cIceK: In erster Linie ist es Gott, der seine Gesetze und Gebote den Menschen offenbart, auf den sich die Religion gründet! Das gilt für alle drei ge-nannten Religionen. Der Mensch hat die Freiheit, sich an die Gebote zu halten oder nicht. Der Märtyrer ist aber einer, der unter allen Umständen – auch unter Lebensgefahr – an diesen Geboten festhält. Und genau aus diesem Grund haben etwa in der Zeit des Na-tionalsozialismus viele Menschen dem Regime den Gehorsam verweigert und wurden so zu Märtyrern. Auch im Islam gibt es Bewegungen des gewaltlosen Widerstands – etwa die Gruppe um den Inder »Khan Abdul Ghaffar Kahn«, dessen Gefährten ihr Zeugnis in ihrem gewaltlosen Widerstand gegen die Besat-zungsmacht Großbritanniens unter Beweis gestellt haben.

Braucht Gott Märtyrer?hüSeyIn cIceK: Nein! Gottes Botschaft in Jesus war ja die, dass das Heil für alle Menschen gilt und nicht nur für die Juden. Insofern trat Jesus gegen die un-gerechte Ausgrenzung ein, die das Judentum vor-genommen hat. Wenn nun Menschen in Anlehnung an Jesus gegen Ungerechtigkeit auftreten, dann kann ihnen das Martyrium von außen aufgezwungen werden.

Der große kleine Unterschiedanhänger aller Religionen werden um ihres Glaubens willen verfolgt. Doch während im Islam und im judentum alle gesetzestreuen anhänger, die sterben, als Märtyrer gelten, hat sich im Christentum ein anderer Märtyrerbegriff durchgesetzt. Der Politikwissenschaftler und Theologe Hüseyin Cicek wirft im Gespräch mit Volker Kiemle einen Blick auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten.

Dr. Hüseyin Cicek (32) wurde in der Türkei geboren und lebt seit Mitte der 1980er jahre in österreich. Ursprünglich alevit, ist er heute römisch-katholischer Christ. Nach einer ausbil-dung zum Maurer erlangte er auf dem zweiten Bildungs weg die Hochschulreife und studierte Politikwissenschaften, katholi-sche Theologie und Zeitgeschichte. Seine Doktorarbeit mit dem Titel »Kriteriologie und Signifikanz des christlichen, des muslimischen und des politischen Martyriums« wurde an der Universität Innsbruck angenommen.

Zur PerSon

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Die Historische Kommission der europäischen methodistischen Zentralkonferenzen lud im August zu einer Tagung nach Budapest ein (siehe

auch »unterwegs« 19/2010). In den Vorträgen wurde die Zeit von 1945 bis 1965 beleuchtet. Pastor Dr. Johnston McMaster aus Irland sprach über friedensbildende Pro-zesse in Kirche und Gesellschaft. Seine einleitende Bemerkung klingt in mir nach. Er sagte: »Logik hilft uns, von A nach B zu kommen; Vorstellungskraft bringt uns überall hin.« Dabei verwies er auf die Vision von Frieden und wirtschaftlicher Stabilität, die Charles de Gaulle und Konrad Aden-auer entwickelt hatten, um die Aus-söhnung zwischen Deutschland und Frankreich voranzubringen.

Bringt uns visionäres Denken wirk-lich überall hin? Zwingen uns nicht früher oder später Sachzwänge zu logi-schen Schritten? Wir entwickeln Ideen, wie unsere Kirche in Zukunft aussehen könnte: Bunter soll sie sein, vielfältiger. Wir träumen von neuen Orten und anderen Formen, um Menschen in Not zu dienen. Wir lassen uns inspirieren durch Erfahrungsberichte: In England mieteten Methodisten einen Laden und treffen sich dort mit Arbeitslosen zum Brotbacken. Eine Kirche, die nach einer Gemeindefusion leer stand, wurde zu einem Jugendtreff umgestaltet.

Es wäre schön, wenn wir Ähnliches wagen könn-ten. Solche Begegnungsstätten sind Orte, wo Brücken gebaut werden zwischen Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten und zwischen Frommen und Ent-kirchlichten. Wenn wir die Realisierung solcher Träu-

me prüfen, sehen wir uns zu logischen Berechnungen gezwungen. Woher nehmen wir die Mittel, um neue Räume zu schaffen? Welche Menschen können wir freistellen, damit sie ungewöhnliche Aufgaben im Namen der Evangelisch-methodistischen Kirche aus-üben? Können wir uns noch visionäres Denken erlau-ben angesichts unserer Sparzwänge?

Was in der Bibel vom Umgang mit materiellen Gü-tern steht, entspricht oftmals nicht der Logik, die die meisten unserer Zeitgenossen anwenden. »Mein Geld

gehört mir«, so sind wir geprägt, und wir wollen möglichst viel davon für uns auf die hohe Kante bringen. Jesus lädt jedoch ein, Besitz als von Gott an-vertrautes Gut zu sehen, das mit den Armen geteilt werden soll. So sammelt man sich unvergängliche Schätze im Himmel. Paulus beschreibt in 2. Korin-

ther 9 seine Vision von gegenseitiger Hilfe, die aus freien Stücken geschieht: »Euer Überfluss diene ihrem Mangel!« So ermutigt er die Korinther, Geld für die Jerusalemer Urgemeinde zu spenden.

Im Alten Testament ist davon die Rede, dass Gott der Zehnte gehört. Wir könnten die Abgabe des Zehn-ten auch als geistliche Praxis verstehen, die uns vom Reich Gottes her denken lehrt. Bischof Robert Schnase schreibt in seinem Buch »Fruchtbare Gemeinden und was sie auszeichnet«, Großzügigkeit sei ein Ausdruck der Jüngerschaft. Ich ermutige uns, Zeit zu investieren, um die Vision des Teilens auszumalen. Wenn Gott uns die Gnade des Gebens schenkt, wird sein Reich unter uns und durch uns wachsen. Rosemarie Wenner

Die Vision vom TeilenVisionen bringen uns persönlich und als Kirche weiter. aber wie können wir angesichts aktueller Sparzwänge Visionen überhaupt realisieren? Bischöfin Rosemarie Wenner ermutigt uns, hier nicht die menschliche, sondern die Logik der Bibel anzuwenden.

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Wenn Gott uns die Gnade des Gebens

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Es ist wieder ruhiger geworden um den Stutt-garter Hauptbahnhof. An die vielen Polizisten und Bahn-Wachleute, die überall in kleinen

Gruppen herumstehen, hat man sich genauso gewöhnt wie an die Polizeikonvois, die immer wieder ihr zu-ckend-blaues Licht auf die nächtliche Stadt werfen.

Unweit des Bahnhofs, im Mittleren Schlossgarten, herrscht eine fast ausgelassene Stimmung. Dort, wo am 30. September der Staat mit Wasserwerfern und Pfef-ferspray seine Macht demonstriert hat, haben ein paar junge Menschen Zelte aufgeschlagen. Trommler, Gitar-renspieler und Jongleure zeigen ihre Kunst. Hier haben sich die Hartgesottenen unter den Demonstranten ge-gen das Bahnprojekt »Stuttgart 21« versammelt. Sie harren dort aus seit der Nacht vom 30. September auf den 1. Oktober, in der in Stuttgart eine neue Zeitrech-nung begonnen hat. Mit der Fällung von 25 alten Bäu-men bekräftigten die Deutsche Bahn und die baden-württembergische Regierung ihren Willen, Stuttgart 21 zu realisieren. Jetzt tauchen Flutlichtstrahler die durch einen hohen Stahlzaun gesicherte Brache in gespensti-sches Licht. 25 alte Bäume standen hier, gefällt am 1. Oktober 2010 zwischen 1 und 6 Uhr.

Gebete für den WaldDas und die Stellwände mit Plakaten und Zeitungs-artikeln und die roten Kerzen um die Bäume herum zeigen, dass hier kein Feriencamp aufgebaut ist. An der so genannten Blutbuche findet jeden Mittwoch eine Andacht statt. Dort drängen sich jetzt 400 bis 500 Menschen, die ihre Ängste, ihre Sorgen und ihre Wut vor Gott ausdrücken wollen. Sie stehen im Kreis, beten, singen. Sie legen Blätter, Zweige und Gebete auf dem Altar ab und reden vom »Doktor Wald«, in dessen Nähe sie sich gesund fühlen. Sie schweigen und atmen tief die Luft ein. Es sind Mittvierziger im Sakko, junge Leute in Jeans und Anzugträger mit De-signer-Brille. Sie könnten genauso gut im Sonntag-morgengottesdienst stehen. »Hilf uns aufeinander zu-zugehen und das Gespräch zu suchen«, sagt eine Frau bei den Fürbitten.

Eine andere Frau erzählt von ihrem »Opa-Baum«, den sie jeden Tag umarme. »Und jetzt machen die da oben so eine Sauerei«, sagt sie und weint. Im Baum ströme Gottes Lebensblut, meint ein anderer. Nicht nur die Stimmung ist aufgeheizt. Auch die Sprache ist auf-geladen. Religiöse und militärische Bilder prägen die Ansprachen. Es herrscht eine Art Glaubenskrieg, gera-de bei den Umweltschützern, die die Schöpfung glauben verteidigen zu müssen und manchmal Gott selbst an-gegriffen sehen. Hans-Hermann Böhm, Umweltbeauf-tragter der württembergischen evangelischen Landes-kirche, würde diese »Überhöhung«, wie er es nennt, gerne wieder auf eine Vernunftebene bringen. »Im Al-ten Testament werden Gestirne entmythologisiert«, er-zählt er. »Das würde ich hier auch anraten.« Seiner Meinung nach werden Register gezogen, die sonst nicht gezogen würden. »Ich halte es auch für schwierig, ein Monopol der Auslegung zu beanspruchen«, sagt Böhm. Das sei nicht protestantisch.

religiös überhöhter ProtestDie religiöse Überhöhung hat zugenommen, seit die Polizei Wasserwerfer und Pfefferspray eingesetzt hat. Die Bilder eines alten Mannes, der mit blutigen Augen von zwei Helfern aus der Gefahrenzone weggeführt

Stuttgart 21: Warum das Bürgertum protestiertEs geht um mehr. Um mehr als Verkehrspolitik, um mehr als einen Bahnhof, um mehr als Bäume. In der auseinandersetzung um das Bahnprojekt Stuttgart 21 zeigt sich eine Kluft, die die ganze Gesellschaft erfasst hat und spaltet. Seit am 30. September Wasserwerfer eingesetzt wurden, sind die fronten zementiert. alexander Schweda und Volker Kiemle beleuchten die Wurzeln des Konflikts.

Eine art Klagemauer ist der Bauzaun am Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Inzwischen hat sogar das städtische archiv Interesse angemeldet.

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wird, sind durchs Land gegangen. Seither sind die Fronten verhärtet – auf beiden Seiten. Auch der Ver-such, mit Heiner Geißler einen Vermittler zu in-stallieren, wird von vielen Projektgegnern mit ge-mischten Gefühlen betrachtet. In der Sache, da sind sich viele sicher, wird es keine Kompromisse geben.

Denn der Ärger der Demonstranten geht tiefer. Viele fühlen sich auch durch die Worte getroffen, die sie sich vergangenen Wochen von Politikern der Landesregie-rung anhören mussten. Von unduldsamen, wohl-standsverwöhnten Berufsdemonstran-ten sprechen Ministerpräsident Stefan Mappus und sein Justizminister Ulrich Goll. Dabei kommt der Protest aus der Mitte der Gesellschaft. Die Braven, Fleißigen, politisch eher Konservativen. Darunter viele, die an Stuttgarts Halb-höhenlagen und in den besseren Stadt-teilen wohnen. Dort, wo Ruhe erste Bürgerpflicht und Bürgerengagement selbstverständlich ist. Es sind die Leistungsträger, um die die Politik immer wirbt. Sie fühlen sich nicht ernst genommen und verunglimpft.

das konservative Bildungsbürgertum marschiert mitDa ist der Manager, Anfang 50, der seit mehr als 30 Jahren die CDU gewählt hat und im kommenden Frühjahr zum ersten Mal seine Stimme den Grünen geben wird. Oder die sichtlich gutsituierte Frau An-fang 60, die sich im Hospizverein engagiert und Stammgast im »Hospitalhof«, dem Haus der evan-gelischen Erwachsenenbildung in Stuttgart, ist. Weiß-bärtige Männer mit hellen Augen, sportliche Berg-steigertypen, Mütter mit ihren Kindern, Geschäfts-leute im Anzug, junge Kerle in Strickjacken – die wöchentlichen Demonstrationen sind auch ein Spiegel des Bildungsbürgertums – konservativ wie progressiv.

Auch wenn viele erst jetzt protestieren: Der Wider-stand ist so alt wie die Pläne. Am Anfang setzte die Stadt auf Bürgerbeteiligung – was aber nur hieß, dass die Bürger sich Gedanken machen sollten, was mit den

frei werdenden Flächen geschehen sollte. Das Projekt selbst stand nicht zur Debatte. Aber bis zum vergange-nen Frühjahr hatte niemand so recht geglaubt, dass es tatsächlich etwas werden würde mit Stuttgart 21. Denn Bahn und Politik hatten jahrelang verhandelt, zuletzt hatte sich die Unterzeichnung der Verträge immer wieder verzögert.

Auch als im Februar die Finanzierung endlich per Unterschrift geregelt und der erste Prellbock abgebaut wurde, empfanden viele Menschen das als eine rein

symbolische Aktion ohne großen Wert. Dennoch begannen schon da-mals die wöchentlichen Demonstra-tionen. Sie bekamen immer mehr Zu-lauf, zuletzt zählten die Veranstalter bis zu 100.000 Teilnehmer. Diese Men-gen halten die Polizei in Atem. Der Hauptbahnhof wird immer wieder zum

Hochsicherheitsgebäude. So sicher, sagen manchen habe man sich in Stuttgart lange nicht mehr gefühlt.

die Macht der ohnmachtFür viele ist die massive Polizeipräsenz eher ein Zeichen der Ohnmacht – auf allen Seiten. Sie setzen auch in den Vermittlungsversuch mit Heiner Geißler nicht viel Hoffnung. »Schon der Auftakt mit der Verwirrung um den Baustopp war ja symptomatisch«, sagt Helmut Rothfuß, leitender Pastor des Bezirks Stuttgart-Mitte. »Ich glaube nicht, dass eine Vermittlung in der Sache überhaupt möglich ist – einen halben Bahnhof gibt es nicht.« Ohnehin sei der Protest »Ausdruck einer tiefen Vertrauenskrise in die Politik«. »Wie soll Geißler da vermitteln?« Es könne in diesem Konflikt auch nicht die Aufgabe der Kirche sein, sich auf die eine oder andere Seite zu schlagen. Vielmehr sollte sie auf die Formen der politischen Willensbildung und des sozialen Umgangs Einfluss nehmen. »Da war mit dem Wasser-werfereinsatz am 30. September eindeutig eine Grenze erreicht. Mit dieser Machtdemonstration hat sich meines Erachtens die Schwäche der Politik gezeigt.«

Religiös aufgeladen: Demonstranten haben für jeden gefällten Baum ein Kreuz in den Stuttgarter Schlossgarten gestellt.

Die demonstrierenden Bürger fühlen sich von

den Politikern verunglimpft.

::: Verfolgt um des Glaubens willen12 ::: Familie

Nach langer Funkstille habe ich meinem Mann einen offenen Brief geschrieben und ihm mit-geteilt, was ich vermisse und was ich an ihm

mag«, erzählt Susanne Schmitz (alle Namen geändert). Sie ist seit 25 Jahren verheiratet. »Das war der Auftakt zu vielen Gesprächen und Unternehmungen.« Herbert Feyerabend, seit 40 Jahren verheiratet, sagt: »Als die Kinder größer waren, entdeckten wir gemeinsam neue Hobbys: Wir machten Tanzkurse, erschlossen uns Wan-derwege, suchten uns einen Kegelverein. Jetzt geht uns der Redestoff nie aus.« Marianne Müller, ebenfalls seit 40 Jahren verheiratet, sagt: »Eine lange Ehe ist eben so: Mal möchte man den Partner auf den Mond schießen, dann wieder verliebt man sich neu. Mein Mann und ich streiten uns fast täglich, aber danach lachen wir immer zusammen.«

Kommunikation in der Ehe will gelernt sein. Und es kann gelernt werden – auch in Kursen der kirchlichen Erwachsenenbildung. Außerdem gibt es viele Berater. Wie zum Beispiel Dirk Revenstorf, Professor für kli-nische Psychologie und Paartherapeut. Oder Nora Nägele, Coach für Berufs- und Partnerschaftsfragen.

der erste Schritt zur besseren Gesprächskultur: unterschiede anerkennen

Beide Experten kritisieren, dass viele junge Menschen mit überzogenen Vorstellungen eine Beziehung be-ginnen: Wie im Liebesfilm oder Roman, so soll der oder die Richtige in jeder Hinsicht perfekt zum ei-genen Wesen und den eigenen Interessen passen. Revenstorf warnt vor dieser Erwartungshaltung: »Eine Symbiose anzustreben, ist auf Dauer un-realistisch. Männer und Frauen stammen nun mal aus zwei Welten.« Paarcoach Nora Nägele betont, dass jeder besser daran tut, zu akzeptieren, dass Mann und Frau gleiche Gefühle unterschiedlich zeigen.

Warum das also nicht anerkennen? Weshalb nicht ab und zu getrennt etwas unternehmen? »Wenn Frau-

en mit Frauen ausgehen und Männer mit Männern, kann jeder dort Weiblichkeit oder Männlichkeit tan-ken«, gibt Revenstorf zu bedenken. Das belebt auch die Ehe. Vorausgesetzt natürlich, unter Freundinnen und Kumpels wird nicht nur über die »zickigen Wei-ber« oder »faulen Kerle« hergezogen, sondern eine Partnerschaft grundsätzlich respektvoll behandelt.

der zweite Schritt: die liebessprache des anderen lernen

Nora Nägele verweist auf die Erkenntnisse ihres amerikanischen Kollegen Gary Chapman: »Chapman zählt fünf Sprachen der Liebe auf«, sagt sie:

nLob und AnerkennungnZeit nur zu zweitnGeschenkenHilfsbereitschaft nZärtlichkeit. Sprechen zwei Menschen unterschiedliche Liebes-

sprachen, belastet das die Kommunikation. Auch zwischen Mutter und Kind oder Freunden. Ein typi-sches Missverständnis zwischen Eheleuten: Der Mann zeigt seine Liebe durch Hilfsbereitschaft, die Frau träumt von Geschenken. Wenn keiner sich bemüht, die gute Absicht hinter dem Handeln des Partners zu sehen, fühlen sich beide zu kurz gekommen. Paarthe-rapeuten können da Dolmetscher sein, zwischen Frau und Mann vermitteln. »Aber auch, wenn nur ein Partner kommt und sich ändert, entsteht ein neues Klima in der Beziehung«, sagt Nora Nägele.

der dritte Schritt: regelmäßig Gelegenheit zum reden herstellen

Viele Paare verlernen irgendwann, richtig miteinander zu reden. Jahrelang stehen Beruf und/oder Kinder im Mittelpunkt, fürs gemütliche Ausgehen zu zweit

So kommen Paare wiedermiteinander ins GesprächReden, reden, reden: Wenn die Kommunikation stimmt, dann hat die Liebe eine gute Chance, Bestand zu haben. Der Tübinger Psychologe, Paartherapeut und autor Dirk Revenstorf und die Paarberaterin Nora Nägele erklären, wie es geht: Mit Ehrlichkeit, Vorausplanung – und der Gelegenheit, zu schweigen. Petra Plaum hat daraus fünf Schritte zusammengestellt, wie Ehepartner (wieder) ins Gespräch miteinander kommen.

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Beeindruckender Reichtum an GabenMehr als 260 Bezirke gibt es in der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland. alle haben ihre eigene Prägung. In »unterwegs« stellen wir sie vor. In dieser ausgabe geht es nach Breitenbrunn.

BeZIrK BreItenBrunn

hier sind wir:Die Gemeinden Breitenbrunn, Antonsthal und Ritters-grün liegen in einer flächenmäßig weit gestreuten Ver-waltungsgemeinschaft, in der es im Vergleich zu den meisten Regionen Ostdeutschlands relativ viele Christen in unterschiedlichen Gemeinschaften gibt. Die Umgebung war zu Zeiten der DDR eine beliebte Urlaubsregion. Die Hoffnung, dass dies nach der politischen Wende so bleiben würde, hat sich al-lerdings nicht erfüllt. Die Ferienwohnungen stehen meist leer oder werden an Studenten vermietet, die an der Berufsakademie in Breitenbrunn lernen. Anfangs haben wir von diesen jungen Leuten Aufbrüche und Impulse für unsere Gemeinden erwartet, bislang blieben sie aber unter sich und brachten sich nicht in unsere Jugendarbeit ein.

das machen wir:Wir versammeln uns jeden Sonntag in Antonsthal und Breitenbrunn zum Gottesdienst, Kindergottesdienst und Kirchenkaffee. Wochentags finden wir uns zu kirchlichem Unterricht, morgendlichen Gebets-gemeinschaften, Bibelstunde und Seniorenkreis zu-sammen. Breiten Raum nehmen die musikalischen Kreise in der Gemeinde Antonsthal ein. Wir freuen uns, dass es neben Posaunenchor, Gemischtem Chor und Männerchor immer wieder spontane neue Auf-brüche wie Jugendchor und Liedvorträge von jungen Erwachsenen und Kindern gibt. Gerne hätten wir auch wieder Hauskreise nach alter methodistischer Tradition, die entscheidenden Impulse zur Wie-derbelebung haben wir aber noch nicht gefunden. So trifft sich einmal im Monat der Gemeindevorstand in Antonsthal zum Bibelgespräch.

Warum wir das machen:Unsere Gemeindearbeit dient den Menschen in unserem Lebensumfeld, weil dies der Wille unseres Gottes ist. Für die meisten unserer Gemeindemit-

Gemeindeporträt ::: 15

glieder wäre das Leben ohne ihre Gemeinde unvor-stellbar. Dabei dürfen wir gerade dort einen beein-druckenden Reichtum an Gaben entdecken. Wir wollen mit beiden Beinen im Leben stehen und eine Atmosphäre der Echtheit ausstrahlen, die auf unsere Mitmenschen so einladend wirkt, dass sie den Weg zu Gott finden können. Gerade dies lässt sich nach unseren Erfahrungen nicht programmatisch erreichen. Entscheidend ist, was wir im Alltag und in den Gottes-diensten (an Zeugnis) vorleben.

das haben wir noch vor:Für kleiner und immer älter werdende Gemeinden ist diese Frage am schwersten zu beantworten. Angesichts des Auftrages, den uns Gott gibt, und vor allem angesichts des Reichtums an Gaben in unseren Ge-meinden sind wir der Auffassung, dass wir nicht im Traditionalismus erstarren dürfen, sondern gerade jetzt neue Aufbrüche wagen müssen. Unsere Haupt-schwierigkeit dabei ist die Unterschiedlichkeit der Auffassungen und Vorstellungen, in welchen Be-reichen wir dies tun sollten, damit Neues einerseits segensreich ist und uns andererseits nicht überfordert. Ein hohes Maß an Offenheit, die Art unseres Mit-einanders und die Bereitschaft zum Zeugnis sind unserer Meinung nach ein erster wesentlicher Schritt, den wir gehen müssen.

Stefan Lenk

nDer Gemeindebezirk Breitenbrunn liegt im oberen Erzgebirge im Schwarzwassertal zwischen johanngeorgenstadt und Schwarzenberg. Er umfasst die Gemeinden Breitenbrunn, antonsthal und Rittersgrün. nZum Bezirk gehören 142 Kirchen -mitglieder und 107 Kirchenangehörige.nDas Gemeindeleben in allen drei Gemeinden ist geprägt von ständig abwandernden jugendlichen und jungen familien, deren arbeitsplätze meist in den alten Bundesländern liegen.

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leserbriefe

14 ::: aus Briefen an die redaktion

Ihre Leserbriefe erreichen uns am schnellsten per E-Mail:[email protected] Leserbriefe geben nicht in jedem fall die Meinung der Redaktion wieder. Wir behalten uns vor, Leserbriefe zu kürzen. Ein anspruch auf Veröffentlichung von Leserbriefen besteht nicht.

nicht nur wiederkäuen!Zu »Meine Meinung« (21/2010)

Natürlich darf jeder und jede in dieser Ecke seine und ihre Meinung äußern. Aber mir ist auch klar, wa-rum Volker Seybold die Auf-

regung um »Stuttgart 21« nicht so richtig versteht: Wer nur nach-plappert, was die Befürworter seit Jahren gebetsmühlenartig wieder-käuen, ohne diese Informationen zu hinterfragen, sollte lieber zu diesem Thema schweigen. Engagierte Bürger und verschiedene Verbände und Vereine haben sich mit Details befasst und sinnvolle Alternativen aufgezeigt, weil sie zu dem Ergebnis gekommen sind, dass dieses Projekt mehr Schaden anrichtet als Nutzen bringt. Aber weil sich die Befür-worter (und derzeit noch Ent-scheidungsträger) seit Jahren taub stellen, hilft nur lautstarker Protest. Nichts gegen Meinungsfreiheit, aber wenn sich die Meinung auf so dürre Fakten stützt, sollte man diese lieber für sich behalten und zugeben, dass man keine Ahnung hat. Matthias F. Kiemle, Stuttgart

Es ist in höchstem Maße ärgerlich, dass hier einer seine sehr einseitige Meinung zu Stuttgart 21 exponiert darstellen darf, ohne dass ein be-gleitender, ausgewogener Hinter-grundartikel in derselben Nummer erscheint. Und dies bei einem Thema, das die ganze Republik seit Monaten beschäftigt! Hier soll wohl der Eindruck erweckt und befördert werden, dass man in der EmK eher gegen die meiner Meinung nach sehr verantwortungsbewussten und wohlbegründeten Proteste gegen dieses milliardenverschlingende Großprojekt ist und im Zweifel ob-

rigkeitsgläubig zu sein hat. Unser soziales Bekenntnis lehrt mich da etwas anderes.

Karl Ernst Kreutter, Hochdorf

Die Meinungsäußerung von Pastor Volker Seybold taugt nicht als Kolumne für eine landesweit ver-breitete Kirchenzeitschrift. Der an-gesprochene Konflikt ist gesell-schaftlich und gesellschafts-politisch über Stuttgart hinaus zu brisant und zu komplex, um auf solch private Weise abgetan zu werden. Dass wir uns recht ver-stehen: Ich vermisse es sogar sehr, dass die Kirchen – auch meine Kirche – nicht öfter, schneller und immer wieder offiziell und redak-tionell zu Erscheinungen und Pro-blemen, die die Menschen nicht nur interessieren, sondern bedrängen, ihre Stimme ver-nehmen lassen und aus der christlichen Botschaft Wegweisung herleiten. Wer sonst eigentlich soll-te in einer immer indivi-dualistischer und rücksichtsloser werdenden Welt eine Orientierung vorgeben? Es geht nicht um eine Politisierung der Verkündigung, sondern um ein Eingehen vom Wort Gottes her auf die Dinge, die die Menschen tagtäglich um-treiben, ihnen Sorgen machen und offene Fragen hinterlassen. Das wäre denn auch vielleicht ein wirk-licher missionarischer Ansatz, der über die Kirchenwände hinaus- und möglicherweise sogar wieder auf sie zurückstrahlen könnte. Eberhard Steindorf, Zwickau-Planitz

annäherung durch Kompromisse?Zu »Frieden zwischen Religio-nen« (20/2010)Zu der erwähnten Podiumsdiskussion, bei der neben Bibellesungen auch eine Sure aus dem

Koran zu hören und laut unserer Bischöfin klar erkennbar war, dass man im Namen Jesu Christi, dem Sohn Gottes, zusammen ist: Dort

war mit Sicherheit kein gläubiger Moslem dabei, denn es ist völlig abwegig, dass sich ein solcher mit Christen im Namen des Sohnes Gottes zusammensetzt. Im Koran Sure 9 Vers 30 heißt es: »Die Christen sagen, Jesus sei ein Sohn Gottes. Allah bekämpft sie, von wo aus sie auch lügen.« Damit ist doch alles klar ausgedrückt. Selbstver-ständlich wollen wir alle Frieden zwischen den Religionen. Dieser Friedenswunsch muss aber auf Gegenseitigkeit beruhen – und da gibt es schon Defizite. Die Moslems respektieren einen klaren Glaubens-standpunkt und sie lachen über uns, wenn wir glauben, durch Kom-promisse eine Annäherung zu erreichen. Werner Bitzer, Balingen

Verdiente Personen fehlenZu »Neuwelt: 40 Jahre Gemeinde zentrum« (16/2010)Mit Interesse habe ich den Artikel zum 40. Geburts-tag des Gemeinde-

zentrums Schwarzenberg-Neuwelt gelesen. Allerdings fehlen zu diesem und zu DDR-Zeiten fast un-möglichen Bauprojekt die Namen der Pastoren G. Weigelt und F. Dietrich, unter deren Leitung nicht nur der Kirchenbau vollzogen wurde, sondern auch die tat-kräftiger Mitarbeit auf dem Bau-gerüst. Außerdem sollte die kirchliche Baubrigade mit Günter Reichelt und Walter Schmidt nicht unerwähnt bleiben, die mit ihrer Tatkraft und hohem persönlichen Einsatz wesentlich zum Gelingen des Kirchenbaues beigetragen haben. K. Dietrich, Erfurt

16unterwegsinfoAm 5. September konnte die Gemeinde der EmK-Kreuzkirche Berlin-Lankwitz einen großen Schritt machen: Der erste Gottes-dienst im neuen Gemeindezentrum wurde mit den Geschwistern aus anderen EmK-Gemeinden als Berli-ner Gemeindetag 2010 gefeiert. Mit 500 Personen (und 100 Kindern) wurde die Kapazität in der ehemali-gen Dachdeckerei gleich ausgenutzt.

Nicht wegen des neuen Ge-meindezentrums war der 5.

September ein besonderer Tag für die EmK in Lankwitz: Der gemein-same Eröffnungsgottesdienst am Berliner Gemeindetag war ein Zeichen der Verbundenheit. Einen ganzen Monat lang gab es danach besondere Veranstaltungen. Die »Einweihungszeit« wurde mit einem Nachbarschaftsfest am 2. Oktober und dem Einweihungsgottesdienst am 3. Oktober abgeschlossen.

Am Samstag gab es viele Ange-bote für Kinder, ein buntes Pro-gramm für alle Nachbarn und Gäste, die zahlreich am Nachmit-tag die neuen Räume angeschaut haben sowie Kaffee, Kuchen und Bratwurst. Auch zum offiziellen Einweihungsgottesdienst am Ern-tedank-Sonntag waren wieder alle

Plätze besetzt. Viele geladene Gäs-te, Baufirmen und Nachbarn wa-ren gekommen um gemeinsam mit uns zu feiern. Wir freuen uns sehr darüber, dass viele Fremde und Freunde der Einladung folgten und sind gespannt, was Gott mit uns in Lankwitz tun möchte.

das Bauprojekt:Nach mehreren Verschiebungen und einigen Hindernissen wurde die Bauabnahme der Kreuzkirche wenige Tage vor dem ersten Eröffungsgottesdienst erfolgreich durchgeführt. Einige Mängel wurden in den letzten Wochen auf-

gedeckt und mussten mit großem Engagement schnell behoben werden.

Trotz Bauabnahme und Einwei-hung ist noch nicht alles fertig! Manche Räume sind zu Beginn noch gesperrt und einige Mängel sind noch zu beheben. So bleibt auch noch einiges auf der »Baustel-le« zu tun, aber wir sind überaus dankbar, dass wir nach dreijähriger Umbauzeit in die alte Dachdeckerei umziehen konnten und neue Frei-räume nutzen können.

Markus Hinz www.bauprojekt.kirche-mit-

aufwind.de

Lankwitz: Gemeindezentrum eingeweiht

kurz &bündig40 Jahre VerSöhnunGSKIrche

feiert die EmK-Gemeinde Neu-welt (siehe auch »unterwegs« 16/2010) in diesem Jahr mit zahlreichen Veranstaltungen. Die nächsten Termine sind: 26. Oktober, 19.30 Uhr, Irish Folk mit Pastor Barry Sloan und Band; 27. und 28. Oktober, je-weils 19.30 Uhr, Themenaben-

de zur Bibel mit Pastor Barry Sloan; 30. Oktober, 19.30 Uhr, »Singen, musizieren, erinnern« – ein Begegnungsabend mit den Pastoren Friedmar Dietrich und Gerhard Weigelt; 31. Ok-tober, 10 Uhr, Festgottesdienst mit Pastor Thomas Fritzsch.

JuGenddeleGIerte GeSucht: Im nächsten Jahr beginnt auch für die Süddeutsche Jährliche Kon-ferenz ein neues Jahrviert. Und

mit dem neuen Vierjahreszeit-raum sind die Verantwortlichen des Konferenz-Jugendwerks auch auf der Suche nach neuen Jugenddelegierten. Bisher gibt es dafür noch nicht genügend Inte-ressierte. Die Jugenddelegierten werden beim Konferenzjugend-tag am 20. und 21. November in Gerlingen gewählt. Informationen per E-Mail: [email protected]

www.kjwsued.de

In einer ehemaligen Dachdeckerei hat die Gemeinde Lankwitz ein neues Zuhause gefunden.

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Jugenddelegierte und Verant-wortliche aus den Kinder- und

Jugendwerken der verschiedenen methodistischen Konferenzen Europas kamen Anfang Oktober in Nordirland zusammen, um sich über die Arbeit in den ver-schiedenen Ländern auszutauschen und gemeinsame Projekte zu planen. Geplant ist unter anderem: n Ein gesamteuropäisches Jugend-treffen im kommenden Sommer in Lettland (www.wesleycamp.net).

Europa im Blick: jugendrat tagte in Nordirland

n Die Mitarbeit am European Me-thodist Festival im August 2012 in Krakau (Polen). Wie im Jahr 2006 in Bratislava, werden auch für dieses methodistische Festival Teil-nehmende aller Altersgruppen aus ganz Europa erwartet. n Ein Swop-Shop für Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter in der Arbeit mit Kindern in der Nähe von Göteborg/Schweden im April 2011. »Swop-Shop« meint den Austausch von Ideen- und Ressourcen.

Die Anmeldung ist über www.me-thodistyouth.eu möglich. n Die Webseite des Europäischen methodistischen Jugendrats (EMYC) wird nach und nach zur Plattform für den Austausch von Ressourcen für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ausgebaut. n Weiter unterstützt der EMYC- Rat die Durchführung von CinA- und IMT-Projekten. CinA steht für Christinnen und Christen in Ak-tion. Jugendliche aus ver-schiedenen Ländern nehmen an einem Jugendlager teil, bei dem die gemeinsame Arbeit im Vorder-grund steht. IMT steht für »In-ternationales Mission Team«. So unterstützen derzeit vier Jugend-liche aus verschiedenen Ländern Gemeinden und Projekte für Kinder- und Jugendliche in Chemnitz. Stefan Schröckenfuchs

www.methodistyouth.eu

Am 18. September hatte die EmK-Gemeinde Hamburg-

Fuhlsbüttel Gelegenheit, sich bei der »Nacht der Kirchen« im Flughafen Hamburg zu beteiligen. Bislang hatten wir Außenstehende zu uns eingeladen, nun jedoch ergab sich die Möglichkeit, einmal selbst ins Licht hinauszutreten und uns einem breiteren Publikum vor-zustellen. Und die unerwartet vielen Fragen der zahlreichen Besucher ließen auf ein reges Interesse an unserer Gemeindearbeit schließen.

Der Abend wurde gemeinsam mit den dort tätigen Flughafen-Seelsorgern gestaltet. In den vier Stunden wurden etwa 160 Besu-cher gezählt. Das Bergstedter Kammerorchester eröffnete den Abend mit klassischer Musik. Wei-tere hervorragende musikalische Lichtblicke gingen auch von dem

Gitarristen Kay Schröder aus und einer Band, bei der Franciska Silva-Bielecke gefühlvollen Soul vortrug. Ihre Stimme machte viele Fluggäs-te aufmerksam.

Vorträge der Flughafenseelsor-ger über Flugangst und über Hu-mor als Lichtquelle des Lebens fanden reges Interesse. Mit einer Zusammenfassung von Gedanken zum Thema Bibel und Licht rief Pastor Sebastian D. Lübben die Lichtpunkte der Bibel bei den Zu-hörern wieder in Erinnerung – et-wa »Es werde Licht« aus 1. Mose 1,3 oder »Ich bin das Licht der Welt« aus Johannes 8,12.

Der Abend klang aus mit einem von unserer Singgruppe vorgetra-genen Gospel und mit Gesängen und Gebeten bei einem Taizégot-tesdienst und mit dem Abendsegen.

Gunda und Walter Schuldt

fuhlsbüttel: Lichtblicke auf dem flughafen