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Experimentelle Werkstoffkunde – Versuch 3.5 113 Versuch 3.5 Härtbarkeit von Stahl in Abhängigkeit vom Kohlenstoffgehalt Dieses Experiment zeigt, dass bei einer in sehr kurzer Zeit erzwungenen Gitterum- wandlung die Diffusion des Kohlenstoffs verhindert werden kann. Der Kohlenstoff wird somit zwangsweise an bestimmten Gitterplätzen festgehalten und verursacht damit einen Spannungszustand im gesamten Gefüge. Dieser Spannungszustand äußert sich einerseits in Form einer erheblichen Härtezunahme, ist andererseits aber entscheidend von der Menge des Kohlenstoffs abhängig. Zwei Stahlsorten (C 15 und C 45) werden in Form von Stäben unter gleichen Bedin- gungen erwärmt und einseitig in Wasser abgeschreckt, während die übrigen Teile der Stähle langsam an Luft abkühlen. Dieser Versuch, stellt eine stark vereinfachte Form des Stirnabschreck-Versuches nach JOMINY (DIN 50103) dar. Durch den un- terschiedlichen Kohlenstoffgehalt und die veränderlichen Abkühlungsgeschwindig- keiten sind damit auch die Diffusionsbedingungen für den Kohlenstoff innerhalb der Stahlproben unterschiedlich. Mit Härteprüfungen und Bruchflächenbeurteilungen an den Stäben werden Erkenntnisse über die Wirkungen des Kohlenstoffs in bezug auf die Härtbarkeit gewonnen (Bild 3.5-2). Außerdem kann festgestellt werden, dass für eine Härtung eine bestimmte Abkühlungsgeschwindigkeit erforderlich ist. Geräte: Ofen (bis 1000 0 C) Stahl C 15 Stangenmaterial Ø 10 mm 150 mm lang Stahl C 45 Stangenmaterial Ø 10 mm 150 mm lang Bügelsäge Stahlrohr Innen- Ø 15 mm, 300 mm lang Härteprüfgerät Versuchsdurchführung: An einer Seite der Stahlprobe werden auf 100 mm Länge verteilt alle 10 mm mit einer Säge etwa 1 mm tiefe Kerben angebracht (Bild 3.5-1). Die Kerben dienen später als Sollbruchstellen. Zur Wärmebehandlung werden die Proben 15 Minuten lang bei 850 0 C geglüht. In Anlehnung an den Stirnabschreckversuch wird jede Probe an einem Ende 20 mm tief (bis zur zweiten Kerbe) in Wasser eingetaucht und abgekühlt. Bei diesem Abkühlverfahren sind die ersten 20 mm der Stahlprobe bereits nach wenigen Sekunden abgeschreckt, während der restliche Teil an der Luft langsam abkühlt. Durch den starken Wärmentzug des eingetauchten Endes entstehen in der ganzen Länge des Stabes unterschiedliche Abkühlungsgeschwindigkeiten. Wenn nach eini- gen Minuten keine Glühfarben mehr zu erkennen sind, kann die ganze Stahlprobe im Wasser abgekühlt werden. Auf der ganzen Länge der Stahlprobe wird danach die Härte geprüft. Die Härtewerte sind mit dem Abstand zum abgeschreckten Ende der Stahlprobe in Beziehung zu setzen. Nach der Härteprüfung folgt eine Biege-Bruchprüfung. Dazu werden die ers- ten 10 mm der Probe in den Schraubstock eingespannt. Mit Hilfe eines über das her- ausragende Ende der Stahlprobe gestülpten Rohres wird der Stab Stück für Stück zerbrochen. Die zerbrochenen Teile werden wieder aneinander gelegt, damit eine Beurteilung des Biegeverhaltens vorgenommen werden kann.

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Experimentelle Werkstoffkunde – Versuch 3.5 113

Versuch 3.5 Härtbarkeit von Stahl in Abhängigkeit vom Kohlenstoffgehalt

Dieses Experiment zeigt, dass bei einer in sehr kurzer Zeit erzwungenen Gitterum-wandlung die Diffusion des Kohlenstoffs verhindert werden kann. Der Kohlenstoffwird somit zwangsweise an bestimmten Gitterplätzen festgehalten und verursachtdamit einen Spannungszustand im gesamten Gefüge. Dieser Spannungszustandäußert sich einerseits in Form einer erheblichen Härtezunahme, ist andererseits aberentscheidend von der Menge des Kohlenstoffs abhängig.

Zwei Stahlsorten (C 15 und C 45) werden in Form von Stäben unter gleichen Bedin-gungen erwärmt und einseitig in Wasser abgeschreckt, während die übrigen Teileder Stähle langsam an Luft abkühlen. Dieser Versuch, stellt eine stark vereinfachteForm des Stirnabschreck-Versuches nach JOMINY (DIN 50103) dar. Durch den un-terschiedlichen Kohlenstoffgehalt und die veränderlichen Abkühlungsgeschwindig-keiten sind damit auch die Diffusionsbedingungen für den Kohlenstoff innerhalb derStahlproben unterschiedlich. Mit Härteprüfungen und Bruchflächenbeurteilungen anden Stäben werden Erkenntnisse über die Wirkungen des Kohlenstoffs in bezug aufdie Härtbarkeit gewonnen (Bild 3.5-2). Außerdem kann festgestellt werden, dass füreine Härtung eine bestimmte Abkühlungsgeschwindigkeit erforderlich ist.

Geräte: Ofen (bis 1000 0C)Stahl C 15 Stangenmaterial Ø 10 mm 150 mm langStahl C 45 Stangenmaterial Ø 10 mm 150 mm langBügelsägeStahlrohr Innen- Ø 15 mm, 300 mm langHärteprüfgerät

Versuchsdurchführung:

An einer Seite der Stahlprobe werden auf 100 mm Länge verteilt alle 10 mm mit einerSäge etwa 1 mm tiefe Kerben angebracht (Bild 3.5-1). Die Kerben dienen später alsSollbruchstellen. Zur Wärmebehandlung werden die Proben 15 Minuten lang bei 8500C geglüht. In Anlehnung an den Stirnabschreckversuch wird jede Probe an einemEnde 20 mm tief (bis zur zweiten Kerbe) in Wasser eingetaucht und abgekühlt. Beidiesem Abkühlverfahren sind die ersten 20 mm der Stahlprobe bereits nach wenigenSekunden abgeschreckt, während der restliche Teil an der Luft langsam abkühlt.Durch den starken Wärmentzug des eingetauchten Endes entstehen in der ganzenLänge des Stabes unterschiedliche Abkühlungsgeschwindigkeiten. Wenn nach eini-gen Minuten keine Glühfarben mehr zu erkennen sind, kann die ganze Stahlprobe imWasser abgekühlt werden.

Auf der ganzen Länge der Stahlprobe wird danach die Härte geprüft. Die Härtewertesind mit dem Abstand zum abgeschreckten Ende der Stahlprobe in Beziehung zusetzen. Nach der Härteprüfung folgt eine Biege-Bruchprüfung. Dazu werden die ers-ten 10 mm der Probe in den Schraubstock eingespannt. Mit Hilfe eines über das her-ausragende Ende der Stahlprobe gestülpten Rohres wird der Stab Stück für Stückzerbrochen. Die zerbrochenen Teile werden wieder aneinander gelegt, damit eineBeurteilung des Biegeverhaltens vorgenommen werden kann.

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Experimentelle Werkstoffkunde – Versuch 3.5 114

Versuchsergebnisse:

Die Wärmebehandlung der Stähle mit unterschiedlichem Kohlenstoffgehalt hat starkvoneinander abweichende Wirkungen hervorgerufen. In den Bildern 3.5-3 bis 3.5-5sind die Ergebnisse bezüglich Härte, Biegewinkel und Aussehen der Bruchflächendargestellt.

• Der Werkstoff C 15 zeigt nach der Wärmebehandlung auf der ganzen Längekeinerlei Veränderungen in der Härte. Das Resultat der Biegeprüfung ist e-benfalls durchgehend einheitlich. Alle Bruchflächen zeigen typische Merkmaleeines Verformungsbruchs. Es kann festgestellt werden, dass die im Experi-ment erzielten unterschiedlichen Abkühlungsgeschwindigkeiten auf die Eigen-schaften des Werkstoffs keinerlei Einfluss haben.

• Die Härte des Stahls C 45 ist über die Länge der Probe sehr unterschiedlich.Die größten Härtewerte sind am abgeschreckten Ende festzustellen, währendzum langsam abgekühlten Ende hin die Härte nach einem anfänglichen Steil-abfall kontinuierlich in Normalwerte übergeht (Bild 3.5-2).Die Biegewinkel sinddem Härteverlauf entsprechend am abgeschreckten Ende sehr klein und wer-den zum anderen Ende hin immer größer. Der Biegewiderstand bis zum Bruchist am gehärteten Ende sehr niedrig, er nimmt mit den weniger harten Teilenjedoch erheblich zu. Ebenso sind die Merkmale der Bruchflächen entspre-chend unterschiedlich: es ist ein Übergang vom feinkörnigen, matt glänzendenSprödbruch zum grobkörnigen Verformungsbruch zu erkennen (Bild 3.5-5).

Die auf diese Weise ermittelten unterschiedlichen Härtegrade und Biegefestigkeitender beiden Stähle lassen auf den Einfluss des Kohlenstoffgehalts und der Abküh-lungsgeschwindigkeit während der Wärmebehandlung schließen. In erster Linie sindhierfür die Diffusionsbedingungen des Kohlenstoffs verantwortlich. Am abge-schreckten Ende der Stahlprobe ist eine Diffusion des Kohlenstoffs aufgrund derschnellen Abkühlung verhindert worden, was zu großer Härte und Sprödigkeit führte.Die unterschiedlichen Abkühlungsgeschwindigkeiten innerhalb des restlichen Teilsder Stahlprobe ermöglichten dagegen in steigendem Maße eine Diffusion des Koh-lenstoffs. Dadurch sind Härte und Sprödigkeit wesentlich geringer ausgefallen.

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Experimentelle Werkstoffkunde – Versuch 3.5 115

Bild 3.5-1: eingekerbte Härte-Bruch-Probe

Abstand inmm

C 15HV30

C 45HV30

2 223 555

5 205 338

15 200 265

25 190 227

35 185 200

55 182 196

75 175 182

Versuchswertefür Bild 3.5-2)

95 173 185

Bild 3.5-2: Härteverlauf der abgekühlten Proben

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Experimentelle Werkstoffkunde – Versuch 3.5 116

Bild 3.5-3: aneinander gelegte Bruckstücke (C 15)

Bild 3.5-4: aneinander gelegte Bruchstücke (C 45)

Bild 3.5-5: Bruchflächen von C 15 und C 45

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Experimentelle Werkstoffkunde – Versuch 3.5 117

Werkstoffkunde III(Eigenschaftsänderungen)

Voraussetzungen für dieHärtbarkeit von Stählen

Blatt 18 A

Aufgabe: Zwei Stähle mit unterschiedlichem Kohlenstoffgehalt (C 15 und C 45)sollen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten abgekühlt werden. DieEinflüsse auf Härte und Biegefestigkeit sind zu untersuchen.

Ziel: Es wird der Zusammenhang zwischen Härtbarkeit und Kohlenstoffgehalterkannt. Ferner wird erklärt und begründet, warum für eine Härtung einebestimmte Abkühlungsgeschwindigkeit erforderlich ist.

Durchführung: 1. Härte im unbehandelten Zustand messen.2. Glühen der Werkstoffproben, 15 Minuten lang bei 850 0C.3. Abkühlen: Nur das gekerbte Ende der Stangen 20 mm tief ins

Wasser eintauchen. Der herausragende Teil kühlt an der Luftab.

4. Wenn keine Glühfarben mehr zu sehen sind, ganze Probe imWasser abkühlen.

5. An den Stäben auf der ganzen Länge die Härte prüfen.6. Beide Stäbe im Schraubstock an den gekerbten Stellen Stück

für Stück zerbrechen.7. Beurteilung der Bruchflächen.8. Die zerbrochenen Teile wieder so zusammenlegen, dass die

Biegewinkel zu erkennen sind.9. Härtewerte in die Tabelle eintragen und im Diagramm gra-

phisch darstellen.

Vickershärte HVAbstand zumabgeschreckten

Ende in mmC 15 C 45

25

152535557595

Beobachtungen:

Schüler-Arbeitsblatt zum Thema „Voraussetzungen für die Härtbarkeit von Stählen“

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Experimentelle Werkstoffkunde – Versuch 3.5 118

Werkstoffkunde III(Eigenschaftsänderungen)

Voraussetzungen für dieHärtbarkeit von Stählen

Blatt 18 B

Werkstoff C 45 nach dem Biegen

Werkstoff C 15 nach dem Biegen

Bruchflächen beider Werkstoffe

Die ursprüngliche Härte des C 15 hat sich nicht wesentlich verändert. Er ist auf der ganzenLänge gleichmäßig weich geblieben. Dagegen sind am C 45 erhebliche Härteunterschiedefestzustellen. Das abgeschreckte Ende ist sehr hart. Zum anderen Ende hin nimmt dieHärte kontinuierlich bis auf den ursprünglichen Wert ab. Entsprechend haben sich auchbeim Zerbrechen unterschiedliche Biegewinkel ergeben. An den Bruchflächen ist zu sehen,dass die unterschiedlichen Abkühlungsgeschwindigkeiten beim C 15 keine und beim C 45große Gefügeveränderungen bewirkt haben.

Erkenntnisse:

Erkenntnisblatt zum Thema „Voraussetzungen für die Härtbarkeit von Stählen“