Verrückter Alltag

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Martin Schaffner Verrückter Alltag. Martin Schaffner Verrückter Alltag. Ein Historiker liest Goffman Martin Schaffner The time is out of joint. Shakespeare, Hamlet I.5 Das Werk Erving Goffmans ist in der Geschichtswissenschaft zwar zur Kenntnis genommen, aber nicht wirklich rezipiert worden. In der Sozialge- schichte, der Mikrogeschichte, der Historischen Anthropologie haben die Arbeiten Goffmans nur wenige Spuren hinterlassen. 1 Das Gleiche gilt für die Kulturwissenschaften überhaupt, in deren Erneuerung der amerikanische Soziologe kaum eine Rolle spielte, auch wenn er vereinzelt dem „performa- tive turn“ zugerechnet wird. 2 Eine Rezeption Goffmans fand auch dort nicht statt, wo sie am meisten zu erwarten gewesen wäre, nämlich in der ,Alltags- geschichte‘, die sich in den 1980er Jahren als eigenständiges Forschungsfeld etablierte. 3 Dass dies nicht geschah, lag zum einen am wissenschaftsgeschichtlichen Kontext der 1980er und 1990er Jahre und zum andern am Werk Goffmans selbst. Hatte sich die Neuorientierung der Geschichte in den 1960er und 72

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Martin Schaffner Verrückter Alltag.Martin Schaffner

Verrückter Alltag. Ein Historiker liest Goffman

Martin Schaffner

The time is out of joint.Shakespeare, Hamlet I.5

Das Werk Erving Goffmans ist in der Geschichtswissenschaft zwar zurKenntnis genommen, aber nicht wirklich rezipiert worden. In der Sozialge-schichte, der Mikrogeschichte, der Historischen Anthropologie haben dieArbeiten Goffmans nur wenige Spuren hinterlassen.1 Das Gleiche gilt für dieKulturwissenschaften überhaupt, in deren Erneuerung der amerikanischeSoziologe kaum eine Rolle spielte, auch wenn er vereinzelt dem „performa-tive turn“ zugerechnet wird.2 Eine Rezeption Goffmans fand auch dort nichtstatt, wo sie am meisten zu erwarten gewesen wäre, nämlich in der ,Alltags-geschichte‘, die sich in den 1980er Jahren als eigenständiges Forschungsfeldetablierte.3

Dass dies nicht geschah, lag zum einen am wissenschaftsgeschichtlichenKontext der 1980er und 1990er Jahre und zum andern am Werk Goffmansselbst. Hatte sich die Neuorientierung der Geschichte in den 1960er und

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1970er Jahren in Auseinandersetzung mit makrosoziologischen und ökono-mischen Paradigmen vollzogen, so waren es in den Achtziger- und Neunziger-jahren die Debatten mit Ethnologie und Kulturanthropologie, welche die Wei-terentwicklung der Sozialgeschichte und die Erschließung neuer Forschungs-richtungen vorantrieben.4 Dass Goffman in der Mikrogeschichte und in derAlltagsgeschichte keinen Ort fand, hatte auch mit seinem Werk zu tun. Die-sem fehlen historische Tiefenschärfe und die Problematisierung von Herr-schaft und Macht, worauf Richard Sennett bereits 1977 hinwies.5 Zudem ent-wickelte Goffman weder eine explizite Theorie noch eine methodische Anlei-tung, die sich für die historische Rekonstruktionsarbeit hätten nutzen lassen.

Das alles verstellte den Blick auf das Potenzial der Goffman’schen Analy-sen und erschwerte oder verhinderte eine produktiv-sichtende Lektüre seinerBücher. So wurde übersehen, dass Goffman in einer Zeit, da „die ,grandtheories‘ des Strukturfunktionalismus und des Marxismus Hochkonjunkturhatten“, eine Vorstellung von sozialer Realität entwickelte, die weder anKlasseninteressen gebunden noch von gesamtgesellschaftlichen Normen-systemen abhängig war.6 Er rückte das Alltagshandeln ins Zentrum und ent-warf ein Profil von Akteuren mit hoher sozialer und kultureller Kompetenz,was eigentlich dem Anliegen der Alltagsgeschichte entsprochen hätte.7 Goff-mans Konzeption von Handlungs- und Rederäumen, sein Beharren auf derAnalogie des dramaturgischen Handelns und die Vorliebe für ein Verfahren,das man ohne Einschränkung als ,dichte Beschreibung‘ bezeichnen kann,enthalten ein Potenzial für quellengestützte Untersuchungen von Lebensver-hältnissen, und zwar über den alltagsgeschichtlichen Horizont hinaus. Im Fol-genden erprobe ich eine an Goffman orientierte Lektüre von Akten über ver-haltensauffällige Frauen und Männer.

Eine wertvolle Quelle historischer Informationen über ,Alltagshandeln‘ stel-len die Dossiers dar, die im Kontext polizeilicher Ermittlungen und amtsärztli-cher Verfahren entstanden. Denn die Justizverwaltung, die sich in der zwei-ten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend professionalisierte, verlangtedie genaue Dokumentation aller Verfahrensschritte und die Archivierung derAkten. Auch das Staatsarchiv Basel verfügt über große Bestände dieser Art.Dazu gehören die Protokolle polizeilicher Befragungen und die amtsärztli-chen Berichte über Personen, die wegen auffälligem Verhalten in der Stadtangehalten, angezeigt, amtsärztlich untersucht und in die Irrenanstalt ver-bracht wurden. Eigentliche Krankengeschichten finden sich in diesen Falldos-siers nicht, dafür Briefe, vereinzelt von den Betroffenen selbst, sowie Schrift-stücke, die den Verlauf des Verfahrens dokumentieren.8 Um es auszuwerten,

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muss man sich die Entstehung dieses Textmaterials bewusst machen, dennzunächst dokumentieren die Justiz- und Polizeiakten das Alltagshandeln derBürokratie, auch wenn darin Sprechakte und Handlungen der Betroffenennotiert sind.9 Aus den Akten lassen sich darum zwar „Fälle“ rekonstruieren,aber keine Lebensgeschichten; die Dossiers vermitteln nicht mehr als frag-mentarische Einblicke in die Existenz von Menschen, die in Schwierigkeitengerieten und krank wurden.10 Dies darf nicht außer Acht lassen, wer, Goffmanfolgend, die Protokolle von Polizisten und Amtsärzten aus der Position einesBeobachters von Alltagshandeln liest.

Die Beobachtungen, welche die Polizisten in ihren Protokollen und Berich-ten über das Verhalten der ihnen gemeldeten auffälligen Personen notierten,verraten ein Bemühen um objektivierende Genauigkeit.11 Neben den Betrof-fenen selbst befragten sie auch Familienangehörige, Nachbarn, Arbeitskolle-gen und andere Bekannte, wie im Fall des 41-jährigen Färbereiarbeiters Jo-hann Jakob S., der von seiner Frau angezeigt worden war. Sein Hausmeister,eine frühere Hausmeisterin, eine Nachbarin und der Vorgesetzte am Arbeits-platz mussten über ihn Auskunft geben. Ihre Aussagen stimmten weitgehendüberein: „S. sei nicht recht im Kopfe, man merke es gut, da er immer nur vomHeiland rede und kindische Redensarten führe . . .“ (Hausmeister). „S. sei re-ligiös wahnsinnig und öfter sehr bösartig. Bei jeder Gelegenheit sage er ichmuss zuerst den Heiland fragen, was er zu der Sache meint . . .“ (Nachbarin).„Man kann mit Bestimmtheit sagen S. ist religiös wahnsinnig . . . Bei der Ar-beit . . . habe er gemacht was er habe wollen . . . immer mit der Ausrede: Ichhabe mit dem Heiland schon darüber geredet, er will es so haben . . .“ (Vorge-setzter). Dem berichterstattenden Polizisten kam es auf konkrete Einzelhei-ten an, und so hielt er die folgende Beobachtung des Vorgesetzten fest:„Dann habe er (d. h. S.) . . . während der Arbeit einen Blechkessel, welcherim Hofe stand, genommen und auf demselben los getrommelt . . .“12

Vergleicht man die Aussagen der Befragten, fällt trotz einiger Unter-schiede die Übereinstimmung zwischen ihnen auf. Sie erwähnen die Sätze,mit denen S. „den Heiland“ ins Spiel bringt, um festzustellen, er sei „nichtrecht im Kopf“, „nicht ganz normal“, „religiös wahnsinnig“ etc. In den Situa-tionen, an denen sie partizipieren und zugleich das auffällige Gebaren beob-achten, wird aus dem Ehemann, Nachbarn und Untergebenen ein Verrückter.Auf den gleitenden Skalen zwischen Vertrautheit und Fremdheit, Vernunftund Unvernunft, Gesundheit und Krankheit wird S. von seiner Umgebung be-reits verortet, bevor ihn ein Arzt auch nur angesehen hat. Damit wird er ausdem Alltag in eine andere soziale Ordnung versetzt, was wenige Tage spätermit seiner Einweisung in die Irrenanstalt auch administrativ vollzogen wird.Das Textmaterial, in dem von diesen Vorgängen die Rede ist, lese ich jenseitssprachlicher Konventionen, wie es Goffman als scharfsichtiger Beobachterdes Alltags getan haben könnte. Ich löse die unangemessenen Sprechakte,

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unpassenden Gesten und seltsamen Erzählungsfragmente aus den Kontex-ten ihrer behördlichen Verschriftlichung und tue, als ob ich selbst sie beob-achtet hätte. Ich nehme Goffmans berühmte Frage, leicht abgewandelt, auf:„Was ging hier eigentlich vor?“13

In dem 1964 erstmals veröffentlichten Aufsatz „Psychische Symptomeund öffentliche Ordnung“ reflektiert Goffman psychotisches Verhalten, in-dem er dieses nicht unter dem Aspekt der Symptomatologie betrachtet, son-dern als „eine Form sozialen Fehlverhaltens“14. Er führt das Konzept der „si-tuationalen Unangemessenheit“ ein und vermeidet es, zwischen „symptoma-tischer und nicht-symptomatischer Unangemessenheit“ zu unterscheiden.15

Goffman geht der Frage nach: „Auf was für eine Art sozialer Ordnung beziehtsich psychotisches Verhalten?“ und will zeigen, dass sich dieses auf die Re-geln bezieht, durch welche ,Situationen‘ konstituiert werden.16 Damit ist einProgramm entworfen, das weitreichender ist, als es zunächst scheint. Aufdreifache Weise weitet Goffman nämlich den Blick für die historische Arbeitmit Material wie dem Fall Johann Jakob S. Erstens lenkt er die Aufmerksam-keit weg von der Individualität der Akteure hin zu ihrer Gesellschaftlichkeitund damit zu ihrer Geschichtlichkeit und bewahrt so die Forschung davor, indie Fallen des biographischen oder des psychologischen Reduktionismus zugeraten. Zweitens löst er die Frauen und Männer, über die in den Akten be-richtet wird, aus der Umklammerung psychiatrischer und administrativer Dis-kurse. Und indem er drittens in seiner spezifischen Art auf Verhaltensweisenfokussiert, stellt er die Vielfalt „unangemessener“ Handlungsoptionen inRechnung, die im Fallmaterial dokumentiert ist.

Worin aber bestand die „Unangemessenheit“ im Verhalten von S.? In denBefragungsprotokollen sind drei Gründe erwähnt: seine Streitsucht, seineGewalttätigkeit, das fromme Reden und Beten. Am wichtigsten, weil von al-len Befragten und dem Physikus (dem Amtsarzt) herausgestrichen, er-scheint der religiöse Aspekt. S. „studiert den ganzen Tag in der Bibel herum“(seine Frau), „rede immer vom Heiland“ (Hausmeister, Vorgesetzter), fragtdiesen immer (Physikus), betet zur Unzeit (Hausmeisterin), „führt eine Men-ge aus dem Zusammenhang gerissene und missverstandene Bibelstellen an“(Physikus). Unangemessen sind diese Sprechakte und Gesten, weil sieaußerhalb ritueller oder ritualisierter Situationen stattfinden, somit der so-ziale Rahmen fehlt, der ihnen Sinn gäbe. Entscheidend ist nicht das Fehlen ei-nes kultischen Raums: Beten kann man auch zu Hause, aber nicht „mitten inder Nacht“ (Nachbarin), in der Bibel lesen auch, aber nicht „den ganzen Tag“(seine Frau). Auch über den Heiland lässt sich außerhalb von Kirche und Got-tesdienst reden, vielleicht sogar in der Fabrik, aber nicht permanent und so,als ob man ständig mit ihm im Kontakt stünde (Vorgesetzter). Bezeichnendist die letzte Situation, nicht nur weil die Unangemessenheit der Reden evi-dent ist, sondern auch weil ihre pragmatische Sinnhaftigkeit manifest wird.

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Auch wenn die Zuschreibung von konkretem Sinn stets hypothetisch bleibt:Dass S. sich gegenüber seinem Vorgesetzten in der Fabrik auf eine höhere,die höchstmögliche Instanz beruft, heißt, dass er dessen Autorität, seine Ab-hängigkeit von ihr und das Beziehungsmuster ablehnt, das sie begründet.Aufschlussreich ist ferner, wie die Befragten das auffällig-unangemesseneVerhalten von S. bewerten, indem sie dessen performativen Charakter her-vorheben. Am deutlichsten spricht es sein Vorgesetzter aus: „Dann habe er(S.) während der Arbeit einen Blechkessel welcher im Hofe stand genommenund auf demselben losgetrommelt, dass es einen Mordsspektakel absetzteund auf Befragen dann geantwortet: auf diese Weise könne man den Teufelvertreiben. Herr S. (d. h. der Vorgesetzte) sagt solche Stücklein ließen sichnoch viele anführen“. Die Worte „Stücklein“ und „Spektakel“ verweisen aufdie Theatralik der Auftritte von S., ein Handlungsaspekt, für den Goffman1956 das Konzept des „dramaturgischen Handelns“ einführte.17 Als „unange-messen“ stellt sich ein Handeln heraus, das nicht situationsbezogen und rah-mengerecht ist, aber einer „Dramaturgie“ folgt, welche die Beteiligten ver-stehen, wenn auch nicht in gleicher Weise.

Dass Goffmans spezielles Interesse dem auffälligen Verhalten psychischkranker Menschen galt, ist bekannt.18 Allerdings steht meist seine Beschäfti-gung mit Insassen von Psychiatriespitälern im Vordergrund.19 Weniger be-achtet worden ist der Erkenntniswert, den Goffman psychotischem Verhaltenaußerhalb psychiatrischer Institutionen beimaß. Aufschlussreich dafür ist der1969 erstmals publizierte, in deutscher Sprache 1974 veröffentlichte Aufsatz„Die Verrücktheit des Platzes“20. Darin geht Goffman von der Idee aus, „dassdie Geisteskrankheit . . . vor allem ein sozialer Bezugsrahmen ist, ein Be-griffssystem, eine Perspektive, die auf soziale Verstöße angewendet werdenkann, um sich diese verständlich zu machen“21. Seine Untersuchung geht vonder Frage aus: „Wie ist der soziale Verstoß, auf den in charakteristischer Wei-se der Bezugsrahmen ,Geisteskrankheit‘ angewandt wird, in unserer Gesell-schaft beschaffen?“ Goffman betont den demonstrativen Charakter psychi-scher Symptome, auch ihre Vorsätzlichkeit und stellt fest, dass „öffentlicheund halböffentliche Plätze“ für derartige Symptome ein „besonders wichtigerorganisatorischer Ort“ seien.22 Denn im Kern gehe es um „genau abge-grenzte Formen der persönlichen Territorialität“ und um deren „Respektie-rung“ (als) „ein entscheidendes Mittel für die Strukturierung gegenseitigerAnwesenheit“23. Die Territorialität, die Goffman meint, ist sowohl wörtlich alsauch im übertragenen Sinn zu verstehen, als Konfiguration der Bewegungs-,Handlungs- und Rederäume, in denen sich das Selbst konstituiert und be-

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haupten muss. „Individuum“ und vor allem „Selbst“ sind zentrale Kategoriendieses Textes, der sich um das Problem dreht, wie sich „die Person und dasSelbst eines Individuums“ im „öffentlichen Austausch“ konstituieren. Im Fol-genden diskutiere ich an einem weiteren Beispiel das Potenzial dieses Ansat-zes für die historische Fallanalyse. Es geht um die schwierige Suche nach denRepräsentationen des „Selbst“ und der ihm zustehenden „persönlichen Terri-torialität“ in Aktenmaterial, das, textsortengebunden und weitgehend stan-dardisiert, primär das alltägliche Verwaltungshandeln der Behörden doku-mentiert. Ich lese die Akten auf ihren Gehalt an „Selbstzeugnissen“ hin, aberanders als die historische Selbstzeugnisforschung es tut, achte ich auf dieKundgebungen eines „Selbst“, das sich nicht schriftlich und nicht im Rahmenautobiographischer Inszenierung artikuliert.

Im gleichen Archivbestand, in dem das Dossier über Johann Jakob S. ab-gelegt ist, finden sich auch die Akten über Anna M.24 Anna M., geboren am28. 1. 1863, ist 33 Jahre alt, als die Behörden sich mit ihr befassen.25 Sie isttaubstumm, ledig und lebt allein in einem Zimmer in der Altstadt. Aktenkun-dig wird sie, weil die Hausbesitzerin zur Polizei geht und aussagt: „In unseremHaus wohnt seit ca. einem Jahr die Näherin Anna M. . . . welche notwendigversorgt werden sollte, weil sie geistesgestört und nicht mehr fähig ist, ihrBrot zu verdienen . . . Die Genannte hält sich fast immer in ihrem Zimmer ein-geschlossen . . .“26 Der mit weiteren Abklärungen beauftragte Detektiv be-stätigt diese Angaben und rapportiert die Aussagen der Nachbarn, Anna M.„spektakle des Nachts oft im Zimmer, dass man in der Nachtruhe gestörtwerde“. Ausführlicher ist der Bericht des Amtsarztes, der die Hausbesitzerinbefragt hat.27 Diese stellt Anna M. ein gutes Zeugnis aus: „. . . sie sei eine ge-schickte Arbeiterin, die theils zu Hause, theils in Kundenhäusern arbeitete.Jedoch schon seit dem Sommer habe sie weniger zu thun, weil sie sich eigen-thümlich gebärde, oft nach dem Kopf greife, unverständliche Worte vor sichhin murmle . . .“. Dem Arzt erzählt sie von den Stimmen, die sie höre, und wasihr diese sagten: „Diese Stimme spricht den ganzen Tag oft bis über Mitter-nacht . . . befiehlt ihr, im Bett zu bleiben, nicht zu essen etc., sie müsse gehor-chen, es habe ihr auch meistens geholfen . . .“. Eine wichtige Rolle in ihrer Er-zählung spielt der Vater. „Bald sage die Stimme, er komme, sie abholen, baldwieder, er komme nicht. So sei sie oft getäuscht worden und deshalb wurdesie vor 4 Tagen ohnmächtig und seither ist es ihr schlecht . . . Sie könne nichtzu ihrem Vater gehen, weil sie seine Adresse nicht weiss“. Der Arzt konsta-tiert „eine Form von Geistesstörung, die als Verrücktheit bezeichnet wird“,und verfügt die Einweisung in die Irrenanstalt.

Der „Physikatsbericht“ verrät den klinischen Blick und das diagnostischeInteresse des Amtsarztes, der eine behördliche Maßnahme treffen und be-gründen muss. Doch jenseits administrativ-medizinischer Bedürfnisse lässter sich lesen als ein Dokument, das Alltagsverhältnisse bloßlegt. Ich meine

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damit nicht nur die materiellen Lebensumstände einer verarmten, allein ste-henden jungen Frau ohne Arbeit und ihre Selbst- und Fremdwahrnehmung,sondern auch ihre „persönliche Territorialität“ und deren Respektierung, waserst das „Selbst“ im Sinne Goffmans konstituiert. Unterzieht man den Textdes Arztes einem ,close reading‘, indem man gleichsam die medizinisch-ad-ministrativ indizierte Darstellungsweise umgeht, ergeben sich Beobachtun-gen, die sich in einer Deutung bündeln lassen und Fragmente eines „Selbst“offenbaren.

In seinem Bericht notiert der Arzt zum einen Beobachtungen, die sich aufdas Sprechen von Anna M. beziehen: sie murmle Unverständliches vor sichher, spreche zum Fenster hinaus. Für den heutigen Leser liegt es nahe, an dieTaubstummheit zu denken, die ihre Verständigung mit anderen Menschen er-schwert. Keine Mühe hat der Physikus offenbar, die Geschichte zu verste-hen, die sie ihm erzählt. Deren Hauptperson ist ihr Vater, ein reicher Mann,der „mehrere Millionen besitze“. Sie kennt seinen Namen, „ein Herr Mühle-thaler“, hat ihn „vor 14 Jahren in Zell (im badischen Wiesental) gesehen“,weiß aber nicht, wo er sich aufhält, vermutet ihn „in Amerika“, dann wieder„in und um Antwerpen“, hofft, er komme sie bald holen (was sie dreimal aus-drückt). Wichtig sind dem Physikus zum andern die Handlungen, von denensie ihm berichtet; sie habe „in letzter Zeit viel geschrieben“, sei „auf die Na-tionalzeitung gegangen, um dort an ihren Vater in Amerika zu telegraphie-ren“, „habe auf der Polizei 8000 Franken beziehen wollen ohne sie aber zu er-halten“. In der Logik ihrer Geschichte, wie gebrochen auch immer sie seinmag, machen diese Handlungen Sinn; dass sie ihrem Vater telegraphierenwill, leuchtet ein (auch wenn die Zeitung, obzwar ein Medium, das mit derWelt verbindet, dafür nicht der richtige Ort ist). Einsichtig ist ferner, dass fürdie Anmeldung finanzieller Ansprüche aus Erbschaft eine Instanz nötig ist(auch wenn die Polizei nicht dafür zuständig ist). Ohne es auszusprechen,rapportiert der Physikus Fragmente einer Lebensgeschichte, der Biographieeiner verarmten, allein stehenden Frau außerehelicher Herkunft. Am meistenGewicht hat für ihn als diagnostizierenden Arzt die Geschichte der Stimmen,als Symptom einer schweren Krankheit.

Einer Lektüre der Akten über Anna M., wie Goffman sie anregt, geht es al-lerdings nicht darum, den Sinn ihrer Sätze und Gesten im Konstrukt einer le-bensgeschichtlichen Erzählung zu suchen. Sie beachtet primär die Hand-lungskontexte und versucht, aus deren Analyse Einsichten in gesellschaftli-che Regelsysteme und deren Dynamik zu gewinnen. ,Handlungskontext‘wird hier in zwei Dimensionen unterschieden: die ,unmittelbaren‘ Handlungs-kontexte, denen die Dokumente ihre Entstehung verdanken, und die ,mittel-baren‘, über die in Protokollen und Gutachten berichtet wird. Zum ersten Typgehören der Besuch der Hausmeisterin im Büro des Polizeibeamten, dieNachforschung des Detektivs bei ihr und ihre Befragung durch den Amtsarzt

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in ihrem eigenen Zimmer. Handlungskontexte dieser Art hinterlassen imTextmaterial zwar Spuren, aber nur spärlich, z. B. kurze Passagen direkterRede im Text, wo die Aussagen von Anna M. sonst in indirekter Rede proto-kolliert sind. Besonders verweisen Stellen, wo Anna M. selbst und direkt zuWort kommt, auf den Verfahrenskontext; der Arzt hebt dadurch Sätze her-vor, mit denen er belegt, „dass Expl. seit längerer Zeit schon geistesgestörtist“.28 Die Handlungskontexte des zweiten Typs sind in den Berichten einge-schrieben als Beobachtungen der Amtspersonen oder als Erzählungen dervon ihnen befragten Gewährsleute: „Des Nachts spektakle sie oft im Zim-mer, dass man in der Nachtruhe gestört werde“, „Sie lärmt viel Tags undNachts, arbeitet wenig, spricht zum Fenster hinaus . . .“. Deutlich sind derdemonstrative Charakter und der dramaturgische Aspekt des Verhaltensvon Anna M.

Anna M. schließt sich ein und agiert auf dem „öffentlichen Platz“; siespricht Passanten an, die nicht vorhanden, Zeitungsleute und Polizisten, diefür ihre Anliegen nicht zuständig sind. Ihr Handeln, geleitet von einer „Stim-me“, mit Macht über sie, ist „unangemessen“ und dennoch nachvollziehbar,wenn man es nicht als Symptom beurteilt. Anna M. verweist auf die Stigmati-sierung, von der sie gezeichnet ist: von „vorehelicher“ Geburt und als Taub-stumme behindert. Das Dossier ihrer Krankengeschichte, das im Archiv derPsychiatrischen Universitätsklinik Basel aufbewahrt wird, enthält dazu wei-tere Informationen.29 Der Raster der Irrenärzte bezog neben medizinischenDaten auch die familiären und sozialen Umstände der Kranken ein. Aus denAkten geht hervor, dass Anna M. unehelich geboren und später von ihrem Va-ter, einem Mann aus der badischen Nachbarschaft Basels, nicht adoptiertwurde. Vorher von „gesunder kräftiger Constitution“ sei sie infolge Erkran-kung an Hirnhautentzündung mit neun Jahren taubstumm geworden und seit-her kränklich geblieben, wie die Mutter dem Irrenarzt mitteilt.30 Dass dieTaubstummheit sich auf ihr Verhalten auswirkt, zeigt die Bemerkung der Mut-ter, „seit der Meningitis“ meine ihre Tochter, „wenn die Leute redeten, es seiüber sie“, auch glaube sie, „es werde in ihrer Umgebung telefoniert“. Die Iso-lierung, in die Anna M. gerät, hat Folgen für ihren Erwerb als Weißnäherin.Obwohl ihr die Arbeitszeugnisse „Treue und Fleiss“, „Tüchtigkeit im Beruf“,„untadeliges Betragen“ bescheinigen, findet sie kaum Arbeit, lebt kümmer-lich, hat „wenig Verdienst“, wie in der Krankengeschichte bei der zweitenAufnahme vermerkt ist, „weil die Leute nicht gut mit ihr verkehren“ können.Die Lesebeobachtungen, die ich der Lektüre dieser Fallakten verdanke, las-sen sich zu drei Aussagen verdichten, die ihre Stellung als Frau am gesell-schaftlichen Rand umschreiben: sie ist vaterlos, lebt isoliert (auch wenn sichandere Frauen um sie kümmern), hat keine Arbeit. Damit fehlt ihr nach mei-ner Lesart die „Territorialität“, die das „Selbst“ benötigt, um sich zu artikulie-ren, Respekt einfordern zu können.

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Goffmans Konzept der Territorialität des Selbst enthält eine räumliche undzugleich eine soziale Dimension, was impliziert, dass immer wenn von derräumlichen die Rede ist, auch die soziale ins Spiel kommt.31 Das Verhaltenvon Anna M. demonstriert, in dramaturgisch wirksamer Form, ihre Herkunft,ihre Behinderung und ihre Armut. Aber in seiner „Unangemessenheit“ stecktdie Mitteilung über die zunehmende Enge der ihr verbleibenden Räume, ihreSchwierigkeit, sich als Glied der Gesellschaft Geltung zu verschaffen. Im Lär-men, laut Reden, mit ihren Gesten und sogar mit der Erzählung vom weit weglebenden Vater artikuliert sie ihren Anspruch auf den Raum, den jemandbraucht, um im Kontext der modernen Stadt physisch und psychisch zu über-leben. Fasst man die vom Irrenarzt als „chronische Paranoia“ diagnostizierteGeisteskrankheit mit Goffman als „sozialen Verstoß“ auf,32 erkennt man,dass Anna M. ein Unvermögen kommuniziert, das über sie hinausweist. IhrVerhalten erscheint als Strategie des beschädigten Selbst, dem es mangelsFamilie und ohne Arbeit nicht gelingt, einen Status zu finden. Es zielt daraufab, ihr Selbstbild mit den Zuschreibungen in Einklang zu bringen, denen sieals unehelich geborene, behinderte, erwerbslose Frau unterliegt. Doch ihrBemühen kann nicht gelingen; ein Handlungsraum, in dem sie „persönlicheTerritorialität“ gewinnen und deren Respektierung erfolgreich verteidigenkann, existiert nicht oder nur innerhalb der Irrenanstalt, wo das pathologi-sierte beschädigte Selbst einen Ort hat.

Johann Jakob S. und Anna M. waren keine Einzelfälle. Um 1900 lebten in derStadt Basel viele Menschen, deren auffälliges Benehmen ihren Familien,Nachbarn, Vorgesetzten und Kollegen am Arbeitsplatz und den Behörden zuschaffen machte. Um die dreißig Personen wurden während der 1890er Jahrejährlich mit der Diagnose „Paranoia“ in die „Heil- und Pflegeanstalt Fried-matt“, die Irrenanstalt Basel, eingewiesen. Die Liste der dokumentierten Fäl-le ist lang, und unerschöpflich ist der Katalog der Sprechakte und Handlungs-sequenzen, an denen die Auffälligkeit festgestellt wurde. Doch die Inzidenzunterschiedlicher Vorfälle, Situationen und Handlungselemente ist weder zu-fällig noch regellos. Sie dokumentiert das breite Spektrum der Verstöße ge-gen die geltenden „Definitionen des Schicklichen oder Realen“33. An ihr wirdklar, dass der Pathologisierung der Symptome durch Amts- und Irrenärzte einProzess der Zuschreibung und Stigmatisierung vorausging, an dem jeder-mann und viele beteiligt waren.

Am Anfang der „vorklinischen Phase“, wie Goffman sie nennt, stand wie inden bisher diskutierten zwei Fällen die Anzeige von Angehörigen, Nachbarn,Passanten oder auch Polizisten.34 Die Wendungen, mit denen das geschah,

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qualifizieren das unangebrachte Verhalten mit den immer gleichen oder ähnli-chen Formulierungen. Der Ehemann von Aloisia S. erzählte der Polizei übersie: „Gestern begab sie sich in aufgeregtem Zustand in die Marienkirche, undmuss dort ihre vollständige Verwirrtheit zum Ausdruck gekommen sein“35.Katharina F. erklärt dem Polizeibeamten, ihr Stiefsohn „ist mithin sehr aufge-regt, so dass wir stets in Furcht vor ihm leben müssen“36. Die Frau von Ema-nuel S. klagt ihrem Hausarzt über die „zunehmende psychotische Aufgeregt-heit ihres Mannes . . . oft werde er sehr gewalttätig“37.

„Aufgeregt“, „verwirrt“, „skandalös“, „geistesgestört“: In immer gleichenWendungen wird zum Ausdruck gebracht, dass jemand die Grenzen des Zu-lässigen überschritten habe, die private und die öffentliche Ordnung bedro-he. Manchmal wird bereits auf dieser Ebene ein medizinisches Fachwort ver-wendet. Doch weil diese Wörter nicht eindeutig genug eine Erkrankung an-zeigen, geschweige denn eine administrativ-medizinische Maßnahme be-gründen können, beschreiben die Menschen aus der Umgebung der KrankenVorgänge und Szenen, die jeden Zweifel an deren Verrücktheit ausschließen.Der Pfarrer der Marienkirche ruft die Polizei ins Pfarrhaus „mit der Angabe,dort befinde sich eine geisteskranke Frau, die sehr aufgeregt sei und mitSelbstmord drohe; die Frau sei fast den ganzen Tag in der Marienkirche gewe-sen und habe dort, besonders Abends, durch ihr sonderbares Benehmen,großes Aufsehen erregt“38. Theresia W., 45, fällt auf, weil sie selbst zur Poli-zei geht und dort ihren Mann beschuldigt, dass er „sie vor die Logistüre ge-schlossen, sie misshandle und ihr kein Geld zum Lebensunterhalt gebe“, wassich als falsch herausstellt39. Der 32-jährige Schriftsetzer Alfred E. erregt inder belebten Greifengasse Aufsehen, „so dass sich eine Menschenmengeansammelte, dass ohne Gefahr kein Fuhrwerk passieren konnte. Er, nebenseinem auffälligen Benehmen, sagte dem Publikum, dass er nur noch einenhalben Kopfe habe, oben sei alles weg“40. Friedrich M. schließlich, ein 46-jäh-riger Taglöhner, wird angehalten, weil er zwei Tage im Münster (der protes-tantischen Hauptkirche) verbleibt, wo „derselbe meistens kniend war, er be-tete mit den Heiligenbildern, und hielt mit denselben Predigten“, den Frem-denführer „betete er als den türkischen Sultan an“.41

Die aktenkundlichen Handlungen aus der „vorklinischen Phase“ sind öf-fentlichkeitsbezogen, erscheinen als absichtsvoll und demonstrativ. In vielenvon ihnen manifestieren sich Konflikte in der Familie, mit Nachbarn, amArbeitsplatz, ohne dass aufgrund der Akten zu entscheiden wäre, ob die Auf-fälligkeiten Ursache oder Ausdruck derartiger Auseinandersetzungen waren.Ihren funktionalen Sinn erhalten die Handlungsabläufe im Kontext der Ver-fahren, die gegen auffällige Personen eingeleitet und durchgeführt wurden,wobei als sicher vorausgesetzt werden kann, dass die Verfahrenslogik allenBeteiligten bekannt war. Doch darum geht es hier nicht, sondern, Goffmanfolgend und konkret, mit Bezug auf die oben geschilderten Vorfälle, um die

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Fragen: Was stimmte hier nicht? Was kommunizierten die beteiligten Männerund Frauen? Was ging eigentlich in der Marienkirche, im Münster, auf demPolizeibüro oder an der Greifengasse vor? Damit kommt Goffmans Konzeptdes „Rahmens“ ins Spiel.

Für ein mikrohistorisches Untersuchungsprogramm entfaltet GoffmansRahmenkonzept seinen Sinn auf zwei Ebenen. Auf der einen geht es um die„Interpretationsheuristik“ von heute und auf der andern um ein Deutungs-schema bzw. Organisationsprinzip im Handlungshorizont der Mensch von da-mals.42

Als Interpretationsmodell hat „Rahmen“ einen zweifachen Gebrauchs-wert. Erstens bezieht sich der Ausdruck nicht auf einzelne Handlungen undSprechakte, sondern lenkt den Blick auf den jeweiligen Handlungs- oderSinnzusammenhang, durch den erst der einzelne Handlungsakt seine Bedeu-tung gewinnt. Dieser Zusammenhang wiederum wird als Mitteilung kommu-niziert. Damit ist ein Programm für die Entwicklung von Typologien und ver-gleichende Analysen entworfen, ohne das die wissenschaftliche Geschichts-schreibung, auch und gerade die historische Erforschung des Alltags nichtauskommt. Zweitens ermöglicht Goffmans Verständnis von „Rahmen“gegenüber dem Textmaterial, das uns vorliegt, eine perspektivische Ver-schiebung: von einer an Verwaltungsverfahren anlehnenden Sicht auf „ver-rücktes Alltagshandeln“ hin zu dessen Kommunikations- oder Mitteilungsas-pekt.

Damit ist nicht gesagt, dass dieser Sinn sich dem heutigen Leser der Pro-tokolle und Berichte ohne weiteres erschließt. Ein Bäckergeselle, den derAmtsarzt 1896 zu beurteilen hatte, fiel durch seltsames Benehmen auf:„. . . er klagte viel über Kopfweh, benahm sich eigenthümlich, renommierteviel mehr, lief hin und her, von der Arbeit weg in seine Stube oder den Laden. . . wollte ein Velo kaufen, um einen vergessenen Auftrag rascher ausführenzu können, sagte er wolle das Geschäft heben, es müsse ein, später 2 Pferdeeingestellt werden“43. Worin der genaue Mitteilungswert dieses Handlungenbestanden haben mag, ist aus dem Fallmaterial allein nicht ersichtlich; pro-blemlos nachvollziehbar ist nur, dass der Bäcker, indem er am Arbeitsortagiert, seine Arbeitssituation zum Thema macht. Auch im Falle eines Bier-brauers drehte sich das Verhalten um die Arbeit. Weil er im Wirtshaus „sehraufgeregt“ war, wurde ein Arzt gerufen. Dieser stellte fest, der Patient habedavon gesprochen, „zu seinem früheren Prinzipalen W. zu gehen und eineBrauerei zu kaufen“44. Der Arzt notierte: „Aufregung, irre Ideen, vielleicht et-was Selbstüberschätzung, im Vorhaben grossartig, eine Brauerei zu betrei-ben. Grössenwahn . . .“. Weil sich im Falldossier ein Arbeitszeugnis befindet,erfährt man, dass der Bierbrauer trotz guter Leistungen seine Kündigung er-halten und seine Stelle verloren hatte. Vielleicht bestand ein Zusammenhangzwischen dem auffälligen Auftritt des Mannes und seiner beruflichen Situa-

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tion. Will man den Mitteilungsgehalt dieser und ähnlicher Auftritte noch ge-nauer zu deuten versuchen, muss man die zweite Dimension des Rahmen-konzeptes aufnehmen.

Dient ,Rahmen‘ auf einer ersten Ebene als heuristisches Modell, so wird erauf einer zweiten als „fait social“ im Sinne Durkheims gedacht, als ,sozialeTatsache‘: „Zusammengenommen bilden die primären Rahmen einer sozialenGruppe einen Hauptbestandteil von deren Kultur“45, wobei man sich „Rah-men“ als dynamische Gebilde denken muss, deren Geltung einem permanen-ten Prozess des Aushandelns unterliegt. „Rahmen“ steht für einen Sinnzu-sammenhang, über den die Gruppenmitglieder verfügen, um eine Situationzu erkennen und über sie kommunizieren zu können. Das „Rahmen“- oder„Vorzeichenwissen“ befähigt sie, die Mitteilung zu verstehen, durch die einHandlungsablauf in ein bestimmtes Licht gerückt wird. Transportiert wirddiese Mitteilung, eine Art Metasignal, durch „Anzeigehandlungen“ oder„Deutungshinweise“.46 Im Fallmaterial, das mir vorliegt, kommen dafür Hand-lungen in Frage wie lärmen (Tag und Nacht), beschimpfen (viele Leute), dro-hen (häufig), streiten (immer wieder), Gewalt (heftig) anwenden und anderemehr. Doch nicht diese Tätigkeiten allein machen es aus, sondern ihre Kombi-nation und vor allem das Übermaß; das Zuviel davon war es, was als „An-zeige“ fungierte. Auch die Theatralik der Auftritte wirkte so (in der Fabrik aufeinem Blechkessel trommeln), und unübersehbar ist, dass Geschichten in-szeniert wurden (auf der Straße „Spektakel“ machen wie der Mann mit nureinem halben Kopf). Man könnte im Blick auf dieses Verhalten sagen: Hierwurden Rahmengrenzen ausgereizt und übertreten, und dies besondersdemonstrativ auf Schauplätzen mit klar definierter Rahmenordnung wie inder Marienkirche oder dem Münster. Angehörige, Bekannte, Passanten undAmtspersonen verstanden diese „Anzeigen“ eindeutig und lasen sie als Zei-chen von Verrücktheit oder Geisteskrankheit. Im Sinne von Goffman stellendie Termini „Wahn“, „Wahnsinn“ oder „Paranoia“, welche Laien und Ärztegleichermaßen gebrauchten, denn auch „Rahmungen“ dar. Ob diese Lese-weise von den Betroffenen ,intendiert‘, d. h. in ihrem Handeln strategisch(wenn auch vielleicht nicht bewusst) angelegt war (wie ich vermute), ist eineschwierige Frage, die nicht schlüssig zu beantworten ist.

Bemüht man sich, die Mitteilungen zu entziffern, die von der Umgebung alsMeldung von Krankheit wahrgenommen wurden, so reicht es nicht, allein dieUnangemessenheit der Zeichen, Gesten, Handlungen und ihrer Inszenierun-gen zu untersuchen. Man muss dazu die Erzählungen, Fragmente von Ge-schichten einbeziehen, welche Polizisten und Ärzte in ihren Berichten notier-

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ten. Oben ist das Beispiel von Anna M. erwähnt, die von ihrem reichen Vaterund der Suche nach ihm erzählt. Geschichten dieser Art finden sich im Fall-material viele, doch hat sie bisher niemand gesammelt oder gar systematischausgewertet. An zwei weiteren Beispielen zeige ich, wie derartiges Textmate-rial gelesen werden könnte.

Ein typisches Beispiel ist die Geschichte, die der Amtsarzt in seinem Be-richt über den 24-jährigen Bahnbeamten Fritz E. festhielt.47 Der Mann er-zählte ihm „auf Befragen, er sei berufen, den Weltuntergang zu verkünden. . . Die Wiederkunft Christi stehe bevor, ja sei schon da, da er selbst die Wie-derkunft sei. Dies sei ihm durch Stimmen geoffenbart worden; die Sternehätten sich vor ihm geneigt, sich geöffnet, er habe eine geheime Macht; Leu-te, die ihn beleidigten seien krank geworden; er sei zu Großem berufen, kön-ne gute Partien machen u. s. w.“48 Folgt die Lektüre dieses Textes der redigie-renden Spur des Arztes, so verweist die Erzählung des Mannes auf dessenKrankheit: Sie erscheint als Repräsentation des „Größenwahns“, der seineHospitalisierung rechtfertigt. Liest man indessen den Text mit einem pragma-tischen Ansatz, so ergibt sich ein anderes Bild. Diese Lektüre beachtet denAuftritt von Fritz E., die Performanz seiner Rede. Sie eruiert das Geschehen„unter“ oder „jenseits“ der Textoberfläche und interpretiert es mit Hilfe desRahmenkonzeptes. Der Erzähler, im Moment der Befragung, inszeniert sichwie in anderen Handlungskontexten zuvor, als hohe Autorität, als letzte In-stanz. Gegen die Verfügungsgewalt des Arztes, welche die Situation defi-niert, setzt er die göttliche Macht, die er sich zuschreibt. Es ist ein Akt derNichtanerkennung von geltender Macht, vergleichbar dem Fall von JohannJakob S., der in der Fabrik seinem Vorgesetzten mit der gleichen religiös mo-tivierten Rede die Anerkennung verweigert.

Bezeichnend für eine andere Art ist die Geschichte, die Maria Theresia F.,eine 59-jährige Frau, erzählt.49 Sie fällt auf, weil sie „von jedem Menschengerne getrennt lebe“, sich „mit Vorliebe in ihrer Mansarde einschliesst“.50 Aufdie Frage des Arztes, warum sie eine Stellung im Elsass verlassen habe, ant-wortet sie: „mit dem Herrn sei etwas gewesen, sie wolle es nicht breit schla-gen, es seien reiche Leute mit grosser Verwandtschaft . . . Die Eltern sind ge-storben . . . Sie habe einen Bruder in Genf, einen in Italien und zwei Schwes-tern; ob diese Geschwister noch leben, wisse sie nicht“51. Mit ihrer Erzählungtut sie beim Amtsarzt nichts anderes, als was die Nachbarinnen bereits übersie ausgesagt haben. Sie stellt sich als Frau dar, die verlassen, allein lebt, wieAnna M., nur dass ihrem Bericht das fantastische Beiwerk fehlt. Der Arztmag sich gefragt haben, was an ihrer Geschichte wahr oder erfunden sei; dierahmenorientierte Lektüre fragt nach ihrem pragmatischen Sinn.

Der 24-jährige Mann und die 59-jährige Frau, von denen die letzten beidenBeispiele handeln, bringen in ihren Auftritten in je spezifischer Weise zen-trale Aspekte sozialer Interaktion zur Sprache: deren Bestimmtheit durch

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Machtverhältnisse und die Muster der Geschlechterbeziehungen. In diesenwie in vielen anderen Fällen auch zielt „verrücktes“ Verhalten auf die neural-gischen Punkte gesellschaftlicher Organisation.52 Doch was in den beidenHandlungszusammenhängen artikuliert wird, als Mitteilung von einseitigerAbhängigkeit und der Rigidität der Regeln, denen die Geschlechterverhält-nisse gehorchen, lässt sich nur mit einem historischen Ansatz verstehen, d. h.als Ausdruck der Erfahrung von Wandel deuten. Zugleich ist dies der Ort ei-ner Verschiebung des Maßstabs, von der mikro- zur makrogeschichtlichenSicht.

Unübersehbar reflektiert das Fallmaterial Prozesse, die sich in Europa um1900 verdichteten und beschleunigten. So sind die Akten, ihre formale undinhaltliche Ausgestaltung, ein Ausdruck der zunehmenden Effizienz bürokra-tischer Zugriffe auf Devianz sowie der Verrechtlichung, die sich im Irrenwe-sen vollzog. Die Beschreibungen von auffallendem Benehmen und die Wie-dergabe der seltsamen Redensarten verdankten sich den bürokratischenVerfahren des Protokollierens und Kommunizierens, wie sie sich in der Praxiskommunaler und staatlicher Verwaltungen ausgebildet hatten. In der irren-ärztlichen Diagnostik präzisierten und standardisierten sich die Symptombe-schreibungen, wie der in einzelnen Falldossiers erhaltene „Fragebogen der Ir-renanstalt Basel“ belegt. Es war die Zeit, in welcher der deutsche PsychiaterEmil Kraepelin Anomalie klassifizierte und ein nosographisches System ent-wickelte, das sich schnell verbreitete.53 Auch auf der Ebene des bizarren Ver-haltens und der fantastischen Erzählungen schlugen sich die säkularen Pro-zesse nieder. Um 1900 schrieb sich der technische Fortschritt in die Ge-schichten der „Irren“ ein. „Er sei elektrisch, man trachte ihm nach dem Le-ben“, sagte der 39-jährige Angestellte Friedrich S. dem Polizisten, der ihnverhörte, und fuhr fort: „Wirt D. könne Aufschluss geben, dagegen dürfe mandenselben nicht ans Telephon rufen, ansonst beide vom elektrischen Schlaggetötet würden“54. Der Germanist Martin Stingelin hat anhand von Fallmate-rial aus den gleichen Beständen gezeigt, wie um 1900 medientechnologischeInnovationen (wie drahtlose Telegraphie) in Paranoiavorstellungen integriertwurden.55

In der Beschleunigung von Migration und Urbanisierung, durch die Verän-derung von Lebens- und Arbeitsverhältnissen veränderte sich in den Jahr-zehnten um 1900 das System der Regeln und Konventionen, das Interaktionerst ermöglicht. Sich verschränkende und verfestigende Diskurse verscho-ben die Grenzen des Sagbaren. Wie sich in den Umbrüchen der städtischenGesellschaft, die ich vor Augen habe, die Rahmenordnung wandelte, sind

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Fragen, die anhand des vorliegenden Materials nicht schlüssig zu beantwor-ten sind. Goffman selbst argumentierte nie historisch. Dass er sich jedochder Geschichtlichkeit des Regel- und Zeichensystems, dem sein soziologi-sches Interesse galt, bewusst war, zeigt die in einer Fußnote versteckte Be-merkung, die Rahmenhinweise seien „zum Teil standardisiert“ und besäßen„eine Sozialgeschichte“.56 Aufgrund meiner Lektüre der Akten lässt sich dasProgramm einer derartigen „Sozialgeschichte“ umreißen. Die Auswertungdes Fallmaterials (umfangreicher und aus einem größeren Zeitraum als hier)könnte sich vornehmen, die Auffälligkeiten der aktenkundigen Frauen undMänner mit Hilfe des Goffman’schen Begriffsapparats zu beschreiben und imKontext ihrer Lebenssituation zu deuten. In deren Zentrum stehen die Ge-schlechterbeziehungen, die Arbeitsverhältnisse und die Erfahrung geogra-phischer und sozialer Mobilität. Fragen wie die folgenden stellen sich: Wiewandelte sich die Territorialität dessen, was Goffman das Selbst nennt? Ver-engten sich unter dem Druck bürokratischer Verfahren und normierter dia-gnostischer Zuschreibungen die Bewegungs-, Handlungs- und Rederäume?Wie veränderten sich die Vorstellungen dessen, was als ,normal‘ galt, die Re-geln des Aushandelns von Normalität? Trat an die Stelle von Gewissheit Un-sicherheit über das Vorzeichenwissen, was zu Kommunikationsstörungenführen musste? Bildeten sich neue Muster „dramaturgischen Handelns“?Das Ziel der Untersuchung bestünde darin, Innenansichten des sozialenWandels in den Jahrzehnten um 1900 zu rekonstruieren. Es entstünde einBeitrag zu einer Erfahrungsgeschichte (als Geschichte von Erfahrungswei-sen), welche die Spielräume der Subjekte so ernst nähme wie die Con-straints der strukturellen Leitplanken. Für ein solches Projekt ist Goffman,der mit der Kontingenz von Verhalten im Alltag rechnet und ihr gerecht wer-den will, für den Historiker, der ihn liest, trotz der Ahistorizität seiner Soziolo-gie ein guter Begleiter.

Anmerkungen

Für Kritik und Anregungen bin ich Madleina Barandun (Basel), Peter Becker(Linz), Hans Medick (Göttingen) sowie den Herausgebern zu Dank verpflichtet.

1 Eine Ausnahme ist Gestrich 1988, S. 9 ff.2 Bachmann-Medick 2006, S. 64, 111.3 Vgl. Lüdtke 1989 und 1998.4 Medick 1989. Vgl. die Beiträge von Mergel und Mooser in Goertz 1998

(S. 621–651, bzw. 516–538).5 Sennett 1977, S. 51.6 Kiss im Vorwort zu Reiger 2006, S. VI.7 Vgl. Lüdtke 1998, S. 563.

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8 Vgl. Schaffner 2005, S. 244.9 Für eine mediengeschichtliche Analyse der amtsärztlichen Berichte in diesen

Fallakten vgl. Nellen 2003.10 Für 2007 planen Stefan Nellen, Martin Schaffner und Martin Stingelin unter dem

Titel „Paranoia City“ die Edition der Akten zum Fall Ernst B.11 Dazu: Becker 2001. Im Folgenden verwende ich Fallmaterial aus den Beständen

Sanität T 13.1 und T 13.2 des Staatsarchivs Basel. Kriterium der Aufnahme inden Korpus war die vom Physikus (Amtsarzt) in seinen Berichten konstatiertenDiagnosen „Paranoia“ bzw. „Verfolgungswahn“, „Wahn“ oder „Verrücktheit“.

12 Alle Zitate stammen aus Akten im Dossier Sanität T 13.1 Johann Jakob S. Siewerden im Folgenden nicht einzeln nachgewiesen. Alle Zitate werden in der zeit-genössischen Schreibweise wiedergegeben.

13 Goffman 1977, S. 16.14 Goffman 1971, S. 154.15 A. a. O., S. 156.16 Vgl. die Umschreibung von ,Situation‘ in Goffman 1977, S. 16.17 Erving Goffman, Wir spielen alle Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. Mün-

chen 1968.18 Vgl. Gronfein 1999.19 Vgl. Fine, Smith (eds.) 2000, S. 163–279.20 Goffman 1974, S. 434–503.21 A. a. O., S. 459.22 A. a. O., S. 463.23 A. a. O., S. 464.24 Sanität T 13.1. Die Falldossiers sind alphabetisch geordnet.25 Anna M. war bereits 1894 in der Irrenanstalt Basel hospitalisiert gewesen.26 Polizeirapport vom 8. 4. 1896.27 Die folgenden Zitate stammen aus dem Physikatsbericht vom 9. 4. 1896.28 Vgl. Schaffner 2005, S. 248.29 Archiv der Psychiatrischen Universitätsklinik Basel, Krankengeschichte Nr. 355,

Anna M.30 Anamnese beim ersten Eintritt am 5. Januar 1894. Auch die folgenden Zitate

stammen aus diesem Dokument.31 Dazu Goffman 1974, S. 54–96.32 A. a. O., S. 459.33 Thomas J. Scheff, Das Etikett ,Geisteskrankheit‘: soziale Interaktion und psychi-

sche Störung. Ffm. 1980, 26, zitiert in Willems 1997, S. 75.34 Goffman 1973, S. 130 ff.35 Sanität T 13.1, Aloisia S., Polizeirapport vom 16. 10. 1894.36 Sanität T 13.1, August F., Polizeirapport vom 4. 8. 1894.37 Sanität T 13.2, Emanuel S.-B., Brief vom 25. 5. 1890.38 Sanität T 13.1, Aloisia S., Physikatsbericht vom 25. 9. 1894.39 Sanität T 13.1, Theresia W., Polizeirapport vom 3. 10. 1894.40 Sanität T 13.2, Alfred E., Polizeirapport vom 18. 7. 1898.41 Sanität T 13.2, Friedrich M., Polizeirapport vom 18. 7. 1891.42 Vgl. Willems 1997, ferner: Fine 2000, S. 43–160.

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43 Sanität T 13.1, Friedrich E., Physikatsbericht vom 21. 4. 1896.44 Sanität T 13.2, Johann Gottlieb E., Fragebogen der Irrenanstalt Basel vom 29. 8.

1893.45 Goffman 1977, S. 37. Zu Goffman und Durkheim vgl. Hettlage/Lenz 1991,

S. 252 ff., 285 ff.46 Soeffner 1989, S. 144.47 Sanität T 13.2, Fritz E., Physikatsbericht vom 19. 2. 1902.48 Der Befund des Arztes lautet: „Expl. leidet an Grössenwahn mit lebhaften Hallu-

zinationen. Er ist geisteskrank und der Versorgungsantrag seiner Verwandten so-mit vollauf berechtigt“.

49 Sanität T 13.1, Maria Theresia F.50 A. a. O., Polizeirapport vom 16. 9. 1893.51 A. a. O., Physikatsbericht vom 18. 9. 1893.52 Vgl. den Fall Ernst B. in Schaffner 2005.53 Dazu Blasius 1994, S. 124 ff.54 Sanität T 13.2, Friedrich S., Polizeirapport vom 30. 11. 1908.55 Stingelin 1989, S. 51–69.56 Goffman 1977, S. 98, Anm. 1.

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