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Vergleich des Verlaufes der neuromuskulären Blockade zwischen dem Musculus adductor pollicis und dem Musculus flexor hallucis brevis nach Applikation von Mivacurium Aus der Klinik für Anästhesiologie Direktor: Prof. Dr. med. Dr. h. c. J. Schüttler Der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zur Erlangung des Doktorgrades Dr. med. vorgelegt von Mathias Fischer aus Holzminden

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Vergleich des Verlaufes der neuromuskulären Blockade zwischen dem

Musculus adductor pollicis und dem Musculus flexor hallucis brevis nach

Applikation von Mivacurium

Aus der Klinik für Anästhesiologie

Direktor: Prof. Dr. med. Dr. h. c. J. Schüttler

Der Medizinischen Fakultät

der Friedrich-Alexander-Universität

Erlangen-Nürnberg

zur

Erlangung des Doktorgrades Dr. med.

vorgelegt von

Mathias Fischer

aus Holzminden

Als Dissertation genehmigt von der

Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität

Erlangen-Nürnberg

Vorsitzender des Promotionsorgans: Prof. Dr. Dr. h.c. J. Schüttler

Gutachter: Prof. Dr. Joachim Schmidt

Gutachter: Prof. Dr. Jürgen Schüttler

Tag der mündlichen Prüfung: 25. Februar 2015

Für Gesa,

Lilly, Yannick, Aenna

und Sophie

-

Ich wollte Euch nur mal eben sagen,

dass Ihr das Größte für mich seid.

Inhaltsverzeichnis

1. Zusammenfassung 1

1.1. Hintergrund und Ziel 1

1.2. Patienten und Methoden 1

1.3. Ergebnisse 2

1.4. Praktische Schlussfolgerungen 2

2. Summary 3

2.1. Background 3

2.2. Patients and Methods 3

2.3. Results 4

2.4. Conclusion 4

3. Einleitung 5

3.1. Muskelrelaxanzien - Eine wichtige Komponente der

Allgemeinanästhesie 5

3.1.1. Geschichtliche Anfänge 5

3.2. Mivacurium - ein nichtdepolarisierendes Muskelrelaxans 10

3.2.1. Grundlagen 10

3.2.2. Wirkmechanismus 11

3.2.3. Pharmakokinetische und pharmakodynamische Eigenschaften 14

3.2.4. Wechselwirkungen 15

3.3. Relaxometrie 16

3.4. Fragestellungen 21

4. Patienten und Methoden 22

4.1. Patienten 22

4.2. Ausschlusskriterien 22

4.3. Präoperative Vorbereitungen 23

4.4. Narkoseeinleitung und Narkoseaufrechterhaltung 24

4.5. Neuromuskuläres Monitoring 25

4.5.1. Messeinheit am Daumen 26

4.5.2. Messeinheit an der Großzehe 27

4.6. Messung 28

4.7. Messparameter 30

4.8. Datenerfassung und Statistik 31

5. Ergebnisse 32

5.1. Demographische Daten 32

5.2. Anschlagszeiten der neuromuskulären Blockade am Musculus

adductor pollicis und dem Musculus flexor hallucis brevis 34

5.3. Erholungszeiten von der neuromuskulären Blockade am Musculus

adductor pollicis und dem Musculus flexor hallucis brevis 36

6. Diskussion 40

6.1. Bedeutung einer Überwachung der neuromuskulären

Blockade 40

6.2. Überwachung und Verlauf der neuromuskulären Blockade an

unterschiedlichen Muskeln 43

6.3. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie im Kontext 49

7. Literaturverzeichnis 55

8. Abkürzungsverzeichnis 60

9. Abbildungsverzeichnis 61

10. Tabellenverzeichnis 62

11. Bewilligung des Ethikantrages 63

12. Danksagung 64

13. Lebenslauf 65

1

1. Zusammenfassung

1.1. Hintergrund und Ziel

Die Überwachung der neuromuskulären Blockade am Musculus adductor

pollicis (MAP) nach Applikation von Muskelrelaxanzien während der

Allgemeinanästhesie wird als Goldstandard angesehen. Die Erholungszeit

des Musculus adductor pollicis liegt nah an der Erholungszeit der

pharyngealen Muskulatur. So kann eine Restcurarisierung sicher

ausgeschlossen werden. Bereits in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts

wurde versucht, eine alternative Nerv-Muskeleinheit für den Fall zu finden,

dass der Musculus adductor pollicis perioperativ aufgrund von Lagerungs-

oder operativen Maßnahmen nicht frei zugänglich ist. Theoretisch in Frage

kommt die Nerv-Muskeleinheit des Musculus flexor hallucis brevis (MFHB).

In bisherigen Untersuchungen konnten allerdings nur widersprüchliche

Ergebnisse mit zum Teil klinisch nicht mehr gebräuchlichen

Monitoringmethoden erzielt werden. Daher war das Ziel dieser Studie, die

Anschlags- und Erholungszeit mittels akzelerometrischer Messung am

Musculus adductor pollicis und Musculus flexor hallucis brevis nach

Applikation von 0,2 mg/kg Mivacurium zu vergleichen und damit die Eignung

des Musculus flexor hallucis brevis als mögliche Alternative zum Musculus

adductor pollicis zu untersuchen.

1.2. Patienten und Methoden

Nach positiver Begutachtung durch die örtliche Ethik-Kommission und

schriftlicher Einverständniserklärung wurden die Messprotokolle von 20

Patienten, die sich einer elektiven, neurochirurgischen Operation unterziehen

mussten, in die Studie eingeschlossen. Die Einleitung der Narkose erfolgte

mit 0,15 - 0,2 mg Fentanyl und einem Propofolbolus von 2 mg/kg. Die

Narkoseaufrechterhaltung wurde mittels einer kontinuierlichen Infusion von

Remifentanil (0,2 – 0,3 µg/kg/min) und Propofol als target controlled infusion

(TCI; Zielspiegel 2,8 - 3,4 µg/ml) durchgeführt.

Nach Induktion der Narkose sowie Kalibrierung und Signalstabilisierung der

akzeleromyographischen Messeinheit erfolgte die Aufzeichnung des Verlaufs

der neuromuskulären Blockade nach Applikation von 0,2 mg/kg Mivacurium

mittels am Musculus adductor pollicis und Musculus flexor hallucis brevis

2

angebrachten Beschleunigungssensoren und auf der Haut über dem Verlauf

des Nervus ulnaris und des Nervus tibialis posterior angebrachten

Stimulationselektroden.

Die Lagtime, die Onset-time, der Peak-Effekt, T1/25, T1/75 und T1/90, sowie

die TOF-Ratio 0,7 und 0,9 wurden gemäß Good Clinical Research Practice

Kriterien an beiden Muskeln bestimmt und miteinander verglichen.

Die demographische Auswertung erfolgte mittels deskriptiver Statistik, die

Akzelerometrie-Daten wurden per Wilcoxon-Test verglichen und die

Ergebnisse mittels Bland-Altman-Diagrammen dargestellt.

Die Ergebnisse sind als Median mit 25% (Q1) und 75% (Q3) -Perzentile

angegeben, das Signifikanzniveau wurde mit p < 0,05 angenommen.

1.3. Ergebnisse

Die Lagtime und der Peak-Effekt zeigten zwischen MAP und MFHB keinen

signifikanten Unterschied. Die Onset-time (135 sek vs. 172,5 sek; p = 0,03),

T1/25 (22,625 min vs. 25,375 min; p = 0,03), T1/75 (30 min vs. 34,875 min; p

= 0,02), und T1/90 (34 min vs. 41,25 min; p = 0,003) waren am Musculus

adductor pollicis signifikant kürzer. Die TOF-Ratio von 0,7 (32,75 min vs. 32

min; p = 0,64) und 0,9 (39 min vs. 37,5 min p = 0,8) wurden allerdings

nahezu zeitgleich erreicht und unterschieden sich nicht signifikant.

1.4. Praktische Schlussfolgerungen

Unsere Untersuchung zeigt, dass die Anschlagszeit am Musculus adductor

pollicis im Vergleich zum Musculus flexor hallucis brevis kürzer ist. Die TOF-

Ratio 0,7 und 0,9 als klinischer Standard zum Ausschluss einer

neuromuskulären Restblockade unterscheidet sich am Musculus flexor

hallucis brevis nicht signifikant vom Musculus adductor pollicis. Somit stellt

der Musculus flexor hallucis brevis eine mögliche Alternative zum klinischen

Monitoring der neuromuskulären Erholung mittels TOF-Ratio am Musculus

adductor pollicis dar, wenn aufgrund operationstechnischer Gegebenheiten

die Hand als Monitoringort nicht frei zugänglich ist. Allerdings muss

einschränkend erwähnt werden, dass bei der Nutzung des Musculus flexor

hallucis brevis im klinischen Alltag die initiale Kalibrierung schwierig sein

kann und Messprobleme infolge einer nicht standardisierten Vorspannung

auftreten können.

3

2. Summary

2.1. Background

The adductor pollicis muscle is known as gold standard for monitoring of the

neuromuscular blockade. Neuromuscular recovery of the pharyngeal

muscles and the adductor pollicis muscle have similar characteristics, which

makes the adductor pollicis muscle suitable for detection of residual

curarization. Depending on the type of surgery, the adductor pollicis may not

be available for monitoring, thus alternative locations like the flexor hallucis

brevis muscle are necessary. Unfortunately, the results of former studies,

which compared the flexor hallucis brevis muscle with the adductor pollicis

muscle, are not consistent and used unavailable equipment nowadays.

Therefore, the aim of this study was to simultaneously compare the onset-

and offset of the neuromuscular blockade measured by acceleromyography

at the adductor pollicis muscle and the flexor hallucis brevis muscle.

2.2. Patients and methods

After positive vote of the local ethics-committee and informed consent we

included 20 patients in our study, whose underwent a neurosurgical

procedure. Anesthesia was induced and maintained with propofol (2 mg/kg

bolus, than TCI target 2.8 – 3.4 µg/ml) and Remifentanil (0.2 – 0.3

µg/kg/min), with additional fentanyl (0.15 – 0.2 mg) for induction. After patient

preparations were completed, surface stimulating electrodes over the ulnar

and tibial nerve and an acceleration transducer at the thumb and great toe

were attached. After calibration and signal stabilization, 0.2 mg/kg

Mivacurium was administered and lag-time, onset-time and peak-effect were

recorded. For recovery of the neuromuscular blockade, T1/25, T1/75, T1/90,

TOF 0.7 and TOF 0.9 were compared between the two muscles. For analysis

of demographic data, descriptive statistics and for acceleromyography data

Wilcoxon’s-test and Bland-Altman plots were used. Results were presented

as median with Q1- und Q3-percentiles, with a significance level of p < 0.05.

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2.3. Results

There was no significant difference between lag-time and peak-effect for

adductor pollicis muscle and the flexor hallucis brevis muscle. The onset-time

(135 sec vs. 172.5 sec; p = 0.03), T1/25 (22.625 min vs. 25.375 min;

p = 0.03), T1/75 (30 min vs. 34.875 min; p = 0.02) and T1/90 (34 min vs.

41.25 min; p = 0.003) were significant faster at the adductor pollicis muscle,

but there was no significant difference between the two muscles to reach a

TOF-Ratio of 0.7 (32.75 min vs. 32 min; p = 0.64) and 0.9 (39 min vs. 37.5

min; p = 0.8).

2.4. Conclusion

The results of this study showed a faster approach for onset-time at the

adductor pollicis muscle in comparison to the flexor hallucis brevis muscle.

For recovery there was no significant difference for TOF-Ratio 0.7 and 0.9 as

clinical standard monitoring for the detection of residual neuromuscular

blockade between the adductor pollicis muscle and the flexor hallucis brevis

muscle. Thus, the flexor hallucis brevis muscle is an alternative clinical

choice to monitor the neuromuscular blockade by acceleromyography using

TOF-Ratio, if the adductor pollicis muscle is not accessible for monitoring.

Nevertheless, use of the flexor hallucis brevis muscle is prone to

inaccuracies because of calibration problems especially during recovery of

the neuromuscular blockade, as standardized mechanical pre-load at the

great toe is not available.

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3. Einleitung

3.1. Muskelrelaxanzien - Eine wichtige Komponente der

Allgemeinanästhesie

Das Ermöglichen von chirurgischen Eingriffen ohne Schmerzen und

dauerhafte Beeinträchtigung des Patienten ist das grundlegende Ziel der

modernen Allgemeinanästhesie. Dazu werden im Rahmen der Anästhesie

verschiedene Medikamente eingesetzt.

Zur reversiblen Ausschaltung des Bewusstseins (Hypnose) und Erlangung

einer Amnesie für den Zeitraum des Eingriffes werden intravenöse und

inhalative Anästhetika verwendet. Diese erzeugen zusätzlich eine

Ausschaltung oder zumindest eine Abschwächung von somatischen,

viszerosomatischen und autonomen Reaktionen.

Die perioperative Schmerzausschaltung (Analgesie) wird mittels

hochpotenter Opioide bewirkt.

Zur Reduktion des Skelettmuskeltonus, zur Vermeidung von unwillkürlichen

Abwehrbewegungen und zur Erleichterung des operativen Vorgehens bei

chirurgischen Eingriffen werden peripher wirkende Muskelrelaxanzien

appliziert. Diese bewirken eine schlaffe Lähmung der Skelettmuskulatur

durch eine reversible Hemmung der Impulsübertragung an der

neuromuskulären Endplatte.

3.1.1. Geschichtliche Anfänge

Unter dem Sammelbegriff Curare werden unterschiedliche alkaloide Gifte

zusammengefasst, die von den südamerikanischen Indios für die Jagd

verwendet wurden. Hergestellt wurde dieses Pfeilgift aus eingedickten

Extrakten von Rinden und Blättern unterschiedlicher Lianenarten. Jeder

Indio-Stamm besaß eigene Rezepturen und Behältnisse für die

Aufbewahrung, die dann namensgebend waren. Dies waren entweder

Tontöpfe (Topfcurare), ausgehöhlte Kürbisse (span. Calabaza:

Calebassencurare) oder Bambusröhren (span. Tubos: Tubocurare).

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Bereits 1516 veröffentlichte Petrus Martyr von Anghleria in seinem Werk "De

Orbe Novo Decades" Berichte von Teilnehmern der ersten Columbus-Reise

nach Amerika, die über die Gewinnung des Pfeilgiftes und dessen tödliche

Wirkung erzählten (13).

1535 beschrieb Gonzalo Fernández de Oviedo y Valdés, ein bedeutender

Chronist der Eroberung Südamerikas, in seinem Werk "Historia general y

natural de las Indias" erstmals jene Pflanzen als „ähnlich denen auf Sizilien

zu findenden Muskatbirnen" aus deren Frucht die Indios das klebrige Pfeilgift

herstellten. Über 300 Jahre später wurde diese Pflanze im Jahre 1841 von

Robert Schomburgk als Strychnos toxifera erstmals wissenschaftlich

beschrieben (13).

Nach der Erstbeschreibung durch Gonzalo Fernández de Oviedo y Valdés

vergingen jedoch noch viele Jahrhunderte, bis es gelang, die

unterschiedlichen Substanzvarianten der Strychnos-Pflanze zu identifizieren

und den jeweiligen Indiostämmen zuzuordnen. Eine weitere Pflanze ist die

Chondrodendron tomentosum, die als einzige Tubocurarin enthält und deren

giftgetränkte Pfeile in Bambusröhren aufbewahrt wurden.

Durch Laurence Keymis, der um 1596 mit Sir Walter Raleigh in Venezuela

weilte, gelang neben einer umfangreichen Auflistung der giftigen Pflanzen

auch die erste Aufzeichnung zahlreicher Namen für das Gift. Neben „Ourare"

„Voorari" und „Urari" war auch die heute noch gültige Bezeichnung „Curare"

darunter.

1735 entsandte die Academie Française den französischen Forscher Charles

Marie de la Condamine nach Ecuador, wo dieser zahlreiche Pfeilgiftpflanzen

erwarb und so unter anderem Strychnos toxifera mit nach Europa brachte.

Hier experimentierte er an der Universität Leiden zusammen mit dem

niederländischen Arzt Boerhaave, dem Anatom Albinus und dem späteren

Gründer der Wiener Medizinischen Schule van Swieten an Hühnern, um ein

Curare-Gegengift zu entwickeln. Dies gelang ihnen, wie vielen anderen

Gelehrten der damaligen Zeit, jedoch nicht.

Zeitgleich beobachtete der englische Forscher Herrisant beim Extrahieren

von Curare durch Aufkochen und Eindicken, dass eine Aufnahme des Giftes

über die Lunge ins Blut möglich ist. Diese Beobachtung deckte sich mit den

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Aufzeichnungen von Martyr von Anghleria, der ebenfalls Symptome einer

beginnenden neuromuskulären Blockade während der Extraktionsvorgänge

bei den Indianerfrauen beschrieb. Die Frauen wurden für mehrere Tage in

eine Hütte eingesperrt, um den Pflanzensud aufzukochen und einzudicken,

so dass damit die Pfeilspitzen bestrichen werden konnten. Wenn nach ein

paar Tagen die Hütten geöffnet wurden, so galt es als Qualitätsmerkmal,

wenn die den Sud kochenden Frauen mit reduziertem Atemzugvolumen und

einer konsekutiven CO2-Narkose bewusstlos auf dem Boden lagen,

anderenfalls wurde das Gift als unbrauchbar angesehen (13).

Der italienische Physiologe Abbe Felix Fontana griff 1780 diese Beobachtung

wieder auf und injizierte Kaninchen zusätzlich Curare direkt in Venen und

Nerven. Hierbei stellte er fest, dass die Kontraktilität der willkürlichen

Muskulatur nur dann beeinträchtigt wurde, wenn das Gift in die Blutbahn

gelangte. Ebenso beobachtete er, dass der Herzmuskel vollkommen

unbeeinträchtigt blieb.

Benjamin Collins Brodi entdeckte 1812 in Experimenten an Katzen, dass die

Wirkung von Curare zeitlich begrenzt ist. Wurden die Tiere während der

Muskellähmung künstlich über ein Tracheostoma beatmet, so überlebten

diese die „Vergiftung" mit Curare.

Endgültig wurde die Wirkung von Strychnos und Chondrodendron durch den

französischen Physiologen Claude Bernard enträtselt. Im Rahmen seiner

Experimente an Fröschen entdeckte er die Blockade der Impulsübertragung

an der neuromuskulären Endplatte zwischen motorischem Nerv und

Muskulatur. Diese Arbeit wurde im Jahre 1851 unter dem Titel: „Recherches

sur le curare par M. M. Pelouze et Cl. Bernard Acad. Sci. Paris"

veröffentlicht.

Der 23.01.1942 wird allgemein als Tag der erstmaligen klinischen

Anwendung von Curare bezeichnet. Die kanadischen Ärzte Harold Randall

Griffith und G. Enid Johnson injizierten einem jungen Mann während einer

Blinddarmentfernung Intocostrin® intravenös, wonach sich die

Operationsbedingungen infolge einer Erschlaffung der Bauchmuskulatur

deutlich verbesserten (20).

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Bereits 30 Jahre zuvor beschrieb Prof. Dr. Arthur Läwen, zu dieser Zeit

Chefarzt in Leipzig, in seinem Aufsatz "Über die Verbindung der

Lokalanästhesie mit der Narkose, über hohe Extraduralanästhesie und

epidurale Injektionen anästhesierender Lösungen bei tabischen

Magenkrisen" den erfolg- und segensreichen Einsatz von Curare zum

Verschluß der Bauchdecke. Dies geriet aber aufgrund der damaligen

schlechten Verfügbarkeit von Curare wieder in Vergessenheit.

Seither wurden zahlreiche neue, synthetisch hergestellte Muskelrelaxanzien

eingeführt.

Anhand des Wirkmechanismus kann man die Muskelrelaxanzien in zwei

Gruppen unterteilen, nämlich in die der depolarisierenden und in die der

nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien.

Suxamethonium oder Succinylcholin ist der einzige im klinischen Einsatz

befindliche Vertreter der depolarisierenden Muskelrelaxanzien.

Succinylcholin stellt strukturell ein Diacetylcholin dar. Seine Wirkweise ist

dem natürlichen Transmitter Acetylcholin ähnlich. Beim ersten Eintreffen im

synaptischen Spalt werden die Acetylcholinrezeptoren an der

neuromuskulären Endplatte besetzt und es kommt zur anhaltenden

Depolarisation mit Ausbildung einer schlaffen Lähmung. Da das

Succinylcholin aber nicht durch die Acetylcholinesterase, sondern durch

Plasmacholinesterasen, abgebaut werden kann, verbleibt es länger im

synaptischen Spalt, so dass eine Dauerdepolarisation an der motorischen

Endplatte (Depolarisationsblock) hervorgerufen wird.

Aufgrund seines raschen Wirkeintritts innerhalb von 60 bis 90 Sekunden und

seiner sehr kurzen Wirkdauer von 5 bis 10 Minuten wird es heutzutage

vornehmlich bei Patienten verwendet, die ein erhöhtes Aspirationsrisiko

haben und daher ohne Zwischenbeatmung intubiert werden müssen oder nur

eine sehr kurze Muskelrelaxierung brauchen (Reposition von

Knochenbrüchen, Laryngospasmus, Elektrokrampftherapie).

Bei Patienten mit einem erhöhten Aspirationsrisiko (akutes Abdomen,

Adipositas, nicht nüchterne Patienten, Schwangere), wird eine besondere

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Form der Narkoseeinleitung, die sogenannte Ileuseinleitung (Rapid

Sequence Induction, RSI) angewendet, um die Aspirationsgefahr zu

minimieren. Die Zeit zwischen Narkoseeinleitung und Intubation mit

umgehender Blockung des Endotrachealtubus sollte so kurz wie möglich

gehalten werden. Hierzu wird neben einem schnell wirkenden Hypnotikum

entweder das schnell wirkende Muskelrelaxans Succinylcholin oder das

Muskelrelaxans Rocuronium eingesetzt, um eine rasche Intubation zu

gewährleisten.

Succinylcholin ist aufgrund einer kurzen Anschlagszeit, trotz seiner vielen

und teils schweren Nebenwirkungen wie Hyperkaliämie, Rhabdomyolyse,

Bradykardie, Arrhythmien, Histaminfreisetzung und Triggerung einer

Malignen Hyperthermie immer noch das am häufigsten eingesetzte

Muskelrelaxans für die Ileuseinleitung (41, 42).

Nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien bewirken eine kompetitive

Blockade an den nicotinergen Acetylcholin-Rezeptoren der motorischen

Endplatte der quergestreiften Muskulatur (kompetitiver Block).

Entsprechend der chemischen Struktur dieser Substanzen unterscheidet

man zwei große Gruppen.

Aminosteroide:

Rocuronium, Vecuronium, Pancuronium, Pipecuronium und Rapacuronium

sind Aminosteroide. Sie haben neben der stark muskelerschlaffenden

Wirkung auch teilweise einen vagolytischen Effekt. Sie werden teils über die

Leber metabolisiert und teils über die Nieren ausgeschieden. Als Vorteil

dieser Substanzgruppe erweist sich die praktisch nicht vorhandene

Histaminfreisetzung.

10

Benzylisochinolone:

Die zweite Gruppe besteht aus Vertretern der Benzylisochinolone. Diese

Gruppe beinhaltet Atracurium, Cis-Atracurium und Mivacurium. Sie besitzen

ebenfalls einen stark muskelerschlaffenden Effekt, haben aber keine

vagolytische Wirkung. Ihre Inaktivierung erfolgt mittels Hofmann-Elimination

oder durch Plasmacholinesterasen. Im Gegensatz zu den Aminosteroid-

Typen besitzen die meisten Benzylisochinolone besonders bei zu schneller

Injektion eine Tendenz zur Histaminfreisetzung mit deutlicher klinischer

Manifestation (Flush, Blutdruckabfall, Tachykardie, Bronchospasmus). Eine

Ausnahme stellt Cis-Atracurium dar, welches unter klinischen Bedingungen

keine Histaminliberation bewirkt.

3.2. Mivacurium - ein nichtdepolarisierendes Muskelrelaxans

3.2.1. Grundlagen

Das in der vorliegenden Untersuchung eingesetzte Mivacurium ist ein

kurzwirksames nichtdepolarisierendes Muskelrelaxans (chemische

Bezeichnung (R-R,R+(E))-2,2`-((1,8-dioxo-4-octen-1,8diyl)bis(oxy-3,1-

propendiyl)bis(1,2,3,4-tetra-hy-dro-6,7-dimethoxy-2-methyl-1-(3,4,5-trimeth-

oxyphenyl)methyl)isochinolin)chlorid mit Benzylisochinolin-Struktur und wird

unter dem Handelsnamen Mivacron® vertrieben. Erstmalig wurde es 1981

synthetisiert, 1984 erfolgte in den USA die klinische Testung und 1997 die

Markteinführung in Deutschland (11).

Aufgrund der langsamen Anschlagszeit eignet sich die Substanz nicht zur

Ileuseinleitung. Mivacurium besitzt zwar die kürzeste Wirkdauer aller

nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien, aber die Anschlagszeit und der

Relaxierungsgrad unterliegen einer erheblichen interindividuellen Variabilität.

Die kurze Wirkdauer hingegen lässt es als Alternative zum Succinylcholin für

kurze, elektive Eingriffe erscheinen (10).

11

Abb. 1: Mivacurium - Summenformel C58H80N2O14+2

(Abb. aus Wikipedia-Eintrag; http://de.wikipedia.org/wiki/Mivacurium)

Die chemische Grundstruktur besteht aus einem Tetrahydroisochinolin. Die

fertige Injektionslösung enthält drei Isoformen, nämlich die trans-trans, die

cis-trans und die cis-cis Isoform, wobei die beiden erstgenannten über eine

zehnfach stärkere Aktivität verfügen, als das cis-cis Isomer.

3.2.2. Wirkmechanismus

Über das zweite Motoneuron gelangt das Nervenaktionspotential an die

motorische Endplatte und bewirkt dort eine Konformitätsänderung der

präsynaptischen Membrankanäle, wodurch es über schnelle und langsame

Calcium-Kanäle zum Einstrom von Ca2+-Ionen kommt. Diese binden an

Synaptophysin, ein Glykoprotein, und dadurch kommt es zur Verschmelzung

der mit Acetylcholin gefüllten Vesikel und der präsynaptischen Membran,

was wiederum die Freisetzung des Transmitters in den synaptischen Spalt

zur Folge hat.

12

Abb. 2: neuromuskuläre Übertragung an der motorischen Endplatte

(Abbildung modifiziert nach „Slide Kit Rocuronium“ der Fa. Organon)

Das Acetylcholin trifft auf der postsynaptischen Membran auf den

Acetylcholin-Rezeptor. Dieser besteht bei erwachsenen Menschen aus fünf

rosettenförmig angeordneten Untereinheiten (2x Alpha-, Beta-, Delta-,

Epsilon-Untereinheiten), die um einen zentral gelegenen Ionenkanal

angeordnet sind. Binden nun zwei Acetylcholinmoleküle an die beiden α-

Untereinheiten, kommt es zu einer Öffnung des zentralen Ionenkanals, der

dann für Na+ und K+-Ionen durchlässig wird. Dadurch kommt es letztlich zur

Auslösung eines Muskelaktionspotentials mit konsekutiver Kontraktion der

Muskulatur (Abbildung 2).

13

Die neuromuskuläre Blockade durch alle klinisch eingesetzten

Muskelrelaxanzien setzt am subsynaptischen Acetylcholin-Rezeptor an.

Mivacurium konkurriert wie andere vergleichbare nichtdepolarisierende

Muskelrelaxanzien mit dem Acetylcholin um die freien Bindungsstellen an

dem Rezeptor und bewirkt eine kompetitive Blockade. Durch die fehlende

agonistische Wirkung reicht bereits eine besetzte Alpha-Untereinheit, um den

Ionenkanal zu blockieren (Abbildung 3). Aufgrund des kompetitiven

Charakters kann diese Blockade mit einer steigenden Anzahl an

Acetylcholinmolekülen beseitigt werden. Die Wirkung der

nichtdepolarisierenden Relaxanzien kann daher durch eine medikamentöse

Hemmung der Cholinesterase mit konsekutiven Anstieg der

Acetylcholinkonzentration im subsynaptischen Spalt antagonisiert werden.

Abb.3: Blockade der α-Untereinheit des nicotinergen Rezeptors durch

Mivacurium (blaue Kreise); (Abbildung modifiziert nach „Slide Kit

Rocuronium“ der Fa. Organon):

14

Die nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien entfalten ihre Wirkung aber

nicht nur an den postsynaptischen Rezeptoren der motorischen Endplatte,

sondern auch an den präsynaptischen Acetylcholin-Rezeptoren, was zum

Phänomen des „Fadings" bei repetitiver Nervenstimulation führt. Durch die

Besetzung der präsynaptischen Acetylcholin-Rezeptoren wird die

erforderliche Freisetzung von Acetylcholin bei wiederholter Stimulation

verhindert.

Dies führt dazu, dass trotz gleichbleibender Stimulationsstärke eine

schwächere Muskelkontraktion (Fading/Ermüdung) nach rascher

Nervenstimulation auftritt.

Durch die graduelle Dissoziation vom Rezeptor an der neuromuskulären

Endplatte wird die Wirkung der nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien

beendet. Hierbei verschiebt sich das Gleichgewicht von Agonist und

Antagonist wieder zu Gunsten des Acetylcholin.

3.2.3. Pharmakokinetische und pharmakodynamische Eigenschaften

Innerhalb der Gruppe der nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien zeichnet

sich Mivacurium durch die kürzeste Wirkdauer (DUR 25%:15-25 min) aus.

Die einfache ED95 von Mivacurium beträgt 0,07 - 0,08 mg/kg. Da selbst mit

der zweifachen ED95 interindividuell unter Umständen unzureichende

Intubationsbedingungen erreicht werden würden, wird empfohlen, die

Intubationsdosis auf 0,2 - 0,25 mg/kg zu erhöhen. Hierunter verkürzt sich die

Anschlagszeit im Mittel auf 3 Minuten.

Kennzeichnend für die Gruppe der Benzylisochinoline ist deren weitgehende

organunabhängige Elimination. Während Atracurium und Cis-Atracurium

über die Hofmann-Elimination abgebaut werden, wird Mivacurium über

Plasmacholinesterasen abgebaut. Eine verminderte Aktivität dieses Enzyms

findet sich neben der Leberinsuffizienz auch bei Schwangeren, Patienten mit

Neoplasien, Kollagenosen und Hypothyreoidismus sowie bei der Einnahme

bestimmter Medikamente wie MAO-Hemmer und antimitotischer Substanzen.

Eine genetisch bedingte atypische Plasmacholinesterase kommt in der

Bevölkerung heterozygot mit einer Inzidenz von circa 1:50, beziehungsweise

15

homozygot mit einer Inzidenz von circa 1:2500 vor, und äußert sich klinisch

ebenfalls in einer deutlich verlängerten Wirkdauer von Mivacurium. Die

Wirkdauer kann bei entsprechender Verminderung oder atypischer

Cholinesterase bis zu mehreren Stunden verlängert sein. Wie bei den

anderen Benzylisochinolin-Verbindungen kann es auch bei Mivacurium zu

einer Histaminliberation kommen. Dies tritt besonders bei rascher Injektion

der Intubationsdosis auf und äußert sich klinisch als Hauterythem,

insbesondere im Bereich der Injektionsvene und vorübergehendem

Blutdruckabfall (10, 19, 28, 34).

Eine Wirkungsverlängerung aufgrund einer Niereninsuffizienz ist beschrieben

worden, konnte aber nicht von allen Autoren beobachtet werden. Die genaue

Ursache für die teilweise beobachtete Wirkungsverlängerung der

chirurgischen Wirkdauer auf circa 30 Minuten ist unbekannt.

3.2.4. Wechselwirkungen

Zu einer allgemeinen Wirkungsverstärkung von Mivacurium und

vergleichbarer Muskelrelaxanzien kann es kommen durch:

Inhalationsanästhetika

Aminoglykoside, Clindamycin

Antiarrhythmika

Lokalanästhetika

Hypothermie

Hypokaliämie

Hypokalzämie

Hypermagnesiämie

Zu einer Wirkungsverminderung kann es kommen durch:

Hyperkaliämie

Hyperkalzämie

Hypomagnesiämie

16

3.3. Relaxometrie

Aufgrund der oben beschriebenen Einflussfaktoren und einer hohen

interindividuellen Varianz in der Erholungszeit der neuromuskulären

Blockade, sollte beim Einsatz aller Muskelrelaxanzien die Wirkdauer und

Blockadetiefe mittels Relaxometrie überwacht werden.

Hierbei sind drei Fragen von zentraler Bedeutung:

1. Ist der Patient bereits ausreichend für die problemlose

Durchführung der Intubation relaxiert?

2. Ist der Patient aktuell für die problemlose Durchführung des

jeweiligen operativen Eingriffs ausreichend relaxiert ?

3. Ist postoperativ die Erholung der neuromuskulären Blockade

soweit fortgeschritten, dass eine unmittelbare postoperative

Extubation bei suffizienter Spontanatmung möglich ist ?

Eine rein klinische Beurteilung der Blockade ist auch mit großer Erfahrung

nicht möglich, da es häufig zu Fehleinschätzungen der jeweiligen Situation

kommt. Angesichts der interindividuellen Streuung, der geringen Toleranz

der Hypopharynxmuskulatur gegenüber Muskelrelaxanzien mit konsekutiver

Mikroaspirationsgefahr und der geringen therapeutischen Breite von

Muskelrelaxanzien ist eine Objektivierung des Relaxierungsgrades mit einem

Nervenstimulator unabdingbar.

Über die Jahre haben sich zwei Möglichkeiten zur Überwachung der

neuromuskulären Blockade herausgestellt.

1. qualitatives Monitoring: dies umfasst die visuelle beziehungsweise

taktile Kontrolle der neuromuskulären Blockade. Einschränkend ist

allerdings festzustellen, dass dieses Verfahren sehr ungenau ist, da

bei visueller und taktiler Kontrolle bereits eine TOF-Ratio von 1,0

angenommen wird, wenn die quantitativ gemessene TOF-Ratio 0,4

beträgt. Deshalb besteht beim qualitativen Monitoring stets die Gefahr,

die Erholung der neuromuskulären Blockade zu überschätzen.

Daher hat sich als genaueres Verfahren das

17

2. quantitative Monitoring als Goldstandard durchgesetzt. Hierbei wird

über verschiedene Messmethoden direkt oder indirekt die Muskelkraft

gemessen und als Messwert angezeigt.

Eine direkte Kraftmessung ist mittels Mechanomyographie möglich. Dieses

Verfahren ist aber aufgrund seiner aufwendigen Methodik selten im

klinischen Routineeinsatz anzutreffen.

Die Akzeleromyographie stellt heute dank einfacherer Handhabung und der

Verfügbarkeit von kompakten Geräten eine verlässliche Methode zur

Relaxometrieüberwachung dar. Die Akzeleromyographie bedient sich des

Piezo-Effektes. Auf der Oberfläche bestimmter Kristalle kann eine Spannung

gemessen werden, die unter anderem durch eine Beschleunigungs-

bewegung hervorgerufen wird. Nach dem 2. Newton'schen Gesetz F = m x a

[F: Kraft, m: Masse, a: Beschleunigung] kann bei konstanter Masse über die

Beschleunigung auf die Kraft rückgeschlossen werden.

Zur Überwachung der neuromuskulären Blockade wird eine periphere Nerv-

Muskel-Einheit ausgesucht und der motorische Nerv über zwei

Hautelektroden transkutan stimuliert. Diese Nerv-Muskel-Einheit sollte gut

erreichbar sein und Nerv und Muskel sollten räumlich voneinander getrennt

sein, damit eine direkte Muskelstimulation ausgeschlossen werden kann.

Klinisch zur Anwendung kommen dabei der Musculus adductor pollicis nach

Reizung des Nervus ulnaris, der Musculus orbicularis occuli oder der

Musculus corrugator supercilii nach Reizung von Ästen des Nervus facialis.

Aufgrund der räumlichen Entfernung zwischen medialseitig gelegenem

Nervus ulnaris und lateralseitig gelegenem Musculus adductor pollicis ist hier

eine direkte Muskelstimulation, im Gegensatz zu den anderen zwei oben

genannten Nerv-Muskel-Einheiten, weitgehend ausgeschlossen. Aufgrund

der guten Erreichbarkeit und der problemlosen qualitativen und quantitativen

Beurteilung hat sich der Musculus adductor pollicis als Referenzmuskel in

der klinischen Anwendung der Akzelerometrie durchgesetzt. Allerdings ist die

18

unterschiedliche Empfindlichkeit bezüglich Wirkeintritt und klinischer

Wirkdauer nach Applikation von Muskelrelaxanzien der einzelnen

Muskelgruppen zu beachten. Zwerchfell und Larynxmuskulatur werden nach

Applikation einer ausreichend hohen Dosis eines Muskelrelaxans zeitlich

kurz vor dem Musculus orbicularis occuli und Musculus corrugator supercilii

relaxiert. Der Musculus adductor pollicis ist erst mit einer zeitlichen

Verzögerung im Vergleich zu den oben genannten Muskeln vollständig

relaxiert, so dass bei einer Relaxierung des Musculus adductor pollicis auf

eine bereits eingetretene Relaxierung von Kehlkopf- und

Zwerchfellmuskulatur zurückgeschlossen werden kann.

Anders verhält es sich bei der klinischen Wirkdauer von Muskelrelaxanzien.

Hier erholen sich Zwerchfell und Larynx etwas schneller als der Musculus

orbicularis occuli und der Musculus corrugator supercilii (17, 25, 27). Hierfür

sollen Unterschiede in der Muskeldurchblutung, der

Muskelzusammensetzung aus langsamen (Typ 1-) und schnellen (Typ 2-)

Muskelfasern, der Rezeptordichte und Temperaturunterschiede

verantwortlich sein (29). Die Erholung der neuromuskulären Blockade am

Musculus corrugator supercilii und Musculus orbicularis occuli setzt früher

ein, als am Musculus adductor pollicis, weshalb an diesen beiden Muskeln

bereits eine komplette Erholung vorhanden sein kann, während der Musculus

adductor pollicis und die pharyngeale Muskulatur noch eine deutliche

Restcurarisierung aufweisen. Gerade die komplette Erholung der

Pharynxmuskulatur ist aber wichtig, um Mikroaspirationen zu vermeiden.

Zusammenfassend sollte demzufolge immer nach Applikation von

Muskelrelaxantien ein quantitatives Monitoring der neuromuskulären

Blockade durchgeführt werden, um eine postoperative Restcurarisierung

auszuschließen.

Dazu sollte an den jeweiligen peripheren Nerv ein supramaximaler Reiz von

60-80 mA angewendet werden, um alle motorischen Muskelfasern zu

aktivieren. Der Impuls sollte monophasisch und rechteckig sein, ferner sollte

ein Einzelimpuls nicht länger als 0,2 ms andauern, um eine direkte

Muskelstimulation zu vermeiden.

19

In der Praxis können unterschiedliche Stimulationsmuster angewendet

werden. Die modernen Relaxometer verfügen in der Regel alle über

verschiedene Stimulationsmuster wie Einzelreizung, Train-of-Four, Tetanie,

posttetanische Reizung und Double-Burst-Suppression.

Das klinisch am häufigsten angewandte Verfahren ist sicherlich das

Stimulationsmuster Train-of-Four. Es wurde in den frühen 70er Jahren

entwickelt und klinisch eingeführt (1). Ali und Kollegen wollten eine Methode

entwickeln, die möglichst einfach und störungsfrei alle Phasen der

neuromuskulären Blockade überwachen kann.

Hierbei wird eine Serie von vier Einzelreizen mit einer Frequenz von 2 Hz

angewandt. Aus dem Verhältnis zwischen vierter und erster Reizantwort

kann dann der Viererserienquotient ("Train-of-Four-Ratio", TOF-Ratio)

gebildet werden. Sind bei diesem Verfahren nur noch 1 bis 2

Muskelantworten zu erkennen, so kann man von einer klinisch

ausreichenden Blockade ausgehen. Bei subjektiver, qualitativer visueller

oder taktiler Beurteilung ist aber ab einer TOF-Ratio von 0,4 keine weitere

Differenzierung möglich. Dies konnten Viby-Mogensen und Kollegen in einer

Untersuchung bereits im Jahre 1985 belegen (45).

Die klinischen Zeichen zur Beurteilung der Erholung der neuromuskulären

Blockade und konsekutiver Extubationsfähigkeit wie Öffnen der Augen,

Anheben der Arme, Herausstrecken der Zunge, normale Tidal- und

Vitalkapazität sind ungeeignet. Auch das Anheben von Kopf oder Beinen für

mehr als 5 Sekunden, sowie der Zungenspateltest (hierbei muß ein

Holzspatel mit der Zunge gegen den Gaumen gedrückt werden, damit er

nicht herausgezogen werden kann) sind nicht geeignet um eine TOF-Ratio >

0,8 zu diskriminieren. Eine ausreichende Erholung der neuromuskulären

Blockade liegt allerdings erst bei einer TOF-Ratio von 0,9 vor (16).

Da bei der qualitativen visuellen oder taktilen Überwachung mittels TOF-

Ratio von 0,4 kein Unterschied mehr erfasst werden kann, wurde von der

Arbeitsgruppe um Viby-Mogensen die Double-Burst-Stimulation entwickelt.

Hier werden zwei 50-Hz-Salven von je drei Einzelreizen im Abstand von 750

ms abgegeben. Aufgrund der hohen Frequenz bewirkt jede Salve eine

kurzzeitige Dauerkontraktion und Unterschiede zwischen den beiden

20

wahrgenommenen Twitches können visuell oder taktil besser unterschieden

werden. Damit wird eine Verbesserung der Aussagekraft des qualitativen

Monitorings auf eine quantitativ ermittelte TOF-Ratio von 0,6 bis 0,7 erreicht

(15).

Dies reicht allerdings nicht aus, um die geforderte TOF-Ratio von > 0,9 zu

detektieren. Neben der Pharynxmuskulatur sind ab dieser TOF-Ratio dann

auch die Chemorezeptoren im Glomus caroticum nicht mehr beeinträchtigt,

die für die hypoxiebedingte Steigerung der Atmung verantwortlich sind.

Für den klinischen Einsatz wird meistens der Nervus ulnaris stimuliert und

das Piezoelement am Daumen befestigt, wobei darauf zu achten ist, dass

dieser frei beweglich gelagert sein sollte. Vor der Messung sollte im noch

unrelaxierten Zustand eine Kalibration erfolgen. Auf diese Weise kann die

Wahrscheinlichkeit eine Restrelaxierung richtig zu erkennen von 47% bei

einmaliger TOF-Messung am Ende der OP über 72% bei kontinuierlicher,

unkalibrierter Messung auf 97% bei kontinuierlicher, kalibrierter Messung

gesteigert werden (6).

Manchmal gestaltet sich aber genau diese Anordnung zum neuromuskulären

Monitoring recht schwierig. Dies ist der Fall, wenn der freie Zugang zu den

Handgelenken aufgrund operativer Lagerungsmaßnahmen, beispielsweise

bei angelagerten Armen während laparoskopischer Eingriffe, Operationen an

beiden Armen bei Frakturen oder bei Entnahmen von vaskularisierten Haut-

Muskeltransplantaten, nicht möglich ist. Ferner können anatomische

Variabilitäten in der Innervation des Musculus adductor pollicis für eine

inadäquate Muskelantwort verantwortlich sein (3).

Eine gängige Alternative stellen der Musculus orbicularis oculi oder der

Musculus corrugator supercilii dar, deren Verlauf der neuromuskulären

Blockade nicht gut mit dem Verlauf am Musculus adductor pollicis

korrelieren.

Weiterhin sind diese Muskeln bei allen Operationen im Kopf-Hals-Bereich

nicht zugänglich, so dass dann auf den Musculus flexor hallucis brevis

ausgewichen werden muß. Hier sind die Daten bezüglich der

Vergleichbarkeit mit dem Adductor pollicis allerdings widersprüchlich (5, 43).

21

Sopher und Kollegen haben bereits 1988 eine Untersuchung zum

elektromyographisch überwachten Verlauf der neuromuskulären Blockade

nach Applikation von Vecuronium zwischen dem Musculus flexor hallucis

brevis und dem Musculus adductor pollicis durchgeführt. Sie konnten keinen

Unterschied im Verlauf der neuromuskulären Blockade feststellen. Dabei

wurde nicht auf die spontane Erholung gewartet, sondern alle Patienten

wurden nach Erreichen von DUR 20% antagonisiert (40).

Kern und Mitarbeiter haben 1997 den Verlauf der neuromuskulären Blockade

bei Patienten nach Applikation von Mivacurium untersucht. Sie fanden einen

signifikant schnelleres Erreichen der TOF-Ratio 0,75 am Musculus flexor

hallucis brevis im Vergleich zum Musculus adductor pollicis (30). Worauf die

Unterschiede in den Ergebnissen der beiden oben genannten Studien

beruhen, bleibt unklar.

3.4. Fragestellungen

Ziel dieser Untersuchung ist der Vergleich von Anschlagszeit und Wirkdauer

der neuromuskulären Blockade nach intravenöser Applikation einer

Mivacuriumdosis von 0,2 mg/kg am Musculus adductor pollicis nach Reizung

des Nervus ulnaris und am Musculus flexor hallucis brevis nach Reizung des

Nervus tibialis posterior.

Die folgenden Fragen sollten dabei beantwortet werden:

1. Gibt es einen Unterschied zwischen der akzeleromyographisch

gemessenen Anschlagszeit der neuromuskulären Blockade am

Musculus adductor pollicis und Musculus flexor hallucis brevis ?

2. Gibt es Unterschiede zwischen den akzeleromyographisch

erfassten Erholungszeiten der neuromuskulären Blockade am

Musculus adductor pollicis und Musculus flexor hallucis brevis ?

3. Eignet sich die Relaxometrieüberwachung am Musculus hallucis

brevis als Alternative zur Standardüberwachung am Musculus

adductor pollicis bzw. welche Einschränkungen sind zu beachten ?

22

4. Patienten und Methoden

4.1. Patienten

Nach Begutachtung durch die örtliche Ethikkommission der Friedrich-

Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und schriftlicher Einverständnis-

erklärung konnten die Messprotokolle der neuromuskulären Blockade von 20

erwachsenen Patienten ausgewertet werden. Alle Studienpatienten

unterzogen sich einer elektiven, neurochirurgischen Operation. Dies waren

überwiegend transsphenoidale Eingriffe an der Hypophyse. Bei diesen

Eingriffen werden alle Patienten routinemäßig vollrelaxiert. Die Überwachung

der neuromuskulären Blockade erfolgt routinemäßig am Musculus adductor

pollicis mittels Akzeleromyographie.

Zusätzlich wurden bei allen Patienten Stimulationselektroden über den

Nervus tibialis posterior angebracht, um damit den Verlauf der

neuromuskulären Blockade am Musculus flexor hallucis brevis

akzeleromyographisch parallel zum Musculus adductor pollicis zu messen.

4.2. Ausschlusskriterien

Patienten, die bereits an einer anderen Studie beteiligt waren, wurden nicht

in diese Studie aufgenommen.

Allgemeine Ausschlusskriterien waren weiterhin:

Body-Mass-Index von > 36

Lebensalter von < 18 und > 80 Jahren

Patienten mit bekannten oder zu erwartenden schwierigen

Intubationsbedingungen

Patienten mit gastroösophagealem Reflux und erhöhter

Aspirationsgefahr

Schwangerschaft

23

schwerwiegende renale, hepatische, endokrine und kardiovaskuläre

oder respiratorische Grunderkrankungen

neuromuskuläre Erkrankungen

Cholinesterase außerhalb des Normbereiches oder atypische

Cholinesterase

Patienten mit Herzschrittmacher oder AICD

Patienten unter Chemotherapie

Patienten, die Medikamente erhielten, die bekannte Interaktionen mit

Muskelrelaxanzien aufweisen (siehe Kapitel 3.2.4.)

Misslingen der initialen Kalibrierung der Akzeleromyographie

4.3. Präoperative Vorbereitungen

Alle Patienten wurden am Tag vor dem operativen Eingriff im Rahmen des

Prämedikationsgespräches über Narkoseart und Risiken der Narkose

aufgeklärt.

Im Anschluss wurden die Patienten im Rahmen der Studienaufklärung

hinsichtlich der Zielsetzung der Studie aufgeklärt, sowie die schriftliche

Einverständnis zur Teilnahme eingeholt.

Die medikamentöse Prämedikation wurde analog zur Standard Operating

Procedure (SOP) des jeweiligen Eingriffes in der Regel mit

Dikaliumchlorazepat am Abend vor der Operation und Midazolam eine

Stunde vor dem Eingriff durchgeführt. Im Studienprotokoll wurden neben den

demographischen Daten, wie Alter, Gewicht, Größe, Body-Mass-Index,

Geschlecht, ASA-Klassifikation, Mallampati-Score, Cormack-Lehane auch

die OP-Indikation, OP-Verfahren und OP-Zeiten erfasst.

24

4.4. Narkoseeinleitung und Narkoseaufrechterhaltung

Die Narkoseführung erfolgte analog zur SOP für den jeweiligen Eingriff. Bei

allen Patienten wurde eine totale intravenöse Anästhesie (TIVA)

durchgeführt. Das Routinemonitoring bestand aus EKG, nicht invasiver

Blutdruckmessung und Pulsoxymetrie (SC 9000 XL, Fa. Siemens, Erlangen).

Um das präoperative Flüssigkeitsdefizit auszugleichen bekamen alle

Patienten vor der Narkoseeinleitung eine Infusion mit 500 ml Jonosteril.

Nach einer 3-minütigen Präoxygenierung erfolgte die Narkoseeinleitung mit

einer Bolusapplikation von 0,15 - 0,2 mg Fentanyl. Bei Wirkbeginn des

Opiates bekamen die Patienten einen Propofolbolus von 2 mg/kg KG. Nach

Verlust des Lidreflexes wurden die Patienten zunächst mittels Maske

beatmet und anschließend mit einem Magill-Tubus (Rüsch, Teleflex Medical

Sdn. Bhd., Malaysia; ID 7,0 für Frauen und ID 8,0 für Männer) intubiert. Bei

den transsphenoidalen Operationen wurde anschließend eine

Rachentamponade eingelegt.

Die Aufrechterhaltung der Narkose erfolgte mittels kontinuierlicher Infusion

von Propofol als target controlled infusion (TCI, Zielspiegel 2,8 - 3,4 µg/ml)

und Remifentanil (0,2 - 0,3 µg/kg/min). Die Beatmung erfolgte mit 40%

Sauerstoff in Luft (Cicero, Fa. Dräger, Lübeck, das Atemminutenvolumen

wurde zur Aufrechterhaltung einer Normokapnie dem endexspiratorischen

CO2 -Partialdruck angepasst (Pet CO2 34 – 38 mmHg).

Gegen Ende der Operation konnten Propofol und Remifentanil reduziert

werden und bei Beginn der Hautnaht wurde die kontinuierliche Infusion

beendet. Zur postoperativen Schmerztherapie erhielten alle Patienten bereits

intraoperativ 30 Minuten vor OP-Ende 20 mg/kg KG Metamizol® oder 50 mg

Dexketoprofen®. Die meisten Patienten konnten am Ende des Eingriffes

extubiert und anschließend in den Aufwachraum verlegt werden.

25

4.5. Neuromuskuläres Monitoring

Um eine möglichst starke Muskelantwort auf den supramaximalen Reiz zu

bekommen wurden die jeweils besten Platzierungen für die

Stimulationselektroden über dem Nervus ulnaris und dem Nervus tibialis

posterior mittels eines externen Nervenstimulators (Innervator NS252, Fisher

& Paykel Healthcare, Welzheim, Deutschland) aufgesucht. Dazu wurde nach

Induktion der Narkose mit einem transkutanen Stimulator entlang des

Nervenverlaufes die Stelle ermittelt, an der die visuell stärkste

Muskelkontraktion hervorgerufen werden konnte. Hier wurden anschließend

die Stimulationselektroden des TOF-Watch SX® (Organon GmbH,

Oberschleißheim, Deutschland) angebracht.

Der TOF-Watch SX® zur quantitativen akzeleromyographischen

Überwachung der neuromuskulären Blockade besitzt unterschiedliche

Stimulationsmodi, wie TOF, DBS, PTC und Tetanie und kann darüber hinaus

vor der Gabe eines Muskelrelaxans kalibriert werden.

Bei einsetzender neuromuskulärer Blockade kommt es zum Fading der vier

Muskelantworten, die letztlich bei voll ausgeprägter neuromuskulärer

Blockade komplett verschwinden und erst bei Beginn der Erholung von der

Blockade wieder auftauchen. Zur kontinuierlichen Überwachung bis zur

vollständigen Erholung wird dieses Muster daher alle 15 Sekunden

wiederholt (Abbildung 4).

Abb. 4: Verlauf der neuromuskulären Blockade: Definition der Blockadetiefe

26

4.5.1. Messeinheit am Daumen

Zur Überwachung der neuromuskulären Blockade am Musculus adductor

pollicis wurden bei den Patienten zwei Ag/AgCl-Elektroden (megro® EKG-

Elektroden, Wesel, Deutschland) proximal des linken Handgelenkes über

dem Nervus ulnaris aufgeklebt. Der piezoelektrische Beschleunigungssensor

wurde mittels eines Vorspanners am Daumen und der Temperatursensor

daumenseitig am Unterarm befestigt (Abbildung 5). Dabei wurde bei der

Lagerung auf eine freie Beweglichkeit des Daumens geachtet. Nach

supramaximaler Stimulation des Nervus ulnaris zur Kalibrierung, wurde nach

Stabilisierung der Reizantwort das Akzeleromyogramm aufgezeichnet und

die Messung konnte parallel zur Messung am Musculus flexor hallucis brevis

durchgeführt werden.

Abb. 5: Messeinheit (Stimulationselektroden, Temperatursensor und

Akzeleromyographiesensor) am Musculus adductor pollicis eines Probanden

27

4.5.2. Messeinheit an der Großzehe

Am Musculus flexor hallucis brevis erfolgte die Überwachung des Verlaufs

der neuromuskulären Blockade analog zum Musculus adductor pollicis

mittels eines zweiten TOF-Watch SX®. Hierzu wurden zwei Ag/AgCl-

Elektroden auf Höhe des linken Malleolus medialis über dem Verlauf des

Nervus tibialis posterior platziert.

Der piezoelektrische Beschleunigungssensor wurde plantarseitig an der

Großzehe befestigt, wobei anders als am Daumen aufgrund der

anatomischen Gegebenheit auf eine Vorspannung verzichtet werden musste

(Abbildung 6). Hierbei galt ein besonderes Augenmerk der Lagerung des

Unterschenkels, um eine freie Bewegungsmöglichkeit des Fußes und der

Großzehe zu gewährleisten.

Der Temperatursensor wurde am Fußrücken fixiert.

Abb. 6: Messeinheit (Stimulationselektroden, Temperatursensor und

Akzeleromyographiesensor) am Musculus flexor hallucis brevis eines Probanden

28

4.6. Messung

Beide TOF-Watch SX® wurden anschließend über die geräteseitig

vorhandene optische Schnittstelle mit einem Computer verbunden, auf dem

über die zugehörige Software (TOF-Watch SX® Monitor, Version 1.1 Int.,

Organon-teknika) die parallele Aufzeichnung der Meßergebnisse stattfand.

Nach erfolgreicher automatischer Kalibration zur Festlegung der

supramaximalen Reizstärke und Stabilisierung der Reizantwort gemäß den

Good Clinical Research Practice Kriterien von Viby-Mogensen (48) und

Fuchs-Buder (18) wurde die TOF-Ratio-Messung simultan an beiden

Geräten gestartet und mit der Aufzeichnung begonnen. Der TOF-Watch SX®

führt automatisch alle 15 Sekunden eine TOF-Messung durch. Diese erfolgt

mit einer supramaximalen Impulsstärke und der üblichen Frequenz von 2 Hz.

Anschließend wurde über einen Zeitraum von 5 Sekunden ein

Mivacuriumbolus von 0,2 mg/kg intravenös verabreicht. Der Zeitpunkt der

Bolusapplikation wurde im Meßprotokoll festgehalten.

Die Aufzeichnung der Akzeleromyogramme von Musculus adductor pollicis

(Abbildung 7) und Musculus flexor hallucis brevis (Abbildung 8) wurden bis

zur vollständigen Erholung (TOF-Ratio 0,9) fortgeführt, um eine mögliche

Restcurarisierung auszuschließen.

* Mivacuriumbolus

Abb. 7: Akzeleromyogramm des Musculus adductor pollicis nach Stimulation des Nervus

ulnaris; (Striche: Twitch T1, Punkte: Quotient T4/T1)

29

Wie die Abbildung 7 zeigt, erfolgt nach Applikation des Mivacuriumbolus

(Zeitpunkt mit * markiert) zunächst eine Abnahme der Twitches.

Im Zuge der Erholung der neuromuskulären Blockade konnten im weiteren

Verlauf wieder Twitches registriert werden. Bei kompletter Erholung erreicht

die TOF-Ratio wieder ihren Ausgangswert von 1,0.

Synchron zum Musculus adductor pollicis wurde auch am Musculus flexor

hallucis brevis die neuromuskuläre Blockade erfasst und mittels Computer

aufgezeichnet. Anhand der erfassten Daten konnten dann diese beiden

Muskeln bezüglich ihrer Anschlagszeit und ihrer Erholung von der

neuromuskulären Blockade verglichen werden (Abbildung 8)

* Mivacuriumbolus

Abb.8: Akzeleromyogramm des Musculus flexor hallucis brevis nach Stimulation des Nervus

tibialis posterior; (Striche: Twitch T1, Punkte: Quotient T4/T1)

30

4.7. Messparameter

Die Messparameter wurden mittels TOF-Watch SX® Monitor (Version 1,1

Organon Teknika) gemäß der Kriterien der ersten Konsensus-Konferenz von

1994 in Kopenhagen (48) und der zweiten Konsensus-Konferenz in

Stockholm im Jahre 2005 erhoben (18).

Die folgenden Werte wurden für die beiden Muskeln bei den Patienten

bestimmt:

LAGTIME: die Zeit zwischen der Applikation der Intubationsdosis

und der ersten Potentialänderung

ONSET-TIME: die Zeit bis zur maximalen Potentialreduktion

PEAK-EFFEKT: Maximaleffekt

Für die Erholung wurden folgende Parameter aufgezeichnet:

T1/T0 25%: die Zeit von der Applikation des Muskelrelaxans bis zur

Wiederkehr zu 25% der ursprünglichen Reizantwort

T1/T0 75%: die Zeit von der Applikation des Muskelrelaxans bis zur

Wiederkehr zu 75% der ursprünglichen Reizantwort

T1/T0 90%: die Zeit von der Applikation des Muskelrelaxans bis zur

Wiederkehr zu 90% der ursprünglichen Reizantwort

TOF - Ratio = 0,7: Zeit von der Applikation des Muskelrelaxans bis der

Quotient aus der Amplitude des 4. Reizes zur Amplitude

des 1. Reizes 0,7 beträgt

TOF - Ratio = 0,9: Zeit von der Applikation des Muskelrelaxans bis der

Quotient aus der Amplitude des 4. Reizes zur Amplitude

des 1. Reizes 0,9 beträgt

31

4.8. Datenerfassung und Statistik

Die mittels TOF-Watch SX® Software elektronisch aufgezeichneten

Messwerte wurden in eine Microsoft® Excel Arbeitsmappe importiert. Die

Bestimmung von Lagtime, Onset-time, Peak-Effekt, T 1/25, T1/75, T1/90,

TOF-Ratio 0,7 und TOF-Ratio 0,9 erfolgte gemäß der Good Clinical

Research Practice Kriterien. Dementsprechend erfolgte bei Bedarf eine

Normalisierung der Twitch-Werte, sofern der Ausgangswert am Ende der

Erholungszeit nicht erreicht wurde.

Die statistische Auswertung erfolgte mit dem Statistik-Programm Statistika®

6.1 für Windows®.

Die demographische Auswertung erfolgte mittels deskriptiver Statistik, die

Akzelerometrie-Daten wurden per Wilcoxon-Test verglichen und die

Ergebnisse mittels MedCalc® als Bland-Altman-Diagramme dargestellt.

Die Ergebnisse sind als Median mit 25% (Q1) und 75% (Q3) -Perzentile

angegeben, das Signifikanzniveau wurde mit p < 0,05 angenommen.

32

5. Ergebnisse

5.1. Demographische Daten

Die am Musculus adductor pollicis und am Musculus flexor hallucis brevis

erhobenen Messdaten von insgesamt 20 Patienten konnten der statistischen

Analyse zugeführt werden. Bei fünf Patienten gelang am Musculus flexor

hallucis brevis die initiale Kalibrierung nicht, sodass eine Messung gemäß

der Good Clinical Research Practice Kriterien nicht möglich war.

Entsprechend der oben genannten Ausschlusskriterien wurden die Patienten

nicht in das ausgewertete Kollektiv eingeschlossen.

Die postoperativ durchgeführte anästhesiologische Visite ergab, dass die

simultane und kontinuierliche Stimulation des Musculus adductor pollicis und

des Musculus flexor hallucis brevis keinerlei Nebenwirkungen wie zum

Beispiel Hautirritationen oder Muskelkater verursachten.

Die demographischen Daten der 20 eingeschlossenen Patienten sind in

Tabelle 1 dargestellt.

Patientenanzahl (n = 20) Median Q1 / Q3

Alter (Jahre) 45,5 36 / 59,5

Gewicht (kg) 80,5 70,5 / 85,5

Größe (cm) 171 165 / 175,25

Body-Mass-Index (BMI) 27,2 24,9 / 30,1

Geschlecht (m / f) 8 / 12

ASA-Klassifikation (1 / 2) 8 / 12

Mallampati-Score (1 / 2 / 3) 8 / 10 / 2

Cormack-Lehane (I / II / III) 17 / 2 / 1

Tab.1: Median für Alter, Gewicht, Größe und BMI, Q1 (25% Perzentil) & Q3 (75% Perzentil).

Geschlecht, ASA-Klassifikation, Mallampati-Score und Cormack-Lehane als Absolutwert.

33

Alle in die Untersuchung eingeschlossenen Patienten unterzogen sich einem

neurochirurgischen Eingriff.

Die meisten der Studienpatienten mussten sich einer Resektion eines

Hypophysenadenoms unterziehen. Eine genauere Zuordnung zu den

verschiedenen Operationsindikationen der Studienpatienten zeigt Tabelle 2.

OP-Indikationen gesamt m / f

Hypophysenadenom 8 4 / 4

Kraniopharyngeom 2 1 / 1

Meningeom 5 2 / 3

Kolloidzyste 2 0 / 2

Basaliom 1 1 / 0

Akromegalie 1 0 / 1

Z.n. Entlastungstrepanation 1 0 / 1

Tab. 2: OP-Indikationen im Studienkollektiv

Die im Studienkollektiv durchgeführten Operationsverfahren werden in der

Tabelle 3 genauer erläutert. Knapp 70% der Patienten erhielten eine

Transsphenoidale Operation.

OP-Verfahren gesamt m / f

Transsphenoidale OP 13 8 / 5

Trepanation 6 3 / 3

Knochendeckelimplantation 1 0 / 1

Tab. 3: im Studienkollektiv angewandte OP-Verfahren

34

Tabelle 4 fasst die Anästhesiedauer und verschiedene Operationszeiten

des Studienkollektivs zusammen.

OP-Zeiten Median Q1 / Q3-Intervall

Anästhesie-Dauer (min) 148,5 117,5 / 323,75

OP-Dauer (min) 113 92,5 / 275,5

Schnitt-Naht (min) 75 54 / 230,75

Tab. 4: Anästhesiedauer und Operationszeiten in Minuten als Median mit Q1/Q3-Intervall

5.2. Anschlagszeiten der neuromuskulären Blockade am Musculus

adductor pollicis und dem Musculus flexor hallucis brevis

Die mittels Akzeleromyographie am Musculus adductor pollicis und Musculus

flexor hallucis brevis gemessene Lagtime, die Onset-time und der Peak-

Effekt werden in Tabelle 5 dargestellt. Im Wilcoxon-Test für gepaarte

Stichproben zeigten sich sowohl für die Lagtime, als auch für den Peak-

Effekt keine signifikanten Unterschiede. Die Anschlagszeit war am Musculus

adductor pollicis signifikant kürzer als am Musculus flexor hallucis brevis.

MAP (Q1/Q3) MFHB (Q1/Q3) p-Niveau

Lagtime (s) 60 (45/67,5) 67,5 (45/90) 0,07

Onset (s) 135 (120/195) 172,5 (127,5/217,5) 0,03

Peak % 100 (100/100) 100 (100/100)

Tab. 5: Median MAP gegen MFHB für Lagtime (s), Onset (s) und Peak-Effekt (%) mit

Q1 (25% Perzentil) & Q3 (75% Perzentil) und p-Niveau nach Relaxierung mit 0,2 mg/kg

Mivacurium

35

Im Bland-Altman-Diagramm zeigt sich beim Vergleich vom Musculus

adductor pollicis und dem Musculus flexor hallucis brevis hinsichtlich der

Lagtime ein Bias von - 12 Sekunden, (Abb. 9) und hinsichtlich der Onset-time

ein Bias von -23,3 Sekunden (Abb. 10).

Abb.9: Bland-Altman-Diagramm der akzeleromyographisch bestimmten Lagtime am MAP

und MFHB nach Relaxierung mit 0,2 mg/kg Mivacurium

Abb. 10: Bland-Altman-Diagram der akzeleromyographisch bestimmten Onset-time am MAP

und MFHB nach Relaxierung mit 0,2 mg/kg Mivacurium

36

5.3. Erholungszeiten von der neuromuskulären Blockade am

Musculus adductor pollicis und dem Musculus flexor hallucis

brevis

Die mittels Akzeleromyographie am Musculus adductor pollicis und Musculus

flexor hallucis brevis gemessenen Erholungszeiten der neuromuskulären

Blockade nach Applikation von 0,2 mg/kg Mivacurium zeigten im Wilcoxon-

Test für gepaarte Stichproben zu den Zeitpunkten T1/T0 25%, T1/T0 75%

und T1/T0 90% eine signifikant schnellere Erholung des ersten Twitches am

Musculus adductor pollicis im Vergleich zum Musculus flexor hallucis brevis.

Allerdings wiesen die TOF-Ratios 0,7 und 0,9 zwischen den beiden Muskeln

keinen signifikanten Unterschied auf (Tabelle 6).

N MAP (Q1/Q3) MFHB (Q1/Q3) p-Niveau

T1/25 20 22,625 (18,75/29,375) 25,375 (20/30) 0,03

T1/75 20 30 (24,625/39,5) 34,875 (28,5/42,375) 0,02

T1/90 20 34 (28,875/46,875) 41,25 (33,875/47,625) 0,003

TOF 0,7 20 32,75 (28/41,375) 32 (27,25/43,875) 0,64

TOF 0,9 17 39 (31,75/49,25) 37,5 (32/43,75) 0,8

Tab. 6: Wilcoxon-Test für gepaarte Stichproben der Erholungszeiten (in Minuten) am MAP

und MFHB mit Q1/Q3-Intervall und p-Niveau nach Relaxierung mit 0,2 mg/kg Mivacurium

Die Bland-Altman-Diagramme für die jeweiligen Zeitpunkte T1/T0 25%,

T1/T0 75%, T1/T0 90% sowie TOF-Ratio 0,7 und TOF-Ratio 0,9 sind als

Abbildung 11 bis 15 dargestellt.

Im Bland-Altman-Diagramm der klinisch relevante TOF-Ratio von 0,9 zeigt

sich, dass der Bias der beiden Messverfahren bei einer mittleren Zeitspanne

von 38,25 Minuten im Mittel bei 1,3 Minuten, also 3,4 % liegt.

37

Abb. 11: Bland-Altman-Diagramm der akzeleromyographisch bestimmten Erholungszeit des

ersten Twitches auf 25% des Ausgangswertes am MAP und MFHB nach Relaxierung mit

0,2 mg/kg Mivacurium

Abb. 12: Bland-Altman-Diagramm der akzeleromyographisch bestimmten Erholungszeit des

ersten Twitches auf 75% des Ausgangswertes am MAP und MFHB nach Relaxierung mit

0,2 mg/kg Mivacurium

38

Abb. 13: Bland-Altman-Diagramm der akzeleromyographisch bestimmten Erholungszeit des

ersten Twitches auf 90% des Ausgangswertes am MAP und MFHB nach Relaxierung mit

0,2 mg/kg Mivacurium

Abb. 14: Bland-Altman-Diagramm der akzeleromyographisch bestimmten Erholungszeit auf

eine TOF-Ratio 0,7 am MAP und MFHB nach Relaxierung mit 0,2 mg/kg Mivacurium

39

Abb. 15: Bland-Altman-Diagramm der akzeleromyographisch bestimmten Erholungszeit auf

eine TOF-Ratio 0,9 am MAP und MFHB nach Relaxierung mit 0,2 mg/kg Mivacurium

Bei der Auswertung zeigte sich während der Betrachtung der Rohdaten im

graphischen Modus der Software TOF-Watch SX® Monitor, dass bei einigen

Patienten in Abhängigkeit vom jeweiligen Messort unterschiedliche zeitliche

Verläufe von erstem Twitch und TOF-Ratio zueinander auftraten. So

erreichte der erste Twitch am Musculus flexor hallucis brevis nicht in jedem

Fall wieder den initialen Ausgangswert von 100%, während dieses

Phänomen am Musculus adductor pollicis (bei Anwendung einer konstanten

Vorspannung) nicht auftrat.

40

6. Diskussion

6.1. Bedeutung einer Überwachung der neuromuskulären Blockade

Mit zunehmender Erkenntnis über die Wirkmechanismen der

Muskelrelaxanzien nahm auch das Interesse und insbesondere die klinische

Notwendigkeit zu, deren Wirkung genau zu überwachen. Die ersten

wissenschaftlichen Erkenntnisse gelangen dem französischen Physiologen

Claude Bernard, der durch seine Experimente mit dem Pfeilgift Curare auch

den Grundstein für das Prinzip der Relaxometrie legte.

Er stimulierte Nerven-Muskel-Präparate von Fröschen und zeichnete mittels

Russmyographen die Muskelkontraktionen auf. Aus diesen Ergebnissen

schloss Bernard, dass es durch Curare zu einer Blockade der

neuromuskulären Übertragung kommt.

Es vergingen weitere 90 Jahre, bis 1941 eine Überwachungsmethode

erstmals am Menschen angewandt wurde. Harvey und Masland führten als

erste eine supramaximale Nervenstimulation an einem Patienten durch.

Hierzu stimulierten sie den Nervus ulnaris am Ellenbogen und leiteten das

Elektromyogramm des Hypothenars ab (21).

Botelho beschrieb 1955 die Unterschiede zwischen der

Mechanomyographie, bei der die Muskelkraft direkt aufgezeichnet wird und

der Elektromyographie, bei der die Muskelkraft über die elektrische Aktivität

ermittelt wird (4).

Auch heute noch werden diese Methoden zur Überwachung der

neuromuskulären Blockade bei der Narkose angewendet. Dabei wird der

Musculus adductor pollicis für die klinische Überwachung der

neuromuskulären Blockade während der Narkose bevorzugt eingesetzt, da

er gut zugänglich ist und nach Stimulation des Nervus ulnaris sich der

Daumen spezifisch in eine Richtung bewegt, so das sowohl

mechanomyographische, als auch akzeleromyografische Messmethoden

problemlos einsetzbar sind (9).

1958 gelang es Christie und Churchill-Davidson mittels eines oszilloskopisch

dargestellten Elektromyogramms, Unterschiede im Muster der Blockade von

41

depolarisierenden und nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien zu finden.

Mit dieser Erkenntnis entwickelten sie das erste Gerät zur intraoperativen

Überwachung der neuromuskulären Blockade (7).

Der eigentliche Terminus „Relaxometrie" wurde in der deutschsprachigen

Fachliteratur erstmals 1966 von Kronschwitz verwendet (9).

1970 untersuchten Ali und Kollegen die Zusammenhänge zwischen

Reizfrequenz und Muskelantwort bei einer nichtdepolarisierenden

neuromuskulären Blockade. Die abgewandelte Form des von ihnen

verwendeten Stimulationsschemas wurde als Train-of-four-Reizmuster (TOF)

zum Standard für die qualitative und quantitative Erfassung der

Muskelrelaxation (1, 9).

Eine klinische Anwendung von evozierten Muskelpotentialen war aufgrund

der hohen Kosten zunächst allerdings noch keineswegs Routine, sondern

allein der experimentellen und klinischen Forschung vorbehalten.

Lange Zeit wurden zur Überwachung der neuromuskulären Blockade nach

Applikation von Muskelrelaxanzien während einer Operation nur klinische

Parameter eingesetzt. So versuchte man anhand von Atmungs- und

Beatmungsparametern, wie zum Beispiel der Atemfrequenz und des

Beatmungswiderstandes, auf den Relaxierungsgrad zu schließen. Diese

Verfahren erwiesen sich allerdings als höchst unzuverlässig und führten

häufig zu deutlichen Restrelaxierungen bei Patienten im Aufwachraum.

Berg und Mitarbeiter zeigten einen klaren Zusammenhang zwischen einer

unzureichenden neuromuskulären Erholung (Restrelaxierung) und einer

deutlich erhöhten pulmonalen Komplikationsrate. Dabei wiesen die Patienten

mit einer TOF-Ratio < 0,7 bis zu viermal mehr postoperative Komplikationen

(Atelektasen und Pneumonien aufgrund von Mikroaspirationen) auf, als

Patienten mit einer Erholung der neuromuskulären Blockade mit einer TOF-

Ratio > 0,7 (2).

Viby-Mogensen und Kollegen konnten bereits 1979 auf die Problematik der

postoperativen inkompletten Erholung von der neuromuskulären Blockade

nach Gabe langwirksamer Muskelrelaxanzien hinweisen. Sie stellten fest,

dass 40% der Patienten im Aufwachraum eine Restcurarisierung aufwiesen

(47).

42

Diese Patienten sind einerseits aspirationsgefährdet, da die

Hypopharynxmuskulatur und damit die Schluckfunktion noch nicht vollständig

erholt ist und andererseits hypoxiegefährdet, da Chemorezeptoren im

Glomus caroticus noch teilblockiert sind, so dass eine Hypoxie nicht zu einer

physiologischen Steigerung des Atemminutenvolumens führt. Da ab einer

TOF-Ratio von > 0,9 diese Gefahr deutlich abnimmt, wurde die empfohlene

Grenze der TOF-Ratio vor Extubation von 0,7 auf 0,9 angehoben. Diese

Untersuchungen unterstrichen die Forderung nach einer routinemäßigen

Überwachung der neuromuskulären Blockade nach Applikation von

Muskelrelaxanzien im klinischen Alltag.

Die taktile und visuelle Erfassung der Muskelantwort nach

Vierfachstimulation eines motorischen Nerven wurde früher für die

intraoperative Überwachung der neuromuskulären Blockade zunächst als

praktikable und ausreichend genaue Methode erachtet (9). Durch

vergleichende Messung konnte jedoch gezeigt werden, dass eine taktil oder

visuell detektierte TOF-Ratio von 1,0 (alle Twitches erscheinen gleich) sich

bei quantitativer Messung als Wert im Bereich von 0,4 - 1,0 bewegt (45). Im

Bereich des intraoperativen Monitoring der neuromuskulären Blockade

konnte gezeigt werden, dass das quantitative dem qualitativen Monitoring

deutlich überlegen ist. Als einfache quantitative, intraoperative

Monitoringmethode wurde 1987 die Akzeleromyographie entwickelt (46).

Hierbei hat sich die Akzeleromyographie gegenüber der Mechano- oder

Elektromyographie als einfacher anwendbares und zuverlässigeres

Verfahren in der Klinik durchgesetzt (17).

Zur Schaffung optimaler Operationsbedingungen und präziser Steuerung der

Wirkdauer ist eine bedarfsgerechte Applikation der Muskelrelaxanzien

notwendig. Diese Steuerung kann ebenfalls mittels Relaxometrie optimiert

werden (9, 26).

Die Überwachung der neuromuskulären Blockade gilt daher heutzutage als

eine klinische Notwendigkeit, um aufgrund der Varianz, unterschiedlicher

Muskelrelaxanzien und individueller Pharmakokinetik die Anschlags- und

Wirkdauer zu überwachen und um zu jeder Zeit eine bestmögliche

Patientensicherheit zu gewährleisten. Da der Musculus adductor pollicis als

43

bestuntersuchter Goldstandard zum neuromuskulären Monitoring allerdings

in Abhängigkeit von der Operation nicht immer frei zugänglich ist, wurde

schon früh nach alternativen Muskeln zur Überwachung der

neuromuskulären Blockade gesucht.

6.2. Überwachung und Verlauf der neuromuskulären Blockade an

unterschiedlichen Muskeln

Pansard und Mitarbeiter haben gezeigt, dass die Erholung der

neuromuskuläre Blockade am Zwerchfell früher einsetzt, als am Musculus

adductor pollicis. Im Umkehrschluß bedeutet das, dass eine vollständige

Erholung am Daumen ebenfalls mit einer kompletten Erholung am Zwerchfell

(als Grundvoraussetzung für eine suffiziente Spontanatmung) einhergeht. Sie

führen den Unterschied zwischen den verschiedenen Muskelgruppen auf

unterschiedliche Perfusion und Muskelstruktur zurück (35).

Da sowohl der Nervus ulnaris und der Musculus adductor pollicis bei vielen

Operationen mit ausgelagerten Armen zugänglich sind, die Installierung des

Monitorings fast ohne Ausnahme problemlos möglich ist und vom Verlauf der

neuromuskulären Blockade dieses Muskels gut auf zentrale Muskeln wie

Zwerchfell und Kehlkopf rückgeschlossen werden kann, hat er sich zur

perioperativen Überwachung als Goldstandard herauskristallisiert. So war

auch in der vorliegenden Studie das Monitoring am Musculus adductor

pollicis ohne Ausnahme problemlos möglich. Weiterhin wurde die Definition

der TOF-Ratio von 0,9 als mindestens zu erreichender Endpunkt an dieser

Nerv/Muskel-Einheit bestimmt und festgelegt.

Da sich die neuromuskuläre Blockade am Daumen zeitlich erst nach

Zwerchfell-, Interkostal- und Kehlkopfmuskulatur erholt, ist dieser Muskel gut

geeignet, um eine etwaige Restcurarisierung auszuschließen. Der Musculus

adductor pollicis ist allerdings nicht bei jeder Operation frei zugänglich. So

wie Musculus orbicularis oculi und corrugator supercilii bei Eingriffen im Kopf-

und Halsbereich nicht zugänglich sind kann der Musculus adductor pollicis

bei Eingriffen mit angelagerten Armen (zum Beispiel Laparoskopien)

44

intraoperativ nicht zugänglich sein, was ein neuromuskuläres Monitoring

erschwert oder unmöglich macht.

Schon früh versuchten verschiedene Arbeitsgruppen daher, alternative Nerv-

Muskelgruppen zum Musculus adductor pollicis zu finden. Während der

Verlauf der neuromuskulären Blockade sich am Musculus orbicularis oculi

oder der Musculus corrugator supercilii deutlich vom Musculus adductor

pollicis unterscheidet, weisen bisherige Untersuchungen am Musculus flexor

hallucis brevis nach Stimulation des Nervus tibialis posterior teilweise

widersprüchliche Aussagen auf. Die Arbeitsgruppen um Sopher und Saitoh

haben bereits in den frühen 90er Jahren Untersuchungen zur

Vergleichbarkeit des Verlaufes der neuromuskulären Blockade von Musculus

adductor pollicis und Musculus flexor hallucis brevis unternommen (36, 38,

40). Die Ergebnisse dieser früheren Untersuchungen waren allerdings

uneinheitlich und sind teilweise unter dem Einsatz von heute nicht mehr

klinisch gebräuchlichem Monitoring entstanden.

Sopher und Kollegen konnten in ihrer Untersuchung an zehn Patienten unter

Allgemeinanästhesie mit Isofluran/Lachgas und Fentanyl nach Applikation

von 0,1 mg/kg Vecuronium den Verlauf der neuromuskulären Blockade an

beiden Muskeln mittels elektromyographischem Monitoring parallel

aufzeichnen. Allerdings wurde in dieser Untersuchung die spontane Erholung

der neuromuskulären Blockade nicht abgewartet, sondern ab einem Twitch

T1 = 20% bzw. der ersten sichtbaren Train of four-Kontraktion des jeweiligen

Muskels eine Antagonisierung mit Edrophonium eingeleitet. Die Messungen

zeigten hinsichtlich des ersten Auftretens eines Twitches und des Erreichen

von T1 = 20% eine tendenziell schnellere Erholung am Musculus adductor

pollicis im Vergleich zum Musculus flexor hallucis brevis, welche allerdings

das Signifikanzniveau verfehlte. Interessanterweise war die Zeit bis zur

ersten sichtbaren TOF-Kontraktur am Musculus flexor hallucis brevis

tendenziell kürzer. Dies deckt sich nicht mit unseren Ergebnissen. Dabei war

in unserer Untersuchung die Erholung auf T1 = 25% am Musculus adductor

pollicis signifikant schneller, als am Musculus flexor hallucis brevis. Da alle

Patienten in der Studie von Sopher und Mitarbeitern bereits in tiefer Blockade

45

antagonisiert wurden, sind keine Aussagen zur Vergleichbarkeit der

spontanen Erholung der neuromuskulären Blockade möglich.

Demgegenüber fanden Saitoh und Mitarbeiter in einer Studie an 60 Patienten

unter Allgemeinanästhesie mit Isofluran/Lachgas einen teilweise signifikanten

Unterschied bezüglich PTC und TOF-Ratio zwischen Musculus adductor

pollicis und Musculus flexor hallucis brevis mittels akzeleromyographischer

Überwachung. Während sich die PTC-Zeiten als Ausdruck der tiefen

neuromuskulären Blockade zwischen Musculus adductor pollicis und

Musculus flexor hallucis brevis nicht signifikant unterschieden haben, war die

mittels TOF-Ratio überwachte Erholung der neuromuskulären Blockade am

Musculus flexor hallucis brevis signifikant schneller, als am Musculus

adductor pollicis. Allerdings unterschied sich das Studienprotokoll von Saitoh

und Kollegen deutlich vom Protokoll von Sopher und Mitarbeitern bzw. von

dem Protokoll der vorliegenden Untersuchung:

So führten Saitoh und Kollegen keine parallelen Messungen an Hand und

Fuß durch, sondern haben für jeden einzelnen Meßort (MAP und MFHB)

sowie für beide Relaxometrieverfahren (PTC und TOF) ein eigenes Kollektiv

mit jeweils 15 Patienten gebildet (36). Demzufolge muss hinterfragt werden,

ob diese Ergebnisse wirklich Unterschiede zwischen den jeweiligen

Muskelgruppen beschreiben oder ob nicht interindividuelle

pharmakokinetische Unterschiede der Patienten einen größeren Einfluss auf

diese Ergebnisse haben. Um den Gesetzmäßigkeiten einer individuellen

Pharmakokinetik gerecht zu werden, haben wir in der vorliegenden Studie im

Gegensatz zu Saitoh für eine objektivere Vergleichbarkeit immer beide

Meßorte (MAP und MFHB) an einem Patienten untersucht.

Die Arbeitsgruppe um Kitajima konnte im Rahmen einer Studie an 20

erwachsenen Patienten zeigen, dass nach Applikation von 0,1 mg/kg

Vecuronium die akzeleromyographisch bestimmte Anschlagszeit am

Musculus adductor pollicis signifikant kürzer ist, als am Musculus flexor

hallucis brevis. Die Zeitspanne zwischen maximaler Blockade und dem

Erreichen von T1 = 25% war am Musculus flexor hallucis brevis allerdings

signifikant kürzer, als am Musculus adductor pollicis (31). Kitajima und

46

Kollegen machten den höheren Anteil an Typ-2 Muskelfasern für dieses

Ergebnis verantwortlich, da die Typ-2 Muskelfasern eine größere

Widerstandsfähigkeit gegenüber nicht-depolarisierenden Muskelrelaxantien

haben sollen (39). Die spontane Erholung von der neuromuskulären

Blockade wurde nicht abgewartet, sondern bei T1 = 25% mit Neostigmin und

Atropin antagonisiert. Die ebenfalls parallel dazu durchgeführte

elektromyographische Messung am kontralateralen Musculus flexor hallucis

brevis zeigte keinen signifikanten Unterschied im Verlauf der Erholung bis T1

= 25% im Vergleich zur akzeleromyographischen Messung am Musculus

adductor pollicis. Kitajima und Kollegen schlussfolgerten daher, dass eine

akzelerometrische Überwachung am Musculus flexor hallucis brevis eine

mögliche Restblockade unterschätzt. Die Allgemeinanästhesie wurde in

dieser Untersuchung entweder als Neuroleptanästhesie mit Fentanyl und

Dehydrobenzperidol oder als Inhalationsanästhesie mittels

Sevofluran/Lachgas unterzogen. Hierbei stellten Kitajima und Mitarbeiter fest,

dass die neuromuskuläre Blockade bei einer Inhalationsanästhesie im

Vergleich zu einer Neuroleptanästhesie länger anhielt (31). In einer weiteren

Studie an zwölf Kindern im Alter von zwei bis zehn Monaten konnte die

Arbeitsgruppe um Kitajima in Vollnarkose mit einem Sevofluran/Lachgas-

Gemisch und unter Verwendung von 0,1 mg/kg Vecuronium keinen

signifikanten Unterschied in der akzeleromyographisch bestimmten

Anschlagszeit und dem Erreichen von T1 = 25% zwischen dem Musculus

adductor pollicis und dem Musculus flexor hallucis brevis nachweisen. Sie

schlussfolgerten, dass der Musculus flexor hallucis brevis bei Kleinkindern

eine akzeptable Alternative zum Musculus adductor pollicis hinsichtlich der

perioperativen Überwachung der neuromuskulären Blockade sei (32).

Verschiedene Studien konnten belegen, dass unterschiedliche Verfahren zur

Überwachung der neuromuskulären Blockade (EMG, MMG, AMG) nicht

untereinander austauschbar sind, da die Ergebnisse nicht direkt miteinander

vergleichbar sind. So findet man zwischen EMG und AMG in der Regel eine

ca. 10% Differenz in der realen TOF-Ratio (12, 24, 33). Daher empfahlen die

Autoren der oben genannten Studie weitere Untersuchungen, da nicht

ausgeschlossen werden konnte, dass es abhängig von Monitoringverfahren

47

(MMG, EMG, AMG) und Muskelrelaxans Unterschiede in der Erfassung der

Erholung der neuromuskulären Blockade gibt.

Um eine möglichst gute Vergleichbarkeit und Reliabilität bei neuromuskulärer

Forschung sicherzustellen, wurde im Rahmen einer Konsensuskonferenz in

Kopenhagen 1994 bereits ein erstes Konsensus-Papier zu sogenannten

Good Clinical Research Practice Kriterien vereinbart. Diese Kriterien wurden

2005 im Rahmen einer erneuten Konsensuskonferenz in Stockholm

nochmals überarbeitet (18). Ziel dieser Arbeiten war es,

Rahmenbedingungen für zukünftige Studien festzulegen, um deren

Ergebnisse besser vergleichbar und übertragbar zu machen (48).

Kern und Kollegen untersuchten den Verlauf der neuromuskulären Blockade

an zehn Patienten nach Applikation von 0,2 mg/kg Mivacurium über 30

Sekunden unter einer Allgemeinanästhesie mit Isofluran/Lachgas und

Fentanyl. Die Anschlagszeit am Musculus adductor pollicis war signifikant

kürzer, als am Musculus flexor hallucis brevis. Die spontane Erholung der

neuromuskulären Blockade gemessen über das erste Wiederauftreten eines

Twitches bzw. aller 4 Twitches sowie einer TOF-Ratio 0,5 hingegen verlief

am Musculus adductor pollicis tendenziell langsamer als am Musculus flexor

hallucis brevis. Zum Zeitpunkt TOF-Ratio 0,75 war dieser Unterschied

signifikant (30).

Die TOF-Ratio von 0,75, welche zum Zeitpunkt der Studie als ausreichende

Erholung zur Extubation galt, wurde in der Untersuchung von Kern allerdings

am Musculus flexor hallucis brevis signifikant schneller als am Musculus

adductor pollicis erreicht. Daher schlussfolgerten Kern und Kollegen, dass

sich der Musculus flexor hallucis brevis aufgrund der langsameren

Anschlagszeit zwar nicht zur schnelleren Erkennung der Intubationsfähigkeit

eignet, aber die Erholungsphase schneller als am Musculus adductor pollicis

detektiert werden kann (30). Nach heutigem Wissensstand bleibt dabei aber

unberücksichtigt, dass die Pharynxmuskulatur gut mit dem Musculus

adductor pollicis korreliert:

Eine im Vergleich zu diesem Muskel gemessene raschere Erholung am

Musculus flexor hallucis brevis könnte daher mit einer noch vorhandenen

48

Restcurarisierung an der Pharynxmuskulatur einhergehen, was wiederum für

den Patienten ein potentiell erhöhtes Aspirationsrisiko bedeutet.

Im Unterschied zur vorliegenden Untersuchung haben Kern und Mitarbeiter

lediglich bis zu einer TOF-Ratio von 0,75 aufgezeichnet und zur

Narkoseaufrechterhaltung ein Inhalationsanästhetikum verwendet. Kitajima

und Mitarbeiter konnten, wie oben beschrieben bereits 1995 eine eindeutige

Wirkverlängerung von Muskelrelaxantien unter Verwendung eines

Inhalationsanästhetikums als Hypnotikum nachweisen (31).

Suzuki und Mitarbeiter haben als alternativen Muskel zum Musculus

adductor pollicis zur Überwachung der neuromuskulären Blockade mit dem

Musculus abductor hallucis einen weiteren Muskel am Fuß gewählt. Sie

untersuchten bei 20 Patienten, die sich einer Neuroleptanästhesie zur

geplanten Tympanoplastik unterzogen, den Verlauf der neuromuskulären

Blockade nach Applikation von 0,04 mg/kg Vecuronium mittels

Akzeleromyographie parallel an beiden Muskelgruppen. Auch von dieser

Arbeitsgruppe wurde eine signifikant schnellere Anschlagszeit an der Hand

und eine kürzere Wirkdauer am Fuß gefunden. Die kürzere Anschlagszeit an

der Hand, welche von mehreren Arbeitsgruppen beschrieben und auch in

unserem Kollektiv so gefunden wurde, lässt sich auf die kürzere Distanz

zwischen dem Herz und der oberen Extremität im Vergleich zur unteren

Extremität zurückführen. So können die Muskelrelaxanzien ihren Wirkort

schneller erreichen. Die Anschlagszeit am Musculus abductor hallucis war

signifikant langsamer und die klinische Wirkdauer kürzer als am Musculus

adductor pollicis. Die spontane Erholung der neuromuskulären Blockade

zeigte jedoch keinen Unterschied zwischen den beiden Muskeln (44).

49

6.3. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie im Kontext

In der vorliegenden Untersuchung konnte, im Gegensatz zu den Studien von

Sopher und der Kitajima-Studie bei pädiatrischen Patienten und analog zu

den Studien von Kern, Suzuki und der Kitajima-Studie bei erwachsenen

Patienten, unter Verwendung von Mivacurium im Rahmen einer total

intravenösen Anästhesie eine signifikant kürzere Anschlagszeit am

Musculus adductor pollicis im Vergleich zum Musculus flexor hallucis brevis

gemessen werden.

Eine mögliche Erklärung dafür sahen bereits Suzuki und Kollegen in der

anatomischen Nähe zwischen Herz und Musculus adductor pollicis und der

damit verbundenen schnelleren Anflutung des Muskelrelaxanzes.

In unserer Untersuchung konnten wir zwischen Musculus adductor pollicis

und Musculus flexor hallucis brevis keinen signifikanten Unterschied in der

TOF-Ratio 0,7 und 0,9 feststellen. Diese Ergebnisse sind analog zu den

Ergebnissen von Suzuki und Kollegen, die einen weiteren Fußmuskel

(Musculus abductor hallucis) mit dem Musculus adductor pollicis als

Goldstandard verglichen.

Die von Kern und Kollegen beschriebene signifikant schnellere Erholung der

neuromuskulären Blockade am Musculus flexor hallucis brevis (TOF-Ratio

0,75) könnte am deutlich kleineren Studienkollektiv (10 Probanden) liegen.

Hier könnten einzelne Ausreißer das Ergebnis leichter verfälschen. Ferner ist

unklar, in wie fern eine ausreichende Immobilisierung und Vorspannung,

analog zur Empfehlung der zweiten Revision der Good Clinical Research

Practice Kriterien aus dem Jahre 2005 durchgeführt wurde, da in der ersten

Empfehlung der Good Clinical Research Practice Kriterien die im selben Jahr

wie Kerns Arbeit veröffentlicht wurden noch keine Vorspannung empfohlen

wurde (18). Die Anwendung einer Vorspannung ist ein bedeutender Punkt,

da er eventuell die teilweise Variabilität des ersten Twitches am Musculus

flexor hallucis brevis in der vorliegenden Untersuchung erklären könnte. Bei

Verwendung eines Daumenvorspanners war es am Musculus adductor

pollicis nie ein Problem, nach der vollständigen Erholung von der

neuromuskulären Blockade auf das Ausgangsniveau vor Applikation des

50

Muskelrelaxans zurückzukehren. Claudius und Mitarbeiter konnten in einer

Untersuchung an 60 Patienten unter Opiat/Propofol-Narkose und nach Gabe

von 0,6 mg/kg Rocuronium zeigen, dass unter Verwendung einer

Vorspannung die hohe Variabilität der Twitches abnimmt und es bei

gleichzeitiger Normalisierung der TOF-Ratios sogar zu einer Vergleichbarkeit

der Ergebnisse zwischen Akzeleromyographie und Mechanomyographie

kommt (8). Wie man auf Abbildungen in den zuvor beschriebenen

Untersuchungen verschiedener Autoren erkennen kann, wurde dort

allerdings auf eine Vorspannung verzichtet (30, 31, 32).

Neben Claudius haben 2005 bereits die Arbeitsgruppen um Kopman und

Dubois auf den positiven Effekt einer Vorspannung hingewiesen, da sich

dadurch die erwähnte hohe Variabilität innerhalb der Twitches reduziert,

ohne die TOF-Ratio zu beeinflussen (12, 33). Somit gelingt eine präzisere

Rückkehr des Daumens in seine Ausgangslage. Die handelsüblichen

Vorspanner sind allerdings nur für den Daumen (Musculus adductor pollicis)

ausgelegt, weshalb wir bei der Messung am Musculus flexor hallucis brevis

auf eine Vorspannung verzichten mussten.

Dies scheint eine potentielle Erklärung dafür, dass es in unserer

Untersuchung einen signifikanten Unterschied zwischen der Erholung der

T1-Werten am Musculus adductor pollicis und Musculus flexor hallucis brevis

gibt, aber keinen signifikanten Unterschied in den TOF-Ratios beider

Muskeln. Aufgrund einer Lageveränderung wird das kalibrierte

Ausgangsniveau unter Umständen im Rahmen der Erholung am Musculus

flexor hallucis brevis zum Teil nicht wieder erreicht. Das Verhältnis der

Twitches (TOF-Ratio) untereinander beschreibt jedoch trotzdem die Erholung

des jeweiligen Muskels von der neuromuskulären Blockade.

Das in dem Ergebnisteil beschriebene teilweise niedrigere Twitch-Niveau am

Ende der Erholung der neuromuskulären Blockade am Musculus flexor

hallucis brevis ist also nicht als Ausdruck für eine nicht komplett

wiedererlangte Erholung von der neuromuskulären Blockade, sondern

wahrscheinlich eher als Ausdruck für eine inkonstanten Ruhelage an der

Großzehe (Musculus flexor hallucis brevis) anzusehen.

51

Dieses Phänomen wurde am Musculus adductor pollicis in der vorliegenden

Studie nicht beobachtet. Eine TOF-Ratio > 0,9 ging auch stets mit hohen

Twitchwerten einher, die sich bei 100% des Ausgangsniveaus bewegten.

Hier erscheinen weitere Untersuchungen zum Vergleich des Verlauf der

neuromuskulären Blockade zwischen vorgespannten Musculus adductor

pollicis und vorgespanntem Musculus flexor hallucis brevis sinnvoll und

notwendig zu sein.

Da sich die Zeit bis zum Erreichen einer TOF-Ratio von 0,9 zwischen

Musculus adductor pollicis und Musculus flexor hallucis brevis nicht

signifikant unterschieden und alle Patienten nach Erreichen dieser TOF-Ratio

erfolgreich und ohne Hinweis auf eine postoperative Restcurarisierung

extubiert werden konnten, darf davon ausgegangen werden, dass es zu

diesem Zeitpunkt auch am Musculus flexor hallucis brevis, trotz teilweise

nicht komplett auf das Ausgangsniveau zurückgekehrter erster Twitch-Werte,

zu einer kompletten Erholung der neuromuskulären Blockade gekommen ist.

Eine weitere theoretische Ursache für die unterschiedliche Twitch-Erholung

zwischen beiden Muskeln könnte auf den ermittelten Temperaturunterschied

zwischen oberer und unterer Extremität zurückzuführen sein. In den Good

Clinical Research Practice Kriterien wird eine Temperatur an der

Körperoberfläche von > 32°C empfohlen. In der vorliegenden Untersuchung

lag die am Fußrücken gemessene Temperatur aber im Durchschnitt bei

31,7°C, wogegen an der Hand eine im Schnitt 1,3°C höhere Hauttemperatur

gemessen wurde. Die Arbeitsgruppen von Heier und Eriksson haben einen

klaren Zusammenhang zwischen der Körper- und Hauttemperatur und einer

verlängerten Wirkdauer der Muskelrelaxantien nachgewiesen (14, 22, 23).

Eriksson und Kollegen konnten in einer Studie zeigen, das eine

Oberflächentemperatur von unter 32°C mit einer Verminderung der

Muskeltemperatur (Normalbereich ca. 34,5°C) einhergeht und es so zu einer

Wirkverlängerung der neuromuskulären Blockade kommt (14). Fällt die

Körperkerntemperatur sogar noch weiter und damit auch die

Muskeltemperatur, so gibt es eine lineare Abnahme der Erregbarkeit des

Muskels und eine Wirkverlängerung der neuromuskulären Blockade um bis

zu 20% pro °C. Ob die Wirkverlängerung aufgrund einer Verringerung der

52

Leitfähigkeit durch Veränderung der Hautimpedanz auftritt, oder durch eine

veränderte Pharmakokinetik (zum Beispiel ein verzögerter Metabolismus)

oder durch eine veränderte Pharmakodynamik (verzögertes Ansprechen des

Muskels auf das Muskelrelaxans) ist unklar.

Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit, dass

nach Applikation von 0,2 mg/kg Mivacurium im Rahmen einer

Allgemeinanästhesie mit Propofol/Remifentanil die akzeleromyographisch

bestimmte Anschlagszeit am Musculus adductor pollicis signifikant kürzer ist,

als am Musculus flexor hallucis brevis.

Die akzeleromyographische Erholung des ersten Twitch-Wertes auf 25%,

75% und 90% war am Musculus adductor pollicis signifikant schneller.

Allerdings können mit den im klinischen Alltag eingesetzten Geräten zur

Überwachung der neuromuskulären Blockade (z. B. Organon TOF-Watch®)

die in unserer Studie gefundenen unterschiedlichen Erholungszeiten T1/T0

25%, T1/T0 75% und T1/T0 90% nicht erfasst werden. Diese Unterschiede

werden nur mittels der Software TOF-Watch SX® Monitor für

wissenschaftliche Zwecke erfasst und aufgezeichnet.

Für den Einsatz im Routinebetrieb ist als Maß der Erholung von der

neuromuskulären Blockade die TOF-Ratio entscheidend. Sowohl die TOF-

Ratio 0,7, als auch die TOF-Ratio 0,9 wiesen in der vorliegenden Studie

keinen signifikanten Unterschied zwischen beiden Muskeln auf. Daher

scheint der Musculus flexor hallucis brevis als alternativer Muskel zum

Musculus adductor pollicis zur Überwachung der neuromuskuläre Blockade

mittels TOF-Ratio geeignet zu sein.

Da die Anschlagszeit am Musculus flexor hallucis brevis langsamer ist als am

Musculus adductor pollicis eignet er sich nicht um den frühestmöglichen

Intubationszeitpunkt zu definieren. Allerdings lässt eine Vollrelaxierung des

Musculus flexor hallucis brevis den Schluss zu, dass auch der Musculus

adductor pollicis als Goldstandard bereits relaxiert und damit konsekutiv auch

das Zwerchfell und die Kehlkopfmuskulatur relaxiert sind, so dass der Patient

problemlos intubiert werden kann.

Die klinische Bestimmung der TOF-Ratio 0,7 und 0,9 wies zwischen beiden

Muskeln keine signifikanten Unterschiede auf, so dass davon ausgegangen

53

werden kann, dass der Musculus flexor hallucis brevis analog zum Musculus

adductor pollicis zur Überwachung der Erholung der neuromuskulären

Blockade verwendet werden kann.

Allerdings muss einschränkend erwähnt werden, dass eine Nutzung des

Musculus flexor hallucis brevis im klinischen Routinealltag deutlichen

Unabwägbarkeiten unterliegen kann. Während am Musculus adductor pollicis

stets eine problemlose Aufzeichnung des Akzeleromyogramms gelang, war

dies am Musculus flexor hallucis brevis deutlich schwieriger. Bei einigen

Patienten konnte trotz sorgsamer Suche der bestmöglichen

Stimulationsstelle keine ausreichende Beugung der Großzehe erreicht

werden, so dass die initiale Kalibrierung des TOF-Watch® nicht durchgeführt

werden konnte. Eine Überwachung der neuromuskulären Blockade am

Musculus flexor hallucis brevis war bei diesen Patienten demzufolge nicht

möglich und daher konnten diese Patienten nicht in das ausgewertete

Kollektiv eingeschlossen werden.

Aufgrund der Ausschlusskriterien wurden Patienten mit bestimmten

Vorerkrankungen, wie peripherer Polyneuropathie, die dieses Phänomen

erklären könnten, bereits im Vorfeld erfasst und nicht in die Untersuchung

eingeschlossen.

Zusammenfassend zeigt die vorliegende Untersuchung, dass der Musculus

adductor pollicis eine signifikant kürzere Anschlagszeit nach Applikation von

0,2 mg/kg Mivacurium als der Musculus flexor hallucis brevis aufweist.

Obwohl sich der erste Twitch am Musculus adductor pollicis schneller als am

Musculus flexor hallucis brevis erholt, zeigt die TOF-Ratio 0,7 und 0,9 keinen

signifikanten Unterschied in der Erholung der neuromuskulären Blockade

zwischen beiden Muskeln auf. Der Musculus flexor hallucis brevis ist also

theoretisch als mögliche Alternative zur klinischen akzeleromyographischen

Überwachung der Erholung der neuromuskulären Blockade mittels TOF-

Ratio geeignet. Allerdings ist dabei zu beachten, dass die Etablierung des

Monitorings am Musculus flexor hallucis brevis deutlich schwieriger und

artefaktanfälliger ist, als am Musculus adductor pollicis. Weiterhin ist davon

auszugehen, dass das akzeleromyographische Monitoring der

neuromuskulären Blockade am Musculus flexor hallucis brevis bei Patienten

54

mit einer peripheren Polyneuropathie oder Gefäßerkrankungen, wie

peripherer arterieller Verschlußkrankheit oder chronisch venöser Insuffizienz,

nicht bzw. nur unzureichend genau möglich ist.

Der Musculus flexor hallucis brevis ist insofern klinisch-praktisch nur

eingeschränkt als zuverlässiger und alltagstauglicher Muskel zur

Überwachung der Erholung der neuromuskulären Blockade anzusehen. Hier

erwies sich der Musculus adductor pollicis als verlässlicherer Testmuskel,

was ihn auch weiterhin als Goldstandard prädestiniert. Ist es aufgrund

operativer Lagerungsmaßnahmen nicht möglich, eine Akzeleromyographie

am Musculus adductor pollicis durchzuführen, so kann auf den Musculus

flexor hallucis brevis unter Berücksichtigung der oben genannten

Einschränkungen zur klinischen Überwachung des Verlaufs der

neuromuskulären Blockade mittels TOF-Ratio ausgewichen werden.

55

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8. Abkürzungsverzeichnis

Abb. Abbildung mA Milliampere

Ag Silber MAP Musculus adductor

Ag/Cl Silberchlorid pollicis

AICD automatic-internal- MFHB Musculus flexor

cardiac-defibrillator hallucis brevis

AMG Akzeleromyographie µg/mg Mikro-/Milligramm

ASA American Society of ml Milliliter

Anesthesiology MMG Mechanomyographie

ms Millisekunde

BMI Body-Mass-Index min Minute

cm Zentimeter Na+ Natrium

CO2 Kohlendioxid

OP Operation

DBS Double-Burst-Stimulation

DUR20% Zeit bis zu 20% Erholung Pet endexspiratorischer

Druck

ED95 Einzeldosis, die zu 95% PTC Post-Tetanic-Count

Blockade führt

EKG Elektrokardiogramm RSI Rapid-Sequence-

EMG Elektromyographie Induction

sek Sekunden

GCRP Good Clinical Research Tab. Tabelle

Practice TCI Target controlled

infusion

Hz Hertz TOF Train-of-Four

T1/25 Zeit bis 25% Erholung

ID Innendurchmesser vom 1. Twitch

T1/75 Zeit bis 75% Erholung

kg Kilogramm vom 1. Twitch

K+ Kalium T1/90 Zeit bis 90% Erholung

vom 1. Twitch

61

9. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Mivacurium-Summenformel C58H80N2O14+2 11

Abbildung 2: neuromuskuläre Übertragung an der

motorischen Endplatte 12

Abbildung 3: Blockade der α-Untereinheit 13

Abbildung 4: Verlauf der neuromuskulären Blockade 25

Abbildung 5: Nerv-Muskeleinheit am Musculus adductor pollicis 26

Abbildung 6: Nerv-Muskeleinheit am Musculus flexor hallucis

brevis 27

Abbildung 7: Akzeleromyogramm des Musculus adductor pollicis 28

Abbildung 8: Akzeleromyogramm des Musculus flexor hallucis

brevis 29

Abbildung 9: Bland-Altman-Diagramm Lagtime 35

Abbildung 10: Bland-Altman-Diagramm Onset-time 35

Abbildung 11: Bland-Altman-Diagramm T1/25 37

Abbildung 12: Bland-Altman-Diagramm T1/75 37

Abbildung 13: Bland-Altman-Diagramm T1/90 38

Abbildung 14: Bland-Altman-Diagramm TOF-Ratio 0,7 38

Abbildung 15: Bland-Altman-Diagramm TOF-Ratio 0,9 39

62

10. Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Demographische Daten (Median, Q1/Q3) 32

Tabelle 2: OP-Indikationen 33

Tabelle 3 OP-Verfahren 33

Tabelle 4 OP-Zeiten 34

Tabelle 5: Anschlagszeiten MAP vs. MFHB 34

Tabelle 6: Wilcoxon-Test der Erholungszeiten am MAP

und MFHB 36

63

11. Bewilligung des Ethikantrages

64

12. Danksagung

Herrn Prof. Dr. med. J. Schmidt danke ich für die Überlassung des Themas,

für die sehr gute Zusammenarbeit, die Einweisung in die Monitoringeinheit

sowie für die vielen wertvollen Anregungen und die Korrektur des

Manuskriptes.

Frau Dr. med. Andrea Irouschek und Herrn Dr. med. Sebastian Heinrich

danke ich für die die freundliche Betreuung bei den Messungen sowie den

Vor- und Nachbereitungen der Studie.

Herrn PD Dr. med. T. Birkholz danke ich für die konstruktive Kritik bei der

Erstellung des Manuskriptes.

Herrn Prof. Dr. med. Dr. h. c. J. Schüttler gilt mein Dank für die

Arbeitsmöglichkeiten an seiner Klinik.

65

13. Lebenslauf

Persönliche Daten:

Name: Mathias Fischer

Geburtsdatum: 29.03.1974

Geburtsort: Holzminden

Familienstand: verheiratet mit Gesa Anders-

Fischer

Kinder: Lillian Kate

Yannick Bennet

Aenna Rachel

Sophie Therese

Anschrift: Böhmlach 56

91058 Erlangen

Eltern: Karl-Heinz Fischer,

Diplom-Ingenieur

Ok-Ja Fischer, geb. Kim,

Krankenschwester

Schulbildung:

1980 - 1984 Grundschule Negenborn

1985 - 1986 Orientierungsstufe Holzminden

1987 - 1993 Campe-Gymnasium Holzminden

1993 Abitur

Hochschulbildung:

04/1996 – 11/2003 Studium der Humanmedizin

an der Georg-August-Universität

Göttingen

66

Praktisches Jahr:

10/2002 – 02/2003 Zentrum für Anästhesiologie,

Rettungs- und Intensivmedizin

02/2003 – 06/2003 Zentrum Innere Medizin,

Abteilung Gastroentero- und

Endokrinologie

06/2003 – 10/2003 Zentrum Chirurgie,

Abteilung Unfallchirurgie,

Plastische und

Wiederherstellungschirurgie

Examina:

03/1998 Ärztliche Vorprüfung

03/1999 I. Staatsexamen

03/2001 II. Staatsexamen

11/2003 III. Staatsexamen

Beruflicher Werdegang:

01.03. - 31.09.2004 Arzt im Praktikum in der

Abteilung für Anästhesie am

Evangelischen Krankenhaus

Göttingen-Weende,

01.10.2004 – 30.06.2007 Assistenzarzt in der

Abteilung für Anästhesie am

Evangelischen Krankenhaus

Göttingen-Weende,

67

01.07.2007 – 05.12.2010 Assistenzarzt an der

Klinik für Anästhesiologie der

Friedrich-Alexander-Universität

Erlangen-Nürnberg

seit 06.12.2010 Facharzt an der

Klinik für Anästhesiologie der

Friedrich-Alexander-Universität

Erlangen-Nürnberg