Unterwegs IN FRIAUL&VENETIEN E von Be- - alpenverein.de · Cadore,um vom Piavetal aus zur Casera...

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IN FRIAUL & VENETIEN Unterwegs 24 DAV Panorama Nr. 5/2002 Nr. 5/2002 DAV Panorama 25 Fotos: Ewald Weiß Foto: K3 Die vergessenen Dolomiten CRIDOLA & MONFALCONI Vor 100 Jahren wurde der Campanile di Val Montanáia, der eigenartigste Felsturm der Alpen, von österreichischen Alpinisten erstmals bestiegen. Deutsche und österreichische Bergsteiger wirkten zu jener Zeit maßgeblich an der Erschließung der Dolomiten östlich des Piave mit, einer Region, die heutzutage vom großen Strom der Besucher buchstäblich links liegen gelassen wird. Von EWALD WEISS E ine verwirrende Vielfalt von Be- zeichnungen existiert für die einsa- men Berge im Dreieck zwischen den Tälern des Piave und Tagliamento: Venetianische Alpen, Friulaner Alpen, Clau- taner Alpen,Cadorische Voralpen,Karnische Voralpen – am griffigsten erscheint die Bezeichnung Dolomiten östlich des Piave, was sowohl geologisch als auch bildhaft zu- treffend ist.Bei uns ist die Gegend am süd- östlichen Rand der Dolomiten definitv ein Niemandsland und aktuelle Führerliteratur praktisch nicht greifbar.Obwohl das Gebiet vom weltberühmten Cortina d‘Ampezzo aus in einer halben Autostunde erreichbar ist und optisch attraktive Berge zur Schau stellt, ist der Alpintourismus hier irgendwie ins Abseits geraten, was der Ursprünglichkeit der Natur allerdings sehr zustatten kommt. Drei bewirtschaftete Hütten des CAI und ei- nige abgelegene Biwaks sind die wenigen Unterkünfte die in den letzten 100 Jahren für die geringe Zahl der alpinistischen Besu- cher errichtet wurden. Die Viehwirtschaft wurde großenteils schon vor dem Ersten Weltkrieg aufgegeben,heute wird nur noch die Casera Vedórcia im Nordwesten des Gebiets mit Alpvieh bestoßen. Die erste deutsche Monografie über die Karnischen Voralpen erschien im Jahrbuch 1900 des D.u.Ö.A.V. in einem Beitrag von Hans Steinitzer,dessen Reisegefährte Rudolf Reschreiter anschauliche Illustrationen bei- steuerte.Die beiden durchstreiften diese un- erkundete Region und machten sie darauf erstmals einer breiteren Öffentlichkeit nörd- lich der Alpen bekannt. Steinitzer schrieb: „Gletscher sind in den Carnischen Alpen nicht zu finden, pe- rennierende Schneefelder traf ich nur an der Ostseite der Cima dei Préti. Aber füllt auch kein Gletschereis die rauhen Hoch- kare, leuchtet kein Schneesaum auf den zerspaltenen Schrofen, so glänzen doch die Thäler in blendendem Weiss herauf zu den Gipfeln.Drückendes Schweigen herrscht in Ihnen zur Sommerszeit.Kein Wassersturz, kein fröhliches Plätschern – wie die Strasse des Todes zieht der bleiche Geröllstrom zwischen dunklen Felswänden dahin... Das Rauhe, Weltferne, Unbarmherzige ist die Eigenart der Friulanischen Thäler...Ein Paradies für Menschenfeinde.“ Steinitzers Schilderung hat bis heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren. Immer wieder haben Bergstürze, Erdbeben, Schneemassen und Überschwemmungen diesen verlassenen Landstrich heimgesucht, zuletzt am 13. Oktober 1963,als vom Nordhang des Monte Toc bei Longarone ungeheure Erdmassen in den Vajont-Stausee abrutschten. Die Stau- mauer hat gehalten, doch die überschwap- penden Wassermassen stürzten ins Piavetal und brachten mehr als 2000 Menschen Tod und Verwüstung in einer der größten Natur- katastrophen seit Menschengedenken. Val Cimoliana – das Tor zur Wildnis Von Longarone aus – halbwegs zwischen Toblach und Venedig – gewinnt der Reisen- de den südlichen Zugang zur Monfalconi- gruppe. An einem steilen Berghang hinauf führt die moderne Autostraße am Schau- platz der Katastrophe von 1963 vorbei zur schmucken Ortschaft Erto und über den Passo San Osvaldo nach Cimoláis, dem Aus- gangsort fürs wilde Val Cimoliana im Natur- park Dolomiti Friulani. Einige Kilometer nach der Mautstelle verengt sich das Tal zu einer kaum 30 Meter breiten Klamm und be- eindruckt mit überwältigender Bergnatur. Linke Seite: Das obere Val Montanáia mit dem Campanile und den einsamen Zacken der Spalti di Toro; rechts oben die Forcella Montanáia. Ein bleicher Schuttstrom schimmert aus dem tiefen Val Cimoliana herauf, weit im Süden der Col Nudo mit seiner Nordwand. Das kleine Rifugio Pordenone liegt gebor- gen in einem Buchenwald. Als enge schuttgefüllte Schlucht mündet das Val Montanáia ins Val Cimoliana. Links die überhängende Wand des Kletter- gartens, rechts der steile Vorbau der Cima Meluzzo mit der markanten Verschneidung im Schatten. Im Buchenwald rechts darun- ter verbirgt sich die Hütte.

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24 DAV Panorama Nr. 5/2002 Nr. 5/2002 DAV Panorama 25

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: K3

Die vergessenen Dolomiten

CRIDOLA & MONFALCONIVor 100 Jahren wurde der Campanile di Val Montanáia,

der eigenartigste Felsturm der Alpen, von

österreichischen Alpinisten erstmals bestiegen.

Deutsche und österreichische Bergsteiger wirkten

zu jener Zeit maßgeblich an der Erschließung der

Dolomiten östlich des Piave mit, einer Region,

die heutzutage vom großen Strom der Besucher

buchstäblich links liegen gelassen wird.

Von EWALD WE ISS

E ine verwirrende Vielfalt von Be-zeichnungen existiert für die einsa-men Berge im Dreieck zwischen denTälern des Piave und Tagliamento:

Venetianische Alpen, Friulaner Alpen, Clau-taner Alpen,Cadorische Voralpen,KarnischeVoralpen – am griffigsten erscheint dieBezeichnung Dolomiten östlich des Piave,was sowohl geologisch als auch bildhaft zu-treffend ist.Bei uns ist die Gegend am süd-östlichen Rand der Dolomiten definitv einNiemandsland und aktuelle Führerliteraturpraktisch nicht greifbar.Obwohl das Gebietvom weltberühmten Cortina d‘Ampezzo ausin einer halben Autostunde erreichbar istund optisch attraktive Berge zur Schau stellt,ist der Alpintourismus hier irgendwie insAbseits geraten, was der Ursprünglichkeitder Natur allerdings sehr zustatten kommt.Drei bewirtschaftete Hütten des CAI und ei-nige abgelegene Biwaks sind die wenigenUnterkünfte die in den letzten 100 Jahrenfür die geringe Zahl der alpinistischen Besu-cher errichtet wurden. Die Viehwirtschaftwurde großenteils schon vor dem ErstenWeltkrieg aufgegeben,heute wird nur nochdie Casera Vedórcia im Nordwesten desGebiets mit Alpvieh bestoßen.

Die erste deutsche Monografie über dieKarnischen Voralpen erschien im Jahrbuch1900 des D.u.Ö.A.V. in einem Beitrag vonHans Steinitzer,dessen Reisegefährte RudolfReschreiter anschauliche Illustrationen bei-steuerte.Die beiden durchstreiften diese un-erkundete Region und machten sie darauferstmals einer breiteren Öffentlichkeit nörd-lich der Alpen bekannt.

Steinitzer schrieb: „Gletscher sind inden Carnischen Alpen nicht zu finden, pe-rennierende Schneefelder traf ich nur ander Ostseite der Cima dei Préti.Aber füllt

auch kein Gletschereis die rauhen Hoch-kare, leuchtet kein Schneesaum auf denzerspaltenen Schrofen, so glänzen doch dieThäler in blendendem Weiss herauf zu denGipfeln.Drückendes Schweigen herrscht inIhnen zur Sommerszeit. Kein Wassersturz,kein fröhliches Plätschern – wie die Strassedes Todes zieht der bleiche Geröllstromzwischen dunklen Felswänden dahin...Das Rauhe, Weltferne, Unbarmherzige istdie Eigenart der Friulanischen Thäler...EinParadies für Menschenfeinde.“ SteinitzersSchilderung hat bis heute nichts von ihrerGültigkeit verloren. Immer wieder habenBergstürze, Erdbeben, Schneemassen undÜberschwemmungen diesen verlassenenLandstrich heimgesucht, zuletzt am 13.Oktober 1963,als vom Nordhang des MonteToc bei Longarone ungeheure Erdmassen inden Vajont-Stausee abrutschten. Die Stau-mauer hat gehalten, doch die überschwap-penden Wassermassen stürzten ins Piavetalund brachten mehr als 2000 Menschen Todund Verwüstung in einer der größten Natur-katastrophen seit Menschengedenken.

Val Cimoliana – das Tor zur WildnisVon Longarone aus – halbwegs zwischenToblach und Venedig – gewinnt der Reisen-de den südlichen Zugang zur Monfalconi-gruppe. An einem steilen Berghang hinaufführt die moderne Autostraße am Schau-platz der Katastrophe von 1963 vorbei zurschmucken Ortschaft Erto und über denPasso San Osvaldo nach Cimoláis, dem Aus-gangsort fürs wilde Val Cimoliana im Natur-park Dolomiti Friulani. Einige Kilometernach der Mautstelle verengt sich das Tal zueiner kaum 30 Meter breiten Klamm und be-eindruckt mit überwältigender Bergnatur.

Linke Seite: Das obere Val Montanáia mitdem Campanile und den einsamen Zackender Spalti di Toro; rechts oben die ForcellaMontanáia.

Ein bleicher Schuttstrom schimmert ausdem tiefen Val Cimoliana herauf, weit imSüden der Col Nudo mit seiner Nordwand.

Das kleine Rifugio Pordenone liegt gebor-gen in einem Buchenwald.

Als enge schuttgefüllte Schlucht mündetdas Val Montanáia ins Val Cimoliana. Links die überhängende Wand des Kletter-gartens, rechts der steile Vorbau der CimaMeluzzo mit der markanten Verschneidungim Schatten. Im Buchenwald rechts darun-ter verbirgt sich die Hütte.

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Nach urwüchsigem Bergmischwald weitetsich die Schlucht und der Passant macht mitSteinitzers Erkenntnis – die Karnia sei das„Land ohne Brücken“ – Bekanntschaft. Dieunterste Kategorie des Alpinisten,der „berg-tüchtige Autofahrer“ ist alsbald gefordert,wenn das 200 Meter breite Schotterbett derCimoliana durchquert werden muss. Abge-rissene Fahrzeugteile am Wegesrand zeugendavon,dass nicht alle die Prüfung heil über-standen haben.Endlich ist nach 14 schweiß-treibenden Kilometern der erlösende End-punkt erreicht und der weitere Fahrweg ge-sperrt. Die ganz Eisernen quälen ihr Fahr-zeug noch 200 Meter hinauf zum Parkplatzdes Rifugio Pordenone, das zehn Gehminu-ten entfernt gut versteckt in einem Buchen-wald lawinensicher abseits vom Schutt-strom des Val Montanaia steht. Rings umNatur pur, abweisend und wildromantischragen düstere Bergrücken und schweigendeFelswände himmelwärts. Den auf der Karteeingezeichneten Lago Meluzzo sucht derBesucher, der hier einen verträumten klei-

nen Bergsee erwartet, jedoch vergeblich.Die Urgewalten der Natur haben den Seeverlanden lassen und in eine topfebeneGrasfläche verwandelt,an der sich nach län-geren Regengüssen allenfalls einige Krötenauf Partnersuche ein Stelldichein geben.

Fußfaule Adrenalinjunkies sind hierschon am Ziel,denn gleich neben dem Hüt-tenparkplatz wartet ein (noch entwick-lungsfähiger) Klettergarten mit einem un-schlagbaren Vorzug: da die etwa 50 Meterhohe Ostwand sieben Meter überhängt,läßtes sich hier selbst bei strömendem Regenangenehm klettern. Ganz so einsam wie zuSteinitzers Zeiten ist die Gegend jetzt nichtmehr, denn an schönen Wochenendenmacht sich eine Prozession von Schaulusti-gen zum 800 Meter höher gelegenen Cam-panile di Val Montanáia auf, um dort dieKletterer zu beobachten.Wochentags aberhat man hier nach wie vor seine Ruhe, bisauf gelegentliche Kontrollgänge der Park-ranger.

Am „unlogischsten Berg“ der AlpenVerborgen vor den Blicken der Unbedarftenragt der viel gerühmte Campanile in denHimmel der Carnia, sein Anblick öffnet sicherst nach einem mühsamen Aufstieg im stei-len Geröll des Val Montanáia. Als RudolfReschreiters Illustration diesen aberwitzi-gen Dolomitzahn vor über 100 Jahren erst-mals den Bergsteigern in nördlichen Gefil-den offenbarte, war dies eine kleine Sensa-tion. Sogleich regten sich die Eroberungs-gelüste tatendurstiger Alpinisten und esdauerte nicht lange,bis der absurde Obeliskgefallen war.Die ersten Anwärter waren derTriestiner Napoleone Cozzi und AlbertoZanutti, die am 7. September 1902 die Auf-stiegsmöglichkeiten erkundeten und an derSüdflanke fündig wurden. Cozzi konnte dieschwierigste Stelle des Anstiegs, den heutenach ihm benannten Riss,noch bewältigen,schaffte aber nicht mehr den direktenDurchstieg zum Ringband unter demGipfelaufbau.In abdrängendem Gelände mitkompaktem Fels musste er den Rückzug an-treten. Die Seilschaft nahm sich jedoch vor,im nächsten Jahr,mit Leitern bewaffnet,denErfolg zu erzwingen.Tags darauf stiegen,un-bemerkt von den Italienern, die Österrei-cher Viktor Wolf von Glanvell und Günthervon Saar ins Val Montanáia auf. DurchSteinitzers Artikel waren sie auf den ver-steckten Monolithen aufmerksam gewor-den.Zur Erkundung wollten sie die im west-lichen Kamm gelegene Cima Toro erstbe-steigen, hatten aber Pech, da die MünchnerPaul Hübel, Oskar Uhland und Adolf Eichin-

ger bereits am 30. Juli 1902 den Gipfel be-treten hatten,wie der Steinmann mit zurückgelassener Karte bewies.Doch umsonst warihre Bergtour nicht: Akribisch studierten sieden nahe liegenden Campanile mit einemFernglas und machten eine elektrisierendeFeststellung – der Turm war noch nicht er-stiegen!

Lediglich unterhalb des Ringbandes ent-deckten sie einen Steinmann,den Cozzi aufder nach ihm benannten Kanzel unter dementscheidenden Riss errichtet hatte – unddrarüber den Schlüssel zum Erfolg:Links ne-ben dem Riss zog sich ein schmales Band zueinem weiteren Riss, der den Durchstiegzum Ringband eröffnen würde. Doch jetztgalt es, keine Zeit zu verlieren, denn nebenden Münchnern waren weitere potenzielleKonkurrenten unterwegs, wie der Düssel-dorfer Dr. Fritz Koegel und dessen FührerJoseph Both.

Zunächst ergriffen Glanvell und Saarnebst Ehefrauen die Flucht vor den blutgie-rigen Flöhen der Casera Meluzzo und wan-derten zurück nach Cimoláis, wo sie imAlbergo alla Rosa (dieses Gasthaus existiertheute noch) Quartier nahmen. Dort trafensie die am Campanile abgeschlagenen Cozziund Zanutti, die soeben eine schwierigeneue Route am Monte Duranno eröffnet hat-ten. Spät am Abend kam Saar mit Cozzi insGespräch,der ihm interessante Details überden Vorstoß am Campanile offenbarte.Überden Rückzug verriet Cozzi noch einGeheimnis: Aus einem zurecht gebogenen

Der Klettergartenbeim Hüttenpark-platz des RifugioPordenone bietet neben festem Felseinen einzigartigenVorzug: man kannhier selbst bei strö-mendem Regen imTrockenen aktiv sein(oben).

Die einst „berüchtigte“ Saartraverse ent-puppt sich als bequemes Band. Gipfelblickvom Camapanile: Links oben Cima Both,Forcella Montanáia, Forcella Teresa undMonfalcon di Montanáia (2548m), derhöchste Gipfel der Gruppe; rechts diemächtige Westwand der Croda Cimolianamit ihren schwierigen Touren (rechtsoben). An der Südwand des Campanile befindet sich der klassische Normalweg.

Der Cozziriss bildetdie Schlüsselseil-länge am Normalwegdes Campanile di Val Montanáia mit jeeiner Stelle V- undIV+. Zur zusätzlichenSicherung empfehlensich mittlere Keileoder Friends. Durch die vielenBegehungen ist derFels, im Gegensatzzu anderen Routen,gut ausgeputzt.

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Fleischerhaken und einem zehn Meter lan-gen Seilstück habe er sich ein Gerät gebas-telt, mit dem er Rückzüge aus schwierigemGelände bewerkstellige – das war sozusa-gen ein Vorgänger unserer heutigen Sky-hooks!

Unverzüglich machten sich die Öster-reicher auf den Weg nach Domegge diCadore,um vom Piavetal aus zur Casera Pradi Toro aufzusteigen, einem angenehmenund von Flöhen freien Quartier.In der Frühedes 17.September 1902 machten sich Glan-vell und Saar auf den Weg über die ForcellaMontanáia und kamen schon um 9.30 Uhrbeim Campanile Val di Montanáia an wo sienach kurzer Rast in die Südwand einstiegen.Cozzis Spuren waren leicht zu verfolgen, erhatte seine Route mit roter Kreide markiert.Ohne Zeitverlust erreichten sie die Umkehr-stelle Cozzis und fanden sofort das für denWeiterweg entscheidende Band, das heuteals „Saartraverse“ bekannt ist. In einem Zugklettert Saar mit dem 40-Meter-Seil weiterüber den senkrechten Riss zum Ringband,gefolgt vom staunenden Glanvell. Der Weg

zum Gipfel ist ein Kinderspiel,während un-terdessen eines der typischen Sommerge-witter aufgezogen ist. Ohne längeren Auf-enthalt bewältigen sie den Abstieg undschlagen über dem berüchtigten „Knödel“am Ringband einen Felshaken ein, an demsie sich bis zum Cozziriss ablassen.Kurz vor17 Uhr abends stehen Viktor Wolf vonGlanvell und Günther von Saar wieder als er-folgreiche Eroberer am Einstieg und ma-chen sich auf den Rückweg zur Pra di Toro.

Am 2.August 1903 folgten die MünchnerHübel und Uhland mit der zweiten Bestei-gung des Campanile. Am 21. August 1904kehrten Glanvell und Saar mit ihren Ehe-frauen zurück. Mary von Glanvell und TittyAngerer vollbrachten so die erste Damen-begehung am Campanile bei der drittenBesteigung insgesamt.Das Jahr 1904 sah dievierte und fünfte Ersteigung durch deutscheSeilschaften, während eine italienische voneinem Gewitter zurückgeschlagen wurde.Viktor Wolf von Glanvell überlebte seinengroßen Erfolg nicht lange,1905 wurde er amFölzstein im Hochschwab von einer Stein-

salve getötet, die vermutlich vonGämsen ausgelöst worden war.Am 28. Juli 1906 führte der be-kannte Fassaner Führer G.B.„Tita“Piaz mit seinem Klienten Bern-hard Trier aus München, gefolgtvon F. Barth und H. Pfleumer undSladek die erste Überschreitungmit einer kühnen Abseilfahrt überdie Nordüberhänge durch, darauswurde der heute übliche Abstiegs-weg.Was uns heute als nichts be-sonderes erscheint, war damalsein gewagtes Unterfangen, denndie Abseiltechnik war noch nichtausgereift.1908 zählte der Campa-nile schon zehn Besteigungen,da-runter die von „Kaiserpabst“ FranzNieberl, der seinen GefährtenKlammer mühsam zu der Tourüberredet hatte und feststellte,dass es in dieser Gegend keineIrredenta und keinen Ausländer-hass gebe, wie in den westlichenDolomiten. Bald verbreiteten sichüberschwängliche Lobeshymnen

über den seltsamsten Dolomitenberg. 1904begleitete der renommierte Bergmaler E.Th.Compton die Partie von Glanvell und Saar,wobei er zahlreiche Illustrationen anfertig-te, die danach in den Jahrbüchern desD.u.Ö.A.V. erschienen, einige davon sindjetzt im Alpenverein Museum Innsbruck imOriginal zu bewundern. Von Comptonstammte auch die Bemerkung der Campani-le sei der „unlogischste Berg“ der Alpen undweitere folgten, wie Paul Hübel, der imCampanile Val di Montanáia das „Heiligtumder Clautaner Alpen“ sah; Napoleone Cozzifand die schillerndste Metapher die in unse-rer Zeit für einen Filmtitel abgekupfert wur-de: der Campanile gleiche dem „versteiner-ten Schrei eines (zu Tode) Verurteilten.“

Das „größte Problem“ der DolomitenVier wagemutige Männer und eine Frau grif-fen den Campanile im Oktober 1913 vonseiner abweisenden Nordseite her an: derWiener Ingenieur Dr.Otto Bleier und FührerFranz Schroffenegger aus Tiers; Umberto,Paolo und Luisa Fanton aus Calalzo – diemaßgeblichen Erschließer der Region. DieFantons unterhielten in Calalzo ein Hotel,das über Jahrzehnte hinweg beliebter Treff-punkt von Bergsteiger aus aller Welt war,so-gar der belgische König Albert 1. und seinSohn Leopold waren hier schon abgestie-gen. Neben einer gut sortierten alpinenBücherei verfügte das Albergo Marmarolesogar über ein Fotolabor und war so ganznebenbei eine erstklassige alpine Informa-tionsbörse. Die Fantons galten als ambitio-nierte Bergsteiger und Franz Schroffeneggerwar einer der besten Dolomitenkletterer je-ner Zeit.Als überzeugte Patrioten waren dieFantons zum Schluss gekommen, dass derCampanile endlich eine „italienische“ Auf-stiegsroute haben musste, und die suchtensie an der überhängenden Nordwand desCampanile di Val Montanáia.Vom 4. Bis 10.Oktober kämpfte die verschworene Ge-meinschaft verbissen um jeden Meter Felsam Nordüberhang, ein Ereignis das durchOtto Bleier in der ÖAZ (Nr.923 v.5.11.1915)eine köstliche Schilderung gefunden hat.Nach zunächst leichtem Beginn versuchtensie mit dreifachem Steigbaum einen Hori-zontalriss zu gewinnen, der es erlaubteFelshaken zu setzen. Abwechselnd kämpf-ten sie sich,nachdem sie einen Seilquerganginstalliert hatten,Meter um Meter vor,bis zu-letzt selbst der hartnäckige Schroffeneggeram Ende einer Zehn-Meter-Rechtsquerungerschöpft aufgab. Insgesamt hatten sie fünfHaken geschlagen und waren nicht einmal15 Meter weit gekommen. Bald avancierte

als alpiner Münchhausen bloß gestellt. Esentspann sich eine hässliche Kontroverse,inderen Verlauf Casara aus dem CAAI ausge-schlossen wurde, sein Ruf war ruiniert under als Außenseiter geächtet. Nach dem da-maligen letzten Stand der Schwierigkeitsbe-wertung bewertete Tissi mit VI.50 Jahre spä-ter waren führende italienische Klettererder Ansicht,Tissi habe eigentlich schon da-mals den siebten Grad zumindest berührt –wenigstens wenn man die heutigen Maß-stäbe der nach oben offenen UIAA-Skala zu-grunde legt. Siebter Grad in den Dolomitenalso schon 1930?!

Später wurden noch etliche Routen amCampanile di Val Montanáia etabliert, auchhakentechnische, wie am Ostwand-Über-hang, und alpine Größen der Region, wieRaffaele Carlesso verewigten sich. Die stür-mischen Zeiten hatten sich aber schnell ge-legt und am Campanile kehrte Ruhe ein.Voneinem dutzend Routen mit zahllosen Varian-ten wird nur der Weg der Erstersteiger re-gelmäßig wiederholt, alle anderen Anstiegesind Relikte der Alpingeschichte.Im Septem-ber 1926 installierten 22 venezianischeBergsteiger die Glocke am Gipfel,1928 zähl-te das Gipfelbuch schon über 100 erfolgrei-che Seilschaften. 1930 feierte die SektionPordenone des CAI die Einweihung eineskleinen Schutzhauses, das die immer zahl-reicher werdenden Aspiranten für denCampanile beherbergen sollte. Die ein-drucksvollen Wände rings um den Campa-nile werden von seinen Besuchern aller-dings mit Missachtung gestraft, zu Unrecht,denn diese einsamen Berge bieten noch dasechte alpine Abenteuer.

Fortsetzung auf Seite 32

der Nordüberhang zum größten Problemder Dolomiten, zumindest in der Alpinpres-se. Otto Bleier schrieb, es sei der „wahnsin-nigste und erbittertste Ansturm“ gewesen,der jemals gegen eine Felswand ausgeführtworden sei. Die Akteure hatten sich beim„Fexentum“ ertappt – Ausbouldern – würdeman heute sagen.Das Sportklettern war ge-boren worden,ohne dass es die Bergsteigerals solches wahr nahmen.Im folgenden Jahrbeendete der Erste Weltkrieg alle Aktivitätenin den Bergen, jetzt wurde geschossen undnicht mehr geklettert. 1918 verstarb Frei-herr Günther von Saar an den Folgen derEntbehrungen einer langen Kriegsgefangen-schaft.

Um 1925 behauptete der VicentinerSeverino Casara, ein Seilgefährte Comicis,den Nordüberhang allein erklettert zu ha-ben, Zeugen dafür gab es keine und die Be-schreibung Casaras war ziemlich vage undZweifel wurden laut. Am 14. September1930 traten Attilio Tissi, Giovanni Andrich,Attilio Zancristoforo und Francesco Zanettiauf den Plan,allesamt die erste Garnitur un-ter den Kletterern der Provinz Belluno.Tissiund Andrich waren keine unbeschriebenenBlätter,zwei Wochen zuvor hatten sie am 31.August Solleders Route an der Civetta Nord-westwand als erste italienische Seilschaftund ohne Biwak bewältigt – ein Fanal in da-maliger Zeit. Jetzt griff Tissi den Nordüber-hang an, zunächst wieder mit dem dreifa-chen Steigbaum. Bei prekärer Sicherungmeisterte er die kompakte Stelle, die alleVorgänger abgewiesen hatte – doch die vonCasara erwähnten Felshaken fand er nicht,es ließen sich gar keine anbringen! Tissi stell-te kategorisch fest,dass Casaras Behauptun-gen nicht stimmen konnten und der wurde

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Der berühmte „Nordüberhang“des Campanile unter dem Ring-band war einst Schauplatz derersten „Sportkletterer“ am Berg.1930 löste Attilio Tissi das „größ-te Problem“ der Dolomiten. DerAbstieg erfolgt über diese Seitedurch dreimaliges Abseilen in zuletzt überhängendem Gelände.

Die Westflanke des Campanile di ValMontanáia. Im oberen Drittel ist derNormalweg gut auszumachen. Durch diesenkrechte Westwand verläuft die interes-sante Via Ulian-Scaramuzzo (V-VI), die allerdings selten Wiederholer sieht.Der Fels in den weiteren Routen desCampanile ist nicht abgeklettert und ent-sprechende Vorsicht geboten.

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Wandern & Bergsteigen

Ausgangspunkt

Rifugio Padova (1278 m)

Zur Aussichtskanzel über dem Piavetal

Leichte Bergwanderung zum Monte Vedórcia (1853

m); Grandioser Ausblick über die östlichen Dolomi-

ten, Badegelegenheit im Fosso degli Elmi. Das Val

Talagona und das benachbarte Tal des Fosso degli

Elmi wird von breiten Bächen durchflossen, die aus

mächtigen Quellen entspringen. Die Gegend ist weit

weniger trocken als die übrige Monfalconigruppe

und mutet im Sommer fast subtropisch an.

Von der Hütte am rechten Rand der Pra di Toro über

steilen Buchenwald zum Coll Alto (kleine offene

Blockhütte) 20 Min. und weiter bergab ins Tal des

Fosso degli Elmi zu einer schmalen Brücke, 25 Min.,

hier prächtige Badegumpen. Nach der Brücke vorbei

an der kleinen Casera Valle (Grillplatz) und steil

hinauf zu den Weiden der Casera Vedórcia mit ihren

schönen alten Fichten. Rechts haltend hinauf zur

Casera Vedórcia (Brunnen) 50 Min.. Vom Brunnen

zunächst dem Fahrweg folgend, dann rechts steil

hinauf, bis man auf die schmale Fahrspur zum Rif.

Tita Barba kommt und auf dieser in Kürze die Hütte

erreicht (zur Zeit nicht bewirtet) 20 Min., hundert

Meter hinter der Hütte eröffnet sich die Aussicht

über das Piavetal und die östlichen Dolomiten von

der Civetta bis zur Marmarole.

Weiter in Richtung Forcella Spé bis zu den obersten

Lärchen unter den Wänden der Cadinspitzen, 30

Min.. Den Markierungen folgend hinunter über Schutt-

felder und Latschenhänge ins Tal des Fosso degli

Elmi und vorbei an dessen rauschenden Quellen, bis

man wieder auf die Brücke trifft, 45 Min., und den

Rückweg zum Rif. Padova, 45 Min.. Gesamte Geh-

zeit rund 4.30 Std..

Zum „Heiligtum der Clautaner Alpen“

Anspruchsvolle alpine Bergwanderung zum Rif. Por-

denone im Val Cimoliana, Rückweg über die Forcella

Spé zum Rif. Padova über das Bivacco Gervasutti.

Reine Gehzeit 10 Std., Gute Kondition, feste Berg-

stiefel und Wetterschutz erforderlich. Schwächere

Geher sollten die Rundtour in zwei Etappen aufteilen

und im Rif. Pordenone nächtigen.

Vom Rif. Padova dem Weg 357 folgend ins Val Cadin

und mühsam hinauf zur Forcella Segnata (2150 m),

2.30 Std. Abstieg durch steile schneegefüllte Rinne

und über Latschenbänder ins Val Montanáia, mit

prächtiger Aussicht auf den Campanile Val di Monta-

náia bis man nach 1 Std. das Bivacco Perugini

(2060 m) unmittelbar nördlich des Campanile er-

reicht. Von hier Abstieg zum Rif. Pordenone (1250 m)

durch die steilen Schuttreißen des Val Montanáia,

1 Std.. Vom Rif. Pordenone über den Sentiero Arturo

Marini (Weg Nr. 352) durch urwüchsigen Mischwald

hinauf zum Col Cadorin (ca. 1800 m), unterwegs

eindrucksvolle Tiefblicke ins Val Cimoliana, bis zu

einer großen Signaltafel, 2.30 Std.. Von hier aus ist

das Bivacco Gervasutti (1940 m) schon sichtbar.

Durch Latschendickicht und über heikle Geröllhänge

unter den senkrechten Ostwänden der Cadinspitzen

entlang bis zum Biv. Gervasutti, 1.30 Std.. Weiter

zur Forc. Spé (2049 m), unangenehme lehmige

Runsen querend, 30 Min., von der Scharte hinab ins

Tal des Fosso degli Elmi zur kleinen Brücke bei der

Casera Valle, 1.30 Std. und zurück zum Rif. Padova,

45 Min.. In der Umgebung des Bivacco Gervasutti

gibt es im Sommer kein Trinkwasser!

Ins einsame Herz der Monfalconi

Anspruchsvolle alpine Rundwanderung um den

Bergstock des Monfalcon di Forni zum Rifugio Giáf

im Tal des Tagliamento und zurück über die Forcella

Scodavacca zum Rif. Padova. Reine Gehzeit 8 Std.,

Kondition, feste Bergstiefel und Wetterschutz erfor-

derlich. Genügend Trinkwasser mitnehmen!

Vom Rif. Padova dem Weg Nr. 346 folgend ins Val

d´Arade, dann abzweigend über Weg 342 ins einsa-

me Cadin d´Arade das von imposanten Dolomitber-

gen umkränzt ist. Mühsam über Geröll zur Scharte

der Forcella Monfalcon di Forni hinauf, 3.15 Std.

und kurzer Abstieg zum Bivacco Granzotto-Marchi

(2170 m), 15 Min.. Weiter zur Forcella del Casón

(2224 m) 45 min. und Abstieg zum Rif. Giáf (1400

m), 1 Std.. Auf Weg 346 hinauf zur Forcella Scoda-

vacca (2043 m), 2 Std. und Abstieg zum Rif. Padova,

1.15 Std.. Auf dieser Rundtour berührt man eine der

abgelegensten Berggruppen der Region, mit prächti-

gen Einblicken in wilde Dolomitenwände.

Ausgangspunkt

Rifugio Pordenone (1250 m)

Die Hütte liegt auf dem Territorium des Parco Natu-

rale Dolomiti Friulani (Zufahrt im Sommer maut-

pflichtig). Im Val Cimoliana gelten die Restriktionen

des Nationalparks, Campieren jeglicher Art ist ver-

boten.

In die grüne Wildnis des Val Cimoliana

Über den Sentiero Marini zum Bivacco Gervasutti

und Abstieg durchs wildromantische Val Santa Maria.

Höhendifferenz im Aufstieg rund 800 Meter, im Ab-

stieg ca. 1000 Meter. Anstrengende Rundtour von

10 – 12 Std., feste Bergstiefel und Kondition erfor-

derlich. Wer im Bivacco Gervasutti nächtigen möch-

te, muss genügend Trinkwasser mitnehmen! Schöne

Rundtour für naturliebende Bergfreunde mit vielfälti-

gen Eindrücken einer unverfälschten Berglandschaft.

Vom Parkplatz (1163 m) im Val Cimoliana durch

urwüchsigen Bergwald dem Sentiero Marini folgend

zum Col Cadorin (ca. 1800 m), hier auf verlassenem

Almgelände lauschige Plätzchen mit herrlicher aus-

sicht übers Val Cimoliana und zur Pramaggioregruppe,

2 Std.. Weiter durch Latschendickicht und stellen-

weise heikle Passagen in festgebackenem Geröll

zum Bivacco Gervasutti, das schon auf halber Weg-

strecke sichtbar wird, 2.30 Std.. Vom Bivacco Gerva-

sutti (1940 m) über einen kleinen Sattel in Richtung

Forcella Spé über lehmige Runsen absteigend zur

Wegspur, die vom Val Santa Maria unmittelbar links

herauf kommt, 45 Min.. Über Geröllhänge steigt man

ins Val Santa Maria ab, das sich unten zu einer tiefen

Klamm verengt. Der schmale Pfad bewegt sich ober-

halb der Klamm im Buchenwald und ist von rutschi-

gem Laub bedeckt (Vorsicht bei Nässe!). Der Weg

steigt in engen Windungen zur Klamm ab, die das

Herz von Canyoningfreaks höher schlagen läßt und

führt nach kurzem Wiederaufstieg zur Mündung der

eindrucksvollen Schlucht, 2.30 Std.. Vom Ende der

Klamm auf der or. linken Talseite nach Überschreiten

des Baches in 30 Min. an einer märchenhaften Wiese

vorbei (leider darf man hier nicht zelten) zum Park-

platz an der Cimoliana, die vorher überquert wird.

Der Rückweg zum Parkplatz ist etwa 4 Kilometer

lang und öde Hatscherei, 1.15 Std.. Im Sommer ist

die Casera Pian Pagnon auf etwa halbem Weg be-

wirtschaftet und bietet Erste Hilfe bei allzu großem

Durst.

Gipfeltouren

Monte Cridola, Ostgipfel (2581 m)

1. Best.: Dr. Julius Kugy mit Führer Pacifico

Orsolina, 4.8.1884.

5-6 Std. vom Parkplatz im Val Talagona (1300 m)

beim Rif. Padova. Ohne besondere Schwierigkeiten,

alpine Erfahrung und Orientierungssinn erforderlich,

der Abstieg erfolgt über die Aufstiegsroute.

Auf Weg 346 zur Forcella Scodavacca (2043 m),

1.45 Std.. Von dieser links haltend hoch über müh-

samen Geröllhang zur Scharte der Tacca del Cridola

(2290m), 1.30 Std.. Eine breite nach Norden gerich-

tete Rampe wird etwa 100 Meter weit erstiegen, bis

sich nach links ein breites Schuttband queren läßt,

das den weiteren Aufstieg zum Gipfel über eine aus-

geprägte Rinne ermöglicht, 1.45 Std., rot markiert, I-II.

Cima Cadin degli Elmi (2424 m)

Erstersteiger vermutlich Jäger im 19. Jh..

4-5 Std. vom Rif. Padova. Normalweg von Süden

ohne besondere Schwierigkeiten, etwa 300 Meter

Höhendifferenz von der Forc. Santa Maria (2160 m).

Dieser markante Berg bildet den südlichen Eckpfei-

ler der Monfalconigruppe über der Forcella Spé und

ist einer der wenigen Gipfel, die hier öfter erstiegen

werden.

Vom Rif. Padova zur kleinen Brücke am Fosso degli

Elmi. Hinter dieser folgt man dem Pfad zur Forcella

Spé vorbei an den Quellen des Baches. Unterhalb

der Forcella Spé wendet man sich links haltend zur

Westwand der Cima Cadin d. Elmi und steigt dann

wieder rechts zur Forcella Santa Maria auf, 3 Std..

Von dieser über Rinnen und grasige Stufen zum

Gipfel, 1.30 Std.. Abstieg über den Aufstiegsweg.

Campanile Toro (2345 m)

1. Best.: Karl Berger, Ingenuin Hechenbleikner,

22.7.1903

3-4 Std. vom Rif. Padova. 150 Meter leichte Kletterei

am Gipfelturm, II+. Einfache Kletterausrüstung und

Bergerfahrung erforderlich. Gefährlich bei Gewitter!

Teilweise exponierte Kletterei am Gipfelgrat. Zustieg

über den Weg zur Forcella Segnata, den man noch

im Wald verlässt und rechts haltend an einem Hub-

schrauber-Landeplatz vorbei bis ins hinterste Val

Cadin verfolgt. Der Campanile Toro steht auf einem

mächtigen Sockel, der links und rechts von Schutt-

reissen umflossen wird. Man benutzt die rechte

(südliche) zum Einstieg 2.30 Std.. Nicht den Weg-

spuren auf der Nordseite folgen, diese führen zu den

schwierigen Routen der Nordostwand. Vom Einstieg

über Stufen gerade hinauf zum Sattel zwischen

Castellato und Campanile Toro. Links haltend zu ei-

nem rampenartigen Riss und über diesen zum Sattel

zwischen den beiden schmalen Gipfel des Campanile.

Der linke, Pra di Toro zugewandte, trägt die Gipfel-

glocke. Abstieg auf dem Anstiegsweg. Neben dem

Campanile di Val Montanáia ist der Campanile Toro

der einzige regelmäßig besuchte Klettergipfel des

Gebiets. Trotz seiner kühnen Form bietet er einen

überraschend leichten Normalweg.

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Von einer Signaltafel amSentiero Marini aus istdas Bivacco Gervasutti in der Ferne links schonsichtbar. Die einsamenOstwände der Cima Cadindegli Elmi (2424m) undder Cima Cadin diVedórcia finden trotz ihrer imposanten Optikkeine abenteuerlustigenKletterer. Den roten Markierungen folgend steigen

die Alpinisten zum Ostgipfel der Cridola(2581m) hinauf. Der Normalweg der Cridolaist zwar nicht schwierig, erfordert aber dochalpine Erfahrung und Orientierungsinn.

Vom Abstieg derCima Cadin degliElmi aus ist tiefunten das BivaccoGervasutti alsleuchtend roterPunkt sichtbar.

32 DAV Panorama Nr. 5/2002

Pra di Toro – Insel der StilleMario Meneghin ist aktiver Bergwachtlerund gerade hat er nach dem rechten ge-schaut und oben an der Cridola einigeBohrhaken gesetzt.Als er mir von den neu-en Touren an der Südwand erzählt, gerät erins Schwelgen. Bombenfester Fels, vomWasser ausgewaschen, total sauber alles,kein Schutt und Sanduhren so dick wieBaumstämme – das ist für diese Gegend ei-nigermaßen abnorm. Cridola und Monfal-coni sind als Bruchhaufen verschrien, waszumindest für die üblichen alpinen Tourenzutrifft, die deshalb auch kaum begangenwerden.Aber da oben bei der Forcella Sco-davacca an den Wandsockeln, niemand istvor den 90er Jahren auf die Idee gekommen,da genauer hin zu schauen.1998 hat es dannrichtig gerappelt und ein halbes dutzendneue Touren wurden eröffnet. Alle besterFels, bis zu neun Seillängen, meist komplettausgerüstet, nur ein kleiner Schönheitsfeh-ler der heute aber keiner mehr ist – sie en-den irgendwo auf einem breiten Latschen-band in halber Wandhöhe, im Yosemitenennt man so etwas „baseclimbs“, dort gabes solche Routen schon vor 35 Jahren.Yosemite,ja das kennt jeder,aber hier – keinMensch kommt hierher, leider.

Mario gehört zu der jungen Generationim Cadore,die jetzt versucht, sich eine eige-ne Existenz vor Ort aufzubauen. Ihre Elternhaben noch in Deutschland den Lebensun-terhalt verdient,viele im Ruhrgebiet,oder inder Schweizer Gastronomie; einige habenEisdielen eröffnet und sind einigermaßen zuWohlstand gekommen. Die Jungen wollen

aber in der Heimat bleiben, mit der Arbeitdraußen ist es auch nicht mehr so einfach.

Barbara und Paolo de Lorenzo versu-chen, sich mit der Bewirtschaftung desRifugio Padova ihre Existenz zu sichern.Paolo ist gelernter Koch, außer ihrer Gast-freundschaft haben die beiden eine gute bo-denständige Küche zu bieten, nicht nur dasübliche Dreierlei aus Suppe, Spaghetti undGulasch. Bei vielen Besuchern die nur zumEssen her kommen, hat sich das mittlerwei-le herum gesprochen. Barbara und Paolohoffen jetzt auf die deutschen Bergsteigerund Kletterer, „die lieben noch die Berge“,meint Paolo. Bei italienischen (und auch

deutschen) Bergfreunden ist die Region völ-lig in Vergessenheit geraten, buchstäblichunter den Tisch gefallen.Die Sektion Padovades CAI hat ihre Hütte an die GemeindeDomegge zurück gegeben, man will nichtsmehr in das Gebäude investieren. Diese hatnach und nach die nötigen Investitionen inneue Toiletten, Küche und Energieversor-gung vorgenommen. Die Straße wurde mitEU-Mitteln auf Vordermann gebracht undein Parkplatz angelegt – nur die Gäste fehlennoch.Dabei läßt die Gegend das Herz jedesnaturliebenden Bergfreundes höher schla-gen. Frauenschuh-Orchideen 50 Meter ne-ben dem Parkplatz und 500 Meter über derFahrstraße in einer einsamen Felswand derAdlerhorst – das ist hier ganz normal.

Als Glanvell und Saar 1902 auf Pra diToro weilten, hielten sie noch in großenZelten mit „Bodenpersonal“ Hof, Essen ko-chen, Brennholz sammeln, Feuer machenund Geschirr spülen, alles besorgten diestarken Trägerinnen aus Domegge, die sichmit ihren Diensten ein Zubrot verdienten,während die Männer in der Fremde ihrerArbeit nachgingen.Günther von Saar träum-te damals von einer festen Unterkunft fürBergsteiger auf Pra di Toro, die Epigonensollten es leichter und weniger kostspielighaben bei ihren alpinen Abenteuern. 1910verwirklichte die Sektion Padova des CAIdiesen Traum und ließ die erste Schutzhütteder Region hier erbauen.Im selben Jahr kamdie Eisenbahn ins Piavetal bis nach Calalzo,das war nicht nur für den militärischenNachschub der mächtigen Grenzfestungenvon Vorteil, sondern brachte auch den

Tourismus in Schwung.Neben feinen italie-nischen Damen die im Cadore die Sommer-frische genossen, bevölkerten auch „Barba-ren mit Seil,Axt und Nagelschuhen“ wie esOtto Bleier so sarkastisch charakterisierte,zunehmend die Täler und Höhen von Cri-dola und Monfalconigruppe.

„Auf den Cridola kommt keiner hinauf“sagte ein Bergbauer zu Professor JuliusKugy, als der sich 1884 nach dem imposan-ten Dolomitmassiv beim Mauriapass erkun-digte (im Cadore heißt es „der“ Cridola,öst-lich vom Mauriapass „die“ Cridola). Kurzer-hand erstürmte er mit seinem Führer Pacifi-co Orsolina den, wie er feststellen konnte,noch jungfräulichen Ostgipfel (der etwas

niedrigere Westgipfel wurde 1901 von Dr.Oscar Schuster aus Dresden erklommen).Vom Gipfel aus überblickte er ein Heer vonwilden Felszinnen unmittelbar südöstlich –„Ich hätte der Erschließer dieser Berge seinkönnen“ schrieb er später,doch die Viertau-sender der Westalpen erschienen ihm stan-desgemäßer. Bereits 1860 war John Ball,Gründer des Alpine Club, als erster Alpinistauf diese Berge aufmerksam geworden.1862 stieg Josiah Gilbert auf den MonteVedórcia und beglückte sich an der gran-diosen Aussicht auf die Umgebung,1869 er-schien sein Buch „Cadore or Titians coun-try“,eine Lektüre die ihre Wirkung auf seinebergsüchtigen Zeitgenossen in England

nicht verfehlte. 1870 bereiste Francis FoxTuckett die Gegend und 1874 führte derCortineser Santo Siorpaes seinen Herren W.Utterson-Kelso auf den Monte Duranno undsechs Wochen später M. Holzmann auf dieCima dei Préti, den höchsten Gipfel derRegion. 1891 stand eine italienische Partieals erste auf dem Monfalcon di Montanáia,dem höchsten Gipfel der Monfalconigrup-pe,darunter Arturo Ferrucci von der SocietáAlpina Friulana (SAF), der sich zuvor überdas mangelnde Interesse italienischer Alpi-nisten an der erschließung des Gebiets aus-ließ, dann aber selbst die Angelegenheit indie Hand nahm und erfolgreich die ersteErschließungsphase an den einsamen Gip-

Die breite Einschartungder Forcella Scodavacca(2043 m) trennt dasMassiv der Cridola(links) vom komplexenStock des Monfalcon diForni. Rechts oben dasHochkar des Cadind´Árade, das den Über-gang zum BivaccoGranzotto-Marchi bildet.Unter dem auffälligenLatschenband derCridola-Südwand wur-den eine Reihe schönerKletterrouten in bestemFels eröffnet.

In einem Winkel der Pradi Toro liegt das RifugioPadova an einem lau-schigen Platz (unten).

Von der Casera Vedórciaaus genießt der Wande-rer eine eindrucksvolleAussicht auf die gesamteMonfalconigruppe. Vonlinks: Monfalcon diMontanáia, Cima Both,Cima Toro und PalaGrande; hinter demCastello di Vedórcia ragtdie bizarre Nadel desCampanile Toro empor.Rechts Cima Cadin diVedórcia und Cadin degliElmi mit der ForcellaSanta Maria unmittelbarrechts. Ganz außen am Bildrandnicht mehr sichtbar liegtdie Forcella Spé, welcheden Übergang zumBivacco Gervasutti ver-mittelt.

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feln einleitete. 1898 brachte Giovanni Mari-nelli den ersten „Guida della Carnia“ heraus,eine profunde Monografie der Täler undHöhen südlich des Tagliamento, doch vonden etwa 230 Gipfel dieser Region waren al-lenfalls ein Viertel erstiegen,die meisten vonJägern.

Als Hans Steinitzers Monografie derCarnischen Alpen von 1900 bis 1902 in denJahrbüchern des D.u.Ö.A.V. publiziert wur-de, brachen alle Dämme, und der Ansturmaus dem Norden begann. Die schon er-wähnten Grazer Viktor Wolf von Glanvellund Günther von Saar mischten beim rei-henweisen Abhaken der Monfalconi mit;derDüsseldorfer Dr. Fritz Koegel mit seinemFührer Joseph Both aus Gaschurn imMontafon, beide konnten sich noch in un-benannten Gipfeln verewigen, ein damalsschon außergewöhnliches Privileg. 1903statteten die Innsbrucker Studenten KarlBerger und Ingenuin Hechenbleikner denMonfalconi einen besonders ergiebigenBesuch ab und hakten manchmal an einemTag drei jungfräuliche Gipfel ab, darunteram 22.7.1903 den einer aufgestellten Scheregleichenden Campanile Toro,dem sie gleichseinen bis heute gültigen Namen verpas-sten. Ihre Route ist in der Umgebung desRifugio Padova die am meisten wiederholte.Berger war schon zu jener Zeit kein Unbe-kannter,er hatte 1899 den Campanile Basso(Guglia) in der Brenta erstbestiegen. Zwi-schen 1903 und 1910 besuchte der FassanerFührer G.B. Piaz, später berühmt als „Teufelder Dolomiten“, regelmäßig diese von ihmgeliebten Berge und etablierte mit tüchti-gen Klienten, darunter Trier und Michel-

sohn, den V. Grad im Gebiet. Einige Namenzeugen heute noch von seinen Aktivitätenwie die Punta Pia und der Campanile Olga,beide nach seinen Töchtern benannt. Über-haupt war Tita Piaz fasziniert von den star-ken Frauen des Cadore, die auch ihm alsTrägerinnen dienten. Er bewunderte nichtnur ihre Stärke (manche konnten Lasten voneinem Zentner auch in alpinem Gelände tra-gen) sondern auch deren Tatkraft. Eine Trä-gerin,Teresa, wurde durch die Schilderungin seinem Buch „Dolomiten- meine Freiheit“bekannt. Als Teresa sich eines Tages beimAbstieg über einen Klemmblock strikt wei-gerte, tiefer zu steigen, half selbst gutes Zu-reden von Piaz nicht.Unten wartete Ugo deAmicis ungeduldig. Auf die eindringlicheFrage von Piaz,warum sie denn nicht weiterwolle gestand Teresa: „Herr Piaz, ich habekeine Unterhose an“.Piaz forderte de Amicisauf, sich umzudrehen und keinesfalls hochzu blicken und so war die Schamhafte be-reit, den Abstieg fortzusetzen. Eine schmaleScharte unter dem Monfalcon di Montanáia,in deren Nähe sich einst das Geschehen ab-spielte,trägt heute Teresas Namen – ForcellaTeresa.

Piaz, er brachte es auf insgesamt 15Erstbegehungen, und sein Kollege Schrof-fenegger eröffneten die vor dem ErstenWeltkrieg schwierigsten Führen im Gebiet,darunter die Nordostwand am CampanileToro,von der er sagte,dort habe er zum ers-ten Male „künstliche Hilfsmittel benützt“;sein duldsamer Klient Trier musste mit ei-nem Schulterstand aushelfen. Direkt nebender Route von Piaz eröffneten 1930 dieBattertkletterer Walter Stösser und Fritz

Schütt eine Route, die immer noch zu dengefürchteten der Gruppe zählt. Die 30erJahre brachten auch ansehnliche Erfolge ita-lienischer Bergsteiger wie von Giusto Ger-vasutti an der Westwand der Cima Both,dieimmer noch im „Originalzustand“ zu absol-vieren ist;ein museales Stück alpiner Vergan-genheit.1929 bescherte der große Emil Sol-leder seinen drei niederländischen Klienteneine Erstbegehung an der Südwand derCima Giáf (V). Natürlich war auch der un-vermeidliche Ettore Castiglioni mit seinem

Freund Celso Gilberti unterwegs beim Sam-meln von Informationsmaterial für einenKletterführer. 1932 absolvierte Gilberti mitOscar Soravito seine größte Erstbegehungan der Nordkante des Monte Agner in derPalagruppe;1933 stürzte er an der Paganella-

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Als „Bajonettenbündel undSchwerterklingen“ schilderteder englische Reisende Murraydie eigenwilligen Formen derMonfalconigruppe.Von links: Cima Both, CimaToro, Punta Pia, Pala Grande,Campanile Toro, Castellato undTorre San Sebastiano. DerCampanile Toro (über dem dritten Baum von rechts) zähltzu den öfter besuchten Gipfelndes Gebiets, sein lohnenderNormalweg weist Schwierig-keiten zweiten Grades auf.

Von der Forcella Segnata aus wirkt die Pra di Toro wieeine grüne Insel über dem tief eingeschnittenen Piavetalmit Domegge di Cadore (unten).

LiteraturDa kein kompakter und umfassender deutscher Führer existiert, muss man sich Informationen mühsam aus italienischen Werken zusammen klauben.

G. Buscaini, Dolomiten, die 100 schönsten Touren, Teil I östl.Dolomiten. In diesem vergriffenen Buch gibt es einige Tourenvor-schläge, darunter zum Campanile di Val Montanáia und zur CrodaCimoliana.

Italienische Bücher (am ehesten bei COOP Cortina d´Ampezzo zu erstehen):Luca Visentini, Dolomiti oltre Piave, 1995 Athesia Bozen; eine derbewährten Gebietsmonografien Visentinis mit zahlreichen informativenFotos, leider ist das Werk nicht in deutsch erschienen.A. e C. Berti, Dolomiti Orientali Vol. II, aus der Reihe Guida dieMonti d´Italia, 1982 in erweiterter Auflage erschienen, das Standard-werk zum Gebiet, unverzichtbar für ernsthafte Interessenten.Camillo Berti, Roberto Tabacchi, Dolomiti del Cadore, aus der ReiheRifugi e Sentieri Alpini sulle Alpi Venete, Edizioni Panorama. Reichbebilderter Führer zu Hütten und Wegen der östlichen Dolomiten.U. Scortegagna, M. Zanetti, Escursioni Parco Naturale DolomitFriulane. Aus der Reihe Itinerari Fuoriporta bei Cierre edizioni, 1995Führer zu den Naturwundern des Nationalparks mit Tourenvorschlägenund Informationen zu Pflanzen und Tieren.

KartenTabacco 1 : 25 000 Blätter 016 Dolomiti del Centro Cadore (Rif. Padova), 021 Dolomiti sinistra Piave (Val Cimoliana, Rif. Pordenone)

Das BivaccoGervasutti mit denOstabstürzen derCima Cadin degli Elmiim Hintergrund.Über die im Profilsichtbare Südrampeverläuft von links herder Normalweg, dervon der Westseite herüber die ForcellaSanta Maria zugäng-lich ist.Wer auf dem Biwaknächtigen will solltedaran denken, dasshier im Sommer kaumWasser zu finden istund entsprechendeVorräte mitgetragenwerden müssen.

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Ostwand zu Tode.Soravito gelang noch,bei-nahe im Rentenalter, 1967 eine Neutour ander Südwestverschneidung des Vorbaus derCima Meluzzo (VI).

Eine letzte bedeutende Erschließungs-kampagne brachte dem Sachsen WolfgangHerberg und seinem Gefährten VincenzoAltamura aus Mailand eine reiche Ausbeutean Erstbegehungen in den frühen 50er Jah-ren,die meisten dieser Routen sehen jedochkaum Wiederholer. Nach einer letzten Er-schließungswelle in den 60er Jahren ist dasKlettern in der Monfalconigruppe in abso-lute Vergessenheit gefallen.

Jetzt ist es an uns Zeitgenossen, die of-fensichtlichen und verborgenen Reize die-ser herben und unverfälschten Landschaftneu zu entdecken, Möglichkeiten gibt esdazu reichlich.

KletternCampanile di Val Montanáia (2173 m)

Normalweg über die Südwand

1. Beg.: Viktor Wolf von Glanvell, Günther von

Saar, 17.9.1902; die heutige Schlüsselstelle

wurde bereits am 7.9.1902 von Napoleone

Cozzi und Alberto Zanutti bewältigt. Stelle V-

und IV+, IV in 2 SL, überwiegend III. 200 Meter

Höhendifferenz, 300 Meter Kletterlänge; Stand-

und Zwischenhaken vorhanden, zur zusätzlichen

Sicherung Friends 1,5 bis 3, 4 Express; 45-

Meter-Zwillingsseil (für Abstieg). Abseilhaken

vorhanden. Häufig begangen, vor allem an

Wochenenden, berühmte klassische Dolomiten-

kletterei. Schon ab Mitte Mai bis November

möglich. Kletterzeit 2-3 Std. vom Einstieg, 2.30

Std. Zugang zum Einstieg aus dem Val Cimolia-

na. 1 Std. für den Abstieg nach Norden. Unmit-

telbar nördlich des Turms steht das Bivacco

Perugini (2060 m), 9 Plätze, kein Wasser.

Einstieg an der Ostseite (Trittspuren), über

Stufen und Bänder auf die Südseite zu Kamin

und über Wandstufe auf Band. In Rechts-Links-

schleife zur Cozzikanzel und über Cozziriss

(Schlüsselstelle) zu Stand in Nische. Linksque-

rung über Saartraverse in Nische (Standh.) und

durch Riss hoch zu Ringband. Links in verschnei-

dungsartiger Rampe zum Gipfel.

In der Umgebung des Biv. Perugini gibt es wei-

tere schwierige Alpinrouten an der Westwand

der Croda Cimoliana (2408 m), Via Gherbaz-

Candot, 350 m, VI; Piaz-Michelson, 350 m, V.

Alle diese Routen befinden sich quasi im Origi-

nalzustand und sind nicht abgeklettert. Zusätz-

lich zur Kletterausrüstung sind hier Hammer und

Hakensortiment ratsam. Das gleiche gilt für die

anderen Routen am Campanile di Val Montanáia.

Cima Meluzzo Südl. Vorbau (ca. 1900 m)

Südwestverschneidung

1. Beg.: M. Micoli, O. Soravito, 12.10.1967

VI in Schlüsselseill., Stelle V, überwiegend IV+

und IV. 450 Meter Höhendifferenz. Bis auf die

Schlüssellänge guter Fels, teilweise kompakt.

Zusätzlich Hakensortiment, darunter kurze Profil

und flache dünne Haken ratsam. 4-5 Std.

Kletterzeit, die Route ist durch die markante

nach Südwesten exponierte Verschneidung vor-

gezeichnet. Einstieg 30 Min. oberhalb des

Parkplatzes vom Rif. Pordenone bei etwa 1500

Metern. Der Abstieg erfolgt über ein breites

Latschenband, das zum Weg beim Campanile

di Val Montanáia führt, dieser kann anschließend

mitgenommen werden.

Monte Cridola (2581 m) Südwandsockel

Vom Parkplatz des Rif. Padova fällt die zerklüfte-

te Südwand der Cridola links der Forc. Scoda-

vacca sofort ins Auge. In Falllinie eines spitzen

Turmes, des Ago del Cridola, wurden 1998 eine

Reihe neuer Routen im Alpinstil erschlossen die

alle auf einem ausgeprägten Latschenband in

halber Wandhöhe enden (Schwierigkeiten bis VI).

Für Abstiege über die Routen zurück empfiehlt

sich ein 50-Meter-Zwillingsseil. Die Felsqualität

wird von den Erstbegehern als optimal bezeich-

net. Die Routen sind ausgerüstet und bis zu 9

SL lang. Zugang über Weg 346 zur Forcella

Scodavacca in 1.30 Std.. Ein breiter schwarzer

Wasserstreifen inmitten der zerklüfteten Süd-

wand gibt in etwa die Richtung zu den Einstie-

gen vor. Detaillierte Informationen (Topos und

Fotos) gibt es beim Hüttenwirt des Rif. Padova,

Paolo de Lorenzo.

Klettergärten

Erto – direkt an der Straße beim Lago Vajont,

dem Schauplatz der Katastrophe von 1963.

Wird gelegentlich vom Militär als Übungsgelän-

de benutzt.

Val Cimoliana – unmittelbar neben dem Park-

platz des Rif. Pordenone. Ca. 15 Routen von V

bis VIII von etwa 25 bis 35 Metern Länge die

entweder an Umlenkhaken oder auf Bändern

enden über die der Abstieg erfolgt. Plättchen für

die Standsicherungen an den Einstiegen muss

man selbst mitbringen. Das Massiv, etwa 50

Meter hoch und 200 Meter breit, hängt etwa

sieben Meter über, so dass das Klettern selbst

bei strömendem Regen noch möglich ist. Klet-

tern kann man hier von April bis Ende Novem-

ber. Während der Saison von Juni bis Septem-

ber tauchen regelmäßig Parkranger zur Kontrolle

auf, also keine Lagerfeuer oder Zelte! Das Mas-

siv ist noch entwicklungsfähig, allerdings nur

außerhalb der Saison, um Probleme zu vermeiden.

Die Westwand der Croda Cimoliana mitdem tiefen Kamin der Piazroute.

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Vom Gipfel der Cima Cadin degli Elmi entfaltet sich im Norden das wild gezacktePanorama von Cridola (links) und der Gruppe des Monfalcon di Forni. Im Vordergrund dieschattige Westwand der Cima Cadin di Vedórcia mit dem markanten Kamin der RouteCapuis-Casara (III-IV), einer der interessanten Genusstouren der Region. An der Schattengrenze verläuft der Abstieg über die gut sichtbare Kaminrinne.