V. 31d: „und (es) verließ sie das Fieber“

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¡ V. 31d : „und (es) verließ sie das Fieber“ ¡ Konstatierung nach üblichem Schema (vgl. Joh 4,52; bBer 34b …) ¡ „verließ “ (aphiēmi): umstritten, ob das Fieber regelrecht personifiziert („dämonisch“) gedacht ist; jedenfalls: Krankheit als Macht. ¡ Mt : wie Mk. – Lk : gekürzt, Fieber als logisches Subjekt. ¡ V. 31e : „und sie diente ihnen.“ ¡ Demonstration bestätigt sofortige und vollständige Heilung ¡ „und diente “ (diakoneō): Imperfekt für längere Dauer ¡ „ihnen “: Jesus und den Jüngern; „Dienst “ = Zeichen der Heilung und Ausdruck des Dankes: Der Gemeinschaft wiedergegeben, vermag die Geheilte Gemeinschaft zu fördern. ¡ Vielleicht schon exemplarisch für „Dienst in der Nachfolge Jesu “ (vgl. 15,41; 9,35; 10,43-45); aber wohl nicht als ständig gedacht (Gnilka). ¡ Nach späteren rabbin . Texten (Qid 70a) war Tischdienst durch eine Frau verpönt; gilt aber kaum für die häusliche Szene und war z. Z. Jesu nicht gängige Praxis. – Dienende Nachfolge von Frauen belegt aber freiere Haltung Jesu (Mk 15,41; Lk 8,3; Joh 2,2). ¡ Mt : „sie stand auf“: Steigerung; „diente ihm “: christologische Konzentration ¡ Lk : „auf der Stelle “: sofortige Wirkung; „aufstehend“ (anastasa): vgl. V. 38a.39a (kunstvolle Wiederholung bzw. Abänderung).

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¡  V. 31d: „und (es) verließ sie das Fieber“ ¡  Konstatierung nach üblichem Schema (vgl. Joh 4,52; bBer 34b …) ¡  „verließ“ (aphiēmi): umstritten, ob das Fieber regelrecht personifiziert („dämonisch“)

gedacht ist; jedenfalls: Krankheit als Macht. ¡  Mt: wie Mk. – Lk: gekürzt, Fieber als logisches Subjekt.

¡  V. 31e: „und sie diente ihnen.“ ¡  Demonstration bestätigt sofortige und vollständige Heilung ¡  „und diente“ (diakoneō): Imperfekt für längere Dauer ¡  „ihnen“: Jesus und den Jüngern; „Dienst“ = Zeichen der Heilung und Ausdruck des

Dankes: Der Gemeinschaft wiedergegeben, vermag die Geheilte Gemeinschaft zu fördern. ¡  Vielleicht schon exemplarisch für „Dienst in der Nachfolge Jesu“ (vgl. 15,41; 9,35;

10,43-45); aber wohl nicht als ständig gedacht (Gnilka). ¡  Nach späteren rabbin. Texten (Qid 70a) war Tischdienst durch eine Frau verpönt; gilt

aber kaum für die häusliche Szene und war z. Z. Jesu nicht gängige Praxis. – Dienende Nachfolge von Frauen belegt aber freiere Haltung Jesu (Mk 15,41; Lk 8,3; Joh 2,2).

¡  Mt: „sie stand auf“: Steigerung; „diente ihm“: christologische Konzentration ¡  Lk: „auf der Stelle“: sofortige Wirkung; „aufstehend“ (anastasa): vgl. V. 38a.39a

(kunstvolle Wiederholung bzw. Abänderung).

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�  Zusammenfassung zu den Seitenreferenten ¡  Mt 8,14f: außer Kürzungen weitere Änderungen:

÷  - Jünger in Situationsangabe gestrichen; Konzentration auf Jesus und Schwiegermutter; „Petrus“ (statt Simon): schon kirchlicher Ehrenname

÷  - Niemand macht Jesus aufmerksam, sieht selbst die Kranke ÷  - Heilsgestus reduziert: bloßes Berühren (mit Machtübertragung) genügt ÷  - Frau richtet sich selbst auf (Steigerung) ÷  - Geheilte bedient Jesus allein ÷  à Hoheit und Vollmacht gesteigert, Größe des Wunders und des Wundertäters

unterstrichen; auf Jesus als Heiland fokussiert. ¡  Lk 4,38f: weniger gekürzt, aber reicher variiert:

÷  - Einleitung ganz auf Jesus konzentriert ÷  - Krankheit gesteigert: „von heftigem Fieber erfasst“: Gewalt eines Dämons? ÷  - Jünger bitten explizit um Heilung ÷  - Heilsgestus großartig entfaltet: Fieber wie ein Dämon bedroht, aber kein Kampf ÷  - Sofortiges Eintreffen und Aufstehen der Geheilten ÷  à Jesus in Konfrontation mit dämonischer Macht (vgl. 4,35); diese muss seiner

Hoheit und Kraft weichen: spezifische theologische Nuancierung.

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�  Form und Gattung ¡  Form: knappe Schilderung, bündig erzählt; einfache Hauptsätze, mit „und“

verbunden (kleine Abweichung V. 30); im Vergangenheitstempus, nur

„Sprechen“ der Jünger V. 30 im Präsens

¡  Biographische und topographische Einzelangaben: Haus, Schwiegermutter,

Begleitung Jesu

¡  Keine nähere Beschreibung von Krankheit und Heilung; keine Reaktion der

Jünger.

¡  Gattung: vgl. Heilungen von Epidauros, des Apollonius von Tyana, weitere

Heilungen im NT (Glaube, Sündenvergebung, Heilszusage, Heilungswort)

¡  Übliches Schema einer Heilungsgeschichte, hier stärker reduziert

¡  Sehr kurz und knapp; aber biographische und topographische Details (nicht

topisch); keine theologischen Akzente bei Heilung selbst („dienen“ – ?)

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�  Redaktion und Tradition ¡  Redaktion:

¡  Mk: Verbindung mit Jüngerberufung und Exorzismus in der

Synagoge; Komposition in den Rahmen des „Tages von Kafarnaum“:

Ausdehnung des Wirkens Jesu gezeichnet; Jesu Vollmacht erweist

sich auf vielfältige Weise (Gnilka); „Lawine des Heils bricht

los“ (Stowasser).

¡  Mt: andere Kontextuierung, gekürzt, christologische Konzentration,

Dienst an Christus

¡  Lk: gleicher Kontext wie Mk, aber anschaulichere Erzählung

(diēgēsis), verdeutlichend, exorzistischer Zug redaktionell

herausgearbeitet.

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�  Redaktion und Tradition ¡  Tradition und histor. Rückfrage: ¡  Einige Indizien für vorgegebene ältere Tradition:

÷  1. Fehlen ausschmückender und erläuternder Details; karg erzählt ÷  2. Fehlen jeder expliziten Christologie und spezifisch theologischer Motive

(Glaube, Nachfolge)

÷  3. Tendenzlos berichtete topographische und biographische Einzelangaben ÷  4. Spannung zur Forderung radikaler Nachfolge (Mk 10,21.28; Lk 9,57-62):

Simon hat noch nicht „alles verlassen“.

¡  Fazit: sehr alte Erzählung aus der Frühzeit der Urkirche, ins Leben Jesu zurückreichend; historische Realität schimmert durch Schema der Erzählung durch.

¡  „Durchbrechen der Naturgesetze“ dem Text nicht zu entnehmen, deutlich aber: beeindruckendes Wundercharisma Jesu, das durch personale Begegnung und Zuwendung Heil und Befreiung, letztlich Rettung aus der Macht des Todes ermöglicht.

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�  Bibeltheologische Auswertung und Aktualisierung ¡  1. Jesu Besuch im Haus des Simon und Andreas

÷  Ruf in die Nachfolge schließt Wahrnehmung und Beibehaltung menschlicher Bindungen nicht aus.

¡  2. Jünger sprechen mit Jesus über die Kranke ÷  Gründet in Erfahrung der Macht Jesu: Probleme, Fragen vertrauensvoll vorgetragen, bes.

angesichts von Krankheit, Ohnmacht, Unheil, Todesnähe ÷  Ebenso wichtig: Motiv der Fürbitte (Lk!) im Vertrauen auf Jesu Macht.

¡  3. Heilung selbst ÷  In der Begegnung mit Jesus, der für Leiden u. Not der Menschen sensibel ist, wird der

ohnmächtige Mensch aufgerichtet, zu Tat und Dienst befähigt. ÷  „Aufrichten“ = schon Vorwegnahme der Totenerweckung (gleiches Verb egeirō):

demonstriert bereits Jesu Macht über den Tod. ÷  In Jesu Wirken wird der Anbruch der Gottesherrschaft deutlich, offenbart sich Gottes „Güte

und Menschenfreundlichkeit“ (Tit 3,4), sein JHWH-Sein (Ex 3,14): Jesus als Ort der Erfahrung Gottes.

¡  4. Das Dienen ÷  Zeichen (Demonstration) der Heilung: fähig zur Hilfe, zur Förderung von Gemeinschaft;

Ausdruck des Glaubens (vgl. Mk 15,41) ÷  Geheilte als Vorbild für soziales Engagement in der Gemeinde Jesu Christi: Kirche hat

Aufgabe, Jesu heilend-befreiendes Tun immer neu zu erinnern und durch alle ihre Glieder „dienend“ zu verwirklichen.

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�  Texterklärung ¡  Kontext und Abgrenzung:

÷ Nach Speisung der 5000 (auch bei Joh diese Akoluthie: Traditionszusammenhang?)

÷ Mk 6,45: Richtung Betsaida, Anlegen in Gennesaret (V. 53)

÷ Mt 14,22: „Hinüberfahren“, Landen in Gennesaret (V. 34)

÷ Joh 6,17.21.22-25: Kafarnaum als Ziel, Landen dort; Brotrede (ab V. 26)

4.6.3.2 Jesu Wandel auf dem See (Mk 6,45-52 par)

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¡  Gliederung / Struktur (vgl. Blatt) ÷  Aktion Jesu – Reaktion der Jünger: Kontrast; Jesu Offenbarungswort im

Zentrum ÷  a) Situationsangabe V. 45-47 ÷  b) Notsituation V. 48ab ÷  c) Kommen Jesu V. 48cd.49a ÷  d) Erschrockene Reaktion V. 49b-50b ÷  e) Rede Jesu V. 50c-f ÷  f) Rettende Aktion V. 51a ÷  g) Konstatierung V. 51b ÷  h) Admiration im Erschrecken V. 51c ÷  i) Erläuterung des Evangelisten V. 52 ÷ à Schema einer Rettungswundergeschichte, darüber hinaus epiphaniale

Elemente (c - e): ¢  Rettende Initiative + wunderbares Erscheinen ¢  Reaktion im doppelten Erschrecken (mysterium tremendum)

÷ à Verbindung von Epiphanie und Rettungswunder (öfter nachweisbar) ÷ à Etliche atl. Motive verarbeitet: Jesus wird epiphan als der mit JHWHs

Kraft und Vollmacht ausgerüstete „Sohn Gottes“ (vgl. Mt 14,33).

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�  Einzelerklärung (nach Mk) ¡  V. 45: Und sofort nötigte er seine Schüler / Jünger, einzusteigen ins

Boot und vorauszufahren zum Gegenüber nach Betsaida, bis er selbst entlässt die Volksmenge.

¡  „Und sofort“: Jesus nicht namentlich genannt; mk Überleitungsformel ¡  „nötigte einzusteigen ins Boot“: anagkazō = mk Hapaxlegomenon; kein

Zusammenhang mit Speisung (diff. Joh 6,15); bereitet folgende Selbstoffenbarung Jesu erzähltechnisch vor (auch theologisch-ekklesiologisch relevant)

¡  „und vorauszufahren“: Trennung für das Folgende entscheidend ¡  „zum Gegenüber nach Betsaida“: Schwierigkeiten

÷  Erreichtes Ziel = Gennesaret (V. 53, vgl. Kafarnaum bei Joh) ÷  „zum Gegenüber“ passt nicht: auch Betsaida liegt schon am Ostufer ÷  „Betsaida“ wohl ursprünglich à Hinweis, dass zwei getrennte Traditionen

(Speisung, Seewandel) verbunden wurden ÷  Vermittlung: pros Bēthsaïdan = „auf Betsaida zu“: nur als Richtungsangabe, mit

Landung in Gennesaret harmonisierbar ÷  Betsaida: ident mit Julias, von Philippus neu gegründet (Ausgrabung et-Tell);

außerhalb des Herrschaftsgebietes des Herodes Antipas; Heimat des Petrus, Andreas, Philippus (Joh 1,44; 12,21); zeitweiliger Rückzugsort Jesu

¡  „bis er selbst entlässt ...“: motiviert Einsteigen und Voranfahren der Jünger: Zeugen der Epiphanie werden von Menge getrennt (vgl. 5,37.40).

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¡  V. 46: Und sich verabschiedend von ihnen, wegging er auf den Berg, um zu beten.

¡  Verabschiedung (apotassomai = mk Hapax): Jünger? – Menge? ¡  Fortgehen zum Gebet: Vorbereitung der Epiphanie; einsames Gebet Jesu bei Mk

nur noch 1,35 und 14,32ff ¡  „auf den Berg“: Beten auf Berg bei Mk nur hier (vgl. aber Lk 6,12; 9,28): leitet

Offenbarungsszene ein; vgl. Berg im AT: Offenbarungsort, der die Nähe Gottes symbolisiert (Sinai, Seïr, Paran, Teman, Horeb); mit Berg verbundene Erscheinung auch in Mk 9,2; Mt 28,16

¡  V. 47: Und als es Abend geworden war, war das Boot inmitten des Meeres, und er allein auf dem Land.

¡  „Abend geworden“: schon Speisung am Abend (vgl. 6,35) – bedrohliche Dunkelheit (vgl. auch 4,35)

¡  „Boot inmitten des Meeres“: See Gennesaret = „Meer“ (thalassa); „mitten auf ...“: weniger geographisch gemeint (vgl. Joh 6,19), sondern den Gefahren des Wassers ungeschützt preisgegeben; „Meer“ = wie im AT: bedrohliche Chaosmacht, Symbol für äußerste Gefahr und Tod (vgl. 2 Sam 22,5; Ps 18,16f etc.)

¡  „er allein auf dem Land“: „er allein“ unterstreicht den Kontrast: Jesus auf festem Boden, in Sicherheit à schafft Atmosphäre für folgendes Wunder; tieferer Sinn: Kontrast bezeichnet wahre Situation Jesu und seiner Jünger.

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¡  V. 48: Und sehend sie, sich quälend beim Rudern, denn es war der Wind ihnen entgegen, um (die) vierte Wache der Nacht kommt er zu ihnen, umhergehend auf dem Meer, und er wollte vorübergehen an ihnen.

¡  „sehend sie“: Wie möglich? – überlegenes Wissen Jesu; nimmt Not der Jünger wahr

¡  „sich quälend ... Wind ihnen entgegen“: Seenot (vgl. 4,37)? ÷  „quälen“ (basanizō) meint starkes menschliches Leid ÷  Wind als Gegner: vgl. Jona 1,4f.13

¡  „um die vierte Wache der Nacht kommt er zu ihnen“: ÷  Nach röm. Zählung (diff. AT: 3 Nachtwachen): zw. 3 und 6 Uhr früh (vgl.

Mk 13,35: „spät – mitternachts – beim Hahnenschrei – früh“) ÷  Motiv der Hilfe Gottes am Ende der Nacht / in der Morgenfrühe: Ex 14,24;

Ps 46,6; Jes 17,14; auch Mk 16,2; Joh 21,4 ÷  „kommt“ zu Hilfe: erchomai mit epiphanialem Klang; wie Gott im AT.

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¡  V. 48: ¡  „umhergehend auf dem Meer“:

÷  Aus Kontext klar: nicht am Ufer (epi tēs thalassēs könnte auch „zum / am Meer“ heißen à rationalistische Erklärungen: am Ufer, im seichten Wasser bei der Jordanmündung)

÷  Wie JHWH auf/über dem Meer wandelnd: souverän über dem ihm unterworfenen (vgl. Mk 4,41) Chaos- und Todeselement; stark an AT-Aussagen erinnernd (Ijob 9,8; Ps 77,20; Jes 43,16); im AT Eigenschaft des allmächtigen Gottes à menschlich Unmögliches ist Jesus möglich.

÷  Hellenistische Parallelen (vgl. Luz): Lukian, Philopseudes 13 (über Hyperboreer); Porphyrius, Vit. Pyth. 29 (über Pythagoras); Dio Chrysostomos, Or. 3,30f (im Blick auf Xerxes) à faszinierender Traum; Menschen unmöglich, Gott vorbehalten, außer: Göttersöhne, Zauberkraft, vermessenes Eindringen in göttliche Sphäre.

÷  Auch Buddha-Legende (Kaschyapa-Zyklus): Überqueren des angeschwollenen Ganges.

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¡  V. 48: ¡  „wollte vorübergehen an ihnen“:

÷ Befremdlich, fast absurd anmutend; Widerspruch zu helfendem Kommen vorher?

÷  „vorübergehen“ (parerchomai): vgl. Vorübergang Gottes bzw. seiner Herrlichkeit an Mose und Elija (Epiphanie): Ex 33,19.22; 34,6; 1 Kön 19,11

÷ Evtl. auch Prüfung / Herausforderung angedeutet (vgl. Emmaus Lk 24,28), doch primär Epiphanie (analog AT): „kommt“, um sich „im Vorübergehen“ als Herr des Meeres und der Todesgefahr (wie JHWH) zu offenbaren: Wesen und Größe Jesu so erschlossen.

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¡  V. 49-50b: Die aber, sehend ihn auf dem Meer umhergehend, meinten, dass es ein Gespenst sei, und sie schrien auf; denn alle sahen ihn und wurden verwirrt.

¡  Fokus wieder auf den Jüngern; einige Wiederholungen ¡  Reaktion: Angst und Erschrecken – wie bei Theophanien (AT/NT) ¡  Zunächst aber als „Gespenst“ gedeutet (phantasma = unwirkliche

Erscheinung; nur hier im NT; vgl. aber Lk 24,37: pneuma; Apg 12,9: horama): unbekannte Macht à Schrecken, Angstschrei als natürliche Reaktion des Menschen bei Einbruch von Unbekanntem bzw. Göttlichem in sein Leben.

¡  „denn alle sahen ihn“: wirkt wie ein Zusatz ÷  Versicherung der Realität der Erscheinung: „alle“ (vgl. Ostererscheinungen

Lk 24; Joh 20; 21) ÷  „sahen ihn“: inmitten des totalen Chaos ist doch „er“ à aber zu ungewohnt à Verwirrung, Erschrecken.

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¡  V. 50c-f: Er aber redete sofort mit ihnen und sagt ihnen: Habt Mut, ich bin (es); fürchtet euch nicht!

¡  Gibt sich durch Sprechen zu erkennen: Gemeinschaft „mit ihnen“ ¡  Dreigliedriges Wort:

÷  A) Zuspruch „Habt Mut!“ (tharseite): vgl. Heilungswunder (Mk 2,5; 5,36 etc.): wehrt hier das Erschrecken über die Erscheinung ab; auch Bezug auf bedrängte Situation der Jünger überhaupt (auf dem Meer der Welt / der Zeit; vgl. Joh 16,33).

÷  B) Formel „ich bin (es)“: doppelbödig: ¢  Identifizierung: „ich bin es wirklich, ich selbst, kein Geist“: Gespenst

entdämonisiert (vgl. auch Lk 24,39) ¢  Offenbarungsformel für göttliche Majestät: „Ich bin (es)“ = atl.

Gottesoffenbarungsformel (ani / anoki hu) à über LXX (egō eimi) à Offenbarungsaussage im Mund Jesu (bes. bei Joh)

¢  Im AT vierfach angewendet: a) Offenbarung des Wesens Gottes im strengen Sinn (Ex 3,14 etc.) b) Begründung / Sicherung eines Gotteswortes (Ex 20,2 etc.) c) Angabe des Erkenntnisinhalts / „Erweisformel“ (oft bei Ez) d) Hervorhebung der Einzigkeit und Ausschließlichkeit JHWHs (bes. DtJes: 43,3.10-12 etc.)

¢  In dem über das Meer schreitenden Jesus wird JHWH epiphan: „ich bin“= Identifizierung und auch Offenbarungsformel wie im AT (mehrdimensional: Mensch Jesus – in ihm Gott offenbar).

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¡  V. 50c-f ÷  C) Trostformel „Fürchtet euch nicht!“ (mē phobeisthe):

¢  Direkt auf Selbstoffenbarung Jesu mit atl. „Ich bin“-Formel bezogen ¢  Bei Epiphanien: al tira / mē phobou wehrt Furcht vor göttl. Majestät ab

(vgl. Gen 15,1; 26,24 ...; Mk 16,6; Lk 1,13 etc.)

¡  V. 51: Und hinaufstieg er zu ihnen ins Boot, und (es) ließ nach der Wind; und sehr entsetzten sie sich bei sich.

Evangeliar Heinrichs III., 1043

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¡  V. 51 ¡  Der göttlich sich Offenbarende schenkt seine (neue) Gemeinschaft –

nach Trennung und Distanzierung (V. 45-47) ¡  Bringt zugleich Rettung aus der Not: „steigt hinauf“ (anabainō) ins

Boot der Menschen, verbürgt dessen Sicherheit (vgl. 4,38): Das sprengt den Rahmen atl. Theophanien und österlicher Erscheinungen (Entschwinden / aphanismos).

¡  „Wind ließ nach“: ohne ein bes. Zeichen Jesu; Rettungswunder-Faden wieder aufgegriffen; Macht über Wind nur anklingend.

¡  Großes Entsetzen (vgl. V. 50): intensiviertes Admirationsmotiv – analog zur Größe der Offenbarung (Seewandel + Rettung)

„außer sich geraten“ (existamai) = auch sonst Reaktion auf Wunder (2,12; 5,42): Schrecken (mysterium tremendum: V. 50b) verbunden mit Faszination (mysterium fascinosum): „Jesus ist als der offenbar, in dem Gott sich zum Menschen hin überstiegen hat“ (R. Pesch).

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¡  V. 52: Denn nicht hatten sie verstanden bei den Broten, sondern (es) war ihr Herz verstockt.

¡  Für Mk: Entsetzen der Jünger = Ausdruck des Unverständnisses, mit Herzensverhärtung verbunden (vgl. auch 6,32-44; 8,14-21 ...)

¡  „verstockt / verhärtet“ (pepōrōmenē): gefühllos, unempfindlich; blind für das von Jesus Gewirkte

¡  Scharfe Aussage: gegen den Unglauben (vgl. 4,40f), der sich in mangelnder christologischer Einsicht zeigt

¡  Im Dienst der mk Christologie („Messiasgeheimnis“): Die Würde Jesu wird im irdischen Leben zwar immer wieder offenbar (in „geheimen Epiphanien“), doch abgeblockt, zurückgedrängt (Schweigegebote, Unverständnis): Wahre Würde wird erst unter dem Kreuz öffentlich ausgesprochen (15,39): Grenze des wunderbaren Geschehens deutlich.

¡  Mk schärft ein: eigentliche Erschließung des Wesens Jesu erst im Kreuz, Erkenntnis Jesu nur auf dem Kreuzweg, hinter ihm her möglich (8,33f; 10,52).

¡  Zusammenfassung zu Mk

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�  Vergleich mit den Seitenreferenten (bes. Petrusepisode) �  Mt 14,22-33

¡  Übersicht: V. 22-27.32 � Mk; in V. 28-31 (Petrus) und 33 (anderer Schluss) deutliche Abweichungen

¡  Kleine Umformulierungen; einige Details („Betsaida“ fehlt; „Volksmassen“; „für sich / allein war er dort“; „wollte vorübergehen“ ausgelassen; direkte Rede: „Gespenst“; Repetition Mk V. 50a schon in V. 26 eingearbeitet; Unverständnis weggelassen, Ende stark umgestaltet: Proskynese und Bekenntnis, positives Jüngerbild, vollgültiges Bekenntnis zur Gottessohnschaft Jesu, vgl. 16,16)

¡  An zentrales Wort Jesu wird noch die Petrusgeschichte (V. 28-31) angeschlossen: sprachlich stark mt, aber wohl aus mündlicher Tradition stammend (vgl. v.a. Joh 21,7f): schon vor Mt oder durch Mt zu Seewandelgeschichte umgestaltet und hier eingefügt.

¡  Mt-Gemeinde bes. Petrus verbunden: anhand von Petrus Glaube und Zweifel illustriert à Petrus als Schulbeispiel (für Katechese); Lehre in erzählender Form: Ermutigung zu zweifelsfreiem Glauben und starkem Vertrauen in Not; Schiff mit Jüngern = Bild für Kirche (wie bei Seesturm 8,23-27).

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n  Mt 14,28-31: Petrusepisode

Egbert-Codex, um 990 L. Ghiberti, um 1420

Page 21: V. 31d: „und (es) verließ sie das Fieber“

n  Mt 14,28-31: Petrusepisode

Tintoretto, 1575-80 Ph. O. Runge, um 1807

Page 22: V. 31d: „und (es) verließ sie das Fieber“

n  Mt 14,28-31: Petrusepisode

S. May, 1980 R. Hammerstiel, um 1975

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�  Form und Gattung (mit atl. Motiven, religionsgeschichtl. Parallelen) �  Geschlossene Erzählung, aber eigentümlich, teilw. „unwahrscheinlich“ �  Biblische Sprache und Bildmotive:

¡  Offenbarung „vom Berge her“ als Retter; Wind / Sturm als Gegner; Seenot ¡  „vierte Nachtwache“ (frühmorgens); „auf dem Meer gehend“; „wollte

vorübergehen“ ¡  Geistsehen, Furcht, Entsetzen ...; „Fürchtet euch nicht!“; „Ich bin“ ¡  Petrusepisode: Einsinken in den Fluten; rettendes Ausstrecken der Hand

�  à Durch Bibel geprägte Sprache. �  à „Christusgeschichte“ im Stil atl. Theophanien u. ntl. Ostergeschichten

(Jesus als Retter und Herr über Lebensbedrohung und Tod: österliche Einsicht).

�  à Nach G. Theißen: Rettungswunder (Grundgerüst) mit Epiphanie des Retters; Verbindung von Rettungswunder und Epiphanieerzählung im engeren Sinn. – Impliziert: Was das AT von JHWH aussagt, bekennt Urkirche von Jesus: in seinem Handeln und seiner Person wird die rettende Nähe Gottes erfahren.

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�  Dazu: nachösterlich-urkirchliche Erfahrung:

¡  „Zwingen / Nötigen“ der Jünger zur Ausfahrt; Verlassensein, Gefahr;

Jesus dagegen in Sicherheit (bei Gott)

¡  Sieht aber ihre Not, auch in dunkelster Nacht; kommt, um sich in

seiner Macht über Unheil und Tod zu offenbaren; rettet aus tödlicher

Bedrohung, schenkt bergende Gemeinschaft.

¡  Erfahrung von Not und Rettung (vorösterlich und in nachösterlicher

Mission sowie Verkündigung) in eine Bilderzählung übersetzt: Jünger

im Boot = Bild für Kirche; Bilder für existenzielle Bedrängnisse und

deren Überwindung: in festem Glauben Hilfe vom Herrn erwarten;

Gewissheit, dass er die Seinen nicht im Stich lässt (Textpragmatik).

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�  Eingeschobene Petrusepisode (Mt 14,28-31): ¡  Wundergeschichte wird zu Jünger-/Nachfolgegeschichte

¡  Verdichtung / Zusammenfassung der gesamten urkirchl. Erfahrung mit Petrus (vgl. auch Joh 21,1-13)

¡  Exemplarisch für jede/n einzelne/n JüngerIn und für die Kirche; zeigt:

÷  a) die Größe der Verheißung, die dem/der Glaubenden in der Nachfolge gegeben ist

÷  b) das Scheitern in Anfechtung und Bedrohung: kleingläubig – verzweifelnd

÷  c) die Rettung durch den Herrn, wenn um Hilfe angefleht.

¡  Episode (individuell) transparent auf Gestalt des Petrus: Prototyp des/der wahren Glaubenden wie des/der Kleingläubigen

¡  Auch (ekklesiologisch) transparent auf die Kirche: hat im Glauben Anteil an Macht des Herrn à Aber: Bewahren und Bewähren nötig; bei Zweifel an Gegenwart des Herrn (Mt 28,20) ergeht es ihr wie Petrus; wenn sie aber Hilfe erfleht: Rettung, Überwindung des Kleinglaubens, Mut, neues Leben.

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�  Redaktion und Tradition �  Zu den 3 Versionen:

¡  Mk: dramatische Erzählung; z.T. mk Terminologie; typisch mk Schluss; vor-mk Textbasis

¡  Mt: gekürzt, verbessert, stärker dialogisch; bes. Eingriffe am Schluss: Petrus, österl. Bekenntnis.

Petrusepisode: stark mt-redaktionell geprägt, doch vor-mt Erzählung dahinter (vgl. Joh 21,7f); bes. Anliegen der mt Gemeinde spürbar; Zusammenfassung von exemplarischer Gültigkeit: Jüngererzählung, kein protokollarischer Bericht.

¡  Joh: später; einige typ. joh Angaben; vermutlich aus Semeia-Quelle, vom 4. Evangelisten überarbeitet

�  Textentstehung (mit historischer Rückfrage) ¡  Voneinander unabhängige Belege (vor-mk, vor-joh / SQ) à alte judenchristliche Erzählung:

÷  An vorösterliches Wissen (Jesu Gebet auf Berg, bes. Rettungserfahrung der Jünger, vgl. Mk 4,35-41) anknüpfend

÷  Motivbezüge zu AT und ntl. Ostererzählungen (bes. Lk 24,37ff) sowie verarbeitete urchristlich-missionarische Erfahrungen zeigen: im Licht von Ostern erfolgte umfassende Deutung der gesamten Erfahrung mit Gottes rettender Macht in Jesus (R. Pesch: „freie christologische Bildung“).

Page 27: V. 31d: „und (es) verließ sie das Fieber“

�  Textentstehung (mit historischer Rückfrage) ¡  Zusammenfassung: 3 Schichten der Entstehung

÷  a) vorösterliche Erfahrung der Jünger ÷  b) nachösterliche Einsicht / Erkenntnis ÷  c) mit Vorstellungen und Bildern aus AT verwoben – zugleich im Blick

auf Not der christl. Gemeinde und persönliche Bedrängnisse sowie Rettungserfahrungen formuliert.

¡  Historische Anhaltspunkte im österlichen Wissen und aus nachösterlicher Erfahrung „umgeschmolzen“ in eine Offenbarungsgeschichte (Rettungs- und Epiphanieerzählung), die Jesu eigentliche Würde und Bedeutung für Glaubende / Kirche zeigt: „kerygmatische Wundergeschichte“, „Zeichenwunder“, „christologisches Offenbarungswunder“ (O. Knoch, A. Vögtle, G. Theißen)

¡  Also: kein histor. Protokoll; Historie und Kerygma ineinander; stark nachösterlich geprägt. à Österliche Darstellung der Wunder Jesu = wesentliches „Zeugnis“ für den Glauben der Kirche an die Auferstehung Jesu (implizite, narrative Christologie: vgl. J. Kremer).

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�  Bibeltheologische Zusammenfassung und Aktualisierung ¡  Auslegung nach J. Kremer, Jesu Wandel: zu V. 45. 46b-48c.

48d-f. 50. 51. 52

¡  Anhang I: Auslegung von K. Berger - mit Beurteilung

¡  Anhang II: Auslegung von E. Drewermann - mit Beurteilung: ÷ subjektal – objektal gemischt

÷  rein individuell

÷ christologisch und ekklesiologisch verkürzt

÷ Unsterblichkeit – keine biblische Kategorie.

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4.7 Nachfolge / Berufung

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4.8 Jesus und die Tora