Verhaltenstherapie beim Störungsbild Depression · Mit dem Vortrag soll das Verständnis für...

29
Verhaltenstherapie beim Störungsbild Depression Depressionen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen weltweit. In diesem Vortrag werden mögliche Ursachen und die entsprechenden Behandlungsansätze erläutert. Was geschieht in einer Psychotherapie? Anhand einer psychotherapeutischen Methode (kognitive Verhaltenstherapie) wird beispielhaft aufgezeigt, wie die Psychotherapie bei einer depressiven Erkrankung verlaufen kann. Mit dem Vortrag soll das Verständnis für Betroffene und Angehörige verbessert werden, aber auch die mögliche Angst vor der Psychotherapie abgebaut werden. Herzlich willkommen beim Dienstagsreferat!

Transcript of Verhaltenstherapie beim Störungsbild Depression · Mit dem Vortrag soll das Verständnis für...

Verhaltenstherapie beim Störungsbild Depression

Depressionen zählen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen weltweit. In

diesem Vortrag werden mögliche Ursachen und die entsprechenden

Behandlungsansätze erläutert.

Was geschieht in einer Psychotherapie? Anhand einer psychotherapeutischen

Methode (kognitive Verhaltenstherapie) wird beispielhaft aufgezeigt, wie die

Psychotherapie bei einer depressiven Erkrankung verlaufen kann. Mit dem Vortrag

soll das Verständnis für Betroffene und Angehörige verbessert werden, aber auch

die mögliche Angst vor der Psychotherapie abgebaut werden.

Herzlich willkommen beim Dienstagsreferat!

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 2

Agenda

• Begrüssung

• Fakten und Zahlen

• Definition

• Diagnostik

• Psychotherapie oder Medikament?

• Behandlungsphasen

• Behandlung mit kognitiver Verhaltenstherapie KVT

• Therapieabschluss

• Praktische Unterstützung

• Fragen / Diskussion

• Literatur-Quellen

• Nützliche Adressen

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 3

Fakten und Zahlen - Verbreitung

Wie viele Personen litten zum Zeitpunkt einer

Befragung (2002 resp. 2007) an einer Depression?

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 4

Fakten und Zahlen - Verbreitung

Die Wahrscheinlichkeit,

im Laufe des Lebens

eine Depression zu

erleiden, liegt bei bis zu

12% für Männer und bis

zu 26% für Frauen. Das

heisst, jede 4. Frau oder

jeder 8. Mann erkrankt

im Laufe des Lebens an

einer Depression. Damit

ist Depression eine der

häufigsten psychischen

Erkrankungen.

(Hautzinger, 1998)

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 5

Fakten und Zahlen – Verlauf und Risikofaktoren

Verlauf

• Grosse interindividuelle Variabilität

• ¾ aller Depressionen klingen innerhalb von 6 Monaten wieder ab

• Ca. 50% aller Episoden weisen sogar nur eine Länge von 3 Monaten auf

Risikofaktoren

• Geschlecht: Frauen stärker betroffen

• Sozial: getrennte, geschiedene und Personen ohne soziale Kontakte

• Ökonomische Faktoren: sichere berufliche Anstellung und ländlich-klein-

städtische Umgebung als protektive Faktoren

• Stressreiche Belastungen: gehäuft belastende Lebensereignisse im Vorfeld

• Familie: Angehörige 1. Grads haben 20% Erkrankungsrisiko

Quelle: Hautzinger (1998)

Fakten und Zahlen – Prognose

• Grosse interindividuelle Variabilität

• Hälfte bis 2/3 der PatientInnen soweit gebessert, dass sie ihre gewohnte

Leistungsfähigkeit wieder besitzen

• Phase ohne Rückfall von 5 Jahren bei 42% aller PatientInnen

• Chronifizierungen sind beschrieben

• Achtung Suizid-Gefahr: ca. 15% der depressiv Erkrankten nehmen sich das

Leben

Quelle: Hautzinger (1998)

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 6

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 7

Definition – was gilt als Depression?

Das Vorhandensein und der Schweregrad einer Depression wird aufgrund

international anerkannter Klassifikationen bestimmt: ICD-10 (Weltgesundheits-

organisation) und DSM-IV (Amerikanischer Psychiatrie-Verband).

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 8

Definition- Kriterien der ICD-10 (2005):

Leicht: Insgesamt mindestens 4 der Symptome (1) bis (10),

darunter mindestens 2 der Symptome (1) bis (3)

Mittelschwer: Insgesamt mindestens 6 der Symptome (1) bis (10),

darunter mindestens 2 der Symptome (1) bis (3)

Schwer: Insgesamt mindestens 8 der Symptome (1) bis (10),

darunter alle 3 der Symptome (1), (2) und (3) Abbildung Quelle: ICD-10 (2005)

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 9

Definition - Somatisches Syndrom einer Depressiven Episode

Mindestens vier Merkmale aus (1) bis (8)

1. Deutlicher Verlust von Interesse oder Freude an Aktivitäten, die normalerweise

angenehm sind

2. Mangelnde Fähigkeit, emotional auf Ereignisse oder Aktivitäten zu reagieren, auf

die normalerweise eine emotionale Reaktion erfolgt

3. Frühmorgendliches Erwachen zwei Stunden oder mehr vor der gewohnten Zeit

4. Morgentief der Depression

5. Objektive Hinweise für ausgeprägte psychomotorische Hemmung oder

Agitiertheit (von anderen bemerkt oder berichtet)

6. Deutlicher Appetitverlust

7. Gewichtsverlust (5% oder mehr im vergangenen Monat)

8. Deutlicher Libidoverlust

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 10

Diagnostik - Selbstbeurteilung

BDI Beck Depressions-Inventar – Abbildung aus Urheberrechts-Gründen

entfernt

Quelle: Hautzinger, Keller & Kühner (2006)

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 11

Diagnostik - Fremdbeurteilung

Hamilton Depression Scale HAMDI - Abbildung aus Urheberrechts-Gründen

entfernt

Psychotherapie oder Medikament?

• Schwere Depression mit somatischem Syndrom: medikamentöse Behandlung

(zu Beginn mglw. Monotherapie)

• Mittelschwere Depression: Psychotherapie mit / ohne Antidepressivum

(Kombinationstherapie)

• Leichte Depression: Psychotherapie (eher ohne Antidepressivum)

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 12

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 13

Behandlungsphase I

Akuttherapie

(6 bis 12 Wochen)

• Abhängig vom Schweregrad der Depression: Psychotherapie und

/ oder medikamentöse Therapie

• Ziel: Besserung und Abklingen der akuten Beschwerden,

„Therapie-Fähigkeit“

Akutphase

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 14

Behandlungsphase I

Erhaltungstherapie

(3 bis 6 Monate)

• Psychotherapie und / oder medikamentöse Therapie

• Ziel: auslösende und aufrechterhaltende Faktoren der Depression

identifizieren, Herausarbeiten von Schlüsselproblemen, neue

Verhaltensmuster erlernen und festigen, Aktivierung, Stabilisierung

Stabilisierungsphase

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 15

Behandlungsphase III

Rückfallvorbeugung

• Psychotherapie und / oder medikamentöse Therapie

• Ziel: Verhinderung von Rückfällen

• Um ein neue Episode nach der Remission zu verhindern, kann im

Einzelfall eine längere Rückfallvorbeugungstherapie sinnvoll

sein.

Rückfallprophylaxe

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 16

Individuelles Erklärungsmodell

• Organisch

• Verhalten

• Konkrete Gedanken

• Einstellungen / Haltungen

• Gefühle

• Körperbezug

• „Sinn“

• Beziehung

• Lebenswelt

• „Relikt“

Kognitive Verhaltenstherapie

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 17

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 18

Behandlung mit Kognitiver Verhaltenstherapie KVT

Grundlage Kognitive Verhaltenstherapie

Denken

Handeln Fühlen

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 19

Behandlung mit KVT

Ziel der Kognitiven Verhaltenstherapie

Depressive abwärtsgerichtete Spirale

stoppen

Durch aufwärtsgerichtete Denk- und

Verhaltensmuster ersetzen

Quelle: Hautzinger (1998)

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 20

Behandlung mit KVT

Dysfunktionale

kognitive

Schemata

• Realitätsverzerrung: Welt, Person, Zukunft = negativ

• Therapeutisch wichtig: Automatisierte kognitiven Verarbeitungen

sind hoch überlernt und schwer wahrnehmbar

Kognitive

depressionsför-

dernde Strukturen

• Generalisierung der Abwertung

• Hohe Standards (Perfektionismus)

• Leistungsstreben / Leistungsorientierung

• Kontrollbedürfnis / Verantwortlichkeit

• Personalisierung

• Unerfüllbare Wünsche („radikale Akzeptanz“)

Negative Kognitionen / Grundüberzeugungen lösen die depressiven Symptome aus

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 21

Behandlung mit KVT

Mangel an positiver

Verstärkung • positive Verstärkung depressionsauslösend

• Langes Ausbleiben Löschung

• Depressive Muster in sozialen Kontakt Rückzug andere

Nichtkontrolle

und

erlernte Hilflosigkeit

• nicht kontrollierbar Apathie und Resignation Hilflosigkeit

Kognitive

Verarbeitung der

Hilflosigkeit

• Kausalattribution = depressionsfördernd

• Attributionsmuster: Erfolge Extern / Misserfolge Intern

Die Depression auslösende resp. die Depression aufrecht erhaltende Muster

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 22

Behandlung mit KVT

Wie geht das?

Grundvoraussetzung

Therapeutin

• Wertschätzung

• Einfühlungsvermögen

• Echtheit

Wichtig in Therapie

• Schlüsselprobleme

erkennen / benennen

• Hausaufgaben

• Zusammenfassung

Inputs durch Therapeutin

• Aktivitätsaufbau

• Soziale Kompetenzen

verbessern

• Kommunikation

verbessern

Wichtigstes Element: Sokratischer Fragestil

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 23

Behandlung mit KVT

Fazit Kognitive Methoden

Ziel

• Klarheit über eigene Verarbeitung von Gedanken und

die damit verbundenen dysfunktionalen Schemata

Ablauf

• Negative Gedanken ermitteln und protokollieren

• Situation, Gedanken und damit verbundenes Gefühl aufnehmen

Wichtig

• Änderung kognitiver Muster = lange dauernder Prozess

Therapieabschluss

• Stimmung verbessert

• Negative kognitive Gedanken / Haltungen besprochen und durch hilfreiche,

selbstwertstärkende Gedanken und Einstellungen ersetzt

• Neue Verhaltensweisen erlernt / im Alltag implementiert

• Aktivitäten aufgebaut

• Wissen um Alarmzeichen (Frühwarnsystem)

• Booster-Sitzung (zur Auffrischung) abmachen

• BDI / HMDI- Fragebogen zur objektiven Überprüfung (niedere Werte)

• Besprechung der Antidepressiva: ausschleichen (langsames Reduzieren) der

Medikamente mit Hausarzt / Hausärztin möglich

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 24

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 25

Praktische Unterstützung

Für Betroffene

• Helfen Sie mit, Geduld aufzubringen

• Kleine Schritte bringen Erfolg

• Geben Sie Unterstützung zur Einhaltung der Therapie und zur regelmässigen

Medikamenteneinnahme

• Offenheit / Verständnis / Gespräche anbieten

• Sanfter Druck, etwas gemeinsam zu unternehmen

Für Angehörige

• Wenn nötig, für sich selbst Hilfe beanspruchen

• Austausch mit Betroffenen (Selbsthilfegruppe)

• Soziale Kontakte aufrechterhalten

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 26

Fragen / Diskussion

? ! ? ! ? !

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 27

Literatur-Quellen

CIPS (Hrsg.) (1996). Internationale Skalen für Psychiatrie (4., überarbeitete und

erweiterte Auflage). Göttingen: Beltz Test.

Hamilton, M. (1960). A Rating Scale for Depression. J. Neurol. Neurosurg. Psychiat.

23, 56-62

Hautzinger, M. (1998). Depression. Fortschritte der Psychotherapie. Göttingen:

Hogrefe.

Hautzinger, M., Keller, F. & Kühner, C. (2006). Beck Depressions-Inventar (BDI-II).

Revision. Frankfurt/Main: Harcourt Test Services.

Hell, D. (2007). Was stimmt? Depression. Die wichtigsten Antworten. Freiburg i.B.:

Herder.

Schuler, D. & Burla, L. (2012). Psychische Gesundheit in der Schweiz. Monitoring

2012 (Obsan Bericht 52). Neuchatel: Schweizerisches

Gesundheitsobservatorium.

Weltgesundheitsorganisation (2005). Internationale Klassifikation psychischer

Störungen, 10. Revision (ICD-10 – deutsche Ausgabe). Bern: Hans Huber.

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 28

Nützliche Adressen

siehe aufliegende Informationen nach der Veranstaltung

Unsere eigene Internetseite: www.psych.ch

www.vaskostschweiz.ch

VASK Vereinigung der Angehörigen psychisch Kranker

www.promentesana.ch

Schweizerische Stiftung pro mente sana …und viele mehr.

Übrigens: Unser Café im Ambulatorium ist nachmittags geöffnet für alle

BesucherInnen

02.04.2014 St.Gallische Psychiatrie-Dienste Süd Seite 29

Dankeschön!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

M.Sc. Simone Hobi