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Jedem Kind ein Instrument? Teilhabe an Musikkultur vor dem Hintergrund des capability approach Valerie Krupp-Schleußner Perspektiven musikpädagogischer Forschung Band 4

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Jedem Kind ein Instrument?Teilhabe an Musikkultur vor dem Hintergrund des capability approach

Valerie Krupp-Schleußner

Perspektiven musikpädagogischer

Forschung

Band 4

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Perspektiven musikpädagogischer Forschung

herausgegeben von

Prof. Dr. Jens Knigge Prof. Dr. Ulrike Kranefeld

Prof. Dr. Anne Niessen Prof. Dr. Christine Stöger

Band 4

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Valerie Krupp-Schleußner

Jedem Kind ein Instrument?

Teilhabe an Musikkultur vor dem Hintergrund des capability approach

Waxmann 2016 Münster • New York

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Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

ISSN 2198-1973 Print-ISBN 978-3-8309-3508-7 E-Book-ISBN 978-3-8309-8508-2

Waxmann Verlag GmbH, 2016

www.waxmann.com [email protected]

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Danksagung

Mein herzlicher Dank gilt Professor Dr. Andreas Lehmann-Wermser für die guteBetreuung und die zahlreichen kritischen Diskussionen, Hinweise und Kommen-tare, die zum Entstehen der Arbeit beigetragen haben. Ebenso danke ich Profes-sorin Dr. Veronika Busch und Professor Dr. Kai Lothwesen sowie allen anderenKolleginnen und Kollegen am Bremer Institut für Musikwissenschaft und Musik-pädagogik für die vielen fachlichen und persönlichen Gespräche, die mich stetsinspiriert, unterstützt und motiviert haben. Für Korrekturen, Hinweise und kriti-sche Kommentare danke ich ganz besonders Dr. Verena Weidner und ProfessorinDr. Lina Oravec sowie Jan Biring.

Ganz besonderer Dank gilt auch meinen Eltern und meinem Bruder für diewertvolle Unterstützung in allen Lebenslagen auf dem Weg zur Fertigstellungdieser Arbeit. Meinem Mann danke ich besonders für das kritische Lesen, langeDiskussionen und intensives Korrekturlesen und natürlich vor allem für aufbau-ende Worte, Ermutigung, Unterstützung und Geduld in allen Arbeitsphasen.

Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen des ForschungsprojektesWirkun-gen und langfristige Effekte musikalischer Angebote. Dank gilt daher auch denSchülerinnen und Schülern sowie den Lehrerinnen und Lehrern, die bereit waren,an der Befragung der Studie Wirkungen und langfristige Effekte musikalischerAngebote teilzunehmen. Ohne diese Bereitschaft wären Studien wie die hier vor-liegende nicht möglich.

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Inhalt

I Theoretischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101.1 Erkenntnisinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111.2 Entstehungskontext der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131.3 Ausblick auf das Forschungsvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . 15

2 Diskurse zur Teilhabe an Musikkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.1 Kulturelle Teilhabe als Teil einer guten Bildung . . . . . . . . . . 192.2 Teilhabe an hochkulturellen Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . 202.3 Wirkungsdiskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222.4 Teilhabe als Gegenstück zu Exklusion . . . . . . . . . . . . . . . 23

3 Teilhabe an Musikkultur – eine terminologische Annäherung . . . . 253.1 Kulturbegriffe im Teilhabediskurs . . . . . . . . . . . . . . . . . 263.2 Teilnahme und Teilhabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

4 Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414.1 Allgemeine Kulturstatistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414.2 Musikpädagogische Teilhabeforschung . . . . . . . . . . . . . . . 464.3 Forschung zur Teilhabegerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 534.4 Forschungsdefizit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61

5 Teilhabegerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635.1 Zur Problematik egalitaristischer Begründungsmuster . . . . . . . 655.2 John Rawls’ Theorie der Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 685.3 Sens Kritik an Rawls’ Gerechtigkeitstheorie . . . . . . . . . . . . 70

6 Der capability approach: Grundlagen und Implikationen . . . . . . . 756.1 Die Idee der Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 756.2 Zur Relevanz von Bildung und Erziehung . . . . . . . . . . . . . 83

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6.3 Implikationen für das Nachdenken über musikalische Bildung . . 876.4 Eine capability-Perspektive auf die Teilhabe an Musikkultur... . . 906.5 ...am Beispiel von JeKi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 926.6 Fokus: Sen versus Bourdieu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

7 Teilhabe an Musikkultur – ein gegenstandsspezifisches Modell . . . 1117.1 Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

II Empirische Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

8 Forschungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1228.1 Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

9 Variablen und Skalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1279.1 Functionings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1279.2 Capability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1329.3 Well-being . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135

10 Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14410.1 Deskriptive Auswertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14410.2 Beantwortung der Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . 156

11 Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . 19211.1 Diskussion der deskriptiven Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . 19211.2 Modellbildung und Validierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

12 Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

III Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

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1 Einleitung

Kulturelle Teilhabe und kulturelle Bildung genießen in Deutschland einen ho-hen Stellenwert. Kultureller Bildung wird eine Schlüsselfunktion für die Ermögli-chung von Teilhabe zugesprochen (Deutscher Bundestag, 2007, S. 440). Die Teil-habe aller anKultur solle gewährleistet sein, denn diese „bedeutet auch Teilhabe ander Gesellschaft“ (Deutscher Bundestag, 2007, S. 8). Wenngleich dasWechselver-hältnis von Teilhabe und Bildung genauer zu klären wäre, betonen diese Aussagennicht nur den Stellenwert kultureller Bildung, sondern formulieren auch den An-spruch, dass jeder ein Recht auf kulturelle Teilhabe hat, dass also Gerechtigkeitzur Teilhabe an Kultur gegeben sein muss.

Seit der Veröffentlichung der ersten PISA-Ergebnisse hat die öffentlich-politische Förderung kultureller Teilhabe einen beachtlichen Aufschwung genom-men (Reinwand-Weiss, 2012, S. 108) , denn mit den Ergebnissen war die Erkennt-nis verbunden, dass die Ungerechtigkeit des deutschen Bildungssystems nach wievor besteht und sich zudem in alle Bildungsbereiche, also auch den der musikali-schen Bildung, erstreckt. Die große Bereitschaft, kulturelle Bildung und Teilhabezu fördern, äußert sich beispielsweise in dem vom Deutschen Bundesministeriumfür Bildung und Forschung geförderten Programm Kultur macht stark1 oder, mu-sikspezifisch, in der steigenden Anzahl von Instrumentalklassen in den weiterfüh-renden Schulen sowie in zahlreichen anderen Programmenmusikalischer Bildung,die größtenteils in der Grundschule und in der Sekundarstufe 1 zu verorten sind.

Im Bereich der Musikpädagogik ist der Anspruch der Teilhabegerechtigkeit ei-ne vonmehreren wichtigen Legitimationsgrundlagen für die Verankerung desMu-sikunterrichts in der schulischen Grundausbildung, aber auch für darüber hinausgehende Maßnahmen zur Förderung der Teilhabe an Musikkultur, die die Teilha-begerechtigkeit fördern sollen.

Wenngleich es dabei mittelbar um eine höhere gesamtgesellschaftliche Teilha-be durch kulturelle Teilhabe geht, steht unmittelbar das Ziel von mehr Teilhabe-

1 https://foerderung.buendnisse-fuer-bildung.de/ [eingesehen am 05.07.2015].

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gerechtigkeit an Musikkultur im Vordergrund.2 Auf der Ebene der Analyse undInterpretation von Forschungsergebnissen zur Teilhabe an Musikkultur kann fest-gestellt werden, dass letztere sehr oft vor dem Hintergrund der Perspektive Bour-dieus untersucht wird. Dabei geht es darum zu erforschen, inwiefern kulturelleTeilhabe und insbesondere die Teilhabe an hochkulturellen Freizeitaktivitäten vonHerkunft und Bildung abhängig sind und inwiefern die Teilhabe an Kultur als Mit-tel zur Distinktion und Statussicherung genutzt wird. Solche Analysen kreisen umjene Aspekte von Kultur, die als die ‚legitime Kultur‘ gelten. Die Gefahr besteht ineiner einseitigen Betrachtung von Phänomenen der Hochkultur (z.B. Oper, Ballett,klassische Konzerte). Dadurch werden viele Aspekte der musikalisch-kulturellenBetätigung im Kindes- und Jugendalter aus der Analyse ausgeschlossen. Eine sol-che Perspektive ist für eine differenzierte Analyse der Teilhabe an Musikkulturund deren Bedingungen u.U. nicht ausreichend.

Teilhabegerechtigkeit wird vor dem Hintergrund Bourdieus durch die Analy-se von Ungleichheit thematisiert. Problematisch ist daran wiederum, dass nichteinbezogen wird, dass Personen sich aufgrund ihrer Interessenlage ganz bewusstgegen die Teilhabe anMusikkultur (sei es an Hochkultur oder insgesamt) entschei-den können. Eine individuelle Perspektive auf Teilhabe wird nicht integriert. In dervorliegenden Arbeit wird argumentiert, dass der Ansatz Bourdieus zwar von gro-ßer Relevanz für den musikpädagogischen Diskurs ist, dass er jedoch auf einigenGrundannahmen beruht, die ihn für die Beurteilung von Teilhabegerechtigkeit nurbedingt geeignet machen.

1.1 Erkenntnisinteresse

Die vorliegende Studie widmet sich der empirischen Analyse der Teilhabe an Mu-sikkultur von Siebtklässlern3 unter der Berücksichtigung von Fragen nach Teil-habegerechtigkeit. Für diese Altersgruppe existieren bisher keine genuin musik-pädagogischen Studien, die die Teilhabe an Musikkultur umfassend beschreibenund dabei unterschiedliche Bedingungsfaktoren für diese in den Blick nehmen.Fragen zur Thematik der Teilhabegerechtigkeit wurden bisher ebenfalls nur ru-

2 Neben dem Ziel von mehr Gerechtigkeit der Teilhabe an Musikkultur spielen aber auch dieder musikalischen Betätigung zugesprochenen potenziellen Wirkungen auf die Entwicklungemotionaler, kognitiver und sozialer Fähigkeiten (vgl. Bamford, 2010, S. 94) eine Rolle, wennes beispielsweise um die Legitimation von Förderprogrammen geht.

3 Die weibliche Form ist der männlichen Form in diesem Text gleichgestellt. Lediglich aus Grün-den der besseren Lesbarkeit wird an den meisten Stellen die männliche Form gewählt.

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dimentär empirisch untersucht, wobei sehr oft die Konzeptionen Bourdieus alstheoretischer und analytischer Rahmen herangezogen werden.

In den folgenden Kapiteln wird auf der Basis aktueller Diskurse zur Teilhabe anMusikkultur zuerst die Frage nach einer theoretisch und zugleich forschungsprag-matisch sinnvollen Konzeptualisierung dieser gestellt: Es wird ein theoretischesModell der Teilhabe an Musikkultur hergeleitet, dessen Eignung für empirischeAnalysen im Anschluss erprobt wird. Dadurch soll eine theoretische Schärfungund Fundierung des Teilhabebegriffs für den Bereich der Musikpädagogik erreichtwerden.

Die terminologische Unschärfe, die sich in der Annäherung an das Konstruktder Teilhabe anMusikkultur offenbart, bezieht sich sowohl auf die Frage nach demzugrunde liegenden Kulturbegriff als auch auf die Frage danach, was Teilhabe vonTeilnahme unterscheidet. Kann es Teilnahme ohne Teilhabe geben? Auch die Be-urteilung von Teilhabegerechtigkeit lässt Fragen aufkommen: Auf welche Formender Teilhabe besteht ein Anspruch für alle? Wie viel Teilhabe ist genug? Wer be-stimmt dies? Diese Fragen lassen sich im Rahmen allgemein beliebter egalitärerBegründungsmuster, die Gleichheit als Gerechtigkeit interpretieren und in denenes um die Gleichheit von Chancen bzw. Ressourcen geht, nur schwer beantwor-ten. Notwendig ist also ein gerechtigkeitstheoretischer Rahmen, der Antworten aufdie soeben formulierten Fragen ermöglicht und der operationalisierbare Kriterienfür die empirische Untersuchung bereithält. Für empirische bzw. evaluative For-schungsvorhaben ist die Bestimmung solcher Kriterien unabdingbar, dies wird inder aktuellen Teilhabeforschung allerdings nur wenig thematisiert.

Daher wird in der vorliegenden Studie der gerechtigkeitstheoretische capabi-lity approach (Befähigungsansatz) als Ausgangspunkt und theoretische Rahmungfür das Verständnis von Teilhabe und Teilhabegerechtigkeit herangezogen. Es sollgezeigt werden, dass der capability approach als theoretischer und analytischerZugang für die Untersuchung der Teilhabe an Musikkultur neue und interessan-te Möglichkeiten beinhaltet, die den musikpädagogischen Diskurs um wichtigePerspektiven erweitern können. Die Arbeit umfasst dementsprechend Aspekte derTheoriebildung, die Entwicklung eines Modells sowie dessen empirische Über-prüfung.

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1.2 Entstehungskontext der Arbeit

Seit einigen Jahren gilt dem Programm Jedem Kind ein Instrument (JeKi), dasin Nordrhein-Westfalen und Hamburg an zahlreichen Grundschulen durchgeführtwird, ein breites wissenschaftliches und öffentliches Interesse. Das deutsche Bun-desministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert beispielsweise seit2009 im Rahmen der empirischen Bildungsforschung mehrere musikpädagogi-sche Forschungsprojekte, die sich spezifisch mit JeKi befassen: Dabei wird nichtnur das Programm an sich evaluiert, sondern es werden auch die Wirkungen, diedie Teilnahme am Programm auf die Kinder, deren Eltern und die Institutionenhat, in den Blick genommen. Die vorliegende Arbeit ist im Rahmen der StudieWilmA (Wirkungen und langfristige Effekte musikalischer Angebote) entstanden,die ebenfalls in diesem Kontext gefördert wurde.4

1.2.1 Jedem Kind ein Instrument

JeKi ist ein besonders prominentes Beispiel für eine Maßnahme zur Förderungder Teilhabe an Musikkultur, das seit 2007 im Ruhrgebiet und in Hamburg anzahlreichen Grundschulen eingeführt worden ist. Der Name ist Programm, dennan den teilnehmenden Schulen hat jedes Kind Unterricht auf einem Instrument,wenngleich sich die konkrete Programmgestaltung zwischen den Bundesländernunterscheidet. In Nordrhein-Westfalen wird das Programm aktuell (seit Beginndes Schuljahres 2015/2016) mit über 10 Mio. Euro jährlich durch das Land ge-fördert und hat zum Ziel, möglichst vielen Kindern das Erlernen eines selbst ge-wählten Instrumentes zu ermöglichen. Insbesondere Schulen in strukturschwachenGebieten werden einbezogen und Kinder aus bildungsfernen und finanzschwa-chen Familien sollen verstärkt gefördert werden. Neben der Schaffung von mehrTeilhabegerechtigkeit soll die Freude am Musizieren und die emotionale, soziale,körperliche und geistige Entwicklung der Kinder gefördert werden.5 Im Schul-

4 Die Studie ist ein Verbundprojekt der Hochschule für Musik, Theater und Medien, Han-nover und der Universität Hamburg (Laufzeit: Januar 2013 - Dezember 2015). Es handeltsich dabei um ein durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertesForschungsprojekt, das in den JeKi-Forschungsschwerpunkt Musikalische Bildungsverläufeeingegliedert ist. Nähere Informationen zu weiteren Forschungsprojekten finden sich unterwww.jeki-forschungsprogramm.de [eingesehen am 30.07.2015].

5 Die seit 2011 gültigen Programmstandards können unter http://www.jekits.de/app/uploads/2014/10/120326_Programmstandards_2011_2012.pdf abgerufen werden [eingesehen am05.07.2015].

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jahr 2014/2015 nahmen mehr als 600 Grundschulen und mehr als 50 Musikschu-len am Programm teil. In Hamburg nahmen zur gleichen Zeit 62 Grundschulenan JeKi teil. Hier fördert das Land das Programm mit jährlich 7,4 Mio. Euro.Bei JeKi steht das aktive Musizieren im Mittelpunkt: Neben dem mit Koopera-tionspartnern durchgeführten Instrumentalunterricht, der im regulären Stunden-plan verankert ist, musizieren die Kinder im schuleigenen Ensemble Kunterbunt.Über die Dauer des Projektes stellt die Schule das entsprechende Instrument zurVerfügung. Zudem sollte jede Schule mindestens zwei Instrumente zur Auswahlstellen, die dem kulturellen Hintergrund ihrer spezifischen Schülerschaft entspre-chen. Zwischen den Bundesländern gibt es entscheidende Unterschiede in der Um-setzung des Programms: In Nordrhein-Westfalen6 beginnt JeKi im 1. Schuljahrmit dem Instrumentenkarussell. Ab dem 2. Schuljahr entscheiden sich alle Kin-der für ein Instrument und bekommen Instrumentalunterricht in Kleingruppen.Dieser ist kostenpflichtig (20,00€/Monat in Klasse 2; 35,00€/Monat in Klasse 3und 4; Stand: 2014/2015) und die Kinder haben zu jedem Schuljahreswechsel dieMöglichkeit, das Programm zu verlassen. Empfänger staatlicher Transferleistun-gen werden größtenteils von den Kosten befreit. In Hamburg7 ist das Programmdurchgängig kostenlos. Es beginnt allerdings erst in Klasse 2 mit dem Instrumen-tenkarussell und der Instrumentalunterricht wird in den Klassenstufen 3 und 4 er-teilt. Die Kinder verbleiben in der Regel über die gesamte Dauer der Grundschul-zeit im Programm.

1.2.2 Wirkungen und langfristige Effekte musikalischer Angebote

Die StudieWilmA schließt inhaltlich undmethodisch an die Studie zum Instrumen-talunterricht in Grundschulen an (Kapitel 3). Beide Studien sind Längsschnitt-studien. Die erhobenen Daten beziehen sich jeweils auf dieselbe Alterskohorte(Einschulung im Jahr 2008) und wurden in den gleichen Städten bzw. Bezirkenerhoben. Die Daten der Studie SIGrun beziehen sich auf die Klassenstufen 1 bis4, während in WilmA die Klassenstufen 6 und 7 im Mittelpunkt stehen.8 In Wil-mA werden in zwei Teilprojekten Fragen zu den Themen Kulturelle Teilhabe und

6 http://www.jekits.de/programm/jeki/informationen/ [eingesehen am 05.07.2015].7 http://www.hamburg.de/jeki/ [eingesehen am 05.07.2015].8 Aus Gründen des Datenschutzes konnte kein echter Längsschnitt realisiert werden. Das Teil-

projekt Kulturelle Teilhabe ist Bestandteil beider Studien. Zu den Ergebnissen aus SIGrun vgl.Lehmann-Wermser, Busch, Schwippert und Nonte (2014).

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Transfer untersucht.9 Ein Fokus liegt dabei auf der Analyse der Teilhabe an Mu-sikkultur von Schülern der Klassenstufe 6 bzw. 7. Dabei werden auch, aber nichtausschließlich, langfristige Auswirkungen des JeKi-Programms auf die Entwick-lung der Schüler (Teilprojekt Transfer) und deren Teilhabe an Musikkultur (Teil-projekt Kulturelle Teilhabe) untersucht. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dassdas institutionalisierte JeKi-Angebot nach dem 4. Schuljahr endet, in den weiter-führenden Schulen aber auch die Möglichkeit zur Wahrnehmung musikalischerFörderangebote in Musikklassen etc. besteht.

Insgesamt 886 Kinder wurden in einer Fragebogenerhebung zu zwei Messzeit-punkten (Klasse 6 und Klasse 7) befragt, also mit ein bis zwei Jahren Abstand zumJeKi-Programm. Zudem wurden nicht ausschließlich JeKi-Kinder befragt, son-dern ganze Klassen, die jeweils von einigen JeKi-Kindern besucht werden.10 ImZentrum des Gesamtprojektes steht die empirische Untersuchung der Teilhabe anMusikkultur von Sechst- und Siebtklässlern im Sinne der Grundlagenforschung,da solche Studien bisher nicht existieren. Es soll ein umfassendes Bild davon ge-zeichnet werden, wie Kinder dieser Altersstufe, also nach dem Übergang in dieweiterführende Schule, an Musikkultur teilhaben und welche Bedingungsfaktorendabei eine Rolle spielen.

Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit resultiert aus den Fragestellungen desGesamtprojektes. Über die Beschreibung der Teilhabe an Musikkultur und derAnalyse von Bedingungsfaktoren hinaus werden weitergehende Fragen adressiert,indem Aspekte der Teilhabegerechtigkeit thematisiert werden.

1.3 Ausblick auf das Forschungsvorhaben

Nach einer Darstellung der wichtigsten Diskurse zur Teilhabe anMusikkultur (Ka-pitel 2) wird zunächst auf der terminologischen Ebene geklärt, was genau in dervorliegenden Arbeit unter ‚Teilhabe an Musikkultur‘ verstanden wird. Dazu wirdunter Annahme eines offenen Kulturbegriffs erläutert, mithilfe welcher Kriterien

9 Eine detaillierte Beschreibung des Teilprojektes Kulturelle Teilhabe erfolgt in Kapitel 8.1.1, S.122.

10 Die in der Grundschule intakten JeKi-Klassen bestehen nach dem Übergang in die weiterfüh-renden Schulen nicht fort. Die Kinder verteilen sich auf Regelklassen an verschiedenen wei-terführenden Schulen, können ab Klassenstufe 5 theoretisch aber auch eine spezielle Musik-klasse besuchen. Wie auch immer diese Entscheidung ausfällt, vermischen sich die ehemaligenJeKi-Kinder nach der Grundschule zwangsläufig mit Kindern, die nicht in der JeKi-Förderungwaren.

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Teilhabe von Teilnahme abgegrenzt werden kann (Kapitel 3). Im Anschluss daranwird der empirische Forschungsstand dargestellt (Kapitel 4), wobei herausgearbei-tet wird, inwiefern sich die zuvor dargestellten Diskurse und Kriterien für Teilhabedort wiederfinden. Um eine Annäherung an Fragen der Teilhabegerechtigkeit zuermöglichen, wird der capability approach (z.B. Sen, 1979, 2009) als hilfreichesKonstrukt zur theoretischen und analytischen Annäherung in den Diskurs der em-pirischen Musikpädagogik eingeführt. Dieser Ansatz wird seit den späten 1970erJahren durch den indischen Ökonomen und Philosophen Amartya Sen ausgear-beitet und stellt inhaltlich eine Weiterentwicklung der egalitaristischen Gerechtig-keitstheorie von John Rawls dar (Rawls, 1971). Der capability approach ist als ge-rechtigkeitsphilosophischer Ansatz in den allgemeinen Erziehungswissenschaftenbereits breit rezipiert worden, da er eine gute Anschlussfähigkeit an Erziehungs-fragen besitzt (vgl. Otto & Ziegler, 2010). In der Musikpädagogik ist er hingegeneher unbekannt und wurde wenn dann eher theoretisch (z.B. Vogt, 2013; Watts &Ridley, 2007), nicht aber empirisch angewendet. Mit der vorliegenden Arbeit solldiese Lücke geschlossen werden.

In Kapitel 5 werden problematische Aspekte egalitaristischer, also auf derGleichsetzung von Gleichheit und Gerechtigkeit beruhender Grundannahmen er-örtert und es erfolgt eine überblicksartige Darstellung der Gerechtigkeitstheorievon John Rawls (Rawls, 1971). Es ist die Kritik Amartya Sens an diesem An-satz (Sen, 1979), die maßgeblich zur Entwicklung des capability approach ge-führt hat. In Kapitel 6 werden dann die theoretischen Grundannahmen des capabi-lity approach erörtert. Der Ansatz stellt nicht Chancen oder Ressourcen, sonderntatsächlich realisierte Formen von Teilhabe (Verwirklichungen) ins Zentrum derAnalyse und bezieht zusätzlich eine individuelle Perspektive mit ein, indem dieerreichte Teilhabe mit deren Wert für eine ‚gelingende Lebensführung‘ ins Ver-hältnis gesetzt wird. Damit ist eine Idee von Gerechtigkeit verbunden, die überVerteilungsfragen hinaus geht. Als Voraussetzung für die Realisierung von Teil-habe werden neben Ressourcen und Rechten weitere individuelle und gesellschaft-liche Faktoren integriert. Das Zusammenspiel dieser Elemente beeinflusst die ca-pability (die hier vorerst als Handlungsspielraum interpretiert werden kann) einerPerson zur gesellschaftlichen Teilhabe. Bildung wird nicht als kulturelles Kapital(und damit als Ressource) betrachtet, sondern spielt in einem komplexen Gefügevon Bedingungsfaktoren für Teilhabe eine spezifische Rolle. Dies wird am Bei-spiel von JeKi verdeutlicht und es wird hergeleitet, wie musikalische Bildung auseiner capability-Perspektive heraus gedacht werden kann.

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Die Darstellung der theoretischen Grundlagen mündet schließlich in die Her-leitung eines theoretischen Modells der Teilhabe an Musikkultur vor dem Hinter-grund des capability approach (Kapitel 7). DasModell ist mit einem Fokus auf dieTeilhabe an Musikkultur als eine gegenstandsspezifische Anwendung des Ansat-zes zu sehen, die außerdem den spezifischen Hintergrund der Stichprobe (Klas-se 7; teilweise JeKi-Instrumentalunterricht) berücksichtigt. Auf der Basis diesesModells wird dann im zweiten Teil der Arbeit die Teilhabe an Musikkultur vonSiebtklässlern untersucht. Nach der Darstellung methodischer Aspekte in den Ka-piteln 8 und 9 erfolgt zunächst ein deskriptiver Ergebnisse, die sich auf die Art unddie Quantität der Teilhabeformen der Kinder beziehen (Kapitel 10.1). Anschlie-ßend werden die durch das Modell der Teilhabe an Musikkultur beschriebenenstrukturellen Zusammenhänge anhand der empirischen Daten Schritt für Schrittüberprüft, wodurch gleichzeitig Ausschnitte des Modells validiert werden sollen(Kapitel 10.2). Es wird dargestellt, dass wesentliche, durch das Modell angenom-mene strukturelle Zusammenhänge auch anhand der empirischenDaten abgebildetwerden können. Es kann gezeigt werden, dass mithilfe des capability approach inder Theorie wie auch in der Empirie neue, interessante Perspektiven auf die Teil-habe an Musikkultur gewonnen werden können.

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2 Diskurse zur Teilhabe an Musikkultur

Die Teilhabe an Musikkultur kann viele Facetten annehmen. Sie kann aktiv oderrezeptiv sein, einmalig, kurzfristig oder lang anhaltend, und sie ist mit vielfältigenZwecken verbunden: Während für den einen der Konzertbesuch ein wichtiges so-ziales Event ist, entspannen sich andere beim Hören von Musik oder gehen zumTanzen in einen Techno-Club. Kinder haben Freude am gemeinsamen Singen undTanzen mit anderen Kindern oder sind stolz, wenn sie Eltern, Großeltern oder an-deren Verwandten neu erlernte Stücke vorspielen können, vielleicht sogar im Rah-men eines Schulkonzertes. So vielfältig die Arten musikalisch-kultureller Praxisund deren historische und soziale Kontexte sind, so vielfältig sind die Wege, sichdieser Praxis anzunähern. Auf diesen Wegen können jedoch auch Hindernisse lie-gen, die dasWeiterkommen verhindern und die eine Person nicht aus eigener Kraftüberwinden kann: Solche Hindernisse können z.B. eine mangelhafte Infrastruktur(im ländlichen Raum), mangelnde finanzielle Mittel oder aber auch körperlicheEinschränkungen oder Formen der geistigen Behinderung sein. Hier liegen Ursa-chen für verhinderte Teilhabe und für Ungerechtigkeit.

In der Einleitung wurde kulturelle Teilhabe als die „Teilnahme am kulturellenund künstlerischen Leben“ der Gesellschaft (UNESCO, 2006, S. 3) definiert, aufdie jede Person ein Recht hat, sofern sie dies möchte. Dennoch ist es nicht von derHand zu weisen, dass die Förderung der Teilhabe an Musikkultur stets neu legiti-miert werden muss und dass musikalische Bildung ihren Stellenwert in Lehrplä-nen und Stundentafeln bzw. ihre Rolle für die Allgemeinbildung immer wieder neuaushandeln oder sogar verteidigen muss. Dies betrifft sowohl den schulischenMu-sikunterricht und schulische Förderprojekte wie z.B. JeKi als auch außerschulischeBildungsangebote (Musikschulen, Bereitstellung von Gutscheinen für Empfängervon Transferleistungen, Projektförderung etc.). Diese Notwendigkeit, musikali-sche Bildung und die Förderung der Teilhabe an Musikkultur zu legitimieren, istprägend für den Diskurs um die Thematik. Daraus ergeben sich einige wesentli-cheArgumentationslinien, die öffentlich und politisch von unterschiedlicherWirk-samkeit sind. Dass die Künste „einen genuinen, dem Menschen anthropologischinhärentenWesenszug des Handelns in derWelt“ (Bamford, 2010, S. 33) darstellen

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und kultureller Bildung damit ein intrinsischer Wert innewohnt, scheint gerade imöffentlich-politischen Kontext jedoch als das schwächste Argument wahrgenom-men zu werden (vgl. Westerlund, 2008). Alles in allem wird kulturelle Bildungjedoch als eine wichtige Voraussetzung für die Ermöglichung kultureller Teilhabeerachtet. Ob es dabei um Bildung in den Künsten oder Bildung durch die Künste(vgl. Bamford, 2010, S. 93 ff.) geht, bleibt zu bestimmen.

2.1 Kulturelle Teilhabe als Teil einer guten Bildung

Insbesondere im Bereich Musik fällt kulturelle Teilhabe oftmals zusammen mitdemAnspruchmusikalischer Bildung als Teil einer guten Bildung imAllgemeinen(Lehmann-Wermser & Jessel-Campos, 2013, S. 131). Hochkulturelle Freizeitak-tivitäten spielen dabei zum Teil eine wichtige Rolle, denn „[i]nsbesondere auf derwirkmächtigen Ebene der Illustration in den Printmedien wird gute Erziehung im-mer wieder mit Instrumentalunterricht [auf klassischen Instrumenten, Anm. d. A.]gleichgesetzt“ (Lehmann-Wermser et al., 2014). Das Erlernen oder Spielen einesInstrumentes erscheint dann mitunter auch als eine wichtige Investition in die Zu-kunft des Kindes. Während im Kindesalter das Spielen eines oder mehrerer (klas-sischer) Instrumente, also das aktive Musizieren, als wichtig erachtet wird, rückenim Erwachsenenalter scheinbar der Besuch hochkultureller Veranstaltungen odergar deren ideelle oder auch materielle Förderung im Rahmen sogenannter Freun-deskreise oder Fördervereine oder durch Stiftungen in den Fokus (AutorengruppeBildungsberichterstattung, 2012, S. 171 f.). Kulturelle Teilhabe kann in diesemZusammenhang ein Mittel der Distinktion sein und sich auf sogenannte bildungs-relevante Kunstwerke und Tätigkeiten beziehen, sie kann aber auch schlicht ei-nen positiven Beitrag zur eigenen Lebenspraxis leisten. Mit letzterem wird dannauch der intrinsische Wert musikalisch-kultureller Betätigung für eine gelingen-de praktische Lebensführung anerkannt. Diese Wertschätzung zu fördern ist ele-mentar wichtig für die Anbahnung eines lebenslang andauernden Involviertseinsin musikalisch-kulturelle Betätigungsfelder. So schließt Pitts aus den Ergebnisseneiner Studie zur musikalisch-kulturellen Teilhabe Erwachsener, dass

„[...] those engaging with music in their everyday lives did so forthe sheer pleasure of musical participation, and the closeness thisbrought with the repertoire and with others who shared their enthusi-asms. The relationship between skill, knowledge and enjoyment sur-faced in each of the case studies.“ (Pitts, 2005, S. 119)

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Thematisiert wird hier die Begeisterung, die Menschen für Musik aufbringen kön-nen und um die damit verbundene Lebensqualität, aber auch darum, dies mit an-deren zu teilen. Dass musikalische Aktivitäten auch nach Ende der Schulzeit –vielleicht ein Leben lang –weiterverfolgt werden und dass dies mit Freude und En-thusiasmus geschieht, dies sollte neben anderen Zielen ein zentrales Ergebnis mu-sikalischer Bildungsbemühungen sein. Denn kulturelle Teilhabe „wird vor allenDingen dadurch bildungsrelevant, dass sie zum Gesamt der individuellen Lebens-praxis in eine gehaltvolle Beziehung gesetzt wird oder zumindest gesetzt werdenkann“ (Vogt, 2012, S. 15). Damit verbunden sind natürlich auch die Befähigungzur selbstbestimmten Teilhabe an Kultur zu deren Gestaltung sowie die Fähigkeitzur Selbstbildung. DieseAuffassung korrespondiert einerseits mit dem klassischenBildungsideal (vgl. Otto & Ziegler, 2012, S. 39), in demmusikalische Bildung mitethischen Ansprüchen und mit der Bildung des Gefühls verknüpft ist (Vogt, 2012,S. 5), aber auch mit jenem von Humboldt vertretenen Anspruch, der besagt, dassder Mensch sich selbst aktiv bildet und die dafür geeigneten Gegenstände selbstauswählt (ebd., S. 7).

2.2 Teilhabe an hochkulturellen Aktivitäten

Eine Engführung des gerade beschriebenen Diskurses findet in jener kultursozio-logischen Auseinandersetzung statt, in der kulturelle Teilhabe mit der Teilnah-me an klassischer Hochkultur, also mit der Teilnahme an künstlerisch definiertenVeranstaltungen gleichgesetzt wird (Lehmann-Wermser, Jessel-Campos &Krupp-Schleußner, 2014, S. 98). Hier werden hochkulturelle Inhalte und Betätigungen indem Sinne bildungsrelevant, dass sie an gesellschaftliche Positionierung (bzw. ge-sellschaftlichen Aufstieg) geknüpft werden und damit auch einen gewissermaßenexklusiven Charakterzug innehaben. Dieser Diskurs ist in Verbindung mit einemnormativ aufgeladenen Kulturbegriff zu sehen. Er ist zugleich relativ etabliert undzieht auch entsprechende Forschungsbemühungen nach sich:

„[I]n the mid to late 20th century cultural participation was aboveall seen as relating to ‘the arts’ and was treated by most developedcountries as counting visits to museums, galleries and various kinds ofperformance.Moreover, emphasis was on ‘high culture’ often througha ‘national’ institution“ (UNESCO, 2012, S. 8).

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Das Konzept der Hochkultur wird insbesondere dann bemüht, wenn es um Fra-gen der Differenz hinsichtlich individueller Lebenslagen geht. Im Sinne Bourdieussind hochkulturelle Aktivitäten mit bestimmten Lebensstilen und einem bestimm-ten Habitus verknüpft sowie außerdem mit privilegierten Lebenslagen verbunden.„Diese Habitusformen enthalten Mechanismen der Auf- und der Abwertung, alsopositiver und negativer Diskriminierung. Damit sind sie [...] distinktionswirksam“(Rat für Kulturelle Bildung e.V., 2014, S. 14). Hochkulturelle Freizeitaktivitätenmüssen damit als eine bestimmte Form kultureller Teilhabe insgesamt betrachtetwerden, wobei insbesondere „die gesellschaftliche Stellung des Individuums alsursächlich für dessen spezifisches Freizeitverhalten erachtet wird“ (Huth &Weis-haupt, 2009, S. 226). Damit werden die Zusammenhänge von Herkunft, Bildungund hochkulturellem Freizeitverhalten zu einem interessanten Untersuchungsge-genstand. Bourdieu hält hierfür das Konzept des kulturellen Kapitals bereit, dassowohl in soziales als auch in ökonomisches Kapital umgewandelt werden kann(vgl. Kapitel 6.6) und spricht diesem eine explizite soziale Funktion zu. Huth undWeishaupt (2009) warnen mit Verweis auf verschiedene internationale Studien al-lerdings vor einer Überbewertung der Rolle des kulturellen Kapitals. So werdenneben der Herkunft auch Prozesse der Anpassung an die aktuelle Statusgruppeursächlich für das Freizeitverhalten, die Auswahl der kulturellen Aktivitäten ver-schiebe sich und Distinktion werde auch innerhalb bestimmter gesellschaftlicherGruppen über unterschiedliche Produkte, Einstellungen und Verhaltensweisen er-reicht (ebd., S. 226 f.). In empirischen Analysen zum Freizeitverhalten junger Er-wachsener finden sie zwar Hinweise für die Bedeutung der Herkunft (Einkommenund Bildung der Eltern) für das hochkulturelle Freizeitverhalten, sie finden aberdeutliche und teils stärkere Einflüsse der eigenen Bildung und des eigenen Ein-kommens. „Tätigkeiten, die dem legitimen Geschmack zugeordnet werden kön-nen, haben sich jedoch nicht als besonders bildungsabhängig imVergleich zu ande-ren Tätigkeiten erwiesen“ und das „geerbte kulturelle Kapital zeigte einen schwä-cheren Einfluss auf die Entwicklung hochkultureller Interessen als das erworbenekulturelle Kapital“ (ebd., S. 239). Die Autoren unterstreichen die Rolle der eigenenBildung, weisen aber darauf hin, dass diese durch die Berücksichtigung des aktuellausgeübten Berufes entschärft werde (ebd., S. 240). Inwiefern die Teilnahme anhochkulturellen Aktivitäten wirklich statusbildend ist und die ihr zugesprochenesoziale Funktion erfüllt, bleibt also nicht unhinterfragt.

So erfolgt eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Diskurs, die hier nurangedeutet werden kann: Insbesondere kommt die These der ‚kulturellen Alles-

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fresser‘ (cultural omnivores) zum Tragen, der zufolge Distinktion nicht mit dereinseitigen Orientierung an Hochkultur sondern, im Gegenteil, mit der Offenheitfür kulturelle Vielfalt verbunden ist (vgl. Peterson & Kern, 1996).

2.3 Wirkungsdiskurs

Eine dritte Argumentationslinie stellt der sogenannte Wirkungsdiskurs dar, dersich vor allem in Reaktion auf die PISA-Studien sowie auf die Bastian-Studie(Bastian, 2000) entwickelt hat. Der Wirkungsdiskurs hat historisch gesehen einelange Tradition, sprach doch in der Antike schon Plato musikalischer Betätigungden Effekt der moralischen Bildung und diverse andereWirkungen zu (Vogt, 2004,S. 3 f.). Kultureller Bildung und künstlerischer Betätigung werden heutzutage po-sitive Wirkungen auf ganz unterschiedliche Bereiche zugesprochen, von der ko-gnitiven, sozialen und emotionalen Entwicklung bis hin zu physischem undmenta-lem Wohlergehen, demokratischen Kompetenzen, sozialer Gerechtigkeit und Na-tionenbildung (vgl. hierzu Bamford, 2010; Jorgensen, 2007). Solche Argumentesind hinsichtlich der öffentlichen Legitimation kultureller Bildung und Teilhabesehr wirkmächtig und stellen bisweilen andere Begründungsmuster von Teilhabein den Schatten (Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2006). Gleich-zeitig sind die Befunde der empirischen Forschung in diesem Bereich uneindeutigund inhaltlich wie methodisch kritisch zu hinterfragen (vgl. Kapitel 4).

Die Existenz diesesDiskurses beruht nicht zuletzt auch auf der starkenWirkungseiner Argumente. Diese werden bisweilen in den Vordergrund gerückt, obwohldie „Verfassungen und Schulgesetze der Bundesländer [...] musikalischer Praxisals kultureller Aktivität einen Wert an sich zu[schreiben], und zwar unabhängigvon einer etwaigen leistungsfördernden Wirkung“ (Kröner, Schwanzer & Dick-häuser, 2009, S. 225). Nicht zuletzt ist dies als Ausdruck unserer Leistungsgesell-schaft zu werten, in der die optimale Förderung der eigenen Kinder mit vielfältigenMitteln angestrebt wird. Eines dieser Mittel kann Musik sein. Insgesamt steht da-hinter die starke Orientierung schulischer Bildung an Outputs und potenziellenArbeitsmarktchancen. Diese Orientierung führt dazu, dass besonders die künstle-rischen Fächer unter zunehmendemLegitimationsdruck stehen (Westerlund, 2008,S. 91; vgl. auch Nussbaum, 2012 ). Insgesamt ist der Wirkungsdiskurs also nichtnur empirisch umstritten, sondern wird auch prinzipiell immer stärker hinterfragt.

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2.4 Teilhabe als Gegenstück zu Exklusion

Der für diese Arbeit relevanteste Diskurs ist jener zur Thematik der Teilhabege-rechtigkeit. So entstehen JeKi und andere Programme musikalischer Bildung oft-mals vor dem Hintergrund, dass in Anbetracht der Ungerechtigkeit des deutschenBildungssystems die Forderung nach mehr Teilhabegerechtigkeit im Raum steht.Der Diskurs um kulturelle Teilhabe erscheint dann „als Teil eines viel umfassen-deren Diskurses zu Teilhabe insgesamt“ (Lehmann-Wermser, Jessel-Campos &Krupp-Schleußner, 2014, S. 98). Die theoretische Rahmung für damit verbunde-ne Analysen stellen häufig Bourdieus Kapitaltheorem sowie seine Konzeptionenvon Distinktion, Habitus und sozialem Feld dar. Unterschiede zwischen Lebens-stilen werden auf die ungleiche Kapitalakkumulation zurückgeführt und die damitverbundene gesellschaftliche Positionierung wird betrachtet. Teilhabe wird danninsbesondere mit Blick auf Prozesse der Exklusion gedacht (vgl. z.B. Fuchs, 2010,S. 10). „Die Forderung nach Teilhabe fokussiert oft die Möglichkeit, sich gesell-schaftlich einzubringen, und […]wird zumGegenstück von Exklusion“ (Lehmann-Wermser, Jessel-Campos & Krupp-Schleußner, 2014, S. 98). Weiterhin führen dieAutoren an, dass kulturelle Teilhabe nicht isoliert von anderen Formen der Teilha-be zu betrachten ist und dass die Exklusion von Kultur in der Konsequenz die Ver-hinderung von vollständiger sozialer Teilhabe bedeutet (ebd.). Kulturelle Teilhabewird in diesem Kontext also mittelbar mit einem Inklusionsgedanken verknüpft.Als eine Säule in einem Gesamtsystem allgemeiner Teilhabe am Leben einer Ge-sellschaft ist die kulturelle Teilhabe zusätzlich eng verknüpft mit anderen Formender Teilhabe, z.B. der Teilhabe an Bildung, der ökonomischen und der politischenTeilhabe. Alle diese Formen sind miteinander verwoben und können kaum isoliertbetrachtet werden (vgl. Fuchs, 2008, S. 94f.). Sie sind grundsätzlich abhängig vonrechtlichen, ökonomischen und geographischen Voraussetzungen (Kaufmann, zit.nach Fuchs, 2010, S. 1) und es ist Aufgabe des Staates, für die entsprechendenRahmenbedingungen zu sorgen (Bartelheimer, 2007, S. 4).

Die gesellschaftliche Relevanz kultureller Teilhabe äußert sich nicht zuletztdarin, dass kulturelle Teilhabe als Menschenrecht anerkannt ist (vgl. UNESCO,2006). Dadurch wird automatisch auch eine Forderung nach Teilhabegerechtigkeitformuliert, damit kultureller Teilhabe undBildung die Schaffung von Identität undZugehörigkeit einhergeht. Dass das Ziel der Teilhabegerechtigkeit eine wichtigeSäule in der Legitimation kultureller Bildung und Teilhabe darstellt, wurde bereitserläutert (vgl. Rat für Kulturelle Bildung e.V., 2014, S. 30; UNESCO, 2006, S. 3).

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Das Projekt Jedem Kind ein Instrument ist dafür ein Beispiel, denn bereits durchden Titel wird die Absicht der Schaffung von mehr Gerechtigkeit offenbar. Die Er-möglichung der Teilhabe am Instrumentalunterricht ist hier das unmittelbare Ziel.Mittelbar werden dadurch aber auch weitere Formen der gesellschaftlichen Teil-habe möglich. Die Diskussion um Teilhabegerechtigkeit kann sich also direkt aufdie Ermöglichung der Teilhabe an Musikkultur beziehen, sie kann aber auch dieweitergehenden Möglichkeiten sozialer Inklusion in den Blick nehmen, die sichdurch die Teilhabe an Musikkultur ergeben.

Ein Konsens darüber, welche Argumente für die Legitimation kultureller Bil-dung und Teilhabe letztlich zum Tragen kommen sollten, besteht nicht (vgl. z.B.Bowman, 2012; Westerlund, 2008). Über alle vier Diskurse hinweg deutet sichaber an, dass unter kultureller Teilhabe grundsätzlich unterschiedliche Dinge ver-standen bzw. zusammengefasst werden können und dass diese aus vielfältigen Per-spektiven erforscht werden kann. Das dieser Arbeit zugrunde liegende Verständnisdes Konstruktes soll dementsprechend zunächst im Rahmen der folgenden, termi-nologischen Annäherung dargelegt werden.

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