Verkehr und Kommunikation – eine...

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12 Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Verkehr und Kommunikation Verkehr und Kommunikation – eine Einführung Jürgen Deiters, Peter Gräf und Günter Löffler Im Mittelalter fielen Wohn- und Ar- beitsstätte noch häufig zusammen, wäh- rend die Versorgung der Familien mit nicht selbst erzeugten Produkten durch den Handel das Aufsuchen lokaler Märkte erforderte; oder der fahrende Händler oder Hausierer brachte die Wa- ren an die Haustür. Die lokalen Händ- ler ihrerseits bezogen verschiedene Wa- ren nicht aus der Region, sondern über Kaufleute mit einem breiten Spektrum an Waren, Halbprodukten oder Roh- stoffen aus dem Fernhandel. Während Freizeit und Erholung beim überwiegenden Teil der Bevölkerung noch kaum eine Rolle spielten, erfor- derte der Besuch der Lateinschule (Bil- dung) ebenfalls das Zurücklegen eines (Schul-)Weges. Im lokalen Aktions- raum dieser Zeit wurden alle Wege überwiegend zu Fuß zurückgelegt. Im Fernhandel und bei Reisen wurden Lasttiere und Pferde- oder Ochsenge- spanne im Verkehr über Land sowie Schiffe zum Befahren von Flüssen, ers- ten Kanälen und der Meere verwendet (A Bild 1). Die Neuzeit suchte nach neuen Mög- lichkeiten der Fortbewegung. In einigen von Leonardo da Vincis technischen Visionen spiegelt sich bereits der Wunsch der Menschen nach schnelle- ren und bequemeren Transportmitteln wider, wie im Fall der ca. 1510 entwor- fenen „Luftschraube” (A Bild 2). Bis zu ihrer Realisierung dauerte es jedoch be- kanntlich noch mehrere Jahrhunderte. Erst mit Erfindung und Weiterentwick- lung der Dampfmaschine bis zur techni- schen Reife durch James Watt (1781) wurde der entscheidende Schritt vollzo- gen, dem zahlreiche Erfindungen folg- ten, die in nur zwei Jahrhunderten zur völligen Umgestaltung der Verkehrs- und Kommunikationsbedingungen in der Welt führten. Mit der Industrialisierung und den Anforderungen an den Transport von Massengütern erlebte der Schiffsverkehr einen enormen Aufschwung. Der Aus- und Neubau von Kanälen sowie von Schleusenanlagen in Flüssen und deren Regulierungen sind dafür kennzeich- nend. Durch den 1895 eröffneten Kai- ser-Wilhelm-Kanal zwischen Brunsbüt- tel und Kiel (heute Nord-Ostsee-Kanal) verkürzte sich der Seeweg zwischen Nord- und Ostsee erheblich. Mit Erfin- dung der Eisenbahn und dem Ausbau des Streckennetzes wurden schienenge- bundene Massentransporte auch auf dem Landweg möglich. Durch den Aus- bau des Fernstraßennetzes seit den zwanziger Jahren gewinnt auch der Stra- ßenverkehr allmählich an Bedeutung für den Gütertransport. Mit der Ent- wicklung von Luftschiff (1900) (A Bild 5) und Motorflugzeug (1901) wurden zwar schon früh die Vorausset- zungen für den Luftverkehr geschaffen, doch erreichte die zivile Nutzung des Luftverkehrs erst in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts Trans- portleistungen, die auch das Flugzeug zum Massentransportmittel werden lie- ßen. Der Personenverkehr gewann eben- falls seit dem 19. Jahrhundert ständig an Bedeutung. Kamen die ersten in der Textil- und Schwerindustrie benötigten Arbeitskräfte noch aus den Standortre- gionen, erfolgte die Zuwanderung in die rasch wachsenden Städte in der Hoch- phase auch aus weiter entfernten Ge- bieten. Während hier die Eisenbahnen mit ihren Fernverbindungen die wach- sende Nachfrage befriedigten (A Bild 7), erforderte die zunehmende Verstädte- rung und die Ausdehnung der Städte innerörtliche Transportmittel zur Über- windung der Wege. So verdoppelte sich beispielsweise zwischen 1890 und 1900 das Straßenbahnnetz (A Bild 6) in den Großstädten des Deutschen Reiches. Ei- senbahn- und Straßenbahnlinien wur- den zum Grundgerüst der Stadtentwick- lung und der Siedlungstätigkeit im Um- land. In etwa zeitgleich mit der steigenden Nutzung von Lastkraftwagen zur Er- schließung der Fläche im Gütertrans- port setzte sich der Personenkraftwagen (Pkw) als individuelles Transportmittel durch (A Bild 4). Mit der Entwicklung eines vergleichsweise preiswerten Pkw durch Ferdinand Porsche (1935, Proto- typ des VW-Käfers) wurde der Grund- stein für den Autobesitz breiter Bevöl- kerungsschichten gelegt. Doch erst nach dem Zusammenbruch Deutsch- lands 1945 fand mit dem Wiederaufbau in der Bundesrepublik eine rasante Auf- Verkehr und Kommunikation in historischer Perspektive Verkehr und Kommunikation waren und sind ein wesentliches Element im menschlichen Dasein und Zusammenle- ben. Bereits in frühen Sammler- und Jä- gergesellschaften diente die Kommuni- kation der Koordination und Organisa- tion des täglichen Lebens innerhalb der Familienverbände. Bei sporadischen Kontakten einzelner Gruppen waren Absprachen und Regelungen notwen- dig, um Konflikte weitgehend zu ver- meiden. Der Erfahrungsaustausch zwi- schen ihnen bildete eine wesentliche Basis der Entwicklung. So wurden Nachrichten und Informationen von Gruppe zu Gruppe verbreitet. Innova- tionen und neue Technologien – wie der Anbau von Getreide oder später die Herstellung und Verarbeitung von Bronze – breiteten sich durch Verkehr und Kommunikation über Länder und Kontinente aus. Die mündliche Über- tragung und Verbreitung von Nachrich- ten über aktuelle Ereignisse ist aus der Antike überliefert. 490 v. Chr. verkün- dete ein Bote in Athen die Nachricht vom Sieg des Miltiades über die Perser in dem 42,2 km entfernten Marathon, bevor er vor Anstrengung tot zusam- menbrach. 2 3 1 4

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12Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Verkehr und Kommunikation

Verkehr und Kommunikation – eine EinführungJürgen Deiters, Peter Gräf und Günter Löffler

Im Mittelalter fielen Wohn- und Ar-beitsstätte noch häufig zusammen, wäh-rend die Versorgung der Familien mitnicht selbst erzeugten Produkten durchden Handel das Aufsuchen lokalerMärkte erforderte; oder der fahrendeHändler oder Hausierer brachte die Wa-ren an die Haustür. Die lokalen Händ-ler ihrerseits bezogen verschiedene Wa-ren nicht aus der Region, sondern überKaufleute mit einem breiten Spektruman Waren, Halbprodukten oder Roh-stoffen aus dem Fernhandel.

Während Freizeit und Erholung beimüberwiegenden Teil der Bevölkerungnoch kaum eine Rolle spielten, erfor-derte der Besuch der Lateinschule (Bil-dung) ebenfalls das Zurücklegen eines(Schul-)Weges. Im lokalen Aktions-raum dieser Zeit wurden alle Wegeüberwiegend zu Fuß zurückgelegt. ImFernhandel und bei Reisen wurdenLasttiere und Pferde- oder Ochsenge-spanne im Verkehr über Land sowieSchiffe zum Befahren von Flüssen, ers-ten Kanälen und der Meere verwendet(A Bild 1).

Die Neuzeit suchte nach neuen Mög-lichkeiten der Fortbewegung. In einigenvon Leonardo da Vincis technischenVisionen spiegelt sich bereits derWunsch der Menschen nach schnelle-ren und bequemeren Transportmittelnwider, wie im Fall der ca. 1510 entwor-fenen „Luftschraube” (A Bild 2). Bis zuihrer Realisierung dauerte es jedoch be-kanntlich noch mehrere Jahrhunderte.Erst mit Erfindung und Weiterentwick-lung der Dampfmaschine bis zur techni-schen Reife durch James Watt (1781)wurde der entscheidende Schritt vollzo-gen, dem zahlreiche Erfindungen folg-ten, die in nur zwei Jahrhunderten zurvölligen Umgestaltung der Verkehrs-und Kommunikationsbedingungen inder Welt führten.

Mit der Industrialisierung und denAnforderungen an den Transport vonMassengütern erlebte der Schiffsverkehreinen enormen Aufschwung. Der Aus-und Neubau von Kanälen sowie vonSchleusenanlagen in Flüssen und derenRegulierungen sind dafür kennzeich-nend. Durch den 1895 eröffneten Kai-ser-Wilhelm-Kanal zwischen Brunsbüt-tel und Kiel (heute Nord-Ostsee-Kanal)verkürzte sich der Seeweg zwischenNord- und Ostsee erheblich. Mit Erfin-dung der Eisenbahn und dem Ausbaudes Streckennetzes wurden schienenge-bundene Massentransporte auch aufdem Landweg möglich. Durch den Aus-bau des Fernstraßennetzes seit denzwanziger Jahren gewinnt auch der Stra-ßenverkehr allmählich an Bedeutungfür den Gütertransport. Mit der Ent-wicklung von Luftschiff (1900)(A Bild 5) und Motorflugzeug (1901)

wurden zwar schon früh die Vorausset-zungen für den Luftverkehr geschaffen,doch erreichte die zivile Nutzung desLuftverkehrs erst in der zweiten Hälftedes vergangenen Jahrhunderts Trans-portleistungen, die auch das Flugzeugzum Massentransportmittel werden lie-ßen.

Der Personenverkehr gewann eben-falls seit dem 19. Jahrhundert ständigan Bedeutung. Kamen die ersten in derTextil- und Schwerindustrie benötigtenArbeitskräfte noch aus den Standortre-gionen, erfolgte die Zuwanderung in dierasch wachsenden Städte in der Hoch-phase auch aus weiter entfernten Ge-bieten. Während hier die Eisenbahnenmit ihren Fernverbindungen die wach-sende Nachfrage befriedigten (A Bild 7),erforderte die zunehmende Verstädte-rung und die Ausdehnung der Städteinnerörtliche Transportmittel zur Über-

windung der Wege. So verdoppelte sichbeispielsweise zwischen 1890 und 1900das Straßenbahnnetz (A Bild 6) in denGroßstädten des Deutschen Reiches. Ei-senbahn- und Straßenbahnlinien wur-den zum Grundgerüst der Stadtentwick-lung und der Siedlungstätigkeit im Um-land.

In etwa zeitgleich mit der steigendenNutzung von Lastkraftwagen zur Er-schließung der Fläche im Gütertrans-port setzte sich der Personenkraftwagen(Pkw) als individuelles Transportmitteldurch (A Bild 4). Mit der Entwicklungeines vergleichsweise preiswerten Pkwdurch Ferdinand Porsche (1935, Proto-typ des VW-Käfers) wurde der Grund-stein für den Autobesitz breiter Bevöl-kerungsschichten gelegt. Doch erstnach dem Zusammenbruch Deutsch-lands 1945 fand mit dem Wiederaufbauin der Bundesrepublik eine rasante Auf-

Verkehr und Kommunikation inhistorischer PerspektiveVerkehr und Kommunikation warenund sind ein wesentliches Element immenschlichen Dasein und Zusammenle-ben. Bereits in frühen Sammler- und Jä-gergesellschaften diente die Kommuni-kation der Koordination und Organisa-tion des täglichen Lebens innerhalb derFamilienverbände. Bei sporadischenKontakten einzelner Gruppen warenAbsprachen und Regelungen notwen-dig, um Konflikte weitgehend zu ver-meiden. Der Erfahrungsaustausch zwi-schen ihnen bildete eine wesentlicheBasis der Entwicklung. So wurdenNachrichten und Informationen vonGruppe zu Gruppe verbreitet. Innova-tionen und neue Technologien – wieder Anbau von Getreide oder später dieHerstellung und Verarbeitung vonBronze – breiteten sich durch Verkehrund Kommunikation über Länder undKontinente aus. Die mündliche Über-tragung und Verbreitung von Nachrich-ten über aktuelle Ereignisse ist aus derAntike überliefert. 490 v. Chr. verkün-dete ein Bote in Athen die Nachrichtvom Sieg des Miltiades über die Perserin dem 42,2 km entfernten Marathon,bevor er vor Anstrengung tot zusam-menbrach.

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13Verkehr und Kommunikation – eine Einführung

Wichtige Daten zur Entwicklung

1689 baut Denis Papin einen Dampfmotor, der die Springbrunnen des Kurfürsten vonHessen betreiben soll, jedoch platzt ständig die Steigleitung

1705 Die Engländer Thomas Savery und John Cawley konstruieren die erste sicher funk-tionierende Dampfpumpe

1709 erfindet der Brasilianer Bartholomeu Lourenço de Gusmão den ersten Heißluftbal-lon

1769 baut der Franzose Joseph Cugnot einen Straßendampfwagen1781 bringt James Watt die Dampfmaschine zur technischen Reife1801 installiert der Brite Richard Trevithick eine Hochdruckdampfmaschine in einer Kut-

sche. Der Wagen kann mehrere Personen mit 15 km/h befördern.1803 Die erste Dampflokomotive, ebenfalls von Trevithick gebaut, fährt auf Eisenschie-

nen1808 geht das erste Dampfschiff der Welt zwischen New York und Albany in Betrieb1825 wird zwischen Stockton und Darlington die erste Eisenbahnlinie für den Personen-

verkehr eröffnet1833 richten die Göttinger Professoren Carl Friedrich Gauß und Wilhelm Eduard Weber

den ersten elektrischen Telegraphen ein1835 erste Eisenbahn in Deutschland von Nürnberg nach Fürth1850 ca. erstes Hochrad und 1879 erstes Niederrad1852 fährt der französische Luftfahrtpionier Henri Giffard mit seinem selbstgebauten

Luftschiff 27 km weit1863 wird die Londoner U-Bahn in Betrieb genommen1876 Nikolaus August Otto baut den ersten Viertaktmotor1876 Alexander Bell hält in Schottland die erste Telefonkonferenz ab1879 führt Werner Siemens in Berlin die erste elektrische Lokomotive vor, die ihre Ener-

gie statt aus einer mitgeführten Batterie aus einer Stromschiene bezieht1883 entwickelt Wilhelm Maybach den ersten schnelllaufenden Benzinmotor (Daimler-

Motor)1884 fährt in Richmond (Virginia, USA) die erste Straßenbahn mit Oberleitung1885 Gottlieb Daimler meldet seinen “Reitwagen” mit einer “Gas- oder Petroleum-

Kraftmaschine” an, das zugleich das erste Motorrad der Welt ist1886 erste Benzinautos von Maybach/Daimler und Benz1889 erste automatische Telefonvermittlung in Kansas City1894 sendet der Italiener Guglielmo Marconi als Erster Funksignale1894 unternimmt Otto Lilienthal seinen ersten Gleitflug1894 wird das erste Turbinenschiff fertiggestellt1897 stellt Rudolf Diesel seinen Motor vor1900 Ferdinand Graf von Zeppelin schickt sein Luftschiff auf Jungfernfahrt1901 erster Motorflug von Gustave Whitehead1901 Autos von Daimler und Porsche in Serienfertigung1903 erster gelenkter Motorflug von Kitty Hawk1905 in Berlin verkehren die ersten Kraftomnibusse von Büssing1906 Der Amerikaner Lee de Forest unternimmt erste Versuche mit der Übertragung von

Sprache und Musik (Radio)1912 Die Preußisch-Hessische Staatsbahn nimmt die erste Diesellokomotive in Betrieb1921 In Berlin wird mit dem AVUS (Automobilverkehrs- und –übungsstraße) der Vorläu-

fer aller Autobahnen eröffnet (heute A115)1923 MAN stellt den ersten Lkw mit Dieselmotor vor1927 Lindberghs Non-Stop-Flug Paris-New York1928 erste Fernsehgeräte von Jahn Baird1928 erfindet der Brite Frank Whittle das erste Düsentriebwerk1933 Der „Volksempfänger“ wird in Deutschland eingeführt1935 erster VW „Käfer“1947 erster Überschall-Flug1950 liefert Grundig die ersten in Serie gefertigten UKW-Empfänger der Welt1954 erstes Transistorradio der amerikanischen Fa. Regency1959 gehen die Hovercraft-Boote in Betrieb1960 erster Nachrichtensatellit im All1961 stellt IBM Deutschland ein Verfahren zur Datenübertragung via Telefonleitung vor1963 geht in Japan mit dem Shinkansen der erste Hochgeschwindigkeitszug in Betrieb.

Er erreicht planmäßig 210 km/h1966 Der US-Wissenschaftler Charles Kao verwendet erstmals ein Glasfaserkabel zur

Übermittlung von Telefongesprächen1969 Die Air France nimmt den Passagiertransport mit Überschall mit der Concorde auf1971 Krauss-Maffei unternimmt Versuche mit einer Magnetschwebebahn1975 ca. unternimmt die italienische Staatsbahn Versuche mit Neigetechnik-Zügen (Pen-

dolino)1979 Einführung der Telefaxbenutzung in der Bundesrepublik Deutschland1981 Inbetriebnahme des planmäßigen TGV-Verkehrs zwischen Paris und Lyon bzw. Genf1991 Beginn des Hochgeschwindigkeitsverkehrs in Deutschland1995 Mit dem Markteintritt von großen Online-Providern (T-Online, AOL, etc.) wird das

Internet kommerzialisiert und somit jedermann zugänglich

(Nach: PATURI, F. (1988): Chronik der Technik; Dortmund. © Chronik-Verlag in der Haren-berg Kommunikation Verlags- und Mediengesellschaft mbH & Co KG, Dortmund)

wärtsentwicklung des motorisierten In-dividualverkehrs statt. Das politischeSystem der DDR setzte in diesem TeilDeutschlands andere Rahmenbedingun-gen für die Verkehrsentwicklung.

Mit der Sesshaftigkeit und zuneh-menden Differenzierung menschlicherGesellschaften fielen deren Grundfunk-tionen bzw. -bedürfnisse Wohnen, Ar-beiten, Versorgung, Bildung und Erho-lung räumlich immer stärker auseinan-der und erforderten zu ihrer Ausübungbzw. Wahrnehmung in wachsendemUmfang Verkehr. Nicht nur die Mobili-tät der Menschen, sondern auch die derGüter und Nachrichten nahm beständigzu. Regelmäßige Verkehrsvorgänge zwi-schen den verschiedenen Funktions-standorten bestimmen heute den indivi-duellen Aktionsraum eines Menschen.

Nach Überwindung des Leitbildes derautogerechten Stadt in den siebzigerJahren hat die Verkehrsforschung inDeutschland den nichtmotorisierten Indi-vidualverkehr (Wege zu Fuß oder mitdem Fahrrad) wieder entdeckt. Seitdemgeht man – gestützt auf empirische Be-funde – von einer gewissen Verhaltens-konstanz der Verkehrsmobilität aus, wo-nach Personen für sog. außerhäusige RRRRR

A Albrecht Dürer “Auf dem Main bei Sulzfeld” am 16. Juli 15202 Helikopter mit spiralförmiger Luftschraube von Leonardo da Vinci (1486-1490)3 Otto von Lilienthal im Flug mit einem seiner Doppeldecker-Segler um 18954 Benz Patent-Motorwagen, am Steuer Karl Benz mit Josef Brecht um 18875 Werbeplakat der Luftschiffbau Zeppelin GmbH (1932-1935)6 Berlin, Potsdamer Brücke und Potsdamer Straße um 19107 Ausbesserungswerk Potsdam um 1895

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14Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Verkehr und Kommunikation

Aktivitäten im Durchschnitt drei Wegepro Tag zurücklegen und dafür – unab-hängig vom Verkehrsmittel bzw. von derVerkehrsart – durchschnittlich eineStunde aufwenden. Mit wachsendemWohlstand (Zunahme der privaten Mo-torisierung) und technischem Fort-schritt (Verkehrsbeschleunigung)schreitet die Trennung der Standortezur Wahrnehmung menschlicherGrundbedürfnisse immer weiter fort;ihre Verteilungsmuster im Raum wer-den dabei immer komplexer. Angesichtsimmer größerer Reichweiten z.B. vonWochenendausflügen ist der Begriff derNaherholung mittlerweile obsolet ge-worden. An die Stelle der – als Pla-nungsleitbild wieder beschworenen –„Stadt der kurzen Wege“ sind verstäd-terte Landschaften mit Tendenzen zur„Auflösung der Stadt“ (HESSE/SCHMITZ

1998) getreten.

Verkehrsinfrastruktur undRaumentwicklungDie räumliche Mobilität ist an Verkehrs-wege als Bestandteil der im Wesentli-chen linienhaft ausgeprägten Verkehrs-infrastruktur gebunden. Ausnahmen bil-den der See- und Luftverkehr. Aber auchhier existieren mehr oder weniger festge-legte Korridore oder Routen für die Ver-bindung zwischen Quell- und Zielorten(AA Beiträge Mayr, S. 82, und Nuhn, S.96). Damit spannt die Verkehrsinfra-struktur ein Netz von Verbindungslinienzwischen Standorten im Raum (Knoten-punkten), auf denen sich Personen, Wa-ren und Nachrichten bewegen bzw. be-wegt werden. Anlage und Ausbau sol-cher Netze sind eng an die Entwicklungund den Einsatz neuer Verkehrstechnolo-gien und an die Nachfrage nach Trans-port- bzw. Beförderungsleistungen derverschiedenen Verkehrsträger gebunden.

Heute gilt eine großräumig bedeutsameVerkehrsinfrastruktur als wichtige Vor-aussetzung für die regionale Wirt-schaftsentwicklung. Der Ausbau „trans-europäischer Verkehrsnetze“ soll dazubeitragen, die regionalen Disparitätenin Europa zu verringern und die Kohäsi-on in der EU zu fördern (AA BeitragLemke u.a., S. 42). Es besteht aber auchdie Gefahr, dass das in den peripherenRegionen noch vorhandene endogeneEntwicklungspotenzial von den Wirt-schaftszentren aufgesogen wird. Zu die-ser Frage hatte es in Deutschland An-fang der achtziger Jahre eine heftige,von LUTTER (1980) ausgelöste Kontro-verse um die Auswirkungen des Auto-bahnbaus in strukturschwachen ländli-chen Räumen gegeben, die noch heutenachwirkt.

Doch spielt die These vom wirt-schaftlichen Wachstum durch eine guteVerkehrsinfrastruktur seit der Wieder-vereinigung wieder eine wichtige Rolle.Der rasche Auf- und Ausbau der überre-gionalen Verkehrsverbindungen zwi-schen West- und Ostdeutschland und

die Beseitigung sonstiger Engpässe inden Verkehrsnetzen sollen die Wirt-schaftsansiedlung in den neuen Ländernund damit den „Aufschwung Ost“ för-dern. Anhand empirischer Untersu-chungen in den neuen Ländern für denZeitraum 1991 bis 1995 konnte tatsäch-lich belegt werden, dass Standorte anden Verkehrsachsen bzw. mit kurzenFahrzeiten zu Verkehrsanbindungenmehr gewerbliche Investitionen auf sichgezogen haben als andere verkehrsferneStandortbereiche. Hierbei nimmt dieNähe zu Autobahnanschlüssen eineherausragende Stellung ein (LASCHKE

1998).Die Ausgestaltung der Verkehrsnetze,

der Ausbauzustand und die Kapazität derStrecken und Knotenpunkte haben unterder Zielsetzung einer Beschleunigung desVerkehrs durch den Ausbau der Infra-struktur entscheidenden Einfluss auf dieLagegunst bzw. -ungunst von Räumen(AA Beitrag Schürmann u.a., S. 124). Re-gionale Unterschiede der Erreichbarkeitinnerhalb einzelner Verkehrssysteme ge-ben daher einen Hinweis auf spezifische

Chemnitz

Dresden

Leipzig

BerlinPotsdam

München

Stuttgart

Karlsruhe

Lu.

Heidelberg

Mannheim

Saarbrücken

Offenbach

FrankfurtWiesbaden

Bonn

KölnAachen

Mönchen-gladbach

Düss.

Bielefeld

Hannover

Hamburg

Bremen

Hagen

Hamm

Dortmund

Krefeld

DuisburgEssen

MülheimBochum

Gel.BottropOberhausen

Herne

Darmstadt

Leverkusen

RemscheidSolingen

Fürth Nürnberg

Erlangen

StaatsgrenzeLändergrenzeKreisgrenze

140 bis <170120 bis <140100 bis <12080 bis <10060 bis < 80

< 60

Kernstadt(nach Bundesamt für Bauwesen undRaumordnung)

ErreichbarkeitMittlere Fahrzeiten

zu den nächsten3 Agglomerations-

räumenin Minuten

>170_

Erreichbarkeit von Agglomerationsräumenim Pkw-Verkehr 1998

nach Kreisen

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000 Maßstab 1: 6000000

25 750 50 100 km

Autoren: BBR,Atlasredaktion

Chemnitz

Dresden

Leipzig

Berlin

Fürth Nürnberg

Erlangen

Potsdam

München

Stuttgart

Karlsruhe

Lu.

Heidelberg

Mannheim

Saarbrücken

Offenbach

FrankfurtWiesbaden

Bonn

KölnAachen

Mönchen-gladbach

Düss.

Bielefeld

Hannover

Hamburg

Bremen

Hagen

Hamm

Dortmund

Krefeld

DuisburgEssen

MülheimBochum

Gel.BottropOberhausen

Herne

Darmstadt

Leverkusen

RemscheidSolingen

Autoren: BBR,Atlasredaktion

Erreichbarkeit von Agglomerationsräumenim Schienenverkehr 1998

nach Kreisen

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000 Maßstab 1: 6000000

25 750 50 100 km

StaatsgrenzeLändergrenzeKreisgrenze

140 bis <170120 bis <140100 bis <12080 bis <10060 bis < 80

< 60

Kernstadt(nach Bundesamt für Bauwesen undRaumordnung)

ErreichbarkeitMittlere Fahrzeiten

zu den nächsten3 Agglomerations-

räumenin Minuten

>170_

A B

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15Verkehr und Kommunikation – eine Einführung

Standortnachteile und Ausbauerforder-nisse der Verkehrsinfrastruktur. Be-stimmt man die Lagegunst bzw. -ungunstder Kreise und kreisfreien Städte inDeutschland Mitte der neunziger Jahreanhand der durchschnittlichen Reisezeitzu den drei jeweils nächstgelegenen Ag-

glomerationsräumen mit dem Pkw einer-seits und der Bahn andererseits, so zeigensich beträchtliche Unterschiede im Bun-desgebiet A 2. Während die Agglome-rationen in Nordwestdeutschland, imRheinland und im Oberrheingebiet zu-meist in einer Stunde zu erreichen sind,benötigt man in den peripheren Regio-nen an der Außengrenze der Bundesre-publik, vor allem aber im Nordosten(Mecklenburg-Vorpommern) und in denGrenzräumen der ehemaligen DDR, diedoppelte bis dreifache Reisezeit.

Die größeren räumlichen Unterschie-de in der Erreichbarkeit der Bahn recht-fertigen den vorrangigen Ausbau desSchienennetzes, zumal der Schienenver-kehr auch als umweltverträglichere Al-ternative zum Straßenverkehr besonde-re Förderung verdient. Die Erreichbar-keit innerhalb bestehender und geplan-ter Verkehrsnetze kann daher auch alsKriterium für Investitionsentscheidun-gen im Verkehrswegebau herangezogenwerden. Der Vergleich der Schienen-und Straßenprojekte im Rahmen der„Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“(AA Beitrag Holzhauser/Steinbach, S.128) ist ein Beispiel dafür. Im Hinblickauf die Verkehrsmittelwahl (Verlage-rung von der Straße auf die Schiene

usw.) hat die Infrastrukturpolitik als rei-ne Angebotspolitik jedoch nur eine ge-ringe Steuerungswirkung.

Der Ausbau der Verkehrsinfrastrukturin der Bundesrepublik Deutschland lässtsich gut anhand der Brutto-Anlageinves-titionen nachvollziehen 3. Betrachtet

man den Mitteleinsatz für Verkehrsan-lagen zwischen 1950 und 1990 in derfrüheren Bundesrepublik, wird die Do-minanz des Straßenbaus besonders deut-lich. Bereits 1960 kommt mit 56%mehr als die Hälfte der Investitionen inVerkehrswege und Umschlagplätze demStraßenverkehr zugute; um 1970 lagdieser Anteil bereits bei über 70%.Während 1950 die Investitionen in dieVerkehrswege der Eisenbahnen und S-Bahnen mit knapp 34% dem Volumenfür Bau und Erhalt von Straßen undBrücken (35%) entsprachen, ging derAnteil der Bahn bis 1990 auf 13% derBrutto-Anlageinvestitionen zurück. Erstnach 1990 steigt der Anteil der Bahndurch die Investitionen vor allem inden neuen Ländern wiederdeutlich an(1995: 24%, 1998: 20%). Der Anteilder Investitionen in Wasserstraßen undBinnenhäfen (AA Beitrag Nuhn, S. 36)halbierte sich in etwa zwischen 1950und 1990 und nahm auch nach 1990nicht wieder zu. Relativ am stärkstensind die Investitionen in Flughäfen von1,4% (1950) auf 9,6% (1990, alte Län-der) angewachsen.

Die räumliche Differenzierung derNetzdichte der Bundesfernstraßen 4spiegelt im Wesentlichen die Verteilung

der Bevölkerungsdichte im Bundesge-biet wider (AA Beitrag: Deutschland aufeinen Blick, S. 10). Auf dieser Ver-gleichsebene bestehen offensicht- RRRRR

Flughafen Wasserstraße undBinnenhafen

Eisenbahn,S-Bahn

Straße undBrücke

Jahr

in %

* bis 1990 nur alte Länder ohne Saarland und W-Berlin

0

10

20

30

40

50

60

70

1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1991 1995 1998

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Brutto-Anlageinvestitionen 1950-1998*

Kiel

SchwerinHamburg

BERLIN

PotsdamMagdeburg

DresdenErfurt

München

Stuttgart

Wiesbaden

Mainz

Düsseldorf

Bremen

Hannover

Saarbrücken

MainzBERLIN

StaatsgrenzeLändergrenzeKreisgrenze

0,35 bis < 0,500,25 bis < 0,350,18 bis < 0,250,14 bis < 0,18

0,10 bis < 0,14< 0,10

Dichte derFernstraßen

in km/km²BundeshauptstadtLandeshauptstadt

> 0,50_

Autor: Atlasredaktion

Dichte des Fernstraßennetzes 1998nach Kreisen

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000 Maßstab 1: 6000000

25 750 50 100 km

C

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16Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Verkehr und Kommunikation

lich keine Defizite in den neuen Län-dern. Bemerkenswert hingegen sind dieräumlichen Unterschiede der Fahrleis-tungsdichte im Straßennetz 5. Es zeigtsich nämlich, dass die Verkehrsbelas-tungen (Fahrzeugkilometer je km²) inden ostdeutschen Kernstädten und ver-dichteten Umlandbereichen deutlichniedriger sind als in den alten Ländern.Die Verkehrsprobleme ostdeutscherGroßstädte resultieren also nicht ausdem zu hohen Verkehrsaufkommen (das

ist in westdeutschen Großstadtregionenungleich höher), sondern aus der man-gelnden Aufnahmefähigkeit des vor-handenen Straßennetzes, auf dem sichnicht selten Straßenbahn und Kraftfahr-zeuge gegenseitig behindern.

Den Knotenpunkten der Netzekommt in ihrer Funktion als Umschlag-platz und „Schnittstellen“ verschiede-ner Verkehrsträger bzw. Verkehrssyste-me heute eine entscheidende Bedeu-tung zu. Für den Personenverkehr haben

die Bahnhöfe und Flughäfen eine Neu-bewertung erfahren; im Güterverkehrstellen die neuen Umschlagbahnhöfeder DB, die Güterverkehrszentren, pri-vatwirtschaftliche Distributionslagerund Logistikzentren wichtige Standort-potenziale dar. Dienten solche Um-schlagplätze ursprünglich allein demWechsel zwischen den Verkehrsartenoder dem Eintritt in das Verkehrsnetz,erweitert sich heute zunehmend ihrFunktionsspektrum. Bahnhöfe werdenim Rahmen von notwendigen Sanierun-gen und Umbauten zu Einkaufs-, Erleb-nis- und Kommunikationszentren(AA Beitrag Baumgärtner, S. 46). Fürden Geschäftsreiseverkehr werden anwichtigen Knotenpunkten des Eisen-bahn-Fernverkehrs Sitzungs- und Be-sprechungsräume vorgehalten. Das An-gebot an Waren und Dienstleistungenin den neuen Bahnhöfen stellt nichtmehr allein auf den Bedarf der Reisen-den ab. Durch die Breite des Einzelhan-dels- und Dienstleistungsangebotes imneuen Bahnhof steht dieser nunmehr inKonkurrenz zur Innenstadt, wie das Bei-spiel Leipzig belegt.

Mit der Einführung neuer und der Re-organisation bestehender Systeme ver-ändert sich das Standortnetz der Um-schlagplätze im Güterverkehr grundle-gend. Im Schienenverkehr wurden dieherkömmlichen Güterbahnhöfe weitge-hend aufgelassen; die Revitalisierungder brach gefallenen Verkehrsflächeneröffnet interessante städtebaulicheEntwicklungsmöglichkeiten. Um demsinkenden Transportaufkommen imSchienengüterverkehr entgegenzuwir-ken, weisen die verbliebenen knapp 40Umschlagbahnhöfe der DB AG einbreites Spektrum der Umschlagsformenund Verknüpfungsmöglichkeiten auf(AA Beitrag Juchelka, S. 48). Das Stand-ortnetz der DB wird durch Umschlag-einrichtungen privater Betreiber er-gänzt. Idealerweise bilden Umschlag-bahnhof und Güterverkehrszentrumeine integrierte Standorteinheit, umausgehende Sendungen mit dem Lkwfür den Schienenverkehr zu bündelnund eingehende Sendungen zur weite-ren Verteilung in der Region von derBahn auf den Lkw umzuschlagen. Alledazu notwendigen Leistungen der Sor-tierung, Zwischenlagerung und Fahrten-disposition (Logistik) sind in solchenEinrichtungen zu erbringen. AlsSchnittstellen des Fern- und Nahver-kehrs mit dem Ziel, den innerstädti-schen Lieferverkehr so umweltverträg-lich wie möglich zu gestalten, habensich Organisationskonzepte der Stadt-Logistik bewährt (AA Beitrag Eberl/Klein, S. 104).

Das seit Mitte der achtziger Jahre imAufbau befindliche Netz von Güterver-kehrszentren soll die Verlagerung desGütertransports von der Straße auf dieSchiene – unter bestimmten Vorausset-zungen auch auf die Binnenschifffahrt –fördern, wenngleich der kombinierteVerkehr bisher nur in geringem Umfangzur Entlastung des Straßengüterverkehrsbeitragen konnte (AA Beitrag Deiters, S.

98). Doch gewinnen Güterverkehrszen-tren zunehmend an Bedeutung für dieStandortwahl von Verkehrs- und Logi-stikunternehmen in Stadtregionen undtragen auf diese Weise zur Standortkon-zentration der Transportwirtschaft(Zentralitätseffekt) in einem weitma-schigen Netz der „logistischen Knoten-punkte“ bei (AA Beitrag Nobel, S. 50).Der Stückguttransport der Bahn spieltdagegen kaum noch eine Rolle. Er wirdmittlerweile überwiegend per Lkw abge-wickelt. Der Paketdienst ist ebenfallsseit einigen Jahren weitgehend von derBahn abgekoppelt. Hier sind inzwischenPostfracht- und Briefzentren errichtetworden und private Unternehmen ent-standen, die eigene Distributionsnetzeaufspannen (AA Beitrag Juchelka,S. 52).

Verbunden mit dem Konzentrations-prozess und der Internationalisierung imBereich der Speditions- und Logistikun-ternehmen kommt es im Straßengüter-verkehr ebenfalls zur Herausbildungneuer, weitmaschigerer Standortnetze.Die verbleibenden Anbieter überneh-men zunehmend weitere Dienstleistun-gen im Umfeld des reinen Gütertrans-ports (AA Beitrag Bertram, S. 102). Ins-besondere im Bereich der Distributions-logistik des Handels haben in den letz-ten Jahren tiefgreifende Veränderungenstattgefunden. Neben der Herausbil-dung weitmaschiger Standortnetze beider Lagerhaltung übertragen Handels-unternehmen unter Ausnutzung ihrerMarktposition diese Aufgabe weitge-hend auf die Produzenten, von denendie termingerechte Anlieferung derHandelsgüter in die Verkaufsstätten ge-fordert wird. Zahlreiche Hersteller neh-men aufgrund dieser Entwicklung daherverstärkt die Dienstleistungen vonLogistikanbietern zur Abwicklung derLagerhaltung und Warendistribution inAnspruch.

Nach der klassischen Einteilung inden Nah- und Fernverkehr zeigen sichin der Entwicklung der Verkehrsinfra-struktur zwei grundlegende Tendenzen.Zum einen werden die Verbindungslini-en zwischen den Verdichtungsräumenweiter ausgebaut, um die Reise- undTransportkapazitäten zu erhöhen undden Zeitaufwand im interregionalenVerkehr (Fernverkehr) zu verringern.Dabei sollten die verschiedenen Ver-kehrsträger bei weiteren Infrastruktur-planungen im Sinne einer nachhaltigenEntwicklung berücksichtigt werden.Zum anderen werden im intraregiona-len Verkehr (Nahverkehr) in den Ver-dichtungsräumen eine Entzerrung undeine gleichmäßige Auslastung der ver-kehrlichen Infrastruktur angestrebt.

Im Personenverkehr kommt hier demAusbau des öffentlichen Personennah-verkehrs (ÖPNV) mit einem attrakti-ven Angebot eine besondere Bedeutungzu. In der „Fläche“, d.h. außerhalb derVerdichtungsräume und der überregio-nalen Verkehrskorridore, ist auch in derZukunft auf ein in qualitativer undquantitativer Hinsicht ausreichendesAngebot an Verkehrsinfrastruktur bzw.

Kiel

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PotsdamMagdeburg

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MainzBERLIN

StaatsgrenzeLändergrenzeKreisgrenze

5,0 bis <10,03,0 bis < 5,02,0 bis < 3,01,2 bis < 2,0

0,8 bis < 1,2< 0,8

Fahrleistungsdichtein Mio. Kfz-km/km²

BundeshauptstadtLandeshauptstadt

>10,0_

Autoren: BBR,Atlasredaktion

Fahrleistungsdichte 1995nach Kreisen

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000 Maßstab 1: 6000000

25 750 50 100 km

Umschlagzentrum in Bremen

E

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17Verkehr und Kommunikation – eine Einführung

* einschließlich motorisierte Zweiräder

zu Fuß

PkwPkwPkw

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zu Fußzu Fußzu Fuß

ÖPNV

Fahrrad*

Fahrrad*

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Verkehrsmittelwahl derstädtischen Bevölkerung

1972-1997BRD/alte Länder

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© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Verkehrsleistungen zu achten, um dieErreichbarkeit lokaler und regionalerZentren und die Anbindung an denüberregionalen Verkehr zu gewährlei-sten. Dem ÖPNV kommt in diesenRäumen vor allem die Aufgabe zur, dieMobilität derjenigen Bevölkerungsgrup-pen zu sichern, die nicht ständig übereinen Pkw verfügen können.

Im Gegensatz zum physischen Trans-port von Gütern spielen bei der lei-tungsgebundenen Übertragung von Da-ten und Informationen die tatsächli-chen Übertragungswege nur eine nach-geordnete Rolle. Hier werden jeweils„freie“ Netzkanten oder -segmente aus-reichender Kapazität – häufig unter In-kaufnahme größerer Umwege – genutzt,um eine rasche Übertragung zwischenbestimmten Knoten im Netz zu gewähr-leisten. Daher sind die Netzknoten alsAnfangs- und Endpunkte des Daten-und Informationstransfers sowie die Ka-pazitäten der Verbindungen von ent-scheidender Bedeutung. Die für die lei-tungsunabhängige Übertragung imFunkverkehr notwendige Infrastrukturwurde in den neunziger Jahren nahezuflächendeckend durch die verschiede-nen Anbieter aufgebaut. Diese Entwick-lung zeigt, dass im Zuge neuer technolo-gischer Entwicklungen und ihrer Markt-akzeptanz benötigte Kapazitäten inner-halb kürzester Zeiträume geschaffenwerden (AA Beitrag Rauh, S. 56).

Verkehrsmobilität – Strukturenund EntwicklungstendenzenMobilität und die Strukturveränderun-gen im PersonenverkehrDie Zunahme der Zahl der Autofahrtenund die immer länger werdenden Wege,die mit dem Auto zurückgelegt werden,sind lange Zeit von Verkehrsplanern alsZuwachs an Mobilität, d.h. als Gewinnan individueller Dispositionsfreiheit

und Beweglichkeit interpretiert worden.In der einseitigen Ausrichtung auf denmotorisierten Verkehr wird der Mobili-tätsbegriff aber zu eng gefasst. „Mobili-tät“ ist die Fähigkeit, möglichst vieleZiele für verschiedene Zwecke (Arbeit,Ausbildung, Einkaufen, Erholung) ineiner bestimmten Zeit zu erreichen.Mobilität ist also die Gesamtheit alleraktivitätsbezogenen Ortsveränderungenbzw. zurückgelegten Wege von Perso-nen, unabhängig von der Wegelängeund der Art der Fortbewegung (s. DEI-TERS 1992). Wenngleich die Verkehrs-mittelwahl (Modal Split) eng mit derSiedlungsstruktur und dem jeweiligenVerkehrssystem zusammenhängt, ver-weist die große Variabilität auf regiona-ler Ebene auf weitere Einflussfaktoren,wozu auch und vor allem die kommuna-le Verkehrspolitik gehört (AA BeitragLötscher u.a., S. 58).

Mobilität zeichnet sich in der obigenBegriffsfassung durch eine bemerkens-werte Verhaltenskonstanz aus. Die An-zahl der durchschnittlich pro Personund Tag zurückgelegten Wege wie auchder durchschnittliche Zeitaufwand imVerkehr sind seit Ende der siebzigerJahre nahezu unverändert geblieben.Innerhalb dieses Verhaltensrahmensvollzogen sich jedoch erhebliche ver-kehrsstrukturelle Wandlungen, indemlangsamere Fortbewegungsarten bzw.Verkehrsmittel (zu Fuß, Fahrrad) suk-zessive durch schnellere ersetzt wur-den. Von 1976 bis 1989 erhöhte sichder Pkw-Anteil im Berufsverkehr von57 auf 65%, im Einkaufsverkehr sogarvon 33 auf 41% (BMVBW 1999,S. 214 f.). Nach der Vereinigung legteder Pkw im Berufsverkehr um noch-mals 5 Prozentpunkte, im Einkaufsver-kehr um 3 Prozentpunkte zu – beigleichzeitiger Entfernungszunahme derPendler- und Einkaufsfahrten

(AA Beiträge Bade/Spiekermann, S. 78,und Henschel u.a., S. 74).

Die wachsende private Motorisierungund Pkw-Verfügbarkeit in Deutschland(AA Beitrag Lötscher u.a., S. 62) gehteinher mit einer Auflockerung derSiedlungsweise, der Herausbildung au-toorientierter Lebensstile in der Flächeund einer beträchtlichen Ausweitunggroßstädtischer Funktionsräume. DieseEntwicklung spiegelt sich in den regio-nalen Unterschieden der Pkw-Fahrleis-tung (AA Beitrag Motzkus, S. 64), aberauch in den Kosten der Pkw-Haltungwider, soweit diese – wie bei den Regio-nalklassen der Haftpflichtversicherung– von der Siedlungsstruktur und der ge-

bietsspezifischen Fahrweise abhängen(AA Beitrag Lambrecht, S. 66). Im länd-lichen Raum sind den Bemühungen,umweltverträgliche Alternativen zurPkw-Nutzung anzubieten, im Allgemei-nen enge Grenzen gesetzt (AA BeitragPez, S. 72). Für landschaftlich reizvolle,touristisch attraktive Gebiete ist dieseine besonders wichtige Aufgabe, sollennicht die wirtschaftlichen Grundlagendurch den wachsenden Freizeitverkehr

zerstört werden (AA Beitrag Lanzendorf,S. 80).

Die Motorisierungswelle in Ost-deutschlandSeit der Wende in der ehemaligen DDRim November 1989 und ihrem Beitrittzur Bundesrepublik Deutschland habensich die Verkehrsstrukturen in den neu-en Ländern tiefgreifend verändert. Be-sonders rasch vollzog sich die Anglei-chung Ostdeutschlands an die Verhält-nisse im alten Bundesgebiet im Bereichdes Personenverkehrs. Die Entwicklungist gekennzeichnet durch ein beispiello-ses Wachstum der privaten Motorisie-rung und massive Fahrgastverluste RRRRR

Eisenbahn öffentlicherStraßenpersonenverkehr

motorisierterIndividualverkehr

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Alte Länder1980-1993

DDR/neue Länder1980-1993

Deutschland1991-1998

Anteile an der Verkehrsleistung im Personenverkehr

© Institut für Länderkunde, Leipzig 1999

Pkw bzw. Kombije 1000 Einwohner600

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Jahr

DDR/neue Länder

alte Länder

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Entwicklung der privatenMotorisierung 1970-1998

München – U-Bahn

F

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18Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Verkehr und Kommunikation

im öffentlichen Personennahverkehr(ÖPNV). Dennoch zeigt sich derÖPNV in den meisten ostdeutschenStädten im Vergleich zu Westdeutsch-land noch gut behauptet (AA BeitragDeiters, S. 68) 6.

Der Motorisierungsgrad in der DDRhatte 1989 mit 237 Pkw je 1000 Ein-wohner einen Stand wie in der Bundes-republik Anfang der siebziger Jahre er-reicht (1971: 247 Pkw/Kombi je 1000Einwohner). Die Entwicklung der Ver-kehrsmittelwahl der städtischen Bevöl-kerung in West- und Ostdeutschlandzeigt, dass die Mobilitätsstruktur in derDDR Ende der achtziger Jahre derjeni-gen der Bundesrepublik 1972 ähnlichwar 8. Hohen Anteilen an zu Fuß zu-rückgelegten Wegen (40%) und ÖPNV-Fahrten (17 bzw. 24%) standen relativniedrige Anteilswerte der Pkw-Nutzung(31 bzw. 25%) gegenüber (DEITERS

2000).Zu Beginn des Transformationsprozes-

ses wurde angesichts des hohen Pkw-Anteils der städtischen Verkehrsmobili-tät in Westdeutschland (1992: 48%),der vom Pkw-Besitz breiter Bevölke-rungsschichten getragenen Ausweitungder Städte in den suburbanen Raum undder bekannten Folgelasten des Autover-kehrs eine besondere Chance für eineumweltverträglichere, autoreduzierteMobilität in der völlig anderen Aus-gangssituation der DDR-Gesellschaftund der Stadtstruktur mit kompakterBebauung ohne nennenswerte Suburba-nisierung gesehen, die durch Fortent-wicklung verkehrssparsamer Siedlungs-strukturen stabilisiert und gestärkt wer-den sollte.

Doch erwies es sich schon bald als Il-lusion, Fehlentwicklungen in den altenLändern durch eine alternative Ver-kehrsentwicklung in den neuen Län-dern vermeiden zu wollen. Eine Motori-sierungswelle führte dazu, dass in nurfünf Jahren nach der Wende der privatePkw-Besatz in den neuen Ländern einNiveau erreicht hatte, das sich im altenBundesgebiet – ausgehend vom Ver-gleichswert 1970/71 – erst nach 15 Jah-ren eingestellt hatte 7. Ende der neun-ziger Jahre verfügt die Bevölkerung inden neuen Ländern über eine Pkw-Aus-stattung, wie sie in der früheren Bun-desrepublik im Wendejahr 1989 be-stand. Auf Arbeitnehmer-Haushaltemit mittlerem Einkommen bezogen istder Pkw-Besatz schon jetzt höher als inden alten Ländern (98 im Vergleich zu96 je 100 Haushalte; StBA 1998). Inkeinem anderen Bereich haben sich dieLebensverhältnisse in beiden TeilenDeutschlands so rasch einander angegli-chen.

Die räumlichen Verteilungsmusterder privaten Motorisierung und der

Fahrleistungsdichte in den neuen Län-dern sind – von Niveauunterschiedenabgesehen – denen der alten Länderähnlich 9. Großstädte weisen geringe-re Motorisierungsgrade auf als derenUmlandbereiche und die ländlich ge-prägten Räume. Hinsichtlich des Indi-kators Fahrzeugkilometer je km² fälltauf, dass das Straßennetz in den neuenLändern im Vergleich zum alten Bun-desgebiet in allen Gebietstypen und vorallem in den Agglomerationsräumengeringere Belastungswerte aufweist. Ver-kehrsprobleme in den ostdeutschenStädten beruhen also im Wesentlichenauf qualitativen Mängeln des Straßen-netzes und der Lichtsignalanlagen.

Das Schaubild 9 zeigt ein weiteresFolgeproblem des rasanten Aufholpro-zesses bei der privaten Motorisierung.Die Anzahl der im Straßenverkehr Ge-töteten (je 100.000 Einwohner) lag inden neuen Ländern 1995 – trotz einesüberdurchschnittlichen Rückgangs seit1991 – noch um 70% über dem Niveauder alten Länder. Auch hier sind dieraumstrukturellen Unterschiede in bei-den Teilen Deutschlands ähnlich. Be-sonders betroffen sind die ländlichstrukturierten Gebiete. Auf dem Höhe-punkt der Motorisierungswelle 1990/91hatte sich die Anzahl der Verkehrstotengegenüber dem Durchschnitt der achtzi-ger Jahre (DDR) mehr als verdoppelt.Bezogen auf die jeweilige Gesamtfahr-leistung der Kraftfahrzeuge war das Tö-tungsrisiko im Straßenverkehr in denneuen Ländern 3,5mal höher als in denalten Ländern. Mecklenburg-Vorpom-mern und Brandenburg nehmen in die-ser Hinsicht auch im europäischen Ver-gleich noch immer eine traurige Spit-zenposition ein (s. unten).

Untersuchungen zur Alltagsmobili-tät in Ostdeutschland bestätigen dieThese, dass es sich bei der raschen Mo-torisierung um eine „nachholende Ent-wicklung“ handelt, die nur wenigSpielraum für alternative Verkehrskon-zepte bietet. FLIEGNER (1998, S. 126)kommt auf Grund von Haushaltsbefra-gungen in einem innenstadtnahenWohnquartier von Halle zu demSchluss, dass schon zu DDR-Zeiten„eine hohe subjektive Bereitschaft fürden Automobilismus“ bestand. Die pri-vate Motorisierung in West- und Ost-deutschland hätte sich annäherndgleich entwickelt, wenn es auch in derDDR einen funktionierenden Marktfür Kraftfahrzeuge bei entsprechenderKaufkraft der Bevölkerung gegebenhätte. Der sprunghaft angestiegene Au-tobesitz nach 1989 ist besonders aufeine „nachholende Motorisierung derFrauen“ zurückzuführen, vor allem der-jenigen, die nach 1989 den Führer-schein erworben haben (FLIEGNER 1998,

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Indikatoren zum Straßenverkehr nach siedlungsstrukturellen GebietstypenIntensität der Straßennutzung

Veränderung 1990-1995Alte Länder Neue Länder

1995Alte Länder Neue Länder

Private MotorisierungVeränderung 1991-1996

Alte Länder Neue Länder Alte Länder Neue Länder1996

VerkehrsunfälleVeränderung 1991-1995

Alte LänderNeueLänder

Alte Länder NeueLänder

1995

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Kernstadt

hochverdichteter Kreis

verdichteter Kreis

ländlicher Kreis

AgglomerationsräumeRegionen mit großen Verdichtungsräumen

Kernstadt

verdichteter Kreis

ländlicher Kreis

Verstädterte RäumeRegionen mit Verdichtungsansätzen

ländlicher Kreis höherer Dichte

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Alte Länder Neue Länder Alte Länder Neue Länder

Alte Länder Neue Länder Alte Länder Neue Länder

Frauen

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Führerscheinbesitz Pkw-Verfügbarkeit

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Führerscheinbesitz und Pkw-Verfügbarkeit 1991Alte und neue Länder nach Geschlecht und Alter

niegelegentlichständig

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19Verkehr und Kommunikation – eine Einführung

S. 125). Denn mehr als die Hälfte derFrauen, denen 1994 ein Auto gehörte,hatten dieses nach 1989 angeschafft.

Das verweist auf Zusammenhängezwischen Führerscheinbesitz und Pkw-Verfügbarkeit, die aus der früheren Ent-wicklung der privaten Motorisierung inder Bundesrepublik bekannt sind (vgl.DEITERS 1992). Seit Mitte der siebzigerJahre war festzustellen, dass der Anteilder Führerscheinbesitzer in den Alters-gruppen bis 30 Jahre vor allem bei denFrauen beständig zunahm, weil hiernoch immer Nachholbedarf gegenüberden stärker autoorientierten Männernbestand. Der Führerscheinbesitz ist einstarker Antrieb, baldmöglichst selbstüber einen Pkw verfügen zu können.Solange diese Aspekte vernachlässigtwurden, fielen die Prognosen zum künf-tigen Pkw-Bestand stets zu niedrig aus.Wie das Schaubild J zeigt, besteht alsoim Vergleich zum früheren Bundesge-biet in den neuen Ländern hinsichtlichFührerscheinbesitz und Pkw-Verfügbar-keit vor allem bei den Frauen noch er-heblicher Nachholbedarf.

Bahnreform und die Regionalisierungdes ÖPNVMit der Bahnreform und der Regionali-sierung des öffentlichen Personennah-verkehrs wurden die wettbewerbsrecht-lichen Vorgaben der Europäischen Uni-on in Deutschland umgesetzt (vgl. DEI-TERS 1999). Die Vereinigung und privat-rechtliche Umstrukturierung der Eisen-bahnen in beiden Teilen Deutschlands(Deutsche Bundesbahn, DeutscheReichsbahn) und deren Entschuldungdurch den Bund führten 1994 zur Bil-dung der Deutschen Bahn AG (DBAG) mit den Geschäftsbereichen Fern-verkehr, Nahverkehr, Netz, Güterver-kehr und Personenbahnhöfe. Diese wur-den am 1.1.1999 ausgegliedert und bil-den als DB Reise & Touristik AG, DBRegio AG, DB Netz AG, DB Cargo AGund DB Station & Service AG recht-lich selbstständige Aktiengesellschaftenunter dem Dach der DB AG als Hol-ding bzw. Muttergesellschaft.

Grundlage für die Bahnreform ist dieEWG-Richtlinie 91/440 von 1991, wo-nach die europäischen Staatsbahnen ineine privatrechtliche Organisationsformzu überführen sind, um sie von staatli-chen und politischen Vorgaben unab-hängig zu machen. Kern dieser Reformist der „diskriminierungsfreie Zugang“aller europäischen Eisenbahnunterneh-men zum gesamteuropäischen Schie-nennetz auf der Basis eines fairen Tras-senpreissystems. Den zweiten wettbe-werbspolitischen Eckpfeiler der EU bil-det die EWG-Verordnung 1893/91(Neufassung der VO 1191/69), wonachfür gemeinwirtschaftliche Verkehre das„Bestellerprinzip“ gilt: Verkehrsleistun-gen, die nicht kostendeckend (eigen-wirtschaftlich) zu erbringen sind, aberaus Gründen der Daseinsvorsorge oderdes Umweltschutzes vom Staat oder voneiner Gebietskörperschaft verlangt wer-den, müssen öffentlich ausgeschriebenund entsprechend bezahlt werden.

Durch das Regionalisierungsgesetz von1993 ging die Zuständigkeit für denSchienenpersonennahverkehr (SPNV)vom Bund auf die Länder über; der übri-ge, straßengebundene öffentliche Perso-nennahverkehr (mit U-Bahnen, Stadt-bahnen, Straßenbahnen und Bussen)wird durch das 1993 geänderte Perso-nenbeförderungsgesetz geregelt. DieLänder haben daraufhin Nahverkehrs-gesetze erlassen, in denen die Aufga-benträgerschaft für den SPNV und denübrigen ÖPNV im einzelnen festgelegtist. Seit 1996 erhalten die Länder nacheinem bestimmten Verteilungsschlüsseldie zur Weiterführung des Schienenver-kehrs erforderlichen Mittel des Bundes(1999: 12,4 Mrd. DM). Die Schrittevon der Bahnreform über die Regionali-sierung des ÖPNV zur Bündelung derVerantwortung für den gesamten öffent-lichen Nahverkehr auf regionaler Ebenezeigt Abbildung K.

In Deutschland hat die Bahnreformeinen erheblichen Innovationsschub zu-gunsten des SPNV in der Fläche (d.h.abseits der Ballungsräume) ausgelöst.

Die Sanierung von Strecken und dieModernisierung von Stationen, der Ein-satz neu entwickelter attraktiver Schie-nenfahrzeuge, die Erhöhung der Reise-geschwindigkeit und die Verdichtungsowie Vertaktung des Fahrtenangeboteshaben seit 1993 zu teilweise erhebli-chen Fahrgastzuwächsen geführt, die indiesem Ausmaß kaum für möglich ge-halten wurden. Bereits stillgelegteStrecken werden inzwischen wieder imPersonenverkehr bedient.

Die Deutsche Bahn AG erbrachte imFahrplanjahr 1997/98 Mehrleistungenvon nahezu 50 Millionen Zugkilome-tern gegenüber 1993/94 (Status-quo-Fahrplan); das entspricht einer Steige-rung von 10% in nur vier Jahren seitder Bahnreform. Wie Karte L zeigt,lassen sich die Zuwächse in den Län-dern weder auf das jeweilige Ausgangs-niveau (Zugleistungen pro Einwohner)noch auf die unterschiedlichen Rege-lungen der SPNV-Verantwortung (aufLandes- oder auf kommunaler Ebene)zurückführen. Die Erhöhung des SPNV-Angebots ist vielmehr das Ergebnis ver-

Bahnstrukturreform und Regionalisierungdes ÖPNV

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Bahnstrukturreform (1994)

keine gemeinwirtschaftlichen AufgabenFahrleistungen durch öffentliche Aufträge

(Bestellerprinzip)

Entschuldung der BahnNetzinvestitionen durch den Bund

Trennung von Fahrweg und BetriebÖffnung des Netzes für Dritte

Vereinigung von DB und DRUmwandlung in AG

Regionalisierung des ÖPNV (1996)

Übertragung der Verantwortung auf dieregionalen Gebietskörperschaften

(Aufgabenträger)

Übertragung der Finanzmittel für den SPNVauf die Länder (Regionalisierungsgesetz)

Änderung des Konzessionsrechts(Personenbeförderungsgesetz)

4,6%

Sachsen

Brandenburg

Thüringen

Sachsen-Anhalt

Hessen

Baden-Württemberg

SaarlandRheinland-

Pfalz

Nordrhein-Westfalen

Mecklenburg-Vorpommern

Schleswig-Holstein

Bayern

Berlin

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Bremen

Niedersachsen

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Zusätzliche Zugleistungen der DB AG seit der Bahnreform

Autor: J.Deiters

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Status-Quo-Fahrplan 1993/94

Maßstab 1: 6000000

25 750 50 100 km

Zugleistungin km je Einw.

7 bis 12,56 bis < 75 bis < 63 bis < 5

SPNV*-Verantwortung

dauerhaft auf Landesebenevorläufig auf LandesebeneÖffnungsklauseln zur späteren Übertragung auf Kommunenauf kommunaler Ebene (i.d.R. Zweckverbände)Hamburg hat kein Nahverkehrsgesetz erlassen; dienotwendigen Regelungen werden innerbehördlich getroffen

Fahrleistungen im SPNV*in Mio. Zugkm

50

0

Fahrplan1993/94

(Status quo)

Fahrplan1997/98

Bundesdurchschnitt 5,95zusätzliche Zugleistungin %15%

* Schienenpersonennahverkehr

kehrspolitischer Grundentscheidungender Länder (wie in Rheinland-Pfalz,Bayern oder Brandenburg) sowie beson-derer Voraussetzungen und Initiativenauf regionaler Ebene. Die landesweiteUmsetzung des DB-Konzepts „IntegralerTaktfahrplan“ in Rheinland-Pfalz nachdem Vorbild „Bahn 2000“ der Schweizist ein Musterbeispiel dafür, wie Bahn-reform und Regionalisierung überkom-mene Bahnstrukturen überwinden unddem SPNV in der Fläche ganz neueMarktchancen eröffnen konnten (KU-CHENBECKER/SPECK 1998). Die für die Jah-re 1994 bis 1998 erwartete Nachfrage-steigerung im Schienenverkehr (38%)wurde mit 80% weit übertroffen. Unterden Ländern, die ihre neue Verantwor-tung für den SPNV mit der Bestellungzusätzlicher Zugleistungen offensiv ge-nutzt haben, nimmt Rheinland-Pfalzeine Spitzenstellung ein (31,8% zusätz-liche Zugleistungen).

Die Effizienz des SPNV soll künftigdurch mehr Wettbewerb erhöht werden,indem der Zugbetrieb verstärkt öffent-lich europaweit ausgeschrieben wird. RRRRR

K

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20Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Verkehr und Kommunikation

Im neuen Wettbewerb mit der DB sindbisher die NE-Bahnen (nicht bundesei-gene Eisenbahnen, auch Privatbahnengenannt) besonders erfolgreich gewe-sen. Bei Ausschreibungen von Betriebs-leistungen im SPNV bis 1999 konntensie von 35,7 Mio. Zugkilometern 19,1Mio. (54%) für sich entscheiden undihren Anteil am SPNV im Bundesge-biet von 3 auf 6,8% mehr als verdop-peln (VDV 2000, S. 58).

Gütertransport und Verkehrslo-gistikDie Entwicklung im Güterverkehr warbis zur Vereinigung stark durch die un-terschiedlichen politisch-ökonomischenSysteme geprägt. Während die markt-wirtschaftliche Orientierung in den al-ten Ländern – trotz einer Reihe staatli-cher Regulierungen im Güterverkehr(vgl. weiter unten) – vor dem Hinter-grund von Zeit- und Kostenaspekten bei

einer stetigen Steigerung von Güterver-kehrsaufkommen und -leistung zu einerDominanz des Straßengüterverkehrsführte, war in der ehemaligen DDR dieBahn der vorgegebene Verkehrsträger.Dort mussten oberhalb einer Transport-entfernung von 50 km alle Güter perBahn transportiert werden. Damit spiel-te der Straßengüterverkehr lediglich imNahverkehr eine Rolle. Zusätzlich re-sultierte ein Teil des Straßengüterver-kehrsaufkommens aus dem grenzüber-schreitenden Verkehr, für den die Ent-fernungsbeschränkung nicht galt. Derim Vergleich zur Bundesrepublik gerin-ge Umfang der Güterverkehrsleistungin der DDR resultierte aus der zentrali-sierten Produktionsstruktur der staatlichkontrollierten Kombinate, dem hohenGrad an lokaler Produktionstiefe sowieder engen Verzahnung von Produktionund Handel. Während in der DDR die-se strukturellen Rahmenbedingungenrelativ konstant blieben, bestimmten inden alten Ländern umfassende Verände-rungen der gesamtwirtschaftlichen Pro-duktionsstruktur die Entwicklung imGüterverkehr.

Entkoppelung von Verkehrs- undWirtschaftswachstum?Innerhalb der Wirtschaft vollzog sichim früheren Bundesgebiet während derletzten fünf Jahrzehnte ein umfassenderStrukturwandel. Die Bedeutung einzel-ner Wirtschaftszweige veränderte sich.Dies zeigt sich u.a. in der Zusammenset-zung der Umsätze innerhalb des produ-zierenden Gewerbes (inkl. Bergbau). Sosank der Umsatzanteil des Bergbaus von4,4% im Jahr 1960 auf lediglich 1,3%im Jahr 1990, während z.B. im Straßen-fahrzeugbau der Anteil von 6,4%(1960) auf fast 12% im Jahr 1990 an-stieg. Insgesamt kam es im Zuge dieserVeränderung zu einer Verlagerung vonschwereren, geringwertigeren Massen-gütern zu leichten, höherwertigen Gü-tern M. Seit 1955 nahm das Güterver-

kehrsaufkommen aus dem Kohlebergbauab. Das Aufkommen aus der Eisenschaffenden Industrie blieb seit Beginnder siebziger Jahre weitgehend konstant.Dagegen verzeichnet es in den Berei-chen “Chemische Industrie”, “Fahrzeu-

ge, Maschinen, Halb- und Fertigwaren”und bei den “Nahrungs- und Futtermit-teln” zwischen 1950 und 1990 stetigeZuwächse.

Die Verschiebung zwischen den Gü-tergruppen und die allgemeine Zunah-me im Gesamtaufkommen wird nichtnur durch den wirtschaftlichen Struk-turwandel bedingt, sondern zusätzlichdurch die Veränderungen im Produkti-onsprozess verstärkt. Die Produktion derfrühen Nachkriegszeit war noch weitge-hend durch eine lokale Tiefe gekenn-zeichnet, d.h. es wurde an einem Stand-ort ohne nennenswerte Zulieferungengefertigt. Die zunehmende Spezialisie-rung in der Wirtschaft bei Ausnutzungkomparativer Kostenvorteile führte zurarbeitsteiligen Verflechtung der Produk-tion auf regionaler, nationaler und in-ternationaler Ebene (AA BeiträgeSchamp, S. 100, und Klein, S. 136).Ebenso weiteten sich die Absatzmärkteaus. Eine enorme Zunahme des damitverbundenen Transportaufwandes beiimmer höheren Ansprüchen an dieSchnelligkeit und Pünktlichkeit derLieferung ist die zwangsläufige Folgedieses Prozesses. Verstärkt wird dieserEffekt noch durch die Entwicklung undEinführung neuer Logistikkonzepte zurOptimierung dieser verflochtenen Pro-duktion.

Eine weitgehende Vermeidung kos-tenintensiver Lagerhaltung in den ein-zelnen Betriebsstätten wurde durch dieJust-in-Time-Produktion möglich, d. h.

durch die Anlieferung von Rohstoffen,Fertigteilen, Produktkomponenten oderModulen genau zum Zeitpunkt und andie Stelle der Weiterverarbeitung aufder jeweiligen Stufe der Produktion.Wegen der dazu erforderlichen Flexibi-

lität hinsichtlich Bedienungsfrequenzund Sendungsgrößen ist dies die Domä-ne des Lkw. Eine solche „Lagerhaltungauf der Straße“ trägt nicht unwesentlichzum Wachstum des Straßengüterver-kehrs bei. Mit steigender Straßenbelas-tung nimmt jedoch das Risiko unpünkt-licher Anlieferungen zu. Erste Zuliefer-parks in unmittelbarer Nachbarschaftder Endproduzenten, in denen die Be-triebsstätten für die vorgelagerte Pro-duktion konzentriert werden, sollen denreibungslosen Ablauf der Endfertigunggewährleisten; sie tragen zugleich zurrelativen Verringerung des Verkehrsauf-kommens bei.

Neben den großräumigen Verflech-tungen in der Produktion haben die in-ternationalen Handelsbeziehungenstark an Bedeutung gewonnen. Die fort-schreitende europäische Integration, dieÖffnung der Märkte in Osteuropa unddie zunehmende Globalisierung führenzur Steigerung des Warenaustauschesmit Deutschland und machen Deutsch-land selbst zum Transitland im interna-tionalen Güterverkehr. Die Abbildun-gen N O zeigen die Entwicklung desgrenzüberschreitenden Güterverkehrsgetrennt für verschiedene Verkehrsträ-ger. Zum einen nimmt der Anteil desgrenzüberschreitenden Verkehrs am ge-samten Güterverkehr beständig zu N,zum anderen entfallen immer höhereAnteile auf den StraßengüterverkehrO. Das ständige Anwachsen des Güter-verkehrs in den letzten Jahrzehnten ist

Nahrungs- und FuttermittelKohleErz und MetallabfallEisen, Stahl und NE-Metallchem. ErzeugnisseFahrzeuge, Maschinen, Halb-und Fertigwaren

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

0

20

40

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100

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1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990

in Mio. t

Jahr

Güterverkehrsaufkommen in ausgewähltenHauptgütergruppen 1950-1990alte Länder

Eisenbahn Straßenverkehr Binnenschifffahrt

0

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in %

1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 1998

Jahr* bis einschl. 1990 inkl. Verkehr zwischen der BRD und der DDR© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Anteil des grenzüberschreitenden Güterverkehrsaufkommensam Gesamtaufkommen*nach Verkehrsträgern

Eisenbahn Straßenverkehr Binnenschifffahrt Seeschifffahrt Luftverkehr

0

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150

200

250

1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 1998

Verkehrsaufkommenin Mio. t

Jahr© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Grenzüberschreitender Güterverkehr (Versand und Empfang)bis 1990 nur alte Länder

M

N

O

Page 10: Verkehr und Kommunikation – eine Einführungarchiv.nationalatlas.de/wp-content/art_pdf/Band9_12-29... · 2017-02-16 · 13 Verkehr und Kommunikation – eine Einführung Wichtige

21Verkehr und Kommunikation – eine Einführung

– neben dem allgemeinen Wirtschafts-wachstum – vor allem auf die Verände-rung der Branchenstruktur und des dar-aus resultierenden Transportaufkom-mens (Güterstruktureffekt), auf techno-logische Wandlungen im Produktions-prozess (Logistikeffekt) und auf diewachsende Internationalisierung derWirtschaft (Integrationseffekt) zurück-zuführen.

Liberalisierung der Verkehrsmärkte inEuropaNach einem Urteil des europäischenGerichtshofes 1985, das die Umsetzungder im EWG-Vertrag vereinbartenDienstleistungsfreiheit im europäischenTransportwesen zum Gegenstand hatte,musste auch die Bundesrepublik dendeutschen Verkehrsmarkt liberalisierenbzw. deregulieren. Der stark interven-tionistisch gestaltete Ordnungsrahmen,der in seinen Grundzügen aus der Vor-kriegszeit stammte, sollte die Bahn vorder Konkurrenz des Straßenverkehrsge-werbes im Fernverkehr schützen. DieRegelungen versperrten Transportunter-nehmen des europäischen Auslandesden Zugang zum deutschen Verkehrs-markt und verminderten den Konkur-renzdruck im inländischen Transportge-werbe durch Erteilung von Konzessio-nen und Tarifvorschriften; sie warenmit den Zielen eines europäischen Bin-nenmarktes ohne Zugangsbeschränkun-gen nicht mehr vereinbar. Mit der Auf-hebung der staatlichen Tarifbindung füralle Verkehrsträger mit Beginn des Jah-res 1994 und der Einführung des unein-geschränkten Marktzutritts für Trans-portunternehmer der EU (Kabotagefrei-heit) Mitte 1998 setzte Deutschland dasoben erwähnte Urteil schließlich um.Die Marktöffnung (Liberalisierung)führte zu einem erheblichen Konkur-

renzdruck auf das inländische Trans-portgewerbe, da zahlreiche Rahmenbe-dingungen, die sich auf die Kostenstruk-turen der Verkehrsunternehmen auswir-ken (wie Steuern und Abgaben, Lenk-zeiten, soziale Sicherung), in ihren na-tional unterschiedlichen Ausprägungeninnerhalb der EU nicht angeglichenwurden (fehlende Harmonisierung).

Träger und Reichweiten des Güterver-kehrsBis 1994 wird in der Verkehrsstatistikzwischen Güternah- und -fernverkehrunterschieden, der durch die Transport-wirtschaft getragen wird. Zusätzlichwerden Güter im sogenannten Werk-verkehr befördert. Darunter wird derTransport von Gütern durch produzie-rende und handeltreibende Unterneh-men verstanden, der als Ergänzungs-funktion zu ihren Basisleistungen be-trieben wird; Werkverkehr ist daher na-hezu ausschließlich Straßenverkehr.Abbildung P zeigt die entsprechendenAnteile an der Verkehrsleistung 1997.

Die Reichweiten des Gütertranspor-tes unterscheiden sich zum einen nachden Gütergruppen und zum anderennach den Verkehrsträgern. Während dieVerkehrsträger Binnenschiff und BahnTransporte über größere Entfernungen,insbesondere bei Massengütern, durch-führen, sind die Transportentfernungenim Straßengüterverkehr durchschnitt-lich geringer Q. Hier fällt vor allem dieGütergruppe “Steine, Erden” auf, derenTransport überwiegend auf lokaler undregionaler Ebene erfolgt. Innerhalb die-ser Gruppe, die mit 56,7% am Straßen-güterverkehr insgesamt beteiligt ist R,entfallen allein auf den Werkverkehr30,5%, während nur 26,2% durch Un-ternehmen des Straßengüterverkehrsge-werbes befördert wird.

Verkehrsträger und Modal Split imGüterverkehrUnter Vernachlässigung der Rohrfern-leitungssysteme zum Transport von Flüs-sigkeiten und Gasen wird die Güterver-kehrsnachfrage von den Verkehrsträ-gern Schiff, Bahn, Lkw und Flugzeugbedient (AA Beitrag Schröder, S. 86).Diese vier Verkehrsträger weisen jeweilsspezifische Vor- und Nachteile sowohlaus ökonomischer als auch aus ökologi-scher Sicht auf. Während Bahn, Bin-nenschiff und Flugzeug aufgrund dervorhandenen Infrastruktur und ihrerRaumerschließung (Schienennetz, Was-serstraßen und Flughäfen) für denTransport über große Distanzen beson-ders geeignet sind, ist der Lkw aufgrundder Dichte des deutschen Straßennetzesbesonders für die Verteilung von Güternin und ihr Zusammenführen aus der Flä-che geeignet. Neben diesem infrastruk-

turell-technisch bedingten Aspekt derRaumerschließung und der Zugänglich-keit stellen Transportvolumen bzw. Sen-dungsgrößen eine weitere Rahmenbe-dingung dar. Für den Transport vonMassengütern sind Binnenschiff undGüterzug besonders geeignet, währendim Straßen- und Luftverkehr kleinere,höherwertige Sendungseinheiten domi-nieren. Für die Verkehrsmittelwahl(Modal Split) spielen jedoch die Flexi-bilität der Verfügbarkeit des Verkehrs-trägers sowie die Transportzeiten und-kosten die entscheidende Rolle. Unterdiesen Aspekten gewann daher derStraßengüterverkehr in den letztenJahrzehnten ständig an Bedeutung(AA Beitrag Schröder, S. 90).

Die Transportzeiten im Güterfernver-kehr setzen sich – insbesondere bei klei-neren Sendungsgrößen – im sogenann-ten gebrochenen Transportmodus ausdrei Komponenten zusammen: dem Vor-

lauf, dem Hauptlauf und dem Nachlauf.Während des Vorlaufes werden Güteraus der Fläche eines Quellgebietes zu ei-nem zentralen Umschlagplatz gebracht,dort für die verschiedenen Zielgebietegebündelt und anschließend auf diesenVerbindungsstrecken versendet (Haupt-lauf). Nach Eintreffen im Zielgebietmüssen sie an die Empfänger in der Flä-che verteilt werden (Nachlauf). DieTransporte im Vor- und Nachlauf erfol-

gen fast ausschließlich per Lkw auf derStraße. Ob für den Transport im Haupt-lauf der Verkehrsträger gewechselt wird,hängt neben der reinen Fahrzeit imHauptlauf von den Umschlagzeiten unddamit von den Ladungsschlusszeiten ab.Die Erreichbarkeit der Terminals fürden kombinierten Ladeverkehr (KLV-Terminals) zeigt Karte S. Alle Versu-che, den Gütertransport auf der Schienedurch kürzere Umschlagzeiten und spä-tere Ladungsschlusszeiten attraktiver zumachen, haben bisher jedoch nicht zumgewünschten Erfolg geführt.

Die Transportkosten beeinflussen dieWahl der Verkehrsträger dagegen in ge-ringerem Maße als allgemein angenom-men. Im Wettbewerb innerhalb einesVerkehrsträgers kommt jedoch der Ta-rifgestaltung eine besondere Bedeutungzu. Im Straßengüterverkehr setzen sichdie Kosten wie in Abbildung 22 darge-stellt zusammen. Hier wird deutlich,dass die Personalkosten mit etwa 37%den größten Anteil ausmachen. Trans-portunternehmen aus Ländern mit gün-stigeren Lohnkostenstrukturen stellendaher eine starke Konkurrenz für die in-ländischen Unternehmen dar. DieseKonkurrenzsituation bedingt insbeson-dere die relativ niedrigen Transport- RRRRR

Eisenbahn

Binnenschifffahrt, deutsche Schiffe

Binnenschifffahrt, ausländische Schiffe

Straßengüterverkehr, dt. Lkw, gewerblicherFernverkehr

Straßengüterverkehr, dt. Lkw, gewerblicherNahverkehr

Straßengüterverkehr, dt. Lkw, Werkfernverkehr

Straßengüterverkehr, dt. Lkw, Werknahverkehr

Straßengüterverkehr, ausländische Lkw

Rohrfernleitung

Luftverkehr

0,13%

16%

9%

26%8%

9%

6%

18%

3%

5%

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Güterverkehrsleistungnach Verkehrsträgern 1997

Eisenbahn

Straßengüter-verkehr

Binnenschifffahrt

0 100 200 300 400 500 600 700

Land- und forstwirt-schaftl. Erzeugnisse

Nahrungs- undFuttermittel

Kohle

Erdöl und Mineralöl-erzeugnisse

Erze und Metallabfälle

Eisen, Stahl undNE-Metalle

Steine und Erden

Düngemittel

Chem. Erzeugnisse

Fahrzeuge, Maschinen,Halb- und Fertigwaren

in km© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Mittlere Transportweite ausgewählterGütergruppen nach Verkehrsträgern 1999

land- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse,Nahrungs- und Genussmittel

Kohle, rohes Öl, Mineralölerzeugnisse

Erze, Metallabfall, Eisen, Stahl und NE-Metall

Steine und Erden

Düngemittel, chemische Erzeugnisse

Fahrzeuge, Maschinen, Halb- und Fertigwaren

9,9%

22,4%

22%

10,3%4,1%

31,3%

Wasser236,4 Mio.t

3,6%

28,8%

12,9%

9,6%

16,9%

28,2%

Schiene305,7 Mio.t

13,7%

4,1%

56,7%

7,9%

12,5%

5,1%

Straße2960,3 Mio.t

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Güterzusammensetzungnach Verkehrsträgern 1998

P Q

R

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22Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Verkehr und Kommunikation

kosten im Straßengüterverkehr. DerKostenfaktor Energie in Form vonKraft- und Schmierstoffen schlägt miteinem Anteil von 20% sichtlich gerin-ger zu Buche.

Damit wird erkennbar, dass die ge-genwärtige Diskussion um die Auswir-kungen unterschiedlicher Mineralöl-steuersätze und damit der Energiekosten

in den Mitgliedsstaaten der EU auf dieWettbewerbsfähigkeit deutscher Trans-portunternehmen überzogen ist. Ange-sichts des Wettbewerbsnachteils vonBahn und Binnenschiff wird jedochdeutlich, dass nur eine erhebliche Ver-teuerung der Energiekosten die Ver-kehrsmittelwahl zugunsten umweltver-träglicherer Verkehrsträger entschei-

dend beeinflussen kann. Diese erscheintaus politischen Gründen jedoch (noch)nicht durchsetzbar. Der prognostizierteZuwachs auf ca. 415 Mrd. tkm bis zumJahr 2015 im Straßengüterverkehr weistauf den notwendigen politischen Hand-lungsbedarf hin. Insbesondere wenn ge-sellschaftspolitische und/oder volkswirt-schaftliche Kriterien für die Bewertungder Verkehrsträger angelegt werden,sprechen allein der Energieverbrauch jegeleistetem Tonnenkilometer (tkm)und die damit verbundene Umweltbe-lastung gegen die ungebremste Zunah-me des Straßengüterverkehrs T.

Vergleicht man die Entwicklungen inder Verkehrsmittelwahl im Güterver-kehr, sinken trotz aller Bemühungen,den Gütertransport per Bahn und Bin-nenschiff attraktiver zu gestalten, derenAnteile an der Verkehrsleistung weiter-hin ab 21 . Zwischen 1980 und 1992sank der Anteil der Bahn an der Güter-verkehrsleistung in den alten Ländern,ausgedrückt in Tonnenkilometern, von25,4% auf 17,8%. In den neuen Län-dern brach mit der Freigabe der Ver-kehrsträger im Güterverkehr der Bahn-transport regelrecht ein – bei einem all-gemeinen Rückgang der Verkehrsleis-tung im selben Zeitraum von 82,5 tkmauf 42,8 tkm. Von 1989 bis 1992 sankder Anteil der Bahn am Güterfernver-kehr von 71,5 auf 31,7% ab. In Gesamt-deutschland verringerte sich der Anteilbis 1997 auf 16,2%. Diese Zahlen ver-deutlichen, dass der Güterfernverkehrtrotz aller Versuche und Umstrukturie-rungen in den neunziger Jahren nicht zunennenswerten Anteilen an die Schie-ne gebunden oder auf sie verlagert wer-den konnte (AA Beitrag Juchelka,S. 92).

Im Güternahverkehr ist der Lkw zurBedienung der Fläche im Nahbereich

eines Umschlagplatzes kaum durch an-dere Verkehrsträger zu ersetzen. DieAuslieferung von Stückgut und ande-rem Transportgut an den Einzelhandelhat insbesondere in den Innenstädtenzu einer hohen verkehrlichen Belastunggeführt. Die seit Ende der achtziger Jah-re entwickelten und eingesetzten Kon-zepte, die sich unter dem Oberbegriffder Stadtlogistik zusammenfassen las-sen, haben im Einzelfall durch Bünde-lung des Lieferverkehrs zu einer Entlas-tung geführt (AA Beitrag Eberl/Klein,S. 104). Ob sie sich in einem nennens-werten Umfang durchsetzen, werden dienächsten Jahre zeigen.

Bodensee

Kiel

SchwerinHamburg

BERLIN

Potsdam

Magdeburg

Dresden

Erfurt

München

Stuttgart

Wiesbaden

Mainz

Düsseldorf

Bremen

Hannover

Saarbrücken

Autoren: BBR,Atlasredaktion

Erreichbarkeit der Terminals für den kombiniertenLadeverkehr (KLV) 1998

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

nach Kreisen

Maßstab 1: 6000000

25 750 50 100 km

< 1515 bis < 3030 bis < 4545 bis < 6060 bis < 7575 bis < 90

> 90_

ErreichbarkeitMittlere Fahrzeit

in Minuten

MainzBERLIN

StaatsgrenzeLändergrenzeKreisgrenzeBundeshauptstadtLandeshauptstadt

Abschreibungen, kalkulatorische Zinsen

Kfz-Steuer, Versicherungen

Verwaltung

Wartung, Reifen

Kraft- und Schmierstoffe

Fahrpersonalkosten

18%

8%

10%

20%

37%

7%

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Kostenstruktur im Lkw-Verkehr 1996

Eisenbahn Straßenverkehr Schifffahrt Luftverkehr**

0

2

4

6

8

10

1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 1998

in Tsd. kJ/tkm

* bis einschließlich 1990 nur ABL** in 10kJ

Jahr© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Endenergieverbrauch im Güterverkehr 1955-1998*

Alte Länder1980-1993

DDR/neue Länder1980-1993

Deutschland1991-1998

0

10

20

30

40

50

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70

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80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93Jahr

%

0

10

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80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93Jahr

%

0

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70

80

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91 92 93Jahr

%

94 95 96 97 98

Straßen-güterverkehr

Binnen-schifffahrt

Rohrfern-leitungenEisenbahn

Anteile an der Verkehrsleistung im Güterverkehr

© Institut für Länderkunde, Leipzig 1999

S

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22

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23Verkehr und Kommunikation – eine Einführung

Verkehr und UmweltDie Bewegung von Personen und Gü-tern im Raum erfordert den Einsatz vonEnergie. In vorindustrieller Zeit wurdedie Muskelkraft des Menschen bzw. dieder Reit-, Last- oder Zugtiere eingesetzt;im Seeverkehr nutzte man den Wind.Mit der Einführung von Dampfmaschi-nen und Verbrennungsmotoren wurdenBrennstoffe benötigt. Bis heute über-wiegen dabei fossile Energieträger wieKohle, Erdöl oder Erdgas, deren Vorräteauf der Erde prinzipiell nicht vermehr-bar sind. Ihre Verbrennung führt trotzVerwendung modernster Technologienimmer zur Immission chemischer Ver-bindungen, von denen die meisten alsSchadstoffe einzustufen sind. Beim Ver-brennungsvorgang wie auch durch dieBewegung eines Verkehrsmittels ent-steht zusätzlich Lärm. Für den Bau derVerkehrswege werden Flächen ver-braucht und Areale (Lebensräume) zer-schnitten.

Die Teilnahme am Verkehr ist immermit einem gewissen Unfallrisiko ver-bunden. Dem Straßenverkehr fielen1998 in Deutschland 7792 Menschenzum Opfer, drei Viertel davon außerhalbvon Ortschaften einschließlich Auto-bahnen. Nahezu 500.000 Menschenwurde im Straßenverkehr verletzt; diemeisten der über 100.000 Schwerver-letzten tragen lebenslang nachwirkendeSchäden davon. Während Flugzeugab-stürze und spektakuläre Bahnunfälle dieÖffentlichkeit erregen, sind die Men-schenleben, die der Straßenverkehr täg-lich fordert, ein gesellschaftlich weithintabuisiertes Thema.

Im Güterverkehr beim Transport ge-fährlicher Stoffe besteht immer das Ri-siko einer Schädigung von Anwohnernsowie der Umgebung des Verkehrswe-ges. Die Auswirkungen des Verkehrs aufMensch und Umwelt sind daher unterverschiedenen Perspektiven zu beurtei-len. Dabei spielt die Reichweite solcherWirkungen eine besondere Rolle. Wäh-rend vom Verkehrslärm zumeist nur diein unmittelbarer Nähe zu Verkehrsanla-gen Wohnenden betroffen sind, habendie Schadstoffimmissionen aus den Ver-brennungsmotoren Einfluss auf unserKlima in globalem Maßstab. Der gesell-schaftliche Nutzen von Verkehrsanla-gen ist gegen die negativen Folgen ab-zuwägen, die deren Benutzung auslöst.Der Zielkonflikt zwischen regionalwirt-schaftlichen Wachstumsimpulsen inter-nationaler Verkehrsverflechtung undextremer Lärmbelastung der Bevölke-rung im Nahbereich zeigt sich geradezubeispielhaft bei Großflughäfen(AA Beitrag Haas/Heß, S. 140).

Umweltbelastungen durch den Ver-kehrFür den Neubau und Ausbau von Ver-kehrsinfrastruktur werden ständig wei-tere Flächen benötigt (AA Beitrag Löff-ler/Lutter, S. 132). Am Ende der neun-ziger Jahre nehmen die Verkehrsflächenim Bundesgebiet mehr als 16.000 km²ein, was einem Anteil von über 4,6%entspricht. In den alten Ländern hat

sich der Umfang der befestigten Flä-chen für öffentliche Straßen (ohne Bö-schungen, Banketten und Mittelstrei-fen) innerhalb von 35 Jahren nahezuverdoppelt (AA Beitrag Schliephake,S. 34) 23 . Neben dem Flächenverbrauchführen alle neuen linienhaften Ver-kehrsinfrastrukturprojekte auch zu einerweiteren Flächenzerschneidung(AA Beitrag Schumacher/Walz, Bd. 10).Naturnahe oder natürliche Landschafts-einheiten zerfallen in Restflächen. Aufdas Netz der Bundesfernstraßen bezo-gen, liegt der Anteil von Restflächenmit weniger als 100 km² bereits bei etwa15% der Bundesfläche. Große unzer-schnittene Flächen über 750 km² neh-men dagegen nur noch 18% des Bun-desgebietes ein. Landes- und Kreisstra-ßen verstärken diesen Effekt. So werdendie Lebensräume von Flora und Fauna„verinselt“ und eingeengt. Das trägtzum Rückgang der biologischen Vielfalt,zur Unterbrechung von Wanderungsli-nien zahlreicher Arten sowie zur Verän-derung der Mikroklimate und damit zurModifikation lokaler Umwelten und Le-bensbedingungen bei.

Beiderseits von Verkehrswegen lässtsich je nach zugrunde gelegtem Ge-räuschpegel ein mehr oder weniger brei-ter Lärmkorridor definieren. Bei einemLärmpegel von 65 Dezibel für Außenge-räusche schließen solche Korridore be-reits 17% aller Wohnungen ein. Diehier lebenden Menschen sind dadurchin ihrer Lebensqualität erheblich beein-trächtigt. Im Straßenverkehr, insbeson-dere an stark befahrenen Ausfallstraßenoder an Bundesfernstraßen, wird durchLärmschutzbauten, Bau von Umge-hungsstraßen sowie durch dauerhafteoder tageszeitabhängige Geschwindig-keitsbegrenzungen versucht, das Aus-maß der Lärmbelästigung zu reduzieren.

Die Bahn wird gleichfalls als störendempfunden. In engen Flusstälern ver-laufen Gleisanlagen häufig in unmittel-

barer Nähe von Siedlungen und damitvon Wohngebäuden (wie z.B. im Rhein-tal). Ist die Frequenz der Reise- und Gü-terzüge besonders hoch, kann nur diegroßräumige Verlagerung des Schienen-verkehrs (z.B. Neubaustrecke über denWesterwald), Abhilfe schaffen. Im Flug-verkehr wird bei Start und Landung einbesonders hoher Außengeräuschpegelgemessen. Für zahlreiche Flughäfen, diekeine siedlungsleeren Korridore in derAn- bzw. Abflugschneise aufweisen, be-steht daher Nachtflugverbot (AA BeitragMayr, S. 38).

Neben der Lärmeinwirkung gehenvon allen Verkehrsträgern Schadstoffbe-lastungen aus. Im Unterschied zumLärm, der im Allgemeinen nur nahe derQuelle als Belastung auftritt, haben dieverkehrsbedingten Luftschadstoffe zu-meist weitreichende Wirkung – inräumlicher wie auch in zeitlicher Hin-sicht (man denke an die Langzeitwir-kung anthropogener Klimaverände-rung). Der Hauptanteil der Schadstoffeaus dem Verkehr entsteht bei der Ver-brennung der fossilen Energieträger. Dieeinzelnen Verbindungen wirken direktin der emittierten Form oder indirektnach chemischer Umwandlung in derAtmosphäre auf den Menschen, auf di-verse Ökosysteme oder Bauwerke ein.Einen Überblick über solche Wirkun-gen und die Grenz- bzw. Orientierungs-werte der Luftbelastung gibt derAA Beitrag Rabl (S. 138).

Für verschiedene Ökosysteme, aberauch für Bauwerke, sind die Säurebild-ner Schwefeldioxid und Stickstoffdioxidvon besonderer Bedeutung. Sie verbin-den sich mit dem Niederschlagswasserzu Schwefel- bzw. Salpetersäure und set-zen einen Versauerungsprozess in Gangbzw. führen zu Material- und Werkstoff-schäden. Gemessen am Gesamtaufkom-men der einzelnen Luftschadstoffe er-zeugt der Verkehr besonders hohe An-teile von Kohlenmonoxid (CO), Stick-

oxid (NO) sowie von flüchtigen organi-schen Verbindungen (CH). Das absolu-te Aufkommen dieser Verbindungen ausdem Verkehr geht zwar zurück, doch istsein Anteil am Gesamtaufkommen im-mer noch sehr hoch 24 . Gleichzeitigwird deutlich, dass der Straßenverkehrden größten Anteil an den verkehrsbe-dingten Luftverunreinigungen hat. Diedurch den technischen Fortschritt er-zielte Schadstoffreduktion wird durchdie ständige Zunahme des Straßenver-kehrs zunichte gemacht.

Neben den Erfolgen in der Abgasrei-nigung konnte erreicht werden, dass derEnd-Energieverbrauch des Verkehrs inden letzten Jahren nicht weiter zuge-nommen hat. Solange jedoch fossile En-ergieträger verwendet werden, sind RRRRR

sonstige Straße desüberörtlichen Verkehrs

Bundesautobahn

Bundesstraße

0

50

100

150

200

250

51 55 60 65 70 75 80 85 90 91 95 1998

in Tsd. km

* bis 1990 alte Länder,1951 und 1955 ohne Saarland und W-Berlin Jahr

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Länge öffentlicher Straßen 1951-1998*

gesamtStraßenverkehrübriger Verkehr

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

1,2

1,4

1,6

1,8

1966 1970 1975 1980 1985 1990 1995 1997

Mio. t

Organische Verbindungen

0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

1966 1970 1975 1980 1985 1990 1995 1997

Mio. t

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Schadstoffemissionen des Verkehrs 1966-97Staub

23

24

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24Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Verkehr und Kommunikation

Unfallfolgen und die externen Kostendes VerkehrsDer sprunghafte Anstieg der privatenMotorisierung in Ostdeutschland hat –wie bereits gezeigt wurde – eine bei-spiellose Zunahme der Straßenverkehrs-unfälle zur Folge gehabt; in nur zweiJahren nach der Wende hatte sich dieAnzahl der Verkehrstoten in den neuenLändern gegenüber dem Durchschnittder achtziger Jahre mehr als verdoppelt.Das Statistische Amt der EU kommtanhand der Unfallzahlen von 1998 imregionalen Vergleich zu dem Ergebnis,dass der Straßenverkehr in Mecklen-burg-Vorpommern und Brandenburg solebensgefährlich ist wie sonst kaum ir-gendwo in der Europäischen Union.Ähnlich hohe Zahlen – 22 bis 38 Ver-kehrstote pro 100.000 Einwohner undJahr – gab es 1997 nur auf Korsika, inTeilen Griechenlands, auf der Iberi-schen Halbinsel und im Süden Belgiens.Hohe Zahlen von Verkehrstoten in Por-tugal und Ostdeutschland führt Eurostatu.a. auf die “Kluft zwischen zunehmen-dem Fahrzeugbestand und nicht ausrei-

chend modernisiertem Straßennetz” zu-rück (Pressemitteilung vom20.10.2000).

Die Karte 25 zeigt auf der Ebene derKreise und kreisfreien Städte die enor-me Spannweite dieses Merkmals inDeutschland: Die Anzahl der im Stra-ßenverkehr Getöteten pro 100.000 Ein-wohner und Jahr reicht von weniger als5 in Hamburg, im Rhein-Ruhr-Raumsowie in zahlreichen Kernstädten, auchin Ostdeutschland bis über 30 mitSchwerpunkt in Mecklenburg-Vorpom-mern. Hohe Unfallbelastungen weisenvor allem die stark ländlich geprägtenUmlandbereiche der großen Städte auf.Weite Wege der Berufspendler schlagensich auch in der überdurchschnittlichhohen Jahresfahrleistung der dort zuge-lassenen Pkw nieder (AA Beitrag Motz-kus, S. 64). Aus der Typisierung ver-schiedener Unfallfolgen lassen sich Ri-sikostufen ableiten, die ein umfassendesBild der Unfallsituation der Kreise undkreisfreien Städte im Bundesgebiet ver-mitteln (AA Beitrag Klein/Löffler,S. 134).

Unfallfolgen, deren Kosten nichtmehr von den Versicherungen getragenwerden (vor allem bei Invalidität undTod), stellen neben den Kosten derUmweltbelastung bzw. -zerstörung denHauptfaktor sozialer Folgekosten desVerkehrs dar. Sie sind nicht Bestandteilder einzelwirtschaftlichen (internen)Nutzen-Kosten-Abwägung und werdendaher externe Kosten genannt. DieHöhe der externen Kosten des Verkehrsist für die einzelnen Verkehrsträgerhöchst unterschiedlich und stellt derenRangfolge nach dem Grad der Umwelt-verträglichkeit geradezu auf den Kopf(AA Beitrag Deiters, S. 142). So sind dieexternen Kosten des Straßenverkehrs inDeutschland drei- bis fünfmal höher alsbei der Bahn; hinsichtlich der tatsächli-chen Nutzerkosten ist die Bahn jedochgegenüber dem Pkw und dem Lkw imNachteil. Mit der Schaffung von Kos-tenwahrheit im Verkehr (auch von derEU-Kommission gefordert) soll dieheimliche Subventionierung des Stra-ßenverkehrs überwunden und Wettbe-werbsgleichheit für alle Verkehrsträgerhergestellt werden.

Nachhaltigkeit des VerkehrsSeit der Veröffentlichung des Reportsder UN-Kommission für Umwelt undEntwicklung “Our Common Future”1987 (sog. Brundlandt-Bericht) habenBegriff und Ziel der nachhaltigen Ent-wicklung wie kein anderes Konzept zu-vor die Diskussion um die künftigenHandlungserfordernisse der Klima-,Umwelt- und Raumentwicklungspolitikbestimmt. Bekanntlich fand diese Leit-vorstellung auch Eingang in das deut-

sche Raumordnungsgesetz und bezeich-net eine “Raumentwicklung, die die so-zialen und wirtschaftlichen Ansprüchean den Raum mit seinen ökologischenFunktionen in Einklang bringt und zueiner dauerhaften, großräumig ausgewo-genen Ordnung führt” (ROG § 1Abs. 2).

Auf den Verkehrsbereich übertragenbedeutet dies, den Energie-, Stoff- undFlächenverbrauch des Verkehrs sowiedie verkehrsbedingten Schadstoff- undCO2-Emissionen zu reduzieren, um trotzweiterer Expansion der Wirtschafts- undHandelsverflechtungen eine dauerhafte,nachhaltige Wirtschafts- und Lebens-weise zu ermöglichen. Zuerst müsstendie Potenziale zur Verkehrsvermeidungerschlossen werden, ehe Konzepte undMaßnahmen zur Verlagerung des (ver-bleibenden) Verkehrs auf weniger um-weltbelastende Verkehrsmittel zum Ein-satz kommen (KAGERMEIER 1998). EinigeAtlasbeiträge befassen sich mit denMöglichkeiten und Grenzen derartigerVerlagerung von Mobilitäts- und Trans-portvorgängen und den dazu notwendi-gen organisatorischen und verkehrs-technischen Voraussetzungen wie Gü-terverkehrszentren und Stadtlogistik,Kombinierter Verkehr und ÖPNV-At-traktivierung.

Umstritten sind die Wirkungen, dievon städtebaulichen Maßnahmen wiez.B. verkehrsvermeidende Siedlungs-strukturen ausgehen. Ein weiterer zen-traler Ansatzpunkt zur nachhaltigenVerkehrsentwicklung wird in der Inter-nalisierung externer Verkehrskosten(s. oben) gesehen. Zu deren Umsetzungkommen ordnungs- und preispolitischeMaßnahmen wie stufenweise Erhöhungder Kraftstoffpreise und Senkung derVerbrauchs- und Emissionswerte derKraftfahrzeuge, Erhebung von Straßen-benutzungsgebühren, Tempolimits, Ver-kehrsbeschränkungen, lokale Fahrver-bote, Parkraummanagement und ande-res mehr in Betracht.

Große Hoffnungen werden zuweilenauf Maßnahmen zur technischen Effizi-enzsteigerung der Verkehrsträger und-systeme sowie auf den Einsatz der Tele-matik im Verkehrsbereich gesetzt. EinGutachten im Auftrag des Umweltbun-desamtes kam jedoch zu dem Ergebnis,dass die Umweltwirkungen von Ver-kehrsinformations- und -leitsystemenim Straßenverkehr weitaus geringer alserwartet sind (Prognos AG u.a. 1999).Von den insgesamt zehn untersuchtenEinzelsystemen tragen nur solche zurReduktion von Kohlendioxid und ande-rer Luftschadstoffe bei, mit deren Hilfeeine deutliche Verringerung des Auto-mobilverkehrs erreicht werden kann.Das gilt für Telematiksysteme, mit de-nen automatisch Straßenbenutzungsge-

der Entlastung der Umwelt durch denVerkehr enge Grenzen gesetzt. Der Ein-satz erneuerbarer Energiequellen spieltim Verkehrsbereich bisher kaum eineRolle 26 . Auf längere Sicht wird mannur durch weitgehenden Verzicht auffossile Energieträger die notwendigeUmweltentlastung erreichen können,zumal Erdöl als Primärenergiequelle fürden Straßenverkehr eine endliche Res-source darstellt.

Kiel

SchwerinHamburg

BERLIN

PotsdamMagdeburg

DresdenErfurt

München

Stuttgart

Wiesbaden

Mainz

Düsseldorf

Bremen

Hannover

Saarbrücken

MainzBERLIN

StaatsgrenzeLändergrenzeKreisgrenze

20 bis < 3015 bis < 2010 bis < 155 bis < 10

< 5

Im StraßenverkehrGetötete

je 100000Einwohner Bundeshauptstadt

Landeshauptstadt

> 30_

Autoren: BBR,Atlasredaktion

Verkehrstote 1998nach Kreisen

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000 Maßstab 1: 6000000

25 750 50 100 km

End-Energieverbrauch des Verkehrs nachEnergieträgern 1998in Petajoule

Vergaserkraftstoff

Dieselkraftstoff

Flugkraftstoffe

1301

1064

261

elektrischer Strom52

Mineralöl2626

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

25

26

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25Verkehr und Kommunikation – eine Einführung

bühren erhoben werden können. Syste-me zur Verflüssigung des Straßenver-kehrs oder zur dynamischen Zielführung(z.B. zu freien Parkplätzen) können so-gar die gegenteilige Wirkung haben, in-dem sie zu verstärkter Autonutzung ein-laden (AA Beitrag Beer/Rosenthal,S. 148).

Kommunikation und Informati-onsgesellschaftMehr als ein halbes Jahrhundert führteaus geographischer Perspektive Kommu-nikation als Verkehrsvorgang vonNachrichten und Signalen eine Schat-

tenexistenz. Auch die üblichen Fachbe-griffe, halb militärischen, halb ver-kehrsräumlichen Ursprungs, unterstri-chen diese Einordnung: Telegrafie,Fernmeldetechnik, Telefonverkehr,Fernschreiben, Nachrichtenverkehr.Die Distanzüberbrückung, ungleichschneller als bei allen anderen Trans-porttechniken, war das herausragendeMerkmal, häufig durch die vorgestellteSilbe „Tele“ noch betont. Neben diesenfrühen Formen der Individualkommuni-kation entwickelten sich mit unter-schiedlicher Dynamik die Elemente derMassenkommunikation im Zeitungswe-sen sowie im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fernsehens.Hoheitliche, staatliche oder zumindestländerspezifische Kontrolle und damitmonopolartige Strukturen (Bundesbe-triebe, öffentlich-rechtliche Anstalten)entsprachen seit Ende des 19. Jahrhun-derts bis in die achtziger Jahre des 20.Jahrhunderts in zahlreichen LändernEuropas der Rechtsauffassung, wie Tele-fon, Telegrafie, Rundfunk und Fernse-hen zu organisieren und zu betreibenseien. Informationskontrolle war zudemein erklärtes Instrument der Innenpoli-tik, vor allem in marxistisch-lenini-

stisch geführten Staaten nach 1945 biszur Wende Ende der achtziger Jahre.

Es war also ein Bündel von Einflüs-sen, nebst mangelndem Verständnis fürdie künftige Bedeutung, dass (tech-nisch) kommunikative Erscheinungenkaum von Geographen wahrgenommenwurden. Zentralörtliche Abgrenzungs-versuche waren in Deutschland die ein-zigen Ausnahmen, bei der Verbreitungs-phänomene der Kommunikation einenergänzenden Indikator (Zeitungen, Te-lefon) abgaben.

Dies alles ist schon jüngste Geschich-te. Weder die rechtlichen Grundlagen,

schon gar nicht die technische Vielfaltder Kommunikation, auch nicht die in-strumentelle Umsetzung für Unterneh-men und private Haushalte haben heutenoch Wesentliches mit kommunikati-ven Strukturen vor 1980 gemeinsam.Aus Telekommunikation wurde Telema-tik indem Computertechnologie zur Te-lekommunikation hinzukam. In rasanterWeise findet Mobilität technischerKommunikation (Handy) breite Akzep-tanz. Das Internet wurde außerhalb derursprünglich militärischen Anwendungin den USA weltweit zugänglich undbeginnt, die räumlichen Organisations-abläufe entwickelter Volkswirtschaftenwie auch die einiger Entwicklungslän-der global zu überformen. Hunderte vonFernsehprogrammen erreichen über Ka-bel und Satellit die Konsumenten. Eszeigen sich somit die Umrisse einerneuen Gesellschaft, deren Umschrei-bung mit „Informationsgesellschaft“kaum auszudrücken vermag, welch tief-greifender Wandel sich in der Wirt-schaft, im Alltagsleben, im Bildungswe-sen und in der Freizeitgestaltung abzu-zeichnen beginnt.

Trotz der im ausgehenden 20. Jahr-hundert wesentlich verbesserten Bedin-

gungen, Menschen über neue Kommu-nikationsmöglichkeiten zu informieren,induziert der drastische Schub techno-logischer Entwicklungen erneut Phäno-mene der Ignoranz, der Unsicherheitund der Fehleinschätzung. Noch 1890äußerten führende Industriebetriebe imDeutschen Reich die Einschätzung, dassdas Telefon für sie ohne größeren Be-lang sei, es eher als eine technischeSpielerei anzusehen sei. Welche Kurz-sichtigkeit aus der Rückschau undwelch fatale Parallele zur anfänglichenund noch anhaltenden Unterschätzungdes Internets und seiner Rolle vor allemin der Wirtschaft des beginnenden21. Jahrhunderts!

Dienstleistungen im Umfeld der In-formationswirtschaft sind in Deutsch-land zum wirtschaftlich zweitwichtig-sten Dienstleistungsbereich geworden.Wie in vielen anderen Dienstleistungs-sparten fehlt es jedoch fundamental an(zugänglichen) regionalisierten Daten.Die amtliche Statistik hat sich nochkeineswegs an diese veränderten Struk-turen angepasst. Unternehmensinterne,nutzerspezifische Daten werden heutestreng gehütet, weniger aus Aspektendes Datenschutzes, sondern als Marke-tingvorsprung gegenüber Mitbewerbernnach einer Liberalisierung der Telekom-munikationsmärkte nach 1990 (vgl.auch Abschnitt Telekommunikation).

Die im vorliegenden Band getroffeneAuswahl von Beiträgen hat sich also inerster Linie thematisch auch an derVerfügbarkeit von Daten orientierenmüssen, wenngleich eine Fülle vonwirtschaftsräumlich differenzierten Pro-zessen hochinteressante Gesamtüber-sichten versprochen hätten, sofern manvon Fallstudien regional sehr unter-schiedliche Entwicklungen ableitenkann.

Wandel des kommunikativen Verhal-tensDie Schwelle eines veränderten indivi-duellen kommunikativen Verhaltensdurch Einsatz von Kommunikations-technik ist nicht eindeutig zeitlich fest-zulegen. Bis Ende der siebziger Jahre gabes regional und zeitlich noch Ausbau-engpässe des Telefonnetzes der damali-gen Deutschen Bundespost. Ab Mitteder achtziger Jahre wechselten neueKommunikationsdienste von Testversu-chen zu allgemeiner Verfügbarkeit. Biszum Beginn des 21. Jahrhunderts lassensich vier Entwicklungsphasen unter-scheiden. In nur zwei Jahrzehnten er-folgten Entwicklungsschübe der Kom-munikationstechnik, die zuvor (wennüberhaupt vergleichbar) weit mehr alsein Jahrhundert benötigt hätten. In die-ser Dynamik der Entwicklung liegen vorallem die Akzeptanzprobleme von Al-

Telematik – computergesteuerte Tele-kommunikationBackbones – hochleistungsfähige Über-tragungsachsenISDN – Integrated Digital Service Net-workProvider – Online-DienstleisterE-Mail – elektronische PostGlobal Player – weltweit tätiges Unter-nehmenServer – ein Netzwerk oder eine Inter-netadresse bedienender ComputerBrowser – Software zum Lesen von In-ternetseitenE-Commerce – elektronischer Handel;die Variante über Mobilkommunikationwird M-Commerce genanntWAP-Technologie – Wireless Applicati-on Protocol; aufbereitete Seiten im Inter-net können im Mobilfunk über das Han-dy abgerufen werdenGPS – Global Positioning System, Satelli-tennavigationElectronic Banking – elektronische Ab-wicklung von BankgeschäftenTeleshopping – Handel über TVCall Center – Dienstleistung der Bera-tung, Bestellung und Kundenakquisitionper Telefon oder Internet

tersgruppen, die nicht mit solchen tech-nischen Möglichkeiten als Selbstver-ständlichkeit aufwuchsen.

Phase I: 1980 - ca. 1987Auf der Basis der Telefonnetze wurden –immer noch in analoger Technik – neueDienste (fälschlicherweise häufig als„Neue Medien“ bezeichnet) eingeführt:• Telefax (Fernkopieren)• Teletex (elektronisches Fernschreiben)• Bildschirmtext – Btx (erster Online-

Dienst)

Phase II: 1987 - ca. 1992Die Digitalisierung der Kommunikati-onstechnik (Konvergenz mit Computer-technologie) erfordert digitale Vermitt-lungstechnik, leistungsfähige Übertra-gungswege und hochleistungsfähigeÜbertragungsachsen („Backbones“).• Einführung von ISDN (Integrated Di-

gital Service Network)• Aufbau von Glasfasernetzen, Wissen-

schaftsnetze• Weltweite Vernetzung – Öffnung des

Internets, Globalisierung der Kom-munikation

• Expansion der Online-Dienstleister(Provider), z.B. CompuServe, AOL,Datex-J (später unter dem Namen „T-Online“)

Phase III: 1992 - ca. 1998Die Mobilität der Kommunikation so-wie der überschäumende Bedeutungszu-wachs des Internets prägen diese Phase.• Tarifwettbewerb auf dem Telefon-

markt• Mobiltelefonie im digitalen GSM-

Standard (Netze D1, D2, E1, E2 so-wie Satelliten-Direkttelefonie)

Phase IV: 1998 - 2000 und laufendDie Liberalisierung der Netze und Dien-ste im Festnetz, die Aufwertung des In-ternets als Business-Plattform sowie dieLeistungssteigerung der Dienste RRRRR

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26Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Verkehr und Kommunikation

mobiler Kommunikation sind die Merk-male der laufenden Phase.• Liberalisierung der Festnetz-Telefonie

in Deutschland• Internet als Wirtschaftsplattform (In-

ternet, Intranet, Extranet, E-Com-merce, M-Commerce) und als Infor-mationsinstrument (u.a. auch im Bil-dungssektor)

• Substitution von Brief- oder Fax-Kor-respondenz durch E-Mail

• Multifunktionalität der Mobiltelefo-nie für Sprache, Daten (e-Mail, Fax)und teilweise Internetfähigkeit(WAP) und Lokalisierbarkeit (GRPS)

• Konvergenz der Medien und Kommu-nikation durch Multimedia-Anwen-dungen

Die Grenzen der Prognosefähigkeitsolch dynamischer Entwicklungen ha-ben sich – trotz erheblicher Investitio-nen in die Begleitforschung – in denvergangenen zwei Jahrzehnten über-deutlich gezeigt. Vor allem in der Start-phase wurde in der Regel die Akzeptanzfehlgeschätzt und voreilig unzutreffendeSchlüsse gezogen. Gleichzeitig zeigtensich auch in Europa kulturspezifischsehr unterschiedliche Akzeptanzmuster,mit relativ vorauseilender Akzeptanz inSkandinavien (z.B. Mobiltelefonie, PC-Besatz und Internetnutzung). Die Ent-scheidungsträger in Deutschland habensich bis heute immer wieder als zögerli-che Langsamstarter erwiesen. In nurfünf Jahren war bis Anfang der neunzi-ger Jahre Telefax zu einer Standardein-richtung der Kommunikation zunächstzwischen Unternehmen geworden.Noch Anfang der neunziger Jahre sindPrognosen, es könnte bis zum Jahr 2000rund 5 Mio. Mobiltelefon-Nutzer inDeutschland geben, als „verwegene Fan-tasie“ betrachtet worden. Tatsächlichwaren es dann Mitte 2000 mehr als 33Mio. Handyverträge, die in Deutsch-land in Kraft waren 27 (AA Beitrag DeTe-Mobil/Gräf, S. 146).

Noch dramatischer scheint sich der ak-tuelle Nachholbedarf der Wirtschaft zuzeigen, mit allen Leistungen eines Un-ternehmens (nicht nur seinem Vertrieb)im Internet präsent zu sein, auch ohnegleich ein „Global Player“ zu werden,wenngleich technisch als Internetauf-tritt (sofern nicht geschlossene Intra-nets vorliegen) eine globale Verfügbar-keit immer gegeben ist.

Kommunikation und RaumThesen der Raumwirksamkeit der Infor-mations- und Kommunikationstechnolo-gien (IuK) werden seit den achtziger Jah-ren sehr kontrovers diskutiert. Die Kon-vergenz von Raum und Zeit hin zu einerErreichbarkeit in Sekundenbruchteilen,unabhängig von der Distanz der Kommu-nikationspartner, war für Laien fast un-denkbar. Die Vorstellungen von ent-scheidungsbezogener Zentralisierung undarbeitstechnischer Dekonzentration wa-ren elektrisierend, die manchmal aben-teuerlichen Erwartungen von Substituti-onsprozessen (z.B. im Verkehr, im Han-del) schienen verlockend und beängsti-gend zugleich. Unter- und Überschätzun-gen der Rationalität des Handelns hatdie Fehleinschätzungen am stärksten be-flügelt. Anfängliche Fehlprognosen derEntwicklung haben vermutlich am stärk-sten dazu geführt, dass politische Ent-scheidungsträger sich nur vorübergehenddiesem technologischen Feld ernsthaftzugewandt haben. Erst zu Beginn des21. Jahrhunderts, als der Mangel anFachkräften im IuK-Bereich greifbarwurde, zeigen sich die Folgen einer Ver-nachlässigung dieses Strukturwandels.

Die Fixierung auf den Modebegriff derGlobalisierung hat den Blick dafür ver-stellt, dass eine globale technischeHandlungsmöglichkeit von gesetzlichenRahmenwerken begrenzt wurde undwird, die in Deutschland, trotz starkerBeeinflussung durch EU-Recht, immernoch deutlich nationale Züge erkennenlassen. Das Informations- und Kommuni-kationsdienste-Gesetz (IuKDG 1997),mehrere Novellen der Rundfunkstaats-verträge (1987-1997), der Medienstaats-vertrag(1997) sowie die Etablierung derRegulierungsbehörde Telekommunika-tion und Post (1998) und der Landesme-dienanstalten (1984 Landesmediengeset-ze) stellen das Regelwerk über Zulassung,Lizenzierung, Tarifierung und Unterneh-menskonzentration im Bereich der Indi-

vidualkommunikation und der audiovi-suellen Medien dar. Hinzu kommen wei-tere erst im Entstehen begriffene Rege-lungen des Steuerrechts, beispielsweiseim Bereich des E-Commerce.

InternetHat die Mobilkommunikation in ersterLinie die Flexibilität des Einsatzes unddie Standortungebundenheit der Kom-munikation geprägt, so haben dieDurchdringung der Unternehmen undprivaten Haushalte durch das Internet(als System), das World Wide Web(WWW), der Datentransfer mittelsFTP-Servern und die Darstellung derSeiten in der HTML-Sprache bzw. künf-tig der XML-Sprache die Tür zu einergrundlegenden Neuorganisation derWirtschaft geöffnet. Zu Beginn des Jah-res 2000 sollen rund 20 Mio. Bürger inDeutschland Zugang zum Internet ha-ben, teils an ihrem Arbeitsplatz, teilsprivat, in zunehmendem Maße in bei-den Bereichen 31 .

Das vernetzte System von Servernstellt eine universale Plattform dar, dienur an wenigen Stellen Ansätze zu ei-ner Verortung und damit die Möglich-keit zu einer kartographischen Darstel-lung bietet. Die an sich interessanteAnalyse der Diffusion und der räumli-chen Differenzierung der Internetnutzerscheitert am Datenschutz. Weder dieFrage, wo wer welche A Browser nutztoder welche A Provider wo wie vielenPersonen Zugang zum Netz verschaffen,lässt sich heute in raumbezogenenDichtewerten darstellen. Am ehestenlassen sich in Fallstudien Nutzerge-wohnheiten, Nutzungsinteressen undzeitliche Inanspruchnahme erfassen.

Noch zu Beginn des 21. Jahrhundertslassen Diskussionen um Inhalte des In-ternets, Ängste um die Wahrung derpersönlichen Sphäre und um Sicherhei-ten von Kreditkarteninformationen beiKäufen, um Kontrolle und Besteuerbar-keit von Geschäftsvorgängen im Inter-net nicht nach, weil die gewohnten Be-ziehungen auf Basis nationaler Rechts-systeme zumindest mit dem bisherigendefinitorischen Instrumentarium nichtmehr funktionieren.

Solche Bedenken sind in Deutschlandbesonders stark ausgeprägt. Sie sindauch eine Generationenfrage. Das In-ternet ist deshalb in Schlüsselpositio-nen der Wirtschaft lange Zeit unter-

NetzinfrastrukturDeutsche Telekom

MCI WorldcomBertelsmann (Mediaways)

Distefora (Ision)

InhalteBertelsmann

Springer/HoltzbrinckBurdaZDF

Internet-ZugangT-Online

AOLMobilcom (Freenet)Mannesmann Arcor

SoftwareSAP

IntershopMicrosoftBrokat

PortaleYahoo!

Lycos-BertelsmannMicrosoftAltavista

HandelOtto-Versand

Bertelsmann (BOL)Metro (Primus-Online)

Amazon

Wichtige Internet-Unternehmen

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

verkaufte St. (in Mio.)

Wachstumgegenüber 1998 (in %)

Siemens

Panasonic

Samsung

Ericsson

Motorola

Nokia

Sonstige

0 50 100 150 200 250 300

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Verkauf von Mobiltelefonen 1999

Handys der neuen UMTS-Generation

27

28

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27Verkehr und Kommunikation – eine Einführung

schätzt worden, und die Zögerlichkeitenhaben zu Wettbewerbsnachteilen undüberstürztem Nachholbedarf geführt.Banken standen mehr als ein halbesJahrzehnt einer Elektronisierung ihrerKerngeschäfte skeptisch gegenüber, In-dustrie und Handel räumten einerHandlungsplattform auf dem Internet(mehr als nur Verkaufen) kaum beach-tenswerte Chancen ein.

Zur Jahrhundertwende hat sich dieEinstellung radikal gewandelt. Nichtnur die global agierenden Großunter-nehmen (AA Beitrag Grentzer, S. 112),sondern auch die stärker regional einge-bundenen klein- und mittelständischenUnternehmen (KMU) sehen heute imelektronischen Geschäftsfeld (E-Com-merce) 34 35 sowohl zu anderen Unter-nehmen (business-to-business) als auchzu Kunden (business-to-consumer) 2933 32 erhebliche Wachstumspotenzialeihrer Unternehmen, auch wenn diesnicht zwingend mit einer Erweiterungihrer Aktionsreichweite verbunden seinmuss. Die häufig zu lesende Verbindungmit dem Begriff Globalisierung triffthier nur in Teilbereichen die Realität.

Bei der „Netzökonomie“ ist zwischender Ökonomie des Internets und derÖkonomie im Internet zu unterschei-den. Der wirtschaftsgeographisch inter-essante Aspekt eines Strukturwandelsdurch Wirtschaften mit Hilfe des Inter-nets geht weit über die Umstellung vonbisher üblichen Geschäftsabläufen aufdigitale Verfahren hinaus. Auch das„Handeln“ im Netz im doppelten Sinnetrifft nicht den Kern der Veränderung,da sich E-Commerce bereits zur mobi-len Variante des „M-Commerce“ hinbewegt (internetfähige Handys mitWAP-Technologie, z.B. für Finanz-dienstleistungen). Der Blickwinkel, dervor allem Geographen primär beschäf-tigt, ist die relative Distanzlosigkeit desAgierens, bei dem Entfernungen fürTransaktionen im Netz weder zeit- nochkostenbezogen eine Rolle spielen (vgl.Screenshot auf S. 26, der eine Internet-Verbindung von Leipzig – www.ifl-leipzig.de nach Japan –www.toyota.co.jp – verfolgt).

Der Kern der Änderung liegt in derBefähigung, das Marktgeschehen ra-

scher zu analysieren, aus höhererMarkttransparenz Schlüsse zu ziehenund die Realität als ein „strukturiertesChaos“ zu verstehen. Die neuen Mög-lichkeiten im Netz schaffen Handlungs-muster, die eine Erkenntnis komplexerStrukturen künftig mittels neuronalerNetzwerke erlaubt und es ermöglichenwird, sie in unternehmensstrategischeHandlungen umzusetzen, was einen or-ganisatorischen Wandel des Wirt-schaftssystems induzieren wird. Die we-nig durchdachte These, das Internetwürde einen Verlust an Banken- oderEinzelhandelsstandorten zur Folge ha-ben, entbehrt sachlicher Argumente.Rationalisierungsmaßnahmen z.B. derPost- und Bankfilialen sind auch ohneInternet längst geplant gewesen.

Unternehmen nutzen heute in wach-sendem Maße Internettechnologie(TCP/IP-Protokoll, HTML-Sprache),

um unternehmenseigene Netze aufzu-bauen (in anderer Variante auch Corpo-rate Network genannt), und zwar um sieals unternehmensinternes (Intranet)oder –mit selektiver Öffnung für Kun-den – als externes (Extranet) Kommu-nikationssystem zu nutzen (AA BeitragKoch, S. 108).

Die Entwicklung leistungsstarker digi-taler Übertragungstechniken, zunächstISDN, nunmehr im Aufbau die xDSL-Techniken, haben den herkömmlichenKupferkabeln wieder einen verbessertenLeistungsstandard gebracht. Der techni-sche Internetzugang, den einzelne Pro-vider bieten, ist jedoch heute schonnicht mehr an Festnetze der klassischenTelekommunikation gebunden. Längstdrängen TV-Kabelnetze und die Satelli-tenübertragung in den Markt der Hoch-leistungs-Übertragungswege ein, was dieMultimediafähigkeit des Internets erstzur vollen Entfaltung bringen wird.

Kommunikation und MobilitätKaum ein Bereich technologischer Wei-terentwicklung unterlag in den vergan-genen 20 Jahren einer so krassen Fehl-einschätzung der Marktentwicklung wiedie Entwicklung der Mobilkommunika-tion. Zelluläre, leitungsungebundeneTelefonie hatte in Skandinavien undGroßbritannien bereits in den achtzigerJahren eine beachtliche Verbreitung ge-funden. In Deutschland (alte Länder)

hatten das A-, B- und schließlich dasC-Netz der damaligen Deutschen Bun-despost und späteren Deutschen Tele-kom AG einen relativ kleinen Nutzer-kreis. Erst das Durchsetzen eines euro-päischen (später weltweiten) digitalenStandards GSM (ursprünglich GroupSystem Mobil, später Global System forMobil Telefony) bildete die Grundlageeiner höchst dynamischen Entwicklungvom ursprünglich berufsbezogenenKommunikationsinstrument zum zu-nächst gruppenspezifischen Statussym-bol bis zum heutigen Gebrauchsgegen-stand für Jedermann (AA Beitrag Rauh,S. 54). In Deutschland sind seit 1992vier Lizenzen vergeben worden: D1, D2,E-plus und Viag-Interkom. Mitte desJahres 2000 hatten mehr als 33 Mio.Kunden einen Mobilkommunikations-vertrag (davon 26 Mio. in D1- und D2-Netzen) abgeschlossen, die Zuwachsrateist weiterhin steigend.

Zwei wesentliche Erkenntnisse warendamit in Deutschland verbunden. Zu-nächst war dies für einen breiten Kun-denkreis die erste Erfahrung mit RRRRR

55%

32%

8%6% 6% 5% 4% 4%

0

2

4

6

8

10

T-Online AOL YahooOnline

Freenet ArcorMannes-

mann

ViagIntercom

o.tel.o Compu-ServeIntercom

Mio. Nutzer

Internet-Nutzer 1999:15,9 Millionen

8,6

5,0

1,30,9 0,8 0,8 0,7 0,7

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Anteile von Online-Diensten und Internet-Service-Providern 1999

0 20 40 60 80 100

Unterhaltung

InstantMessaging

Spiele

Einkauf

AktuelleNachrichten

Ausbildung

Informations-beschaffung

E-Mail

19

21

22

30

29

45

39

41

51

59

61

85

Prozent

7595

3815

Tätigkeit (Anteil derInternet-Nutzer)

Häufigkeit (Anteil derOnline-Sitzungen)

12000 Befragtein den USA undKanada

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Zweck der Internet-Nutzung

pro Merkmal maximal 10 Punkte

Interaktivität Inhalt Navigation Geschwindigkeit Design

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50

4

7

8

7

8

8

8

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5

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6

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7

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7

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7

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9

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8

8

9

8

10

9

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Bankgesellschaft Berlin (D)

Hypo-Vereinsbank (D)

CCF (F)

Llyods-TSB (GB)

MeritaNordbanken (F/S)

Bank of Ireland

Royal Bank of Scotland

Commerzbank (D)

SEB (S)

Swedbank (S)

Dresdner Bank (D)

Union Bank of Switzerland

Deutsche Bank 24 (D)

Credit Suisse (CH)

Gesamtpunkte

Bewertung der Internet-Auftritte europäischer BankenJanuar 2000

Call-Center

29

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28Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Verkehr und Kommunikation

Wettbewerb im Bereich der Telekom-munikation. Darüber hinaus war erst-mals zu begreifen, welche Rolle Mobili-tät in der Kommunikation spielen kann,insbesondere dann, wenn nicht nurSprache, sondern Daten, Faxe und E-Mails übertragen werden können. DasHandy hat nicht zuletzt in seiner Multi-funktionalität die dynamische Markt-durchdringung bewerkstelligt, es istlängst über berufliche Kommunikation,Notfall- und familiäres Koordinations-

instrument hinaus zum Freizeitinstru-ment Jungendlicher geworden, derenLifestyle von Handybesitz und Nutzungvon Kurzmitteilungen (SMS – Short-Message-Service) geprägt wird, die überdie früher schon häufig herausgestellte„Telefonitis“ Jugendlicher noch deut-lich hinausgeht.

Mobilkommunikations-Provider undihre Lizenzen sind national begrenztund reguliert. Die Funktionalität erfor-dert jedoch, dass sowohl zwischen denMobilnetzen als auch zum FestnetzKommunikation möglich ist. Ebensowird erwartet, dass ein Handy auch imAusland funktioniert. Zu diesem Zweckschließen die Provider national wie in-ternational sog. Roaming-Verträge ab.So wie die heutige nahezu flächende-ckende Versorgung mit Mobiltelefonieein halbes Jahrzehnt an Diffusionszeitbenötigte, galt das auch für das europäi-sche und andere Kontinente umfassendeinternationale Roaming.

Die Entwicklung der Mobilkommuni-kation ist damit aber nicht abgeschlos-sen. Die nächsten Stufen beinhaltenmit WAP-Handys die Erreichbarkeit be-stimmter Internet-Dienstleistungen aufdem Handy bis hin zu lokalen Navigati-onshilfen (Stadtplan auf dem Handy)mit Satellitenunterstützung (GPS). EinEngpass für die zuvor erwähnten An-wendungen der Mobilkommunikationsind die noch knappen Übertragungsra-ten von 9,6 kbits/s. In wenigen Jahrenwird der UMTS-Mobilkommunikat-ions-Standard gelten, der deutliche Er-höhungen der Übertragungsgeschwin-digkeit zulassen wird und dessen Lizen-zen in Europa im Bewerbungsverfahren(Beautycontest) oder auf dem Versteige-rungswege vergeben werden. Erste Ver-besserungen der Übertragungsleistungenbrachte bereits das Mitte 2000 von derDeutschen Telekom räumlich stufen-weise eingeführte GPRS-Verfahren. Diesatellitengestützte Mobilkommunikati-on, weltweit für private Nutzer seit1999 verfügbar, hat im ersten Anlaufihre Marktreife noch nicht behauptenkönnen, das Unternehmen Iridium gingKonkurs.

Mobilität und Mobilkommunikationhaben nicht nur den privaten Lebensstilvieler Menschen verändert, sondern er-möglichen auch neue Arbeitsformen.Die meisten der unterschiedlichen For-men von Telearbeit lassen eine Tren-nung zwischen Hauptverwaltung undStandort des Arbeitsplatzes (Wohnung,Telearbeitszentrum, Nachbarschaftszen-

trum u.ä.) zu (AA Beitrag Grentzer,S. 112). Beide Standorte sind in der Re-gel stationär. Mobilität der Telekommu-nikation bedeutet jedoch im engerenSinne, auch bei ständig wechselndenStandorten in gleicher Qualität wie sta-tionär kommunikativ handlungsfähig zusein. Außendienstmitarbeiter (beraten-de Berufe, Versicherungs- und Bauspar-kassenvertreter) erzielen durch die mo-bile Vernetzung dabei eine Dienstleis-tungsqualität vor Ort, die einer Präsenzin der Hauptverwaltung entspricht.

Medien und MedienstandorteDer zweite große Bereich der Kommuni-kation ist die Massenkommunikation,deren Teilbereiche überwiegend als Me-dien bezeichnet werden. Medien habenin den vergangenen dreißig Jahren ei-nen der Telekommunikation durchausvergleichbaren Strukturwandel vor al-lem im audiovisuellen Bereich vollzo-gen. In Deutschland wurde das Mono-pol der öffentlich-rechtlichen Rund-funk- und Fernsehanstalten aufgehoben.Der Boom der privaten Anbieter, diewachsende Vielfalt der Übertragungs-techniken (terrestrisch, TV-Kabel, Sa-telliten), die Vervielfachung des Pro-grammangebots und die (den Internet-aspekten ähnliche) Schwächung natio-

naler Kontrollmöglichkeiten hat diesenWandel am stärksten befördert.Private Rundfunk- und Fernsehanstal-ten haben – bei gleichzeitig stark wach-sendem Volumen – eine Verlagerungvon Werbeausgaben der Wirtschaftnach sich gezogen, die vor allem zu Las-ten der öffentlich-rechtlicher Rund-funk- und Fernsehanstalten sowie derPresseverlage ging. Diese Verlagerungenhaben zu Konzentrationsprozessen imPresseverlagswesen geführt, da beileichtem Rückgang des Zeitunglesens(bzw. der Bereitschaft, Tageszeitungenzu kaufen) ein deutlicher Rationalisie-rungsdruck entstand 38 . Gleichzeitignahm die Verflechtung zwischen denMedienzweigen zu, nicht zuletzt, umdurch eine Diversifizierung den Verlags-bereich abzusichern.

In der aufgezeigten Prozesskette weisteiniges auf die Konvergenzthese hin,nach der individuelle Kommunikation(Internet) zu einer Plattform der Prä-sentation klassischer Medieninhaltewird. Die Substitution (z.B. Internetstatt gedruckte Zeitung, Radiohören imInternet) ist noch relativ gering ausge-bildet, die übergreifende Verknüpfungbeider Bereiche ist jedoch bereits un-verkennbar, insbesondere zum Zweckeder Kundenbindung 36 .

Rang Bank Zahl der Internetkunden

123355588

1010102234

Credit Suisse (CH)Deutsche Bank 24 (D)Dresdner Bank (D)Union Bank of SwitzerlandCommerzbank (D)SEB (S)Swedbank (S)Bank of IrelandRoyal Bank of ScotlandCCF (F)Llyods-TSB (GB)MeritaNordbanken (F/S)Hypo-Vereinsbank (D)Bankgesellschaft Berlin (D)

Internet-Auftritte europäischer Banken

0 200000 400000 600000 800000 1000000

150000150000150000

980009800098000

k. A.

k. A.

k. A.

70000

178500178500178500

280000

332000332000332000

20000

43000

3500

67000

825000

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

wichtigsehrwichtig

Preissetzung durchAuktionsverfahren

deutschsprachigerStandort des Anbieters

Informationsaustauschzwischen Kunden

lokaler Kundenservice

gemeinsamer Auftrittmit anderen Anbietern

Internetabfrage nachBestellstatus

Angebot einerpersönlichen

Kontaktaufnahme

bildliche Darstellungvon Produkten

Webseite in deutsch

bevorzugte Bedienungvon Stammkunden

Preisvorteil beiOnline-Bestellung

Sicherheit derDatenübertragung

Schnelligkeit beimLaden der Webseite

8

4

12

12

16

12

16

24

16

36

68

76

24

16

24

20

32

36

40

40

32

44

36

24

20

0 20 40 60 80 100Prozent

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Was für die Einkäufer bei E-Commercewichtig ist

1999 2000 2001 2002

Prognose

0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

D GB F S I ES SUI

Mio. Kunden

ausgewählte Länder Europas

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Online-Aktienhandel 1999-2002

Verkehrsleitzentrale in Hannover

32 33

34

Page 18: Verkehr und Kommunikation – eine Einführungarchiv.nationalatlas.de/wp-content/art_pdf/Band9_12-29... · 2017-02-16 · 13 Verkehr und Kommunikation – eine Einführung Wichtige

29Verkehr und Kommunikation – eine Einführung

Eine Fülle sozial- wie wirtschaftsgeogra-phischer Fragen knüpft an diese Ent-wicklungen an. Hat die wachsende Zahlder Kreise, in denen die lokalen Tages-zeitungen nur noch einen Zeitungsman-tel haben, die Vielfalt der regionalenInformation und Kommunikation ver-ringert oder nur auf andere Ebenen ver-schoben? (AA Beitrag Rauh, S. 122) Diegroße Zahl von Medienunternehmenund ihrer Zulieferbetriebe lässt wieder-um die Entwicklung von Medienstand-orten erkennen, deren Konzentrationmit zentralörtlichen Ansätzen nur teil-weise zu erklären ist und zunehmend(ähnlich den Technologiestandorten)auf Standortmarketing, Nachbarschafts-effekte und Imageeinflüsse zurückzufüh-ren ist (AA Beiträge Gräf/Matuszis,S. 114, und Gräf, S. 116).

Das Wirtschaftsrecht der EU fordertauch im Mediensektor einen freienWettbewerb, so dass mit Beginn desJahres 2000 schrittweise – zunächst inNordrhein-Westfalen und Hessen – dasKabelnetz der Telekom privatisiert undin internationale Konsortien der Kabel-vermarktung mit weiter gehendenDiensten wie Internet, interaktivemShopping u.a. eingebunden wurde.

Allgemein ist der Bevölkerung diezentrale Rolle der Werbemärkte für dieSteuerung der Medienstrukturen wenigbewusst, obwohl – über diese Steue-rungsfunktion hinaus – Werbung alskommunikatives Element nicht nur

Verluste

Veränderungvon 1998-1999

Zuwachs

0 50 100 150 200 250 300 350 400 450

LeipzigerVolkszeitung

HamburgerAbendblatt

Freie Presse,Chemnitz

Sächsische Zeitung

STZ Anzeigengem.,Stuttgart

Rheinische Post

Handelsblatt

SüddeutscheZeitung

ZeitungsgruppeWAZ

FrankfurterAllgemeine Zeitung

Umsatz in Mio. DM© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Werbeumsatzstärkste Tageszeitungen1998/99

führendefünf Unternehmen

nächstefünf Unternehmen

übrigeUnternehmen

13

13

11

18

19

23

33

34

47

50

55

62

65

4

4

7

9

8

13

8

9

10

7

11

12

15

83

83

82

73

73

64

59

57

43

43

34

26

20

0 20 40 60 80 100

Bücher

Radio

Zeitungen

Zeitschriften

Informationsdienste

Free TV

Kabelfernsehen

Bildungsverlage

Fachverlage

Online-Dienste

Musik

Fimverleih

Satellitenfernsehen

Anteil am weltweiten Umsatz im Segmentin %

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Konsolidierungspotenzial auf demMedienmarkt in den 90er Jahren

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

Business Channel

Coupe

Bild online

Spiegel online

Heise online**

Stern online

TV Today Network

Praline Interaktiv

Tomorrow Network

Focus online

* Besuche in Mio.

2,2

3,8

3,9

3,9

5,4

5,4

6,1

4,4

12,8

18,6

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000

Beliebteste Zeitungen und Zeitschriftenim Internet, November 1999

* Die Zahl enthält auch Doppel-zählungen. Außerdem rechneneinige Verlage die Besucherauf verwandten Internet-Seiten mit.

** Startseite des Verlages

Marken- und Produktwerbung, sondernhäufig auch Standort- bzw. Regional-werbung beinhaltet (AA Beitrag Floe-ting, S. 110). Bestimmte Einzelhandels-formen, Filialisten, Fremdenverkehrs-und Freizeiträume sind Beispiele hierfür.Diese raumrelevante Funktion ist mitder Verbreitung von lokalen bzw. regio-nalen Rundfunksendern noch deutli-cher geworden (AA Beitrag Gräf u.a.,S. 118).

Märkte und MarktpartnerMärkte im Umfeld von Kommunikationsind mindestens in drei Ebenen zu glie-dern:• Märkte des Angebots von Geräten,

Infrastruktur und Netzen einschließ-lich Software, soweit auch PC-Tech-nologie eingebunden ist

• Märkte der kommunikativen Diensteauf den Fest- und Mobilnetzen

• Märkte der auf kommunikativenDiensten aufbauenden Dienstleistun-gen, z.B. E-Commerce, M-Commerce,Electronic Banking, Teleshopping

Alle diesen Märkten ist eine mehr oderminder starke Konzentrationstendenzeigen, die sich zunächst in Kooperati-onsformen, später in freundlichen oderfeindlichen Übernahmen (Fusionen)äußert (Anfang 2000 beispielsweisespektakulär zwischen dem britischenKonzern Vodaphone und der Mannes-mann AG (D2)). Zahlreiche Koopera-tionen haben sich als kurzlebige Zweck-bündnisse gezeigt, z.B. zwischen FranceTelecom und der Deutschen Telekom.In der Expansionsphase versuchen Un-ternehmen in wachsendem Maße durcheine Börseneinführung Zugang zum Ka-pitalmarkt zu finden, um das aktuellespekulative Klima in weiten Bevölke-rungskreisen zu nutzen; als Beispiel seihier der Börsengang von T-Online imApril 2000 genannt.

Neben diesen sich in bekannten juris-tischen Bahnen von Kapital- und Perso-nengesellschaften vollziehenden Ände-rungen entstehen mit eher kurzfristiger,zunächst zumindest nicht überschauba-rer Lebensdauer virtuelle Märkte oderUnternehmen. Aus Ungewohntheitund Zweifel an der Anwendbarkeit derüblichen Sicherheitsmechanismen vonKauf- oder Dienstleistungsverträgennach nationalem Recht oder aus Miss-trauen gegenüber den Zahlungsmodali-täten bestehen in Deutschland nochweit verbreitete Vorbehalte gegenübersolchen Unternehmen. In manchenAspekten erinnert diese Durchgangs-phase an den Wechsel von Barzahlun-gen zu Gunsten der Zahlung mitSchecks, Kredit- oder Debit-Karten.

Die Informations-Ökonomie und dieInternet-Ökonomie werden weit rei-chende Umstrukturierungen unseresWirtschaftslebens mit sich bringen. Ob-wohl viele der induzierten Prozessedurchaus wirtschaftsgeographischenCharakter haben, wird – von Fallstudi-en abgesehen – die kartographischeDarstellung dieser Prozesse (z.B. Diffusi-on und Retraktion von Zweigstellennet-zen) rasch an die Grenzen der Bereit-

stellung von Daten stoßen. Auch dervorliegende Atlasband hat sich im Teil„Kommunikation“ aus diesem Grundganz erheblich beschränken müssen, dasich namhafte Unternehmen aus Furchtvor der Preisgabe marktrelevanter Da-ten gegenüber Wettbewerbern bedecktgehalten haben. Selbst ausgefeilte In-strumente des GIS (Geographische In-formationssysteme) laufen ins Leere,wenn ausreichend regionalisierte Da-tengrundlagen nicht zugänglich sind.

InformationsgesellschaftenInformationsverfügbarkeit wird zu ei-nem strategischen Instrument zahlrei-cher Unternehmen werden. Märkte,Kundenbetreuung und Präsentationenwerden ebenso zu den digitalen Hand-lungsfeldern gehören wie Auskünfte,Einkäufe, ärztliche Beratung oder Bank-geschäfte. In den kommenden beidenJahrzehnten wird der „digital divide“spürbar werden, d.h. das Aufteilen derGesellschaft in Mitglieder, die diese di-gitale Welt zur ihrem Vorteil nutzenkönnen, und solche, die davon aus un-terschiedlichen Gründen ausgeschlos-sen bleiben. Diese gesellschaftliche Ent-wicklung ist von vielen Seiten, nichtzuletzt auch im Hinblick auf noch nichttechnisch entwickelte Gesellschaften,heftig kritisiert worden. Die scharfenGegensätze werden sich in den näch-sten Generationen abschwächen, abersie werden nicht verschwinden. Tech-nologischen Trennungen nach Befähi-gung bzw. Ausschluss sind nicht neu.Heute gilt es als normal, dass es erwach-sene Menschen mit und ohne Pkw-Füh-rerschein gibt; die persönlichen Er-schwernisse als Folgen sind denen des„digital divide“ nicht unähnlich.

Dienstleistungen einer vernetztenGesellschaft werden heute noch häufigals eine Kopie der nicht digitalen Dar-bietung umgesetzt (z.B. bei E-Commer-ce). Für eine wirtschaftsgeographischeSicht der Entwicklung sind aber jeneArbeitsformen und Berufe sowie ihre je-weiligen Standorte von großem Interes-se, die es bislang nicht oder nur verein-zelt gab. Call-Center für eine sehr brei-te Palette von Einsatzmöglichkeitensind nur ein Beispiel hierfür (AA BeitragGräf, S. 106).

Die nachfolgenden Beiträge zeigeneine Momentaufnahme auf dem Wegezu einem neuen Gesellschaftstyp. Dievernetzte Informationsgesellschaft hatmultimediale, mobile, individuelle so-wie massenmediale Bedürfnisse, diekünftig über gemeinsame Netzwerkemit universellen „Endgeräten“ (TV-Ge-rät, Handy, PC) erfüllt werden. Sie wer-den zunehmend stärker mit den Berei-chen der traditionellen Kommunikat-ions-, Verkehrs- und Logistikbereichevernetzt werden. Zu diesem Komplexfinden Sie in diesem Atlasband ausge-wählte Themen in Karten und Textendargestellt.?

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