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Vertrauen in Kundenbeziehungen D I S S E R T A T I O N der Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften vorgelegt von Alexander Rossmann aus Österreich Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. Christian Belz und Prof. Dr. Andreas Herrmann Dissertation Nr. 3737 Gabler Verlag Wiesbaden, 2010

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Vertrauen in Kundenbeziehungen

D I S S E R T A T I O N der Universität St. Gallen,

Hochschule für Wirtschafts-,Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)

zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften

vorgelegt von

Alexander Rossmann

aus

Österreich

Genehmigt auf Antrag der Herren

Prof. Dr. Christian Belz

und

Prof. Dr. Andreas Herrmann

Dissertation Nr. 3737

Gabler Verlag Wiesbaden, 2010

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Die Universität St.Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissen-schaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation,ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen.

St.Gallen, den 16. November 2009

Der Rektor:

Prof. Ernst Mohr, PhD

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Alexander Rossmann

Vertrauen in Kundenbeziehungen

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GABLER RESEARCH

Marketing-Management

Herausgegeben von

Professor Dr. Christian Belz, Universität St. Gallen

Professor Dr. Alfred Kuß, Freie Universität Berlin

Professor Dr. Thomas Rudolph, Universität St. Gallen

Professor Dr. Torsten Tomczak, Universität St. Gallen

In der Reihe werden Forschungsergebnisse aus unterschiedlichen Teilgebieten

des Marketing veröffentlicht, die einen deutlichen Anwendungsbezug haben. Die

Arbeiten gelten Fragestellungen aus dem Bereich des operativen und strategi-

schen Marketing und sind zum großen Teil durch die Einbeziehung verhaltens-

wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie eine empirische Vorgehensweise geprägt.

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Alexander Rossmann

Vertrauen in Kundenbeziehungen

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Christian Belz

RESEARCH

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Dissertation Universität St. Gallen, 2010

1. Auflage 2010

Alle Rechte vorbehalten

© Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010

Lektorat: Ute Wrasmann | Sabine Schöller

Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.

www.gabler.de

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Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche

Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten

wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg

Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier

Printed in Germany

ISBN 978-3-8349-2188-8

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Für Barbara, Tobias, Tim und Eva

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Geleitwort

Ohne Zweifel ist die Thematik des Vertrauens in Kundenbeziehungen für Forschung und Praxis des Marketing bedeutend. Vertrauen ist besonders in schwierigen Zeiten ein Schlüsselthema für Anbieter und Kunden. Unter Druck wählen sie oft den Ansatz des Misstrauens. Er wirkt nur kurzfristig und zerstört Beziehungen. Die Arbeit erfasst die Bedingungen und die Gestaltung des wechselseitigen Vertrauens zwischen An-bietern und Kunden.

Dieses Buch hat viele Stärken.

Relevantes Thema: Motivierend begründet der Verfasser sein Thema. Wichtig ist dabei, dass er verschieden Lücken der Vertrauensforschung aufdeckt. Dazu ge-hören: Bisher einseitig interpersonale Vertrauensforschung, die Managementpoten-ziale sind ungenügend herausgearbeitet und es ist unklar, wie sich Vertrauen dyna-misch steuern lässt, nur die Vorteile des Vertrauens werden berücksichtigt und meis-tens fehlen integrierende Arbeiten zur Sicht von Anbietern und Kunden.

Aufwändiger Methodenmix: Der Autor kombiniert eine deduktive und induktive Vor-gehensweise und stützt sich auf aufwendige quantitative und qualitative Forschung in der Informatikbranche. Ergiebig sind die Fallstudien von Cirquent und BMW, Logica und Arcor, SQS und Sunrise sowie IBM. Der Verfasser orientiert sich an der wissen-schaftlichen und praktischen Gemeinschaft; seine Methodik ist relevant und 'rigour'. Die Arbeit nutzt souverän den 'State of the Art' der Methoden.

Fortschritt: Die Fortschritte für Forschung und Praxis mit dieser Arbeit sind beeindru-ckend. Alexander Rossmann hat die Theorie des Relationship Marketing und der Vertrauensforschung maßgeblich vertieft und differenziert. Wichtig ist beispielsweise, dass er nicht nur das Vertrauen zwischen Individuen, sondern ebenso das Vertrauen in Organisationen aufgreift.

Für den Leser ist die klare Struktur und Gedankenführung wichtig. Die Arbeit ist flüs-sig geschrieben, die Gedanken sind eng am Thema geführt und die Argumentation ist ausgereift. Kurz: Ich empfehle die Lektüre und bin stolz, dass ich diese Arbeit als Doktorvater betreuen konnte.

Prof. Dr. Christian Belz, Ordinarius für Marketing an der Universität St. Gallenund Geschäftsführer des Instituts für Marketing.

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Vorwort

Ein Vorhaben wie eine Dissertation kann nicht ohne Vertrauen entstehen. An dieser Stelle danke ich daher all jenen, die durch die ihr Vertrauen zum Gelingen dieser Ar-beit beigetragen und mich in den letzten Jahren unterstützt haben.

Mein besonderer Dank gilt dabei Herrn Prof. Dr. Christian Belz. Ohne sein persön-liches Engagement und seine vielfältigen Fragen, Anregungen und Hinweise hätte die vorliegende Dissertation nicht in dieser Form entstehen können. Dies umfasst auch die gewährten Freiheitsgrade bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Arbeit und der Umsetzung von Kooperationsvorhaben mit der Unternehmenspraxis. In dieser Hinsicht konnte ich von einer optimalen Mischung aus Freiheit, Vertrauen und indivi-dueller Unterstützung profitieren. Mein herzlicher Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Andreas Herrmann für die Übernahme des Ko-Referats und einige entscheidende Hinweise bezüglich der methodischen Gestaltung des Forschungsvorhabens.

Darüber hinaus will ich mich für das umfassende Vertrauen der Partner aus der Un-ternehmenspraxis bedanken. Dies bezieht sich auf die Bereitschaft zur Kooperation mit der Forschung, den intensiven Dialog und die Gewährung tiefer Einblicke in die Realität interorganisationaler Vertrauensbeziehungen. Das Sponsoring der Praxis-partner erlaubte außerdem eine fokussierte Arbeit an der vorliegenden Forschung. Ohne einzelne Unternehmen oder Personen zu nennen, möchte ich mich hiermit für die interessante und intensive Zusammenarbeit bedanken.

Schließlich hat auch meine Familie in erheblichem Maße zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Ohne einen intakten familiären Kontext, das Verständnis und den Bei-stand meiner Familie wäre diese Dissertation nicht möglich gewesen. Mein größter Dank gilt daher meiner Frau Barbara, für das große Verständnis in Bezug auf meine zweite Leidenschaft, die Geduld in schwierigen Arbeitsphasen und das Vertrauen in den gemeinsamen Weg.

St.Gallen, im November 2009 Alexander Rossmann

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI

Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII

Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX

Abkürzungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII

Teil 1: Ausgangslage und Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

1. Vertrauen in der Marketingforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

2. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.1. Fokussierung auf interpersonale Beziehungsstrategien . . . . . . . . . . . 5 2.2. Limitiertes Managementpotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2.3. Modellierung von Vertrauen als homogenes Konstrukt . . . . . . . . . . 8 2.4. Isolierter Fokus auf Vertrauensvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 2.5. Ausblendung von Kundenmerkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2.6. Eindimensionale Untersuchungsperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

3. Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

4. Wissenschaftstheoretische Positionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

5. Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Teil 2: Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

1. Vertrauen in der Organisationsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1.1. Definition und Verständnis von Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1.2. Funktionen und Auswirkungen von Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

1.2.1. Differenzierung des Vertrauenskonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1.2.2. Mediatoren der Vertrauensdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1.2.3. Differenzierung der Auswirkungen von Vertrauen . . . . . . . . . . 26 1.2.4. Moderatoren der Vertrauensdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

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1.3. Vertrauen auf verschiedenen Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.4. Vertrauensdynamik in personalen Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1.5. Vertrauensdynamik in (inter-)organisationalen Beziehungen . . . . . . . 34 1.6. Negativeffekte von Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1.7. Schwerpunkte der weiteren Vertrauensforschung . . . . . . . . . . . . . . . 40 1.8. Zwischenfazit: Komplexität der Vertrauensforschung . . . . . . . . . . . . 42

2. Relationship Marketing (RM) Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2.1. Paradigmenwechsel im Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2.2. Diskrete Transaktionen versus relationaler Austausch . . . . . . . . . . . 46 2.3. Relationship Marketing: Abgrenzung des Forschungsgebiets . . . . . 49 2.4. Bedingungen relationaler Austauschbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . 53 2.5. Auswirkungen relationaler Austauschbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . 58 2.6. Konstrukte der Beziehungsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2.7. Kontextfaktoren der Wirksamkeit von RM Programmen . . . . . . . . . . . 62

2.7.1. Produkte, Dienstleistungen und Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . 62 2.7.2. Mehrstufige Vertriebsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2.7.3. Unternehmens- und Konsumentenmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . 66

2.8. Personale versus organisationale Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2.9. Schwerpunkte der weiteren RM Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2.10. Zwischenfazit: RM vs. Organisationsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . 72

Teil 3: Forschungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

1. Vertrauen auf Kundenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

2. Vertrauen als multidimensionales Konstrukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

3. Bedingungen für Vertrauen auf Kundenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3.1. Personale Relationship Marketing Strategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3.2. Opportunistisches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3.3. Organisationale Relationship Marketing Strategien . . . . . . . . . . . . . . 82

4. Auswirkungen von Vertrauen auf Kundenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

5. Kundenspezifische Moderatoren der Vertrauensdynamik . . . . . . . . . . . . . 91

6. Zwischenfazit: Bezug des Forschungsmodells zu den Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . 93

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Teil 4: Forschungsmethodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

1. Methodischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

2. Untersuchungsobjekt, Aufbau der Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

3. Befragung vom Anbietern und Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

3.1. Quantitative Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3.1.1. Entwicklung des Fragebogens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3.1.2. Auswertung mit kovarianzbasierten

Strukturgleichungsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

3.2. Qualitative Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3.2.1. Beschreibung der Untersuchungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3.2.2. Aufbau der Stichprobe, Erarbeitung Interviewleitfaden . . . . . . 105 3.2.3. Durchführung der Interviews,

digitale Aufnahme und Transkription . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3.2.4. Erarbeitung eines Kategoriensystems,

Codierung der Daten mit MAX QDA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3.2.5. Kategorienbasierte Auswertung,

Interpretation der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

4. Vergleichende Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

5. Vertiefende Analyse: Fallstudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

6. Zwischenfazit: Forschungsfragen, Forschungsmodell und Forschungsmethoden . . . . . . . 112

Teil 5: Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

1. Diskussion der quantitativen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

1.1. Kundenstichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1.1.1. Konstrukte und Items . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1.1.2. Modellspezifikation und Modellgüte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1.1.3. Haupteffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 1.1.4. Moderationseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

1.2. Anbieterstichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

1.2.1. Konstrukte und Items . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1.2.2. Modellspezifikation und Modellgüte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

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1.2.3. Haupteffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

1.3. Zwischenfazit: Quantitative Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

2. Diskussion der qualitativen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

2.1. Kundenstichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2.1.1. Ausprägungen der Vertrauensbeziehung

aus Kundensicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2.1.2. Auswirkungen der Vertrauensbeziehung

aus Kundensicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 2.1.3. Anbieterseitige Bedingungen

für Vertrauensbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2.1.4. Kundenseitige Bedingungen für Vertrauensbeziehungen . . . . . 146 2.1.5. Vertrauen in Personen vs. Vertrauen in die Organisation . . . . . 150

2.2. Anbieterstichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2.2.1. Ausprägungen der Vertrauensbeziehung

aus Anbietersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 2.2.2. Auswirkungen der Vertrauensbeziehung

aus Anbietersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 2.2.3. Anbieterseitige Bedingungen

für Vertrauensbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2.2.4. Kundenseitige Bedingungen für Vertrauensbeziehungen . . . . 166 2.2.5. Vertrauen in Personen vs. Vertrauen in die Organisation . . . . . 171

2.3. Zwischenfazit: Qualitative Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

3. Diskussion der vergleichenden Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

3.1. Vergleich der quantitativen Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3.1.1. Güte des multiplen Gruppenvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3.1.2. Unterschiede in den Haupteffekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3.1.3. Latente Mittelwertstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

3.2. Vergleich der qualitativen Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3.2.1. Vergleich der Ausprägungen und Auswirkungen

von Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3.2.2. Vergleich der anbieterseitigen Bedingungen für Vertrauen . . . 185 3.2.3. Vergleich der kundenseitigen Bedingungen für Vertrauen . . . . 186 3.2.4. Vergleich der Perspektiven zu den

Wechselwirkungen von Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

3.3. Zwischenfazit: Vergleichende Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

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4. Diskussion der vertiefenden Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

4.1. Cirquent und BMW: Integration in der IT Projektplanung und -steuerung . . . . . . . . . . . . . 190 4.1.1. Spezifikation der Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 4.1.2. Methodischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 4.1.3. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 4.1.4. Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

4.2. Logica und Arcor: Wertorientierte Preismodelle in Managed Test Services . . . . . . . . . 203 4.2.1. Spezifikation der Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 4.2.2. Methodischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 4.2.3. Ergebnisse aus Anbietersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 4.2.4. Ergebnisse aus Kundensicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 4.2.5. Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

4.3. SQS und Sunrise: Kundenlösungen in Sourcing- und Shoringmodellen . . . . . . . . . . . . 219 4.3.1. Spezifikation der Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 4.3.2. Methodischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 4.3.3. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 4.3.4. Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

4.4. IBM: Reputationsmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 4.4.1. Spezifikation der Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 4.4.2. Methodischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 4.4.3. Ergebnisse aus Kundensicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 4.4.4. Ergebnisse aus Anbietersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 4.4.5. Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

4.5. Zwischenfazit: Vertiefende Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250

Teil 6: Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

1. Theoretische Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252

1.1. Vertrauen auf Konstruktebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 1.2. Vertrauen der Kunden: Bedingungen und Auswirkungen . . . . . . . . . . 257 1.3. Vertrauen der Anbieter: Bedingungen und Auswirkungen . . . . . . . . . 260

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1.4. Moderatoreffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 1.4.1. Extraversion: Individualpräferenzen als Moderator . . . . . . . . 263 1.4.2. Beziehungsorientierung:

Organisationskultur als Moderator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 1.4.3. Exploration weiterer Moderatoreffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267

1.5. Theorieentwicklung aus der vergleichenden Analyse . . . . . . . . . . . . 268 1.6. Theoriebeiträge aus der vertiefenden Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

2. Implikationen für die Unternehmenspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 2.1. Förderung von Vertrauen auf mehreren Ebenen . . . . . . . . . . . . . . . . 273 2.2. Implikationen für personale Beziehungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . 274 2.3. Implikationen für organisationale Beziehungsstrategien . . . . . . . . . . 275 2.4. Risikofaktor Opportunismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 2.5. Risikofaktor Loyalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 2.6. Management der Kooperationsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 2.7. Kundensegmentierung und Account Management . . . . . . . . . . . . . . 284 2.8. Implikationen für Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287

3. Limitationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291

4. Schwerpunkte der weiteren Vertrauensforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

A. Konstrukte und Items (Fragebogen Kundenstichprobe) . . . . . . . . . . . . . . 300

B. Konstrukte und Items (Fragebogen Anbieterstichprobe) . . . . . . . . . . . . . 303

C. Konstrukte und Items (Moderatorvariablen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304

D. Transkriptionsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

E. Verzeichnis der Gesprächspartner für Fallstudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Commitment-Trust Theory nach Morgan und Hunt (1994) . . . . . . . 3

Abb. 2: Wissenschaftstheoretische Grundpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Abb. 3: Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

Abb. 4: Merkmale des Vertrauenskonstrukts nach Götz (2006b) . . . . . . . . . 21

Abb. 5: Auswirkungen von Vertrauen auf Performanceindikatoren(McEvily/Zaheer 2006, 282) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Abb. 6: Co-Evolution von Vertrauen auf verschiedenen Ebenen(Currall/Inkpen 2006, 241) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

Abb. 7: Vertrauensdynamik nach Neuberger (2006) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

Abb. 8: Vertrauensdynamik in interorganisationalen Beziehungen . . . . . . . . 36

Abb. 9: Vertrauensstärke und Vertrauensvorteilenach Gargiulo und Ertug (2006) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

Abb. 10: Relational Mediator Meta-Analytic Frameworknach Palmatier et al. (2006) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

Abb. 11: Kontextfaktoren der Wirkungvon Relationship Marketing Programmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62

Abb. 12: Leistungs- und Kundensysteme nach Belz und Bieger (2006, 34) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

Abb. 13: Kreislauf dysfunktionaler Lösungsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . 64

Abb. 14: Forschungsmodell, Vertrauen auf Kundenseite . . . . . . . . . . . . . . . 73

Abb. 15: Ansatzpunkte für organisationale Beziehungsstrategien . . . . . . . . 82

Abb. 16: Forschungsmethodischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

Abb. 17: Aufbau der Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

Abb. 18: Methodische Umsetzung der qualitativen Untersuchung . . . . . . . . 103

Abb. 19: Ziele der qualitativen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

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Abb.20: Modifiziertes Strukturgleichungsmodell, Kundenstichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

Abb. 21: Qualitative Untersuchung, Kundenstichprobe (Übersicht der Codings) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

Abb. 22: Qualitative Untersuchung, Anbieterstichprobe (Übersicht der Codings) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

Abb. 23: Qualitative Untersuchung, vergleichende Datenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

Abb. 24: Qualitative Untersuchung, Fallstudie Cirquent/BMW . . . . . . . . . . . 193

Abb. 25: Personalintegration in der Cirquent/BMW-Projektarbeit . . . . . . . . . . 195

Abb. 26: Qualitative Untersuchung, Fallstudie Logica/Arcor . . . . . . . . . . . . . 206

Abb. 27: Reifegrad und Mehrwerte alternativer Testmodelle . . . . . . . . . . . . . 208

Abb. 28: Das Service Test Punkt (STP) Verfahren bei Logica & Arcor . . . . . . 210

Abb. 29: Qualitative Untersuchung, Fallstudie SQS/Sunrise . . . . . . . . . . . . 223

Abb. 30: SQS Offshoring Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Abb. 31: Fallstudie IBM, Fragebogen für Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

Abb. 32: Fallstudie IBM, Fragebogen für die IBM Schweiz . . . . . . . . . . . . . . 237

Abb. 33: Fallstudie IBM, Qualitative Untersuchung Kundengruppe (n=32) . . . . . . . . . . . . . . . 238

Abb. 34: Fallstudie IBM, Qualitative Untersuchung Anbietergruppe (n=7) . . . . . . . . . . . . . . . 243

Abb. 35: Mehrstufige Vorgehensweise bei der Kundenintegration . . . . . . . . . 274

Abb. 36: Prozessmodell zur Ermittlung wertorientierter Preise . . . . . . . . . . . . 275

Abb.37: Generische Darstellung einer Beziehungs- analyse und -planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

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Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Diskrete Transaktionen versus relationaler Austauschnach Dwyer et al. (1987) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

Tab. 2: Relationship Marketing Definitionen nach Palmatier (2008) . . . . . . 51

Tab. 3: Untersuchte Konstrukte der Meta-Analyse nach Palmatier et al. (2006, 138) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

Tab. 4: Vergleich der Merkmale unterschiedlicher Beziehungskonfigurationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

Tab. 5: Konstrukte, Definitionen und Referenzendes Forschungsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

Tab. 6: Interviewleitfaden für die qualitative Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . 105

Tab. 7: Transkriptionsregeln nach Kuckartz et al. (2008) . . . . . . . . . . . . . . 106

Tab. 8: Zusammenhang von Forschungsfragen, Forschungsmodellund Forschungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

Tab. 9: Ergebnisse der Kundenstichprobe (n=220): Mittelwerte, Standardabweichungen und Korrelationen . . . . . . . . . . 117

Tab. 10: Ergebnisse der Kundenstichprobe (n=220): Partielle Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118

Tab. 11: Ergebnisse der Kundenstichprobe (n=220): Untersuchte Haupteffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

Tab. 12: Ergebnisse der Kundenstichprobe (n=220): Moderationseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

Tab. 13: Ergebnisse der Anbieterstichprobe (n=220):Mittelwerte, Standardabweichungen und Korrelationen . . . . . . . . . . 125

Tab. 14: Ergebnisse der Anbieterstichprobe (n=220):Untersuchte Haupteffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

Tab. 15: Kernergebnisse der qualitativen Untersuchung(Kundenstichprobe, n=100) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

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Tab. 16: Kernergebnisse der qualitativen Untersuchung(Anbieterstichprobe, n=100) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

Tab. 17: Ergebnisse der quantitativen Untersuchung,multipler Gruppenvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176

Tab. 18: Ergebnisse der quantitativen Untersuchung, latente Mittelwertstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

Tab. 19: Konstrukte und Definitionen der Fallstudie Cirquent/BMW . . . . . . . 191

Tab. 20: Konstrukte und Definitionen der Fallstudie Logica/Arcor . . . . . . . . . 204

Tab. 21: Konstrukte und Definitionen der Fallstudie SQS/Sunrise . . . . . . . . . 220

Tab. 22: SQS Offshoring Lösungsansatz, Bewertung der Kundenkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226

Tab. 23: Konstrukte und Definitionen der Fallstudie IBM . . . . . . . . . . . . . . . . 235

Tab. 24: Forschungsfragen, Ergebnisse und theoretische Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

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Abkürzungsverzeichnis

Abb.: Abbildung

AG: Aktiengesellschaft

B2B: Business-to-Business

B2C: Business-to-Consumer

BMW: Bayrische Motoren-Werke

bzw.: beziehungsweise

ca.: circa

CEO: Chief Executive Officer

CFI: Comparative Fit Index

CIO: Chief Information Officer

CMMI: Capability Maturity Model Integration

CSR: Corporate Social Responsibility

df: Anzahl der Freiheitsgrade

d.h.: das heißt

ERP: Enterprise-Resource-Planning

et al.: et aliae

etc.: et cetera

ggf.: gegebenenfalls

GmbH: Gesellschaft mit beschränkter Haftung

IBM: International Business Machines

IFRS: International Financial Reporting Standards

IT: Informationstechnologie

KFA: Konfirmatorische Faktorenanalyse

KG: Kommanditgesellschaft

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m.E.: mit Einschränkungen

Mio.: Millionen

ML: Maximum-Likelihood

Mrd.: Milliarden

NTT: Nippon Telegraph & Telephone

n: Größe der Stichprobe

NEO-FFI: NEO-Fünf-Faktoren-Inventar

NFI: Normed Fit Index

NNFI: Non-Normed Fit Index

p: Irrtumswahrscheinlichkeit

RFC: Request for Change

RM: Relationship Marketing

RMSEA: Root Mean Squared Error of Approximation

RZ: Rechenzentrum

SAP: Systeme, Anwendungen und Produkte

SPICE: Simulation Program with Integrated Circuit Emphasis

STP: Service-Test-Punkte

SQS: Software Quality Systems

USA: United States of America

usw.: und so weiter

v.a.: vor allem

vs.: versus

z.B.: zum Beispiel

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Zusammenfassung

Das Vertrauen in Kundenbeziehungen ist spätestens seit den 1990er Jahren als For-schungsgebiet im Marketing etabliert. Aus der Entwicklung von Vertrauensbezie-hungen entstehen Vorteile für Anbieter und Kunden. Daher stellt sich die Frage, wel-che Bedingungen das Vertrauen auf beiden Seiten fördern. Darüber hinaus geht es um ein differenziertes Verständnis der Auswirkungen von Vertrauen in Kooperations-beziehungen. Beide Aspekte hat die Marketingforschung bereits thematisiert. Jedoch konzeptualisieren die meisten der vorliegenden Beiträge Vertrauen als homogenes Konstrukt. Bevorzugt wird auf interpersonaler Ebene untersucht, unter welchen Be-dingungen Kunden Vertrauen in die Vertriebsbeauftragten eines Anbieters ent-wickeln. Dabei stehen besonders die Effekte personenbezogener Merkmale der Ver-triebsbeauftragten zur Diskussion. Organisationale Faktoren der Vertrauensbildung blendet die bisherige Forschung weitgehend aus.

Eine ausschließlich interpersonale Fundierung von Vertrauensbeziehungen greift theoretisch zu kurz und führt aus Sicht der Unternehmenspraxis sogar zu gravieren-den Risiken. Soweit sich das Vertrauen der Kunden lediglich aus interpersonalen Beziehungen speist, kann durch Fluktuation ein finanzieller Verlust für den Anbieter entstehen. Darüber hinaus sind die Möglichkeiten einer Differenzierung durch orga-nisationale Beziehungsstrategien bislang nur unterproportional erforscht. Damit ist die Frage verbunden, durch welche Konzepte eine Förderung von Vertrauen auf Organisationsebene möglich ist.

Die skizzierten Überlegungen prägen die vorliegende Dissertation. Dabei lässt sich auf Grundlage der Organisationsforschung ein multidimensionaler Ansatz für die Konzeptualisierung des Vertrauenskonstrukts ableiten. Dies ermöglicht eine differen-zierte Exploration und konzeptionelle Modellierung der Bedingungen und Auswir-kungen von Vertrauen auf unterschiedlichen Ebenen. Das entwickelte Forschungs-modell wird durch eine empirische Untersuchung in der IT-Branche getestet. Darüber hinaus bieten Einzelfallstudien tiefe Einblicke in die Logik organisationaler Bezie-hungsstrategien. Aus der vorliegenden Forschung lassen sich somit fruchtbare Impli-kationen für die Marketingtheorie, Unternehmenspraxis und die weitere Vertrauens-forschung ableiten.

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Abstract

The role of trust in customer relationships only became a plank of marketing research in the 1990s. Building trust benefits sellers and customers alike, prompting research-ers to ask what factors promote mutual trust. Another prize is a more differentiated understanding of how trust plays out in cooperative relationships. Both issues have already been targeted by marketing studies. Yet most present studies conceptualize trust as a homogeneous construct, with the interpersonal level coming under close scrutiny. Especial attention is given to the impact of seller’s representatives. Organi-zational factors in building trust were largely overlooked by earlier research.

An exclusively interpersonal stance on trust relationships is theoretically wanting and not without grave risk in terms of corporate practice. As long as customer trust is built solely on interpersonal relationships, any fluctuation in these may lead to the seller losing out financially. Moreover, avenues for differentiation by means of organiza-tional relationship strategies have been underresearched to date. Therefore, we need to devise approaches to fostering trust on the organizational level.

The above considerations loom large in this dissertation. Based on organization re-search, it stands up a multidimensional approach to conceptualizing the trust con-struct. What we get is a differentiated exploration and conceptual modeling of the conditions and impacts of trust on multiple levels. This research model is tested by an empirical study from the IT sector. In addition, several case studies supply useful insights into the logic driving organizational relationship strategies. In sum, this re-search has fruitful implications for marketing theory and corporate practice – and also for where trust research is heading.

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Teil 1: Ausgangslage und Forschungsfragen

“People buy from people they like” (Unbekannter Autor)

Das bekannte Zitat unbekannter Herkunft macht deutlich, dass die Qualität der Be-ziehung zwischen den beteiligten Parteien für den gemeinsamen Erfolg wesentlich ist. Spätestens seit Mitte der 1980er Jahre findet diese Überlegung im Marketing eine breite Diskussionsbasis (Palmatier et al. 2006, 136). Das Verhältnis zwischen Anbie-tern und Kunden ist danach weniger als zeitlich abgegrenzte Transaktion, sondern eher als Ergebnis relationaler Austauschbeziehungen aufzufassen (Belz 2002, 158; Dwyer et al. 1987, 13).

Bei der Bewertung der Qualität entsprechender Austauschbeziehungen spielt der Faktor Vertrauen eine wesentliche Rolle (Fang et al. 2008, 80). Vertrauen ist eine freiwillige Leistung der beteiligten Partner und beinhaltet eine formal nicht abge-sicherte soziale Investition (Neuberger 2006, 12). Soweit Kunden ihren Anbietern vertrauen, gehen sie grundsätzlich ein Risiko ein und sie machen sich verwundbar (Gambetta 1988). Man vertraut in die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft eines Anbieters, ohne vorab genau zu wissen, ob das gewünschte Resultat mit Sicherheit eintritt (Kaiser/Ringlstetter 2006, 102).

Für das Marketing sind in dieser Hinsicht zwei Aspekte besonders relevant. Allge-mein stellt sich die Frage, welche Bedingungen das Vertrauen zwischen Anbietern und Kunden fördern. Darüber hinaus geht es um ein differenziertes Verständnis der Auswirkungen von Vertrauen in Kooperationsbeziehungen. Beide Aspekte hat die Marketingforschung bereits thematisiert (Crosby et al. 1990; Doney et al. 2007; Mor-gan/Hunt 1994).

Jedoch konzeptualisieren die meisten der vorliegenden Beiträge Vertrauen als ho-mogenes Konstrukt. Bevorzugt wird auf interpersonaler Ebene untersucht, unter wel-chen Bedingungen Kunden Vertrauen in die Vertriebsbeauftragten eines Anbieters entwickeln. Dabei stehen besonders die Effekte personenbezogener Merkmale (z.B. Expertise, Kommunikationsverhalten, persönliche Gemeinsamkeiten) auf das Kun-denvertrauen zur Diskussion (Anderson/Weitz 1992; Crosby et al. 1990; Do-ney/Cannon 1997; Lagace et al. 1991; Morgan/Hunt 1994). Organisationale Aspekte der Vertrauensbildung bleiben bisher weitgehend unberücksichtigt.

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Eine ausschließlich personenbezogene Erklärung der Vertrauensdynamik in Kun-denbeziehungen greift theoretisch zu kurz und kann aus Sicht der Unternehmens-praxis sogar nachteilige Effekte entfalten. Soweit sich das Vertrauen der Kunden in einen Anbieter nämlich lediglich aus personalen Beziehungen speist, kann durch Fluktuation ein finanzielles Risiko für den Anbieter entstehen (Palmatier et al. 2007, 185). Darüber hinaus sind die Möglichkeiten einer Differenzierung über organisa-tionsgebundene Beziehungsstrategien bisher nur unterproportional erforscht (Belz 1998b, 77; Fang et al. 2008). Durch die Beschreibung und Erklärung derartiger Be-ziehungsstrategien entstehen praxisrelevante Konzepte zur Förderung von Vertrauen auf Organisationsebene.

Diese Grundüberlegungen prägen die vorliegende Dissertation.

1. Vertrauen in der Marketingforschung

Das Thema Vertrauen verfügt in der Marketingtheorie bis in 1980er Jahre über eine eher geringfügige Bedeutung. Erst durch den Aufschwung der Relationship Marke-ting Forschung (Dwyer et al. 1987; Morgan/Hunt 1994; Palmatier et al. 2006) und die zunehmende Betonung relationaler Austauschbeziehungen geraten auch Fragen des Vertrauens in den Untersuchungsfokus. Die grundlegende Rolle von Vertrauen ha-ben bereits Sullivan und Peterson (1982, 30) wie folgt zusammengefasst:

“…where the parties have trust in one another, then there will be ways by which the parties can work out difficulties such as power conflicts, low profitability, and so forth.”

Vertrauen ist eine soziale Ressource und kompensiert die in sozialen Beziehungen vorhandene Komplexität und Unsicherheit (Dwyer et al. 1987, 23). Ohne Vertrauen sind funktionale Kooperationsbeziehungen zwischen Anbietern und Kunden nicht möglich.

Die Relationship Marketing Forschung konzentrierte sich daher in der 1990er Jahren auf die Entwicklung tragfähiger Theorien zur Erklärung der Vertrauensdynamik in interorganisationalen Kooperationen. Morgan und Hunt (1994) publizierten schließ-lich mit der Commitment-Trust Theory ein stark rezipiertes Erklärungsmodell für die Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen in Kundenbeziehungen (vgl. Abb.1). Vertrauen und Commitment werden dabei als wesentliche Ausprägungen der Bezie-hungsqualität konzeptualisiert.

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Abb.1: Commitment-Trust Theory nach Morgan und Hunt (1994)

Die grundlegende Modellstruktur der Commitment-Trust Theory ist für die aktuelle Relationship Marketing Forschung von hoher Bedeutung. Der theoretische Ansatz geht davon aus, dass unterschiedliche Prädiktorvariablen die Beziehungsqualität be-einflussen (Morgan/Hunt 1994, 23). Die Qualität der Beziehung (operationalisiert durch Commitment und Vertrauen) ist hingegen für die Erzielung spezifischer Per-formanceeffekte wesentlich. Daher werden die Effekte von Relationship Marketing Programmen auf relevante Zielgrößen durch Ausprägungen der Beziehungsqualität mediiert.

Die Commitment-Trust Theory bietet auch ein begriffliches Verständnis für den Ver-trauensbegriff. Mit Rückgriff auf Moorman et al. (1992, 23) und Rotter (1967, 651) definieren Morgan und Hunt (1994, 23) Vertrauen als den Glauben an die Verläss-lichkeit und Integrität eines Partners bzw. als die Bereitschaft, sich auf einen Partner und seine Leistungen zu verlassen.

Die Modellstruktur und Konstruktdefinition der Commitment-Trust Theory wurden nachfolgend von unterschiedlichen Forschungsprogrammen übernommen, repliziert und erweitert (Doney/Cannon 1997; Doney et al. 2007; Palmatier et al. 2006). In Summe liegen heute vielfältige empirische Befunde für relevante Bedingungen, Be-ziehungsstrategien und mögliche Auswirkungen von Vertrauen in Kundenbezie-hungen vor.

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Einen Überblick bietet die im Rahmen der Meta-Analyse von Palmatier et al. (2006, 142) vorgenommene Zusammenfassung von Prädiktoren, Mediatoren und Ziel-variablen der Relationship Marketing Forschung. Die Untersuchung liefert darüber hinaus Erkenntnisse in Bezug auf die Wirksamkeit einzelner Beziehungsstrategien (Palmatier et al. 2006, 142). Danach haben Konflikte im Allgemeinen den stärksten (negativen) Effekt auf Vertrauen. Opportunistische Verhaltensweisen (z.B. nicht ein-gehaltene Zusagen, zurück gehaltene Informationen, etc.) reduzieren auf beiden Sei-ten das Vertrauen in den Erfolg zukünftiger Transaktionen. Offensichtlich kann Ver-trauen relativ schnell zerstört werden. Der Aufbau von Vertrauen ist hingegen deut-lich weniger einfach (Shiv et al. 1997).

Unter den von Palmatier et al. (2006, 143) untersuchten Beziehungsstrategien haben die Expertise und das Kommunikationsverhalten der Kontaktpersonen auf Anbieter-seite (z.B. von Vertriebsbeauftragten, Account Managern, Call-Center Agents, etc.) den stärksten positiven Einfluss auf das Kundenvertrauen. Damit unterstützt die Un-tersuchung die Ergebnisse bereits vorliegender Forschungen (Crosby et al. 1990, 71; Morgan/Hunt 1994, 25) sowie die Investitionen vieler Anbieter in den Bereichen Per-sonalauswahl und Personalentwicklung.

In Bezug auf die Bewertung von Auswirkungen der Beziehungsqualität bestätigt die Meta-Analyse einen starken positiven Einfluss von Vertrauen auf die Kooperationzwischen den beteiligten Parteien (Palmatier et al. 2006, 147). Vertrauen ist daher eine wesentliche Bedingung für den gemeinsamen Kooperationserfolg. Darüber hin-aus hat Vertrauen einen starken positiven Effekt auf die pro-aktive Weiterempfehlung durch Kunden (Word of Mouth), die Kundenloyalität und die Motivation der Kunden in Bezug auf die Erhaltung und Fortsetzung einer etablierten Beziehung. In Summe impliziert Vertrauen damit vielfältige Beziehungseffekte, die sich positiv auf relevante Finanzindikatoren eines Anbieters auswirken (Reynolds/Beatty 1999, 12; Siguaw et al. 1998, 101).

Die ansteigende Relevanz von Fragen des Vertrauens hat dazu geführt, dass sich das Konstrukt in den letzten Jahrzehnten als wesentliches Forschungsgebiet etabliert hat (Arnott 2007; Doney et al. 2007; Moliner et al. 2007). Die Interaktionen zwischen Anbietern und Kunden sind in wesentlichen Teilen durch die Beziehungsqualität zwi-schen den beteiligten Parteien bestimmt (Buchel 2003, 91; Inkpen/Beamish 1997, 177). Vertrauen ist in dieser Beziehungsdynamik ein wesentlicher Bezugspunkt (Ar-nott 2007, 981; Kaiser/Ringlstetter 2006).

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2. Problemstellung

Obwohl das Konstrukt Vertrauen als Untersuchungsgegenstand im Marketing ge-festigt ist, lassen sich dennoch einige Schwachpunkte der aktuellen Forschung aus-machen. Die Problemstellung manifestiert sich zunächst in der starken Fokussierung der Relationship Marketing Forschung auf interpersonale Beziehungen. Darüber hin-aus verfügen die meisten der beispielsweise von Palmatier et al. (2006, 139) unter-suchten Beziehungsstrategien über wenig Managementpotential. Schließlich neigt die aktuelle Forschung zu einer Simplifizierung der Vertrauensdynamik und fokus-siert zu stark auf die Beziehungsvorteile von Vertrauen. Potentielle Nachteile und Risiken bleiben dagegen weitgehend ausgeblendet.

2.1. Fokussierung auf interpersonale Beziehungsstrategien

Für die Relevanz der Marketingforschung ist maßgeblich, ob und wie sich durch die erzielten Erkenntnisgewinne Beiträge zur Lösung von Problemen in der Unterneh-menspraxis ableiten lassen (Tomczak/Dyllick 2007, 76; Ulrich 1984, 23). Die Impli-kationen der Relationship Marketing Forschung fokussieren aus Perspektive der Praxis sehr stark auf Empfehlungen zur Gestaltung interpersonaler Beziehungs-strategien. So formulieren beispielsweise Crosby et al. (1990, 77):

“When hiring sales personnel, marketing and sales managers can screen for the social abilities that facilitate establishing and maintaining long-term interpersonal relationships … trust-building activities on the part of all con-tact employees should be encouraged and taught.”

Analoge Empfehlungen in Richtung einer Weiterentwicklung personaler Ressourcen finden sich beispielsweise bei De Wulf et al. (2001, 46):

“…demonstrates the crucial role of retail employees who are in direct con-tact with customers. Retailers capable of training and motivating their em-ployees to show warm and personal feelings toward customers can reap the resulting benefits in term of improved perceptions of relationship in-vestment.”

In eine vergleichbare Richtung tendieren Palmatier et al. (2006, 151):

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“Business executives focused on building and maintaining strong custom-er relationships should note that the selection and training of boundary spanners is critical; expertise, communication, and similarity to the cus-tomer are the most effective relationship-building strategies”.

Offensichtlich liegt ein spezifisches Merkmal der Relationship Marketing Forschung in der Betonung interpersonaler Beziehungen. Probleme in Marketing und Vertrieb lassen sich somit relativ einfach auf Mängel in der Kompetenz der Vertriebsbeauf-tragten zurückführen (Kreindler et al. 2009, 32).

Die gewählte Fokussierung ist vordergründig plausibel. Schließlich adressiert auch das oben rezipierte Zitat (people buy from people they like) die Bedeutung von Per-sonen bei der Beziehungsgestaltung. Damit bietet sich auch ein Erklärungsansatz für den in der Marketingpraxis stark präferierten Aufbau von Vertrauen über personale Betreuungskonzepte (z.B. dediziertes Account Management, Aus- und Weiterbildung der Vertriebseinheiten, Aufbau von Expertise und Kommunikationskompetenzen, etc.). Auf Basis dieser Sichtweise entsteht ein starker Wettbewerb um die besten Mitarbeiter/innen und v.a. um die vorhandenen Kundenbeziehungen der Mitarbeiter/ innen.

Allerdings bleibt zu hinterfragen, ob eine ausschließliche Fokussierung auf interper-sonale Beziehungen sinnvoll ist. Möglicherweise führt eine zu starke Konzentration auf Personen zu einer Überforderung und Überbewertung interpersonaler Bezie-hungsstrategien (Belz/Bußmann 2002, 193). Über den Faktor Personal hinaus fehlt es an empirisch fundierten Ansätzen, die eine Weiterentwicklung der Beziehungs-qualität über organisationale Ressourcen (z.B. Prozesse, Unternehmenskultur, Leis-tungs- und Kommunikationssysteme) fördern (Belz 1999b, 218).

Eine Ausnahme bietet die Untersuchung von Doney und Cannon (1997, 39), die ex-plizit zwischen personalen und organisationalen Bedingungen für den Aufbau von Vertrauen unterscheidet. Auf diese Weise werden organisationale Ressourcen wie Reputation oder die Fähigkeit zur Anpassung von Leistungen an den Kundenbedarf (= Customizing) zu empirisch relevanten Beziehungsstrategien. Darüber hinaus ver-fügen organisationale Ressourcen (gegenüber personalen Ressourcen) über spezi-fische Vorteile in Bezug auf Verfügbarkeit, Transfer und Konstanz (Ganesan 1994). Weitere Forschungen in Richtung einer Entwicklung organisationaler Beziehungsres-sourcen versprechen daher ein hohes Differenzierungspotential.

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2.2. Limitiertes Managementpotential

Über das Defizit im Bereich organisationaler Ressourcen hinaus verfügen viele der in der Relationship Marketing Forschung rezipierten Beziehungsstrategien über ein limi-tiertes Managementpotential. Teilweise sind die entwickelten Ansätze für den Aufbau von Vertrauen durch das Management schwierig bis überhaupt nicht gestaltbar. So untersuchen beispielsweise Morgan und Hunt (1994, 25) die Vorteilhaftigkeit ge-meinsamer Werte für den Aufbau von Vertrauen und Commitment in Kundenbezie-hungen:

“Shared values, the only concept that we posit as being a direct precursor of both relationship commitment and trust, is the extent to which partners have beliefs in common about what behaviors, goals, and policies are im-portant or unimportant, appropriate or inappropriate, and right or wrong.”

Trotz einer empirischen Fundierung der positiven Wirkung gemeinsamer Werte bleibt offen, welche Implikationen sich daraus für das Management ableiten. In der Regel fokussieren Anbieter auf die Betreuung mehrerer Kunden mit unterschiedlichen kultu-rellen Voraussetzungen. Gemeinsame Werte lassen sich dabei zwar im Grundsatz berücksichtigen, sind jedoch schwierig als handlungsleitende Beziehungsstrategie operationalisierbar.

Eine vergleichbare Situation findet sich auch bei anderen häufig thematisierten Be-dingungen der Beziehungsqualität. So belegen viele Untersuchungen die positive Wirkung der bisherigen Dauer der Beziehung zwischen Anbieter und Kunde (Ander-son/Weitz 1989, 22; Doney/ Cannon 1997, 40). Nach Kumar et al. (1995, 57) gilt folgender Zusammenhang:

“… trust and expectations of continuity increase as relationships mature, we posit that age has a positive impact on relationship quality.”

Erneut stellt sich jedoch die Frage, welche Implikationen sich aus dem unterstellten Zusammenhang für die Managementpraxis ergeben. Möglicherweise kann abgeleitet werden, dass grundsätzlich die Bindung von Kunden in etablierten Kooperations-beziehungen wesentlich ist. Weiterführende Empfehlungen für die Operationali-sierung des Ansatzes in konkrete Beziehungsstrategien bleiben jedoch aus.

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In Summe kann die Kritik in Richtung eines limitierten Managementpotentials auf weitere Beziehungsstrategien übertragen werden. So sind zum Beispiel auch die Im-plikationen aus den Effekten einer hohen Interaktionshäufigkeit (Doney/Cannon 1997, 41) unklar. Grundsätzlich kann zwar daraus abgeleitet werden, dass der Ver-trieb mehr Zeit mit Kunden verbringen muss. Erneut erscheint jedoch die Umsetzung des allgemeinen Effekts in operative Beziehungsstrategien schwierig. Insgesamt entwickelt sich daraus der Anspruch an ein höheres Handlungspotential zukünftiger Forschungen (Tomczak/Dyllick 2007, 76). Dabei sind konkret umsetzbare Ansätze für den Aufbau von Vertrauen in Kundenbeziehungen zu formulieren.

2.3. Modellierung von Vertrauen als homogenes Konstrukt

Ein weiteres Problem der Relationship Marketing Forschung liegt aus theoretischer Sicht in der Modellierung von Vertrauen als homogenes Konstrukt. Bisher dominieren Forschungsmodelle den Diskurs, die Vertrauen als eindimensionalen Mediator für die Wirkung alternativer Beziehungsstrategien auf spezifische Zielkonstrukte modellieren (Doney et al. 2007, 1097; Morgan/Hunt 1994, 22). Eine derart homogene Model-lierung kausaler Zusammenhänge ist jedoch in Bezug auf eine theoretisch adäquate Erklärung der Vertrauensdynamik zu abstrakt. Insbesondere kann dadurch nicht be-rücksichtigt werden, dass Vertrauen als soziale Eigenschaft nicht nur auf zwischen-menschliche Beziehungen begrenzt ist (Luhmann 2000, 60). Das Vertrauen einer Einzelperson kann sich auch aus Merkmalen einer Organisation, Gesellschaft oder gegebenenfalls aus religiöser Weltanschauung speisen (Kessel 2006, 224).

Entsprechend ist auch in der Marketingforschung eine differenzierte Analyse der Ver-trauensdynamik in Kundenbeziehungen erforderlich. Erste Ansätze einer solchen Differenzierung finden sich z.B. bei Fang et al. (2008, 81), die das Konstrukt Ver-trauen aus verschiedenen organisationalen Perspektiven modellieren:

“Our research extends marketing theory by integrating previous unilevel research on trust to provide a more holistic picture of its complex interplay at multiple organizational levels. Teasing apart the differential roles of the various levels of trust, rather than using the more typical single-level pers-pective, is a critical step to reducing the high failure rates of interfirm colla-borations.”

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Die Untersuchung von Fang et al. (2008, 81) diskutiert entsprechend drei unter-schiedliche Vertrauensformen: 1) Das interorganisationale Vertrauen zwischen Orga-nisationen, 2) das Vertrauen der Organisationen zu ihren Mitgliedern und 3) das per-sonenbezogene Vertrauen zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Organisationen. Vertrauen kann seine Wirkung auf die skizzierten Zielgrößen nur bei gezielter Be-rücksichtigung der verschiedenen Vertrauensebenen entfalten (Zaheer et al. 1998, 156). Eine differenzierte Betrachtung der Vertrauensdynamik impliziert fruchtbare Impulse für die Marketingforschung. Daher ist ein weiterer Ausbau multidimensio-naler Untersuchungen einzufordern.

2.4. Isolierter Fokus auf Vertrauensvorteile

Eine multidimensionale Konzeptualisierung des Vertrauenskonstrukts hat auch Ein-fluss auf eine Bewertung der mit Vertrauen verbundenen Risiken. Die heute im Mar-keting vorliegende Vertrauensforschung thematisiert fast ausschließlich die Vorteile und Chancen von Vertrauen. Mögliche Nachteile und Risiken werden kaum disku-tiert. Insbesondere erfolgt keine für die sozialwissenschaftlichen Nachbardisziplinen typische Abwägung der Rationalität von Vertrauen und Misstrauen (Luhmann 2006, 112). Möglicherweise sind Bedingungen denkbar, unter denen nicht Vertrauen, son-dern Misstrauen als Beziehungsstrategie für Anbieter und Kunden wesentlich vorteil-hafter ist.

Die optimistische Verzerrung der Marketingforschung führt darüber hinaus zu einer Ausblendung der Risiken einer isolierten Betonung von Vertrauen auf personaler Ebene. Soweit sich das Vertrauen in einen Anbieter nämlich ausschließlich aus interpersonalen Beziehungen speist, kann durch Fluktuation ein nicht unbedeutendes finanzielles Risiko für den Anbieter entstehen (Palmatier et al. 2007). Beispielsweise schätzt American Express, dass 30% aller Kunden ihren persönlichen Finanzbera-tern bei einem Unternehmenswechsel folgen (Tax/Brown 1998, 76).

Offensichtlich lassen sich die positiven Effekte von individuellen Vertrauensres-sourcen aus Unternehmensperspektive nur bei einer Einheit von Person und Orga-nisation erzielen. Damit steigen die durch Vertrauen induzierten Risiken, wenn nicht gleichzeitig organisationale Beziehungsstrategien entwickelt und umgesetzt werden (Palmatier et al. 2007, 195). Der Mangel an konzeptionell differenzierten und empi-risch überprüften Beziehungsstrategien auf Organisationsebene stellt daher auch in diesem Kontext ein Problemfeld der Vertrauensforschung im Marketing dar.

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2.5. Ausblendung von Kundenmerkmalen

Ein weiterer Schwachpunkt liegt in der weitgehenden Ausblendung von Kunden-merkmalen. Die Rolle des Kunden ist in der Relationship Marketing Forschung nur relativ schwach beleuchtet. Dabei ist es offensichtlich, dass der Kunde die Vertrau-ensdynamik über eigene Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster aktiv beeinflusst. Der Aufbau von Vertrauen ist in dieser Hinsicht nicht als isolierter Prozess einer ein-zelnen Partei zu betrachten. Vertrauen basiert im Gegenteil auf wechselseitigen Wahrnehmungs- und Verhaltensmustern (McEvily et al. 2006, 53).

Auf der Grundlage dieser Annahme sind die Wahrnehmung und das Verhalten der Kunden in unterschiedlicher Form für das Vertrauen zwischen den beteiligten Partei-en relevant. Zunächst moderieren spezifische Merkmale des Kunden die Effektivität von Relationship Marketing Programmen. Beispielsweise weist Ganesan (1994, 1) auf die Bedeutung der Beziehungsorientierung des Kunden hin:

“Vendors need to know the time orientation (short- or long-term) of a retailer to select and use marketing tools with time characteristics that correspond to the time horizons of the retailer. Insufficient understand of a retailer´s time orientation can lead to problems, such as attempting a relationship marketing when transaction marketing is more suitable”.

Die Präferenzen der Kunden bestimmen damit maßgeblich die Effektivität von Rela-tionship Marketing Programmen. Entsprechend fordern beispielsweise Palmatier et al. (2006, 152) die Konzeptualisierung von Kundenmerkmalen als Moderator für die Wirkung von Beziehungsstrategien. Die empirische Forschung hat sich in dieser Hin-sicht bisher auf die Untersuchung von direkten Beziehungen und generischen Mode-ratoreffekten konzentriert. Somit liegen keine empirisch überprüften Modelle für die Beeinflussung der Wirksamkeit von Relationship Marketing Strategien durch Merk-male des Kunden vor.

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass sich die Wahrnehmungs- und Verhal-tensmuster der Kunden nicht nur auf die Entwicklung von Kundenvertrauen auswir-ken. Die entsprechenden Kundenmerkmale tangieren auch das Vertrauen der Anbie-ter. Jedoch bietet die vorliegende Marketingforschung kaum Anhaltspunkte für rele-vante Kundenmerkmale, die Auswirkungen auf das Vertrauen der Anbieter und ent-sprechende Folgen für die Gestaltung der gemeinsamen Beziehung.

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2.6. Eindimensionale Untersuchungsperspektive

Schließlich ist bei einer Bewertung der Vertrauensforschung im Marketing eine ein-dimensionale Untersuchungsperspektive festzustellen. Aus methodischer Sicht ba-siert die Theoriebildung der meisten empirischen Forschungen auf Erhebungsdaten aus Kundensicht. Dabei werden in der Regel Modelle konzeptualisiert, die die Wir-kung von Beziehungsstrategien der Anbieter auf das Vertrauen der Kunden und alternative Zielkonstrukte testen (Crosby et al. 1990, 72; Doney/Cannon 1997, 42; Kumar et al. 1995, 57; Morgan/Hunt 1994, 28). Die Theoriebildung beruht im Wesentlichen auf kundenbezogenen Modellen und Erhebungsdaten.

Die Perspektive der Anbieter bleibt in dieser Hinsicht ausgeblendet. Somit verzichten die meisten Untersuchungen explizit auf eine analoge Theorieentwicklung aus An-bieterperspektive. Dies ist nicht nur aus theoretischer Sicht bedauerlich. Eine ver-gleichende Untersuchung aus Anbieter- und Kundensicht bietet auch für die Manage-mentpraxis wichtige Implikationen. Erst in den letzten Jahren lassen sich daher dyadische Forschungsdesigns beobachten, die eine multiple Theorieprüfung und Theorieentwicklung aus Anbieter- und Kundenperspektive ermöglichen (Fang et al. 2008, 87; Palmatier et al. 2007, 189).

Für die Weiterentwicklung der Vertrauensforschung im Marketing bieten eine stär-kere Einbeziehung der Anbieterperspektive und die damit verbundene Umsetzung dyadischer Untersuchungsansätze fruchtbare Impulse. Vertrauen ist wie bereits skiz-ziert ein komplexes Phänomen und basiert auf Interaktionsprozessen zwischen un-terschiedlichen Parteien. Daher kann der Aufbau von Vertrauen auch nicht aus-schließlich aus Kundensicht konzeptualisiert werden (McEvily et al. 2006, 53). Die Kunden beeinflussen vielmehr sowohl den Aufbau von Vertrauen innerhalb der eige-nen Organisation, als auch das Vertrauen auf Anbieterseite (Ganesan 1994, 1). Ver-trauen erscheint insofern als soziales Konstrukt und erfordert eine Analyse aus Per-spektive der an der Interaktion beteiligten Akteure.

Eine Einbindung der Anbieterperspektive führt in dieser Hinsicht zunächst zu empi-risch besser fundierten Modellen. Darüber hinaus bietet eine Analyse von Unter-schieden zwischen der Anbieter- und Kundenperspektive fruchtbare Implikationen für die Theorieentwicklung. Schließlich lassen sich aus relevanten Unterschieden auch Empfehlungen für die Managementpraxis ableiten.

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3. Forschungsfragen

Die Forschungsfragen der vorliegenden Dissertation beziehen sich auf die Bedin-gungen und Auswirkungen von Vertrauen in Beziehungen zwischen Anbietern und Kunden. Dabei kann auf fundierte empirische Untersuchungen im Bereich des Rela-tionship Marketing aufgebaut werden (Crosby et al. 1990; De Wulf et al. 2001; Do-ney/Cannon 1997; Morgan/Hunt 1994; Palmatier et al. 2006).

Im Gegensatz zu den meisten vorliegenden Beiträgen konzeptualisiert die vorliegen-de Forschung Vertrauen jedoch nicht als homogenes Konstrukt. Um der Komplexität sozialer Austauschbeziehungen gerecht zu werden, ist eine Differenzierung zwi-schen unterschiedlichen Vertrauensebenen zielführend (Doney/Cannon 1997, 39). Dies kann sich auf verschiedene Aspekte beziehen. So ist beispielsweise relevant, welche Subjekte Vertrauensentscheidungen treffen (Kunde vs. Anbieter, Person vs. Organisation) und auf welche Objekte sich eine Vertrauensentscheidung bezieht (Person, Organisation, Gesellschaft) (McEvily et al. 2006, 53).

Durch eine multidimensionale Konzeptualisierung des Vertrauenskonstrukts lassen sich die Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen auf multiplen Analyseebenen untersuchen. Dabei ist im Rahmen der Formulierung von forschungsleitenden Frage-stellungen besonders auf die Rolle des Kunden im Prozess der Vertrauensbildung einzugehen. In diesem Kontext stellt sich u.a. die Frage, ob der Zusammenhang zwi-schen den Beziehungsstrategien eines Anbieters und dem Vertrauen der Kunden einer Moderation durch kundenspezifische Merkmale unterliegt. Darüber hinaus ist interessant, ob und wie der Kunde durch sein Verhalten das Vertrauen auf Anbieter-seite tangiert.

Da in der Relationship Marketing Forschung bisher kaum Beiträge zur Umsetzung organisationaler Beziehungsstrategien vorhanden sind, liegt ein besonderer Fokus der Forschung auf der differenzierten Darstellung derartiger Konzepte. Daraus kön-nen für die Unternehmenspraxis wichtige Implikationen entstehen, die ausgehend von dominant personengebundenen Ansätzen (z.B. dediziertes Account Manage-ment, Personalauswahl, Personalentwicklung, etc.) das Interesse auf organisationale Beziehungsstrategien lenken.

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Auf Grund dieser Eingrenzungen können die Forschungsfragen der vorliegenden Dissertation wie folgt beschrieben werden:

(1) Wie kann Vertrauen als multidimensionales Konstrukt konzeptualisiert werden?

(2) Welche Bedingungen und Auswirkungen hat das Vertrauen der Kunden in einen Anbieter?

(3) Welche Bedingungen und Auswirkungen hat das Vertrauen der Anbieter in einen Kunden?

(4) Welche kundenspezifischen Merkmale moderieren die Wirkung von Beziehungsstrategien auf das Vertrauen der Kunden?

(5) Wie unterscheiden sich die Sichtweisen von Anbietern und Kunden in Bezug auf die Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen?

(6) Wie können organisationale Beziehungsstrategien in der Unternehmenspraxis umgesetzt werden?

Forschungsfrage (1) adressiert die theoretischen Grundlagen einer multidimensio-nalen Konzeptualisierung des Vertrauenskonstrukts. Dabei ist zunächst eine Diskus-sion der Subjekt- und Objektebene von Vertrauensentscheidungen vorzunehmen (McEvily et al. 2006, 53). Auf der Basis des definierten Vertrauenskonstrukts bezie-hen sich die Forschungsfragen (2) und (3) auf eine Modellierung der Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen aus Anbieter- und Kundensicht. Daher sind sowohl die Bedingungen und Auswirkungen für das Vertrauen der Kunden in den Anbieter, als auch die Bedingungen und Auswirkungen für das Vertrauen der Anbieter in den Kunden zu evaluieren.

Forschungsfrage (4) bezieht sich auf die Rolle des Kunden bei der Vertrauens-bildung. Dabei ist im Besonderen der Einfluss des Kunden auf die Wirkung von Be-ziehungsstrategien der Anbieter zu untersuchen. Entsprechend impliziert die Frage-stellung eine Definition, Operationalisierung und Untersuchung relevanter Kunden-merkmale.

Schließlich fokussiert Forschungsfrage (5) auf eine vergleichende Analyse der An-bieter- und Kundenperspektive. Damit sind die relevanten Inhalte der Forschung stets multidimensional zu erfassen. Abschließend induziert Forschungsfrage (6) eine differenziertere Analyse der Umsetzung organisationaler Beziehungsstrategien.

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4. Wissenschaftstheoretische Positionierung

In Bezug auf die Beantwortung der formulierten Forschungsfragen ist aus wissen-schaftstheoretischer Sicht eine Positionierung der vorliegenden Dissertation vorzu-nehmen. Grundsätzlich lässt sich das Feld der Wissenschaftstheorie in die beiden gegensätzlichen Positionen des objektivistischen und subjektivistischen Paradigmas unterteilen und anhand der Kategorien Ontologie, Epistemologie, Anthropologie und Methodologie beschreiben (siehe Abb.2).

Der Forschungsdialog ist aktuell aus wissenschaftstheoretischer Sicht stark durch die objektivistisch geprägten Grundüberlegungen des Kritischen Rationalismus nach Popper (1966) dominiert (Dyllick/Tomczak 2007, 67). Aus ontologischer Sicht ist da-bei von einer objektiv gegebenen Realität auszugehen, die in der Außenwelt unab-hängig vom Beobachter existiert. Die empirisch untersuchten Konstrukte sind objek-tiv messbar und intersubjektiv prüfbar existent (Göbel 1997, 10). Damit ist der For-scher aus epistemologischer Sicht in der Lage, Wissen über die Außenwelt zu erlan-gen, welches als (vorläufig) wahr oder falsch beurteilbar ist (positivistischer Ansatz).

Anthropologisch betrachtet führt diese Perspektive zu einer deterministischen Grundposition. Der Mensch ist in seinem Verhalten im Wesentlichen durch die Um-welt konditioniert. Als typische Forschungsmethode kann dem objektivistischen Para-digma die quantitative Querschnittstudie mit statistischer Auswertung zugeordnet werden (nomothetisch, hypothetisch-deduktive Methode), wie sie in der Betriebswirt-schaft beispielsweise in der PIMS-Studie (Buzzel/Gale 1987) oder häufig in ameri-kanischen Managementjournalen zu finden ist.

Innerhalb des subjektivistischen Paradigmas ist hingegen aus ontologischer Sicht davon auszugehen, dass keine objektive Wirklichkeit existiert (nominalistischer An-satz). Wirklichkeit ist aus dieser Perspektive immer eine subjektive Konstruktion des Beobachters. Daher lässt sich aus epistemologischer Sicht eine anti-positivistische Position einnehmen, die davon ausgeht, dass sich sozialwissenschaftliche Erkennt-nis nur unter Berücksichtigung der Perspektive des Beobachters ergeben kann (Wollnik 1995, 304). Das Wissen des Forschers über die Außenwelt ist stets subjek-tiv und kann aus diesem Grund auch nicht als wahr oder falsch beurteilt werden. Als Kriterium zur Wissensbewertung setzen subjektivistische Ansätze vielmehr dessen Brauchbarkeit zur Lösung empirischer Probleme an (= Viabilität).

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Abb.2: Wissenschaftstheoretische Grundpositionen

Die skizzierten ontologischen und epistemologischen Vorentscheidungen führen aus anthropologischer Perspektive zu der Überzeugung, dass Individuen auf der Grund-lage ihres freien Willens handeln, d.h. sie folgen eigenen Mustern, zwar beeinflusst, aber nicht strikt determiniert durch äußere Faktoren (voluntaristische Position) (Woll-nik 1995, 304). Methodisch konzentriert sich das subjektivistische Paradigma auf das Verstehen von Einzelfällen unter Berücksichtigung individueller Konstruktionen des Beobachters. Gegenüber großen empirischen Querschnittstudien werden eher Längsschnitt-Fallstudien (z.B. in Form von Case Studies oder Aktionsforschungs-projekten) bevorzugt, um den Kontext der Akteure nachzuvollziehen und daraus in-duktive Schlussfolgerungen zu generieren (ideographische Position) (Göbel 1997, 16).

In Bezug auf eine eigene wissenschaftstheoretische Positionierung vertritt die vor-liegende Dissertation einen integrativen Ansatz, der sich auf ein Grundverständnis der Marketingforschung als angewandte Wissenschaft bezieht (Ulrich 1984, 23). Die Funktion der Forschung besteht danach in der Entwicklung von Beiträgen zur Lösung praxisrelevanter Fragestellungen (Dyllick/Tomczak 2007, 76). Folglich ist es ein we-sentliches Ziel der vorliegenden Forschung, praktisch nützliches Wissen bereitzu-stellen sowie Entscheidungsprozesse in der Managementpraxis zu unterstützen (Ul-rich 1981, 7).

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Unabhängig von ontologischen und epistemologischen Vorentscheidungen können praxisrelevante Implikationen aus deduktiven und induktiven Forschungsansätzen entstehen. Die deduktive Weiterentwicklung theoretischer Ansätze muss sich aus dem Beitrag der Theorie für die Unternehmenspraxis legitimieren. Dabei besteht in Unternehmen durchaus ein Interesse an empirisch überprüften und intersubjektiv gültigen Erklärungszusammenhängen (Raffée 1984, 17). Dies gilt in Bezug auf den vorliegenden Forschungskontext besonders für die multidimensionale Konzeptuali-sierung des Vertrauenskonstrukts, die Wirkung organisationaler Beziehungsstra-tegien sowie die Untersuchung von Kundenmerkmalen als Moderatorvariable. Soweit sich derartige Zusammenhänge empirisch überprüfen lassen, beinhaltet die Theorie-entwicklung eine hohe praktische Relevanz. Insofern gilt nach Gröppel-Klein und Weinberg (2000, 87):

“Wenn die positivistische Richtung nicht in blinden Empirismus verfällt, theoretisch fundierte Hypothesen mit hohem Informationsgehalt entwickelt und diese sorgfältig prüft, kann sie … einen großen Beitrag für die Lösung drängender Probleme in der betriebswirtschaftlichen Praxis leisten“.

Dabei lassen sich gleichzeitig die Stärken induktiver Forschungsstrategien für die Entwicklung neuer konzeptioneller Ansatzpunkte nutzen. Die damit verbundenen Er-kenntnisgewinne werden durch die Anwendung explorativer Forschungsdesigns be-wusst gefördert. Ein Mix qualitativer und quantitativer Forschungsmethoden ist somit nicht auszuschließen, soweit die jeweiligen Möglichkeiten und Stärken beider Ansät-ze im Sinne der Unternehmenspraxis gezielt zur Geltung gebracht werden (Dyl-lick/Tomczak 2007, 76).

Somit ist der in der Marketingforschung häufig rezipierte Konflikt zwischen Deduktion und Induktion bzw. quantitativen und qualitativen Methoden für die vorliegende Dis-sertation nicht relevant (Gröppel-Klein/Weinberg 2000, 82; Levy 2005, 341). Im Ge-genteil werden die erweiterten Möglichkeiten einer Kombination unterschiedlicher Forschungsstrategien und -methoden für die Erzeugung praxisrelevanter Implikatio-nen bewusst stimuliert (Srnka 2007, 247).

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5. Aufbau der Arbeit

Der grundlegende Aufbau der vorliegenden Dissertation ist in Abb.3 skizziert. In Teil 2 sind zunächst die relevanten theoretischen Grundlagen zu erarbeiten. Im Kontext der Wirtschaftswissenschaften stehen Fragen des Vertrauens überwiegend in der Organisationsforschung zur Diskussion. Die Organisationstheorie selbst greift stark auf soziologische und systemtheoretische Konzepte zurück. Daher soll zunächst ein Überblick zu relevanten Ansätzen der Organisationsforschung gegeben werden. Im Anschluss ist der aktuelle Stand der Relationship Marketing Forschung zu rezipieren.

Aus der Bearbeitung der theoretischen Grundlagen leitet sich in Teil 3 ein eigenes Forschungsmodell für die empirische Untersuchung ab. Die methodische Vorge-hensweise zur empirischen Untersuchung des Modells und der darin formulierten Hypothesen ist in Teil 4 umfassend beschrieben. Dabei stehen die zur Bearbeitung der skizzierten Forschungsfragen eingesetzten qualitativen und quantitativen Metho-den zur Diskussion. Der methodische Ansatz fokussiert auf eine Überprüfung der in Teil 3 entwickelten Hypothesen aus Anbieter- und Kundensicht. Durch Vergleiche der Anbieter- und Kundenstichprobe werden Erkenntnisse über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Gruppen erwartet. Schließlich sind im Sinne einer vertiefenden Analyse einzelne Beispiele für organisationale Beziehungsstrategien näher zu skizzieren.

In Teil 5 werden die Ergebnisse der einzelnen methodischen Teilschritte diskutiert und interpretiert. Abschließend lassen sich in Teil 6 die Implikationen und Limitatio-nen des vorliegenden Forschungsansatzes darstellen. Dies beinhaltet auch einen Ausblick auf zukünftige Schwerpunkte der Vertrauensforschung im Marketing.

Abb.3: Aufbau der Arbeit

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Teil 2: Theoretische Grundlagen

Bis in die 1980er Jahre spielten Fragen des Vertrauens in der betriebswirtschaftli-chen Forschung eine eher untergeordnete Rolle (Bachmann/Zaheer 2006, 1). In der Ära bürokratischer Organisationstheorien war das Konstrukt Vertrauen praktisch nicht existent (Grey/Garsten 2001, 229). Rigide Prozessvorgaben, enge Stellenbe-schreibungen und relativ stabile Umweltbedingungen erzeugten ein hohes Maß an Sicherheit. Interorganisationale Beziehungen waren auf einige wenige Kontakte limi-tiert und der gesamte Wertschöpfungsprozess unterlag der Kontrolle der Hierarchie (Reed 2005, 115). In den letzten drei Dekaden haben sich diese Verhältnisse grund-legend geändert.

Vertrauen ist heute eines der fundamentalen Konstrukte zur Er-klärung der Dynamik organisationaler Beziehungen (Bachmann 2001, 337; McEvily et al. 2003, 91; Reed 2001, 303). Nur Macht (oder die Hierarchie in Organisationen) sowie finanzielle An-reize (oder der Markt) werden als vergleichbar grundlegende Koordinationsmecha-nismen angesehen (Bradach/Eccles 1989, 97).

Vertrauen gilt dabei als typisch für hybride Formen ökonomischer Transaktionen und bietet eine dritte Steuerungsvariante zwischen Markt und Hierarchie. Da hybride Transaktionsformen (z.B. in Form von strategischen Allianzen, Netzwerken, Joint Ventures und Partnerschaften) immer mehr an Bedeutung gewinnen, erhält Vertrau-en den Status einer vitalen Ressource für den Erfolg von Kooperationen in komple-xen Austauschbeziehungen (Bachmann/Zaheer 2006, 2).

Nachfolgend werden theoretische Grundlagen skizziert, die für die Bearbeitung der eingangs formulierten Forschungsfragen wesentlich sind. Dabei ist zunächst ein Überblick zur Bearbeitung des Vertrauenskonzepts in der Organisationsforschung relevant. Für die vorliegende Dissertation steht v.a. das Vertrauen im Kontext von Kundenbeziehungen im Fokus. Die Bedeutung von Vertrauen in Kundenbeziehungen ist in der Marketingtheorie vorwiegend der Relationship Marketing Forschung zuge-ordnet. Entsprechend soll der aktuelle Stand des Forschungsgebiets skizziert wer-den, soweit er für die forschungsleitenden Fragestellungen relevant ist. Aus diesen theoretischen Grundlagen leitet sich schließlich ein eigenes Forschungsmodell für die weitere Untersuchung ab.

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1. Vertrauen in der Organisationsforschung

Vertrauen ist ein interdisziplinäres Konstrukt. In den letzten Jahren hat die Forschung bedeutende Fortschritte in Bezug auf die Erforschung von Vertrauen in ökono-mischen Beziehungen erzielt. Diese Entwicklung wurde wesentlich durch Publika-tionen von Special Trust Issues in der Organization Science (McEvily et al. 2003) und der Organization Studies (Bachmann et al. 2001) sowie durch einige einflussreiche Monografien (Fukuyama 1995; Kramer/Tyler 1996; Lane/Bachmann 1998; Misztal 1996; Noteboom 2002) stimuliert. Daher sind im weiteren Verlauf die für den vorlie-genden Kontext relevanten Erkenntnisse der organisationalen Vertrauensforschung zu skizzieren. Diese beziehen sich auf ein besseres Verständnis des Vertrauensbe-griffs sowie der Funktionen von Vertrauen in Kundenbeziehungen. Darüber hinaus lassen sich relevante Konzepte für das Verständnis der Vertrauensdynamik in Bezie-hungen beschreiben und auf die Forschungsfragen der vorliegenden Dissertation beziehen.

1.2. Definition und Verständnis von Vertrauen

Obwohl keine allgemein anerkannte Definition des Begriffs Vertrauen vorliegt, zeigen interfakultative Vergleiche in der Vertrauensforschung eine Annäherung in folgenden Definitionen:

“Trust is the willingness of a party to be vulnerable to the actions of anoth-er party based on the expectation that the other will perform a particular action important to the trustor, irrespective of the ability to monitor or con-trol that other party (Mayer et al. 1995, 712).”

“…a psychological state comprising the intention to accept vulnerability based upon positive expectations of the intentions of behavior of another (Rousseau et al. 1998, 395).“

Vertrauen bezeichnet danach eine Qualität sozialer Beziehungen. Diese wird frei-willig kreiert und beinhaltet eine formal nicht abgesicherte Vorleistung des Vertrau-enden (Neuberger 2006, 12). Damit geht der Vertrauende ein Risiko ein und macht sich verwundbar (Gambetta 1988).

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Man vertraut in die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft einer anderen Par-tei, ohne vorab genau zu wissen, ob ein gewünschtes Ergebnis mit Sicherheit eintritt (Kaiser/Ringlstetter 2006, 102). Die Art und der Zeitpunkt der Rückzahlung des Ver-trauensvorschusses sind häufig nicht exakt festgelegt. Wesentlich ist allerdings, dass Vertrauen nicht geschenkt wird. Der bloße Vertrauensbeweis erzeugt ein Verpflich-tungsgefühl, und das macht es schwierig, Vertrauen zu enttäuschen (Dasgupta 1988, 53).

Nach Götz (2006b, 61) lassen sich die in Abb.4 skizzierten Merkmale für eine Erwei-terung des Verständnisses des Vertrauenskonstrukts heranziehen. Danach bildet die prinzipielle Verletzlichkeit des Vertrauensgebers eine institutionelle Grundbedingung für die Entstehung von Vertrauen. Die Wahrnehmung dieser Verletzlichkeit nimmt auf Seiten des Vertrauensgebers ab, je mehr Vertrauen empfunden wird (Götz 2006b, 61). Vertrauen in Kundenbeziehungen ist daher immer mit Risiko verbunden. Bei-spielsweise macht sich der Kunde von der Leistungsfähigkeit und Leistungsbe-reitschaft eines Anbieters abhängig. Umgekehrt investiert der Anbieter in einen spe-zifischen Verkaufsfall, ohne mit letzter Sicherheit zu wissen, ob überhaupt eine Chance zur Auftragserteilung besteht.

Vertrauen wäre überflüssig, wenn die Beziehung zwischen Anbietern und Kunden durch Sicherheit geprägt wäre. Vertrauen impliziert daher einen bewussten Informa-tionsverzicht (Platzköter 1990), Misstrauen strebt nach Informationssicherheit. Somit ist eine Interdependenz zwischen Anbieter und Kunde unter unsicheren Rahmen-bedingungen für die Notwendigkeit von Vertrauen obligatorisch. Ein typisches Merk-mal von Vertrauen ist auch dessen Sensitivität. Vertrauen kann in der Regel nur gra-duell über einen langfristigen Prozess aufgebaut werden. Dagegen ist Vertrauen re-lativ einfach zerstörbar. Eine Enttäuschung kann ausreichen, um Vertrauen nachhal-tig zu erodieren (Götz 2006b, 62; Neuberger 2006, 20; Shiv et al. 1997, 293). Wird Vertrauen hingegen bestätigt, intensiviert sich das erlebte Vertrauen und weitere Ver-trauenshandlungen gewinnen an Wahrscheinlichkeit (Kramer/Tylor 1995).

Der Aufbau von Vertrauen ist daher ein gradueller Prozess der kontinuierlichen Un-sicherheit und Bestätigung. Die Entwicklung von Vertrauen ist darüber hinaus eine freiwillige Leistung. Nach übereinstimmender Ansicht kann Vertrauen nicht von außen erzeugt werden. Man kann maximal Signale setzen und Rahmenbedingungen schaffen, die vertrauensförderlich sind, muss aber abwarten, ob das Angebot ange-nommen wird. Damit zeigt Vertrauen Parallelen zur Unternehmenskultur. Man kann sie nicht erzwingen, sondern nur günstige Wachstumsbedingungen bereitstellen (Schein 1990, 177).

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Abb.4: Merkmale des Vertrauenskonstrukts nach Götz (2006b)

Zur Natur des Vertrauens gehört dabei auch dessen Selbstverständlichkeit. Vertrau-en wird zumeist erst dann thematisiert, wenn es fehlt (Götz 2006b, 62). Daher kann man sich in der Regel auch nicht explizit auf Vertrauen berufen. Vertrauen ist ein latenter Faktor und bestimmt implizit die Dynamik sozialer Beziehungen.

1.2. Funktionen und Auswirkungen von Vertrauen

Die Funktion von Vertrauen besteht nach Luhmann in der Reduktion von Komplexität (Luhmann 2000, 27). Durch Vertrauen lässt sich die in der Umwelt vorhandene Kom-plexität und Unsicherheit durch eine innere Ordnung kompensieren. Es ist nämlich nicht sinnvoll, dauerhaft Sicherheit über alle möglichen Umstände der Umwelt zu er-langen. Ein solches Sicherheitsverlangen führt zu Stillstand. Vertrauen beruht folglich auf einer Täuschung. Eigentlich sind nicht ausreichend viele Informationen verfügbar, um erfolgssicher handeln zu können. Über die fehlende Information setzt sich der Vertrauende bewusst hinweg, um handlungsfähig zu bleiben (Luhmann 2000, 38).

Die skizzierten systemtheoretischen Überlegungen lassen sich relativ einfach auf Fragen des Vertrauens in Kundenbeziehungen übertragen. Untersuchungen von Miles (2002, 159) zeigen, dass eine funktionale Beziehung zwischen Anbietern und Kunden relevante Erfolgsindikatoren auf beiden Seiten tangiert. Vertrauen erhöht in diesem Kontext die Bereitschaft, gegenseitig Informationen auszutauschen (Götz 2006b, 67). Schließlich bestimmt das Ausmaß der verfügbaren Informationen maß-geblich die spätere Qualität der Leistung (Walton 1997, 34). Der Kunde hat in dieser Beziehung ex ante keine umfassende Sicherheit über die Leistung des Anbieters. Es besteht jedoch die Chance, dass aus einer gemeinsamen Kooperation Vorteile auf Kundenseite entstehen.

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Daher kann der Kunde das Risiko einer Zusammenarbeit eingehen, wenn diese Ver-trauensvorleistung aus seiner Sicht plausibel erscheint. Die Komplexität der Umwelt wird in diesem Sinne durch eine innere Ordnung des Kunden kompensiert (Luhmann 2000, 27). Ohne Vertrauen sind entsprechende Kooperationsbeziehungen nicht mög-lich.

Ein fundiertes Modell für die skizzierte Vertrauensdynamik in Kooperationsbeziehun-gen bietet die häufig rezipierte Forschung von McEvily und Zaheer (McEvily/Zaheer 2006; McEvily et al. 2003; Zaheer et al. 1998). Darin wird der grundsätzliche Zu-sammenhang zwischen Vertrauen und Leistung untersucht (siehe Abb.5, angelehnt an McEvily/Zaheer 2006, 282). Die wesentlichen Modellbausteine differenzieren relevante Aspekte des Konstrukts Vertrauen, die Vertrauensdynamik über verschie-dene Mediatoren, unterschiedliche Performancedimensionen sowie Moderatoren für die Wirksamkeit des Gesamtzusammenhangs.

1.2.1. Differenzierung des Vertrauenskonzepts

Vertrauen ist auf Basis des dargestellten Modells nach unterschiedlichen Ebenen, Dimensionen und Steuerungsprinzipien zu differenzieren. In Bezug auf die Analyse-ebene unterscheiden Zaheer et al. (1998, 141) ursprünglich zwischen Vertrauen auf personaler und organisationaler Ebene. Umstritten ist dabei, ob Organisationen als soziale Systeme selbst aktiv vertrauen können. Teilweise wird diese Frage in der Forschung bejaht (Currall/Inkpen 2002, 2006).

Beispielsweise bietet sich aus Perspektive der Strukturationstheorie ein Ansatz für die Konzeption der Organisation als vertrauende Einheit (Giddens 1984; Sydow 2006). Diese Sichtweise ist jedoch umstritten. Aus Sicht von McEvily et al. (2006, 297) beinhaltet die Vorstellung eines Unternehmens als vertrauende Einheit eine theoretisch unzulässige Konzeptualisierung der Organisation als Individuum. Ver-trauen ist daher auf organisationaler Ebene als kollektive Vertrauensorientierung der für die Organisation agierenden Personen zu betrachten. Aufgrund der Relevanz dieser Unterscheidung für die vorliegende Dissertation soll diese Fragestellung im folgenden Absatz genauer behandelt werden.

Bei den Dimensionen von Vertrauen erfolgt darüber hinaus eine Eingrenzung der theoretischen Begründung von Vertrauen. Dabei ist zunächst die fortschreitende Spezialisierung und Kompetenz unterschiedlicher Berufsgruppen relevant. Vertrauen basiert aus dieser Perspektive auf der spezifischen Kompetenz ausgewiesener Spe-zialisten (Mayer et al. 1995, 709; Rempel et al. 1985, 95).

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Abb.5: Auswirkungen von Vertrauen auf Performanceindikatoren (McEvily/Zaheer 2006, 282)

Im Kontext von Kundenbeziehungen liefert beispielsweise die Untersuchung von Johnston et al. (2004) empirische Evidenz für die positiven Performancewirkungen kompetenzbasierter Vertrauensressourcen. Ein weiteres kritisches Merkmal für die Genese von Vertrauen kann in der Überzeugung des Kunden liegen, dass mögliche Anbieter nachhaltig im Kundeninteresse agieren. Entsprechende Konzepte werden als Goodwill bezeichnet (Ring/Van de Ven 1992, 438). Goodwill basiert auf einer positiven Wahrnehmung der Grundhaltung des Gegenübers. Daher werden auch Eigenschaften wie Fairness oder der Verzicht auf opportunistische Verhaltensweisen unter Goodwill subsumiert (Anderson/Naurus 1990, 53; Bromiley/Cummings 1995, 219). Über eine positive Grundwahrnehmung hinaus kann auch die Glaubwürdigkeitdes Transaktionspartners als Fundierung für Vertrauen dienen. Glaubwürdigkeit be-zieht sich im Marketingkontext beispielsweise auf die Konsistenz zwischen dem Ver-sprechen eines Anbieters und der subjektiven Erwartung des Kunden bezüglich der Einhaltung dieses Versprechens bzw. auf die Frage, ob man sich subjektiv auf Aus-

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sagen und beabsichtigte Handlungen der jeweils anderen Partei verlassen will (An-derson/Weitz 1989). Darüber hinaus belegt eine empirische Untersuchung von Pav-lou (2002) den positiven Effekt von Glaubwürdigkeit auf die Performance rela-tionaler Austauschbeziehungen.

Schließlich thematisieren einige Untersuchungen die Kalkulierbarkeit von Chancen und Risiken als eine weitere Begründung von Vertrauen. Diese Sichtweise impliziert ein äußerst rationales Verständnis von Vertrauen als Analyse bzw. Abwägung zwi-schen den Chancen und Risiken einer Abhängigkeit von der Performance anderer Parteien (Coleman 1990). Auf Grund der unterstellten Rationalität ordnen andere Untersuchungen den Faktor Kalkulierbarkeit jedoch weniger als Fundierung von Ver-trauen, sondern eher als Grundlage für Risiko ein (Williamson 1993, 453). Ent-sprechend werden in dieser Forschungsrichtung die Beziehungen zwischen Vertrau-en und Risiko besonders gewichtet.

Ein weiterer Ansatz von Carson et al. (2003) ist ebenfalls für die Kategorisierung von Vertrauen relevant. Darin manifestiert Vertrauen nicht als Konstrukt, sondern als Mo-dus für die Steuerung relationaler Austauschbeziehungen (= trust-based gover-nance). Eine derartige Modellierung verändert die Rolle von Vertrauen. Dieses stellt dann weniger eine Haltung bzw. Einstellung zum Transaktionspartner, sondern viel-mehr einen grundsätzlichen Mechanismus für die Steuerung von Beziehungen dar, äquivalent zu Verträgen, Hierarchien und Preismechanismen (Poppo/Zenger 2002, 708).

1.2.2. Mediatoren der Vertrauensdynamik

Für die Erklärung der Auswirkungen von Vertrauen auf alternative Performance-indikatoren lassen sich unterschiedliche theoretische Ansätze heranziehen. Die Be-rücksichtigung dieser Überlegungen ist wesentlich, denn auf Basis der Untersuchung von Mediatoreffekten kann argumentiert werden, weshalb sich Vertrauen positiv auf die Performance auswirkt. In der Regel ist ein Zusammenhang zwischen Vertrauen und der Qualität von Transaktionen zu unterstellen. Die entsprechende Vertrauens-dynamik kann daher auf Basis von Transaktionskosten, Transaktionsvorteilen oder Prinzipien der relationalen Steuerung (= relational governance) von Kooperationen erklärt werden (McEvily/Zaheer 2006, 282).

Ein häufig rezipierter Ansatz zur Analyse von Vertrauenseffekten bezieht sich auf die Senkung von Transaktionskosten (Williamson 1975). Transaktionskosten sind die-jenigen Kosten, die durch die Benutzung des Marktes (market transaction costs) oder einer organisationalen Hierarchie (organizational transaction costs) entstehen.

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Aus Sicht der Transaktionskostentheorie ist jede Transaktion mit Transaktionskosten verbunden (Picot et al. 2003). Diverse Untersuchungen belegen den positiven Effekt von Vertrauen auf die Senkung von Transaktionskosten. Vertrauen führt insbeson-dere zu einer Vereinfachung von Verhandlungen und der Reduzierung von Konflikten (Shrum et al. 2001, 681; Zaheer et al. 1998, 141). Dyer und Chu (2003, 57) unter-scheiden in dieser Hinsicht zwischen alternativen Transaktionskosten, die vor (ex ante) bzw. nach (ex post) Vertragsabschluss entstehen. Dabei lässt sich zeigen, dass Vertrauen v.a. die Transaktionskosten in der Umsetzungsphase (nach Ver-tragsabschluss) senkt. Auf Grund der geschaffenen Vertrauensbasis kann der Auf-traggeber die Umsetzung aufwendiger Überwachungs- und Kontrollmechanismen einschränken. Die für die gemeinsame Zusammenarbeit erforderlichen Trans-aktionen lassen sich daher effizienter realisieren.

Im Gegensatz zu einer Fokussierung auf die Senkung von Transaktionskosten unter-suchen Zajac und Olsen (1993) die Effekte von Vertrauen auf die Erweiterung der mit einer Transaktion verbundenen Vorteile. Aus dieser Perspektive vereinfacht Vertrau-en beispielsweise den Austausch sensibler Informationen. Darüber hinaus kann sich Vertrauen positiv auf gemeinsame Aktivitäten zur Untersuchung neuer Technologien bzw. der Exploration von Marktchancen und Innovationen auswirken (Lane et al. 2001, 1157; Zaheer et al. 1998, 155). Besonders die Analyse der Zusammenhänge zwischen Vertrauen und der Innovationsfähigkeit eines Unternehmens gewinnen in diesem Kontext zunehmend an Bedeutung.

Schließlich lässt sich zur Erklärung der Vertrauensdynamik in Austauschprozessen auch der Ansatz einer relationalen Steuerung (= relational governance) von Koopera-tionen heranziehen (Macneil 1980). Das Konzept bezieht sich auf die gemeinsame Umsetzung von Planungs- und Steuerungsaktivitäten durch die beteiligten Parteien. Derartige Aktivitäten können sich beispielsweise auf gemeinsame Planungsprozes-se, Problemlösungen und Entscheidungen beziehen (Heide/John 1990, 25; Za-heer/Venkatraman 1995, 373). Für die Umsetzung einer parteienübergreifenden Steuerung ist auf Grund der entstehenden Abhängigkeiten ein hohes Maß an Ver-trauen erforderlich. Daher ist die Umsetzung einer relationalen Steuerung ohne Ver-trauen nicht möglich. Darüber hinaus haben verschiedene Untersuchungen den posi-tiven Effekt einer gemeinsamen Planung und Steuerung auf die Performance von Kooperationen belegt (Claro et al. 2003, 703; Johnston et al. 2004, 23).

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1.2.3. Differenzierung der Auswirkungen von Vertrauen

Über die Senkung von Transaktionskosten, eine Erweiterung von Transaktionsvor-teilen sowie die Umsetzung einer relationalen Steuerung kann Vertrauen zu positiven Effekten für die beteiligten Parteien führen. Zu den regelmäßig untersuchten Auswir-kungen von Vertrauen zählen (1) die Zufriedenheit mit der Kooperation (= satis-faction), (2) der Wille zur Fortsetzung der Beziehung (continuity, loyalty, commitment) sowie (3) die Verbesserung finanzieller Performanceindikatoren (financial outcomes).

Viele Untersuchungen thematisieren den Zusammenhang zwischen Vertrauen und der Zufriedenheit der an einer Kooperation beteiligten Parteien. Anderson und Narus(1990, 45) bezeichnen Zufriedenheit (= satisfaction) als Maßstab für die wahrge-nommene Effektivität einer Transaktion. Daher lässt sich Zufriedenheit auch als Kerneffekt für die Untersuchung weiterer Vertrauenswirkungen heranziehen. Weitere Forschungen evaluieren darüber hinaus die Beziehungen zwischen Vertrauen und Zufriedenheit aus der Perspektive nur eines Transaktionspartners (Carson et al. 2003; Zaheer et al. 1998) sowie in dyadischen Untersuchungsdesigns auch gleich-zeitig aus der Sicht beider beteiligten Parteien (Lane et al. 2001; Paul/McDaniel 2004; Selnes/Sallis 2003). In Summe ist der Effekt von Vertrauen auf die Zufrieden-heit theoretisch sehr gut fundiert und empirisch überprüft. Gleichzeitig lassen sich auf der Grundlage dieser Beziehung die Effekte von Vertrauen auf weitere Performance-indikatoren evaluieren. Beispielsweise ist relevant, ob Vertrauen die Motivation zur Fortsetzung der Zusammenarbeit stimuliert (= continuity). Eine entsprechende lang-fristige Orientierung der eigenen Beziehungsstrategie wirkt sich positiv auf die Kooperationsperformance aus (Noordeweir et al. 1990, 80) und kann auch als Com-mitment aufgefasst werden (Anderson/Weitz 1989, 311; Morgan/Hunt 1994, 23). Die Schaffung von Vertrauen fördert die Motivation der beteiligten Parteien zur Erhaltung entsprechend langfristiger Kooperationen (Mora-Valentin et al. 2004, 17; Pavlou 2002, 215). In der Marketingforschung kann dieser Kerneffekt als Grundlage für die Erklärung der Kundenloyalität herangezogen werden (De Wulf et al. 2001, 45; Hen-nig-Thurau et al. 2002, 236). Auch der Effekt von Vertrauen auf die finanzielle Per-formance ist Gegenstand der bisherigen Vertrauensforschung. Beispielsweise be-legen Untersuchungen von internationalen Allianzen einen Effekt von Vertrauen auf finanzielle Messgrößen (sales per asset und return on investment) (Luo 2001, 177). Weitere Studien belegen auf Grund von Untersuchungen in der Automobil- und Dienstleistungsindustrie einen positiven Zusammenhang zwischen Vertrauen und der Gesamtkapitalrendite (return on assets) sowie dem Umsatzwachstum (sales growth)(Claro et al. 2003, 703; Dyer/Chu 2003, 57).

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1.2.4. Moderatoren der Vertrauensdynamik

Neben der Analyse von Beziehungen zwischen Vertrauen, Mediatorkonstrukten und unterschiedlichen Performanceindikatoren fokussiert die organisationale Vertrauens-forschung auch auf die Untersuchung verschiedener Einflussfaktoren bzw. Modera-toren der Vertrauensdynamik. Derartige Einflussfaktoren bilden einen relevanten Kontext für die Wirksamkeit von Vertrauen in Kundenbeziehungen. Entsprechend ist zwischen Faktoren zu unterscheiden, die die Performanceeffekte von Vertrauen ver-stärken, abschwächen oder substituieren.

Bei der Untersuchung verstärkender Einflussfaktoren bezieht sich die aktuelle For-schung u.a. auf die Analyse organisatorischer Fähigkeiten (= organizational capa-bilities) (Capaldo 2007, 585). Aus dieser Perspektive lässt sich beispielsweise die Fähigkeit einer Organisation zur Erzeugung und Verarbeitung relevanter Informa-tionen über den Kooperationspartner als Moderator der Vertrauensdynamik konzep-tualisieren (Carson et al. 2003, 45). Der Vertrauensgeber kann die verfügbaren In-formationen über den Vertrauensnehmer nicht vollständig und objektiv verarbeiten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Vertrauensgeber nur über eine bedingte Rationalität verfügt (bounded rationality) und insofern auch falsche Entscheidungen möglich oder Informationen nicht vollständig verfügbar sind. Offensichtlich spielt die Fähigkeit der Organisation zur sinnvollen Verarbeitung von Informationen für den Aufbau von Vertrauen eine wesentliche Rolle. Entsprechend sind weitere organisa-torische Fähigkeiten zu evaluieren, die die skizzierte Vertrauensdynamik beeinflus-sen. Die Forschung zu organisatorischen Fähigkeiten verfügt entsprechend über eine hohe Bedeutung für eine tiefere Exploration der Vertrauensdynamik (McEvily/Zaheer 2006, 285).

Darüber hinaus zeigen Untersuchungen von Luo (2001, 196), dass die positiven Ef-fekte von Vertrauen auf die skizzierten Performanceindikatoren in unterschiedlichen Phasen und Formen einer Beziehung variieren. Die Bedeutung von Vertrauen steigt in neuen Beziehungen, da sich die Kooperationspartner noch nicht kennen bzw. eine hohe Unsicherheit vorliegt. Vertrauen ist in diesem Kontext wie bereits skizziert ein wichtiges Konzept zur Kompensation von Unsicherheit (Luhmann 2000, 10). Darüber hinaus ist auch die Form der Beziehung ein wesentlicher Moderator. Soweit die Kooperationsbeziehung durch eine hohe Interdependenz sowie reziproke Verpflich-tungen und Abhängigkeiten geprägt ist, steigt die Bedeutung von Vertrauen eben-falls. Insofern verändern spezifische Merkmale der Beziehung die Bedeutung, Bedin-gungen und Auswirkungen von Vertrauen.

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Neben der Analyse verstärkender Einflussfaktoren hat die Organisationsforschung auch abschwächende Moderatoren untersucht. Dabei sind v.a. Aspekte der organi-sationalen Lerntheorie relevant. Selnes und Sallis (2003, 80) untersuchen die Effekte relationaler Lernprozesse auf die Performance der beteiligten Unternehmen und be-legen dabei eine negative Wechselwirkung zwischen Vertrauen und Lernen. Offen-sichtlich reduziert ein extensives Vertrauen die Aufmerksamkeit und Lernintensität der Interaktionspartner. Umgekehrt führt eine hohe Lernintensität in organisationalen Beziehungen zu vertrauensmindernden Effekten. Damit lässt sich eine differenzierte Sicht auf Vertrauen in Kundenbeziehungen fördern bzw. die bis dato ausschließlich positive Analyse von Vertrauen kontrastieren. Entsprechende Überlegungen werden weiter unten bei den Ausführungen zu den Negativeffekten von Vertrauen konkre-tisiert.

Da die Stimulierung von Vertrauen in der Regel mit Aufwand verbunden ist, haben verschiedene Untersuchungen interorganisationaler Beziehungen die Bedingungen und Möglichkeiten einer Substitution bzw. Ergänzung von Vertrauen durch andere Mechanismen evaluiert (Gallivan 2001, 277; Poppo/Zenger 2002, 707). Dabei hat sich u.a. gezeigt, dass alternative Vertrauensformen bei einer zusätzlichen vertrag-lichen Absicherung zu unterschiedlichen Auswirkungen auf die Performance führen. Soweit beispielsweise Vertrauen auf der Kompetenz des Interaktionspartners basiert, können zusätzliche vertragliche Absicherungen die Performance erweitern (da keine Informationen zur Absicht des Interaktionspartners vorliegen). Falls das Vertrauen sich jedoch aus Goodwill bzw. aus der Wahrnehmung einer positiven Einstellung des Interaktionspartners speist, sind vertragliche Absicherungen unnötig bzw. sogar kont-raproduktiv (Lui/Ngo 2004, 471).

Gallivan (2001, 277) hat darüber hinaus anhand der Open Source Bewegung Me-chanismen untersucht, die in Interaktionsprozessen Vertrauen substituieren. Ver-trauen ist demnach unter gewissen Bedingungen keine notwendige Ressource für den Erfolg von Austauschbeziehungen. Vielmehr können spezifische Regeln der Zu-sammenarbeit und angewandte Verhaltensnormen die Notwendigkeit von Vertrauen substituieren. Dies gilt beispielsweise für Kooperationen mit einer hohen Trans-parenz und der Möglichkeit zur umfassenden Sanktionierung opportunistischer Ver-haltensweisen.

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1.3. Vertrauen auf verschiedenen Ebenen

Für die Konzeptualisierung von Vertrauen in Kundenbeziehungen ist besonders we-sentlich, ob sich die skizzierten Funktionen und Auswirkungen von Vertrauen aus-schließlich auf individueller bzw. personaler Ebene oder zusätzlich auch auf organi-sationaler Ebene manifestieren. Damit ist die Frage adressiert, ob und ggf. wie Ver-trauen auf Organisationsebene existiert.

Diese Frage kann auf Basis der bisherigen Forschung nicht eindeutig beantwortet werden. Die meisten Konzeptualisierungen von Vertrauen beziehen sich auf perso-nale Beziehungen (Rousseau 1998). Dennoch argumentieren beispielsweise Currallund Inkpen (2006, 236), dass das oben skizzierte Begriffsverständnis von Vertrauen auch auf Organisationen angewendet werden kann:

“… our definition of trust can be applied to persons, groups, and organi-zations because all three entities make trust decisions and exhibit the measureable actions that follow from such decisions.”

Theoretische und empirische Evidenz für die Existenz organisationalen Vertrauens findet sich auch in anderen Arbeiten. So untersuchen beispielsweise Barney und Hansen (1994, 111) die Unterschiede zwischen personalen und organisationalen Vertrauensressourcen. Dabei orientiert sich die Argumentation an der Beobachtung, dass Organisationen auch bei Konflikten zwischen Personen vertrauensvoll agieren können und umgekehrt, selbst bei gravierenden Konflikten zwischen Organisationen die Kooperation von Einzelpersonen durch Vertrauen geprägt sein kann. Doz (1996, 55) untersucht die Rolle von Vertrauen bei der Bildung strategischer Allianzen und stellt fest, dass Vertrauen auf unterschiedliche organisatorische Ebenen übertragen werden kann. Zaheer et al. (1998, 141) explizieren auf Basis einer empirischen For-schung die Unterschiede zwischen personalen und organisationalen Vertrauens-ressourcen und Jeffries sowie Reed (2000, 873) untersuchen das Zusammenspiel zwischen beiden Vertrauensformen in Bezug auf die Unternehmensperformance.

Dennoch ist die Beziehung von Vertrauen auf personaler und organisationaler Ebene nach Currall und Inkpen (2006, 237; 2002) ein unterproportional erforschtes Thema. Auf Basis der Annahmen zur Möglichkeit von Vertrauen auf Organisationsebene entwickeln die beiden Autoren ein Modell der Co-Evolution unterschiedlicher Ver-trauensebenen (Curral/Inkpen 2006, 241).

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Abb.6: Co-Evolution von Vertrauen auf verschiedenen Ebenen (Currall/Inkpen 2006, 241)

Damit lässt sich der Prozess einer sequentiellen Entwicklung von Vertrauen auf der Ebene von Personen, Gruppen und Organisationen skizzieren (siehe Abb.6). We-sentlich für das Modell ist die Vorstellung von Vertrauen auf einer Ebene als orga-nisationaler Kontextfaktor für das Vertrauen auf einer anderen Ebene. So kann bei-spielsweise ein ausgeprägtes Vertrauen zwischen Führungskräften zweier Organi-sationen als wichtiger Kontextfaktor für die Bildung von Vertrauen auf Gruppenebene fungieren. Umgekehrt kann ein historischer Kontext von Vertrauen und Partnerschaft zwischen zwei Unternehmen den Prozess der Vertrauensbildung zwischen bisher nicht interagierenden Gruppen oder Personen beider Unternehmen positiv beein-flussen (Currall/Inkpen 2006, 240). Damit lässt sich über die Konzeptualisierung von Vertrauen als organisationaler Kontext (Cappelli/Sherer 1991, 56; Mowday/Sutton 1993, 198) ein Erklärungsmodell für die Emergenz von Vertrauen auf unterschied-lichen Systemebenen entwickeln. Die Konzeptualisierung von Vertrauen auf Orga-nisationsebene (jenseits des Individuums) ist folglich nicht neu. Dennoch soll dieser Erklärungsansatz für die vorliegende Dissertation nicht übernommen werden. Die Kritik an der Konzeptualisierung von Organisationsvertrauen leitet sich direkt aus den Erläuterungen von Curral und Inkpen (2006, 236) selbst ab. Für die Modellierung der Organisation als vertrauendes Subjekt ist es erforderlich, dass Organisationen selbstreferentielle Vertrauensentscheidungen treffen. Diese Annahme ist beispiels-weise aus Sicht von McEvily und Zaheer (2006, 292) theoretisch unzulässig.

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Organisationen sind nicht in der Lage, eigene Vertrauensentscheidungen zu treffen. Für die Vorbereitung und Umsetzung von Entscheidungen greifen Organisationen auf Personen zurück. Damit wird das Entscheidungs- und Vertrauensproblem wieder an Personen übertragen. Natürlich werden Entscheidungen auf personaler Ebene durch organisationale Faktoren beeinflusst, nicht jedoch determiniert. Auf Basis der kognitiven Neurobiologie ist davon auszugehen, dass Menschen als operational ge-schlossene Systeme selbstreferentiell entscheiden (Roth 1997, 314; Schmidt 1996, 15). Somit entscheiden zwar Personen auf der Grundlage ihres eigenen Referenz-systems, nicht jedoch Organisationen. Aus konzeptueller Sicht ist es wesentlich, dass Organisationen unabhängig von einzelnen Personen nicht entscheiden und folglich auch nicht vertrauen können. In letzter Instanz bleibt die Vertrauensent-scheidung daher eine individuelle (wenn auch teilweise hochgradig durch die Orga-nisation beeinflusste) Angelegenheit.

1.4. Vertrauensdynamik in personalen Beziehungen

Ein fundiertes Modell zur grundsätzlichen Erklärung der Vertrauensdynamik in per-sonalen Beziehungen liefert Neuberger (2006, 20) (siehe Abb.7). A vertraut B mit Hinblick auf die Erreichung eines bestimmten Ziels und räumt diesem Verfügungs-rechte über bestimmte Ressourcen ein (z.B. Geld, Zeit, Informationen). B könnte die-se Verfügungsrechte missbrauchen und dadurch entsteht für A ein Risiko. Jedoch hat A möglicherweise auch etwas davon, wenn er sich in die Hand von B begibt. Es entsteht ein potenzieller Mehrwert. In der Handhabung der eingeräumten Ver-fügungsrechte hat B einen Entscheidungsspielraum, der nicht exakt definiert ist und sich einer vollständigen Kontrolle entzieht. In dieser für die Vertrauensbeziehung typischen Informationsasymmetrie hat A in der Regel nicht die Expertise, um die Qualität des Verhaltens von B zutreffend beurteilen zu können. A muss sich nun für Vertrauen oder Misstrauen entscheiden und determiniert damit die Qualität der weite-ren Beziehung. Dabei ist davon auszugehen, dass die Vertrauensentscheidung von A nicht vollständig rational erfolgt. A kann die Informationen über die Vertrauens-würdigkeit von B nur begrenzt verarbeiten (March/Simon 1958). Aufgrund der be-grenzten Rationalität werden heuristische Entscheidungsregeln bzw. Erfahrungen herangezogen (Gigerenzer 2000; Polya 1945). Weil auch B von der Vertrauens-beziehung profitiert, muss er signalisieren, dass er seine Macht nicht missbrauchen wird. Damit gibt er ein implizites Versprechen, bei dessen Bruch mit Sanktionen gerechnet werden muss.

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Abb.7: Vertrauensdynamik nach Neuberger (2006)

Dabei sind nicht nur die Sanktionsmöglichkeiten des ursprünglich Vertrauenden A relevant (z.B. Abbruch der Beziehung, Verlangen nach Sicherheitsleistungen, etc.). Auch Sanktionen von dritter Seite C sind möglich. B verliert durch einen offensicht-lichen Vertrauensbruch Kredit bei allen beobachtenden Parteien und muss davon ausgehen, in Zukunft einen hohen Preis für weiteres Vertrauen zahlen zu müssen.

Die strukturellen Analogien von Vertrauens- und Kundenbeziehungen sind offensicht-lich: Der Vertrauensgeber (Kunde) liefert sich in gewisser Weise dem Vertrauens-nehmer (Anbieter) aus, weil er ihm einen riskanten Vertrauensvorschuss gibt und hofft, dass der Vertrauensnehmer seine Erwartungen erfüllt (Neuberger 2006, 22). Natürlich basiert diese Erwartung nicht auf purer Hoffnung. Der Vertrauensgeber hat eine Wahrnehmung über seinen Partner entwickelt und sich ein Bild über dessen Reputation und Vertrauenswürdigkeit gemacht. Darüber hinaus wird er versuchen, durch Verhandlungen einen Kontext zu erzeugen, der einen Vertrauensbruch als nicht lohnenswert erscheinen lässt.

Aus den bisher skizzierten Überlegungen ist abzuleiten, unter welchen Bedingungen Vertrauen auf personaler Ebene entstehen kann. Vertrauen ist nämlich keine Ein-bahnstraße, die unter allen Umständen zum Erfolg führt. Idealisierungen von Ver-trauen sind daher mit Vorsicht zu betrachten (Neuberger 2006, 33). Nach Luhmann(2000, 40) kann Vertrauen eine sinnvolle Option sein. Ob Vertrauen aber tatsächlich Sinn macht, hängt wesentlich von den herrschenden Kontextbedingungen ab:

schenktVertrauen

A B

C

genießtVertrauen

DritterBeobachter

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Die Beziehungsqualität zu einer Vertrauensperson ist zweifelsohne ein wich-tiger Faktor. Dem Vertrauten traut man eher als dem Fremden. Die Bedeutung interpersonaler Vertrauensbeziehungen für die Interaktion zwischen Unter-nehmen muss auf Basis der Position der relevanten Personen innerhalb des sozialen Systems bewertet werden. In der Regel sind weitere Kontextfaktoren wesentlich, um Vertrauen in der Zusammenarbeit über die individuelle Ebene hinaus zu kultivieren.

Besonders relevant ist dabei die Gewinn- und Verlustrechnung des Vertrauens-nehmers im Falle eines Vertrauensbruchs. Diese werden wesentlich durch die Sanktionsmöglichkeiten des Vertrauensgebers bestimmt. Insofern ist eine lang-fristige Geschäftsbeziehung mit wiederkehrenden Interaktionen günstiger für den Aufbau von Vertrauen als ein einmaliges Geschäft (Luhmann 2000, 41).

Diese Überlegungen korrelieren stark mit der aktuell gegebenen Transparenz einer Marktsituation. Sofern opportunistisches Verhalten von vielen Markt-teilnehmern beobachtet werden kann, ist davon auszugehen, dass sich die Ge-winn- und Verlustrechnung des Vertrauensnehmers für den Fall eines Vertrau-ensbruchs negativ darstellt.

Ein damit verbundener Ansatz thematisiert die in Abb.7 visualisierte Einführung einer Beobachterperspektive. Die Beobachter C bewerten die Interaktion zwi-schen A und B und können zukünftig als Vertrauensintermediäre für weitere Akteure dienen bzw. die Reputation von B beeinflussen. Dabei spielt erneut die Markttransparenz eine wesentliche Rolle, denn je schneller und vollständiger sich Informationen über die Reputation eines Akteurs verbreiten, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Fehlentscheidung seitens des Vertrauens-gebers A und umso höher sind in der Regel auch die Kosten opportunistischen Verhaltens für B (Ripperger 1998, 190).

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1.5. Vertrauensdynamik in (inter-)organisationalen Beziehungen

Neben der Analyse personaler Interaktionen stellt sich die Frage nach einer theo-retischen Fundierung der Vertrauensdynamik in (inter-)organisationalen Beziehun-gen. Wie bereits ausgeführt ist davon auszugehen, dass Vertrauen grundsätzlich ein individuelles Phänomen darstellt. Organisationen können selbst kein Vertrauen auf-bauen, beeinflussen jedoch Vertrauensentscheidungen auf individueller Ebene (McEvily/Zaheer 2006, 292). Bei mehreren beteiligten Unternehmen und Personen führt diese Annahme zu komplexen Wirkungsbeziehungen. Der Zusammenhang ist in Abb.8 vereinfacht dargestellt.

Bei einer Kooperation von n Unternehmen werden die Vertrauensentscheidungen einer einzelnen involvierten Person durch unterschiedliche personale und organi-sationale Aspekte tangiert. Beispielsweise können die Vertrauensentscheidungen eines einzelnen Mitarbeiters des “Unternehmens 1“ in Abb.8 als abhängige Variable konzeptualisiert werden. In Bezug zu dieser abhängigen Variable existiert eine hohe Anzahl möglicher unabhängiger Variablen. Diese lassen sich in verschiedene Kate-gorien einordnen:

Zunächst tangiert das persönliche Referenzsystem des Mitarbeiters selbst den Aufbau von Vertrauen. Aus entscheidungstheoretischer Sicht ist davon auszu-gehen, dass ein einzelner Mitarbeiter die vorliegenden Informationen über die Vertrauenswürdigkeit anderer Personen und Organisationen nur begrenzt ver-arbeiten kann (March/Simon 1958; Simon 1957). Aufgrund der begrenzten Ra-tionalität werden heuristische Entscheidungsregeln herangezogen (Gigeren-zer/Todd 1999; Gigerenzer 2000; Polya 1945). Derartige Heuristiken reflek-tieren die individuelle Lebenserfahrung und Präferenzstruktur des Entschei-dungsträgers (Kramer 2006, 81). Aus dieser Perspektive entsteht Vertrauen auf Basis von situativen Kognitionen eines Individuums.

Darüber hinaus beeinflusst das Unternehmen (in diesem Fall Unternehmen 1) die Vertrauensentscheidungen seiner Mitarbeiter (beispielsweise von Mitarbei-ter 1) (Curral/Inkpen 2002, 479). Dies geschieht teilweise offensichtlich und ex-plizit durch die Vorgabe und Überwachung von Prozessen und Regeln. Von Bedeutung ist darüber hinaus die Beeinflussung individueller Entscheidungen durch die Unternehmenskultur (Curral/Inkpen 2006, 240). In Summe kann der Einfluss des Unternehmens auf individuelle Vertrauensentscheidungen daher als organisationaler Kontext aufgefasst werden (Heath/Sitkin 2001, 43; Johns 2001, 31).

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Mowday und Sutton (1993, 198) definieren Kontext als “stimuli and phenomena that surround and thus exist in the environment external to the individual, most often at a different level of analysis” und verdeutlichen die Bedeutung entspre-chender Kontextfaktoren für individuelle Entscheidungen.

Außerdem werden die Vertrauensentscheidungen des Mitarbeiters eines Unter-nehmens auch durch Merkmale der weiteren n beteiligten Unternehmen beein-flusst (im Beispiel die Entscheidungen von Mitarbeiter 1 durch Merkmale der Unternehmen 2 bis n). In diesem Fall basieren die Vertrauensentscheidungen zum Beispiel auf den Produkten und Dienstleistungen, spezifischen Prozessen oder der Reputation der weiteren beteiligten Unternehmen. Der Einfluss orga-nisationaler Faktoren (der Unternehmen 2 bis n) auf die individuellen Vertrau-ensentscheidungen eines Mitarbeiters (von Unternehmen 1) sind evident, da die für den Vertrauensgeber relevante Leistung in den meisten Fällen nicht durch einen einzelnen Mitarbeiter (von Unternehmen 2 bis n) erbracht werden kann. Daher ist bei der Vertrauensentscheidung auch die systematische Leis-tungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Kooperationspartner als Organisa-tion relevant.

Soweit unternehmensübergreifende Kontakte auf personaler Ebene etabliert sind, haben schließlich auch die Mitarbeiter von n beteiligten Unternehmen Ein-fluss auf das Vertrauen des Mitarbeiters eines Unternehmens. Die Dynamik in multiplen interpersonalen Beziehungen kann durch die oben skizzierte Vertrau-ensdynamik nach Neuberger (2006, 11) anschaulich erklärt werden.

Damit folgen aus den in Abb.8 skizzierten Zusammenhängen multiple Einfluss-faktoren und Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Analyseebenen. Ver-trauen ist daher nicht als homogenes Konstrukt, sondern als Ergebnis eines evolu-tionären Entwicklungsprozesses mit Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Ebenen aufzufassen (Curral/Inkpen 2006, 241). In Bezug auf die Beziehungen zwi-schen Anbietern und Kunden ist davon auszugehen, dass die skizzierte Dynamik für Vertrauensentscheidungen beider Parteien gilt, d.h. nicht nur das Vertrauen der Kunden in den Anbieter, sondern auch umgekehrt das Vertrauen des Anbieters in den Kunden basiert auf den skizzierten multiplen Wechselwirkungen.

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Abb.8: Vertrauensdynamik in interorganisationalen Beziehungen

1.6. Negativeffekte von Vertrauen

Eine Evaluation der bisherigen Vertrauensforschung macht deutlich, dass fast alle Beiträge ausschließlich die positiven Effekte von Vertrauen betonen. Die negativen Seiten von Vertrauen blieben weitgehend ausgeblendet (McEvily et al. 2003, 100; Zaheer et al. 1998, 156). Dabei kann ein besonders stark ausgeprägtes Vertrauen durchaus zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Darüber hinaus können durch die Ausnutzung von Vertrauen negative Folgewirkungen für den Vertrauensgeber entstehen (Langfred 2004, 385; Szulanski et al. 2004, 600). Gargiulo und Ertug(2006, 175) postulieren daher ein Vertrauensoptimum in Austauschbeziehungen und bezeichnen überproportional hohes Vertrauen als exzessiv (siehe Abb.9). Jenseits des Optimums führt exzessives Vertrauen zu spezifischen Nachteilen, die die oben skizzierten Vertrauensvorteile negieren. Diese Vertrauensnachteile können sich bei-spielsweise in irrationaler Zuversicht, überzogener Selbstzufriedenheit und dys-funktionalen Verpflichtungen ausdrücken.

Die Möglichkeit irrationaler Zuversicht leitet sich aus der Definition des Vertrauens-konstrukts ab. Wie bereits weiter oben dargestellt, basiert Vertrauen auf der Zu-versicht des Vertrauensgebers in die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft einer ande-ren Partei (Lewis/Weigert 1985, 967; Neuberger 2006, 20). Unsicherheit ist für die Notwendigkeit und Entstehung von Vertrauen ein konstituierender Faktor.

Unternehmen1

Unternehmen2

Unternehmenn

MitarbeiterUnternehmen

1

MitarbeiterUnternehmen

2

MitarbeiterUnternehmen

n

…..

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Abb.9: Vertrauensstärke und Vertrauensvorteile nach Gargiulo und Ertug (2006)

Durch sein Vertrauen bei unsicheren Rahmenbedingungen geht der Vertrauende ein Risiko ein und macht sich verwundbar (Gambetta 1988). Dabei führt der mit Vertrau-en verbundene Verzicht auf ausgedehnte Monitoring- und Schutzmaßnahmen zu Transaktionskostenvorteilen auf beiden Seiten (Luhmann 2000). Nach Gargiulo und Ertug (2006, 175) kann jedoch exzessives Vertrauen zu einer irrationalen Zuversicht führen. Irrational ist die Zuversicht des Vertrauensgebers dann, wenn sie weit über das für den Status der Beziehung übliche Maß hinausgeht und nicht auf eine aus-reichende Erfahrung abgestützt ist. Eine derartige Zuversicht induziert eine über-proportionale Reduzierung von Monitoring- und Absicherungsmaßnahmen und kann zu negativen Folgewirkungen führen.

Die durch exzessives Vertrauen ausgelösten Negativeffekte wurden bereits von Deutsch (1958) als “pathologisches Vertrauen“ charakterisiert. Danach kann ein überhöhtes Vertrauen in Kombination mit ausbleibenden Kontrollmechanismen sogar zu einer Förderung opportunistischer Verhaltensweisen beim Vertrauensnehmer füh-ren. Diese Sichtweise wurde später u.a. von Lewicki et al. (1998, 438) rezipiert. Offensichtlich ist für die Entfaltung der positiven Wirkungen von Vertrauen sowie die Begrenzung potentieller Risiken durch exzessives Vertrauen ein ausgewogenes Misstrauen erforderlich (Shapiro 1987, 623).

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Innerhalb der definierten Grenzen kann sich Vertrauen entfalten. Das Bewusstsein über die Existenz definierter Vertrauensgrenzen erhöht darüber hinaus die Produk-tivität der Beziehung. Die skizzierten Negativeffekte exzessiver Vertrauensres-sourcen durch irrationale Zuversicht haben sich in verschiedenen empirischen Unter-suchungen bestätigt (Langfred 2004, 385; Szulanski et al. 2004, 600). Danach fördert ein überhöhtes Vertrauen zunächst opportunistische Verhaltensweisen. Darüber hin-aus sinken die Möglichkeiten des Vertrauensgebers, opportunistisches Verhalten zu erkennen und frühzeitig zu reagieren.

Neben irrationaler Zuversicht kann auch eine überzogene Selbstzufriedenheit zu ne-gativen Vertrauenseffekten führen. Dabei führt Vertrauen zunächst zu einer höheren Zufriedenheit mit einer Beziehung und erhöht das Commitment. Dieser positive Ef-fekt erleichtert den Austausch von sensiblen Informationen und vermindert die Wahr-scheinlichkeit einer spontanen Beendigung der Beziehung (Saparito et al. 2004, 400; Uzzi 1996, 674). Wenn aus Commitment Selbstzufriedenheit wird kann dies jedoch auch zu sozialer Lähmung führen und die beteiligten Parteien in einer wenig effek-tiven Beziehung binden (Gargiulo/Benassi 2000, 183).

Ursächlich für diesen Negativeffekt ist ein Mangel an Feedback. Nach Hirschmann(1970) können die Beteiligten in einer Kooperationsbeziehung grundsätzlich in zwei Varianten auf eine Performancereduktion reagieren. Diese beziehen sich auf Feed-back zur Verbesserung der Performance (= Voice) oder auf Anstrengungen zur Be-endigung der Beziehung (= Exit). Ein durch exzessives Vertrauen bedingtes Bezie-hungscommitment kann in diesem Kontext zu einer Feedbackverzögerung bzw. zu einer ausgedehnten Akzeptanz unterproportionaler Performance führen. Die Ursache für diesen Effekt liegt nach Uzzi (1996, 676) in der relationalen Wirkung von Vertrau-en. Bei überhöhten Vertrauensbeziehungen kalkulieren die beteiligten Parteien mit negativen Feedbackwirkungen. Daher wird die Beziehung per se vor negativem Feedback geschützt und mangelnde Performance akzeptiert. Exzessives Vertrauen reduziert daher paradoxerweise die Wahrscheinlichkeit für Feedback.

Ein weiterer Negativeffekt bei überzogener Selbstzufriedenheit kann durch einen kognitiven Lock-In entstehen (Grabher 1993, 255). In vertrauensvollen Beziehungen entsteht zunächst ein stimulierender Interaktionskontext. Das gegenseitige Ver-ständnis und die Qualität der Kooperation werden gefördert (Gulati 1995, 85). Jedoch kann der gleiche Effekt auch wie ein Filter für Informationen wirken und die Ein-nahme neuer Perspektiven behindern (Uzzi 1997, 674). Aus dieser Sicht kann ex-zessives Vertrauen auch die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens limitieren.

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Schließlich kann exzessives Vertrauen in Kooperationsbeziehungen zu dysfunktio-nalen Verpflichtungen führen. Darunter sind Verpflichtungen zu verstehen, die weiter über den erforderlichen Rahmen einer Austauschbeziehung hinaus gehen (Wicks et al. 1998, 99). Theoretisch sind derartige Verpflichtungen durch die Einbettung der Akteure in soziale Netzwerke (= embeddedness) zu erklären. Im Lebenszyklus einer Beziehung ist eine zunehmende Einbettung des Individualverhaltens in soziale Zu-sammenhänge beobachtbar (Gambetta 1988). Um Unsicherheiten in den frühen Phasen einer Beziehung zu reduzieren, müssen die beteiligten Parteien ihre Koope-rationsbereitschaft signalisieren. Diese Signale können zu einer Erweiterung der ini-tialen Beziehung führen. Soweit dadurch Vertrauen entsteht, ist die Beziehung in der Regel auch in ein Netzwerk aus sozialen Regeln eingebettet. Derartige Regeln blei-ben oft latent, führen jedoch zu einer Reduktion der mit einer Beziehung verbunde-nen Unsicherheit. Nach Uzzi (1997, 35) kann sich jedoch die Einbettung des Indivi-dualverhaltens in soziale Regeln auch in dysfunktionalen Verpflichtungen manifestie-ren (= over-embedding). Insbesondere bei exzessiven Vertrauensbeziehungen etab-lieren die Akteure bereits in frühen Phasen der Beziehung umfassende soziale Ver-pflichtungen, die für eine erfolgreiche Gestaltung der Interaktion aus ökonomischer Sicht nicht erforderlich sind (Wicks et al. 1998, 99). Dadurch limitieren sich die Akteu-re in ihren eigenen Gestaltungsmöglichkeiten und die resultierenden Transaktions-kosten negieren die positiven Vertrauenseffekte.

Insgesamt können damit die positiven Auswirkungen von Vertrauen in Austausch-beziehungen durch vergleichbare Mechanismen auch zu Negativeffekten führen. Solche Effekte treten v.a. bei überproportionaler Erweiterung der Vertrauensbe-ziehung auf. Damit kann unterstellt werden, dass für Austauschbeziehungen ein Ver-trauensoptimum existiert. Bei einer Vertiefung von Vertrauen über dieses Optimum hinaus erhält Vertrauen einen exzessiven Charakter. Die Folgewirkungen exzessiver Vertrauensbeziehungen negieren dann die positiven Auswirkungen von Vertrauen in sozialen Beziehungen. Für den weiteren Fortgang ist darüber hinaus wesentlich, dass exzessives Vertrauen überwiegend in interpersonalen Beziehungen auftritt. Vergleichende Experimente in Bezug auf die Vertrauensbildung zeigen, dass Be-wertungen über andere Personen schneller gebildet werden und nachhaltig konstant bleiben (Hamilton/Sherman 1996, 336). Darüber hinaus ist die Bewertung auf indivi-dueller Basis stärker, als die analoge Bewertung einer Gruppe. Die Beziehungen einer Person zu einer Organisation sind hingegen eher kurzfristig ausgelegt und we-niger intensiv (Iacobucci/Ostrom 1996, 69). Soweit sich das Vertrauen einer Partei auf organisationale Faktoren bezieht, ist das Auftreten der skizzierten dysfunktion-alen Vertrauenseffekte daher weniger wahrscheinlich.

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1.7. Schwerpunkte der weiteren Vertrauensforschung

Die Schwerpunkte der weiteren Vertrauensforschung werden aus organisationstheo-retischer Sicht unterschiedlich evaluiert (Currall/Inkpen 2006, 243; McEvily/Zaheer 2006, 296; McKnight/Chervany 2006, 43). Dennoch lassen sich gemeinsame Leit-linien in folgenden Aspekten identifizieren:

Ein wesentlicher Ausschnitt der weiteren Forschung bezieht sich auf die weitere Ausdifferenzierung des Vertrauenskonstrukts. Dabei ist aus theoretischer Sicht v.a. relevant, ob Organisationen per se vertrauen können (Currall/Inkpen 2002; Sydow 2006). Die Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Vertrauens-ebenen sind bisher nur unzureichend erforscht. Während die Forschung zu interpersonalen Beziehungen relativ weit fortgeschritten ist, besteht insbe-sondere bei unternehmensübergreifenden Kooperationen ein weiterer For-schungsbedarf. Die Komplexität der Vertrauensdynamik auf mehreren Ebenen ist in diesem Anwendungskontext bisher nur oberflächlich untersucht.

Darüber hinaus ist zu evaluieren, ob unterschiedliche Vertrauensebenen für spezifische Performanceeffekte besonders relevant sind. Dies gilt insbesondere für mögliche unterschiedliche Auswirkungen von Vertrauen auf interpersonaler und interorganisationaler Ebene (Corazzini 1977, 75). Zusätzlich sind spezi-fische Strategien zur Förderung organisationaler Vertrauensressourcen bisher kaum erforscht (mit Ausnahme der Bereiche Markenwirkung und Reputation).

Die Vertrauensforschung hat sich in der Vergangenheit stark auf die Unter-suchung von Haupteffekten unter Anwendung eines homogenen Vertrauens-konstrukts konzentriert. Neben der vertieften Analyse von Haupteffekten wird zukünftig ein weiterer Schwerpunkt der Forschung auf der Analyse von Kontext-faktoren bzw. Moderatoren der Vertrauensdynamik liegen. Dabei erscheint ins-besondere eine Exploration organisationaler Kontextfaktoren fruchtbar. Grund-sätzlich geht es dabei um die Frage, welche Merkmale einer Organisation (strukturell, prozessual, kulturell) den Aufbau von Vertrauen fördern bzw. be-hindern (Carson et al. 2003, 45). Empirisch fundierte Forschungen implizieren in dieser Hinsicht einen wichtigen Beitrag zur optimalen Steuerung der Vertrau-ensbildung aus organisationaler Sicht.

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Schließlich sollte die weitere Forschung auch mögliche Negativeffekte von Ver-trauen berücksichtigen. Dies gilt besonders mit Hinblick auf die Bestimmung ei-nes Vertrauensoptimums in relationalen Austauschbeziehungen (Gargiulo/Ertug 2006). In dieser Hinsicht ist auch die Rolle von Misstrauen als potentieller Schutzmechanismus kaum beleuchtet (Neuberger 2006, 26). Daraus folgt ins-gesamt der Eindruck einer optimistischen Verzerrung der bisherigen Vertrau-ensforschung. Daher sind besonders die durch exzessives Vertrauen zu erwar-tenden Negativeffekte intensiver zu beleuchten und empirisch zu fundieren.

Außerdem konzentriert sich die vorliegende Forschung zur Wirkung der Ver-trauensdynamik in Austauschbeziehungen vorwiegend auf Argumente der Transaktionskostentheorie (Williamson 1975). Vertrauen kann in dieser Hinsicht unter unsicheren Rahmenbedingungen zu effizienteren Kooperationsbezie-hungen führen. Durch den einfacheren Austausch von Informationen und die positiven Wirkungen von Vertrauen auf die gemeinsame Kooperation können (Kosten-)Vorteile für beide Seiten entstehen. Gegenüber der transaktions-kostenorientierten Analyse von Vertrauen sind die damit verbundenen Trans-aktionsvorteile nur unterproportional untersucht (Zajac/Olsen 1993, 131). Dies betrifft beispielsweise die Auswirkungen von Vertrauen auf die Qualität von Kundenlösungen in Beziehungen zwischen Anbietern und Kunden oder den Ef-fekt auf die Innovationsfähigkeit der beteiligten Kooperationspartner.

Schließlich sind in der Vertrauensforschung zunehmend Längsschnittanalysen über einen spezifischen Zeitverlauf erforderlich, um die Bedingungen und Aus-wirkungen von Vertrauen dynamisch zu analysieren. Die bisher vorliegende Forschung zu Vertrauen in Organisationen ist weitgehend durch statische Querschnittanalysen gekennzeichnet. Eine Längsschnittbetrachtung kann ins-besondere fruchtbare Einblicke in die evolutionäre und wechselseitige Entwick-lung von Vertrauen auf unterschiedlichen Ebenen bieten (Currall/Inkpen 2006, 244).

Insgesamt zeigen sich in der organisationstheoretischen Vertrauensforschung damit vielfältige Ansatzpunkte für eine differenzierte Untersuchung der Vertrauensdynamik in sozialen Austauschbeziehungen. Die wesentlichen Erkenntnisse zur Dynamik von Vertrauen auf unterschiedlichen Ebenen sollen für die Forschung in dieser Arbeit rezipiert und mit Hinblick auf die eingangs skizzierten Forschungsfragen erweitert werden.

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1.8. Zwischenfazit: Komplexität der Vertrauensforschung

Im Sinne eines Zwischenfazits ist zu konstatieren, dass sich die Komplexität des Ver-trauenskonstrukts inzwischen in der zugehörigen Forschung der Organisationstheo-rie reflektiert. Das Forschungsgebiet umfasst mittlerweile eine Vielzahl von Themen-stellungen, unterschiedliche theoretische Strömungen und multiple Erklärungsansät-ze. Trotz der Komplexität der Vertrauensforschung können in Bezug auf die oben skizzierten Forschungsfragen die folgenden Teilergebnisse festgehalten werden:

Forschungsfrage (1): Hinsichtlich der Multidimensionalität des Vertrauenskon-strukts beschreibt die aktuelle Forschung unterschiedliche Objekte, auf denen Vertrauensentscheidungen basieren. Das Vertrauen einer Partei kann sich da-her u.a. auf andere Personen, Organisationen sowie weitere soziale Systeme (z.B. die Gesellschaft als Ganzes) beziehen (McEvily et al. 2006, 52). Insofern ist davon auszugehen, dass auch das Vertrauen in Kundenbeziehungen auf un-terschiedliche Objektebenen reflektiert. Auf der Subjektebene finden sich in der Organisationstheorie unterschiedliche theoretische Grundpositionen. Teilweise ist auch die Organisation als vertrauendes Subjekt Gegenstand der Forschung (Currall/Inkpen 2002, 480; Sydow 2006, 378). Diese Position soll jedoch auf Grund der oben skizzierten Überlegungen nicht übernommen werden. Die Ver-trauensentscheidung ist daher auf personaler Ebene zu verorten (McEvi-ly/Zaheer 2006, 292). Dabei werden individuelle Vertrauensentscheidungen je-doch durch organisationale Kontextfaktoren moderiert. Diese Grundpositionen sind bei der Entwicklung und empirischen Untersuchung eines eigenen For-schungsmodells zu berücksichtigen.

Forschungsfragen (2) und (3): Bei der Analyse der Bedingungen und Aus-wirkungen von Vertrauen trennt die Organisationsforschung nicht zwischen einer Anbieter- und Kundenperspektive. Es ist grundsätzlich davon auszuge-hen, dass die skizzierten Bedingungen und Auswirkungen für alle an einer In-teraktion beteiligten Parteien gelten. Dabei lassen sich über die Senkungen von Transaktionskosten und die Nutzung von Transaktionsvorteilen zunächst posi-tive Effekte auf die Qualität der gemeinsamen Kooperation erzielen (Dyer/Chu 2003, 57; Zajac/Olsen 1993, 131). Daraus entstehen u.a. eine höhere Interakti-onszufriedenheit (Carson et al. 2003, 45; Zaheer et al. 1998, 141) sowie der Wunsch nach einer Fortsetzung der Kooperation, Beziehungscommitment und Loyalität (Mora-Valentin et al. 2004, 17; Pavlou 2002, 215).

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Schließlich lassen sich aus den skizzierten Effekten auch positive Auswirkun-gen auf die finanzielle Leistung der beteiligten Parteien ableiten (Claro et al. 2003, 703; Dyer/Chu 2003, 57; Luo 2001, 177). In der Vertrauensforschung ist bisher nicht geklärt, welche Vertrauensebenen für welche Effekte verantwortlich sind (Corazzini 1977). Dies ist ein wichtiger Gegenstand der weiteren Vertrau-ensforschung. Darüber hinaus sind mögliche negative Auswirkungen von Ver-trauen genauer zu beleuchten. Für den vorliegenden Forschungskontext ist be-sonders relevant, dass sich die negativen Effekte aus exzessiven Vertrauens-ausprägungen vorwiegend in interpersonalen Beziehungen manifestieren (Ia-cobucci/Ostrom 1996, 69). Die durch Vertrauen induzierten Loyalitätseffekte können in dieser Hinsicht zu unerwünschten Folgewirkungen führen und die Beziehungsperformance reduzieren.

Forschungsfrage (4): In Bezug auf die moderierende Wirkung von kundenspezi-fischen Merkmalen auf das Kundenvertrauen lassen sich aus der Organisa-tionsforschung relevante Ansatzpunkte gewinnen. Wie bereits dargestellt wer-den Vertrauensentscheidungen von Personen getroffen. Daher sind zunächst individuelle Merkmale der Kunden zu berücksichtigen (z.B. Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster, Präferenzstrukturen, etc.). Darüber hinaus werden in-dividuelle Vertrauensentscheidungen durch organisationale Kontextfaktoren beeinflusst. Soweit der Aufbau von Vertrauen unter Gesichtspunkten organi-satorischer Fähigkeiten betrachtet wird, stellt beispielsweise die Kompetenz zur Erzeugung und Verarbeitung relevanter Informationen über den Kooperations-partner eine Moderatorvariable der Vertrauensdynamik dar (Carson et al. 2003, 45). Entsprechend sollen im weiteren Prozess darüber hinaus gehende indivi-duelle und organisationale Kundenmerkmale konzeptualisiert und empirisch un-tersucht werden.

Forschungsfrage (5) und (6): Der aktuelle Stand der Organisationsforschung bietet kaum Ansatzpunkte für eine vergleichende Analyse aus Anbieter- und Kundensicht. Dies gilt mit Einschränkungen auch für die Gestaltung organisa-tionaler Beziehungsstrategien. Obwohl Organisationen als Objekt und Bezugs-punkt für Vertrauensentscheidungen konzeptualisiert werden, ist bisher kaum erforscht, durch welche organisationalen Strategien das Vertrauen in Organisa-tionen stimuliert werden kann. Der Schwerpunkt der Forschung liegt bisher deutlich auf der Erforschung interpersonaler Beziehungsstrategien. Insofern können nur die grundsätzlichen Bedingungen für Vertrauen (Kompetenz, good will, Glaubwürdigkeit) für den Organisationskontext rezipiert werden.

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2. Relationship Marketing (RM) Forschung

In Bezug auf die Analyse von Vertrauen in Kundenbeziehungen ist neben der allge-meinen Organisationstheorie v.a. der aktuelle Stand der Marketingforschung rele-vant. Besonders innerhalb der Relationship Marketing Forschung liegen umfang-reiche Untersuchungen zu Fragen des Vertrauens in Kundenbeziehungen vor (Pal-matier et al. 2006). In den letzten Jahren ist die Bedeutung des Vertrauenskonzepts im Marketing gestiegen (Arnott 2007, 981). Dies leitet sich u.a. aus grundsätzlichen Veränderungen der Marketingtheorie ab.

2.1. Paradigmenwechsel im Marketing

Das Marketing befindet sich bereits seit einigen Jahren im Wandel (Belz/Bieger 2006, 13; Vargo/Lusch 2004, 1). Die frühen Grundlagen der Marketingforschung lei-ten sich aus neoklassischen Modellen der Volkswirtschaftslehre ab (Marshall 1927; Shaw 1912; Smith 1904). Entsprechend konzentrierte sich die Forschung ursprüng-lich auf den Austausch von Produkten (Copeland 1923) und die Funktionen des Mar-ketings im Kontext einer optimalen Produktion und Verteilung (Cherington 1920; Weld 1916). In den 1950er Jahren diffundierten diese Vorarbeiten in die Marketing Management Forschung (Drucker 1954; Levitt 1960). Kernaufgabe des Marketings ist hier die Befriedigung von Kundenbedürfnissen. Dies geschieht über die Definition eines Zielmarktes und die Optimierung der Marketinginstrumente im Sinne des Mar-keting-Mix bzw. der 4 P´s (Product, Price, Place, Promotion) (Kotler 1967; McCarthy 1960; McKitterick 1957). Die theoretischen Grundvorstellungen der neoklassischen Mikroökonomie bleiben dabei erhalten. Anbieter und Kunden sind konzeptionell deut-lich voneinander getrennt. Marketing ist als Optimierung eines Entscheidungsprob-lems in Bezug auf die Ausrichtung des Marketing-Mix zu verstehen.

Seit den 1980er Jahren entstanden in verschiedenen Teilbereichen der Marketing-forschung neue Ansätze, die deutlich über das Marketing Management und die An-bindung an neoklassische Grundlagen hinausgehen. Derartige Ansätze werden heu-te unter Stichworten wie ´Relationship Marketing´, ´Service Marketing´,´Marktorientierung´ oder ´Customer Value´ diskutiert (Belz/Bieger 2006; Hom-burg/Pflesser 2000; Kohli/Jaworski 1990; Palmatier 2008; Shah et al. 2006; Shostack 1977).

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Die Ausgangspunkte und Grundpositionen dieser Konzepte sind unterschiedlich, je-doch lassen sich einige Gemeinsamkeiten in folgenden Überlegungen ausmachen. Kunden können einen Mehrwert erwarten, wenn die Leistungen eines Anbieters zur Lösung von Bedürfnissen auf Kundenseite beitragen (Esch et al. 2008, 222). Der Kundenvorteil definiert sich dabei durch den wahrgenommenen Mehrnutzen für den Kunden aus der Leistung eines spezifisch ausgewählten Anbieters. Damit bezieht sich das Konstrukt auf den relativen Mehrwert des Kunden aus der Wahl des besten Angebots (Belz 2006, 2; Belz/Bieger 2006, 84; Matzler 2000, 293). Um Kunden-lösungen zu fördern, haben viele Unternehmen in den letzten Jahren entsprechende Initiativen umgesetzt (Belz 1998, 228). Besonders in der Service- und Investitions-güterindustrie sind aus einer Business-to-Business Perspektive verstärkt lösungs-orientierte Marketing- und Vertriebsstrategien zu beobachten (Bosworth 1995, 10; Eades 2003, 5; Eades/Kear 2006, 8). Wirksame Kundenlösungen setzen jedoch voraus, dass die Wertschöpfungslogik anbietender Unternehmen auf den Kunden ausgerichtet ist (Belz et al. 2000, 69). Der Ausgangspunkt der Lösungsentwicklung ist das Kundenproblem. Daher muss der Kunde intensiv in den Wertschöpfungs-prozess integriert werden. Kunden agieren in dieser Logik nicht mehr als reine Kon-sumenten, sondern nehmen die Rolle eines aktiven Mitgestalters der eigenen Lösung ein (Lusch et al. 1992, 119; Normann/Ramirez 1993, 65; Oliver et al. 1998, 28; Prahalad/Ramaswamy 2000, 79). Über den Kunden hinaus müssen Lösungs-anbieter häufig frühzeitig weitere Wertschöpfungspartner in den Entwicklungsprozess einbinden, da heute kaum noch ein Unternehmen für sich alleine in der Lage ist, komplexe Kundenanforderungen aus einer Hand zu bedienen (Belz 1999, 2; Belz et al. 2000, 70; Bieger/Rüegg-Stürm 2002, 193; Schögel et al. 1999, 10).

Aus der Sicht eines Anbieters ist die Gestaltung wirksamer Kundenlösungen daher keineswegs trivial. Die erforderlichen Investitionen und Risiken sind nicht zu unter-schätzen. Als Gegenleistung werden verbesserte Kundenbeziehungen und Differen-zierungschancen erwartet. Die Kundenloyalität kann sich durch Kundenlösungen erweitern und Anbieter sind in der Lage, über ein Preispremium Rentabilitätsvorteile zu erzielen.

Grundsätzlich lassen sich die Merkmale der skizzierten Ansätze grob in drei Schwer-punkten zusammenfassen:

Die Rollen von Kunden und Anbietern sind im Wertschöpfungsprozess nicht eindeutig abgegrenzt. Kunden werden als Mitgestalter von Lösungen bzw. als Wertschöpfungspartner gesehen (Belz 1998, 270; Mohr 1996, 103; Prahalad 2000, 79; Vargo/Lusch 2004, 10).

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Die Gestaltung optimaler Kundenlösungen kann nicht als internes Entschei-dungsproblem des Anbieters konzeptualisiert werden. Kundenlösungen sind das Ergebnis relationaler Austauschbeziehungen zwischen den Wertschöp-fungspartnern (Belz 1998b, 23; Dwyer et al. 1987, 11; Tuli et al. 2007, 1).

Auf Grund der Bedeutung relationaler Austauschbeziehungen gewinnen Fragen der Kooperation und das Management von Geschäftsbeziehungen zunehmen-de Bedeutung (Belz 2002, 123). Wettbewerbsvorteile werden heute über-wiegend durch die Entwicklung und Gestaltung überlegener Beziehungsstrate-gien generiert (Morgan/Hunt 1994, 20).

Nachfolgend kann und soll nicht auf alle relevanten Aspekte des skizzierten Para-digmenwechsels eingegangen werden. Die weiteren Ausführungen werden sich auf das Relationship Marketing konzentrieren, da die meisten Untersuchungen zur Ver-trauensdynamik in Kundenbeziehungen dieser Forschungsrichtung zuzuordnen sind.

Unter der Bezeichnung “Relationship Marketing“ werden seit den späten 1980er Jah-ren Forschungen zur Beschreibung, Erklärung und Gestaltung von Beziehungen im Marketing subsumiert. Dabei sind inzwischen unterschiedliche Ausprägungen der Relationship Marketing Forschung entstanden. Grundlegend für die Konstituierung des Forschungsgebietes ist jedoch die Unterscheidung zwischen diskreten Trans-aktionen und relationalen Austauschbeziehungen bzw. die theoretische Fundierung in der Transaktionskosten- und Relational-Contracting-Theorie (Williamson 1975, Macneil 1980). Daher werden zunächst die wesentlichen Merkmale der beiden Inter-aktionsformen skizziert. Auf dieser Grundlage kann der aktuelle Stand der Forschung zusammengefasst und in Bezug auf die Forschungsfragen dieser Dissertation inter-pretiert werden.

2.2. Diskrete Transaktionen versus Relationaler Austausch

Für die theoretische Begründung der Relationship Marketing Forschung ist die Quali-tät der Interaktion zwischen Anbietern und Kunden wesentlich. Dabei macht es im Sinne der Relational-Contracting-Theorie einen Unterschied, ob der Kontakt zwi-schen Anbietern und Kunden durch eine diskrete Transaktion oder eine langfristige bzw. kontinuierliche Zusammenarbeit geprägt ist (Boutellier/Wagner 1999, 44; Mac-neil 1978, 1980). Die wesentlichen Unterschiede zwischen diskreten Trans-aktionen und relationalen Austauschbeziehungen sind in Tabelle 1 nach Dwyer et al. (1987, 13) skizziert.

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Characteristics Discrete Transactions Relational Exchange

Timing ofexchange

Distinct beginning, short dura-tion, and sharp ending by per-formance

Exchange is longer in duration, reflecting an ongoing process

Number of parties Two parties Often more than two parties involved in the process and governance of exchange

Social interaction, communication

Minimal personal relationships; ritual-like communications pre-dominate

Important personal, noneconomic satisfaction derived; formal and in-formal communications

Transferability Complete transferability, it matters not who fulfills con-tractual obligation

Limited transferability; exchange is heavily dependent on the identity of the parties

Cooperation No joint efforts; primary focus on the substance of exchange; no future is anticipated

Joint efforts related to both planning and performance; significant focus on the process of exchange

Division of benefits and burdens

Sharp division of benefits and burdens into parcels; exclusive allocation to parties

Likely to include some sharing of benefits and burdens

Power Power may be exercised when promises are made until prom-ises are executed

Increased interdependence increases the importance of judicious applica-tion of power in the exchange

Tab. 1: Diskrete Transaktionen versus relationaler Austausch nach Dwyer et al. (1987)

Diskrete Transaktionen zeichnen sich durch ihre zeitliche Begrenztheit und die Ab-straktion von jeder Form von Beziehung aus. Personen- oder unternehmensbezo-gene Beziehungsfaktoren werden vollständig ausgeblendet und die Kommunikation ist auf das Notwendige reduziert. Daher haben diskrete Transaktionen auch nicht den Charakter einer Kooperation. Prinzipiell geht es um den Austausch von Produk-ten gegen Geld. Ausführungen von Macneil (1980, 60) zeigen, dass vollständig dis-krete Transaktionen in der Realität so gut wie nie vorkommen. Relationale Effekte lassen sich bei fast allen Austauschprozessen beschreiben. Dwyer et al. (1987, 12) bieten zur Verdeutlichung des Abstraktionsniveaus ein Beispiel für diskrete Trans-aktionen an:

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“A one-time purchase of unbranded gasoline out-of-town at an inde-pendent station paid for with cash approximates a discrete transaction.”

Die Theorie diskreter Transaktionen bildet daher die Realität von Austauschbezie-hungen in der Unternehmenspraxis schlecht ab. Dennoch basierte die Marketing-theorie bis in die 1980er Jahre auf den in Tabelle 1 skizzierten Grundannahmen dis-kreter Transaktionen (Dwyer et al. 1987, 11). Fragen der Entstehung, Entwicklung und Aufrechterhaltung von Kundenbeziehungen blieben weitgehend ausgeblendet. Dies ist bedauerlich, da sich die Dynamik relationaler Austauschbeziehungen funda-mental von diskreten Transaktionen unterscheidet.

Nach Macneil (1978, 1980) ist bei relationalen Austauschbeziehungen v.a. die konti-nuierliche Reproduktion von Interaktionen wesentlich. Jede einzelne Interaktion ist als Produkt aus Historie und antizipierter Zukunft zu werten. Die wechselseitigen An-nahmen und Erwartungen der Parteien bilden die Grundlage für weitere Inter-aktionen. Dadurch werden soziale Beziehungen konstituiert, die sich durch verschie-dene Merkmale von diskreten Transaktionen unterscheiden (Holm et al. 1996, 1035). So ist davon auszugehen, dass soziale Beziehungen nur dann gepflegt werden, wenn aus Sicht der beteiligten Parteien ein Kooperationsmehrwert entsteht. Darüber hinaus spielen informelle Transaktionen eine erhebliche Rolle. Spezifische Aspekte der Kooperation sind durch formale Transaktionen geregelt, insbesondere bei Un-sicherheiten und in Konflikten steht jedoch der informelle Austausch im Vordergrund (Axelrod 1984; Granovetter 1985).

Vertrauen ist grundsätzlich eine wesentliche Ressource relationaler Austauschbe-ziehungen. Die wesentliche Funktion von Vertrauen besteht in der Reduktion von Komplexität (Luhmann 2000, 27). In der Praxis können nicht kontinuierlich alle Un-sicherheiten sozialer Beziehungen geklärt werden. Anbieter und Kunden müssen sich in gewisser Weise aufeinander verlassen, wenn sie gemeinsam Kooperations-vorteile generieren wollen. Durch Vertrauen wird die in relationalen Austauschbe-ziehungen immanente Komplexität und Unsicherheit kompensiert. Vertrauen bein-haltet daher einen bewussten Informationsverzicht (Platzköter 1990), der auch mit Risiken verbunden ist.

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2.3. Relationship Marketing: Abgrenzung des Forschungsgebiets

Auf Basis der Annahmen zur Dynamik relationaler Beziehungen sind im Zeitverlauf unterschiedliche Ausprägungen des Relationship Marketing entstanden. Grundsätz-lich thematisiert das Forschungsgebiet die Rolle von Beziehungen in Austauschpro-zessen. Nach Palmatier (2008, 3) können drei Aspekte zur differenzierteren Analyse der Relationship Marketing Forschung herangezogen werden:

Ein wesentlicher Aspekt bezieht sich auf die Gestaltung von Strategien in Be-zug auf den Lebenszyklus von Beziehungen. Die Entwicklung von Beziehungen ist als dynamischer Prozess aufzufassen, der durch typische Stufen gekenn-zeichnet ist. Die Anzahl der Stufen wird dabei teilweise unterschiedlich kon-zeptualisiert. Die Mehrheit der Relationship Marketing Konzepte geht jedoch von den vier Stufen Identifikation (Identifying), Entwicklung (Developing), Er-haltung (Maintaining) und Beendigung (Terminating) aus (Grönroos 1997, 47). Dabei ist zu unterstellen, dass sich die Strategien und Beziehungsdynamiken je Stufe unterscheiden (Dwyer/Oh 1987, 347; Wilson 1995, 335).

Ein zweiter Aspekt bezieht sich auf die Zielgruppe des Relationship Marketing. Während einige Ansätze ausschließlich den Kunden als relevant betrachten (Berry 1983, 25; Sheth/Parvatiyar 2000), inkludieren viele Untersuchungen alle Stakeholder in die Zielgruppe (Grönroos 1997, 407; Rindfleisch/Moormann 2003, 421; Sivadas/Dwyer 2000, 31). Die ganzheitliche Sichtweise gewinnt zu-nehmend an Bedeutung, da davon auszugehen ist, dass sich die Beziehungs-dynamik bei unterschiedlichen Zielgruppen nicht wesentlich unterscheidet.

Schließlich unterscheiden sich Relationship Marketing Konzepte durch alterna-tive Erfolgsperspektiven. Zum Teil steht zur Diskussion, dass alle beteiligten Parteien von der Anwendung entsprechender Konzepte profitieren müssen (Morgan/Hunt 1994, 20). Dagegen fokussieren andere Ansätze überwiegend auf den Erfolg der Partei, die Relationship Marketing Konzepte pro-aktiv um-setzt. Obwohl im Idealfall alle Erfolgsperspektiven relevant sind, sollte nach Palmatier (2008, 5) überwiegend der Erfolg der umsetzenden Partei bedient werden:

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“Thus, though relationship marketing entails cooperation and co-value creation with a long-term perspective – rather than a short-term, trans-action, manipulation, or competitive focus – it is initiated for the ultimate long-term gain of the implementer.“

In Tabelle 2 sind einige Definitionen des Begriffs Relationship Marketing sowie eine Einordnung der entsprechenden Arbeiten in die skizzierten Kategorien dargestellt. Mit Palmatier (2008, 5) soll damit die folgende Definition für die vorliegende Disser-tation verwendet werden:

“Relationship Marketing (RM) is the process of identifying, developing, maintaining, and terminating relational exchanges with the purpose of en-hancing performance”.

Auf Basis dieser Definition kann der aktuelle Stand der Relationship Marketing For-schung anhand der folgenden drei Fragestellungen skizziert werden:

Welche Beziehungsstrategien sind in Bezug auf die Entwicklungund Erhaltung von (Kunden-)Beziehungen besonders effektiv? (siehe Absatz 2.4.)

Welche Performanceindikatoren werden am stärksten durchdie Beziehungsqualität beeinflusst? (siehe Absatz 2.5.)

Wie kann Beziehungsqualität sinnvoll operationalisiert werden?Welche Rolle spielt das Konstrukt Vertrauen als Operationalisierungder Beziehungsqualität in der aktuellen Forschung? (siehe Absatz 2.6.)

Welche Kontextfaktoren moderieren die Wirkung von Relationship Marketing Programmen? (Absatz 2.7.)

Nach der grundlegenden Beschreibung relationaler Austauschbeziehungen (Dwyer et al. 1987) und der Einführung von Vertrauen und Commitment als Mediatorvariable durch Morgan und Hunt (1994) wurden in diversen Untersuchungen alternative Be-ziehungsstrategien (= Prädiktorvariablen), Ausprägungen der Beziehungsqualität (= Mediatorvariablen) und Performanceindikatoren (= Zielvariablen) untersucht (De Wulf et al. 2001; Doney/Cannon 1997; Gruen et al. 2000; Jap/Ganesan 2000; Kumar et al. 1995; Sirdeshmukh et al. 2002). Die Ergebnisse der einzelnen Arbeiten zeigen in Bezug auf Signifikanz und Stärke der unterstellten Beziehungen teilweise unter-schiedliche Resultate.

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Tab. 2-1: Relationship Marketing Definitionen nach Palmatier (2008)

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Tab.2-2: Relationship Marketing Definitionen nach Palmatier (2008)

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Diese Unterschiede wurden von Palmatier et al. (2006) im Rahmen einer Meta-Analyse untersucht. Dafür war es zunächst erforderlich, die Anzahl der möglichen Konstrukte zu reduzieren. Auf Basis der Analyse früherer Beiträge lässt sich zeigen, dass teilweise Konstrukte unter verschiedenen Bezeichnungen, jedoch mit gleicher Operationalisierung verwendet werden (z.B. Kommunikation und Informations-austausch; Expertise und Kompetenz) (Palmatier et al. 2006, 137). Entsprechende Überschneidungen hat die Meta-Analyse ex ante bereinigt. Darüber hinaus berück-sichtigte die Untersuchung lediglich Konstrukte, für die in mindestens zehn For-schungsarbeiten empirisch signifikante Effekte nachweisbar waren. Das aus diesen Vorarbeiten abgeleitete Forschungsmodell mit 18 Konstrukten ist in Abb.10 darge-stellt. Die Konstrukte, Definitionen und Quellen sind im Detail in Tabelle 3 aufgeführt.

Palmatier et al. (2006) haben im Rahmen ihrer Meta-Analyse über 100 wissenschaft-liche Arbeiten aus dem Gebiet des Relationship Marketing einbezogen. In über 95% der analysierten Untersuchungen lagen die Ausgangsdaten in Form von Korrela-tionsmatrizen vor. Die integrierte Analyse war daher auf der Ebene von Korrelations-beziehungen durchzuführen. Schließlich standen 637 Korrelationen aus 111 unab-hängigen Stichproben für die Meta-Analyse zur Verfügung (Palmatier et al. 2006, 141).

2.4. Bedingungen relationaler Austauschbeziehungen

Eine der Grundfragen der RM Forschung bezieht sich auf die Effektivität von Bezie-hungsstrategien bzw. auf die Frage, welche Bedingungen in Bezug auf die Entwick-lung und Erhaltung von (Kunden-)Beziehungen besonders wirksam sind (Palmatier et al. 2008, 93). Palmatier et al. (2006, 137) unterscheiden zwischen kundenfokus-sierten, verkäuferfokussierten und dyadischen Beziehungsstrategien. Der konzep-tionelle Unterschied zwischen diesen drei Kategorien bleibt undeutlich, ist jedoch für die weiteren Ausführungen nicht relevant. Danach werden “Vorteile aus der Bezie-hung“ und “Abhängigkeit des Kunden“ als kundenfokussierte Bedingungen model-liert. Kunden, die Vorteile aus einer Verkäuferbeziehung erhalten (z.B. Kostensen-kungen, Zeiteinsparungen, Zufriedenheit, etc.) verfügen über eine positive Ein-stellung zur Fortsetzung der Beziehung. Dies ist als Grundvoraussetzung für die Entwicklung einer hohen Beziehungsqualität interpretierbar (Morgan/Hunt 1994, 23; Reynolds/Beatty 1999, 11). Soweit darüber hinaus die spezifischen Leistungen eines Verkäufers nicht oder nur durch hohen Mehraufwand substituierbar sind, entsteht auf Kundenseite eine gewisse Abhängigkeit.

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Abb.10: Relational Mediator Meta-Analytic Framework nach Palmatier et al. (2006)

In früheren Untersuchungen konnte hinsichtlich der Abhängigkeit des Kunden von einem spezifischen Verkäufer sowohl ein positiver Effekt (Morgan/Hunt 1994, 29; Hibbard et al. 2001, 55), als auch eine negative Wirkung auf die Beziehungsqualität nachgewiesen werden (Anderson/Weitz 1989, 320). Offensichtlich ist die Wirkung dieser Abhängigkeitsbeziehung kontextabhängig (Palmatier et al. 2006, 140).

Über die beiden skizzierten Variablen hinaus werden “Investitionen in die Beziehung“und “Expertise des Verkäufers“ als verkäuferfokussierte Beziehungsstrategien mo-delliert. Verkäufer können Zeit und andere Ressourcen in die Entwicklung einer Kun-denbeziehung investieren. Derartige Investitionen bewirken auf Kundenseite häufig ein Bedürfnis nach Gegenleistung und können reziproke Investitionen fördern (An-derson/Weiz 1989, 321; Ganesan 1994, 12).

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Das Konstrukt Expertise reflektiert die Erfahrung, fachliche Fähigkeit und Branchen-kenntnis eines Verkäufers. Aus Kundensicht werden offensichtlich Verkäufer mit hoher Expertise bevorzugt. Folglich hat die vorhandene Expertise einen positiven Einfluss auf die Beziehungsqualität (Crosby et al. 1990, 69; Lagace et al. 1991, 39).

Schließlich werden von Palmatier et al. (2006, 140) in Gestalt der Konstrukte “Kom-munikation“, “Gemeinsamkeiten“, “Beziehungsdauer“, “Interaktionshäufigkeit“ und “Konflikte“ dyadische Beziehungsstrategien berücksichtigt. Dabei bezieht sich das Konstrukt Kommunikation auf Umfang, Frequenz und Qualität der zwischen Verkäu-fer und Kunde geteilten Informationen (Mohr et al. 1996, 103). Grundsätzlich hat eine hohe Qualität der Kommunikation positive Effekte auf die Beziehungsqualität. Durch Kommunikation ist es beispielsweise möglich, gemeinsame Ziele zu entwickeln oder Konflikte frühzeitig zu erkennen. Daher ist allgemein von einer positiven Wirkung von Kommunikation auf Vertrauen auszugehen (Morgan/Hunt 1994, 29). Gemeinsam-keiten zwischen Anbieter und Kunde können diesen Effekt noch verstärken. Soweit Verkäufer über Ähnlichkeiten mit ihren Kunden verfügen, beispielsweise in Bezug auf Auftreten, Status oder Historie, kann dies für die Beziehungsdynamik förderlich sein (Crosby et al. 1990, 71). Gleiches gilt für Gemeinsamkeiten auf organisationaler Ebene, z.B. mit Hinblick auf Kultur, Ziele und Prozesse der beteiligten Unternehmen (Doney/Cannon 1997, 39).

Mit den Konstrukten Beziehungsdauer und Interaktionshäufigkeit thematisieren Pal-matier et al. (2006, 140) zwei eher formale Konstrukte und ihre Wirkungen auf die Beziehungsqualität. Die Beziehungsdauer bezieht sich auf die bisherige Dauer der Beziehung zwischen Anbieter und Kunde. Dagegen fokussiert das Konstrukt Inter-aktionshäufigkeit die Menge an Interaktionen zwischen Anbieter und Kunden pro Zeiteinheit. Beide Faktoren wirken sich grundsätzlich positiv auf die Qualität der Be-ziehung aus, da sich das gegenseitige Verständnis durch häufige bzw. langfristige Kontakte stimulieren lässt (Anderson/Weitz 1989, 311; Doney/Cannon 1997, 39).

Durch die Berücksichtigung von Konflikten ist auch eine negative Prädiktorvariable in das Forschungsmodell integriert (Palmatier et al. 2006, 140). Konflikte drücken sich in unterschiedlichen Sichtweisen zwischen den beteiligten Parteien aus. Zudem wer-den die Perspektiven sowie das darauf basierende Verhalten der jeweils anderen Partei als Einschränkung der eigenen Entwicklung wahrgenommen (Glasl 2004, 10). Konflikte haben daher einen negativen Einfluss auf die Beziehungsqualität.

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Commitment An enduring desire to maintain a valued relationship

Anderson/Weitz 1992; Jap/ Ganesan 2000; Moorman et al. 1992; Morgan/Hunt 1994

Trust Confidence in an exchange partner´s reliability and integrity

Doney/Cannon 1997; Hibbard et al. 2001; Sirdeshmukh et al. 2002

Relationshipsatisfaction

Customer´s affective or emotional state toward a relationship

Crosby et al. 1990; Reynolds/Beatty 1999

Relationshipquality

Overall assessment of the strength of a relationship

Crosby et al. 1990; De Wulf et al. 2001

Ant

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Relationshipbenefits

Benefits received, including time saving, convenience, companionship, improved decision making

Hennig-Thurau et al. 2002; Morgan/Hunt 1994; Reynolds/Beatty 1999

Dependence on seller

Customer´s evaluation of the value of seller-provided resources for which few alternatives are available

Hibbard et al. 2001; Morgan/Hunt 1994

Relationshipinvestment

Seller´s investment of time, effort, spend-ing, and resources focused on building a stronger relationship

De Wulf et al. 2001;Ganesan 1994

Sellerexpertise

Knowledge, experience, and overall competency of a seller

Crosby et al. 1990; Lagace et al. 1991

Communi-cation

Amount, frequency, and quality of information shared between exchange partners

Anderson/Weitz 1992; Mohr et al. 1996; Morgan/Hunt 1994

Similarity Commonality in appearance, lifestyle, and status between individual boundary span-ners or similarities between organizations

Crosby et al. 1990; Doney/Cannon 1997; Morgan/Hunt 1994

Relationshipduration

Length of time that the relationship be-tween the exchange partners has existed

Anderson/Weitz 1989; Doney/ Cannon 1997; Kumar et al. 1995

Interaction frequency

Number of interactions per unit of time between exchange partners

Crosby et al. 1990; Doney/Cannon 1997

Conflict Overall level of disagreement between exchange partners

Anderson/Weitz 1992; Kumar et al. 1995

Tab.3-1: Untersuchte Konstrukte der Meta-Analyse nach Palmatier et al. (2006, 138)

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Constructs Definitions Representative Papers

Out

com

es

Expectationof continuity

Customer´s intention to maintain the relationship in the future

Crosby et al. 1990; Doney/Cannon 1997

Word of mouth

Likelihood of a customer positively referring the seller to another potential customer

Hennig-Thurau et al. 2002; Reynolds/Beatty 1999

Customer loyalty

Composite or multidimensional construct combining different groupings of inten-tions, attitudes, and seller performance indicators

De Wulf et al. 2001;Hennig-Thurau et al. 2002; Sirdeshmukh et al. 2002

Sellerobjective performance

Actual seller performance enhancements including sales, share of wallet, profit per-formance, and other measurable changes to the seller´s business

Reynolds/Beatty 1999; Siguaw et al. 1998

Cooperation Coordinated and complementary actions between exchange partners

Anderson/Narus 1990; Morgan/Hunt 1994

Tab.3-2: Untersuchte Konstrukte der Meta-Analyse nach Palmatier et al. (2006, 138)

Hinsichtlich der Stärke des Zusammenhangs zwischen den genannten Einflussfak-toren und der Qualität von Kundenbeziehungen zeigt sich, dass Konflikte die absolut stärkste (und negative) Wirkung auf Kundenbeziehungen entfalten (r = -.67). Das Ergebnis ist konsistent zu theoretischen Überlegungen. Kunden neigen im Vergleich zwischen positiven und negativen Einflussfaktoren zu einer Überbewertung der Negativperspektive (Shiv et al. 1997, 293). Dies lässt sich auch auf das Konstrukt Vertrauen übertragen. Der Aufbau von Vertrauen über positive Impulse ist ein lang-fristiges Unterfangen, während vorhandenes Vertrauen oft bereits durch eine einzige Intervention zerstörbar ist (Neuberger 2006, 20). Die stärksten positiven Einflussfak-toren auf die Beziehungsqualität liegen in der Expertise (r = .62) und Kommunikation (r = .54) des Anbieters. Daraus leiten Palmatier et al. (2006, 150) die Notwendigkeit einer Professionalisierung der Personalauswahl und Personalentwicklung in Marke-ting und Vertrieb ab. Über Expertise und Kommunikation hinaus zeigen sich in den Faktoren Beziehungsinvestitionen (r = .46), Gemeinsamkeiten (r = .44) und Bezie-hungsvorteilen (r = .42) weitere relevante Beziehungsstrategien. Die weiteren drei Bedingungen Interaktionshäufigkeit (r = .16), Abhängigkeit des Kunden (r = .26) und Beziehungsdauer (r = .13) verfügen hingegen nur über eine schwache Korrelation zur Beziehungsqualität.

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2.5. Auswirkungen relationaler Austauschbeziehungen

In Tabelle 3 sind neben den Bedingungen relationaler Austauschbeziehungen auch die wesentlichen Auswirkungen für Anbieter und Kunden dargestellt. Dies adressiert die Frage, welche Performanceindikatoren am stärksten einer Beeinflussung durch die Beziehungsqualität bzw. durch unterschiedliche Indikatoren der Beziehungsquali-tät unterliegen. Palmatier et al. (2006, 140) unterscheiden kunden- und anbieterbe-zogene Auswirkungen sowie Auswirkungen die gleichzeitig beide Parteien tangieren.

Auf Kundenseite reflektiert sich eine hohe Beziehungsqualität zunächst in der Moti-vation des Kunden für eine Weiterführung der spezifischen Beziehung mit einem An-bieter (Crosby et al. 1990, 71; Doney/Cannon 1997,41). Teilweise lässt sich die Interpretation dieses Konstrukts als Auswirkung einer hohen Beziehungsqualität kriti-sieren, da die Absicht des Kunden zur Weiterführung einer Anbieterbeziehung auch auf hohe Wechselkosten zurückgeführt werden kann (Oliver 1999, 33). Insofern muss das Commitment zu einer bestehenden Beziehung nicht ausschließlich auf Vertrauenseffekten basieren.

Teilweise fokussieren die vorliegenden Untersuchungen zu den Auswirkungen der Beziehungsqualität daher auf andere Zielkonstrukte. Dies führt beispielsweise zur Evaluation der Implikationen von Vertrauen auf die pro-aktive Weiterempfehlung eines Anbieters durch einen Kunden (Word of Mouth). Die Vorteile einer derartigen Konzeptualisierung liegen in der Abbildung intentionaler und verhaltensorientierter Loyalitätsdimensionen (Bolton 1998, 45; Macintosh/Lockshin 1997, 487; Sharp/Sharp 1997, 473). In pro-aktiven Weiterempfehlungen drückt sich die Kundenloyalität nicht nur mental, sondern darüber hinaus auch auf Verhaltensebene aus (De Wulf et al. 2001, 37). Schließlich lässt sich die Kundenloyalität selbst auch als multidimensiona-les Konstrukt in unterschiedlichen Ausprägungen als Auswirkung einer hohen Bezie-hungsqualität bestätigen (Sirdeshmukh et al. 2002, 20; Zeithaml et al. 1996, 31).

Aus Anbietersicht sind grundsätzlich auch die Auswirkungen der Beziehungsqualität (= Vertrauen, Commitment, etc.) auf objektive Performancekriterien relevant. Als Maßstab für die Anbieterperformance lassen sich unterschiedliche Kriterien heran-ziehen, beispielsweise die Verkaufseffektivität (= Kosten pro zusätzlich verkaufter Einheit) (Crosby et al. 1990, 70), die Zufriedenheit des Anbieters mit seiner finanziel-len Performance (Siguaw et al. 1998; 104) oder die Profitabilität von Beziehungen (Holm et al. 1996, 1039). Insgesamt sind die Ergebnisse mit Hinblick auf die Signifi-kanz der Beziehungsqualität für objektive Kriterien der Anbieterperformance jedoch uneinheitlich.

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Dies führt zu der Hypothese, dass sich Faktoren wie Vertrauen und Commitment unter spezifischen Kontextbedingungen stärker bzw. schwächer auf objektive Per-formanceindikatoren auswirken. Offensichtlich lässt sich der Zusammenhang zwi-schen Beziehungsqualität und Performance nicht linear darstellen. Die Beziehung unterliegt vielmehr einer Moderation durch spezifische Kontextvariablen (Palmatier et al. 2006, 140).

Schließlich lässt sich aus dyadischer Sicht der Einfluss der Kundenbeziehung auf die Qualität der Kooperation zwischen Anbieter und Kunde modellieren. Unter Koopera-tion verstehen Morgan und Hunt (1994, 26) den Umfang an koordinierten und kom-plementären Aktivitäten zwischen den beteiligten Parteien. Eine hohe Kooperations-qualität ist für die Umsetzung gemeinsamer Ziele wesentlich (Anderson/Narus 1990, 42). Die Fähigkeit zur Entwicklung, Gestaltung und Umsetzung effektiver Koopera-tionen basiert auf der relationalen Kompetenz der Kooperationspartner. Derartige Kompetenzen induzieren schwer imitierbare Wettbewerbsvorteile und verfügen ent-sprechend über eine hohe Bedeutung für den Unternehmenserfolg (Capaldo 2007, 585).

In Bezug auf die Stärke des Zusammenhangs zwischen der Beziehungsqualität und den skizzierten Performanceindikatoren zeigen sich auf Basis der Meta-Analyse von Palmatier et al. (2006, 147) die stärksten Effekte bei der Kooperationsqualität (r = .70) und der pro-aktiven Weiterempfehlung durch Kunden (Word of Mouth) (r = .61). Danach folgen die Auswirkungen auf die Kundenloyalität (r = 0.52) und die Absicht der Kunden mit Hinblick auf eine Weiterführung der Anbieterbeziehung (r = .56). Hin-sichtlich der objektiven Anbieterperformance zeigt die Meta-Analyse nur einen schwachen Zusammenhang (r = .35).

Offensichtlich ist die Performance eines Anbieters nicht nur durch die Qualität der Kundenbeziehungen, sondern wesentlich auch durch andere Faktoren bestimmt (z.B. durch die Qualität eigener Leistungen). Daher zeigen sich die Auswirkungen starker Kundenbeziehungen v.a. in beziehungsnahen Konstrukten wie Kooperation und Loyalität (Palmatier et al. 2006, 147). Die Effekte der Beziehungsqualität auf die finanzielle Performance entfalten sich eher mittel- bis langfristig und nur unter spezi-fischen Rahmenbedingungen.

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2.6. Konstrukte der Beziehungsqualität

Für die Operationalisierung der Beziehungsqualität ziehen unterschiedliche Beiträge der Relationship Marketing Forschung jeweils verschiedene Konstrukte heran. Dies induziert die Frage, welche Operationalisierung sinnvoll ist bzw. welche Rolle das Konstrukt Vertrauen als Variante der Beziehungsqualität in der aktuellen Marketing-forschung spielt.

Commitment und Vertrauen sind die bisher am stärksten untersuchten Operation-alisierungen der Beziehungsqualität (Palmatier et al. 2006, 139). Die Konstrukte wer-den in der Marketingforschung wie folgt definiert:

“Commitment is an enduring desire to maintain a valued relationship (Moorman et al. 1992, 316)”

Trust is the confidence in an exchange partner´s reliability and integrity(Morgan/Hunt 1994, 23)”

Über die reine Definition hinaus zeigen die beiden Konstrukte konzeptionelle Unter-schiede. Commitment ist prinzipiell an eine bestehende Kundenbeziehung gebun-den, d.h. Commitment kann erst entstehen, wenn eine Kundenbeziehung existiert und von Kundenseite eine positive Bewertung erfährt. Damit ist Commitment in Be-zug auf das skizzierte Phasenkonzept des Relationship Marketing (Identifying, Deve-loping, Maintaining, Terminating) auf die letzten beiden Phasen begrenzt. Dies führt zu relevanten Implikationen in Bezug auf die Bewertung der beiden Beziehungskon-strukte. Beispielsweise konzeptualisieren Morgan und Hunt (1994, 22) Commitment als Auswirkung von Vertrauen. Soweit kein Vertrauen vorhanden ist, kann das Com-mitment zu einer Beziehung nur durch hohe Wechselkosten oder überproportionale Beziehungsvorteile gehalten werden. Produktives Commitment basiert in dieser De-finition auf Vertrauen. Die Bedeutung von Vertrauen ist daher auch nicht an spezifi-sche Phasen im Lebenszyklus einer Beziehung gebunden. Im Gegenteil sind Fragen des Vertrauens in der Regel bereits im Frühstadium einer neuen Kundenbeziehung relevant. Darüber hinaus verfügt Vertrauen auch in den Folgephasen einer Kunden-beziehung über eine hohe Bedeutung. Ohne ausreichende Vertrauensgrundlage ist kein langfristiges Commitment möglich. Commitment kann sich kurz- bis mittelfristig aus taktischen Beziehungsvorteilen und -nachteilen ergeben (z.B. schlechte Substituierbarkeit). Langfristiges Commitment setzt jedoch Vertrauen voraus.

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Auf Grund der skizzierten Unterschiede liegen in der Relationship Marketing For-schung Untersuchungen zu beiden Konstrukten vor. So bevorzugen beispielsweise Berry (1996, 42) und Spekman (1988, 79) das Konstrukt Vertrauen, während Gundlach et al. (1995, 78) Commitment als zentrales Konstrukt betrachtet. Morganund Hunt (1994, 22) verwenden wie skizziert beide Konstrukte gemeinsam in einem integrierten Forschungsmodell. Darüber hinaus gibt es auch Ansätze, die Bezie-hungsqualität selbst als multidimensionales Konstrukt modellieren (Crosby et al. 1990, 70; De Wulf et al. 2001, 35). Dieser Konzeptualisierung basiert auf der Über-legung, dass Faktoren wie Vertrauen und Commitment nur einzelne Teilbereiche der Beziehungsqualität erfassen. Ein differenziertes Konstrukt kann daher nicht alle Fa-cetten der Beziehungsqualität abbilden (Johnson 1999, 6). Folglich erfasst eine multidimensionale Modellierung alle potentiellen Facetten der Beziehungsqualität. Kritisch bleibt jedoch anzumerken, dass die damit verbundene Erweiterung des Ab-straktionsniveaus mit konzeptionellen Nachteilen verbunden ist. Dabei leidet beson-ders die Trennschärfe bei der Erklärung relationaler Austauschprozesse. Vertrauen und Commitment sind de facto unterschiedliche Konstrukte der Beziehungsqualität mit spezifischen Funktionen. Eine Integration dieser Konzepte in ein einziges Kon-strukt führt möglicherweise zu Vorteilen in Bezug auf die empirische Untersuchbarkeit des Phänomens, vermindert jedoch die Aussagekraft entsprechen-der Analysen.

Die Ergebnisse der Meta-Analyse von Palmatier et al. (2006) sind in Bezug auf eine Bewertung der Eignung alternativer Konstrukte der Beziehungsqualität wenig aus-sagekräftig. Immerhin lassen sich gewisse Schwerpunkte bei den Effekten von den Beziehungsstrategien zur Beziehungsqualität und von der Beziehungsqualität zu den Performanceindikatoren identifizieren (Palmatier et al. 2006, 144). Grundsätzlich soll-te sich die Entscheidung zwischen alternativen Operationalisierungen der Bezie-hungsqualität jedoch von den konzeptionellen Unterschieden und den jeweiligen Untersuchungszielen leiten lassen. Vertrauen ist das abstraktere Konstrukt, Com-mitment immer an die Existenz einer aktuellen Kundenbeziehung gebunden. Die Be-ziehungsqualität kann auch als multidimensionales Konstrukt konzeptualisiert wer-den, wenngleich dadurch möglicherweise inhaltliche Überschneidungen zu anderen Konstrukten entstehen (z.B. zu Kooperation oder Loyalität) und die Aussagen weniger differenziert sind.

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2.7. Kontextfaktoren der Wirksamkeit von RM Programmen

Für die Relationship Marketing Forschung ist über die Untersuchung von Bedingun-gen, Auswirkungen und Ausprägungen der Beziehungsqualität hinaus die Frage re-levant, welche Kontextfaktoren die Wirkung von Relationship Marketing Programmen moderieren. Eine Gegenüberstellung möglicher Moderatorvariablen nach Palmatier et al. (2006, 140) ist in Abb.11 dargestellt. Die bisher vorliegende Relationship Mar-keting Literatur thematisiert überwiegend drei Kontextfaktoren, die die Bedeutung von Beziehungen für den Erfolg von Austauschprozessen zwischen Anbietern und Kunden beeinflussen.

2.7.1. Produkte, Dienstleistungen und Lösungen

Der erste Faktor bezieht sich auf die Unterscheidung von Produkten, Dienstleistun-gen und Lösungen. Dabei lassen sich zwischen den unterschiedlichen Leistungs-formen konzeptionelle Unterschiede ausmachen. Bei Service- und Lösungsge-schäften muss die Wertschöpfungslogik des Anbieters deutlich stärker auf den Kun-den ausgerichtet sein. Die Erbringung von Dienstleistungen erfordert häufig einen aktiven Beitrag des Kunden. Lösungen werden fast immer individuell für eine spezi-fische Kundensituation entwickelt bzw. adaptiert. Daher sind Lösungen deutlich kom-plexer als standardisierte Produkte (Zeithaml et al. 1985, 33). Kunden agieren in der Service- und Lösungslogik nicht mehr als reine Konsumenten, sondern nehmen die Rolle eines aktiven Mitgestalters ein (Lusch et al. 1992, 119; Normann/Ramirez 1993, 65; Oliver et al. 1998, 28; Prahalad/Ramaswamy 2000, 79). Die skizzierte Differenzierung und die Auswirkungen für das Marketing sind nach Belz und Bieger(2006, 34) in Abb.12 visualisiert. Danach steigen mit der Komplexität von Leistungen und Leistungssystemen auch die Anforderungen an das Marketing. Soweit sich die Leistung eines Anbieters auf das Angebot einfacher und standardisierter Produkte bezieht, ist in vielen Fällen der Einsatz allgemeiner Marketingstrategien funktional. Dagegen steigen die Anforderungen an die Kundensysteme mit der Komplexität der Leistung. Für die Vermarktung von Dienstleistungen und die Integration in die Wert-schöpfungslogik der Kunden sind bereits segmentspezifische Marketingansätze erforderlich. Die Anforderungen an die Beziehung zwischen Anbietern und Kunden steigen mit zunehmender Integration und Lösungsorientierung der Leistungssys-teme. Die Bedeutung von Vertrauen in Kundenbeziehungen ist folglich in Service- und Lösungsgeschäften deutlich höher einzustufen als in transaktionalen Produktge-schäften.

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Abb.11: Kontextfaktoren der Wirkung von Relationship Marketing Programmen

Ohne ausreichendes Vertrauen fehlt die Grundlage für eine funktionale Kooperation. Untersuchungen von Walton (1997, 34) zeigen deutlich, dass die Qualität von Lö-sungen stark von der Bereitschaft der Partner abhängt, auch sensible Informationen auszutauschen. Viele Unternehmen haben jedoch Routinen entwickelt (z.B. stan-dardisierte Ausschreibungen), um sich vor opportunistischer Ausnutzung durch An-bieter zu schützen. Diese münden häufig in eine begrenzte Offenheit und Kooper-ationsbereitschaft des Kunden. Der Zugang zu wesentlichen Personen und Informa-tionen wird aus Angst vor Manipulationen verweigert.

Der damit stimulierte Kreislauf einer dysfunktionalen Beziehungsgestaltung in Lö-sungsgeschäften ist in Abb.13 dargestellt. Soweit in der gemeinsamen Beziehung kein ausreichendes Vertrauen gegeben ist, ist die Kooperationsbereitschaft der Kun-den begrenzt und es werden Schutzmechanismen zur Abwehr opportunistischer Verhaltensweisen aufgebaut. Dadurch reduzieren sich die für die Anbieter verfüg-baren Informationen. Darüber hinaus sind häufig die Kontakte zu relevanten Stake-holdern auf Kundenseite begrenzt. Aus Anbietersicht ist es daher schwierig, ein deut-licheres Bild über die Erwartungen und Zielsetzungen des Kunden zu entwickeln. Aus den fehlenden Informationen resultieren schließlich dysfunktionale Lösungs-ansätze und schlecht abgesicherte Leistungsversprechen. Dabei bleibt implizit un-klar, ob sich die durch das Leistungsversprechen des Anbieters in Aussicht gestellten Kundenvorteile tatsächlich realisieren lassen.

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Abb.12: Leistungs- und Kundensysteme nach Belz und Bieger (2006, 34)

Die umgesetzten Leistungen erzeugen schließlich in vielen Fällen nicht das subjektiv erwartete Ergebnis. Damit lassen sich die in Aussicht gestellten Kundenvorteile tat-sächlich nicht umfassend erfüllen. In solchen Fällen führen die subjektiv enttäuschten Erwartungen des Kunden zu problematischen Folgewirkungen. Da die Anbieter in der Anbahnung der Kooperation entsprechende Mehrwerte in Aussicht gestellt haben, entspricht das resultierende Ergebnis nicht den Kundenerwartungen. Ob der Kunde selbst zur Erzielung reduzierter Kundenvorteile beigetragen hat spielt dann häufig keine Rolle. Der Kunde fühlt sich in seinem Misstrauen bestätigt und das Ver-trauenspotential für zukünftige Transaktionen nimmt weiter ab.

Ein Kreislauf mit negativen Konsequenzen für Anbieter und Kunden, denn beide kommen nicht in den Genuss der potentiellen Vorteile von Lösungsbeziehungen. Entsprechend ist der Aufbau von Vertrauen in Service- und Lösungsgeschäften von besonders hoher Bedeutung.

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Abb.13: Kreislauf dysfunktionaler Lösungsbeziehungen

2.7.2. Mehrstufige Vertriebsmodelle

Ein zweiter wesentlicher Kontextfaktor für die Wirksamkeit von RM Programmen ist in der Differenzierung unterschiedlicher Vertriebsstrukturen zu sehen. Dabei sehen bei-spielsweise Anderson und Weitz (1989, 310) aus Beziehungsperspektive einen Un-terschied zwischen mehrstufigen (= Channel-Vertrieb) und bilateralen (= Direktver-trieb) Vertriebsmodellen. Mehrstufige Vertriebsmodelle sind dadurch gekennzeichnet, dass neben Anbietern und Kunden noch weitere Parteien in Kooperationen ein-gebunden sind (Belz 1999b, 102). Dabei verfügt meist nicht der Anbieter selbst, son-dern eine dritte Partei (z.B. ein lokaler Distributor oder ein Großhändler) über den direkten Kundenkontakt. Entsprechende Vertriebsmodelle sind daher häufig durch starke Abhängigkeiten zwischen den beteiligten Parteien sowie unterschiedliche Motive gekennzeichnet.

Das Risiko opportunistischer Verhaltensweisen zu Lasten einer anderen beteiligten Partei ist erhöht. Da neben der Anbieter- und Kundenperspektive noch weitere In-teressen im Spiel sind, steigt allgemein der Kooperations- und Koordinationsaufwand (Palmatier et al. 2006, 141; Thorelli 1984, 37). In Summe führt dies zu einer erweiter-ten Bedeutung von Relationship Marketing Programmen bei mehrstufigen Vertriebs-kooperationen.

Subjektiv reduzierte Kundenvorteile

Subjektiv nicht erfüllte

Kunden-erwartungen

SinkendeKunden-

zufriedenheit

Vertrauens-verlust

Aufbau vonSchutzmechanismen

BegrenzteKooperations-bereitschaft

Informationsmangelauf Anbieterseite

DysfunktionaleLeistungen

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2.7.3. Unternehmens- und Konsumentenmärkte

Schließlich hat die bisherige Forschung in Bezug auf die Bedeutung von Kunden-beziehungen zwischen Unternehmens- und Konsumentenmärkten unterschieden (Consumer Markets vs. Business Markets) (Anderson/Narus 2004, 21). Unter-nehmensmärkte sind durch eine Business-to-Business-Beziehung gekennzeichnet, während Konsumentenmärkte auf eine Interaktion zwischen Firma und Privatperson (Business-to-Consumer) fokussieren. Aus Sicht von Anderson und Narus (2004, 21) ist die Bedeutung der Beziehungsqualität zwischen den Interaktionspartnern in bei-den Marktformen unterschiedlich zu bewerten. Danach sind Unternehmensmärkte überwiegend durch Investitionsgüter gekennzeichnet. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass theoretisch durch eine Investition in die Zusammenarbeit mit einem An-bieter Vorteile für das eigene Unternehmen entstehen. Entsprechend sind Anbieter häufig integraler Bestandteil der Wertschöpfungskette des Kunden. Auf Grund dieser engen Verflechtung ist die Qualität der Beziehung zwischen den beteiligten Parteien von besonders hoher Bedeutung (Palmatier et al. 2006, 141). Ohne ausreichendes Vertrauen sind integrierte und arbeitsteilige Wertschöpfungsprozesse über Unter-nehmensgrenzen hinweg nicht vorstellbar.

Im Gegensatz dazu sind Konsumentenmärkte aus Sicht von Anderson und Narus(2004, 21) durch eine produktorientierte Logik bestimmt. Dabei geht es in Inter-aktionen zwischen Unternehmen und Konsumenten überwiegend um Konsumgüter. Bei derartigen Interaktionen ist die Beziehung zwischen Anbietern und Kunden in Bezug auf Intensität und Dauer begrenzt. Darüber hinaus verfügt der Gegenstand der Interaktion über eine vergleichsweise geringe Bedeutung für den Kunden.

Analog zu diesen Überlegungen geht die Relationship Marketing Forschung von einer vergleichsweise geringeren Bedeutung der Beziehungsqualität in Konsumen-tenmärkten aus. Diese Annahmen lassen sich durch empirische Untersuchungen von Palmatier et al. (2006, 150) bestätigen. Grundsätzlich ist die Gültigkeit der skizzierten Moderationshypothese jedoch in weiteren Untersuchungen zu verfestigen. Ein bedeutender Anteil der bisherigen RM Forschung bezieht sich auf Konsumenten-märkte (Crosby et al. 1990; De Wulf et al. 2001; Hennig-Thurau et al. 2002; Sir-deshmukh et al. 2002). Daher sind die skizzierten Effekte der RM Forschung durch vielfältige Untersuchungen in Konsumentenmärkten fundiert. Darüber hinaus schei-nen Fragen der Beziehung zwischen Anbietern und Kunden auch in Konsumenten-märkten zunehmend an Bedeutung zu gewinnen. Entsprechend sind die dargelegten Moderationseffekte im Kontext der weiteren Forschung vertieft zu evaluieren.

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2.8. Personale versus organisationale Beziehungen

Schließlich lassen sich nach Palmatier et al. (2006, 141) noch weitere Moderatoren für die Wirksamkeit von Relationship Marketing Programmen in Gestalt einer Diffe-renzierung zwischen personal und organisational fundierten Beziehungen heran-ziehen. Diese Differenzierung ist auf Grund ihrer Relevanz für die vorliegende Dis-sertation näher zu betrachten.

Nach Palmatier et al. (2006, 141) ist die Wirkung von Relationship Marketing Pro-grammen stärker, wenn die Kooperation zwischen den beteiligten Parteien auf per-sonalen (= individuellen) Beziehungen aufbaut. Die Hypothese einer stärkeren Inten-sität interpersonaler Beziehungen lässt sich aus experimentellen Untersuchungen zu Wahrnehmungsprozessen zwischen Individuen und Gruppen ableiten (Hamil-ton/Sherman 1996, 336). Vergleichende Experimente zu individuellen Wahrnehmun-gen in Bezug auf andere Personen und Gruppen zeigen, dass Bewertungen über andere Personen schneller gebildet werden und nachhaltig konstant bleiben. Da-rüber hinaus sind Individualbewertungen emotional stärker belegt als die analogen Bewertungen einer Gruppe. Die Beziehungen einer Person zu einer Organisation sind dagegen eher kurzfristig ausgelegt und weniger intensiv (Iacobucci/Ostrom 1996, 69). Daraus leiten Palmatier et al. (2006, 141) die Empfehlung ab, Relationship Marketing Programme eher auf die Entwicklung interpersonaler Beziehungsnetz-werke auszurichten (z.B. in Form von Beziehungen zwischen Vertriebsbeauftragten und ausgewählten Zielkunden).

Aus Sicht der interdisziplinären Forschung zu individuellen und organisationalen Be-ziehungen sind diese Ableitungen nicht umfassend genug bzw. in wesentlichen Be-reichen unvollständig. Vordergründig erscheint eine Fokussierung auf interpersonale Beziehungen plausibel, da Kooperationen zwischen Unternehmen auf personalen Kontakten aufbauen. Eine frühzeitige Konzentration auf individuelle Beziehungs-netzwerke ist dagegen nicht sinnvoll, denn aus Unternehmenssicht besteht der finale Zweck personaler Beziehungen in der Förderung von Austauschbeziehungen auf Unternehmensebene. Palmatier et al. (2006, 141) betrachten jedoch ausschließlich interpersonale Austauschprozesse (Person Person). Organisationale Beziehun-gen (Organisation Organisation) bleiben außen vor, obwohl diese Beziehungskon-figuration aus Marketingsicht über eine besonders hohe Relevanz verfügt. Darüber hinaus zeigen sich bei einer Bewertung der Merkmale beider Beziehungskonfigura-tionen spezifische Vorteile organisationaler Beziehungen, die in der bisherigen Rela-tionship Marketing Forschung weitgehend unberücksichtigt bleiben (siehe Tabelle 4).

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So kann die Intensität der Austauschbeziehungen zwischen Unternehmen durchaus eine sehr hohe Stufe erreichen. Teilweise sind Unternehmen über eine wechsel-seitige Vernetzung von Geschäftsprozessen stark aneinander gebunden (z.B. in Outsourcing-Partnerschaften oder Prefered-Vendor Konzepten). Die Beziehung zwi-schen den beteiligten Unternehmen ist dann in organisationalen Ressourcen institu-tionalisiert und lässt sich kurzfristig nicht auflösen. Daher sind organisationale Bezie-hungen in der Anbahnung mit mehr Aufwand verbunden (als personale Beziehun-gen), versprechen jedoch unter geeigneten Rahmenbedingungen eine vergleichbar hohe Nachhaltigkeit.

Bei einer Analyse weiterer Merkmale stellt sich beispielsweise die Frage, wie verfüg-bar die Beziehungsressourcen für das gesamte Unternehmen sind. Hierbei zeigt sich eine begrenzte Verfügbarkeit personaler Beziehungen. Zunächst sind derartige Be-ziehungen an eine Person gebunden (z.B. an einen Vertriebsbeauftragten). Die Nutzung der Beziehung für das Unternehmen unterliegt dem Vorbehalt der Einzel-person. Darüber hinaus ist selbst bei unterstellter Bereitschaft und Motivation der Einzelpersonen die Transferierbarkeit für die Gesamtorganisation begrenzt. Der Ein-zelne bildet in dieser Konstellation eine wichtige Ressource, aber auch einen be-grenzenden Faktor. Schließlich können nicht alle aus Unternehmenssicht vorhan-denen Opportunitäten über eine oder wenige personengebundene Beziehungen transportiert werden. Beziehungen zwischen Unternehmen verfügen in dieser Hin-sicht über wesentliche Vorteile. So sind derartige Beziehungen idR für das gesamte Unternehmen nutzbar. Soweit über den Fokus der aktuellen Zusammenarbeit hinaus weitere Opportunitäten entstehen, können diese über unterschiedliche Kanäle trans-portiert werden.

Vergleichbare Vorteile organisationaler Beziehungen zeigen sich auch bei der Ab-wägung von Risikoaspekten. Bei personalen Beziehungen stehen die verfügbaren Kooperationsressourcen jederzeit unter dem Risiko der Fluktuation. Durch Personal-wechsel auf Anbieter- und Kundenseite können personale Beziehungen an Wirkung verlieren. Der erwartete Mehrwert für die Organisation bleibt dann aus. Darüber hin-aus kann sich ein Beziehungsvorteil kurzfristig in einen Nachteil verwandeln, wenn auf Basis personaler Beziehungen die Beziehungseigner (z.B. die Vertriebsbeauf-tragten) zu einem Wettbewerber wechseln. Das skizzierte Fluktuationsrisiko ist da-gegen bei positiven Beziehungen auf Organisationsebene begrenzt. Zwar wirken sich Veränderungen auf personaler Ebene auch auf die Qualität organisationaler Be-ziehungen aus. Dieser Effekt lässt sich jedoch in einer Übergangsphase steuern. Insgesamt sind organisationale Beziehungen für Anbieter daher mit weniger Risiken behaftet.

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Merkmal Person Person Organisation Organisation

Intensität Eine hohe Intensität (bis hin zur Freundschaft) ist bei interperso-nalen Beziehungen möglich.

Organisationale Beziehungen können eine hohe Intensität annehmen. Die Beziehung bleibt aber auf Sachebene.

Anbahnung Die Anbahnung interpersonaler Beziehungen kann schnell gehen, jedoch vollzieht sich der Aufbau einer höheren Beziehungsintensität idR langfristig.

Für die Anbahnung organisationaler Beziehungen ist idR mehr Zeit er-forderlich.

Nachhaltigkeit Personale Beziehungen verfügen idR über eine hohe Nachhaltigkeit (wenn bereits ein hohes Intensi-tätsniveau erreicht wurde).

Die Nachhaltigkeit organisationaler Beziehungen kann ebenfalls hoch sein, soweit ein Mehrwert auf bei-den Seiten vorhanden ist.

Organisationale Verfügbarkeit

Die organisationale Verfügbarkeit personaler Beziehungen ist eher schwach. Selbst bei Motivation der Einzelperson zur Nutzung der Be-ziehung für die Organisation sind die Ressourcen des Einzelnen häu-fig ein limitierender Faktor.

Organisationale Beziehungsres-sourcen verfügen über eine hohe Verfügbarkeit für das gesamte Un-ternehmen.

Unternehmeri-sches Risiko

Das unternehmerische Risiko inter-personaler Beziehungen ist hoch. Bei Fluktuation gehen die Bezie-hungsressourcen verloren bzw. migrieren sogar zu Wettbewerbern.

Das Risiko organisationaler Beziehungen ist eher begrenzt. Personale Fluktuation kann sich nur begrenzt negativ auf die Kooperation auswirken.

Tab.4: Vergleich der Merkmale unterschiedlicher Beziehungskonstellationen

Damit kann in Summe die Ausgangshypothese von Palmatier et al. (2006, 141) mit Hinblick auf die stärkere Wirksamkeit von Relationship Marketing Programmen bei personalen Beziehungen nicht unterstützt werden. Vielmehr führen derartige Empfehlungen zu spezifischen Risiken für anbietende Unternehmen, die bei einer gleichzeitigen Förderung organisationaler Beziehungsressourcen vermeidbar sind. Offensichtlich verfügen personale und organisationale Beziehungen über eine eigene Beziehungsdynamik mit jeweils spezifischen Bedingungen, Auswirkungen, Vor- und Nachteilen (Donney/Cannon 1997, 45). Diese Unterschiede sind bei der Planung und Umsetzung von RM Programmen entsprechend zu berücksichtigen.

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2.9. Schwerpunkte der weiteren RM Forschung

Nach zwei Jahrzehnten der Relationship Marketing Forschung liegt der Fokus weiterer Untersuchungen auf der Verfeinerung bestehender Modellstrukturen und der Untersuchung von Relationship Marketing Programmen unter spezifischen Bedin-gungen (Palmatier et al. 2006, 152). Dabei werden beispielsweise die folgenden Schwerpunkte für die weitere Relationship Marketing Forschung identifiziert:

Allgemein sind für die Erklärung der Beziehungsdynamik zwischen Anbietern und Kunden erweiterte Erklärungsmuster zu untersuchen (Palmatier et al. 2006, 152). Möglicherweise bilden Vertrauen und Commitment die Komplexität realer Austauschbeziehungen nicht vollständig ab. Beispielsweise kann in der Analyse der Reziprozität von Austauschprozessen (Bagozzi 1995, 275) Potential für eine differenzierte Betrachtung von Kundenbeziehungen liegen. Daher bildet die Erweiterung der Perspektiven zur Erklärung der Performance relationaler Austauschbeziehungen ein wesentliches Forschungsfeld (Palmatier et al. 2007b, 172).

In Bezug auf die vorliegende Forschung zu Vertrauen und Commitment in Kun-denbeziehungen ist eine Differenzierung der weiteren Forschungsperspektive erforderlich (Palmatier et al. 2006, 152). Offensichtlich liegen in Bezug auf interpersonale und organisationale Beziehungen konzeptionelle Unterschiede vor (Fang et al. 2008, 80). Daher sind die Bedingungen und Auswirkungen so-wie Vor- und Nachteile der beiden Beziehungskonfigurationen vertieft zu unter-suchen (Doney/Cannon 1997, 45).

Neben den beispielsweise von Palmatier et al. (2006) definierten Moderatoren lassen sich weitere Kontextfaktoren für die Wirkung von Relationship Marketing Programmen identifizieren. Bisher liegen relativ gut abgesicherte Erkenntnisse in Bezug auf die Bedeutung der Kundenbeziehung bei komplexen Leistungs-systemen (Belz/Bieger 2006, 34) und mehrstufigen Vertriebskonzepten (Ander-son/Weitz 1989, 310) vor. Fraglich ist, ob sich weitere Moderatoren für die Wir-kung der Beziehungsqualität, wie beispielsweise die Beziehungsorientierung der Kunden, entwickeln und empirisch fundieren lassen.

In Bezug auf die weitere Untersuchung von Beziehungsstrategien sollte ein Schwerpunkt der zukünftigen Forschung auf organisationalen Ressourcen liegen (Belz 1998b, 77; Palmatier 2008, 94).

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Bisher sind nur wenige Beziehungsstrategien empirisch fundiert und konzep-tionell beschrieben. Die vorhandenen Ansätze wie Expertise, Kommunikation und Gemeinsamkeiten sind in der Regel stark auf interpersonale Beziehungen ausgerichtet. Insofern besteht ein Defizit bei der Gestaltung von Konzepten zur Förderung der Qualität von Kundenbeziehungen auf Organisationsebene (Fang et al. 2008, 80; Zaheer et al. 1998, 141).

Bei den Auswirkungen relationaler Austauschbeziehungen sind über die bisher untersuchten Effekte hinaus noch weitere Zielkategorien denkbar, die bisher in der Relationship Marketing Forschung noch keine Rolle spielen. Einen Über-blick zu grundsätzlich sinnvollen Zieldimensionen gibt Palmatier (2008, 94). Um die Effekte von Kundenbeziehungen umfänglich zu beschreiben, sind neben vertriebsbezogenen Performanceindikatoren beispielsweise auch die Aus-wirkungen auf die Innovationsfähigkeit und das Wissensmanagement eines An-bieters relevant.

Darüber hinaus sind auch die möglichen Negativeffekte von Relationship Mar-keting Programmen genauer zu beschreiben. Die bisher vorliegende Forschung konzentriert sich weitgehend auf die Vorteile und Chancen einer Verbesserung von Kundenbeziehungen. Mögliche Risiken, beispielsweise durch den Verlust von Kundenbeziehungen bei Fluktuation (Palmatier et al. 2007) oder durch ein zu starkes Beziehungscommitment bei exzessiven Vertrauensausprägungen (Gargiulo/Ertug 2006, 175), sind bisher nur schwach erforscht.

Schließlich existiert innerhalb der Relationship Marketing Forschung ein er-hebliches Potential zur theoretischen Weiterentwicklung. Dies betrifft beispiels-weise die Integration von Überlegungen aus der Service-Dominant Logic (Var-go/Lusch 2004, 2008), der Netzwerkforschung (Brass et al. 2004; Borgat-ti/Foster 2003) sowie allgemein der theoretischen Weiterentwicklung durch Nut-zung von Erkenntnissen aus den sozialwissenschaftlichen Nachbardisziplinen (Palmatier 2008, 98).

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2.10. Zwischenfazit: RM vs. Organisationsforschung

Die Relationship Marketing Forschung bildet mit den bisher erzielten Erkenntnissen ein starkes Fundament für die vorliegende Dissertation. Dabei konnte die weg-weisende Modellstruktur der Commitment-Trust-Theory nach Morgan und Hunt(1994) in umfangreichen Analysen bzw. Meta-Analysen erweitert und empirisch fun-diert werden (Palmatier et al. 2006). Ein Vergleich der Relationship Marketing For-schung mit organisationstheoretischen Ansätzen zeigt umfangreiche Parallelen. Insbesondere bei den Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen adressieren beide Forschungsrichtungen vergleichbare Konzepte und Wechselwirkungen.

Allerdings sind auch konzeptionelle Unterschiede erkennbar. Beispielsweise ist das in der Organisationsforschung vorherrschende Thema einer differenzierten Analyse des Vertrauenskonstrukts (Vertrauen in Personen vs. Vertrauen in Organisationen, Personen vs. Organisationen als Vertrauensgeber) in der Marketingforschung prak-tisch überhaupt nicht bearbeitet. Darüber hinaus untersucht die Marketingforschung den Beziehungsaufbau vorwiegend aus Anbietersicht. Dabei steht grundsätzlich im Fokus, wie Anbieter durch spezifische Beziehungsstrategien das Vertrauen der Kun-den stimulieren können. Diese Eingrenzung ist auf Grund der Fokussierung auf Mar-ketingfragen einleuchtend, jedoch führt eine Vernachlässigung der Kundenperspek-tive zu theoretischen Limitationen. Der Aufbau von Vertrauen ist als Prozess aus wechselseitigen Wahrnehmungs- und Verhaltensmustern zu verstehen. Dabei sind auch die Beiträge der Kunden für die Beziehungsqualität relevant.

Folglich besteht in der Relationship Marketing Forschung ein weiterer Forschungs-bedarf, der teilweise durch die vorliegende Dissertation adressiert wird. Dies betrifft v.a. die differenziertere Untersuchung des Vertrauenskonstrukts auf unterschiedli-chen Ebenen (Forschungsfrage 1), die Analyse von Bedingungen und Auswirkungen je Vertrauensebene (Forschungsfragen 2 und 3), die Untersuchung der Wirkung von kundenspezifischen Merkmalen auf die Vertrauensdynamik (Forschungsfrage 4 und 5) sowie die Entwicklung organisationaler Beziehungsstrategien (Forschungsfrage 6).

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Teil 3: Forschungsmodell

Die skizzierten theoretischen Grundlagen aus der Organisationstheorie und Rela-tionship Marketing Forschung bilden das Fundament für die Entwicklung eines eige-nen Forschungsmodells. Das Forschungsmodell bezieht sich dabei auf die Beant-wortung der in Teil 1 formulierten Forschungsfragen. Für die empirische Unter-suchung des Modells ist zunächst die grundsätzliche Ausrichtung der Vertrauensdy-namik zu bestimmen. Auf Grund der in Teil 1 formulierten forschungsleitenden Fra-gestellungen sind die Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen auf Anbieter- und Kundenseite relevant. Dennoch können beide Perspektiven nicht im Kontext eines einzelnen Modells untersucht werden. Auf Grund der umfassenden theore-tischen Vorarbeiten der Relationship Marketing Forschung bezieht sich der konzep-tionelle Fokus daher zunächst auf das Vertrauen der Kunden in einen Anbieter. Die-se Ausrichtung ist direkt an die Marketingforschung anschlussfähig und erleichtert die Ausdifferenzierung eines eigenen Modells. Jedoch ist im weiteren Fortgang der Untersuchung auch der Einfluss der Kunden auf die Vertrauensdynamik zu be-stimmen. Dies erfordert nach der konfirmatorischen Analyse des unterstellten Models (Vertrauen der Kunden in Anbieter) zusätzlich eine explorative Untersuchung der reziproken Beziehungsgestaltung (Vertrauen der Anbieter in Kunden).

1. Vertrauen auf Kundenseite

Für die folgende Modellbildung ist zunächst das Vertrauen auf Kundenseite relevant. Dabei geht es um die Frage, welche Bedingungen, Auswirkungen und Kontextfak-toren für das Vertrauen der Kunden in einen spezifischen Anbieter wesentlich sind. In Bezug auf die empirische Untersuchung der forschungsleitenden Fragestellungen und zur Ausrichtung geeigneter methodischer Vorgehensweisen lässt sich das grundlegende Input-Mediator-Output Modell der Relationship Marketing Forschung verwenden. Das Basismodell ist durch die für das vorliegende Forschungsprogramm relevanten Konstrukte zu ergänzen. Anhand dieser Modellierung werden verschie-dene Forschungshypothesen zur Untersuchung der skizzierten Forschungsfragen formuliert sowie durch den nachfolgenden Untersuchungsprozess getestet. Das für diese Forschung maßgebliche Forschungsmodell ist in Abb.14 dargestellt.

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Abb.14: Forschungsmodell, Vertrauen auf Kundenseite

Das Forschungsmodell basiert auf folgenden Überlegungen. Durch Relationship Marketing Strategien lassen sich die Bindungen zwischen Anbietern und Kunden intensivieren. Derartige Bindungen wirken sich positiv auf die Kundenloyalität und die Qualität der gemeinsamen Zusammenarbeit aus (De Wulf et al. 2001, 33; Sirdesh-mukh et al. 2002, 15). Das Vertrauen der Kunden ist als eine mögliche Ausprägung relationaler Bindungen zu betrachten. Vertrauen lässt sich aus dieser Sicht als Me-diator zwischen unterschiedlichen Beziehungsstrategien und relevanten Zielkon-strukten konzeptualisieren (Palmatier et al. 2006). Dabei ist Vertrauen für unter-nehmensübergreifende Kooperationen besonders erfolgskritisch. Derartige Bezie-hungen zeichnen sich dadurch aus, dass mehrere Parteien mit unterschiedlichen Motiven partizipieren und häufig umfangreiche Investitionen erforderlich sind. Für die Erzeugung gemeinsamer Vorteile ist daher eine hohe Qualität der Zusammenarbeit wesentlich (Das/Tend 1998, 491; Rindfleisch/Moorman 2001, 421).

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orga

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Im Rahmen der aktuellen organisationstheoretischen Forschung steht besonders die Untersuchung der unterschiedlichen Rollen von Personen und Organisationen im Prozess der Vertrauensbildung im Fokus (Currall/Inkpen 2002, 479; Sydow 2006, 377). Eine Differenzierung zwischen Vertrauen in Personen und Vertrauen in Orga-nisationen bietet auch für die Marketingforschung fruchtbare Implikationen. Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass jede Vertrauensebene einer Beeinflussung durch unterschiedliche Bedingungen unterliegt (siehe Abb.14).

Die meta-analytischen Untersuchungen von Palmatier et al. (2006, 143) belegen den positiven Effekt von Expertise und Kommunikation auf das Vertrauen in Repräsen-tanten eines Anbieters. Im Gegensatz dazu bietet die verfügbare Marketingforschung nur begrenzt Einsichten in organisationale Beziehungsstrategien. Daher evaluiert die vorliegende Dissertation vier unterschiedliche Alternativen für den Aufbau von Ver-trauen in die Organisation des Anbieters: (1) Integration des Kunden in die Entwick-lung neuer Leistungen, (2) wertorientierte Preissysteme, (3) Kundenlösungen, und (4) Reputation. Darüber hinaus berücksichtigt das skizzierte Forschungsmodell opportunistisches Verhalten als negativen Prädiktor für Vertrauen auf individueller und organisationaler Ebene (Morgan/Hunt 1994, 25).

Schließlich ist davon auszugehen, dass Vertrauen auf beiden Ebenen zu unter-schiedlichen Auswirkungen auf die Faktoren Loyalität und Kooperation führt. Bei-spielsweise führen personale Vertrauensressourcen zu einer starken personen-gebundenen Loyalität. Ein starker Commitment auf interpersonaler Ebene induziert spezifische Vorteile für Marketing und Vertrieb. Jedoch ist insbesondere ein über-höhtes interpersonales Vertrauen und Commitment mit den in Teil 2 dargestellten Beziehungsrisiken verbunden (Gargiulo/Ertug 2006).

Darüber hinaus unterliegt die Wirkung von Relationship Marketing Strategien inner-halb des vorliegenden Modells einer Moderation durch unterschiedliche Faktoren. Als Moderatorkonstrukte lassen sich dabei die grundsätzliche Beziehungsorientierung der Kundenorganisation (langfristig vs. kurzfristig) (Ganesan 1994, 2) und die Extra-version von Einzelpersonen auf Kundenseite heranziehen (Eysenck 1967; McCrae/Costa 2006; Wheeler et al. 2005). Daher kann die Effektivität einer einzelnen RM Strategie nur im Kontext relevanter organisationaler und personaler Merkmale des Kunden bewertet werden. Eine vollständige Beschreibung der Konstrukte, Defini-tionen und Referenzen des Forschungsmodells findet sich in Tabelle 5.

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Konstrukt Definitionen Referenzen

Vertrauen als multidimensionales Konstrukt

Vertrauen in Personen

Bereitschaft des Kunden, ein Risiko einzugehen und sich verletzbar zu machen, basierend auf positive Er-wartungen in Bezug auf die Einstellung und das Verhalten einzelner Personen auf Anbieterseite.

Doney/Cannon 1997; Currall/Inkpen 2002; Fang et al. 2008

Vertrauen in die Anbieter-organisation

Bereitschaft des Kunden, ein Risiko einzugehen und sich verletzbar zu machen, basierend auf positive Erwar-tungen in Bezug auf die Einstellung und das Verhalten der Anbieterorganisation.

Doney/Cannon 1997; Currall/Inkpen 2002; Fang et al. 2008

Bedingungen

Expertise Wissen, Erfahrung und allgemeine Kompetenz von Einzelpersonen auf Anbieterseite (z.B. von einzelnen Ver-triebsbeauftragten).

Crosby et al. 1990; Lagace et al. 1991

Kommunikation Qualität der Kommunikation und der geteilten Informationen zwischen Kunden und Einzelpersonen auf An-bieterseite.

Anderson/Weitz 1992; Mohr et al. 1996; Morgan/Hunt 1994

Opportunistisches Verhalten

Arglistige Verletzung von impliziten und expliziten Zusagen in Bezug auf das erwartete oder erforderliche Rollen-verhalten eines Anbieters.

John 1984; Morgan/Hunt 1994

Kundenintegration Umfang der Einbindung des Kunden in die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen auf Anbieterseite.

Bendapudi/Leone 2003; Bonner/Walker 2004; Fang 2008

Wertorientierte Preismodelle

Umfang der Bindung der Preisfindung eines Anbieters an die Erzeugung von Kundenvorteilen.

Chandran/Morwitz 2005; Kim et al. 2009

Tab.5-1: Konstrukte, Definitionen und Referenzen des Forschungsmodells

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Konstrukt Definitionen Referenzen

Bedingungen

Kundenlösungen Umfang der Integration und kunden-individuellen Anpassung der Leistungen eines Anbieters in Bezug auf die Lösung von Herausforderungen des Kunden.

Davies et al. 2006; Sawhney 2006; Tuli et al. 2007;

Reputation Umfang und Qualität der subjektiv für einen Kunden verfügbaren sozialen In-formationen über die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft einen spezifi-schen Anbieters.

Doney/Cannon 1997; Einwiller et al. 2005; Ganesan 1994; Tschannen-Moran/Hoy 2000

Auswirkungen

Loyalitätzu Personen

Einstellung und Verhalten des Kunden in Bezug auf die Erhaltung und Fortführung einer Beziehung mit einer Einzelperson auf Anbieterseite.

Palmatier et al. 2007

Kooperation Koordinierte und komplementäre Aktivitäten zwischen Anbietern und Kunden mit Hinblick auf die Realisierung gemeinsamer Ziele.

Anderson/Narus 1990; Morgan/Hunt 1994

Loyalität zur Anbieterorganisation

Einstellung und Verhalten des Kunden in Bezug auf die Erhaltung und Fortführung einer Beziehung mit einem Anbieter als Organisation.

Palmatier et al. 2007;Sirdeshmukh et al. 2002

Moderatoren

Beziehungs- orientierung

Einstellung der Kundenorganisation in Bezug auf die Etablierung und Erhaltung langfristiger Anbieterbeziehungen.

Ganesan 1994

Extraversion Umfang in dem Kunden als Einzelper-sonen soziale Interaktionen mit anderen Individuen suchen und positiv empfinden.

Eysenk 1967; Eysenk et al. 1985; McCrae/Costa 2006

Tab.5-2: Konstrukte, Definitionen und Quellen des Forschungsmodells

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2. Vertrauen als multidimensionales Konstrukt

Wie bereits im Rahmen der theoretischen Grundlagen skizziert, bietet eine multi-dimensionale Konzeptualisierung des Vertrauenskonstrukts fruchtbare Perspektiven (Curral/Inkpen 2002, 479). Die Diskussion alternativer Vertrauensebenen ist in der Organisationsforschung seit einigen Jahren ein relevantes Themengebiet (McEvi-ly/Zaheer 2006, 287). Dagegen finden sich in der Marketingforschung, mit Ausnahme der Beiträge von Doney und Cannon (1997) sowie Fang et al. (2008), nur begrenzt differenzierte Forschungen über Vertrauen in Kundenbeziehungen. Vertrauen wird in der Regel als homogenes Konstrukt untersucht (Morgan/Hunt 1994, 23). Im Rahmen der vorliegenden Dissertation ist dagegen ein multidimensionales Vertrauenskonzept zu etablieren. Obwohl es keine einzelne, in der Forschung allgemein anerkannte Definition von Vertrauen gibt, zeigen interdisziplinäre Vergleiche in der Vertrauens-forschung eine Annäherung in der folgenden Definition (Moorman et al. 1992, 82):

“Trust is the willingness of a party to be vulnerable to the actions of anoth-er party based on the expectation that the other will perform a particular action important to the trustor, irrespective of the ability to monitor or con-trol that other party (Mayer et al. 1995, 712)”

Damit werden für das skizzierte Forschungsmodell die in den theoretischen Grund-lagen beschriebenen Merkmale des Vertrauenskonstrukts (Verletzlichkeit, Risiko, Interdependenz, Sensitivität, graduelle Dynamik, Freiwilligkeit, Selbstverständlichkeit, Latenz) unterstellt (Lewis/Weigert 1985, 967; McEvily et al. 2003, 91; Rotter 1967, 651). Aufgrund der immanenten Komplexität der Vertrauensdynamik in unter-nehmensübergreifenden Kooperationen ist fraglich, (1) welche Vertrauensebenen relevant sind und (2) wie sich die unterschiedlichen Vertrauensebenen gegenseitig beeinflussen (Fang et al. 2008). Aus Perspektive der aktuellen Marketing- und Orga-nisationsforschung kann sich das Kundenvertrauen auf unterschiedliche Objekte be-ziehen. Als Bezugsobjekte für Vertrauensentscheidungen kommen öffentliche Institu-tionen (Lewis/Weigert 1985), Organisationen (Morgan/Hunt 1994) und Personen in Betracht. Daher kann sich das Vertrauen der Kunden in Anbieter-/Kundenbeziehungen auf den Anbieter als Organisation und/oder bestimmte Einzel-personen auf Anbieterseite beziehen (Doney/Cannon 1997, 39).

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Eine entsprechende Unterscheidung ist innerhalb des in Abb.14 dargestellten For-schungsmodells durch zwei differenzierte Vertrauenskonstrukte konzeptualisiert. Die Entwicklung von Vertrauen basiert auf den Erwartungen und Erfahrungen der Kun-den mit Hinblick auf die Motive und das Verhalten der Anbieter. Auf Grund der For-schung zur Bildung von Vertrauen in unternehmensübergreifenden Kooperationen kann davon ausgegangen werden, dass sich das Kundenvertrauen in Einzelper-sonen und das Kundenvertrauen in die Anbieterorganisation wechselseitig beeinflus-sen (Currall/Inkpen 2002, 241; McKnight et al. 1998, 473). Daher unterstellt das skiz-zierte Forschungsmodell einen reziproken und positiven Zusammenhang zwischen dem Vertrauen der Kunden in einzelne Personen und dem Vertrauen in die Orga-nisation des Anbieters:

H1: Das Vertrauen der Kunden kann sich auf Einzelpersonen des Anbieters und auf die Organisation des Anbieters beziehen. Beide Vertrauens-ebenen beeinflussen sich wechselseitig positiv.

In Bezug auf die vorgenommene Konzeptualisierung ist zu berücksichtigen, dass die skizzierten Vertrauensentscheidungen von Einzelpersonen auf Kundenseite getroffen werden. Die Organisation des Kunden kann nicht per se vertrauen, beeinflusst aber die individuellen Vertrauensentscheidungen der einzelnen Mitarbeiter/innen (McEvi-ly/Zaheer 2006, 292). Diese theoretische Grundausrichtung ist im weiteren Verlauf u.a. für die Bestimmung von Moderatoreffekten wesentlich.

3. Bedingungen für Vertrauen auf Kundenseite

Die Auflösung des Vertrauenskonstrukts in (1) das Kundenvertrauen in einzelne Per-sonen und (2) das Kundenvertrauen in die Organisation des Anbieters ermöglicht eine Differenzierung zwischen personalen und organisationalen Beziehungsstra-tegien. Eine derartige Differenzierung bietet fruchtbare Implikationen für die gezielte Stimulierung unterschiedlicher Vertrauensebenen durch spezifische Marketingaktivi-täten. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass durch eine getrennte Beschrei-bung der beiden Vertrauensebenen auch unterschiedliche Auswirkungen bzw. Er-gebniseffekte von RM Programmen feststellbar sind.

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3.1. Personale Relationship Marketing Strategien

In Bezug auf personale Relationship Marketing Strategien sind v.a. Expertise und Kommunikation als wesentliche Bedingungen für Vertrauen anzusehen. Unter Exper-tise ist dabei die Fähigkeit zur korrekten Einschätzung einer Situation basierend auf Wissen, Kompetenz und Erfahrung zu verstehen (Crosby et al. 1990, 72). Darüber hinaus kann zur Expertise auch die Kenntnis über das Geschäftsprofil des Kunden sowie dessen treibende Kräfte gezählt werden (Belz/Bußmann 2002, 193; Palmatier et al. 2006, 143). Kunden erhalten aus der Interaktion mit kompetenten Anbietern einen erweiterten Mehrwert. Daher besteht aus Kundensicht ein erhöhtes Interesse an Aufbau und Erhaltung von entsprechenden Anbieterbeziehungen. Darüber hinaus verfügen Anbieter mit hoher Expertise aus Sicht der Kunden über eine höhere Ver-trauenswürdigkeit (Lagace et al. 1991, 39). Da Expertise für den Kunden v.a. in der Interaktion mit den Bezugspersonen eines Anbieters wahrnehmbar ist, sind die ver-trauensfördernden Effekte von Expertise zunächst auf Individualebene anzusetzen (Doney/Cannon 1997, 40). Faktoren wie Wissen, Kompetenz und Erfahrung eines Anbieters manifestieren sich aus Kundensicht in der Interaktion mit einzelnen Re-präsentanten. Somit ist Expertise als Bedingung für das Kundenvertrauen in einzelne Personen auf Anbieterseite zu konzeptualisieren. Die Organisation des Anbieters profitiert in diesem Zusammenhang nur mittelbar.

Gleiches gilt für die Beziehung zwischen Kommunikation und Vertrauen. Das Ver-trauen der Kunden lässt sich nicht ausschließlich durch klassische Mittel der Marke-tingkommunikation, wie z.B. Werbung und Öffentlichkeitsarbeit erzeugen (Belz et al. 2000, 58). Wesentlich für den Vertrauensaufbau ist der persönliche Kontakt. Daher ist unter Kommunikation der Umfang und die Qualität der Kommunikation mit Kon-taktpersonen auf Anbieterseite zu verstehen (Anderson/Weitz 1989, 313; Ander-son/Narus 1990, 45; Morgan/Hunt 1994, 25). In Bezug auf die Qualität der Kom-munikation ist v.a. wichtig, ob der Kunde den Eindruck hat, dass die Kontaktperso-nen auf Anbieterseite interessiert sind, zuhören und verstehen. Kommunikation för-dert das Vertrauen der Kunden darüber hinaus durch die Lösung von Konflikten und die Abstimmung von Wahrnehmungen und Erwartungen (Anderson/Narus 1990, 45; Morgan/Hunt 1994, 25). In diesem Sinne löst Kommunikation ebenfalls in erster Linie Vertrauenseffekte auf Individualebene aus.

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Auf Grund dieser Annahmen ist davon auszugehen, dass Expertise und Kommuni-kation nur einen mittelbaren Einfluss auf das Vertrauen der Kunden in die Anbieter-organisation entfalten. Das interpersonale Vertrauen wird durch die beiden Faktoren hingegen direkt stimuliert. Dies führt zu folgenden Hypothesen:

H2: Je stärker die Expertise von Einzelpersonen auf Anbieterseite,desto stärker das Vertrauen der Kunden (in diese Personen).

H3: Je besser die Kommunikation von Einzelpersonen auf Anbieterseite,desto stärker das Vertrauen der Kunden (in diese Personen).

3.2. Opportunistisches Verhalten

Neben der Förderung vertrauensstimulierender RM Strategien sollten Anbieter auch die negativen Wirkungen opportunistischer Verhaltensweisen berücksichtigen. Opportunistisches Verhalten ist durch eine überwiegende und arglistige Verfolgung eigener Interessen gekennzeichnet (Williamson 1975, 6). Daher zeigt sich Oppor-tunismus v.a. in der bewussten Verletzung von Versprechungen und Zusagen oder der Zurückhaltung und Manipulation relevanter Informationen. Opportunistisches Verhalten kann dabei einen expliziten oder impliziten Charakter annehmen (John 1984, 278), d.h. es ist für die beteiligten Parteien offensichtlich oder bleibt im Sinne einer latenten Annahme unausgesprochen.

In der Praxis führt Opportunismus häufig zu Konflikten und äußerst negativen Folge-wirkungen auf das Vertrauen der beteiligten Parteien (Belz 2005, 8; Palmatier et al. 2006, 143). Nach Shiv et al. (1997, 293) ist sogar davon auszugehen, dass derartige Negativerfahrungen von Kunden gegenüber positiven Erfahrungen deutlich höher bewertet werden. Aus dieser Perspektive lässt sich ein langfristig aufgebautes Ver-trauen der Kunden unter Umständen durch expliziten oder impliziten Opportunismus schnell und nachhaltig zerstören. Auf Basis einer multidimensionalen Konzeptuali-sierung des Vertrauenskonstrukts ist daher zwischen opportunistischen Verhaltens-weisen einer Einzelperson und entsprechenden Strategien der gesamten Organisa-tion eines Anbieters zu unterscheiden. Dabei hat Opportunismus in beiden Ausprä-gungen einen negativen Einfluss auf die fokalen Vertrauenskonstrukte. Diese Über-legungen induzieren für das skizzierte Forschungsmodell die folgenden Hypothesen:

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H4: Je opportunistischer das Anbieterverhalten, desto geringer dasVertrauen der Kunden in Kontaktpersonen des Anbieters.

H5: Je opportunistischer das Anbieterverhalten, desto geringer dasVertrauen der Kunden in den Anbieter als Organisation.

3.3. Organisationale Relationship Marketing Strategien

Über Expertise und Kommunikation hinaus lassen sich noch weitere RM Strategien beschreiben, die vorwiegend das Vertrauen der Kunden in die Organisation des An-bieters fördern. Dabei sind organisationale Beziehungsstrategien in der bisherigen Forschung nur schwach beschrieben. Lediglich zu den Auswirkungen der Reputation eines Anbieters auf das Kundenvertrauen sind empirisch fundierte Untersuchungen verfügbar (Anderson/Weitz 1989; Doney/Cannon 1997; Ganesan 1994; Tschannen-Moran/Hoy 2000). Einige Ansatzpunkte für die Stimulierung des Kundenvertrauens aus organisatorischer Sicht sind in Abb.15 dargestellt.

Sofern Anbieter an der systematischen Förderung des Vertrauens der Kunden inte-ressiert sind, können sie ihre Organisation beispielsweise mit Hinblick auf Prozesse, Preissysteme, Leistungssysteme und Reputation optimieren. Teilweise zeigen diese vier Dimensionen Überschneidungen und Wechselwirkungen. Im Sinne einer Mo-dellbildung sind die relevanten Ansatzpunkte in den vier Bereichen jedoch zunächst getrennt darzustellen.

Kundenintegration (Prozessperspektive). Eine wesentliche Veränderung der Bezie-hungsdynamik ist in der erweiterten Integration von Kunden in die Entwicklung und Umsetzung neuer Leistungen auf Anbieterseite zu sehen (Fang 2008, 80; Sawhney 2006, 365). Speziell in Business-to-Business-Beziehungen unterliegen die klassi-schen Rollen im Wertschöpfungsprozess fundamentalen Veränderungen. Teilweise nehmen Kunden bereits früh im Lebenszyklus neuer Produkte und Dienstleistungen eine aktive Rolle ein (Prahalad/Ramaswamy 2000, 80). Durch die verstärkte Kun-denintegration lassen sich auf Anbieterseite unterschiedliche Ziele verfolgen.

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Abb.15: Ansatzpunkte für organisationale Beziehungsstrategien

Diese liegen beispielsweise in einer Förderung der eigenen Innovationskraft (Bon-ner/Walker 2004, 155), der Beschleunigung von Entwicklungsprozessen (time-to-market) (Fang 2008, 80) oder der Erhöhung der Kundenzufriedenheit (Bendapu-di/Leone 2003, 14). Die Beziehungen zwischen Vertrauen und einer För-derung der Kundenintegration sind in der aktuellen Forschung nur ansatzweise thematisiert. Teilweise werden starke relationale Bindungen zwischen Anbietern und Kunden als Voraussetzung für einen offenen Austausch proprietärer Informationen angesehen (Rindfleisch/Moorman 2001, 2). Aus dieser Sicht ist Vertrauen eine wich-tige Ressource und konstituierende Bedingung für die Integration von Kunden in anbieterbezogene Wertschöpfungsprozesse. Umgekehrt kann eine frühe Integration und Beteiligung von einflussreichen Kunden das Vertrauen in die Organisation eines Anbieters als Ganzes fördern (Gulati 1995; Jaworski/Kohli 2006).

In dieser Hinsicht signalisieren Anbieter durch eine Einbindung nicht nur ein starkes Interesse an der Meinung der Kunden (Griffin/Hauser 1993, 1). Derartige Ansätze führen auch zu einer frühen Reduktion von Unsicherheiten und fördern die Anwend-barkeit entsprechender Lead User-Konzepte (Belz 2002, 150; Chesbrough et al. 2006; von Hippel 1986, 2006). In diesem Sinne ist davon auszugehen, dass sich eine effektive Integration von Kunden in eigene Wertschöpfungsprozesse positiv auf das Kundenvertrauen in die Organisation eines Anbieters auswirkt:

Prozesse Preise

Leistungen Branding

Gestaltung und Umsetzung von Prozessen zur

frühzeitigen Integration des Kunden in eigene

Wertschöpfungsprozesse.

Entwicklung und Anwendung von Preissystemen zur

Teilung von Chancen und Risiken aus gemeinsamen

Kooperationen.

Transfer von Leistungen zu Lösungen. Integration und

Anpassung eigener Leistungen mit dem Ziel einer

Förderung von Kundenvorteilen.

Optimierung des Corporate Branding. Umsetzung von

Initiativen zur Verbesserung von Marke, Image und

Reputation.

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H6: Je effektiver die Integration von Kunden in eigene Wertschöpfungsprozesse, desto stärker das Kundenvertrauen in die Organisation des Anbieters.

Bei einer Bewertung der Integration von Kunden im Sinne einer Beziehungsstrategiebleibt jedoch anzumerken, dass die Einführung, Umsetzung und Erhaltung von effek-tiven Integrationsprozessen mit vielfältigen Herausforderungen verbunden ist. Ent-sprechend sollten Anbieter ihre Kooperationsprozesse optimieren, um in den Genuss der skizzierten Vorteile zu kommen. Dabei ist es wesentlich, die richtigen Kunden für entsprechende Integrationsprojekte zu selektieren (Bonner/Walker 2004, 155; Herr-mann et al. 2007, 177) und mögliche Gegensätze zwischen Innovationsfähigkeit und Entwicklungsgeschwindigkeit (time-to-market) aufzulösen (Fang 2008, 80). Darüber hinaus sind dysfunktionale Nebenwirkungen auf die Kundenbeziehung zu vermeiden, die z.B. aus nicht erfüllten Kundenerwartungen in gemeinsamen Wertschöpfungs-prozessen resultieren können (Bendapudi/Leone 2003, 14).

Wertorientierte Preissysteme (Preisperspektive). Neben der Einbindung von Kunden in eigene Wertschöpfungsprozesse können Anbieter das Vertrauen der Kunden auch über die Gestaltung eigener Preissysteme stimulieren (Tellis 1986). Die Reaktion von Kunden auf alternative Preisstrategien ist nicht nur durch rationale Prinzipien bestimmt. Zusätzlich sind verhaltensorientierte Aspekte zu berücksichtigen, wie z.B. Wahrnehmungen und Präferenzen (Kim et al. 2009, 44). Daher bietet die Wahr-nehmung der Kunden in Bezug auf alternative Preismodelle einen zusätzlichen An-satzpunkt zur Förderung des Kundenvertrauens in die Organisation eines Anbieters. Wertorientierte Preissysteme binden das Konzept des Kundenvorteils in Anbieter-preise ein (Belz et al. 2004, 219). Damit spielen relevante Kennzahlen des Kunden bei der Preisfindung eine wesentliche Rolle (Bliemel/Adolphs 2003, 137). Die Parti-zipation an der Preisbestimmung erzeugt auf Kundenseite die Wahrnehmung erwei-terter Kontrollmöglichkeiten. Dieser Effekt reduziert aus Perspektive des Kunden die mit einer Kooperation verbundenen Risiken und stimuliert das Vertrauen in die Orga-nisation eines Anbieters (Chandran/Morwitz 2005, 249). Darüber hinaus führt eine Bindung der Anbieterpreise an die Erzeugung von Kundenvorteilen zu kooperativen Modellen der Chancen- und Risikoteilung. Damit sind klassische Zielkonflikte in der Zusammenarbeit auflösbar und die Kooperation erscheint als fair. Insgesamt wird daher von einem positiven Effekt wertorientierter Preisstrategien auf das Vertrauen der Kunden in die Organisation eines Anbieters ausgegangen:

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H7: Je stärker sich die Preismodelle eines Anbieters an der Erzeugungvon Kundenvorteilen orientieren, desto stärker ist das Kundenvertrauen in die Organisation dieses Anbieters.

Die Umsetzung wertorientierter Preismodelle als organisationale Beziehungsstra-tegie ist ebenfalls mit einigen Herausforderungen verbunden. Beispielsweise erfor-dert die Orientierung von Preisen an Kundenmerkmalen eine valide und reliable De-finition und Messung des Kundenvorteils über den gesamten Kooperationsprozess. Dabei steht besonders die Verbindung zwischen den Leistungen eines Anbieters und der Erzeugung zusätzlicher Kundenvorteile zur Diskussion. Aus dieser Sicht bleibt die schnelle und praktikable Umsetzung derartiger Preismodelle ein schwieriges Un-terfangen.

Kundenlösungen (Leistungsperspektive). Über Prozesse und Preise hinaus können Anbieter das Kundenvertrauen auch durch ihre Leistungsstrategien beeinflussen. Aufgrund der Intensivierung des Wettbewerbs in vielen Branchen und der weitge-henden Vergleichbarkeit vieler Produkte positionieren etliche Anbieter ihre Leistun-gen als Lösungen für die Herausforderungen der Kunden (Davies et al. 2006, 39; Herrmann 1998, 57, Wise/Baumgartner 1999, 133). Eine ernsthafte und nachhaltige Orientierung an Kundenlösungen führt zu fundamentalen Veränderungen der ange-botsseitigen Produkt- und Servicestrategien (Srivastava et al. 1999, 178). Dieser Wandel drückt sich im Allgemeinen durch einen Wechsel von vorgefertigten Pro-dukten und Dienstleistungen zu kundenzentrierten Lösungen aus. Dabei stellt sich die Frage, was genau unter einer Lösung zu verstehen ist und wie sich lösungs-orientierte Leistungsstrategien differenzieren.

Tuli et al. (2007, 8) belegen durch eine empirische Untersuchung, dass die meisten Kunden über ein klare Sichtweise und Erwartungshaltung in Bezug auf Kunden-lösungen verfügen. So werden beispielsweise implementierte und überprüfte Pro-zesse zur Analyse von Kundenbedürfnissen erwartet. Ein Anbieter muss diesbezüg-lich ein Verständnis für das Denken, Fühlen und Handeln des Kunden in seinem spezifischen Kontext entwickeln (Esch et al. 2008, 40). Produkte und Dienstleistun-gen sind mit Hinblick auf diese Bedürfnisse anzupassen und in Kundenprozesse zu integrieren. Darüber hinaus ist in der After Sales-Phase ein kontinuierlicher und regelmäßiger Service umzusetzen.

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Schließlich zeigen die Untersuchungen von Tuli et al. (2007, 13), dass Kunden ihre Anbieter systematisch mit Hinblick auf die Umsetzung von Kundenlösungen evaluie-ren bzw. eine Zusammenarbeit mit ausgeprägten Lösungsanbietern präferieren. Aus dieser Perspektive ist daher von einer positiven Wirkung von Kundenlösungen auf das Vertrauen der Kunden in die Organisation eines Anbieters auszugehen.

H8: Je stärker die Leistungen eines Anbieters auf Kundenlösungen ausgerichtet sind, desto stärker das Kundenvertrauen in dieOrganisation dieses Anbieters.

Reputation (Brandingperspektive). Schließlich hat die Forschung bereits mehrfach die Reputation eines Anbieters als Bedingung für die Entwicklung von Vertrauen auf Kundenseite konzeptualisiert und empirisch überprüft (Belz 2004b, 29; Do-ney/Cannon 1997, 39; Einwiller et al. 2005, 24). Eine hohe Reputation auf Unter-nehmensebene kann von der gesamten Organisation eines Anbieters genutzt werden, denn Reputation erweitert die eigene Glaubwürdigkeit aus Kundensicht (Ganesan 1994, 5). Tschannen-Moran und Hoy (2000, 547) zeigen, dass bei einer hohen Reputation negative Ereignisse einfacher verarbeitet werden und der Negativ-effekt auf das Vertrauen der Kunden deutlich schwächer ausfällt. Bei der Bewertung der Reputation eines Anbieters orientieren sich Kunden an eigenen Erfahrungen, aber auch an Einschätzungen und Referenzen anderer Kunden. Daher ist die Repu-tation eines Anbieters in Bezug auf die Umsetzung werthaltiger Kooperationen für Kunden ein wesentliches Auswahlkriterium (Anderson/Weitz 1989, 313). Kunden entwickeln Vertrauen auf der Grundlage eigener Erfahrungen, Referenzen sowie Meinungsbilder einer gesamten Branche. Die Wahrnehmungen der Kunden prägen in dieser Hinsicht die Reputation eines Anbieters und führen zu Vertrauen bzw. Miss-trauen gegenüber der gesamten Anbieterorganisation. Daher wird von einem posi-tiven Zusammenhang zwischen der Reputation eines Anbieters und der Entwicklung von Vertrauen auf Seiten der Kunden ausgegangen.

H9: Je besser die Reputation eines Anbieters, desto stärker dasKundenvertrauen in die Organisation dieses Anbieters.

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4. Auswirkungen von Vertrauen auf Kundenseite

Die in Teil 2 dargestellten Grundlagen aus der Organisationstheorie und Relationship Marketing Forschung fokussieren v.a. die positiven Auswirkungen von Vertrauen in Austauschbeziehungen. Aus dieser Perspektive führt Vertrauen zum Beispiel zu einer höheren Kundenloyalität (De Wulf et al. 2001, 33; Sirdeshmukh et al. 2002, 15), einer Verbesserung der Kooperationsqualität (Anderson/Narus 1990, 44; Mor-gan/Hunt 1994, 26) sowie Kundenreferenzen und aktiven Weiterempfehlungen (word of mouth) (Hennig-Thurau et al. 2002, 230).

Dabei lassen sich die direkten Auswirkungen von Vertrauen im Wesentlichen in zwei Kategorien einstufen. Zum einen erzeugt Vertrauen eine starke Motivation zur Etablierung oder Fortsetzung von Beziehungen (= Loyalität, Commitment). Darüber hinaus hat Vertrauen einen positiven Effekt auf die Qualität der aktuellen Zusam-menarbeit (= Kooperation).

Im Rahmen der vorliegenden Dissertation ist davon auszugehen, dass sich erst durch die Erzeugung dieser unmittelbaren Effekte indirekte Auswirkungen von Ver-trauen entfalten. Aus dieser Sicht sind Kundenreferenzen, aktive Weiterempfehlun-gen oder sogar Auswirkungen auf die finanzielle Performance der beteiligten Partei-en als Effekte von hoher Loyalität und qualitativ hochwertiger Kooperation zu be-trachten (Reynolds/Beatty 1999, 11; Siguaw et al. 1998, 99).

Auch die in Teil 2 dargestellten Vertrauensnachteile basieren auf den durch Vertrau-en ausgelösten Loyalitäts- und Commitmenteffekten. Daher kann das Risiko von Ver-trauensbeziehungen als indirekter Vertrauenseffekt und direktes Ergebnis eines ex-zessiven Beziehungscommitments aufgefasst werden (Gargiulo/Ertug 2006). Im Rahmen des skizzierten Forschungsmodells werden nur die direkten Vertrauens-effekte (Loyalität und Kooperation) untersucht. Dabei ist nach Palmatier et al. (2007, 185) besonders beim Thema Loyalität eine Trennung zwischen der Verbundenheit des Kunden zu einzelnen Personen auf Anbieterseite und der Kundenloyalität in die Organisation eines Anbieters sinnvoll. Durch die Differenzierung der beiden Loyali-tätskonstrukte lassen sich u.a. die in Teil 2 skizzierten Negativeffekte von Vertrauen konzeptionell erklären.

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Loyalität zu Personen. Vertrauen lässt sich wie bereits skizziert als Bedingung für die Erweiterung der Kundenloyalität konzeptualisieren (De Wulf et al. 2001, 33; Sir-deshmukh et al. 2002, 15). Ein signifikanter Teil der Loyalität eines Kunden zu einem Anbieter basiert jedoch auf Beziehungen zu individuellen Personen auf Anbieterseite (z.B. zu spezifischen Vertriebsbeauftragten) (Beatty et al. 1996, 223; Berry 1995, 236). Das Konstrukt der Loyalität zu Personen umfasst daher die Einstellung und das Verhalten des Kunden in Bezug auf die Erhaltung und Fortführung einer Beziehung mit Einzelpersonen auf Anbieterseite (Palmatier et al. 2007, 185).

Eine derartige Loyalität erzeugt gleichzeitig auch vorteilhafte Auswirkungen für den Anbieter als Organisation. Jedoch ist die Loyalität eines Kunden zu Einzelpersonen für den Anbieter auch mit Risiken verbunden. Diese manifestieren sich in konkreten Nachteilen, wenn eine Vertrauensperson des Anbieters das Unternehmen verlässt bzw. im schlimmsten Fall sogar zu einem Wettbewerber mit vergleichbaren Produk-ten und Dienstleistungen wechselt (Macintosh/Lockshin 1997; Reynolds/Beatty 1999). Darüber hinaus kann ein durch exzessives Vertrauen bedingtes starkes Commitment zu negativen Beziehungseffekten auf beiden Seiten führen (Gargiu-lo/Ertug 2006, 175). Zunächst ist jedoch davon auszugehen, dass sich eine Aus-weitung der Vertrauensbeziehung zwischen Einzelpersonen auf Anbieter- und Kun-denseite positiv auf die Kundenloyalität gegenüber einzelnen Personen auswirkt.

H10: Je stärker das Vertrauen in spezifische Personen eines Anbieters, desto stärker die Loyalität des Kunden gegenüber diesen Personen.

Kooperation. Das Konstrukt Kooperation beschreibt das Ausmaß der koordinierten und komplementären Aktivitäten der beteiligten Parteien mit Hinblick auf die Realisie-rung gemeinsamer Ziele (Morgan/Hunt 1994, 26). Sobald ein gewisses Maß an Ver-trauen zwischen Anbietern und Kunden etabliert ist, überwiegen für die Kooperati-onspartner die Ergebnisvorteile aus integrierten und koordinierten Aktivitäten. Der Ergebnisvorteil drückt sich in den Mehrwerten aus, die spezifisch auf die Kooperation zurückzuführen sind. In der Regel übersteigen diese Mehrwerte die Vorteile aus den alternativen Opportunitäten einer einzelnen Partei (Achrol 1991, 77; Alderson 1965, 239; Dwyer et al. 1987, 347; Thorelli 1986, 37).

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Daher können aus effektiven Kooperationen Vorteile für Anbieter und Kunden entstehen (Anderson/Narus 1990, 45). Die positiven Effekte von Vertrauen auf die Qualität der Kooperation wurden bereits in verschiedenen Untersuchungen belegt (Anderson/Narus 1990, Morgan/Hunt 2004; Palmatier et al. 2006). Innerhalb des skizzierten Forschungsmodells ist Kooperation darüber hinaus die einzige Ergebnis-variable, die einer positiven Beeinflussung durch beide Vertrauensdimensionen unterliegt. Kunden sind an einer Zusammenarbeit mit vertrauenswürdigen Personen und Organisationen interessiert. Daher hat sowohl das Kundenvertrauen in einzelne Personen auf Anbieterseite als auch das Vertrauen in die gesamte Anbieterorga-nisation einen positiven Effekt auf die Qualität der Kooperation:

H11: Je stärker das Vertrauen in spezifische Personen eines Anbieters, desto höher die Qualität der Kooperation zwischen Anbieter und Kunde.

H12: Je stärker das Vertrauen in die Organisation eines Anbieters,desto höher die Qualität der Kooperation zwischen Anbieter und Kunde.

Loyalität zur Anbieterorganisation. Die Loyalität zur Anbieterorganisation umfasst die Einstellungen und das Verhalten des Kunden in Bezug auf die Erhaltung und Fort-führung einer Beziehung mit einem Anbieter als Unternehmen (Sirdeshmukh et al. 20021 15). Eine hohe Kundenloyalität gegenüber der Anbieterorganisation kann sich beispielsweise in der Zuordnung höherer Budgetanteile (share of wallet), Wieder-holungskäufen oder pro-aktiven Weiterempfehlungen (word of mouth) manifestieren (Zeithaml et al. 1996, 31). Die unterstellte Beziehung zwischen Vertrauen und Loyali-tät leitet sich aus Reziprozitätsüberlegungen ab. Wenn es Anbietern gelingt, durch spezifische Beziehungsstrategien das Vertrauen der Kunden zu stimulieren, ver-ringert sich aus Kundensicht das wahrgenommene Risiko weiterer Transaktionen. Kunden können auf diese Weise die Auswirkungen weiterer Interaktionen besser vorhersagen oder streben nach einer wiederholten Wertgenerierung durch erneute Kooperationen (Mayer et al. 1995, 709). Offensichtlich beruht die Loyalität des Kun-den gegenüber einem Anbieter als gesamtes Unternehmen nicht alleine auf der einzelnen Beziehung zu einer Person. Über die Einzelbeziehung hinaus sind weitere Aspekte erforderlich, die eine Beziehung zur Organisation als Ganzes wertvoll erscheinen lassen. Daher unterstellt das skizzierte Forschungsmodell eine positive Beziehung zwischen Vertrauen und Loyalität eines Kunden in den Anbieter als Orga-nisation:

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H13: Je stärker das Vertrauen in die Organisation eines Anbieters,desto stärker die Loyalität des Kunden gegenüber dieser Organisation.

Negativeffekte von Vertrauen. Die in Teil 2 beschriebenen Negativeffekte von Ver-trauen sind innerhalb des dargestellten Forschungsmodells nicht explizit enthalten. Dennoch lassen sich konzeptionelle Überlegungen zur Verortung potentieller Ver-trauensprobleme adressieren. Mögliche Negativfolgen von Vertrauen sind wie bereits skizziert stark mit den erhofften positiven Auswirkungen von Vertrauen verbunden (Gargiulo/Ertug 2006). Vertrauen führt zu einer Erweiterung von Loyalität und Com-mitment in der Beziehung zwischen Anbietern und Kunden. Dies unterstützt den Aus-tausch sensibler Informationen, begrenzt opportunistische Verhaltensweisen und reduziert die Wahrscheinlichkeit einer abrupten Beendigung der Beziehung (Saparito et al. 2004, 400; Uzzi 1996, 674). Jedoch können Commitment und Loyalität auch zu einer sozialen Lähmung der Beziehung führen und die Beteiligten in einer wenig effektiven Kooperation binden (Gargiulo/Benassi 2000, 183). Derartige Effekte treten besonders stark auf, wenn Einzelpersonen auf Anbieter- und Kundenseite zu stark auf eigene Interessen fokussiert sind und die Effektivität einer vertrauensvollen Ein-zelbeziehung für die jeweilige Gesamtorganisation ausblenden (Gargiulo/Ertug 2006). Die Vorteile individueller Beziehungen liegen nach Palmatier et al. (2006, 141) darin, dass im Vergleich zu organisationalen Kooperationen relativ schnell eine hohe Beziehungsintensität sowie ein ausgeprägtes Vertrauen realisiert werden können. Das individuelle Vertrauen kann jedoch auch exzessive Züge annehmen und damit zu den skizzierten Risikofaktoren führen. Aus konzeptioneller Sicht lassen sich damit die Negativeffekte von Vertrauen in einer multidimensionalen Vertrauenskonzeption durch die isolierte Konzentration auf personenbezogene Beziehungsstrategien erklä-ren.

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5. Kundenspezifische Moderatoren der Vertrauensdynamik

Nach zwei Dekaden intensiver Relationship Marketing Forschung sind die Haupt-effekte eines homogenen Vertrauenskonstrukts weitgehend untersucht (Palmatier et al. 2006, 152). Daher sind differenzierte Forschungsmodelle erforderlich, die weiter-führende Aussagen über Kontextfaktoren der Wirksamkeit von RM Programmen zu-lassen. Bisher sind mit Hinblick auf Moderatoreffekte nur sehr generische Zu-sammenhänge untersucht, z.B. die Unterschiede zwischen Konsumenten- und Unternehmensmärkten (Anderson/Narus 2004), Produkt- versus Servicegeschäfte (Zeithaml et al. 1985) sowie Direkt- und Mehrkanalvertriebssysteme (Anderson/Weitz 1989). Eine multidimensionale Konzeptualisierung des Vertrauenskonstrukts ermög-licht die Untersuchung differenzierterer Moderatoreffekte. Beispielsweise lassen sich die Kontextwirkungen einer langfristigen Beziehungsorientierung (Ganesan 1994, 2) und die Effekte extravertierter Einzelpersonen auf Kundenseite evaluieren (McCrae/Costa 2006, 49).

Beziehungsorientierung. Anbieter müssen die Beziehungsorientierung ihrer Kunden kennen, um wirkungsvolle Marketingmaßnahmen zu entwickeln. Dabei spielen besonders die zeitlichen Präferenzen des Kunden eine Rolle (Ganesan 1994, 1). Eine unzureichende Analyse der kundenseitigen Beziehungsorientierung kann beispielsweise dazu führen, dass Relationship Marketing Programme eingesetzt werden, obwohl eigentlich transaktionale Marketingstrategien angezeigt sind. Wer Kunden mit komplexen Lösungen und strategischen Partnerschaften adressiert, obwohl eine einfache Transaktion gewünscht ist, hat seine Marketingstrategie dys-funktional ausgerichtet und verschwendet damit auch die Ressourcen des Kunden (Belz/Bußmann 2002, 53). Bei spezifischen Kundentypen mit kurzfristig ausgelegten Beziehungspräferenzen führen Relationship Marketing Programme daher nicht zu den gewünschten Wirkungen. Somit kann unterstellt werden, dass besonders Kun-den mit langfristigen Kooperationsinteressen für das Beziehungsmarketing geeignet sind (Ganesan 1994, 14). Die zeitliche Orientierung der Beziehungspräferenzen des Kunden ist folglich ein wichtiges Element der Beziehungsstrategie eines Anbieters.

Langfristig orientierte Kunden haben bereits häufig Erfahrungen mit strategischen Partnerschaften gemacht. Folglich sind derartige Kunden allgemein interessierter an gemeinsamen Kooperationen. Besonders organisationale Beziehungsstrategien las-sen sich unter diesen Bedingungen leichter und wirkungsvoller implementieren.

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Aus dieser Perspektive verändert sich die grundsätzliche Beziehungsorientierung einer Kundenorganisation nur langsam. Das Beziehungsmuster der Kundenorga-nisation repräsentiert einen relativ konstanten Moderator für die Effektivität der Be-ziehungsstrategien auf Anbieterseite:

H15: Je stärker die langfristige Ausrichtung der Beziehungsorientierung eines Kunden, desto stärker ist der Zusammenhang zwischen den Bedingungenfür Vertrauen und den multidimensionalen Vertrauenskonstrukten.

Extraversion. Darüber hinaus ist die Effektivität von RM Strategien durch personale Aspekte auf Kundenseite bestimmt, insbesondere durch relationale Persönlichkeits-präferenzen. Anbieter müssen in diesem Sinne die persönlichen Präferenzen und individuellen Eigenschaften ihrer Ansprechpartner berücksichtigen (Wheeler et al. 2005, 787). Die Forschung zur Genese von Persönlichkeitsstrukturen bietet kon-sistente Evidenz für die Annahme, dass das Verhältnis von Extraversion und Intro-version ein zentrales Merkmal zur Differenzierung alternativer Persönlichkeitstypen darstellt (McCrae/Costa 1987; 2006). Extravertierte Menschen suchen und genießen die soziale Interaktion mit anderen. Introvertierte Personen haben dagegen einen niedrigeren Schwellenwert für derartige Interaktionen und empfinden kontinuierliche Interaktion als erschöpfend (Eysenck et al. 1985, 21; McCrae/Costa 2006, 49).

Da die Umsetzung von RM Programmen ein gewisses Maß an sozialer Interaktion zwischen den Beteiligten voraussetzt, lassen sich relationale Bindungen einfacher mit extravertierten Kunden aufbauen. Aus dieser Sicht hat die Extraversion des Kun-den einen positiven Einfluss auf die Effektivität von Beziehungsstrategien:

H16: Je stärker die Extraversion einer Einzelperson auf Kundenseite, desto stärker ist der Zusammenhang zwischen den Bedingungen für Vertrauen und den multidimensionalen Vertrauenskonstrukten.

Insgesamt lassen sich unter Heranziehung der skizzierten organisationalen und in-dividuellen Kontextfaktoren differenzierte Moderatoreffekte für die Wirksamkeit von RM Strategien ableiten. Im Gegensatz zur Beschreibung generischer Zusammen-hänge bieten diese Überlegungen ein konkretes Potential für die Marketingpraxis.

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6. Zwischenfazit: Bezug des Forschungsmodells zu den Forschungsfragen

Das skizzierte Forschungsmodell bildet einen konzeptionellen Rahmen zur Unter-suchung der in Teil 1 skizzierten Forschungsfragen. Dabei bietet die modellimma-nente Trennung der beiden Untersuchungsebenen “Vertrauen in Personen“ und “Vertrauen in die Organisation“ eine theoretische Basis für die in Forschungsfrage (1) formulierte multidimensionale Konzeptualisierung des Vertrauenskonstrukts. Darüber hinaus beinhaltet das Forschungsmodell ein Konzept zur Evaluation der Bedingun-gen und Auswirkungen für das Vertrauen der Kunden in einen Anbieter. Damit wird nur eine Seite der Vertrauensdynamik adressiert, die in Forschungsfrage (2) abge-bildet ist. Zu den Bedingungen und Auswirkungen des Vertrauens der Anbieter in einen Kunden finden sich bisher in der Relationship Marketing Forschung nur wenige Anhaltspunkte. Daher ist dieser Gegenstand von Forschungsfrage (3) außerhalb der Modellstruktur explorativ zu untersuchen.

In Bezug auf Forschungsfrage (4) lassen sich hingegen Moderatoreffekte durch die Berücksichtigung der Beziehungsorientierung und Extraversion des Kunden inner-halb des Modells abbilden. Im Sinne einer Theorieerweiterung sind im Rahmen der empirischen Untersuchung weitere relevante Kundenmerkmale zu explorieren. For-schungsfrage (5) bzw. der Unterschied in der Sichtweise von Anbietern und Kunden ist im Rahmen der Modellbildung zwar nicht explizit berücksichtigt, jedoch lassen sich die formulierten Hypothesen aus Anbieter- und Kundenperspektive evaluieren.

Schließlich ist Forschungsfrage (6) durch die Formulierung organisationaler Bezie-hungsstrategien innerhalb des formulierten Modells grundsätzlich adressiert. Damit sind die konzeptionellen Grundlagen für die empirische Untersuchung des For-schungsmodells in ausreichender Tiefe vorhanden.

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Teil 4: Forschungsmethodik

1. Methodischer Ansatz

In Bezug auf die Entwicklung eines geeigneten methodischen Ansatzes zur Be-antwortung der in Teil 1 skizzierten Forschungsfragen und der Untersuchung des in Teil 3 entwickelten Forschungsmodells ist zunächst die gewählte wissenschafts-theoretische Positionierung der vorliegenden Dissertation relevant. In dieser Hinsicht ist wie bereits argumentiert ein integrativer Ansatz maßgeblich, der sich auf ein Grundverständnis der Marketingforschung als angewandte Wissenschaft bezieht (Ul-rich 1984, 23). Die Funktion der Forschung besteht entsprechend in der Entwicklung von Beiträgen zur Lösung praxisrelevanter Fragestellungen (Dyllick/Tomczak 2007, 76).

Aus methodischer Sicht bietet eine derartige Positionierung Raum für konfirmative und explorative Forschungsansätze. Zum einen besteht in der Unternehmenspraxis ein Interesse an empirisch überprüften und intersubjektiv gültigen Erklärungszusam-menhängen (Raffée 1984, 17). Daher ist das in Teil 3 entwickelte Forschungsmodell durch geeignete Forschungsmethoden empirisch zu überprüfen. Ein isolierter Fokus auf die Theorieprüfung limitiert jedoch die praktische Problemlösungskraft der For-schung und vernachlässigt darüber hinaus mögliche Erkenntnisgewinne im Sinne der Theorieentwicklung (Dyllick/Tomczak 2007, 76). Daher werden über die konfirmative Modellprüfung hinaus (gemäß einer explorativen Forschungsstrategie) durch Aus-einandersetzung mit der Unternehmenspraxis Ansatzpunkte für eine zukünftige Er-weiterung entsprechender Theorien des Relationship Marketing gewonnen. Die skiz-zierten organisationalen Beziehungsstrategien lassen sich abschließend auf Grund ihrer Bedeutung für die Unternehmenspraxis anhand einer vertiefenden Analyse durch Fallstudien genauer beschreiben. Der dargestellte forschungsmethodische Ansatz ist in Abb.16 skizziert.

Als Untersuchungsobjekt werden Beziehungen zwischen Anbietern und Kunden bei der Gestaltung von Informationstechnologie(IT)-Lösungen herangezogen (siehe Ab-satz 2). Dabei lässt sich das skizzierte Forschungsmodell durch eine standardisierte Befragung zunächst getrennt aus Anbieter- und Kundenperspektive überprüfen (sie-he Absatz 3.1.). Parallel erfolgt eine qualitative Befragung, um die einzelnen Konstrukte des Forschungsmodells inhaltlich anzureichern und Ansatzpunkte für die weitere Theorieentwicklung abzuleiten (siehe Absatz 3.2.).

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Abb.16: Forschungsmethodischer Ansatz

Der methodische Ansatz sieht folglich eine gleichzeitige Untersuchung des entwickel-ten Forschungsmodells aus Anbieter- und Kundenperspektive vor. MultidimensionaleAnalysestrategien sind in der Marketingforschung bisher unterproportional vertreten, bieten jedoch aus theoretischer und praktischer Sicht einige Vorteile. So lassen sich aus der Analyse von Unterschieden zwischen der Anbieter- und Kundenperspektive interessante Ansatzpunkte für die Theorieentwicklung ableiten. Für die Unter-nehmenspraxis sind aus der vergleichenden Evaluation Aussagen mit Hinblick auf die Optimierung bestehender Relationship Marketing Programme zu erwarten. Die methodische Umsetzung der vergleichenden Analyse ist in Absatz 4 beschrieben.

Schließlich sind mit Hinblick auf die in Teil 1 skizzierten Forschungsfragen v.a. orga-nisationale Beziehungsstrategien differenziert zu evaluieren. Methodisch bieten Fall-studien einen funktionalen Untersuchungskontext zur vertieften Analyse der fokussierten Themenbereiche. Eine ausführliche Beschreibung der vorgesehenen Fallstudienmethodik findet sich in Absatz 5.

Forschungsfragen (Teil 1)

Theoretische Grundlage (Teil 2) & Forschungsmodell (Teil 3)

Vergleichende Analyse, Anbieter- und Kundenperspektive (Absatz 4)

Vertiefende Analyse, Fallstudien (Absatz 5)

Untersuchungsobjekt

Befragung von Anbietern und Kundenin der Informationstechnologiebranche

(Absatz 2)

Forschungsmethodik (Teil 4)

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2. Untersuchungsobjekt, Aufbau der Stichprobe

Mit Hinblick auf das relevante Untersuchungsobjekt werden Business-to-Business-Beziehungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz herangezogen. Dabei geht es im Detail um Kunden für Informationstechnologie(IT)-Lösungen. Derartige Lösungen beziehen sich häufig auf eine Erhöhung von Effektivität und Effizienz des Kerngeschäfts unter Anwendung der Möglichkeiten der modernen Informations-technologie. Lösungen erfordern in diesem Bereich in der Regel spezifische Kombi-nationen aus Hardware, Software und Dienstleistungen.

Die Kundenstichprobe ist folglich branchenübergreifend aufgebaut, jedoch auf den Bezug einer spezifischen Leistung begrenzt (= IT-Lösungen). Als relevante Unter-suchungseinheit kommt aus Kundensicht die jeweilige IT-Abteilung der Unternehmen in Frage. Daher lässt sich das Top-Management bzw. der CIO (Chief Information Officer) der IT-Abteilung als Ansprechpartner für die Untersuchung identifizieren. In Bezug auf die Ansprache von CIOs wurde die Adressliste eines kommerziellen Direktmarketinganbieters erworben und nach regionalen (= Deutschland, Österreich, Schweiz) und organisationalen (= Unternehmen > 1.000 Mitarbeiter/innen) Merk-malen gefiltert. Nach der Löschung unvollständiger Adressen konnte eine initiale und branchenübergreifende Stichprobe von 3.226 Unternehmen generiert werden. Diese Unternehmen erhielten im Oktober 2008 eine Einladung zur Teilnahme an der Unter-suchung. Dabei wurden auch die Untersuchungsziele und der Untersuchungs-prozess dargestellt.

Mit einer Response-Quote von 10.42% haben schließlich 336 CIOs einer Teilnahme an der Untersuchung zugestimmt. Zunächst sollten die CIOs jeweils fünf Anbieter selektieren, mit denen sie in den letzten zwei Jahren IT-Lösungsprojekte umgesetzt haben. Dabei sollte die Auswahl durch die CIOs in Bezug auf die vier Kriterien Unternehmensgröße, Dauer der Beziehung zum Kunden, Share of Wallet und Inhalt der Zusammenarbeit möglichst heterogen ausfallen. Auf Grundlage der Vorauswahl durch die CIOs konnten aus den bestehenden Beziehungsportfolios (= 1 CIO zu 5 Anbietern) 336 dyadische Anbieter-/Kundenbeziehungen gezogen werden. Dazu wurde jeweils zufällig einer der fünf durch die CIOs selektierten Anbieter im Sinne einer Zufallsstichprobe als Bezugspunkt ermittelt. Im Anschluss daran erhielten die 336 Anbieter bzw. die jeweils für den CIO verantwortlichen Key Account Manager eine Einladung zur Teilnahme an der Untersuchung. Auf Basis einer Response-Quote von 98% folgten daraus 330 dyadische Beziehungen als Stichprobe für den weiteren Prozess (siehe Abb.17).

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Abb.17: Aufbau der Stichprobe

Bei der Güte der Stichprobe besteht auf Grund der Fokussierung auf eine einzelne Leistung (= IT-Lösungen) eine Limitation mit Hinblick auf die externe Validität der Forschungsergebnisse (Calder et al. 1982, 240). Offensichtlich sind die Ergebnisse der vorliegenden Forschung nicht ad hoc als allgemeingültig für alle Formen von Kundenbeziehungen zu postulieren. Die im Rahmen dieser Dissertation untersuchte Stichprobe umfasst verantwortliche Führungskräfte für die Umsetzung von IT-basierten Service- und Lösungsgeschäften auf Anbieter- und Kundenseite. Für der-artige Interaktionen sind beidseitig typische Rollenmodelle beschrieben. In Bezug auf die von Palmatier et al. (2006, 151) definierten Kontextfaktoren für die Wirksamkeit von Relationship Marketing Programmen ist die Stichprobe daher den Kategorien Servicegeschäfte, Business-to-Business-Beziehungen und Multi-Channel Vertriebs-modelle zuzuordnen. Die Untersuchung ist folglich auf Praxisbereiche limitiert, in de-nen die skizzierten Effekte des Relationship Marketing besondere Bedeutung haben. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Ergebnisse der vorliegenden Forschung für andere Bereiche nicht gültig sind (z.B. auf Produktgeschäfte oder Konsumentenmärkte). Jedoch ist der Transfer der Erkenntnisse der vorliegenden Forschung auf einen anderen Untersuchungskontext spezifisch zu untersuchen.

In Summe lässt sich durch die Eingrenzung auf die Informationstechnologiebranche unter Annahme der skizzierten Limitationen zum einen die skizzierte Vertrauens- und Beziehungsdynamik ausreichend reflektieren. Zum anderen ist dadurch ein guter empirischer Zugang gegeben. Die gewählte Stichprobe ist folglich für den For-schungsansatz qualitativ geeignet.

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3. Befragung von Anbietern und Kunden

Mit den Anbietern und Kunden der Stichprobe (jeweils n = 330) konnte eine Be-fragung in Bezug auf die gemeinsame Zusammenarbeit durchgeführt werden. Dabei dienten die in Teil 1 formulierten Forschungsfragen bzw. das in Teil 3 entwickelte Forschungsmodell als konzeptionelle Grundlage. Die Befragung erfolgte jeweils tele-fonisch in Form von Einzelinterviews. Durch diese Vorgehensweise ist eine optimale Analyse durch Transkription der einzelnen Interviews möglich. Darüber hinaus kön-nen damit typische Verzerrungen einer schriftlichen Befragung (non-response bias, late response-bias) ausgeblendet werden. Innerhalb eines einzelnen Interviews ka-men verschiedene Befragungstechniken zum Einsatz, die eine quantitative und quali-tative Untersuchung des formulierten Forschungsmodells ermöglichen.

3.1. Quantitative Untersuchung

Der Teil des Fragebogens zur quantitativen Untersuchung bezieht sich auf eine Überprüfung des in Teil 3 entwickelten Forschungsmodells und der darin formulierten Hypothesen. In diesem Sinne leistet die quantitative Untersuchung einen Beitrag zur zielorientierten Weiterentwicklung der Relationship Marketing Theorie. Die Frage-bogen- und Testentwicklung basierte auf etablierten Verfahren nach Churchill (1979) sowie Gerbing und Anderson (1988). Die erhobenen Daten konnten im Anschluss an die Befragung mit kovarianzbasierten Strukturgleichungsmodellen unter Anwen-dung von LISREL 8.80 ausgewertet werden (Homburg et al. 2008a).

3.1.1. Entwicklung des Fragebogens

Der Entwicklungsprozess basierte auf jeweils fünf initialen Interviews mit CIOs und Key Account Managern. Diese explorativen Interviews lieferten relevante Sicht-weisen zu den Konstrukten des Forschungsmodells aus der Unternehmenspraxis. Auf Basis der explorativen Interviews und einer ausführlichen Durchsicht der bis-herigen Forschung konnte eine erste Version des Fragebogens für Anbieter und Kunden entwickelt werden. Dazu wurden die Konstrukte des Modells in ihren Merk-malsausprägungen definiert sowie für die Befragung operationalisiert (Bortz/Döring 2006, 62; Singleton/Straits 2005, 78). Überwiegend konnten bereits getestete Items verwendet und für den Untersuchungskontext angepasst werden (Bruner/Hensel 2005; Bearden/Netemeyer 1999).

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So beziehen sich bei den personalen Beziehungsstrategien die Items für Expertise auf entsprechende Vorarbeiten von Doney und Cannon (1997, 49). Zusätzlich zu den getesteten Items für die fachliche Expertise von Vertriebsbeauftragten wurde ein Item zur Bewertung der Branchenkompetenz hinzugefügt. Die Items für den Faktor Kom-munikation orientieren sich an empirischen Untersuchungen von Anderson und Weitz(1992, 32). Dabei wurde sowohl das pro-aktive Informationsverhalten des Anbieters, als auch die Fähigkeit zur Erfassung der Kundenbedürfnisse als Item aufgenommen. Zusätzlich wurde ein Item zur Messung der allgemeinen Werthaltigkeit der Kommu-nikation mit aufgenommen.

In Bezug auf den Faktor opportunistisches Verhalten konnte bei der Entwicklung von Items auf die Untersuchung zur Commitment-Trust-Theorie von Morgan und Hunt(1994, 35) Bezug genommen werden. Bei den Items wurde v.a. der opportunistische Umgang mit Informationen und die fehlende Einhaltung von Zusagen getestet. Der Fragebogen beinhaltet zusätzlich ein Item, in dem allgemein die opportunistische Bevorzugung eigener Interessen auf Anbieterseite (im Vergleich zu den Interessen des Kunden) erfasst wird.

Bei der Entwicklung von Items zur Messung organisationaler Beziehungsstrategien konnten nur zum Teil bestehende Vorarbeiten herangezogen werden. Dies betrifft die Faktoren Kundenintegration und Reputation. Für die Konstrukte Preismodell und Kundenlösungen mussten dagegen neue Items entwickelt werden. Bei der Messung der Kundenintegration basieren die definierten Items auf der Untersuchung von Fang(2008, 101). Die entsprechende Forschung hat die Integration von Kunden in die Entwicklung neuer Leistungen auf Anbieterseite und die damit verbundene Inter-dependenz auf Prozessebene getestet. Daher ist für die Items relevant, ob der Kun-de grundsätzlich in die Entwicklungen auf Anbieterseite eingebunden ist, ein regel-mäßiger Austausch in dieser Phase erfolgt und der Kunde aus eigener Sicht Einfluss auf inhaltliche Fragen ausübt.

Hinsichtlich der Items für den Faktor Reputation konnten Items aus Arbeiten von Do-ney und Cannon (1997, 48) sowie Einwiller et al. (2005, 37) übernommen werden. Dabei kann die Reputation eines Anbieters prinzipiell direkt hinterfragt werden (z.B. dieser Anbieter hat einen guten Ruf; dieser Anbieter hat eine hohe Reputation). Zu-sätzlich wurde gemäß Doney und Cannon (1997, 48) erhoben, ob die Reputation des Anbieters durch ein hohes Interesse am Erfolg des Kunden geprägt ist.

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Wie bereits dargestellt mussten die Items für die Faktoren Kundenlösungen und Preismodell neu entwickelt werden. Dabei konnte in Bezug auf Kundenlösungen auf die Untersuchung von Tuli et al. (2007, 4) Bezug genommen werden. Auf Grund einer qualitativen Untersuchung betrachten Tuli et al. (2007) die Dimensionen Be-darfsermittlung, Individualisierung, Integration und Umsetzungsunterstützung als die aus Kundensicht wesentlichen Merkmale zur Beschreibung von Kundenlösungen. Daher wurden diese Merkmale in entsprechende Items übersetzt.

Die Orientierung von Preisen an der Erzeugung von Kundenvorteilen konnte analog zum Faktor Reputation direkt erfasst werden (z.B. dieser Anbieter orientiert seine Preise an der Erzeugung von Mehrwerten auf Kundenseite). Ergänzend wurde erfasst, ob sich in den Preisen des Anbieters eine Teilung von Chancen und Risiken reflektiert und ob die ROI-Betrachtung des Kunden bei der Preisgestaltung eine Rolle spielt.

Bei der Entwicklung von Items für die beiden fokalen Vertrauenskonstrukte wurden grundsätzlich die inhaltlichen Items von Doney und Cannon (1994, 49) verwendet. Diese beziehen sich auf Vertrauenswürdigkeit, Leistungsfähigkeit und good will der Mitarbeiter/innen eines Anbieters bzw. der Anbieterorganisation. Ein Problem stellte in dieser Hinsicht die differenzierte Messung der explizit einer Person bzw. explizit der Organisation zuzuweisenden Vertrauensanteile dar. Daher wurde innerhalb der Items stets ein Bezug zur Person (ohne die Organisation) oder zur Organisation (ohne die Person) integriert. Dies führt bei den Items im Anwendungsfall beispiels-weise zu folgenden Formulierungen:

Vertrauenin Personen

Ich würde den Mitarbeiter/innen dieses Anbieters auch dann vertrauen, wenn sie das Unternehmen wechseln.

Vertrauen in dieAnbieterorganisation

Ich würde diesem Anbieter auch vertrauen,wenn die mir bekannten Mitarbeiter/innendas Unternehmen wechseln.

Die Vorgehensweise entspricht dem Ansatz von Palmatier et al. (2007) bei der Diffe-renzierung personaler und organisationaler Loyalitätseffekte. Um die Zuordnung der Vertrauens- und Loyalitätsbildung auf Personen und Organisationen zu trennen, ist jeweils ein expliziter Ausschluss der jeweils anderen Vertrauensdimension erforder-lich. Insofern werden die Messungen auf einzelnen Items nicht durch Vertrauens- und Loyalitätseffekte einer anderen Ebene überlagert.

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Im Zuge der Messung der Zielkonstrukte des skizzierten Forschungsmodells konnte ebenfalls auf etablierte Items zurückgegriffen werden. Bei der Operationalisierungder personen- und organisationsgebundenen Loyalität basieren die Items auf der eben rezipierten Untersuchung von Palmatier et al. (2007, 197). Die Items konnten dabei jeweils in identischer Form für die vorliegende Untersuchung übernommen werden.

Bei der Operationalisierung des Konstrukts Kooperation konnte zum Teil auf empiri-sche Untersuchungen von Anderson und Narus (1990, 49) sowie Morgan und Hunt(1994, 35) zurückgegriffen werden. Dabei war es jedoch erforderlich, die Items deut-lich an den Untersuchungskontext anzupassen. Aus den bestehenden Vorarbeiten wurden die Aspekte komplementäre Unterstützung sowie gemeinsame Koordination als wesentliche Items für die Qualität der Kooperation extrahiert. Daneben wurde erhoben, ob die Kooperation von Anbietern und Kunden grundsätzlich als effektiv betrachtet wird.

In Bezug auf die Operationalisierung der moderierenden Konstrukte Beziehungs-orientierung und Extraversion standen erneut etablierte und geprüfte Items zur Ver-fügung. Für die Messung der Beziehungsorientierung der Kunden (langfristig vs. kurzfristig) konnten die häufig rezipierten Items nach Ganesan (1994, 15) verwendet werden. Das Konstrukt Extraversion wurde auf Basis des NEO-Fünf-Faktoren-Inventars (NEO-FFI) nach McCrae und Costa (1987, 2006) operationalisiert (Borke-nau/Ostendorf 2008). Das NEO-FFI basiert auf insgesamt 60 Items zur Er-hebung von fünf Persönlichkeitsfaktoren. Entsprechend basiert der Fragebogen bezüglich dieses Konstrukts auf den 12 relevanten Items für den Faktor Extraversion. Da sich die moderierenden Konstrukte auf die Erhebung von Kundenmerkmalen beziehen, stand dieser Teil des Fragebogens nur für die Kunden zur Verfügung. Folglich kann der Moderatoreffekt von Beziehungsorientierung und Extraversion auch nur aus Kundensicht überprüft werden.

Für die Messung der Konstrukte des Forschungsmodells wurde jeweils eine 7-stufige Likert-Skala verwendet. Eine Ausnahme bildete das Konstrukt Extraversion. Hier sieht das NEO-FFI bei den 12 Indikatoren für Extraversion eine 5-stufige Likert-Skala vor (Borkenau/Ostendorf 2008, 25). Diese Vorgabe wurde in der Untersuchung entsprechend beibehalten. Im Anschluss an die Entwicklung der Items wurde der Fragebogen mit jeweils fünf weiteren CIOs und Key Account Managern reflektiert, um die Verständlichkeit der Instruktionen und die verwendete Terminologie innerhalb des Fragebogens zu prüfen. Der optimierte Fragebogen konnte im April 2009 durch einen Pretest mit jeweils 100 CIOs und Key Account Managern getestet werden.

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Nach Eliminierung aller Items mit (1) niedrigen Faktorladungen, (2) hohen Ladungen auf anderen Faktoren oder (3) hohen Fehlerkorrelationen zeigte der Fragebogen im Pretest eine ausreichend hohe Validität und Reliabilität. Der finale Fragebogen für die Hauptuntersuchung ist inklusive einer Angabe von Quellen zu den einzelnen Items in Anhang A (= Kunden), Anhang B (= Anbieter) und Anhang C (= Modera-toren) dargestellt. Nach Entwicklung der Items und Durchführung des Pretests wur-den jeweils 220 CIOs und Key Account Manager in die Hauptuntersuchung im Mai und Juni 2009 einbezogen.

3.1.2. Auswertung mit kovarianzbasierten Strukturgleichungsmodellen

Durch die standardisierte Befragung lässt sich das skizzierte Forschungsmodell aus Anbieter- und Kundensicht analysieren. Für die Auswertung der Daten und die Modellprüfung bietet sich die Anwendung von kovarianzbasierten Struktur-gleichungsmodellen an. Dieser Ansatz zur Messung latenter Konstrukte und komple-xer Wechselwirkungen hat sich in der Marketingforschung seit geraumer Zeit durch-gesetzt (Herrmann et al. 2006, 35; Homburg/Baumgartner 1995, 162; Hom-burg/Giering 1996, 5). Unter kovarianzbasierten Strukturgleichungsmodellen ist ein multivariates Verfahren zu verstehen, welches auf der Basis von empirisch gemes-senen Varianzen und Kovarianzen der Indikatoren durch Parameterschätzung Rück-schlüsse auf die Beziehungen zwischen den latenten Konstrukten erlaubt (Homburg et al. 2008a, 550). Das Verfahren verbindet die Messung latenter Konstrukte unter Berücksichtigung von Messfehlern im Sinne der konfirmatorischen Faktorenanalyse (Homburg et al. 2008b, 271) mit der Analyse von Abhängigkeitsstrukturen in kom-plexen Pfadmodellen. Da der grundsätzliche Ansatz des Verfahrens inzwischen in unterschiedlichen Arbeiten ausführlich dokumentiert ist (Bollen 1989; Hom-burg/Hildebrandt 1998; Homburg/Dobratz 1998; Homburg/Pflesser 1999; Reinecke 2005; Schumacker/Lomax 2004) soll auf eine allgemeine Erörterung an dieser Stelle verzichtet werden.

Für die Auswertung der Befragungsdaten stehen heute unterschiedliche Software-pakete zur Verfügung, wobei das Programm LISREL die weiteste Verbreitung gefun-den hat. Entsprechend werden die Daten der vorliegenden Forschung mit LISREL 8.80 ausgewertet (Jöreskog/Sörbom 2001).

Die Durchführung der Datenauswertung orientiert sich dabei an den von Homburg et al. (2008a, 560) vorgeschlagenen Teilschritten. Nach der Modellspezifikation in LISREL 8.80 erfolgt die Schätzung der Modellparameter.

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Als Schätzverfahren ist die Maximum-Likelihood-Funktion (ML) zu präferieren. Da die Anwendung der ML-Funktion eine multivariate Normalverteilung der Daten voraus-setzt, ist diese Eigenschaft vorab unter Anwendung geeigneter Verfahren zur Prü-fung von Schiefe und Kurtosis der Verteilung zu prüfen (Mardia 1985; West et al. 1995, 61). Im Anschluss an die Parameterschätzung folgt die Modellbeurteilung. Da-bei geht es darum, inwieweit sich das spezifizierte Modell an die empirischen Daten anpasst bzw. wie gut die geschätzten Parameter mit den empirische Daten über-einstimmen. Für die Bewertung der Anpassungsgüte des geschätzten Modells wer-den lokale und globale Anpassungsmaße nach Homburg et al. (2008a, 562) ausge-wiesen. Auf dieser Grundlage können die erzielten Ergebnisse interpretiert werden.

Darüber hinaus ist die methodische Vorgehensweise bei der Untersuchung von Moderatoreffekten relevant. Die unterstellten Moderatoreffekte werden lediglich innerhalb der Kundenstichprobe mit Hilfe eines multiplen Gruppenvergleichs (multi sample analysis) untersucht (De Wulf et al. 2001, 44; Ping 1995, 336). Zur Über-prüfung der Messmodelle ist dabei für jede Moderatorvariable zunächst eine konfir-matorische Faktorenanalyse (KFA) durchzuführen (Backhaus et al. 2006, 330). Die Konfirmatorische Faktorenanalyse (KFA) ist ein multivariates Verfahren zur Messung latenter Konstrukte durch Indikatoren sowie zur gleichzeitigen Gütebeurteilung dieser Messung (Homburg et al. 2008b, 274). Zur Beurteilung der Güte der Messung werden relevante Anpassungsmaße nach Homburg et al. (2008b, 288) ausgewiesen.

Bei entsprechender Güte der Messmodelle ist auf Basis der Indikatoren für jeden Moderator der Median zu berechnen. Die gesamte Stichprobe kann dann entlang des Medians in zwei Teilstichproben aufgeteilt werden, eine Stichprobe unterhalb und eine Stichprobe oberhalb des Medians. Aus diesem Verfahren resultiert jeweils ein multipler Gruppenvergleich für jede Moderatorvariable. Innerhalb dieser Grup-penvergleiche wird nun durch einen 2-Differenztest ein Modell mit invariant restrin-gierten Parametern in beiden Teilgruppen mit einem frei geschätzten Modell ver-glichen. Die Moderatoreffekte gelten als bestätigt, wenn der 2-Wert des frei ge-schätzten Modells signifikant niedriger ist und der Effekt in die erwartete Richtung variiert.

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3.2. Qualitative Untersuchung

Neben der konfirmativen Überprüfung des in Teil 3 entwickelten Forschungsmodells sind im Rahmen einer qualitativen Untersuchung relevante Ansatzpunkte zur Theo-rievertiefung und -erweiterung zu erzeugen. Dabei bezieht sich die Theorievertiefung auf ein differenzierteres Verständnis der im Kontext des Forschungsmodells unter-suchten Konstrukte und Beziehungen. Der Ansatz der Theorieerweiterung umfasst die Exploration möglicher neuer Konstrukte und Beziehungen, die aus empirischer Sicht relevant sind. Die methodische Umsetzung der qualitativen Untersuchung orientiert sich an den Prinzipien der qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz et al.(2008) und ist in Abb.18 dargestellt.

3.2.1. Beschreibung der Untersuchungsziele

Die Ziele der qualitativen Untersuchung beziehen sich wie bereits skizziert auf Fra-gen der Theorievertiefung und -erweiterung. Unter Vertiefung ist in diesem Zu-sammenhang ein differenzierteres Verständnis der im Rahmen des unterstellten For-schungsmodells enthaltenen Konstrukte und Beziehungen zu verstehen. Die Theo-rieerweiterung bezieht sich auf Exploration möglicher neuer Konstrukte und Bezie-hungen. Die qualitativen Untersuchungsziele lassen sich daher wie folgt beschrei-ben:

Evaluation der Wechselwirkungen zwischen Vertrauenauf personaler und organisationaler Ebene.

Evaluation der Bedingungen für den Aufbau von Vertrauenaus Anbieter- und Kundensicht.

Evaluation der Auswirkungen von Vertrauen aus Anbieter- und Kundensicht.

Auf Grundlage dieser Zielsetzungen sind zunächst im Kontext einer ergebnisoffenen Untersuchung die Bedingungen, Auswirkungen und Wechselwirkungen der beiden Vertrauensebenen Person und Organisation zu explorieren. Die identifizierten Er-gebnisse werden zunächst den Konstrukten bzw. Kategorien des vorliegenden For-schungsmodells zugeordnet (Theorievertiefung). Teilergebnisse, die nicht den ex ante definierten Kategorien zuzuordnen sind, werden im Sinne einer Theorieer-weiterung interpretiert. Der Zusammenhang ist in Abb.19 dargestellt.

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Abb.18: Methodische Umsetzung der qualitativen Untersuchung

Die qualitative Untersuchung liefert in zweifacher Weise Beiträge zur Theorieer-weiterung. Zunächst lassen sich weitere Konstrukte der Beziehungslogik “Kunden-vertrauen in Anbieter“ explorieren. Dies induziert einen Beitrag zur Anreicherung vor-handener Modelle der RM Forschung. Darüber hinaus dehnt die Untersuchung den Fokus auf die Beziehungslogik “Anbietervertrauen in Kunden“ bzw. auf erforderliche Vertrauensbeiträge aus Anbietersicht aus. Während im Rahmen der quantitativen Untersuchung das Vertrauen der Kunden im Mittelpunkt steht, greift die qualitative Evaluation damit auch das Vertrauen der Anbieter in den Kunden auf. Damit lässt sich im Rahmen der vorliegenden Dissertation der Ansatz einer ganzheitlichen Be-trachtung von Vertrauen als wechselseitiger Ausdruck der Beziehungsqualität der beteiligten Parteien fördern.

3.2.2. Aufbau der Stichprobe, Erarbeitung Interviewleitfaden

Der Aufbau der Stichprobe für die qualitative Evaluation orientiert sich an der Ge-samtstichprobe der quantitativen Untersuchung. Im Kontext der telefonischen Inter-views werden zusätzlich zu den standardisierten Aussagen offene Fragen gestellt und qualitativ beantwortet. Diese Vorgehensweise ist zunächst für alle Mitglieder der Gesamtstichprobe umzusetzen. Im Sinne der Begrenzung des Umfangs der qualita-tiven Datenanalyse ist nach Abschluss der Hauptuntersuchung eine Zufallsstichpro-be von je 100 Anbieter- und Kundeninterviews aus der Gesamtstichprobe zu ziehen.

Beschreibung der Untersuchungsziele

Aufbau der Stichprobe, Erarbeitung Interviewleitfaden

Durchführung der Interviews, Digitale Aufnahme und Transkription

Erarbeitung eines Kategoriensystems, Codierung der Daten mit MAX QDA

Kategorienbasierte Auswertung, Interpretation der Ergebnisse

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Abb.19: Ziele der qualitativen Untersuchung

Der Stichprobenumfang für die qualitative Untersuchung beträgt daher in der Anbie-ter- und Kundenstichprobe jeweils n=100. Durch die skizzierte Randomisierung ist davon auszugehen, dass die limitierte Stichprobe der qualitativen Evaluation die inhaltliche Struktur der Gesamtstichprobe ausreichend reflektiert (Bortz/Döring 2006, 113). Die offenen Fragen orientieren sich an den Zielen der qualitativen Unter-suchung. Der Interviewleitfaden ist in Tabelle 6 dargestellt.

Bei der Beantwortung der Frage nach der aktuellen Ausprägung von Vertrauen in der Zusammenarbeit geht es um die Erzeugung von Varianz innerhalb der Stichprobe. Auf dieser Grundlage lassen sich die folgenden Antworten zu Auswirkungen, Bedin-gungen und Wechselwirkungen von Vertrauen differenzierter bzw. in Abhängigkeit von der spezifischen Ausprägung von Vertrauen in der aktuellen Beziehung inter-pretieren. Diese Vorgehensweise ermöglicht spezifische Auswertungsansätze der qualitativen Datenanalyse sowie insbesondere die Interpretation von Beziehungen zwischen einzelnen Datenkategorien (Kuckartz 2007, 75; Corbin/Strauss 2008, 198).

3.2.3. Durchführung der Interviews, digitale Aufnahme und Transkription

Um eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit zu erlauben werden alle telefonischen Interviews digital aufgezeichnet und anschließend transkribiert (Kowal/O´Connell 2000, 437; Kuckartz et al. 2008, 27, 49; Kuckartz 2007, 37; Mayring 2008). Dabei lassen sich die in Tabelle 7 beschriebenen Transkriptionsregeln nach Kuckartz et al.(2008, 27) anwenden.

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Ziele derUntersuchung

Fragen an Anbieter Fragen an Kunden

Wie stark ist aus Ihrer Sicht heute das Vertrauen in der Zusammenarbeit mit Kunden ausgeprägt?

Wie stark ist aus Ihrer Sicht heute das Vertrauen in der Zusammenarbeit mit Anbie-tern ausgeprägt?

Auswirkungen Welche Auswirkungen hat das auf die gemeinsame Kooperation?

Welche Auswirkungen hat das auf die gemeinsame Kooperation?

Bedingungen Was zeichnet aus Ihrer Sicht einen vertrauenswürdigen Anbieter aus?

Wie können Kunden aktiv die vertrauensvolle Zusammen-arbeit mit Anbietern verbes-sern?

Was zeichnet aus Ihrer Sicht einen vertrauenswürdigen Anbieter aus?

Wie können Sie als Kunde aktiv die vertrauensvolle Zusammenarbeit mitAnbietern verbessern?

Wechsel- wirkungen

Vertrauen in der Zusammen-arbeit speist sich aus indivi-duellen Beziehungen aber auch aus den Eigenschaften der kooperierenden Organi-sationen. Welcher Aspekt ist aus Ihrer Sicht wichtiger: Person oder Organisation?

Wie beeinflussen sich diese beiden Ebenen gegenseitig?

Vertrauen in der Zusammen-arbeit speist sich aus indivi-duellen Beziehungen aber auch aus den Eigenschaften der kooperierenden Organi-sationen. Welcher Aspekt ist aus Ihrer Sicht wichtiger: Person oder Organisation?

Wie beeinflussen sich diese beiden Ebenen gegenseitig?

Tab.6: Interviewleitfaden für die qualitative Evaluation

Nach Transkription stehen für die Anbieter- und Kundenstichprobe jeweils 100 tran-skribierte Texte bzw. Fälle zur Verfügung. Jeweils ein Beispiel für die Transkription eines Anbieter- und Kundeninterviews ist in Anhang D dargestellt.

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1) Es wird wörtlich transkribiert, also nicht lautsprachlich oder zusammenfassend. Vorhandene Dialekte werden nicht mit transkribiert.

2) Die Sprache und Interpunktion wird leicht geglättet, d.h. an das Schriftdeutsch angenähert. Beispielsweise wird aus “Er hat noch so´n Buch genannt“ “Er hatte noch so ein Buch genannt“.

3) Alle Angaben, die einen Rückschluss auf eine befragte Person erlauben, werden anonymisiert.

4) Deutliche, längere Pausen werden durch Auslassungspunkte (…) markiert.

5) Besonders betonte Begriffe werden durch Unterstreichungen gekennzeichnet.

6) Zustimmende bzw. bestätigende Lautäußerungen der Interviewer (mhm, ah, etc.) werden nicht mit transkribiert, sofern sie den Redefluss der befragten Person nicht unterbrechen.

7) Einwürfe der jeweils anderen Person werden in Klammern gesetzt.

8) Lautäußerungen der befragten Personen, die die Aussage unterstützen oder verdeutlichen (etwa lachen oder seufzen), werden in Klammern notiert.

9) Die interviewende Person wird durch ein “I“, die befragte Person durch ein “B“ gekennzeichnet.

10) Jeder Sprecherwechsel wird durch zweimaliges Drücken der Enter-Taste, also ein Leerzeichen zwischen den Sprechern, deutlich gemacht, um die Lesbarkeit zu erhöhen.

Tab.7: Transkriptionsregeln nach Kuckartz et al. (2008)

3.2.4. Erarbeitung eines Kategoriensystems, Codierung der Daten mit MAX QDA

Der transkribierte Ausgangstext wird zunächst fallweise analysiert. Auf dieser Grund-lage erfolgt die Entwicklung eines Kategoriensystems zur strukturierten Auswertung des Textmaterials. Dabei werden zum einen Kategorien in Form der Variablen des in Teil 3 entwickelten Forschungsmodells vorgegeben (z.B. als Bedingungen für Ver-trauen: Expertise, Kommunikation, etc.), zum anderen werden weitere Variablen aus der Exploration des Datenmaterials entwickelt. Die Vorgehensweise entspricht dabei insgesamt dem Ansatz einer axialen bzw. selektiven Codierung (Corbin/Strauss 2008, 198; Kuckartz 2007, 75). Dieses Verfahren ist definiert als:

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“… der Prozess des Auswählens der Kernkategorie, des systematischen In-Beziehung-Setzens der Kernkategorie mit anderen Kategorien, der Validierung dieser Beziehungen und des Auffüllens von Kategorien, die einer weiteren Verfeinerung und Entwicklung bedürfen (Kuckartz 2007, 76)“.

Das Konstrukt Vertrauen ist im Rahmen der vorliegenden Untersuchung als Kern-kategorie definiert. Durch die erste Frage des in Tabelle 6 dargestellten Interview-leitfadens lässt sich nun die Varianz innerhalb der Stichprobe in Bezug auf die Kern-kategorie darstellen und inhaltlich beschreiben. Entsprechend können nachgelagert die Beziehungen zwischen Vertrauen und seinen Bedingungen sowie Auswirkungen erhoben werden. Abschließend werden durch die letzte Frage des Leitfadens die Wechselwirkungen zwischen Vertrauen auf personaler und organisationaler Ebene evaluiert. Zur Unterstützung der Codierung lässt sich die Daten- und Analysesoft-ware MAX QDA heranziehen. Die transkribierten Texte werden zunächst in MAX QDA importiert. Anschließend lassen sich einzelne Textstellen der transkribierten Interviews (= Codings) den definierten Kategorien zuordnen (Kuckartz et al. 2008, 40).

3.2.5. Kategorienbasierte Auswertung, Interpretation der Ergebnisse

Die Daten lassen sich anschließend kategorienbasiert auswerten und interpretieren. Gegebenenfalls werden bei zu vielen Textstellen (= Codings) je Kategorie differ-enzierte Subkategorien angelegt (Kuckartz et al. 2008, 44). Anschließend werden die Daten je Kategorie quantitativ ausgewertet und qualitativ interpretiert. Dabei bezieht sich die quantitative Auswertung auf die Menge der Codings pro Kategorie. Ent-sprechende Auswertungen können visualisiert werden und geben einen Überblick über die Codehäufigkeiten bzw. die Bedeutung eines spezifischen Themas aus empi-rischer Sicht (Kuckartz et al. 2008, 46). Im Anschluss daran lassen sich die einzelnen Kategorien mit Hinblick auf die formulierten Ziele der qualitativen Untersuchung in-terpretieren.

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4. Vergleichende Analyse

Die oben dargestellte quantitative und qualitative Untersuchung ermöglicht eine ver-gleichende Analyse der Anbieter- und Kundenstichprobe. Damit lassen sich das in Teil 3 skizzierte Forschungsmodell sowie die qualitativen Forschungsfragen ver-gleichend aus Anbieter- und Kundenperspektive untersuchen. Auf diese Weise sind inhaltliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Sichtweisen beider Gruppen erkennbar. Eine derartige Analyse bietet vielfältige Erkenntnisgewinne für die Unter-nehmenspraxis. So können insbesondere auf der Basis der Unterschiedsanalyse Ansatzpunkte für die Korrektur strategischer RM Programme abgeleitet werden.

Für die vergleichende Analyse der Befragungsergebnisse lässt sich bei der quanti-tativen Untersuchung mit LISREL 8.80 ein multipler Gruppenvergleich (multi-sample analysis, Jöreskog/Sörbom 2001, 227) durchführen. Die beiden Stichproben werden nicht nur hinsichtlich der Beziehungen zwischen den Konstrukten, sondern auch in Bezug auf die Mittelwertstrukturen der latenten Konstrukte verglichen. Dafür sind die grundsätzlichen Annahmen des LISREL-Modells wie folgt zu erweitern. Die Er-wartungswerte der manifesten Variablen E(X) und E(Y) sind im einfachen LISREL-Modell auf Null fixiert. Diese Fixierung ist erforderlich, da die Werte der manifesten Variablen im einfachen LISREL-Modell als Abweichungen vom jeweiligen Mittelwert betrachtet werden. Die Annahme [E(X)=E(Y)=0] ist im erweiterten LISREL Modell durch die Berücksichtigung dreier verschiedener Regressionskonstanten (Interzepte) in den Modellgleichungen ( x; y; ) sowie der Integration des Erwartungswertes der –Variablen aufzugeben. Um das erweiterte LISREL-Modell analysieren zu kön-

nen, muss neben den Kovarianzmatrizen für jede Stichprobe auch der Vektor der Mittelwerte der Indikatorvariablen zur Verfügung gestellt werden. Insgesamt lassen sich durch die vergleichende Analyse nicht nur Differenzen in den Beziehungen zwischen den Konstrukten, sondern auch Differenzen in den Mittelwertstrukturen analysieren, ausweisen und interpretieren.

Die qualitativen Daten können ebenfalls im Sinne einer vergleichenden Analyse mit MAX QDA interpretiert werden. Dafür sind zunächst die Kategoriensysteme aus bei-den Stichproben zu vergleichen und mit Hinblick auf die Anzahl der zugeordneten Codings pro Kategorie zu interpretieren. Im Anschluss daran lassen sich die Parallel-kategorien aus beiden Stichproben im Detail vergleichen. Dafür werden auf Basis der inhaltlichen Bedeutung und quantitativen Anzahl der Einzelcodings pro Kategorie relevante Unterschiede interpretiert. Aus den einzelnen Vergleichen von Kategorien und Codings sind schließlich Hypothesen zu relevanten Unterschieden abzuleiten.

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5. Vertiefende Analyse: Fallstudien

Ausgehend von den Erkenntnissen der Befragung sind gemeinsam mit ausgewählten Anbietern und Kunden spezifische Konzepte der Umsetzung organisationaler Bezie-hungsstrategien in Fallstudien vertiefend zu untersuchen. Dabei basiert die Auswahl der Fallstudien auf den im Rahmen des Forschungsmodells in Teil 3 untersuchten Relationship Marketing Strategien (Kundenintegration, Preismodelle, Kundenlösun-gen, Reputation). Im Sinne einer stringenten Umsetzung der einzelnen Fallstudien orientiert sich der Untersuchungsprozess an den von Yin (2009, 25) und Gibbert et al. (2008, 1467) formulierten Schritten:

1. Spezifikation der Fallstudie Um die interne Validität (Cook/Campbell 1979) der Fallstudienergebnisse zu gewährleisten, ist die logische Konsistenz der Fallstudie durch Definition der zu untersuchenden Variablen und Zusammenhänge abzusichern. Daher wird für jede einzelne Fallstudie der Untersuchungszusammenhang hinreichend spezifiziert. Dies bezieht ich auch auf die Formulierung fallspezifischer For-schungsfragen und die Modellierung der zu untersuchenden Konstrukte.

2. Kombination multipler Analysemethoden Zur Gewährleistung der Konstruktvalidität werden darüber hinaus unterschied-liche Methoden für die Analyse der relevanten Konstrukte herangezogen (z.B. Beobachtung, Befragung, etc.). Die Konstruktvalidität ist ein Ausdruck für die Qualität der Konzeptualisierung und Operationalisierung der verwendeten Konstrukte (Denzin/Lincoln 1994). Damit wird die Frage fokussiert, ob im Rahmen der Fallstudie tatsächlich gemessen und beobachtet wird, was ge-messen und beobachtet werden soll (Yin 2009, 41). Innerhalb der Fallstudien werden daher im Sinne einer Triangulation unterschiedliche Vorgehensweisen zur Datenerhebung eingesetzt. Dies bezieht sich v.a. auf die Heranziehung unterschiedlicher Fallperspektiven bzw. im Detail jeweils auf die Erhebung empirischer Daten aus Anbieter- und Kundensicht.

3. Protokollierung Schließlich sind die einzelnen Schritte im Rahmen der Fallstudien zu doku-mentieren und im Rahmen eines Fallstudienprotokolls zusammenzufassen. Die analysierten Dokumente, Transkripte und Befragungsdaten werden im Rahmen einer Fallstudiendatenbank verfügbar gemacht.

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Insgesamt bieten die Fallstudien damit einen differenzierteren Einblick in die Mög-lichkeiten und Effekte organisationaler Beziehungsstrategien. Dabei sind die per Ein-zelfallstudie generierten Erkenntnisse zwar nicht pauschal auf einen anderen An-wendungszusammenhang übertragbar (= externe Validität, Calder et al. 1982, 240). Jedoch werden konkrete Beispiele für die im Rahmen des Forschungsmodells ent-haltenen Beziehungsstrategien aus organisationaler Sicht gegeben. Eine Argumen-tation für die externe Validität des Strategietyps bezieht sich daher auf die quanti-tative Untersuchung des Forschungsmodells. Die Fallstudien bieten Beispiele für die praktische Umsetzung.

6. Zwischenfazit: Forschungsfragen, Forschungsmodell und Forschungsmethodik

Für die Stringenz der vorliegenden Dissertation ist ein deutlicher und transparenter Zusammenhang zwischen den formulierten Forschungsfragen (Teil 1), des aus den theoretischen Vorüberlegungen entwickelten Forschungsmodells (Teil 2 und Teil 3) sowie der an dieser Stelle skizzierten Forschungsmethodik (Teil 4) erforderlich. Der logische Zusammenhang der Forschung wird daher nochmals in Tabelle 8 zusam-mengefasst.

In Bezug auf Forschungsfrage (1) ist von Vertrauen auf multiplen Ebenen auszu-gehen. Das Vertrauen einer Partei kann sich daher auf personale und organisatio-nale Faktoren der jeweils anderen Partei beziehen. Diese Annahme ist im Rahmen des Forschungsmodells zunächst für das Vertrauen der Kunden konzeptualisiert und durch die Auswertung der Daten der quantitativen Befragung zu testen. Darüber hin-aus werden die Wechselwirkungen zwischen beiden Vertrauensebenen ergänzend durch eine qualitative Befragung und Datenanalyse untersucht. Somit lässt sich die multidimensionale Konzeptualisierung sowohl aus quantitativer als auch aus quali-tativer Sicht überprüfen.

Bei den Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen steht analog zu Forschungs-frage (2) sowie im Sinne des konzeptualisierten Forschungsmodells zunächst das Vertrauen der Kunden in einen Anbieter zur Diskussion. Die in Teil 3 modellierten Bedingungen und Auswirkungen sind konfirmatorisch zu testen. Darüber hinaus wer-den die vorgegebenen Faktoren durch eine qualitative Untersuchung vertieft sowie weitere Bedingungen und Auswirkungen exploriert. Die qualitative Evaluation er-möglicht dabei im Sinne von Forschungsfrage (3) auch eine Untersuchung der Be-dingungen und Auswirkungen für das Vertrauen der Anbieter in einen Kunden.

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Forschungsfrage (Teil 1)

Theorie & Forschungs-modell (Teil 2 und Teil 3)

Forschungsmethodik (Teil 4)

(1) Wie kann Vertrauen als multidimensionales Konstrukt konzeptualisiert werden?

Vertrauen in Personen und Vertrauen in Organisationen als multiple sowie sich ge-genseitig beeinflussende Konstrukte (H1)

Quantitative Untersuchung mit kovarianzbasierten Struktur-gleichungsmodellen, Qualitative Untersuchung mittels qualitativer Datenanalyse

(2) Welche Bedingungen und Auswirkungen hat das Ver-trauen der Kunden in einen Anbieter?

Differenzierung von unter-schiedlichen Bedingungen (personal und organisational) sowie Auswirkungen der bei-den Vertrauenskonstrukte (H2 bis H13)

Konfirmative Untersuchung mit kovarianzbasierten Struktur-gleichungsmodellen, Explorative Untersuchung durch qualitative Befragung

(3) Welche Bedingungen und Auswirkungen hat das Ver-trauen der Anbieter in einen Kunden?

Nicht im Forschungsmodell abgebildet

Explorative Untersuchung durch qualitative Befragung

(4) Welche kundenspezifi-schen Merkmale moderieren die Wirkung von Beziehungs-strategien auf das Vertrauen der Kunden?

Beziehungsorientierung und Extraversion als organisatio-nale bzw. personale Modera-torvariablen (H14 und H15)

Quantitative Untersuchung mittels Aufteilung der Stichproben nach Median und Gruppenvergleich, qualitative Exploration weiterer Moderatoren

(5) Wie unterscheiden sich die Sichtweisen von An-bietern und Kunden in Bezug auf die Bedingungen und Auswirkungen von Ver-trauen?

Postulierung des gleichen Forschungsmodells für das kundenseitige Vertrauen aus Anbieter- und Kundensicht

Multipler Gruppenvergleich der Beziehungen zwischen den Konstrukten und der latenten Mittelwertstrukturen, Vergleich einzelner Kategorien der quali-tativen Datenanalyse

(6) Wie können organisatio-nale Beziehungsstrategien in der Unternehmenspraxis umgesetzt werden?

Kundenintegration, Preis-modelle, Kundenlösungen und Reputation als organisa-tionale Beziehungsstrategien

Vertiefende Analyse einzelner organisationaler Beziehungs-strategien anhand von Einzelfall-studien

Tab.8: Zusammenhang von Forschungsfragen, Forschungsmodell und Forschungsmethoden

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Bei Forschungsfrage (4) geht es um die Spezifikation von Kundenmerkmalen als Moderator für die Wirkung von Beziehungsstrategien. Eine entsprechende Kon-zeptualisierung findet sich innerhalb des Forschungsmodells in Teil 3. Dabei sind die Beziehungsorientierung und Extraversion der Kunden als Moderator für die Effektivi-tät von Relationship Marketing Programmen vorgesehen. Die zugeordneten Modera-tionshypothesen werden durch eine quantitative Untersuchung mittels Aufteilung der Stichproben nach Median und Analyse im Sinne eines multiplen Gruppenvergleichs untersucht. Darüber hinaus sind innerhalb der qualitativen Evaluation weitere Kun-denmerkmale als potentieller Moderator zu explorieren.

In Bezug auf Forschungsfrage (5) und die Analyse von Bedingungen und Auswirkun-gen für Vertrauen aus Anbieter- und Kundensicht bieten die quantitative und quali-tative Untersuchung unterschiedliche Vergleichsmöglichkeiten. Zunächst ist das in Teil 3 entwickelte Forschungsmodell für das Vertrauen der Kunden quantitativ zu untersuchen. Der methodische Ansatz auf Basis der Analyse von Struktur-gleichungsmodellen erlaubt eine konfirmatorische Evaluation aus Anbieter- und Kun-densicht. Darüber hinaus können durch einen multiplen Gruppenvergleich die Ge-meinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Stichproben eruiert werden. Analog sind die Ergebnisse der qualitativen Befragung von Anbietern und Kunden im Sinne einer vergleichenden Datenanalyse zu bewerten. Dabei lassen sich nicht nur die Vertrauensressourcen der Kunden, sondern auch die Bedingungen und Aus-wirkungen für Vertrauen auf Anbieterseite explorieren.

Schließlich ergeben in Bezug auf Forschungsfrage (5) bereits aus der Analyse des in Teil 3 entwickelten Forschungsmodells Ansatzpunkte für organisationale Bezie-hungsstrategien. Die skizzierten Ansatzpunkte sind im weiteren Verlauf Gegenstand der vertieften Analyse in Form von Fallstudien.

In Summe ist damit eine hinreichende Verbindung zwischen den forschungsleitenden Fragestellungen, der zugrundeliegenden Theorie und Modellkonzeption sowie der Forschungsmethodik gegeben.

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Teil 5: Ergebnisse

Die Ergebnisse aus der Umsetzung der in Teil 4 beschriebenen Forschungsmethodik werden nachfolgend dargestellt. Dabei erfolgt zunächst eine getrennte Diskussion der Resultate aus der quantitativen (Absatz 1) und qualitativen Untersuchung (Ab-satz 2) in der Anbieter- und Kundenstichprobe. Auf dieser Grundlage lassen sich die Ergebnisse aus beiden Stichproben vergleichen (Absatz 3). Abschließend werden die vertiefenden Konzepte aus den vier Fallstudien skizziert (Absatz 4).

1. Diskussion der quantitativen Untersuchung

1.1. Kundenstichprobe

Die mit der empirischen Überprüfung des Forschungsmodells verbundenen Ergeb-nisse sind zunächst in Bezug auf die Kundenstichprobe zu skizzieren (n = 220). Da-bei erfolgt eine abgestufte Darstellung der relevanten Untersuchungsdaten zu (1) Konstrukten und Items, (2) Modellspezifikation und Modellgüte, (3) Haupteffekten und (4) Moderatoreffekten.

1.1.1. Konstrukte und Items

Die Unidimensionalität und Konvergenzvalidität der Konstrukte lässt sich durch ein Strukturgleichungsmodell mit LISREL 8.80 untersuchen. Der Fragebogen für die Kundenstichprobe sowie die zugehörigen Konstrukte, Items und Ladungen sind in Anhang A abgebildet. Alle Items laden im Sinne einer hinreichenden Konvergenz-validität deutlich und signifikant auf die zugeordneten Konstrukte (Anderson/Gerbing 1988; Bagozzi/Phillips 1982, 468). Mit Hinblick auf die Bewertung der Diskriminanz-validität der Konstrukte sind Vergleiche zwischen (1) Modellen mit auf 1 restringierten Korrelationen zwischen zwei Konstrukten und (2) frei geschätzten Modellen vorzu-nehmen. Für das Vorliegen von Diskriminanzvalidität muss das frei geschätzte Mo-dell im Vergleich zum fixierten Modell über eine signifikant bessere Anpassungsgüte verfügen (Bagozzi et al. 1991). Durch 2-Differenztests konnte gezeigt werden, dass diese Anforderung für die vorliegende Untersuchung erfüllt ist und bei allen paar-weisen Vergleichen die frei geschätzten Modelle über eine signifikant bessere An-passungsgüte verfügen (bei allen folgenden Angaben ist jeweils von einem Signi-fikanzniveau von 0.05 auszugehen).

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Darüber hinaus lässt sich die Diskriminanzvalidität der Konstrukte auf Basis des Ver-fahrens nach Fornell und Larcker (1981) bestätigen. Die Korrelationsmatrix der laten-ten Konstrukte und die deskriptive Statistik sind in Tabelle 9 dargestellt.

1.1.2. Modellspezifikation und Modellgüte

Bei der Modellspezifikation wurde zunächst ein Strukturmodell mit allen innerhalb des konzeptionellen Forschungsmodells vorgesehenen Pfaden konfiguriert. Dies in-kludiert im Sinne von Forschungshypothese H1 auch eine wechselseitige Beziehung zwischen den beiden fokalen Vertrauenskonstrukten. Bei Überprüfung formaler Aspekte der Modellgüte ist diese Modellspezifikation jedoch zu verwerfen, da teil-weise negative Varianzen geschätzt werden (Chen et al. 2001, 469). Als Ursache für die auftretenden Schätzfehler kommt eine Überspezifikation des Strukturmodells in Betracht. Offensichtlich kann die von Currall und Inkpen (2006, 241) entwickelte Theorie einer co-evolutionären Entwicklung von Vertrauen auf multiplen Ebenen nicht innerhalb eines Querschnittdesigns getestet werden. Analoge Probleme einer Überspezifikation des Strukturmodells hat u.a. Eid (2000, 252) beschrieben und durch eine Reduktion der Modellstruktur gelöst. Die modifizierte Modellspezifikation beinhaltet daher ein Strukturmodell ohne die beiden Pfade zwischen den fokalen Vertrauenskonstrukten. Das modifizierte Modell ist in Abb.20 mit Ausnahme der und -Parameter ( und werden frei geschätzt) dargestellt. Das Modell verhält sich aus formaler Sicht unauffällig.

Die Güte der Anpassung des modifizierten Strukturgleichungsmodells an die empi-rischen Daten kann anhand von globalen Anpassungsmaßen nach Homburg et al.(2008, 565) überprüft werden. Die Fit-Statistik des Strukturgleichungsmodells ( 2

(551)=905.27; CFI=.979; NFI=.958; NNFI=.976; RMSEA=.054) belegt eine gute An-passung des Modells an Daten der Kundenstichprobe (Byrne 1998). Ein Test der Verteilung der vorliegenden Daten zeigt leichte Abweichungen von der multivariaten Normalverteilung. Jedoch liegen die Schiefe und Kurtosis der Verteilung deutlich innerhalb der von West et al. (1995, 61) postulierten Grenzen (Schiefe < 2.0; Kurtosis < 7.0). Die Parameterschätzung auf Grund der ML-Methode gilt als relativ robust gegenüber leichten Verletzungen der Verteilungsannahme. Dennoch ist im vor-liegenden Fall von leicht erhöhten 2-Werten auszugehen (Bühner 2004, 232).

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Abb.20: Modifiziertes Strukturgleichungsmodell, Kundenstichprobe

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Darüber hinaus kann die grundsätzliche Modellstruktur des Forschungsmodells in Bezug auf die Modellierung von Vertrauen als Mediatorkonstrukt getestet werden. Für die Annahme einer vollständigen Mediation der Prädiktoreffekte auf die definier-ten Zielkonstrukte ist ein 2-Differenztest zwischen dem skizzierten Ausgangsmodell und alternativen Modellen mit freigesetzten direkten Pfaden von den Prädiktorvari-ablen zu den Zielvariablen vorzunehmen (Bagozzi/Yi 1988, 74).

In Bezug auf das vorliegende Modell wurde zunächst ein 2-Differenztest zwischen den Prädiktorgruppen (Gruppe 1: Expertise, Kommunikation, Opportunistisches Ver-halten; Gruppe 2: Opportunistisches Verhalten, Kundenintegration, Preismodelle, Kundenlösungen, Reputation) und den relevanten Zielkonstrukten (1: Loyalität zu Personen; 2: Kooperation; 3: Loyalität zur Anbieterorganisation) vorgenommen (Pal-matier et al. 2007, 191). Der 2-Differenztest führt dabei bei den personenbezogenen Beziehungsstrategien (= Gruppe 1) zu jeweils nicht signifikanten Ergebnissen (Grup-pe 1 auf Loyalität zu Personen: 2

(3) = -0.07; Gruppe 1 auf Kooperation: 2(3) =

5.47). Entsprechend ist von einer vollständigen Mediation der Wirkung personen-bezogener Beziehungsstrategien durch das Konstrukt Vertrauen in Personen auszu-gehen.

Bei den organisationalen Beziehungsstrategien (= Gruppe 2) führt ein 2-Differenztest zu gemischten Ergebnissen. Hinsichtlich des Effekts dieser Prädiktoren auf das Konstrukt Kooperation kann von einer vollständigen Mediation durch das Vertrauen der Kunden in die Anbieterorganisation ausgegangen werden (Gruppe 2 auf Kooperation: 2

(5) = 9.45). Dagegen muss die Hypothese einer vollständigen Mediation in Bezug auf die Wirkung organisationsgebundener Beziehungsstrategien auf die Loyalität der Kunden in die Anbieterorganisation verworfen werden (Gruppe 2 auf Loyalität zur Anbieterorganisation: 2

(5) = 42.18, signifikant).

Zur differenzierteren Untersuchung partieller Mediationseffekte lassen sich die be-troffenen Einzelbeziehungen zwischen Prädiktorvariablen und Zielkonstrukten unter-suchen. Die Ergebnisse der fünf unabhängigen 2-Differenztests sind in Tabelle 10 aufgeführt. Danach liegt in Bezug auf das Zielkonstrukt Loyalität zur Anbieterorga-nisation bei allen untersuchten Prädiktorvariablen ein partieller Mediationseffekt vor. Daher kann der Effekt organisationaler Beziehungsstrategien auf die Kundenloyalität zur Anbieterorganisation nicht ausschließlich über die Bildung von Vertrauen erklärt werden.

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Untersuchter Pfad df 2 Sig. (0,05)

Opportunistisches Verhalten Loyalität zur Anbieterorganisation

1 39.50 Ja

Kundenintegration Loyalität zur Anbieterorganisation

1 4.90 Ja

Preismodelle Loyalität zur Anbieterorganisation

1 12.17 Ja

Kundenlösungen Loyalität zur Anbieterorganisation

1 26.86 Ja

Reputation Loyalität zur Anbieterorganisation

1 5.12 Ja

Tab.10: Ergebnisse der Kundenstichprobe (n=220): Partielle Mediation

1.1.3. Haupteffekte

Die Ergebnisse der Kundenstichprobe zeigen hinsichtlich der untersuchten Haupt-effekte zwar eine positive Korrelation zwischen Vertrauen in Personen und Vertrauen in die Organisation eines Anbieters (r=.388). Auf Grund der erforderlichen Modell-modifikation ist dieser Effekt jedoch nicht innerhalb des Strukturmodells belegbar. Damit kann H1 und der positive Zusammenhang zwischen Vertrauen auf multiplen Ebenen nur durch deskriptive Daten belegt werden.

Unter den personalen Beziehungsstrategien hat das Konstrukt Expertise den stärks-ten positiven Einfluss auf Vertrauen und unterstützt damit H2 ( =.37). Darüber hinaus kann im Einklang mit H3 ein positiver Effekt von Kommunikation auf das Kunden-vertrauen in Personen bestätigt werden ( =.23). Damit zeigt die Untersuchung in diesem Bereich vergleichbare Ergebnisse wie die Meta-Analyse von Palmatier et al.(2006). Das Konstrukt Expertise hat in Relation zu Kommunikation einen stärkeren Effekt auf die Vertrauensbildung der Kunden. Zusätzlich ist auch der negative Effekt opportunistischer Verhaltensweisen auf beide fokale Vertrauenskonstrukte im Sinne von H4 und H5 zu bestätigen ( =-.21 bzw. =-.27). Bei der Bewertung organisa-tionaler Beziehungsstrategien zeigen sich ebenfalls signifikante Ergebnisse für alle unterstellten Haupteffekte.

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Dabei haben Kundenlösungen, analog zu H8, den stärksten positiven Effekt auf das Kundenvertrauen in die Anbieterorganisation ( =.29). Vergleichbar starke Aus-wirkungen auf das Kundenvertrauen in die Organisation des Anbieters zeigen sich auch bei den Faktoren Kundenintegration ( =.21, H6), Preismodelle ( =.22, H7) und Reputation ( =.23, H9). Auf dieses Basis lässt sich bei allen vier formulierten orga-nisationalen Beziehungsstrategien ein signifikant positiver Effekt auf ein unabhängi-ges Vertrauenskonstrukt (= Vertrauen in die Organisation des Anbieters) empirisch belegen.

Schließlich sind auch die vier Hypothesen hinsichtlich der Auswirkungen multipler Vertrauenskonstrukte auf alternative Zielvariablen zu bestätigen. Das Vertrauen der Kunden in einzelne Personen wirkt sich stark auf die interpersonale Loyalität aus ( =.93, H10). Darüber hinaus ist auch ein positiver Effekt auf die Kooperation zwischen Anbieter- und Kundenorganisation feststellbar ( =.31, H11). Abschließend lassen sich auch die positiven Auswirkungen des Vertrauens der Kunden in den An-bieter als Organisation auf die Bildung von Loyalität zum Anbieterunternehmen ( =.47, H13) und auf die Kooperation zwischen Anbieter und Kunde bestätigen ( =.67, H12). Die dargestellten Ergebnisse zu den Haupteffekten sind in Tabelle 11 visualisiert.

1.1.4. Moderationseffekte

Das in Teil 3 entwickelte Forschungsmodell beinhaltet Hypothesen (H14 und H15) in Bezug auf die Moderation der Wirkung von Prädiktorvariablen auf die beiden fokalen Vertrauenskonstrukte. Danach wird der Effekt personaler und organisationaler Beziehungsstrategien durch zwei kundenbezogene Merkmale moderiert: Organisa-tionale Beziehungsorientierung und individuelle Extraversion. Die beiden Konstrukte sowie die zugehörigen Items und Ladungen sind in Anhang C abgebildet. Für beide Konstrukte musste zunächst eine konfirmatorische Faktorenanalyse durchgeführt werden (Homburg et al. 2008b).

Bei der Bewertung des Konstrukts Beziehungsorientierung laden alle Items deutlich und signifikant auf das latente Konstrukt. Die Güte des Messmodells kann darüber hinaus anhand von globalen Anpassungsmaßen nach Homburg et al. (2008b, 288) bewertet werden. Bei der Modellbeurteilung zeigt die Fit-Statistik ( 2

(5)=5.95;CFI=.999; NFI=.994; NNFI=.998; RMSEA=.029) eine sehr gute Anpassung des Mo-dells an die Daten der Kundenstichprobe.

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Untersuchter Pfad t-Wert Hypothese

Expertise Vertrauen in Personen

.37 5.14 H2 (+)

Kommunikation Vertrauen in Personen

.23 3.72 H3 (+)

Opportunistisches Verhalten Vertrauen in Personen

- .21 - 3.10 H4 (+)

Opportunistisches Verhalten Vertrauen in die Anbieterorganisation

- .27 - 6.27 H5 (+)

Kundenintegration Vertrauen in die Anbieterorganisation

.21 2.41 H6 (+)

Preismodelle Vertrauen in die Anbieterorganisation

.22 4.98 H7 (+)

Kundenlösungen Vertrauen in die Anbieterorganisation

.29 3.53 H8 (+)

Reputation Vertrauen in die Anbieterorganisation

.23 3.64 H9 (+)

Vertrauen in Personen Loyalität zu Personen

.93 8.86 H10 (+)

Vertrauen in Personen Kooperation

.31 3.44 H11 (+)

Vertrauen in die Anbieterorganisation Kooperation

.67 8.70 H12 (+)

Vertrauen in die Anbieterorganisation Loyalität zur Anbieterorganisation

.47 6.56 H13 (+)

Tab.11: Ergebnisse der Kundenstichprobe (n=220): Untersuchte Haupteffekte

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Für den Faktor Extraversion lässt sich mit den Items des NEO-FFI ebenfalls eine konfirmatorische Faktorenanalyse durchführen. Erneut laden alle Items deutlich und signifikant auf Extraversion als latentes Konstrukt. Die Güte des Messmodells ist auf Basis der Anpassungsmaße nach Homburg et al. (2008b, 288) positiv zu bewerten ( 2

(54)=90.42; CFI=.993; NFI=.983; NNFI=.991; RMSEA=.055). Daher liegen geeigne-te Messmodelle für beide Moderatorkonstrukte vor.

Die gesamte Kundenstichprobe ist nun jeweils entlang des Median der beiden Mode-ratorvariablen in zwei Teilstichproben aufzuteilen. Anschließend lassen sich die Un-terschiede zwischen beiden Teilstichproben (niedrig in der Ausprägung der Modera-torvariablen = low group; hoch in der Ausprägung der Moderatorvariablen = high group) durch einen multiplen Gruppenvergleich analysieren (De Wulf et al. 2001, 44; Palmatier et al 2007, 191; Ping 1995, 36). Die Ergebnisse der Untersuchung sind in Tabelle 12 dargestellt.

In Bezug auf die organisationale Beziehungsorientierung der Kunden (= langfristig vs. kurzfristig) zeigen sich signifikante Unterschiede zwischen beiden Vergleichs-gruppen ( 2

(8) = 53.37). Dabei treten die unterstellten Moderationseffekte bei sieben von acht untersuchten Pfaden auf. Bei den personalen Beziehungsstrategien ist die Wirkung von Expertise ( =.30 zu =.40) und Kommunikation ( =.15 zu =.32) auf das personenbezogene Kundenvertrauen in Abhängigkeit von der organisationalen Beziehungsorientierung der Kunden verstärkt. Die negativen Auswirkungen oppor-tunistischer Verhaltensweisen sind bei Kunden mit einer langfristigen Beziehungs-orientierung nur geringfügig verstärkt. Dies gilt für den Effekt von Opportunismus auf beide Vertrauenskonstrukte ( =-.25 zu =-.26 bzw. =-.22 zu =-.29). Bei den organisationalen RM Strategien verstärkt eine langfristige Beziehungsorientierung des Kunden die Effekte der Konstrukte Kundenintegration ( =.24 zu =.39), Kun-denlösungen ( =.19 zu =.30) und Reputation ( =.16 zu =.22). Die Einführung wertorientierter Preismodelle hat hingegen bei Kunden mit einer langfristigen Bezie-hungsorientierung keine stärkeren Effekte auf die Entwicklung von Kundenvertrauen. Diese Moderationshypothese ist zu verwerfen.

Hinsichtlich des Einflusses der individuellen Extraversion eines Kunden auf die Stär-ke der Wirkung einzelner RM Strategien zeigen sich erneut signifikante Unterschiede zwischen beiden Vergleichsgruppen ( 2

(8) = 54.50). Darüber hinaus treten die unterstellten Moderationseffekte bei sechs von acht untersuchten Pfaden auf.

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Untersuchter Moderationseffekt

Low Group High Group Hypothesen

Moderationseffekte von Beziehungsorientierung ( 2 = 53.37; d.f. = 8; signifikant; p < .05)

Expertise Vertrauen in Personen .30 .40 H14a (+)

Kommunikation Vertrauen in Personen .15 .32 H14b (+)

Opportunistisches Verhalten Vertrauen in Personen -.25 -.26 H14c (+)

Opportunistisches Verhalten Vertrauen in die Anbieterorganisation -.22 -.29 H15e (+)

Kundenintegration Vertrauen in die Anbieterorganisation .24 .39 H14e (+)

Preismodelle Vertrauen in die Anbieterorganisation .27 .18 H14f (-)

Kundenlösungen Vertrauen in die Anbieterorganisation .19 .30 H14g (+)

Reputation Vertrauen in die Anbieterorganisation .16 .22 H14h (+)

Moderationseffekte von Extraversion ( 2 = 54.50; d.f. = 8; signifikant; p < .05)

Expertise Vertrauen in Personen .32 .39 H15a (+)

Kommunikation Vertrauen in Personen .16 .32 H15b (+)

Opportunistisches Verhalten Vertrauen in Personen -.15 -.30 H15c (+)

Opportunistisches Verhalten Vertrauen in die Anbieterorganisation -.23 -.30 H15e (+)

Tab.12: Ergebnisse der Kundenstichprobe (n=220): Moderationseffekte

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Untersuchter Moderationseffekt

Low Group High Group Hypothesen

Moderationseffekte von Extraversion ( 2 = 54.50; d.f. = 8; signifikant; p < .05)

Kundenintegration Vertrauen in die Anbieterorganisation .16 .35 H15e (+)

Preismodelle Vertrauen in die Anbieterorganisation .30 .15 H15e (-)

Kundenlösungen Vertrauen in die Anbieterorganisation .20 .36 H15e (+)

Reputation Vertrauen in die Anbieterorganisation .22 .20 H15e (-)

Tab.12: Ergebnisse der Kundenstichprobe (n=220): Moderationseffekte

In Bezug auf personale Beziehungsstrategien haben Expertise und Kommunikation bei Kunden mit einer hohen Extraversion einen stärkeren Einfluss auf die Vertrau-ensbildung ( =.32 zu =.39 bzw. =.16 zu =.32). Dieser Effekt gilt auch für oppor-tunistisches Verhalten. Das Vertrauen der Kunden in einzelne Personen sowie in die Organisation des Anbieters ist bei extravertierten Kunden im Falle opportunistischer Verhaltensweisen besonders stark betroffen ( =-.15 zu =-.30 bzw. =-.23 zu =-.30). Bei den organisationalen Beziehungsstrategien bleibt die Wirkung der Re-

putation auf das Kundenvertrauen von der Extraversion des Kunden unbeeinflusst. Wertorientierte Preismodelle haben bei extravertierten Kunden sogar einen weniger starken Effekt auf das Kundenvertrauen. Die weiteren organisationalen RM Strate-gien wie Kundenintegration ( =.16 zu =.35) und Kundenlösungen ( =.20 zu =.36) zeigen bei extravertierten Kunden deutlich verstärkte Auswirkungen auf das

Vertrauen der Kunden in die Anbieterorganisation.

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1.2. Anbieterstichprobe

Die Untersuchungsergebnisse der quantitativen Forschung lassen sich analog auch für die Anbieterstichprobe darstellen. Dabei erfolgt erneut eine abgestufte Beschrei-bung der relevanten Untersuchungsdaten zu (1) Konstrukten und Items, (2) Modell-spezifikation und Modellgüte sowie (3) Haupteffekten. Auf eine Untersuchung von Moderationseffekten ist in der Anbieterstichprobe zu verzichten, da sich die relevan-ten Moderatorvariablen ausschließlich auf kundenbezogene Merkmale beziehen.

1.2.1. Konstrukte und Items

Die Unidimensionalität und Konvergenzvalidität der Konstrukte lässt sich erneut durch ein Strukturgleichungsmodell mit LISREL 8.80 untersuchen. Der Fragebogen für die Kundenstichprobe sowie die zugehörigen Konstrukte, Items und Ladungen sind in Anhang B abgebildet. Alle Items laden deutlich und signifikant auf die zu-geordneten Konstrukte (Anderson/Gerbing 1988). Darüber hinaus sind mit Hinblick auf eine Bewertung der Diskriminanzvalidität der Konstrukte Vergleiche zwischen (1) Modellen mit auf 1 fixierten Korrelationen zwischen zwei Konstrukten und (2) frei ge-schätzten Modellen vorzunehmen. Durch 2-Differenztests konnte auch bei der Anbieterstichprobe gezeigt werden, dass die von Bagozzi et al. (1991) formulierten Anforderungen für die vorliegende Untersuchung erfüllt sind. Darüber hinaus lässt sich die Diskriminanzvalidität der Konstrukte auch auf Basis des Verfahrens nach Fornell und Larcker (1981) bestätigen. Die Korrelationsmatrix der latenten Konstrukte und die deskriptive Statistik sind in Tabelle 13 dargestellt.

1.2.2. Modellspezifikation und Modellgüte

Bei der Modellspezifikation zeigt sich in der Anbieterstichprobe die gleiche Problema-tik wie in der Kundenstichprobe. Soweit bei der Modellspezifikation die Beziehungen zwischen den beiden fokalen Vertrauenskonstrukten berücksichtigt werden, treten in der Parameterschätzung negative Varianzen auf. Daher ist das Modell auch für die An-bieterstichprobe überspezifiziert. Durch eine Reduktion der Modellstruktur und die Entfernung der Pfade zwischen den beiden Vertrauenskonstrukten kann das Prob-lem gelöst werden. Das modifizierte Modell entspricht daher der gleichen Modell-struktur wie in der Kundenstichprobe (siehe Abb.20).

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Die Güte der Anpassung des entwickelten Forschungsmodells an die empirischen Daten ist anhand von globalen Anpassungsmaßen zu überprüfen. Die Fit-Statistik des Strukturgleichungsmodells für die Anbieterstichprobe belegt eine akzeptable Modellanpassung ( 2

(551)=920.64; CFI=.971; NFI=.946; NNFI=.967; RMSEA=.055) (Byrne 1998; Homburg et al. 2008a; 565).

Über die Analyse globaler Anpassungsmaße hinaus lässt sich, analog zur Kunden-stichprobe, die grundlegende Modellstruktur durch unterschiedliche Tests auf partiel-le Mediation prüfen. Für die Annahme einer vollständigen Mediation der Prädiktor-effekte auf die definierten Zielkonstrukte ist ein 2-Differenztest zwischen dem Aus-gangsmodell und alternativen Modellen mit freigesetzten direkten Pfaden von den Prädiktor- zu den Zielvariablen vorzunehmen (Bagozzi/Yi 1988).

In diesem Sinne ist auch für die Anbieterstichprobe ein 2-Differenztest zwischen den Prädiktorgruppen (Gruppe 1: Expertise, Kommunikation, Opportunistisches Verhal-ten; Gruppe 2: Opportunistisches Verhalten, Kundenintegration, Preismodelle, Kun-denlösungen, Reputation) und den relevanten Zielkonstrukten (1: Loyalität zu Perso-nen; 2: Kooperation; 3: Loyalität zur Anbieterorganisation) vorzunehmen (Palmatier et al. 2007, 191). Der 2-Differenztest führt bei den personenbezogenen Beziehungs-strategien (= Gruppe 1) zu jeweils nicht signifikanten Ergebnissen (Gruppe 1 auf Loyalität zu Personen: 2

(3) = 0.99; Gruppe 1 auf Kooperation: 2(3) = 1.22). Ent-

sprechend kann eine vollständige Mediation der Wirkung personenbezogener Bezie-hungsstrategien und Prädiktoren durch das Konstrukt Vertrauen in Personen unter-stellt werden.

Die Ausgangshypothese einer vollständigen Mediation ist bei der Anbieterstichprobe (im Gegensatz zur Kundenstichprobe) auch für die Wirkung organisationaler Bezie-hungsstrategien beizubehalten. Ein 2-Differenztest führt bei den organisations-gebundenen Beziehungsstrategien (= Gruppe 2) zu nicht signifikanten Ergebnissen (Gruppe 2 auf Kooperation: 2

(5) = 2.16; Gruppe 2 auf Loyalität zur Anbieterorga-nisation: 2

(5) = 7.42). Die formulierte Modellhypothese einer vollständigen Media-tion ist daher auch in Bezug auf die Wirkung organisationsgebundener Beziehungs-strategien zu bestätigen.

Insofern ist auf Basis der Daten der Anbieterstichprobe jeweils von einer vollstän-digen Mediation der Wirkung der modellierten Beziehungsstrategien auf alle unter-suchten Zielkonstrukte auszugehen. Das Konstrukt Vertrauen verfügt daher aus An-bietersicht über eine sehr hohe Bedeutung bei der Erklärung relationaler Per-formanceeffekte.

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1.2.3. Haupteffekte

Die Ergebnisse der Kundenstichprobe zeigen hinsichtlich der untersuchten Haupt-effekte eine positive Korrelation zwischen Vertrauen in Personen und Vertrauen in die Organisation eines Anbieters (r=.380). Wegen der skizzierten Modellmodifikation ist dieser Effekt jedoch nur auf Basis von deskriptiven Daten belegbar. Eine empi-risch signifikante Bestätigung von H1 innerhalb des Strukturmodells kann nicht erzielt werden.

Unter den personalen Beziehungsstrategien hat das Konstrukt Expertise erneut den stärksten positiven Einfluss auf Vertrauen und unterstützt damit H2 ( =.41). Darüber hinaus ist im Einklang mit H3 ein positiver Effekt von Kommunikation auf das Kun-denvertrauen in Personen zu bestätigen ( =.29). Zusätzlich lässt sich auch ein nega-tiver Effekt opportunistischer Verhaltensweisen auf beide fokale Vertrauenskonstruk-te im Sinne von H4 und H5 nachweisen ( =-.13 bzw. =-.16).

Bei der Bewertung organisationaler Beziehungsstrategien zeigen sich nur zum Teil signifikante Ergebnisse. Dabei hat in der Anbieterstichprobe das Konstrukt Reputati-on den stärksten positiven Effekt auf das Vertrauen der Kunden in die Anbieterorga-nisation ( =.53, H9). Deutlich schwächere Auswirkungen auf das Kundenvertrauen in die Organisation des Anbieters zeigen sich bei den Faktoren Kundenlösungen ( =.22, H8) und Kundenintegration ( =.16, H6). Der schwache Effekt wertorientierter Preissysteme ( =.07) ist nicht signifikant, weshalb H7 in der Anbieterstichprobe zu verwerfen ist.

Schließlich lassen sich, analog zur Kundenstichprobe, die vier Hypothesen hinsicht-lich der Auswirkungen multipler Vertrauenskonstrukte auf die modellierten Zielvariab-len bestätigen. Das Vertrauen der Kunden in einzelne Personen hat jeweils einen starken Effekt auf die interpersonale Loyalität ( =.68, H10) und die Qualität der gemeinsamen Kooperation zwischen der Anbieter- und Kundenorganisation ( =.71,H11). Abschließend sind auch positive Effekte des Vertrauens der Kunden in den An-bieter als Organisation auf die Bildung von Loyalität zum Anbieterunternehmen ( =.84, H13) und auf die Kooperation zwischen Anbieter und Kunde festzustellen ( =.46, H12). Die dargestellten Ergebnisse zu den Haupteffekten sind in Tabelle 14 visualisiert.

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Opportunistisches Verhalten Vertrauen in die Anbieterorganisation

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Kundenintegration Vertrauen in die Anbieterorganisation

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Kundenlösungen Vertrauen in die Anbieterorganisation

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Reputation Vertrauen in die Anbieterorganisation

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Vertrauen in Personen Loyalität zu Personen

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Vertrauen in die Anbieterorganisation Kooperation

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Vertrauen in die Anbieterorganisation Loyalität zur Anbieterorganisation

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Tab.14: Ergebnisse der Anbieterstichprobe (n=220): Untersuchte Haupteffekte

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1.3. Zwischenfazit: Quantitative Untersuchung

Im Sinne eines Zwischenfazits ist nach Analyse der Daten aus der quantitativen Untersuchung festzuhalten, dass das in Teil 3 entwickelte Forschungsmodell aus Anbieter- und Kundensicht in wesentlichen Teilen zu bestätigen ist. Dies gilt ins-besondere für die getrennte Messung von zwei unabhängigen Vertrauenskonstruk-ten, die differenzierte Wirkung der konzeptualisierten Beziehungsstrategien sowie die theoretisch unterstellten Auswirkungen von Vertrauen auf unterschiedlichen Ebenen.

Bei den personalen Beziehungsstrategien entfaltet Expertise im Vergleich zu Kom-munikation in beiden Stichproben eine stärkere Wirkung auf das Vertrauen der Kun-den. Darüber hinaus kann in beiden Gruppen der negative Effekt opportunistischer Verhaltensweisen auf beiden Vertrauensebenen bestätigt werden. Im Kontext der untersuchten organisationalen Beziehungsstrategien haben jeweils Kundenlösungen und Reputation den stärksten positiven Effekt auf das Vertrauen der Kunden.

Eine Limitation der quantitativen Untersuchung ist in der Modellspezifikation hinsicht-lich der Wechselwirkungen zwischen den beiden fokalen Vertrauenskonstrukten zu sehen. Die Beziehungen zwischen den beiden Vertrauenskonstrukten lassen sich im Rahmen des gewählten Forschungsdesigns nicht mit empirischer Signifikanz unter-suchen. Allerdings lässt sich auf Basis der deskriptiven Statistik in beiden Stichpro-ben eine positive Korrelation zwischen beiden Vertrauenskonstrukten ausmachen.

Schließlich kann in der Kundenstichprobe die Bildung von Loyalität zur Anbieterorga-nisation nicht ausschließlich durch Vertrauenseffekte erklärt werden. Daher handelt es sich um einen partiellen Mediationseffekt. Offensichtlich ist die Wirkung der unter-suchten Beziehungsstrategien auf die Loyalität der Kunden nicht nur durch Vertrau-en, sondern darüber hinaus auch durch andere Faktoren zu erklären.

Bei den untersuchten Moderationseffekten zeigt sich ein erheblicher Einfluss kun-denspezifischer Aspekte auf die Effektivität von Beziehungsstrategien. Die meisten untersuchten Beziehungsstrategien werden durch die organisationale Beziehungs-orientierung und individuelle Extraversion der Kunden tangiert. Daher lassen sich die skizzierten Relationship Marketing Programme bei Kunden mit einer langfristigen Beziehungsorientierung und ausgeprägter Extraversion effektiver umsetzen. Dies gilt jedoch nicht für die Wirkung wertorientierter Preismodelle. Die Wirkung von Preis-modellen auf das Vertrauen der Kunden ist folglich unabhängig von individuellen Prä-ferenzen und organisationalen Mustern gleich stark.

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2. Diskussion der qualitativen Untersuchung

Im Rahmen der qualitativen Untersuchung sind die Befragungsergebnisse von je-weils 100 Kunden und Anbietern durch eine qualitative Datenanalyse zu analysieren (Kuckartz et al. 2008; Mayring 2008). Die Ziele der qualitativen Untersuchung sowie der eingesetzte Kurzfragebogen sind in Teil 4 beschrieben. Die telefonischen Inter-views wurden digital aufgezeichnet und nachfolgend transkribiert (Kowal/O´Connel 2000, 437; Kuckartz 2007, 37). Anschließend konnten die jeweils 100 Transkripte mit der Analysesoftware MAX QDA ausgewertet werden. Dabei wurde je Interviewfrage ein differenziertes Kategoriensystem entwickelt. Die Darstellung der Untersuchungs-ergebnisse orientiert sich daher jeweils an den einzelnen Interviewfragen und den zugeordneten Kategorien.

2.1. Kundenstichprobe

Die Ergebnisse der qualitativen Untersuchung in der Kundenstichprobe basieren auf 100 Transkripten von qualitativen Befragungen mit CIOs bzw. IT-Leitern. Ein Über-blick zu den Auswertungsergebnissen ist in Tabelle 15 dargestellt. Die Auswertung orientiert sich dabei an folgenden Leitfragen des Kurzfragebogens:

(1) Wie stark ist aus Ihrer Sicht heute das Vertrauen in der Zusammenarbeit mit Anbietern ausgeprägt?

(2) Welche Auswirkungen hat das auf die gemeinsame Kooperation?

(3) Was zeichnet aus Ihrer Sicht einen vertrauenswürdigen Anbieter aus? Wie können Sie als Kunde aktiv die vertrauensvolle Zusammenarbeitmit Anbietern verbessern?

(4) Vertrauen in der Zusammenarbeit speist sich aus individuellen Beziehungen, aber auch aus den Eigenschaften der kooperierenden Organisationen.Welcher Aspekt ist aus Ihrer Sicht wichtiger: Person oder Organisation? Wie beeinflussen sich diese beiden Ebenen gegenseitig?

Die nachfolgende Darstellung der Auswertungsergebnisse bezieht sich auf die Aus-sagen der Kunden zu diesen Fragen bzw. auf die jeweils zugeordneten Kategorien und Codings.

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2.1.1. Ausprägungen der Vertrauensbeziehung aus Kundensicht

Die erste Frage des Fragebogens adressiert die Wahrnehmung der Kunden zur Aus-prägung des Vertrauens in der aktuellen Anbieterbeziehung. Vertrauen ist dabei im Sinne einer axialen Codierung als Kernkategorie zu betrachten (Corbin/Strauss 2008, 198; Kuckartz 2007, 75). Entsprechend werden die Aussagen der Kunden zu Frage 1 in differenzierbare Kategorien entlang einer Skala (z.B. stark/mittel/schwach) eingeordnet. Die Aufteilung dieser Kategorien bildet das grobe Untersuchungsraster für die nachfolgenden Fragen des Interviews. Im Untersuchungskontext lassen sich die Aussagen der Kunden in Bezug auf die Ausprägung des Konstrukts Vertrauen (Frage 1) in drei Kategorien einteilen. Das Vertrauen in der aktuellen Anbieterbezie-hung wird von den CIOs als 1) pauschal stark ausgeprägt, (2) je nach Anbieter ver-schieden stark ausgeprägt oder 3) pauschal schwach ausgeprägt beschrieben. In Tabelle 15 ist zusätzlich zu den inhaltlichen Aussagen auch in Klammern die Anzahl der zugeordneten Codings ausgewiesen.

Hinsichtlich der aktuellen Ausprägung von Vertrauen nehmen 46% der CIOs pau-schal eine starke Vertrauensausprägung, 21% ein heterogenes Vertrauen in Bezug auf unterschiedliche Anbieter und 33% eine schwache Vertrauensbeziehung wahr. Die weiteren Untersuchungsergebnisse werden im weiteren Prozess korrespondie-rend zu diesen drei Grundkategorien ausgewertet. Durch die inhaltlichen Aussagen und die Anzahl der Codings pro Kategorie lassen sich Aussagen mit Hinblick auf eine Vertiefung und Erweiterung des in Teil 3 formulierten Forschungsmodells gewinnen.

2.1.2. Auswirkungen von Vertrauensbeziehung aus Kundensicht

Die Auswirkungen von Vertrauen werden je nach Ausprägung des aktuellen Vertrau-ensniveaus von den CIOs sehr unterschiedlich beschrieben. So nehmen die Kunden in der Kategorie starker Vertrauensbeziehungen die Zusammenarbeit mit Anbietern als gemeinsame Partnerschaft wahr (= 38 Codings). Der Beziehungsstatus des An-bieters geht weit über das Niveau eines reinen Lieferanten hinaus und umfasst auch eine Einbindung in strategische Kundenentscheidungen. Entsprechend ist die Ko-operation und Zusammenarbeit in dieser Teilgruppe als qualitativ hochwertig einzu-stufen (= 32 Codings). Wesentlich ist dabei die Suche nach gemeinsamen Mehr-werten (= 20 Codings). Auf Grund der ausgeprägten Vertrauensbeziehungen domi-niert die Umsetzung von Lösungen für das Geschäft des Kunden. Diese sind in der Regel auch mit spezifischen Mehrwerten für den Anbieter verbunden.

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Die meisten Kunden der skizzierten Teilgruppe tendieren zu einer Fortsetzung und Erweiterung der bestehenden Partnerschaften (= 24 Codings). Daher können Com-mitment und Loyalität als Auswirkungen einer starken Vertrauensbeziehung unter-stellt werden.

CIO-Zitat: “Im Großen und Ganzen haben es unsere Anbieter verstanden, die Bedürfnisse des Kunden zu verstehen, darauf einzugehen, und sie haben sich wegentwickelt von der Strategie: Wir haben schon einmal die Lösung, jetzt brauchen wir nur noch das passende Problem dazu.“

Im Vergleich dazu sehen die Mitglieder der Teilgruppe mit heterogenen Vertrauens-beziehungen eine Auswirkung des Status-Quo in der Umsetzung selektiver Formen der Zusammenarbeit (= 18 Codings). Aufgrund des nicht durchgängig vorhandenen Vertrauens zu IT-Anbietern herrscht eine gewisse Entscheidungsunsicherheit. Daher streben die Kunden in dieser Zielgruppe differenzierte und abgestufte Kooperations-formen an. Diese schlagen sich zum Beispiel in Preferred Vendor-Konzepten bzw. der Segmentierung des Anbieterportfolios nieder. Einige Anbieter werden dabei als Partner identifiziert und genießen entsprechende Kooperationsvorteile, z.B. in Form einer frühzeitigen Einbindung in neue Kundeninitiativen. Grundsätzlich identifizieren die Kunden dieser Teilgruppe diverse Auswirkungen einer begrenzten Vertrauens-basis, z.B. in Form eines zurückhaltenden Umgangs mit firmeneigenen Informationen (= 16 Codings) sowie der Umsetzung stringenter Ausschreibungsprozesse (= 10 Co-dings). Dabei werden ab gewissen Wertgrenzen Ausschreibungen obligatorisch. Durch eine derartige Rationalisierung des Einkaufsprozesses sind aus Kundensicht auch etablierte Anbieterbeziehungen gefährdet, da in Ausschreibungen grundsätzlich alle Anbieter gleich zu behandeln sind. Zum Teil werden Einkaufsprozesse auch an externe Dienstleister im Sinne einer durch Outsourcing bezogenen Leistung ver-geben.

Die Kunden dieser Teilgruppe sehen als weitere Auswirkungen begrenzter Ver-trauensbeziehungen auch eine Rückwirkung auf das direkte Projektgeschäft. Dies betrifft in erster Linie Kosten- und Budgetüberschreitungen (= 8 Codings) sowie Effi-zienzprobleme (= 5 Codings). Auf Grund der suboptimalen Kooperation in frühen Projektphasen, begrenzten Informationen und standardisierten Ausschreibungen sind häufig Anpassungen in laufenden Projekten erforderlich (= request for change, RFC). Derartige RFC-Prozesse verzögern den Projektfortschritt und führen zu erwei-terten Kosten. Die Verantwortung für solche Anpassungsaufwände sehen die befrag-ten CIOs in der Regel bei den Anbietern.

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Diese können aus Kundensicht viele Versprechungen im Projektbetrieb nicht ein-halten und reagieren zu wenig flexibel auf individuelle Kundenerwartungen. Teilweise räumen die Kunden ein, dass auch eine mangelnde Abstimmung zwischen verschie-denen Abteilungen auf Kundenseite eine Ursache für die Auslösung von RFC-Prozessen darstellt.

Bei der dritten Teilgruppe der Kundenstichprobe ist das Vertrauen der Kunden in die Anbieter nur sehr schwach ausgeprägt. Die Auswirkungen einer mangelnden Ver-trauensbasis äußern sich aus Kundensicht in der Abstufung der Kooperation auf das Niveau einer normalen Lieferantenbeziehung (= 28 Codings). Echte und nachhaltige Partnerschaften sind aus Sicht dieser Teilgruppe auf Unternehmensebene nur sehr begrenzt umsetzbar. Unternehmenseigene Informationen werden entsprechend sen-sibel behandelt. Die Kontaktmöglichkeiten eines Anbieters werden auf das Notwen-dige reduziert, um die Risiken opportunistischer Ausnutzung zu minimieren (= 24 Codings). Die Kooperationsqualität mit IT-Anbietern wird von dieser Teilgruppe als schlecht bezeichnet. Kosten- und Budgetüberschreitungen sind in IT-Projekten die Regel (= 22 Codings). Häufig kann die ex ante zugesagte Qualität nicht eingehalten werden und es sind Anpassungen erforderlich (= 20 Codings). Daher ist der Projekt-betrieb durch ein ständiges Überwachen und Verhandeln gekennzeichnet sowie in weiterer Konsequenz mit erheblichen Effizienzproblemen verbunden (= 16 Codings). Die schlechte Kooperationsqualität hat aus Kundensicht sogar schon zur Rück-stellung von Projekten geführt (= 10 Codings). Aus Mangel an Vertrauen in die Leistungsfähigkeit potentieller Anbieter werden beabsichtigte Projekte vertagt oder komplett zurückgestellt.

CIO-Zitat: “…meistens werden Produkte angeboten, ohne diese auch nur annähernd auf die Bedürfnisse der Kunden abzustimmen … bei uns wer-den Projekte dadurch zurückgestellt … ich kann zum Beispiel Projekte, bei denen ich mir Potentiale versprechen würde, in Wirklichkeit gar nicht mehr angehen … das Problem äußert sich auch von der Kostenseite, wenn teilweise Kosten explodieren, also viel höher sind als zu Anfang geplant.“

Die Ergebnisse der qualitativen Interviews zeigen starke Parallelen zur aktuellen Re-lationship Marketing Forschung. Soweit es Anbietern und Kunden gelingt, in gemein-samen Beziehungen ein höheres Vertrauensniveau aufzubauen, hat dies positive Effekte auf die Kooperationsqualität (Anderson/Narus 1990, 42; Morgan/Hunt 1994, 26) und Kundenloyalität (Crosby et al. 1990, 71; Doney/Cannon 1997, 41; Sirdesh-mukh et al. 2002, 20).

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Aus organisationstheoretischer Sicht kann dies mit der durch Vertrauen verbundenen Senkung von Transaktionskosten (Shrum et al. 2001, 681; Zaheer et al. 1998, 141) bzw. Erzeugung von Transaktionsvorteilen (Lane et al. 2001; Zajac/Olsen 1993) be-gründet werden. Schließlich leitet sich aus der qualitativen Evaluation der Aus-wirkungen von Vertrauen auch eine weitere empirische Fundierung der im Rahmen von Teil 3 formulierten Auswirkungshypothesen des Forschungsmodells ab. Vertrau-en führt zu einer Verbesserung der gemeinsamen Kooperation und fördert die Kun-denloyalität.

2.1.3. Anbieterseitige Bedingungen für Vertrauensbeziehungen

Bei der Untersuchung von Bedingungen für den Aufbau von Vertrauen ist zwischen Anforderungen an die Anbieter und Anforderungen an die Kunden selbst zu unter-scheiden. Hinsichtlich der Definition von Kategorien für die Codierung wurden die Prädiktorvariablen des unterstellten Forschungsmodells (= Expertise, Kommunikati-on, opportunistisches Verhalten, Kundenintegration, Preismodelle, Kundenlösungen, Reputation) ex ante vorgegeben. Darüber hinaus lassen sich aus der qualitativen Evaluation ex post weitere Kategorien entwickelt.

Bei Kunden mit einer stark ausgeprägten Vertrauensbeziehung hat die Kategorie Kundenlösungen auf Grund der Menge der Codings (= 33) eine wesentliche Be-deutung für die Vertrauensbildung. Kunden erwarten in dieser Hinsicht eine aktive Auseinandersetzung der Anbieter mit der spezifischen Kundensituation. Dazu zählen insbesondere Prozesse zur Analyse der Kundenbedürfnisse und der Anpassung bzw. Integration bestimmter Leistungsbestandteile im Sinne der Kundenanforderun-gen. Die Erwartungen der CIOs lassen sich stark mit den Ergebnissen der Unter-suchung von Tuli et al. (2007, 5) vergleichen. Darüber hinaus ist aus Kundensicht auch eine spezifische Expertise erforderlich (= 30 Codings).

CIO-Zitat: “Er muss uns kennen, er muss unsere Probleme kennen, er muss unsere Bedürfnisse kennen, er muss unser Geschäft, unser Geschäftsmodell verstehen. Also das bietet eine vertrauenswürdige Grundlage.“

Offensichtlich beziehen sich die Bedingungen für das Vertrauen der Kunden mit Hin-blick auf Kundenlösungen und Expertise insbesondere auf ein tiefes Verständnis der geschäftlichen Grundlagen und daraus resultierenden Anforderungen.

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Insofern ist unter Expertise nicht nur fachliche IT-Kompetenz oder ein allgemeiner Einblick in die Branche des Kunden, sondern ein tief fundiertes Wissen über kunden-individuelle Aspekte zu verstehen. Kommunikation spielt dabei als Bedingung für den Aufbau von Vertrauen eine wichtige Rolle, weil kommunikative Kompetenzen als Grundlage für die Umsetzung von Kundenlösungen angesehen werden (= 20 Co-dings):

CIO-Zitat: “Ein vertrauenswürdiger Anbieter zeichnet sich dadurch aus, dass er zuerst einmal Fragen stellt zu unserer Problemstellung und zuhört – und uns nicht gleich zutextet mit seinen Produkt- und Lösungsinforma-tionen“.

Bei stark ausgeprägten Vertrauensbeziehungen spielt neben Kundenlösungen, Ex-pertise und Kommunikation auch die Vermeidung opportunistischer Verhaltens-weisen eine wesentliche Rolle (= 22 Codings). Opportunismus lässt sich dabei aus Kundensicht in verschiedene Kategorien differenzieren. Zunächst geht es den CIOs um die Einhaltung von Zusagen. Für den Vertrauensaufbau ist es abträglich, wenn einmal zugesagte Informationen oder Leistungen nicht umsetzbar sind. Dieser Aspekt ist auch mit Fragen der Ehrlichkeit verbunden. Kunden erwarten in dieser Hinsicht ein offenes und ehrliches Feedback. Dies gilt auch für potentiell negative Informationen. Daher wirkt der Bruch einer Zusage in Verbindung mit Unehrlichkeit besonders negativ. Weitere Teilaspekte opportunistischen Verhaltens betreffen u.a. ein pro-aktives Informationsverhalten der Anbieter und eine offene Signalisierung der eigenen Leistungsgrenzen. CIOs schätzen in dieser Hinsicht Anbieter, die frühzeitig und offen auch die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit benennen bzw. ggf. bei der Suche nach Lösungspartnern unterstützen. Negativ für das Vertrauen zwischen Anbietern und Kunden ist in diesem Kontext auch die Unterdrückung relevanter In-formationen. Vertrauen kann schnell zerstört werden, wenn relevante Informationen nicht direkt vom Anbieter, sondern möglicherweise von einer dritten Partei an den Kunden herangetragen werden.

Eine weitere wesentliche Bedingung für Vertrauen bildet in Beziehungen mit hohem Vertrauensniveau der Faktor Kundenintegration (= 16 Codings). Kunden erwarten in Bezug auf Kundenintegration eine aktive Einbeziehung in den Prozess der Ent-wicklung neuer Leistungen auf Anbieterseite. Dabei zeigen die transkribierten Codings eine Präferenz für möglichst konkrete und projektnahe Integrationspro-zesse. Dies liegt aus Kundensicht in der Natur der IT, da Innovationen häufig erst direkt bei der Lösung von Anforderungen der Kunden entstehen.

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Im Gegensatz dazu werden Foren zu Diskussion allgemeiner Herausforderungen zwischen Anbietern und Kunden eher kritisch gesehen:

CIO-Zitat: “Ich glaube, dass wir Kunden noch mehr Input geben können, aber im Übrigen auch wollen, was die Produktentwicklung der Anbieter angeht. Da glaube ich, können wir uns noch mehr einbringen, und sind auch grundsätzlich bereit dazu. Ich wundere mich manchmal, wie wenig die Kunden eingebunden werden, gerade bei den großen Unternehmen. Die haben natürlich alle irgendwelche Kundenforen, aber mein Eindruck ist, dass das eher Scheindiskussionen sind, die da geführt werden, als wirkliches, aktives Verstehen und Zuhören.“

Insofern fordern die meisten Kunden in dieser Teilgruppe eine aktive und kontinuier-liche Einbindung in Innovationsprozesse auf Anbieterseite. Dabei ist auf Basis der ausgebauten Vertrauensbeziehung auch eine Pilotierung und Umsetzung von Inno-vationen im eigenen Anwendungskontext nicht ausgeschlossen:

CIO-Zitat: “Wir wollen Teile der Wertschöpfungskette … zum Anbieter verlagern … von den reichhaltigen Research & Development-Budgets … partizipieren … dann eben auch die Möglichkeit haben … den Einsatz dieser Mittel zum Teil halt eben wenigstens mit beeinflussen zu können. Wir sind inzwischen auch zu der Erkenntnis gekommen, dass wir bei Anbietern … teilweise vom branchenübergreifenden … know-how eindeu-tig profitieren können, und dass wir teilweise einfach selber … nicht die finanziellen Möglichkeiten haben in einigen der Teilbereiche überhaupt aktiv werden zu können.“

Über den Faktor Kundenintegration hinaus spielt die Reputation eines Anbieters auch für Kunden mit ausgebauten und starken Vertrauensbeziehungen eine wichtige Rolle (= 20 Codings). Das Konstrukt Reputation beruht dabei auf mehreren Aspek-ten. Zunächst steht die grundsätzliche Stabilität und Bonität eines Anbieters zur Diskussion. Die meisten CIOs in dieser Teilgruppe präferieren eine Zusammenarbeit mit etablierten Anbietern, die selbst bereits über geraume Zeit am Markt tätig sind. Wesentlich sind darüber hinaus der Ruf des Anbieters und die Referenzen anderer Kunden. Teilweise und zukünftig verstärkt werden derartige Referenzen direkt aus Kundennetzwerken und ohne direkten Einfluss eines Anbieters generiert.

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Das Feedback anderer Kunden spielt daher für den Aufbau von Reputation eine wesentliche Rolle. Schließlich speist sich die Reputation auch aus den eigenen Erfahrungen eines Kunden bzw. der Kooperation in anderen Projekten.

Aus Sicht der Kunden aus der Teilgruppe mit starken Vertrauensbeziehungen ist für den Aufbau von Vertrauen darüber hinaus eine sinnvolle Teilung der Chancen und Risiken einer Kooperation wesentlich (= 11 Codings). Derartige Modelle lassen sich beispielsweise über wertorientierte Preismodelle realisieren. Die Befragungs-ergebnisse weisen dabei nicht immer unmittelbar auf eine Bindung von Preisen an den Kundenvorteil hin. Häufig ist pauschal von einer Beteiligung der Anbieter die Rede. In einigen Fällen ist dies durch Bonus/Malus-Systeme oder eine Übertragung von Projektrisiken bereits umgesetzt. Das folgende Zitat beschreibt den Evolutions-prozess in diesem Teilbereich.

CIO-Zitat: “Wie schafft man es, die Grundprobleme konfliktärer Ziele schon a priori irgendwie aus dem Wege zu räumen? Time & Material hat immer das Grundproblem … dass der Kunde eine Lösung für sein Prob-lem zu den geringstmöglichen Kosten und der Anbieter eine Maximierung von Umsatz und Ertrag erreichen will. Das Problem bei Werkverträgen ist … dass das Werk letztendlich extrem genau beschrieben sein muss, inklusive aller Mitwirkungsleistungen. Zwangläufig hat man dann Change Request Verfahren am Hals, also, das löst das Problem vordergründig und zum Teil eben nur scheinbar und nicht wirklich. … Wenn man sagt: OK, kann man den Anbieter an den wirtschaftlichen Zielen des Kunden beteili-gen? Ja, sehr häufig versucht man das mit dem Projekterfolg, d.h. Bonus/Malus Regelungen anhand von Projekterfolgen. Dann ist das gan-ze Thema aber, wie definiere ich denn den Projekterfolg? On time, on budget, on scope? Wenn man das noch eine Ebene höher heben kann, nach dem Motto: Ich als Kunde möchte ja mit einem bestimmten Projekt einen bestimmten wirtschaftlichen Erfolg in meinem Geschäftsfeld errei-chen, … wenn man sagt: Ich schaffe es jetzt, den Anbieter an diesem Teil zu beteiligen, dann habe ich an vielen Stellen die Diskussionen behoben.“

Das Zitat skizziert eine zunehmende Abkehr von ressourcenorientierten Preismo-dellen (= Time & Material). Schließlich bieten Werkverträge aus Sicht der meisten befragten CIOs auch keine Lösung für den skizzierten Ziel- und Interessenkonflikt. Möglicherweise lässt sich die Preisfindung eines Anbieters jedoch mit den wirtschaft-lichen Zielen des Kunden verbinden (Reinecke 1996, 154).

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Entsprechend lassen sich wertorientierte Preissysteme (insbesondere in der Teil-gruppe der Kunden mit starken Vertrauensbeziehungen) als eine vielversprechende Beziehungsstrategie für den Aufbau von Vertrauen in Kundenbeziehungen betrach-ten.

Ein Vergleich der Teilgruppe mit starken Vertrauensbeziehungen in Bezug zu den beiden anderen Teilgruppen zeigt einige signifikante Unterschiede. So verfügt der negative Prädiktor opportunistisches Verhalten in den beiden Teilgruppen mit weni-ger starken Vertrauensausprägungen über eine stärkere Bedeutung. Dieses Ergeb-nis resultiert aus der Relation der Codings einer Kategorie im Vergleich zur Gesamt-zahl der Interviews aus der axialen Codierung bzw. der Kernkategorie.

Beispielsweise liegen bezogen auf den Faktor opportunistisches Verhalten in der Teilgruppe mit starken Vertrauensbeziehungen 22 Codings bei 46 Interviews der Kernkategorie vor (= 48%). Diese Relation steigt stetig bei der Gruppe mit hetero-genen Vertrauensbeziehungen (18/21, 86 %) sowie bei einem nur sehr schwach ausgeprägten Vertrauensniveau (= 33/33, 100%).

Damit kann der Verzicht auf opportunistische Verhaltensweisen als grundlegende Bedingung für den Aufbau von Vertrauen interpretiert werden. Ohne eine weitgehen-de Vermeidung von Opportunismus ist die Umsetzung von positiv wirkenden Bezie-hungsstrategien kaum möglich.

Darüber hinaus zeigen sich wesentliche Unterschiede in der Gewichtung einzelner Beziehungsstrategien über die drei Teilgruppen. So sind Kundenlösungen v.a. in der Teilgruppe mit starken Vertrauensbeziehungen relevant (= 33/46, 74%). Die Be-deutung von Kundenlösungen sinkt jedoch bei einem weniger starken Vertrauens-niveau in der mittleren Gruppe (= 12/21, 57%) sowie bei schwachen Vertrauensaus-prägungen (= 13/33, 39%). Offensichtlich sind Lösungen aus Kundensicht besonders relevant, wenn bereits ein gewisses Maß an Vertrauen etabliert ist. Folglich lassen sich Lösungsansätze mit manifest opportunistischen Interessen kaum umsetzen.

Weitere Unterschiede zeigen sich zum Beispiel in der Kategorie Preismodelle. Die Codings zu Preismodellen finden sich überwiegend bei stark ausgeprägten (= 11 von 13) und vereinzelt bei heterogenen (= 2 von 13) Vertrauensbeziehungen. Auf Grund dieser Ergebnisse und der niedrigen Gesamtanzahl an Codings kann davon ausge-gangen werden, dass wertorientierte Preismodelle bisher nicht in der Breite imple-mentiert sind bzw. vorwiegend bei Unternehmen mit starken Vertrauensbeziehungen oder Erfahrungen mit anderen RM Strategien eingesetzt werden.

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Die These der bisher nur wenig stark verbreiteten Umsetzung derartiger Preis-modelle erschließt sich auch aus direkten Zitaten einiger CIOs:

CIO-Zitat: “Das wird in den meisten Fällen auf Anbieterseite wirklich noch nach Jahresscheiben gerechnet, dass heißt der Vertriebler muss in diesem Jahr Betriebserfolg erzielen … Eine langjährige partnerschaftliche Zusammenarbeit hinzubekommen bedeutet, dass man in dem einen Jahr vielleicht mal … seitens des Anbieters eine Investitionsphase hat … und dass dann in die Bücher des Anbieters rein zu kriegen, ist meistens sehr, sehr schwierig.“

Ein vergleichbarer Trend zeigt sich auch beim Thema Kundenintegration. Die Inte-gration des Kunden in die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen setzt aus Sicht der CIOs ein ausreichendes Vertrauensniveau voraus. Innerhalb der ge-meinsamen Integration kann das gegenseitige Vertrauen dann noch ausgebaut wer-den. Jedoch sind gegenseitige Integrationsprozesse bei schwacher Vertrauensaus-prägung und ausgeprägtem Opportunismus kaum umsetzbar.

Parallel zu den skizzierten Unterschieden zeigen sich auch einige Gemeinsamkeiten. So ist die Bedeutung von Reputation, Expertise und Kommunikation gemessen an-hand der Relation zwischen Codings und Interviews konstant. Offensichtlich sind diese Faktoren von grundsätzlicher Bedeutung für den Vertrauensaufbau. Diese Strategien zeigen damit in ihrer allgemeingültigen Wirkung Parallelen zu den destruk-tiven Effekten opportunistischer Verhaltensweisen.

Mit den im Rahmen des Forschungsmodells aus Teil 3 vorgegebenen Kategorien (= Expertise, Kommunikation, opportunistisches Verhalten, Kundenintegration, Preismodelle, Kundenlösungen und Reputation) lassen sich bei den Bedingungen für Vertrauen ca. 90% der im Rahmen der qualitativen Untersuchung erzeugten Codings abgedeckt (= 330 von 367 Codings). Damit zeigt das Forschungsmodell auch aus qualitativer Sicht eine gute Anbindung an die empirischen Daten. Über diese vorge-gebenen Kategorien hinaus konnten 11 weitere Konstrukte aus den Befragungsdaten abgeleitet werden. Siehe dazu die Darstellung des gesamten Kategoriensystems der qualitativen Datenanalyse in Abb.21.

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Abb.21-1: Qualitative Untersuchung, Kundenstichprobe (Übersicht der Codings)

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Abb.21: Qualitative Untersuchung, Kundenstichprobe (Übersicht der Codings)

Bei den in Bezug auf Anbieter zu stellenden sonstigen Bedingungen für den Aufbau von Vertrauen nennen die befragten CIOs beispielsweise die Faktoren Fluktuation und Kontinuität (= 10 Codings). Dabei ist eine hohe Fluktuation in der Vorprojekt-phase oder während eines Projekts eher abträglich für die Beziehung im Allgemeinen und besonders für die Stärke des gegenseitigen Vertrauens.

CIO-Zitat: “Für mich ist eine der wesentlichen Bedingungen … Kontinuität, … dass die Leute, die tatsächlich dann an den Lösungen arbeiten, dass da eine hohe Kontinuität vorhanden ist. Dass also nicht ein Austausch von Personen vorgenommen wird, ohne Vorwarnung, dass auch … während einer Projektlaufzeit eine Kontinuität auf der Anbieterseite bei den beteilig-ten Personen gegeben ist.“

Neben der Kontinuität auf Personenebene wird von einigen Kunden ein leistungs-fähiges Projektmanagement auf Anbieterseite als Bedingung für den Aufbau von Ver-trauen genannt (= 8 Codings).

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Dazu zählen aus Kundensicht beispielsweise Prozesse zur Gewährleistung einer transparenten Projektdefinition und Projektorganisation, periodische Reviews, Ist- vs. Zielvergleiche sowie projektbegleitende Kommunikationsmaßnahmen. Darüber hinaus sehen die Kunden in einem angemessenen Preis-/Leistungsverhältnis eine Bedingung für Vertrauen in Kooperationsbeziehungen (= 7 Codings). Dabei ist die Angemessenheit der Preise aus Kundensicht zum einen durch die Transparenz der Preisfindung bestimmt. Die befragten CIOs erwarten in dieser Hinsicht Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei der Preisgestaltung und –berechnung (= 7 Codings). Zusätzlich stellt sich aus Kundensicht die Frage nach der Marktfähigkeit der ange-botenen Preise. Zu hohe Preise induzieren offensichtlich genauso wie zu niedrige Preise Unsicherheiten und erfordern entsprechend weitere vertrauensbildende Maß-nahmen.

Als weitere Bedingungen für Vertrauen werden in Einzelmeinungen schließlich die Organisationsstruktur des Anbieters (= 5 Codings) und ein effizientes Eskalations-management (= 5 Codings) angeführt. Aus Perspektive der Organisationsstruktur bevorzugen die befragten Kunden eine Zusammenarbeit mit kundenorientiert struktu-rierten Unternehmen. Dabei spielt es für die CIOs eine wesentliche Rolle, ob durch die Aufbauorganisation des Anbieters im Wesentlichen das eigene Produktportfolio abgebildet ist oder im Idealfall kunden- oder branchenorientierte Organisationsein-heiten vorhanden sind. In Bezug auf die Effizienz des Eskalationsmanagements bewerten die Kunden die Vorgehensweise des Anbieters bei der Lösung von Pro-blemen und der Bearbeitung von Reklamationen. Die Kunden in dieser Teilgruppe erwarten eine stufengerechte Ansprache, Wertschätzung, ausreichende Entschei-dungsspielräume auf Anbieterseite sowie insgesamt eine schnelle und einver-nehmliche Lösung bei akuten Problemstellungen.

Abschließend werden vereinzelt noch weitere Bedingungen für Vertrauen in gemein-samen Beziehungen genannt, wie beispielsweise die Sicherheit und Vertraulichkeit von Kundendaten (= 4 Codings) oder eine unbürokratische Vorgehensweise bei ge-meinsamen Projekten (= 3 Codings). Zum Teil empfinden Kunden auch Wett-bewerbskonstellationen mit mehreren Anbietern als vertrauensfördernd (= 3 Co-dings). Durch den Wettbewerb lässt sich die Abhängigkeit von einzelnen Anbietern reduzieren und aus Kundensicht die Motivation und Leistungsbereitschaft auf Anbie-terseite fördern. Schließlich sollten Anfragen oder Aufträge der Kunden von Anbie-tern in angemessener Zeit beantwortet und bearbeitet werden (= 2 Codings). Dies gilt insbesondere bei Kunden mit hohen Anforderungen an die Time-to-Market. Grund-sätzlich wird ein kultureller Fit zwischen Anbietern und Kunden von einigen CIOs als wesentliche Bedingung für den Aufbau von Vertrauen gesehen (= 2 Codings).

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2.1.4. Kundenseitige Bedingungen für Vertrauensbeziehungen

Neben den Bedingungen für den Aufbau von Vertrauen auf Anbieterseite ist in Abb.21 auch dargestellt, welche Beiträge Kunden aus eigener Sicht für eine vertrau-ensvolle Zusammenarbeit leisten können. Dabei steht für die befragten CIOs die Vermeidung eigener opportunistischer Verhaltensweisen an erster Stelle (= 46 Co-dings). Der Opportunismus des Kunden kann sich in verschiedenen Varianten aus-drücken. In vielen Fällen adressieren die befragten CIOs die Einhaltung von Zusagen bzw. allgemein die Verbindlichkeit von Aussagen auch aus Kundensicht. Für die gemeinsame Beziehung und das Vertrauen zwischen Anbietern und Kunden ist es abträglich, wenn veränderte Anforderungen oder Rahmenbedingungen auf Kunden-seite zu spezifischen Nachteilen führen (z.B. Anpassungsaufwand, RFC, erweiterte Kosten, erhöhter Zeitbedarf, etc.), um dann die Verantwortung für die Beseitigung derartiger Nachteile in den Verantwortungsbereich des Anbieters zu delegieren.

CIO-Zitat: “Es gibt auch so etwas wie einen Anstand des Kunden. Sie können einen Anbieter heute nicht für alles haftbar machen, was man eigentlich selbst zu verantworten hat. Da gibt es leider einen Trend zur Schuldzuweisung. Man macht immer einen anderen für sein eigenes Ver-sagen haftbar.“

Darüber hinaus adressieren die befragten CIOs auch Aspekte wie Ehrlichkeit und Fairness. Beispielsweise haben Ausschreibungen nur dann zu erfolgen, wenn tat-sächlich noch ein Projekt zu vergeben ist. Die verbreitete Praxis der Einholung von Offerten zur Nutzung für Preisverhandlungen mit präferierten Anbietern beschädigt aus Kundensicht die gemeinsame Vertrauensbasis. Insofern sind Gespräche mit einem Anbieter nur aufzunehmen, wenn ein echtes und nachhaltiges Interesse an einer gemeinsamen Zusammenarbeit besteht.

Ein zweiter wesentlicher Faktor für den Aufbau von Vertrauen ist aus Kundensicht in der eigenen Offenheit und Transparenz zu sehen (= 35 Codings). Soweit Kunden an der Gestaltung vertrauensvoller Kooperationen interessiert sind, sollten sie Anbieter möglichst früh und umfassend in die eigenen Planungen einbinden.

CIO-Zitat: “… wir haben hier offene Bücher, das ist unsere Strategie, das ist unsere Roadmap. Ich teile unseren Anbietern die Strategie, die ich verfolge, relativ offen mit, dann können die Anbieter ihre Planungen machen, sie wissen, dies ist ein Projekt in der Pipeline und können ent-sprechend selbst ihre Ressourcenplanung vornehmen - also da ist eine

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Transparenz, eine offene Kommunikation, ein partnerschaftliches Verhält-nis. Und die Leute auf Anbieterseite schätzen das, die wissen genau, wir sind berechenbar. Das hat sich sehr gut eingespielt.“

Aus der gemeinsamen Kommunikation sowie der skizzierten Offenheit und Trans-parenz folgt eine Integration des Anbieters in Wertschöpfungsprozesse auf Kunden-seite (= 34 Codings). Wesentlich ist dabei aus Sicht der befragten CIOs ein konti-nuierlicher und partnerschaftlicher Austausch. Dabei sollte die Integration der Anbie-ter nicht nur punktuell, sondern fortlaufend und losgelöst von konkreten Projekten erfolgen. Aus Kundensicht ist darüber hinaus die Etablierung von dedizierten Rollen und Verantwortlichkeiten für das Integrations- und Partnermanagement sinnvoll:

CIO-Zitat: “Wir haben vor drei, vier Jahren, als wir die ersten Ansätze gefahren haben, einfach den üblichen Fehler gemacht. Wir haben immer wieder in unregelmäßigen Abständen unsere Partner eingeladen und haben gesagt, stellt uns doch einmal vor, was ihr so vom Markt her seht. Das waren dann immer Blitzlichter, und dann haben wir sie wieder gehen lassen, … da war keine Kontinuität … das war immer eine sehr stark aus Management getriebene Sichtweise … die aber in unserer Organisation keinerlei Verankerung hatte. Da waren keine meiner Mitarbeiter dabei … keiner der sich hauptamtlich mit diesem Partner auseinandersetzt und auch wirklich dafür Sorge trägt, dass die Ideen … bei uns auch weiter-gepflegt werden. Also ich sage einmal ganz hart gesprochen, wir können als Kunde natürlich sehr stark für diese Kooperation beitragen, indem wir auch wirklich entsprechende Kümmerer, entsprechende zuständige Mit-arbeiter benennen, die eben auch hauptamtlich an dieser Kooperation arbeiten. Das natürlich nicht zum Selbstzweck der Kooperation, sondern zu unserem eigenen Vorteil.“

Schließlich können Kunden aus CIO-Sicht auch durch eine gute Konzeptarbeit, fach-lich ausgereifte Überlegungen und eine hochwertige interne Kooperation zur Ver-trauensbildung beitragen (= 33 Codings). Damit fokussieren die Kunden zum Teil die erforderlichen Vorarbeiten, die auf Kundenseite für eine erfolgreiche Zusammen-arbeit wesentlich sind. Grundsätzlich besteht die Herausforderung häufig darin, unterschiedliche Parteien und Interessen in der Kundenorganisation auf einen ge-meinsamen Nenner zu vereinen.

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Bei unklaren Konzepten oder schlechter interner Abstimmung und Kooperation sind nachgelagerte Störungen auch in der Zusammenarbeit mit externen Anbietern kaum zu vermeiden. Darüber hinaus führt eine hohe Volatilität bei den Zielsetzungen und Motiven des Kunden zu einer erweiterten Unsicherheit. Der Aufbau von Vertrauen zwischen den beteiligten Parteien ist unter diesen Umständen erschwert.

CIO-Zitat: “Ein Aspekt der von Kundenseite optimiert werden kann … ist die Anforderung zu Beginn eines Projektes tatsächlich … sauber zu definieren. Das ist häufig ein schwieriger Vorgang, denn je mehr sich Fachabteilungen mit der Materie beschäftigen, desto mehr Begehrlich-keiten und Wünsche entstehen. Und was für Projekte immer proble-matisch ist, ist während des Verlaufes Änderungen durchzuführen. Wir haben intern eine Methode entwickelt, um diese Problematik aufzufangen, aber wir müssen diese Methode mit unseren Lieferanten besser teilen und wir müssen dort genauere Vorgaben machen, wie wir uns den Ablauf des Projektes vorstellen.“

Eine weitere Bedingung für den Aufbau von Vertrauen besteht aus Kundensicht in einer hohen Qualität der agierenden Mitarbeiter/innen auf Kundenseite (= 24 Co-dings). Hier lassen sich die Anforderungen an den Anbieter mit Hinblick auf Experti-se, Kommunikation, etc. analog auch auf die Mitarbeiter/innen des Kunden über-tragen. Soweit bei den Kunden kein ausreichendes Maß an Expertise vorhanden ist, belastet dies die Entwicklung einer Vertrauensbasis für beide Seiten. Zum einen ist der Kunde möglicherweise nicht in der Lage, die Vorschläge des Anbieters adäquat einzuschätzen. Andererseits kann sich der Anbieter bei fehlender Kundenexpertise nur begrenzt auf Zusagen des Kunden verlassen. Möglicherweise kommt der Kunde im weiteren Prozess bei erweiterter Expertise zu anderen Entscheidungen. Daher ist es aus Sicht der beteiligten CIOs wesentlich, ein gewisses Maß an Expertise und Kompetenz in der Organisation des Kunden zu binden. Schließlich liegt aus Kunden-sicht in einer klaren (IT-)Strategie eine weitere Bedingung für den Aufbau von Ver-trauen mit externen Anbietern (= 15 Codings). Dies beinhaltet eine dedizierte Vor-stellung des Kunden zu den wesentlichen strategischen Zielen der IT und den strate-gischen Stoßrichtungen zur Zielerreichung. Je umfassender entsprechende Grund-lagen auf Kundenseite entwickelt sind, desto einfacher können sich Anbieter einbrin-gen und das erforderliche Vertrauen für Investitionen in die Beziehung entwickeln. Umgekehrt ermöglicht es eine dedizierte Strategie auch den Kunden selbst, Sicher-heit zu gewinnen und die passenden Anbieter für Partnerschaften auszuwählen.

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Die weiteren von den Kunden genannten Anforderungen an die Kundenorganisation werden auf Grund der vergleichsweise wenigen Codings nur kurz skizziert. Dabei spielt für die befragten CIOs beispielsweise der Ansatz einer aktiven Beziehungs-pflege durch den Kunden eine Rolle (= 7 Codings). Entsprechende Maßnahmen soll-ten nicht nur von Anbietern umgesetzt, sondern entsprechend einer partner-schaftlichen Ausrichtung auch von Kunden betrieben werden. Dabei gilt es auch, funktionale Anreize für Anbieter zu schaffen (= 4 Codings). Derartige Anreize werden zum Teil in organisierten Wettbewerbskonstellationen gesehen (z.B. durch Dual-Vendor-Strategien). Andererseits ist auch eine Beteiligung der Anbieter an den Chancen und Risiken von IT-Projekten in Erwägung zu ziehen. Schließlich ist aus Sicht einiger CIOs eine klare Lieferantenstrategie für den Aufbau von Vertrauen obli-gatorisch (= 4 Codings). Die Lieferanten und Partner sollten aus Kundensicht verste-hen, welche Anforderungen die Kunden stellen und welche Rolle ein einzelner An-bieter aus Sicht des Kunden spielt. Darüber hinaus sind aus Sicht der beteiligten CIOs die aktuell verfügbaren Ausschreibungsprozeduren zu überdenken (= 4 Co-dings). Dies betrifft v.a. die Transparenz von Ausschreibungen und die Möglichkeit von Interaktionen während der Ausschreibungsphase. Aus Sicht vieler Kunden sind die aktuellen Verfahren zu starr und geschlossen. Anbieter gelangen häufig nur auf Basis einer Vorauswahl durch den Kunden in den Ausschreibungsprozess. Somit werden jedoch frühzeitig potentiell interessante Anbieter ausgeblendet. Darüber hin-aus sind Interaktionen zwischen Anbietern und Kunden vor und während der Aus-schreibung in den meisten Fällen stark limitiert. Dies verhindert den gemeinsamen Dialog in der Frühphase eines Projekts und begrenzt die Chancen auf eine optimale Kundenlösung. Schließlich ist es aus Sicht einzelner Kunden wesentlich, für den An-bieter als Referenzpartner tätig zu sein (= 3 Codings). Durch die Bereitschaft des Kunden zur Abgabe von Referenzen lässt sich auch das Vertrauen zwischen beiden Parteien für künftige Kooperationen stärken. Abschließend sehen einige der befrag-ten CIOs in einer nachvollziehbaren Zeit- und Terminplanung eine wichtige Bedin-gung für den Aufbau von Vertrauen in Partnerbeziehungen (= 3 Codings). Dies um-fasst v.a. eine rechtzeitige Einbindung von Anbietern, sinnvolle Vorstellungen der Kunden in Bezug auf Projektbeginn und Projektdauer sowie eine sachgerechte eige-ne Beteiligung von relevanten Personen auf Kundenseite.

Ein Vergleich der von den CIOs für Kunden formulierten Bedingungen für den Ver-trauensaufbau über verschiedene Stärken einer Vertrauensbeziehung kann erneut auf Basis einer axialen Codierung vorgenommen werden (Corbin/Strauss 2008, 198; Kuckartz 2007, 75). Die entsprechenden Daten sind in Tabelle 15 zusammengefasst.

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Danach zeigen sich erneut signifikante Unterschiede hinsichtlich der Bedeutung der einzelnen formulierten Bedingungen in verschiedenen Teilgruppen. Dies gilt bei-spielsweise für die Bewertung des Opportunismus auf Kundenseite. Während dieser Faktor bei starken Vertrauensbeziehungen eine eher geringe Bedeutung hat (= 14 Codings bei 46 Interviews, 30%), nimmt die relative Menge an Codings in hetero-genen (= 10/21, 50%) oder schwach ausgeprägten Vertrauenskonstellationen (= 22/33, 67%) stetig zu. Ein umgekehrter Effekt zeigt sich bei der Offenheit und Trans-parenz des Kunden. So ist dieser Faktor in starken Vertrauensbeziehungen noch hoch bewertet (= 23/46, 50%). Die relative Menge an Codings sinkt jedoch bei hete-rogenen (= 6/21, 29%) oder schwach (= 6/33, 15%) ausgeprägten Vertrauenswerten. Vergleichbare Effekte zeigen sich bei der Integration eines Anbieters in eigene Wert-schöpfungsprozesse und der Bedeutung ausgereifter Fachkonzepte. Während die Anbieterintegration besonders bei Kunden mit starken Vertrauensbeziehungen von Bedeutung ist (= 23/46, 50%), nimmt die relative Menge an Codings bei heterogenen (6/21, 29%) und schwachen Vertrauensausprägungen (5/33, 15%) deutlich ab. Da-gegen hat die Erarbeitung von ausgereiften Fachkonzepten insbesondere für Kunden mit schwachen Vertrauenskonstellationen eine starke Bedeutung (20/22, 61%). Die-se nimmt jedoch mit heterogenen (= 8/21, 38%) und starken Vertrauenswerten (5/46, 11%) stetig ab.

Neben den skizzierten Unterschieden zeigen sich auch einige Gemeinsamkeiten. So hat beispielsweise die Qualität der eigenen Mitarbeiter/innen und die Formulierung einer klaren IT-Strategie in allen drei Teilgruppen eine vergleichbar hohe Bedeutung. Insofern lassen sich aus der axialen Codierung und kategorienbasierten Auswertung relevante Unterschiede für den Aufbau von Vertrauen in Kundenbeziehungen defi-nieren und interpretieren.

2.1.5. Vertrauen in Personen vs. Vertrauen in die Organisation

Bei der Analyse unterschiedlicher Vertrauensebenen lassen sich aus Sicht der betei-ligten CIOs die Unterschiede zwischen Vertrauen in Personen und Vertrauen in Or-ganisationen sehr gut differenzieren.

CIO-Zitat: “Ich glaube Beides ist wichtig. Da kann man das Eine nicht vom Anderen trennen. Ich sage immer, entscheidend ist, dass ich mich mit der Person verstehe und die Chemie funktioniert. Dann ist es immer eine ganz andere Ausgangslage, als wenn das von Anfang an nicht ganz stimmt. Zweitens, die Person in einer Firma, die ist erstens eine Person und ein

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Charakter für sich, aber sie lebt in einer Kultur der Firma. Und die Kultur der Firma prägt auch die Personen die dort arbeiten … die wählen auch Personen entsprechend ihrer Kultur aus … Also ist es eigentlich Beides. Ich brauche eine Firma mit einer Kultur, die mir auch entspricht, die mir passt und entsprechend brauche ich die Leute. Im Endeffekt ist es natür-lich immer die Einzelperson, die es dann ausmacht. Die Person steht ja vor mir und nicht die Firma.“

Durch derartige Zitate werden unterschiedliche Aspekte adressiert. Zunächst weisen die meisten der befragten CIOs personalen Beziehungen eine starke Bedeutung zu. Final basieren Kontakte zwischen Unternehmen auf personalen Interaktionen. Wenn Beziehungen bereits auf dieser Ebene mit Differenzen behaftet sind, tangiert dies auch die Zusammenarbeit zwischen Organisationen. Darüber hinaus ist bei Vertrau-ensentscheidungen auf Kundenseite jedoch nicht die Einzelperson alleine entschei-dend. Organisationale Faktoren spielen bei den meisten der befragten Kunden eine wesentliche Rolle. Dabei zeigen die Ergebnisse der qualitativen Untersuchung, dass der Einfluss von organisationalen Aspekten in zwei Phasen der Beziehungs-gestaltung von besonderer Bedeutung ist. Dies betrifft zum einen die Auswahl poten-tieller Interaktionspartner. Organisationale Faktoren (z.B. Reputation, Leistungs-spektrum, Größe, etc.) beeinflussen die Partnerauswahl in einer frühen Phase der Beziehung. Darüber hinaus können Merkmale der Organisation bei erfolgreichen Erstkontakten zu einer weiteren Differenzierung führen. Relationship Marketing Stra-tegien wie Kundenlösungen, Preismodelle oder Kundenintegration benötigen daher in ihrer Umsetzung bereits vorab ein gewisses Grundvertrauen zwischen den Akteu-ren. Insgesamt lassen sich deutlich verschiedene Vertrauensebenen differenzieren. Das Vertrauen der Kunden basiert auf personalen und organisationalen Merkmalen der Anbieter. Die beiden Ebenen beeinflussen sich wechselseitig und verfügen über spezifische Rollen in der Beziehung.

Diese Interpretation wird auch durch eine Analyse der Codings in den nach Vertrau-en abgestuften Teilgruppen der Kundenstichprobe unterstützt. In allen drei Teilgrup-pen signalisiert eine deutliche Mehrzahl der Codings die gleichwertige Bedeutung von Personen und Organisationen. In der Teilgruppe mit starken Vertrauensbezie-hungen ist die Bedeutung personaler Faktoren (13 Codings bei 46 Interviews, 28%) im Vergleich zur Organisation (9/46, 20%) leicht übergewichtet. Dies gilt bei schwa-chen Vertrauensbeziehungen genau umgekehrt. Organisationale Aspekte (8/33, 24%) spielen hier gegenüber Personen (3/33, 9%) eine stärkere Rolle.

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2.2. Anbieterstichprobe

Die qualitative Untersuchung basiert aus Anbietersicht auf 100 Interviews mit Füh-rungskräften von IT-Anbietern. In der Regel handelt es sich dabei um Führungskräfte aus Geschäftsleitung, Marketing und Vertrieb. Die befragten Personen auf Anbieter-seite stehen dabei in einer direkten Beziehung zu den jeweils befragten Kunden (sie-he Teil 3, Aufbau der Stichprobe). Analog zur Befragung der CIOs wurden die tele-fonischen Interviews mit den Executives auf Anbieterseite digital aufgezeichnet und transkribiert. Entsprechend basiert die qualitative Untersuchung in der Anbieter-stichprobe auf 100 Transkripten qualitativer Befragungen. Ein Überblick zu den Kernergebnissen der Auswertung ist in Tabelle 16 dargestellt. Die Evaluation orien-tiert sich dabei an den folgenden Leitfragen des Kurzfragebogens:

(1) Wie stark ist aus Ihrer Sicht heute das Vertrauen in der Zusammenarbeit mit Kunden ausgeprägt?

(2) Welche Auswirkungen hat das auf die gemeinsame Kooperation?

(3) Was zeichnet aus Ihrer Sicht einen vertrauenswürdigen Anbieter aus? Wie können Kunden aktiv die vertrauensvolle Zusammenarbeitmit Anbietern verbessern?

(4) Vertrauen in der Zusammenarbeit speist sich aus individuellen Beziehungen, aber auch aus den Eigenschaften der kooperierenden Organisationen.Welcher Aspekt ist aus Ihrer Sicht wichtiger: Person oder Organisation? Wie beeinflussen sich diese beiden Ebenen gegenseitig?

Die nachfolgende Darstellung der Auswertungsergebnisse bezieht sich auf die Aus-sagen der Anbieter zu diesen Fragen bzw. auf die jeweils entwickelten Kategorien und zugeordneten Codings. Erneut wird Vertrauen dabei im Sinne einer axialen Co-dierung als Kernkategorie betrachtet (Corbin/Strauss 2008, 198; Kuckartz 2007, 75).

Entsprechend lassen sich die Aussagen der Anbieter zu Frage 1) in drei Kategorien differenziert (= starke Vertrauensbeziehungen, heterogene Vertrauensbeziehungen, schwache Vertrauensbeziehungen). Die Aufteilung dieser Kategorien bildet das gro-be Raster für die Auswertung der Untersuchungsergebnisse.

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2.2.1. Ausprägungen der Vertrauensbeziehung aus Anbietersicht

In der Anbieterstichprobe signalisieren 54% der befragten Executives pauschal ein ausgeprägtes Vertrauen in Kundenbeziehungen. Entsprechend werden die Koopera-tionsprozesse mit den meisten Kunden als produktiv und hochwertig beschrieben. Dagegen haben 31% der befragten Anbieter ein heterogenes Bild zur Ausprägung des Vertrauens in der Zusammenarbeit mit Kunden. Aus dieser Perspektive lassen sich je nach Kunde zum Teil deutliche Unterschiede in Bezug auf das gegenseitige Vertrauen identifizieren. Dies wirkt sich in weiterer Konsequenz auch allgemein in unterschiedlichen Qualitäten der Zusammenarbeit aus. Teilweise nehmen die Anbie-ter dieser Teilgruppe bei den Kunden ein transaktionales Verhalten im Sinne einer reinen Lieferantenbeziehung wahr. Zum Teil sind jedoch bereits tiefe und nachhaltige Partnerbeziehungen mit ausgewählten Kunden etabliert. Die Anbieter der dritten Teilgruppe (= 15%) sehen dagegen eine eher schwach ausgeprägte Vertrauenskultur zwischen Anbietern und Kunden. Entsprechend ist die gemeinsame Kooperation aus Anbietersicht schwierig und von großen Vorbehalten geprägt.

2.2.2. Auswirkungen der Vertrauensbeziehung aus Anbietersicht

Die Auswirkungen von Vertrauen werden auch von den Anbietern je nach Ausprä-gung der gegenwärtigen Vertrauensbeziehung unterschiedlich beschrieben. In der Teilgruppe mit einer starken Vertrauensausprägung definieren die befragten Exe-cutives die Zusammenarbeit mit Kunden als partnerschaftliche Kooperation (= 32 Codings). Entsprechend lässt sich in aktuellen Projekten eine hohe Qualität der Zu-sammenarbeit wahrnehmen (= 29 Codings). Diese drückt sich beispielsweise in regelmäßigen Kommunikationsroutinen zwischen Anbietern und Kunden sowie einer relativ offenen Informationspolitik aus. Entsprechend steht weniger die Verfolgung opportunistischer Interessen, sondern die Erzielung von Mehrwerten für die beteilig-ten Parteien im Fokus (= 24 Codings). Dafür investieren aus Sicht der Anbieter beide Seiten in die Partnerschaft. Als Auswirkung von Vertrauensbeziehungen werden auch verstärkt Kundenbindungsprogramme umgesetzt (= 16 Codings). Der Fokus der Anbieter in dieser Teilgruppe liegt daher nicht zwingend auf der Gewinnung neu-er Kunden, sondern v.a. auf der Erhaltung der bisher etablierten Kundenbezie-hungen. Entsprechend lassen sich mit ausgewählten Schlüsselkunden auch gemein-same Innovationsprojekte zu bisher neuen Themen umsetzen (= 19 Codings). Durch die skizzierte starke Integration im Innovationsprozess ist bei einigen Kunden ein gewisses Aufweichen von Unternehmensgrenzen beobachtbar (= 18 Codings).

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In ausgesuchten Projekten agieren die Ressourcen der Anbieter ohne wesentliche Einschränkungen wie eigene Mitarbeiter/innen des Kunden. Eine derart tiefe Inte-gration in das Kundensystem ist ohne Vertrauen nicht umsetzbar.

CEO-Zitat: “Wir arbeiten mit den meisten Kunden sehr vertrauensvoll zu-sammen. Da findet eine ganz starke Integration in gegenseitige Prozesse und Strukturen statt. Wenn da ein Externer drauf schaut und das beobach-tet, das wäre für ihn nicht erkennbar, wer denn jetzt zu welcher Firma ge-hört. … Wichtig dafür ist, dass der gemeinsame Erfolg im Vordergrund steht. Nur wenn das tief in der Unternehmenskultur und in den Köpfen der Mitarbeiter verankert ist, kann eine echte Partnerschaft funktionieren“.

In der Teilgruppe mit heterogenen Vertrauensbeziehungen zeigt sich ein differen-zierteres Bild. So spielt bei diesen Anbietern das Thema Kundensegmentierung eine große Rolle (= 12 Codings). Aus Sicht der befragten Executives ist es wesentlich, Segmentierungsprozesse entlang der Beziehungsqualität anzusetzen. Insofern investieren die Anbieter dieser Teilgruppe v.a. in den Ausbau und die Erhaltung von starken Kundenbeziehungen (= 12 Codings). Das eigene Engagement ist dagegen bei Kunden mit begrenzter Kooperationsbereitschaft, Offenheit und ausgeprägten Misstrauenskultur auf ein notweniges Maß begrenzt. Relationship Marketing Pro-gramme kommen daher v.a. bei Kunden mit einer ausgeprägten Beziehungsorien-tierung zum Einsatz. Bei diesen Kunden sind auch in der heterogenen Teilgruppe durchaus partnerschaftliche Kooperationen vorhanden (= 10 Codings). Dabei ist ana-log zur ersten Teilgruppe von einer hohen Beziehungsqualität auszugehen. Mit aus-gewählten Kunden lassen sich sporadisch auch gemeinsame Innovationsprojekte betreiben (= 7 Codings). Entsprechend ist bei diesen Einzelpersonen eine hohe wechselseitige Integration bzw. ein Aufweichen der organisationalen Unternehmens-grenzen möglich (= 6 Codings).

Schließlich finden sich auch in der Anbieterstichprobe einige Unternehmen mit aus-geprägt schwachen Vertrauensbeziehungen. 15% der befragten Executives auf Anbieterseite haben ein kritisches Bild von der Stärke des Vertrauens in Kundenbe-ziehungen. Dabei sind die Kunden aus Sicht der Anbieter dieser Teilgruppe kaum zur Entwicklung eines umfassenden und nachhaltigen Vertrauens bereit. Dies begründet sich u.a. aus der aktuellen Marktsituation und der zunehmenden Entwicklung zu ei-nem Käufermarkt. Dadurch verschiebt sich das Gleichgewicht in Richtung Kunde. Die Verhandlungsmacht einer Partei ist auf dieser Basis einseitig erhöht.

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Gleichzeitig werden Ausschreibungsprozesse zunehmend formalisiert und die per-sönliche Beziehung verliert an Bedeutung. Als Konsequenz werden in dieser Teil-gruppe die Aufwendungen für das Kunden- und Beziehungsmanagement reduziert (= 15 Codings). Die Anbieter mit schwachen Vertrauensbeziehungen konzentrieren sich eher auf die effiziente Abwicklung von Ausschreibungen, die optimierte Gestal-tung eigener Kostenstrukturen und die Offertfähigkeit zu kompetitiven Preisen. Ent-sprechend spielen in dieser Anbietergruppe auch Fragen der Kundensegmentierung eine erweiterte Rolle (= 7 Codings). Fraglich ist in dieser Hinsicht, in welche Kunden-beziehung überhaupt in Form von Relationship Marketing Strategien zu investieren ist. Auf Projektseite zeigt sich das mangelnde Vertrauen der Kunden aus Sicht der Anbieter häufig in Effizienzproblemen (= 13 Codings), der Notwendigkeit einer se-quentiellen und zeitaufwendigen Abstimmung sowie vermehrt auftretenden Anpas-sungsaufwänden in der Projektphase (= RFC). Dadurch lassen sich Kosten- und Budgetüberschreitungen in vielen Fällen nicht mehr vermeiden (= 8 Codings). Auch die Qualität der Lösung leidet unter unklaren und häufig wechselnden Motiven auf Kundenseite (= 5 Codings). Die Anbieter versuchen sich in Bezug auf die skizzierte Vertrauensproblematik durch transparente und differenzierte Verträge abzusichern (= 4 Codings). Entsprechend werden die bestehenden Unsicherheiten im Wesentli-chen durch spezifische Kontraktstrategien gelöst.

CEO-Zitat: “Wir sind durchaus häufig in der Situation, dass wir mit Aus-schreibungen nach strikten Regeln konfrontiert werden, also mit RFP-Prozessen wo man fast eine halbe Doktorarbeit machen muss. Das ist eigentlich eine Vorgehensweise, da fühlt man sich als Anbieter schon wie ein Lieferant: Man darf was liefern, wenn man möchte. … Also, ich denke, das führt auch mehr und mehr zu dem Trend, dass auch wir als Anbieter bewusst bei gewissen Themen einfach nicht mitmachen … Wenn es so ist, dann können die Kunden die Preisliste haben und dann kaufen oder nicht“.

Eine Gesamtbetrachtung der qualitativen Evaluationsergebnisse bei den drei gebil-deten Vertrauensausprägungen führt zu einer Bestätigung der formulierten Hypo-thesen über die Auswirkungen von Vertrauen in Kundenbeziehungen. Vertrauen ist eine Ressource zur Reduktion von Komplexität und der damit verbundenen Un-sicherheit (Luhmann 2006, 27). Soweit das Vertrauen in Kundenbeziehungen steigt, kann in erster Linie die Qualität der Kooperation verbessert werden (Mora-Valentin et al. 2004; Pavlou 2002). Die Kooperation zwischen Anbietern und Kunden ist insbe-sondere in Lösungen erfolgskritisch (Anderson/Narus 1990; Morgan/Hunt 1994, 26).

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Durch die Umsetzung funktionaler Kooperationen und die gemeinsame Erzeugung von Mehrwerten können darüber hinaus Faktoren wie Loyalität und Commitment ausgebaut werden (Crosby et al. 1990, 71; Doney/Cannon 1997,41). Dies gilt nach Sichtung der qualitativen Resultate der Anbieterstichprobe nicht nur für die Kunden-loyalität. Im Gegenzug ist auch die Betrachtung der Loyalität des Anbieters zu einer spezifischen Kundenbeziehung relevant. Soweit das Commitment zu einer Bezie-hung auf Anbieterseite abnimmt, sinken die damit verbundenen Anstrengungen in Bezug auf eine optimale Lösungsgestaltung für den Kunden. Dies kann in weiterer Konsequenz zu einer qualitativen Beeinträchtigung der Supply Chain aus Kunden-sicht führen. Vertrauen ist auf Basis dieser Sichtweise nicht nur aus Anbietersicht, sondern auch aus Perspektive der beteiligten Kunden eine wichtige soziale Ressour-ce.

2.2.3. Anbieterseitige Bedingungen für Vertrauensbeziehungen

Hinsichtlich der Evaluation von Bedingungen für den Aufbau von Vertrauen aus Anbietersicht ist erneut zwischen den Anforderungen an den Anbieter selbst und den Anforderungen an den Kunden zu unterscheiden. Bei der Bestimmung von Katego-rien für die Bedingungen auf Anbieterseite lassen sich daher auch für die Anbieter-stichprobe die Prädiktorvariablen des Forschungsmodells aus Teil 3 übernehmen (= Expertise, Kommunikation, opportunistisches Verhalten, Kundenintegration, Preismodelle, Kundenlösungen, Reputation). Neben den ex ante definierten Katego-rien sind darüber hinaus im Sinne einer qualitativen Exploration weitere Konstrukte aus den empirischen Daten abzuleiten. Eine Übersicht zu den einzelnen Kategorien und Codings der Anbieterstichprobe bietet Abb.22.

In Bezug auf die an einen Anbieter zu stellenden Bedingungen für Vertrauen erhalten aus Anbietersicht die Faktoren Expertise und Reputation die meisten Codings. Mit Expertise (= 72 Codings) verbinden die befragten Executives von Anbieterunterneh-men v.a. die fachliche Kompetenz zu Fragen der IT sowie Kenntnisse zur Branche und zu den fachlichen Herausforderungen der Kunden. Darüber hinaus ist es wichtig, die relevanten Wissensressourcen soweit möglich in einer Person zu vereinen.

Zitat Key Account Manager: “Aus meiner Sicht verlangen die Kunden heute nicht nur das fachliche know-how. Die meisten Kunden erwarten, dass man sich in der Branche des Kunden auskennt und dass man sich auch schon mal den Laden des Kunden näher angeschaut hat.

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Wenn es um fachliches know-how geht ist es schon wichtig, etwas zu den eigenen Leistungen sagen zu können. Das mit der Masche, aha, daran sind sie interessiert, da schicke ich Ihnen mal einen Spezialisten, das funktioniert in den meisten Fällen nicht mehr so gut“.

Die Reputation eines Unternehmens ist aus Sicht der beteiligten Anbieter ein wesent-licher organisationaler Faktor für den Aufbau einer Vertrauensbeziehung (= 68 Co-dings). Mit der Reputation verbinden die befragten Anbieter den Ruf eines Unter-nehmens, die verfügbaren Referenzen sowie allgemein die Wirkung der Unter-nehmensmarke auf die relevante Kundenzielgruppe. Bei einer negativen oder dys-funktionalen Kundenwahrnehmung zur Reputation eines Anbieters drohen negative Auswirkungen für den Vertrauensaufbau und die nachfolgenden Kooperationseffekte. So kann ein Anbieterunternehmen aus Überlegungen zu neuen Projekten aus-geschlossen oder für die aus Anbietersicht falschen Projekte angefragt werden. Da etliche Unternehmen der IT-Branche aktuell eine Neupositionierung der eigenen Leistungssysteme vornehmen (weniger Hardware und Netzwerktechnologie, mehr Software und Dienstleistungen) kann ein Unternehmen bei einer dysfunktionalen Markenwahrnehmung in fundamentale Vertrauenskonflikte geraten. Die Kunden vertrauen zwar in die Leistungsfähigkeit des Anbieters in den etablierten Geschäfts-feldern, dieses Vertrauen lässt sich aber nicht auf neue Leistungen übertragen. Die erforderliche Repositionierung in der Markenwahrnehmung impliziert daher aus An-bietersicht eine bedeutende Herausforderung.

CEO-Zitat: “Viele Kunden nehmen uns ja gar nicht als Lösungspartner wahr. Dort sind wir Blechlieferanten. Ich sehe das vor allem bei den Busi-ness Units. Die sehen da selten einen wirklichen Wertbeitrag der IT. Meis-tens nehmen die ja nicht mal die eigene IT-Abteilung wahr. Dort ändert sich unser Image nur langsam … und wenn wir dann im Boot sind herrscht meistens eine große Aufregung, was die IT Bude alles weiß und welchen Mehrwert die bringen kann.“

Über die bereits genannten Faktoren hinaus haben aus Anbietersicht auch die Quali-tät der Kommunikation und die Umsetzung von Kundenlösungen Einfluss auf den Aufbau von Vertrauen. Aus Perspektive der Kommunikation (= 52 Codings) ist dabei v.a. ein Wandel von einer transaktionalen zu einer relationalen Gesprächsführung erforderlich. Dies umfasst beispielsweise Aspekte wie Zuhören, Empathie sowie Ver-stehen.

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Abb.22: Qualitative Untersuchung, Anbieterstichprobe (Übersicht der Codings)

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Abb.22: Qualitative Untersuchung, Anbieterstichprobe (Übersicht der Codings)

Dabei sehen die Anbieter in der Gestaltung geeigneter Kommunikationsprozesse einen Schlüsselfaktor zur Erkennung und Bewältigung der Kundenanforderungendurch eigene IT-Lösungen. Entsprechend ist auch die Wechselbeziehung zwischen Kommunikation und Kundenlösungen zu beachten. Die befragten Executives sehen die verstärkte Umsetzung von Kundenlösungen (= 66 Codings) als wesentliche Be-dingung für Vertrauen. Jedoch ist die sinnvolle Verbindung von individuellen Kunden-lösungen, standardisierten Prozeduren und Rentabilitätsüberlegungen häufig ein schwieriges Unterfangen. Daher sollte aus Anbietersicht eher ein Optimum zwischen Individualität und Standardisierung angestrebt werden. Die Gestaltung von Kunden-lösungen ist daher sowohl aus anbieter- als auch aus kundenbezogenen Aspekten häufig schwierig.

Zitat Key Account Manager: “Das Problem ist schon, dass viele Kunden die technisch beste Lösung zum kleinstmöglichen Preis wollen. Das passt dann eben manchmal nicht zusammen. … Bei uns gibt es für so was Bau-kastensysteme. Da lassen sich verschiedene Bausteine sehr gut zu einer Lösung zusammenbasteln.

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Der Kunde bekommt individualisierte Ansätze und wir können die Effizienz in den Einzelbausteinen verbessern – da kommt dann am Schluss sogar noch ein guter Preis raus.“

Schließlich ist aus Sicht der befragten Anbieter für den Aufbau von Vertrauen auf Kundenseite ein weitgehender Verzicht auf opportunistische Verhaltensweisen erfor-derlich (= 48 Codings). Opportunismus kann sich dabei in unterschiedlichen Formen äußern. Besonders häufig weisen die befragten Anbieter in Bezug auf opportunis-tische Verhaltensweisen auf die Einhaltung von Zusagen hin. Aus Anbietersicht ist nachvollziehbar, dass nicht eingehaltene Zusagen einen negativen Effekt auf das Kundenvertrauen induzieren. Dabei befinden sich die Anbieter nach eigener Aussage jedoch häufig in einem Dilemma. Zum einen erwarten viele Kunden aus Sicht der beteiligten Executives umfangreiche Zusagen in einer frühen Kooperationsphase. Andererseits werden in der Regel von Kundenseite nicht alle Informationen zur Ver-fügung gestellt, um stabile Prognosen und Abschätzungen vornehmen zu können.

In Summe stimulieren die Kunden den Opportunismus auf Anbieterseite daher häufig durch ein dysfunktionales Kooperationsverhalten. Über die Einhaltung von Zusagen hinaus werden von den Anbietern noch weitere Formen von Opportunismus genannt, z.B. das aktive Zurückhalten von relevanten Informationen und die dysfunktionale Ausnutzung von eingeräumten Freiräumen und Budgets des Kunden. Grundsätzlich ist der negative Effekt derartiger Verhaltensweisen für die Anbieter evident, jedoch sind im Einzelfall nur begrenzt Auswege aus der Situation erkennbar.

CEO-Zitat: “Es würde das Leben leichter machen, wenn beide Seiten offener agieren, als das heute der Fall ist. Also, was hinsichtlich gemein-samer Budgetplanung angeht, was den Austausch über Ziele des Kunden angeht. Vielfach befinden wir uns in rein formalen Ausschreibungspro-zessen. Da sind dann Kundenziele nur sehr untergeordnet formuliert. Kunden sind aber vielfach nicht bereit, neben den ausgeschriebenen Informationen weitere Informationen preiszugeben. Das hat vielfach formale Gründe oder vermeintlich formale Gründe, Stichwort Gleich-behandlung. Damit treibt uns der Kunde zu Ratespielen. Aber darunter leiden vielfach später auch die Kundenprojekte.

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Vergleichsweise selten weisen die befragten Executives auf die Vertrauenswirkun-gen der Faktoren Kundenintegration (= 15 Codings) und Preismodelle (= 9 Codings) hin. Bei der Bewertung der Integration von Kunden in die Entwicklung eigener Produkte und Dienstleistungen thematisieren die vorliegenden Textstellen v.a. die Einbindung von Kundenmeinungen in Form von Workshops, Konferenzen und eige-nen Befragungen. Nur vier befragte Anbieter adressieren aktiv die systematische Stimulierung und Umsetzung gemeinsamer Entwicklungsprozesse.

Der Faktor Preismodelle ist ebenfalls nur für einen kleinen Teil der befragten Anbie-ter eine relevante Beziehungsstrategie. In dieser Teilgruppe sehen die Executives in einer funktionalen Teilung von Chancen und Risiken durchaus eine sinnvolle Option zur Verbesserung gemeinsamer Kooperationsprozesse. Dabei liegen in der Anbie-terstichprobe jedoch nur begrenzt Erfahrungen zur Umsetzung derartiger Systeme in Form von Preismodellen vor. Aus Anbietersicht manifestieren sich solche Ansätze in der Unternehmenspraxis v.a. in der Motivation der Kunden zur Teilung von Risiken. Eine Partizipation des Anbieters an den Projektchancen ist hingegen selten.

Zitat Vertriebsleiter: “Na ja, so eine gerechte Teilung von Chancen und Risiken wäre bestimmt eine feine Sache. Da kann ich mir schon vorstellen, dass dadurch das Vertrauen in der Partnerschaft wächst. … Teilweise wird das ja auch heute schon gemacht. Der Schwerpunkt liegt da aber ganz stark auf der Beteiligung des Anbieters an den Projektrisiken“.

Auch in der Anbieterstichprobe lässt sich ein Vergleich der Teilgruppe mit starken Vertrauensbeziehungen in Relation zu den beiden anderen Teilgruppen umsetzen. Dabei sind jeweils erneut die Codings einer Kategorie mit der Gesamtzahl der Inter-views aus der axialen Kernkategorie in Beziehung zu setzen. So zeigen sich bei-spielsweise erhebliche Unterschiede zwischen den drei Vertrauensausprägungen (stark/heterogen/ schwach) in Bezug auf den Faktor Reputation. Während die Repu-tation eines Anbieters in der Teilgruppe mit starken Vertrauensbeziehungen eine durchschnittliche Rolle spielt (31 Codings bei 54 Interviews, 57%), steigt die Bedeu-tung des Faktors bei Abnahme der Vertrauensstärke stetig an. In der Teilgruppe mit schwachen Vertrauensbeziehungen finden sich entsprechende Codings in fast allen Interviews (= 14/15, 93%). Damit ist die Reputation eines Anbieters als Beziehungs-strategie v.a. bei Kundengruppen mit schwachen Vertrauensausprägungen relevant.

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Ein genau umgekehrter Effekt zeigt sich beispielsweise bei den Faktoren Kunden-lösungen und Kundenintegration. Die Umsetzung von Kundenlösungen hat bei An-bietern mit schwachen Vertrauensbeziehungen eine durchschnittliche Bedeutung (7/15, 47%), während die Anteile der Codings an den gesamten Interviews bei An-bietern mit heterogenen (19/31, 61%) und starken (40/54, 74%) Vertrauensaus-prägungen deutlich ansteigen. Im Sinne einer Interpretation der Daten ist davon aus-zugehen, dass Kundenlösungen aus Anbietersicht eine fortgeschrittene Beziehungs-strategie darstellen, für die bereits ein minimales Vertrauensniveau in der Kunden-beziehung erreicht sein muss. Die gleiche Interpretation kann für den Faktor Kunden-integration unterstellt werden. Bei schwachen Vertrauenskonstellationen spielt die Integration von Kunden in die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen für die Anbieter keine Rolle. Die relative Anzahl der Codings steigt jedoch bei hetero-genen (2/31, 6%) und starken (13/54, 13%) Vertrauensausprägungen.

Neben den skizzierten Unterschieden sind hinsichtlich der Bedeutung einzelner Beziehungsstrategien auch Gemeinsamkeiten über verschiedene Vertrauensaus-prägungen erkennbar. Diese beziehen sich auf die Faktoren Expertise, Kommuni-kation, opportunistisches Verhalten und Preismodelle. Bei diesen Beziehungsstrate-gien finden sich jeweils anteilsmäßig gleich viele Codings in den einzelnen Teilgrup-pen. Folglich lassen sich die genannten Faktoren von Anbietern als Basisstrategien für den Aufbau von Vertrauen auf Kundenseite betrachten, die unabhängig vom aktuellen Status der Vertrauensbeziehung über eine hohe Relevanz verfügen.

Durch die im Rahmen des Forschungsmodells vorgegebenen Kategorien lassen sich im Bereich der Bedingungen für Vertrauen in der Anbieterstichprobe ca. 80% der extrahierten Codings zuordnen (= 330 von 413 Codings). Damit umfasst das For-schungsmodell auch in der Anbieterstichprobe einen großen Teil der empirischen Daten. Neben den modelltheoretisch definierten Kategorien sind im Rahmen der qualitativen Evaluation auch weitere Bedingungen für den Aufbau von Vertrauen erkennbar, die aus Anbietersicht als spezifische Anforderungen an die Anbieter selbst zu formulieren sind. Dazu zählen insbesondere die Faktoren Datensicherheit, Fluktuation, Eskalationsmanagement sowie die Stärke des kulturellen Fit zwischen den interagierenden Unternehmen.

Die Datensicherheit umfasst aus Sicht der befragten Executives die Vertraulichkeit der Kundendaten sowie den Schutz vor unbefugten Zugriffen im Verfügungsbereich eines Anbieters. Grundsätzlich ist darin auch die unsachgemäße Nutzung von Kun-deninformationen durch den Anbieter selbst zu inkludieren. Der Anspruch an Daten-sicherheit genießt aus Anbietersicht eine hohe Bedeutung (= 27 Codings).

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Damit adressieren die Anbieter der Stichprobe eine grundsätzliche Bedingung für Vertrauen, die unabhängig von der Ausprägung der Vertrauensbeziehung über eine hohe Bedeutung verfügt. Datensicherheit ist analog zu Faktoren wie Expertise und Kommunikation als Basisprämisse für den Vertrauensaufbau einzustufen.

Darüber hinaus identifizieren auch die Anbieter die Fluktuation in den eigenen Rei-hen als potentielle Belastung für Vertrauensbeziehungen (= 14 Codings). Verände-rungen im Personalbestand führen auf Anbieterseite regelmäßig zu Diskontinuitäten in der Beziehungsgestaltung. Dabei bezieht sich die Fluktuation nicht nur auf den Wechsel von Mitarbeiter/innen eines Anbieters zu anderen Unternehmen. Diskonti-nuitäten können auch auf Basis von interner Rotation oder einer dysfunktionalen Übergabe von Aufgaben zwischen verschiedenen Abteilungen entstehen. Aus Anbie-tersicht ist dabei besonders die Übergabe von Projekten aus Marketing und Vertrieb in die mit der Umsetzung beauftragten Organisationseinheiten ein Problem. Durch die notwendige Änderung der Betreuungsstruktur ist der Transfer des bisher aufge-bauten interpersonalen Vertrauens von der Vertriebs- in die Umsetzungsorganisation ein anspruchsvolles Unterfangen. Die gleiche Problematik gilt auch umgekehrt, wenn beispielsweise auf Basis einer kontinuierlichen Projektarbeit ein tiefes Vertrauen zwi-schen den beteiligten Akteuren entstanden ist, welches nun im Sinne von Cross- und Up-Sell-Aktivitäten für weitere vertriebliche Zwecke genutzt werden soll.

Schließlich lässt sich aus Sicht der Anbieter in der Qualität des eigenen Eskalati-onsmanagements ein weiterer Faktor für die Entwicklung von Vertrauen in Kunden-beziehungen identifizieren (= 22 Codings). Die Kategorie Eskalationsmanagement umfasst den Umgang mit Problemen, Fehlern und den daraus resultierenden Rekla-mationen von Kundenseite. Bei der hohen Komplexität informationstechnologischer Lösungen ist die Vermeidung von Fehlern in Projekten zwar anzustreben, prinzipiell aber nicht zu 100% umsetzbar. Genauso wichtig ist daher ein professioneller Um-gang mit Fehlern sowie die Betreuung bzw. die Kommunikation mit betroffenen Kun-den. Dabei stellt sich die Frage, ob und ggf. wie schnell ein aus Kundensicht adäqua-ter Ansprechpartner zur Verfügung gestellt werden kann. Genauso wesentlich sind aus Anbietersicht die schnelle Beseitigung von Problemen sowie die Stimulierung von gemeinsamen Lernprozessen, um gleichartige Fehler zukünftig zu vermeiden.

Über die bereits skizzierten Faktoren hinaus ist aus Sicht der befragten Anbieter auch die Kompatibilität der kooperierenden Unternehmenskulturen für die Entwick-lung von Vertrauen relevant (= kultureller Fit, 13 Codings). Unter der Unternehmens-kultur subsumieren die befragten Executives v.a. die spürbare Wertorientierung einer Firma.

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So gelten aus Anbietersicht beispielsweise Unternehmen einer spezifischen Branche als eher konservativ und sicherheitsorientiert. Die grundsätzliche Kultur einer Orga-nisation hat dabei auch Auswirkungen auf das präferierte Kooperationsverhalten. Entsprechend sind Kunden im Sinne ihrer Unternehmenskultur unterschiedlich offenund kooperationswillig. Dies tangiert auch den damit verbundenen Aufbau von Ver-trauen. Da sich kulturelle Unterschiede auch bei der Analyse unterschiedlicher IT-Anbieter zeigen, stellt sich die Frage nach dem kulturellen Fit in der Zusammenarbeit zwischen spezifischen Unternehmen. Entsprechende Fragestellungen sollten daher aus Anbietersicht bereits in der eigenen Markt- und Kundensegmentierung eine star-ke Berücksichtigung finden.

Neben den bereits aufgeführten Faktoren lassen sich aus Perspektive der befragten Anbieter noch weitere Bedingungen für die Entwicklung von Vertrauen in Kunden-beziehungen nennen, die an dieser Stelle auf Grund der geringen Bedeutung nicht umfassend zu beschreiben sind. In einzelnen Interviews sprechen die Executives beispielsweise die Qualität des eigenen Projektmanagements als Vertrauensbedin-gung an (= 7 Codings). Daneben hat aus Sicht der befragten Anbieter auch das Preis-/Leistungsverhältnis der eigenen Lösungen einen Einfluss auf das Vertrauen der Kunden. Nicht marktfähige oder intransparente Preise, die keinen Bezug zum Umfang der angebotenen Leistung erkennen lassen, wirken vertrauensmindernd (= 5 Codings). Schließlich wirkt sich aus Perspektive der beteiligten Executives auch ein überzogener Bürokratismus in der Anbieterorganisation negativ auf das Kunden-vertrauen aus (= 4 Codings). Unter dem Begriff Bürokratismus verstehen die Anbieter v.a. die Existenz genauer sowie eng gefasster Regeln und Vorschriften innerhalb des eigenen Unternehmens. Derartige Regeln haben häufig negative Rückwirkungen auf die eigene Flexibilität. Mangelnde Flexibilität kann jedoch aus Kundensicht als fehlendes Interesse oder reduzierte Bereitschaft zur Berücksichtigung individueller Kundeninteressen interpretiert werden. In diesem Fall ist mit negativen Vertrauens-effekten zu rechnen. In die gleiche Richtung zielt ein weiterer beeinflussender Faktor für das Vertrauen auf Kundenseite. In Einzelmeinungen identifizieren die befragten Executives die Reaktionsgeschwindigkeit eines Anbieters bzw. allgemein das Tempo bei der Verarbeitung und Lösung von Kundenanfragen als vertrauensbildendes Element (= 4 Codings). Eine schnelle Verarbeitung von Impulsen des Kunden signa-lisiert zunächst ein hohes Interesse. Gleichzeitig stellt der Anbieter damit seine Kom-petenz zur kurzfristigen Lösung relevanter Kundenfragen unter Beweis.

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In wesentlichen Teilen verfügen die von den Anbietern definierten Bedingungen für den Aufbau von Vertrauen in Kundenbeziehungen über eine starke Anbindung an die Vertrauensforschung in der Relationship Marketing Theorie. Dies gilt zunächst für die Erforschung klassischer Vertrauensbedingungen wie Expertise (Crosby et al. 1990, 69), Kommunikation (De Wulf 2001, 36) oder Reputation (Doney/Cannon 1997, 37). Auch die Negativwirkungen eines ausgeprägten Opportunismus auf Anbieterseite werden durch die qualitativen Ergebnisse der Untersuchung sowie durch die beste-hende Marketingtheorie unterstützt (Morgan/Hunt 1994, 25). Darüber hinaus unter-stützen die evaluierten Codings in den Bereichen Kundenintegration und Kunden-lösungen die modelltheoretische Konzeptualisierung dieser Konstrukte als spezi-fische organisationale Beziehungsstrategien. Dies kann für die Kategorie Preis-modelle nicht ohne weiteres unterstellt werden. Aufgrund der sehr geringen Menge an Codings ist davon auszugehen, dass Preismodelle von den Anbietern nur bedingt als Strategie zur Förderung von Kundenvertrauen interpretiert werden. Die aus der qualitativen Untersuchung zusätzlich explorierten Vertrauensbedingungen lassen sich zumindest zum Teil in die Relationship Marketing Forschung einordnen. So beziehen sich die Untersuchungen von Kumar et al. (1995, 57) zur Bedeutung von Kontinuität in Beziehungen (= relationship duration) teilweise auch auf die von den befragten Executives skizzierte Fluktuationsproblematik. Daher lassen sich die Ergebnisse in die aktuelle Diskussion der Relationship Marketing Forschung integrie-ren bzw. im Sinne einer Vertiefung und Erweiterung des in Teil 3 entwickelten For-schungsmodells nutzen.

2.2.4. Kundenseitige Bedingungen für Vertrauensbeziehungen

Neben der klassischen Evaluation von Vertrauensbedingungen auf Anbieterseitefokussiert die qualitative Untersuchung auch die Beiträge für den Aufbau von Vertrauen, die aus Anbietersicht auf Kundenseite zu erbringen sind. Die Ergebnisse dieser Teiluntersuchung sind ebenfalls in Abb.22 dargestellt.

Danach erwarten die befragten Anbieter v.a. eine hohe Offenheit und Transparenz der Kundenorganisation (= 49 Codings). Aus Sicht der befragten Executives ist dies eine Grundbedingung für erfolgreiche Kooperationen und die Umsetzung wirkungs-voller IT-Lösungen. Soweit Kunden nicht offen sind und ausreichend tiefe Einblicke in die eigenen Zielsetzungen, Strategien und Ressourcen bieten, ist die Abstimmung entsprechend optimierter Leistungssysteme nicht möglich. Aus Anbietersicht ist dies zum Teil jedoch die Erwartung der Kunden.

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Dabei reduziert eine Kombination aus Intransparenz und mangelnden Informationen bei gleichzeitig hohen Erwartungen an die Lösungsqualität auch das Vertrauen der Anbieter. Ohne die erforderliche Offenheit resultieren daraus Vertrauensabschläge auf beiden Seiten. In die gleiche Richtung zielt die Forderung der Anbieter nach einer möglichst frühen Integration in relevante Prozesse auf Kundenseite (= 41 Codings). Viele der befragten Anbieter kritisieren die aus ihrer Sicht häufig sehr späte Ein-bindung in die Entwicklung neuer Projekte auf Kundenseite. Häufig sind die wesent-lichen Strategien und Parameter bereits fixiert und die Spielräume für gemeinsame Überlegungen entsprechend limitiert. Aus dieser Restriktion entsteht ein begrenzter Gestaltungsspielraum und dies reduziert aus Sicht der befragten Executives das Ver-trauen in die Wirksamkeit der eigenen Lösung. Die durch eine Lösung adressierten Zielsetzungen bleiben für die Anbieter bei später Einbindung in Kundenprozesse häufig intransparent. Darüber hinaus sind die Anbieter nicht an den frühen Ent-wicklungsprozessen einer Idee beteiligt und können die eigene Expertise daher nur begrenzt einbringen. Insgesamt sinkt damit aus Perspektive der beteiligten Anbieter das Vertrauen in die gemeinsame Kooperation und die Motivation zur Erbringung eigener Leistungen.

Zitat Key Account Manager: “Das ist aus meiner Sicht ein wesentlicher Vorteil, den ein Kunde haben kann, wenn er frühzeitig Anbieter einbindet in die Diskussion, sei es über Workshops aufzeigt, welche Strategie das Unternehmen hat, damit die Anbieter Möglichkeiten haben, auch gemein-sam mit ihren Kunden Ideen zu entwickeln, wie man ihn unterstützen kann. Also, das ist bei unserem Business jetzt sehr relevant“.

Im Sinne einer frühzeitigen Einbindung empfinden die Anbieter auch den Dialog mit den verantwortlichen Fachabteilungen auf Kundenseite als vertrauensfördernd (= 37 Codings). Bei der Umsetzung von IT-Lösungen ist auf Kundenseite nicht nur die IT-Abteilung, sondern auch die jeweils verantwortliche Fachabteilung relevant. In den meisten Fällen entsteht der Mehrwert für den Kunden nicht ausschließlich in der IT. Die Mehrwerte lassen sich vielmehr durch die Anwendung der IT auf spezifische ge-schäftliche Herausforderungen des Kunden generieren. Daher ist die Entwicklung, Einführung und Umsetzung von IT-Lösungen in der Regel mit erheblichen Verände-rungen in einzelnen Fachabteilungen verbunden. Aus Sicht der befragten Anbieter werden viele IT-Projekte auch erst auf Initiative einer Fachabteilung hin ausgelöst. Im Sinne der gemeinsamen Vertrauensbildung kritisieren die Anbieter jedoch die Ab-schottung der Fachabteilungen durch die internen IT-Verantwortlichen der Kunden.

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Die befragten Executives sehen dies als Ausdruck des Misstrauens der IT-Abteilung. Dabei spielt aus Anbietersicht die Befürchtung eine Rolle, der eigene Einfluss könnte sich bei übermäßigen Kontakten zwischen externen Anbietern und den verantwort-lichen Fachabteilungen reduzieren. Für die Anbieter beinhaltet eine Limitierung des Zugangs zu Fachabteilungen jedoch ein Misstrauensvotum des Kunden. Derartige Kundenstrategien implizieren daher auch einen Vertrauensverlust auf Anbieterseite.

Neben den genannten Faktoren zu Aspekten wie Offenheit, Integration und Kontakt-möglichkeiten ist auch die Qualität der Mitarbeiter/innen des Kunden für den gegen-seitigen Vertrauensaufbau relevant (= 32 Codings). Die Anbieter haben dabei nach eigener Aussage ein erweitertes Vertrauen in Vertreter des Kunden mit hoher Kompetenz, Expertise und Entscheidungsbefugnissen. Bei sinkender Qualität der Mitarbeiter/innen des Kunden erhöht sich aus Anbietersicht die Unsicherheit in der Kooperation. Die Aussagen der Kunden sind dann mit größeren Risiken behaftet, weil beispielsweise nicht deutlich ist, ob die betreffenden Ansprechpartner das Thema fachlich korrekt einschätzen, glaubwürdig die Interessen der gesamten Kun-denorganisation vertreten oder letztlich in der Lage sind, Entscheidungen zur Fort-setzung und Weiterentwicklung der Kooperation zu treffen.

Schließlich ist für den Aufbau von Vertrauen aus Anbietersicht auch die Bereitschaft der Kunden zur Teilung von Chancen und Risiken relevant (= 23 Codings). Allerdings ist es wesentlich, die damit verbundene Grundidee ganzheitlich und nachhaltig umzusetzen. Dabei ist aus Sicht der befragten Executives heute ein Trend zur ex-klusiven Übertragung von Projektrisiken auf den Anbieter erkennbar. Allerdings be-steht in diesem Kontext auf Kundenseite wenig Motivation, auch die mit neuen Pro-jekten verbundenen Chancen zu teilen. Durch die Delegation von Risiken an den Partner ist darüber hinaus die Motivation der Kunden zu eigenen Beiträgen begrenzt. Insofern führen viele der implementierten Systeme nicht zu den gewünschten Effek-ten, weil Aspekte der effektiven Chancenteilung mit Kunden nicht diskutierbar sind. Aus Anbieterperspektive limitiert daher die isolierte Übertragung von Risiken den Aufbau von Vertrauen und die partnerschaftliche Zusammenarbeit.

Darüber hinaus ist für die befragten Anbieter die Vermeidung opportunistischer Ver-haltensweisen auf Kundenseite ein wichtiges Thema (= 21 Codings). Opportunismus zeigt sich dabei aus Sicht der beteiligten Executives nicht nur in eigenmotivierten Verhaltensweisen der Anbieter. Auch Kunden verhalten sich in vielen Teilbereichen opportunistisch.

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Dies gilt beispielsweise für den Umgang mit Konzepten und Angeboten eines Anbie-ters. Teilweise setzen Kunden eine umfassende Konzeptarbeit vor Auftragserteilung voraus. Das explizierte Wissen eines Anbieters kann damit in Teilen ohne explizite Auftragserteilung in die Kundenorganisation transferiert werden. In einigen Fällen dient dieses Wissen nachfolgend für interne Vergleichsprozesse oder die Kunden setzen entsprechende Ansätze im Sinne einer Eigenlösung um. Daher ist auf Anbie-terseite die Motivation zur Integration eigener Konzepte und Wissensressourcen vor Auftragserteilung begrenzt. Die Bereitschaft zur Investition in die Partnerschaft leidet unter der Wahrnehmung der Anbieter hinsichtlich opportunistischer Interessen der Kunden. Weitere Beispiele für opportunistisches Kundenverhalten zeigen sich beim Thema Offenheit und Transparenz. Teilweise nutzen Kunden die Offenheit von Anbietern für eigene Interessen aus. Dies gilt aus Sicht der befragten Executives beispielsweise für den Umgang mit Preismodellen. Kunden fordern zwar eine trans-parente Preisbildung, jedoch ist die Reaktion der Kunden auf transparente Preismo-delle häufig dysfunktional. Motiviert durch eigenen Kostendruck verlagern sich viele Kunden aus Sicht der beteiligten Anbieter auf die Detaildiskussion zu Einzelpreisen. Gelegentlich werden die Anbieterpreise an den Einkauf übermittelt und einem exter-nen Benchmark unterzogen. Zum Teil finden sich Preisinformationen sogar bei Wett-bewerbern. Viele Kunden nutzen daher die Anbieterinformationen für eigene Interes-sen. Dabei fokussiert sich die Aufmerksamkeit der Kunden zu stark auf die Preisfin-dung. Die Verfolgung opportunistischer Interessen auf Kundenseite drückt sich daher aus Sicht der Anbieter auch in einer Verengung der Perspektive aus. In einigen Kun-denbeziehungen dient scheinbar nur noch der Preis als Entscheidungskriterium. Der Blick auf die Gesamtlösung geht in diesen Fällen verloren und das gegenseitige Ver-trauen sinkt.

CEO-Zitat: “Es gibt halt immer noch zu oft die Situation, da testet man einmal etwas an, man macht zwar schön offiziell einen RFP mit vielen in-haltlichen Anforderungen an die Lösung, aber eigentlich möchte man nur die internen Kosten benchmarken. Und am Schluss geht es dann immer nur um den Preis. Dieser Aufwand ist groß für die Branche, ich denke ein-fach, da würde ich mir manchmal wünschen, dass die Kunden in diesem Bereich offener und ehrlicher sind“.

Abschließend ist aus Anbietersicht mit Hinblick auf eine Förderung von Vertrauen zwischen den beteiligten Parteien auch die Verbesserung von Ausschreibungs-systemen relevant (= 13 Codings).

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Die Notwendigkeit von Ausschreibungen ist für die Anbieter zwar nachvollziehbar, jedoch sind die eingesetzten Verfahren zu statisch und führen in vielen Fällen zu negativen Vertrauenseffekten. Das Feedback der Anbieter bezieht sich dabei auf die stringente Struktur von Ausschreibungsverfahren, mangelnde Möglichkeiten zur Kundeninteraktion sowie die Neigung vieler Kunden zu standardisierten Anbieter-vergleichen. Innovative Ausschreibungssysteme müssen aus Anbietersicht mehr Interaktion zulassen, da erst durch den gemeinsamen Dialog nachhaltige Lösungen für die Herausforderungen der Kunden entstehen. Darüber hinaus zeigt sich die Lösungskompetenz vieler Anbieter bereits in einer frühen Kooperationsphase. Soweit derartige Differenzierungsmerkmale durch Ausschreibungen negiert werden, ist das für das Vertrauen der Anbieter und das damit verbundene Engagement für den Kun-den abträglich.

Über die skizzierten Faktoren hinaus werden von den Anbietern noch weitere Be-dingungen für den Aufbau von Vertrauen genannt, die nachfolgend auf Grund der geringen Anzahl an Codings nur kurz skizziert werden. Dazu zählt beispielsweise die Übernahme von Referenzpartnerschaften (= 11 Codings). Die befragten Executives empfinden es durchaus als vertrauensfördernd, wenn Kunden bei nachgewiesenen Projekterfolgen als aktive Referenz zur Verfügung stehen. Darüber hinaus wünschen sich einige Anbieter von den Kunden eine klare IT-Strategie (= 7 Codings). Soweit die strategische Grundausrichtung unklar ist, sind wechselnde Zielsetzungen und Kundenmotive nicht vermeidbar (= moving targets). Diese schlagen sich in Zusatz-aufwand nieder und belasten die Kooperation zwischen Anbietern und Kunden. Schließlich weisen einige der befragten Anbieter auf die Bedeutung einer ange-messenen und nachvollziehbaren Zeit- und Terminplanung auf Kundenseite hin (= 5 Codings). Teilweise werden Projekte zu spät umgesetzt oder die Zeitvorstellungen der Kunden sind in Bezug auf den erwarteten Projektabschluss nicht zu realisieren. Soweit Zeitverluste auf Kundenseite durch den Anbieter zu kompensieren sind, hat dies aus Anbieterperspektive negative Auswirkungen auf die gemeinsame Vertrau-ensbasis.

Die qualitative Untersuchung macht die Beiträge für den Aufbau von Vertrauen deut-lich, die aus Anbietersicht von den Kunden zu erbringen sind. Dabei kann erneut eine vergleichende Analyse der Vertrauensbedingungen über verschiedene Vertrauens-ausprägungen (stark, heterogen, schwach) vorgenommen werden. Die dafür erfor-derlichen Daten finden sich in Tabelle 16. Erneut zeigen sich bei den einzelnen Teil-gruppen signifikante Unterschiede.

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So hat beispielsweise der Faktor opportunistisches Kundenverhalten in der Teil-gruppe mit schwachen Vertrauensbeziehungen eine sehr hohe Bedeutung (13 Co-dings bei 15 Interviews, 87%). Dagegen nimmt die relative Menge an entsprechen-den Codings bei heterogenen (6/31, 19%) und starken (2/54, 4%) Vertrauensaus-prägungen stetig ab. Ähnlich verhält es sich bei der Evaluation von Ausschreibun-gen. Während dieser Faktor bei schwachen Vertrauensbeziehungen stark bewertet ist (6/15, 40%), spielt das Thema bei heterogenen (5/31, 16%) und starken (2/54, 4%) Vertrauenskonstellationen kaum eine Rolle. Dagegen zeigen sich bei einer Rei-he anderer Faktoren umgekehrte Effekte. So ist beispielsweise aus Anbietersicht die eigene Integration in Kundenprozesse bei starken Vertrauensbeziehungen von hoher Bedeutung (28/54, 52%), während der Ansatz bei heterogenen (10/31, 32%) und schwachen (3/15, 20%) Vertrauensausprägungen an Gewicht verliert. Vergleichbar sieht es bei der Forderung nach einer verstärkten Einbindung der Fachabteilungen des Kunden aus. Die Bedeutung einer frühzeitigen Integration fachlicher Sichtweisen ist bei starken Vertrauenskonstellationen hoch (24/54, 44%) und nimmt bei hetero-genen (10/31, 32%) und schwachen (3/15, 20%) Vertrauensausprägungen stetig ab. Neben der Untersuchung von Unterschieden lassen sich auch einige Gemeinsam-keiten zwischen den Teilgruppen identifizieren. So ist beispielsweise die Gewichtung der Faktoren Offenheit und Transparenz sowie die Bedeutung der Qualifikation der Mitarbeiter/innen des Kunden über alle drei Teilgruppen konstant. Offensichtlich sind diese Bedingungen für das Vertrauen der Anbieter unabhängig von der konkreten Stärke des Vertrauens relevant.

2.2.5. Vertrauen in Personen vs. Vertrauen in die Organisation

Über die Untersuchung von Vertrauensbedingungen und -auswirkungen hinaus beinhaltet die qualitative Exploration auch eine Analyse der Wechselwirkungen zwischen den beiden fokalen Vertrauensebenen. Dabei ist zunächst relevant, ob die befragten Anbieter einen Unterschied zwischen personalen und organisationalen Vertrauensressourcen beobachten. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob und wie sich die beiden Ausprägungen ggf. gegenseitig beeinflussen.

Grundsätzlich ist auf Basis der qualitativen Untersuchung eindeutig ein Unterschied zwischen den beiden Vertrauensebenen erkennbar. Alle befragten Executives können spontan zwischen personalen und organisationalen Vertrauensbeziehungen unterscheiden. Auch die unterstellte Korrelation zwischen personalen und organisa-tionalen Beziehungen ist für die Mehrzahl der befragten Anbieter evident.

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Bei der Bewertung der Einflussstärke nehmen die Anbieter einen etwas stärkeren Fokus auf personale Vertrauensbeziehungen.

Zitat Key Account Manager: “Das Verhältnis zu den Vertriebsmitarbeitern ist natürlich ganz wichtig, weil, sagen wir mal unter dem Strich, gilt immer: People buy from people. … Das Vertrauensverhältnis auf der persönlichen Ebene ist sicherlich ein ganz wesentliches Element“.

Die Mehrzahl der befragten Executives sieht folglich in der persönlichen Beziehung einen elementaren Erfolgsfaktor. Dies ergibt sich meist aus der Argumentation, dass organisationale Stärken immer auch über Menschen zu transportieren sind. Wenn die interpersonale Beziehung durch wenig Vertrauen geprägt ist, lassen sich auch organisationale Ressourcen kaum einsetzen. Zum Teil lässt sich jedoch auch die Gegenmeinung erkennen und ein stärkerer Fokus auf organisationales Vertrauen beobachten.

CEO-Zitat: “Also, sicherlich sind die Personen wichtig, aber je nach Größe der Unternehmung ist es auch wichtig, dass man mehrere Prozesse hat, die aufeinander abgestimmt sind. Ich sage mal, wenn man sich nur auf die zwischenmenschliche Komponente verlässt und sagt, okay, Herr X und Herr Y, die können vernünftig zusammen schaffen, aber man befähigt sie nicht mit den entsprechenden Ressourcen, das ist auf lange Sicht nicht produktiv“.

Damit kommt zum Ausdruck, dass personale Beziehungen ohne Unterstützung der Organisation nur wenig hilfreich sind. Folglich ist auch für die Nutzung personaler Vertrauensbeziehungen ein Beitrag aus der Organisation erforderlich. Auf Basis dieser beiden Perspektiven entsteht das Bild einer symbiotischen Beziehung zwischen beiden Vertrauensebenen. Soweit die eine Seite der Vertrauensbeziehung nicht die Unterstützung der jeweils anderen erfährt, können die vollen Auswirkungen von Vertrauen auf die gemeinsame Kooperation nicht realisiert werden. Diese Sicht-weise lässt sich auch durch die Anzahl der Codings unterstützen (siehe Abb.22). Die meisten Anbieter gehen von einer Gleichwertigkeit der beiden Vertrauensebenen mit positiven Wechselwirkungen aus. In der Teilgruppe mit starken Vertrauensbeziehun-gen erhalten darüber hinaus die persönlichen Beziehungen eine stärkere Bewertung, während in der Gruppe mit schwachen Vertrauensausprägungen v.a. die Bedeutung von Vertrauen auf Organisationsebene zu betonen ist.

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2.3. Zwischenfazit: Qualitative Untersuchung

Die Ergebnisse der qualitativen Untersuchung unterstützen in vielen Bereichen die konzeptionellen Annahmen des in Teil 3 entwickelten Forschungsmodells. Dabei kann aus Anbieter- und Kundensicht der Effekt von Vertrauen auf die Faktoren Kooperation und Loyalität belegt werden. In Bezug auf die gemeinsame Koopera-tionsqualität drückt sich dies in starken Unterschieden bei alternativen Vertrauens-ausprägungen aus. Anbieter und Kunden mit einer starken Vertrauensbeziehung ver-fügen über eine positive Wahrnehmung zur Qualität der gemeinsamen Kooperation. Die Zusammenarbeit mit der jeweils anderen Seite stellt sich offen und produktiv dar. In etlichen Interviews dieser Teilgruppen sehen die Anbieter und Kunden die Zusammenarbeit als strategische Partnerschaft. Dies sieht bei Teilgruppen mit schwächeren Vertrauensausprägungen anders aus. Aus Kundensicht kann sich die Kooperation bei schwach ausgeprägten Vertrauensbeziehungen äußerst negativ entwickeln. Teilweise kulminiert der Vertrauensmangel im Abbruch eigener Projekte und Initiativen. Dies gilt umgekehrt auch für das Vertrauen der Anbieter. Soweit An-bieter kein Vertrauen in die gemeinsame Beziehung entwickeln, werden die eigenen Anstrengungen reduziert. Entsprechend sinkt auf Basis eines mangelnden Vertrau-ens der Anbieter die Ressourcenverfügbarkeit und Lösungsqualität auf Kundenseite.

Bei den anbieterseitigen Bedingungen für Vertrauensbeziehungen lassen sich in der Kundenstichprobe ca. 90% der Codings und in der Anbieterstichprobe ca. 80% der Codings über die ex ante definierten Kategorien des Forschungsmodells zuordnen. Damit induziert die Untersuchung auch aus qualitativer Sicht eine gute Anbindung des Forschungsmodells an die empirischen Daten. Darüber hinaus lassen sich aus den qualitativen Daten vertiefte Erkenntnisse zur Umsetzung der einzelnen Bezie-hungsstrategien ableiten.

Dabei ist u.a. evident, dass die skizzierten Vertrauensbedingungen über eine unter-schiedliche Bedeutung im Lebenszyklus einer Beziehung verfügen. Zunächst lässt sich die Vermeidung opportunistischer Verhaltensweisen als grundlegender Faktor für den Aufbau von Vertrauen einordnen. Soweit ein ausgeprägter Opportunismus etabliert ist, negiert dies die produktiven Wirkungen der weiteren Beziehungsstrate-gien. Von grundlegender Bedeutung über den gesamten Lebenszyklus sind darüber hinaus die Faktoren Expertise und Kommunikation. Ohne die beiden genannten Fak-toren scheint die Umsetzung komplexerer Beziehungsstrategien schwierig.

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Dies gilt insbesondere für Kundenlösungen und Kundenintegration. Da diese An-sätze eine starke Interaktion zwischen Anbietern und Kunden voraussetzen, lassen sich derartige Strategien besser umsetzen, wenn vorab zumindest ein gewisses Grundvertrauen in der gemeinsamen Beziehung etabliert wurde. In den frühen Pha-sen einer Beziehung bzw. bei schwach ausgeprägten Vertrauensressourcen spielt hingegen der Faktor Reputation eine wesentliche Rolle. Darüber hinaus sollten wert-orientierte Preissysteme stärker zur Vertrauensbildung in den einzelnen Phasen einer Beziehung genutzt werden.

Neben den skizzierten Bedingungen wurden noch weitere Prädiktoren für das Ver-trauen der Kunden in einen Anbieter exploriert, z.B. die Verringerung der internen Fluktuation sowie ein gutes Projekt- und Eskalationsmanagement. Die entsprechen-den Überlegungen sind in weiteren Untersuchungen zu vertiefen.

Darüber hinaus lassen sich aus der qualitativen Untersuchung auch Bedingungen ableiten, die im Kontext der Gestaltung von Vertrauensbeziehungen an Kunden zu stellen sind. Dazu zählt beispielsweise die Vermeidung opportunistischer Ver-haltensweisen auf Kundenseite. Ein Opportunismus des Kunden, z.B. in Form von taktischen Ausschreibungen oder Schuldzuweisungen in RFC-Prozessen kann das Vertrauen des Anbieters nachhaltig stören. In diesen Fällen ist mit entsprechenden negativen Konsequenzen für die weitere Zusammenarbeit zu rechnen. Dabei verlie-ren die Kunden im Regelfall Zugang zu relevanten Ideen und Ressourcen.

Darüber hinaus fordern die Anbieter eine höhere Offenheit der Kunden sowie die fort-laufende Integration in relevante Prozesse auf Kundenseite. Dieser Faktor lässt sich teilweise auch aus Kundensicht identifizieren. Schließlich liegen in der Qualität der Mitarbeiter/innen auf Kundenseite sowie der frühen Einbindung der Fachabteilungen weitere Faktoren zur Stimulierung von Vertrauen auf Anbieterseite.

Wie auf Kundenseite lassen sich die für Anbieter relevanten Vertrauensbedingungen in unterschiedliche Phasen der Beziehung einordnen. So ist beispielsweise abzu-sehen, dass sich bei opportunistischen Verhaltensweisen auf Kundenseite kein Ver-trauen in der gemeinsamen Beziehung entwickeln kann. Der Faktor verfügt damit über eine grundsätzliche Bedeutung im gesamten Lebenszyklus einer Beziehung. Spezifisch ist auf opportunistisches Verhalten in der Frühphase einer Geschäfts-beziehung zu achten. Über eine vergleichbare grundsätzliche Funktion verfügt die Qualität der Mitarbeiter/innen des Kunden. Die Investitionsbereitschaft der Anbieter steigt bei hoch qualifizierten Personen auf Kundenseite. Dies gilt unabhängig von einer spezifischen Phase der gemeinsamen Beziehung.

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Über eine mindestens vergleichbar hohe Bedeutung verfügt die Forderung nach Offenheit, Transparenz und eigener Integration in Wertschöpfungsprozesse des Kunden. Dies gilt besonders für spätere Phasen der Beziehungsgestaltung. Auf Grund der Anzahl der Codings lässt sich ableiten, dass der Faktor Offenheit und Transparenz sogar über eine höhere Bedeutung verfügt als die Vermeidung oppor-tunistischer Verhaltensweisen. Dies ist im weiteren Verlauf konkreter zu untersuchen.

In Bezug auf die Wechselbeziehungen zwischen Vertrauen in Personen und Ver-trauen in Organisationen sind drei wesentliche Erkenntnisse festzuhalten. Zunächst können fast alle der befragten Anbieter und Kunden deutlich zwischen den beiden Vertrauenskonstrukten unterscheiden. Dies kann als empirische Evidenz für die Plausibilität einer derartigen Konzeptualisierung aufgefasst werden. Darüber hinaus sind die beiden Vertrauensebenen aus Sicht beider Parteien stark interdependent. Insofern ist gemäß der Konzeption von Currall und Inkpen (2006, 241) von starken Wechselbeziehungen zwischen beiden Vertrauensebenen auszugehen. Schließlich lässt sich hinsichtlich der Bedeutung der beiden Vertrauenskonstrukte aus der quali-tativen Untersuchung kein wesentlicher Unterschied zwischen personalen und orga-nisationalen Vertrauensressourcen ausmachen. Aus der Sicht der befragten Anbieter und Kunden sind beide Vertrauensformen in Kombination für den Erfolg gemein-samer Beziehungen wesentlich.

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3. Diskussion der vergleichenden Analyse

Bei der vergleichenden Analyse steht die Untersuchung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen der Kunden- und Anbieterstichprobe im Fokus. Eine derarti-ge Analyse liefert wertvolle Erkenntnisse, da Beziehungen durch wechselseitig aufei-nander bezogene Aktivitäten konstituiert werden. Insofern sind auch Fragen des Ver-trauens keine isolierte Angelegenheit einer einzigen beteiligten Partei. Vertrauen ent-steht durch gegenseitige Wahrnehmungen und ein darauf bezogenes Verhalten. Da-her ist für den vorliegenden Untersuchungskontext relevant, ob die Sichtweisen von Anbietern und Kunden konsistent oder divergent sind. Die Analyse kann sich dabei auf die empirischen Daten der quantitativen und qualitativen Untersuchung stützen. Insofern ist der Vergleich durch verschiedene Untersuchungsmethoden fundiert.

3.1. Vergleich der quantitativen Analyse

Bei der quantitativen Vergleichsanalyse ist ein multipler Gruppenvergleich (multi-sample analysis, Jöreskog/Sörbom 2001, 227) zwischen der Anbieter- und Kunden-stichprobe durchzuführen. Die beiden Stichproben werden nicht nur hinsichtlich der Beziehungen zwischen den Konstrukten, sondern auch in Bezug auf die Mittelwert-strukturen der latenten Konstrukte verglichen. Dafür sind die grundsätzlichen Annahmen des LISREL-Modells wie bereits dargestellt zu erweitern. Auf Basis des multiplen Gruppenvergleichs lassen sich Aussagen zu Modellgüte, Haupteffekten und latenten Mittelwertstrukturen vornehmen.

3.1.1. Güte des multiplen Gruppenvergleichs

Die Güte der Anpassung des unterstellten Modells an die empirischen Daten aus beiden Stichproben kann anhand von globalen Anpassungsmaßen überprüft werden. Die globale Fit-Statistik des Strukturgleichungsmodells ( 2

(1126)=1833.04; CFI=.976; NFI=.952; NNFI=.973; RMSEA=.054) belegt eine akzeptable Anpassung des Modells an die Daten der Anbieter- und Kundenstichprobe (Byrne 1998; Homburg et al. 2008a; 565). Dabei ist in der Modellspezifikation von -Kongenerität auszugehen. Die entsprechenden Parameter werden innerhalb des Strukturmodells mit kongeneri-schen Messmodellen geschätzt (= Pattern Same) (Steyer/Eid 2001, 171). Auf Basis dieser Annahme und der resultierenden Fit-Indizes ist daher von einer Invarianz der Messmodelle auf Grundlage der Annahme von -Kongenerität auszugehen. 3.1.2. Unterschiede in den Haupteffekten

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Die Ergebnisse des multiplen Gruppenvergleichs in Bezug auf die Haupteffekte in der Anbieter- und Kundenstichprobe sind in Tabelle 17 dargestellt. Dabei zeigt sich zunächst, dass die untersuchten Pfade jeweils in beiden Stichproben gleichgerichtete Effekte aufweisen. Bei differenzierter Analyse der einzelnen Pfade zeigen sich jedoch signifikante Unterschiede.

Bei den personalen Beziehungsstrategien ist die Wirkung von Kommunikation auf das Vertrauen in einzelne Personen des Anbieters in beiden Gruppen etwas gleich stark. Jedoch hat die Expertise des Anbieters aus Kundensicht im Vergleich zur An-bieterperspektive einen stärkeren Effekt auf das Kundenvertrauen ( =.47 zu =.32).Offensichtlich wird der Effekt des Faktors Expertise von den Anbietern unterschätzt. Darüber hinaus zeigen sich Unterschiede in Bezug auf die Bewertung opportunisti-scher Verhaltensweisen. Diese verfügen zwar in beiden Gruppen über einen nega-tiven Effekt. Jedoch ist dieser Negativeffekt auf die beiden fokalen Vertrauens-konstrukte aus Perspektive der Kunden etwas stärker zu bewerten ( =-.23 zu =-.12 bzw. =-.24 zu =-.18). Insofern werden auch die negativen Folgen aus oppor-tunistischen Verhaltensweisen von den Anbietern leicht unterschätzt.

Noch deutlichere Unterschiede zeigen sich bei der Bewertung organisationaler Be-ziehungsstrategien. In dieser Hinsicht ist zwar der Effekt des Faktors Kundeninte-gration in beiden Gruppen vergleichbar einzustufen, jedoch zeigen Preismodelle in der Anbieterstichprobe keinen signifikanten Einfluss auf das Vertrauen der Kunden in die Organisation des Anbieters. Damit negieren die Anbieter die Wirkung von Preis-modellen als Beziehungsstrategie. Dies ist bedauerlich, da Preismodelle in der Kun-denstichprobe einen gleich starken Effekt wie die drei anderen getesteten Strategien entfalten ( =.21).

Im Gegensatz dazu ist der Einfluss von Kundenlösungen und Reputation von den Anbietern leicht bzw. deutlich überschätzt. Während sich bei der Bewertung von Kundenlösungen nur leichte Abweichungen feststellen lassen ( =.22 zu =.33), ist der Unterschied beim Faktor Reputation deutlich ( =.23 zu =.52). Offensichtlich fokussieren die Anbieter ihre Strategien im Bereich Relationship Marketing auf die Umsetzung von Kundenlösungen und die Erweiterung der eigenen Reputation. Ins-besondere der Faktor Reputation ist aus Anbietersicht als dominante Beziehungs-strategie identifiziert. Dies kann auf Basis der Daten aus der Kundenstichprobe nicht bestätigt werden. Andererseits werden relevante Strategien in den Bereichen Kun-denintegration und Preisbildung von den Anbietern in ihrer Wirkung auf das Vertrau-en der Kunden unterschätzt.

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Untersuchter Pfad Kunden t-Wert

Kunden Anbieter t-Wert

Anbieter

Expertise Vertrauen in Personen

.47 5.13 .32 6.14

Kommunikation Vertrauen in Personen

.25 3.72 .26 4.86

Opportunistisches Verhalten Vertrauen in Personen

-.23 -3.11 -.12 -2.21

Opportunistisches Verhalten Vertrauen in die Anbieterorganisation

-.24 -6.26 -.18 -3.45

Kundenintegration Vertrauen in die Anbieterorganisation

.21 2.40 .16 2.85

Preismodelle Vertrauen in die Anbieterorganisation

.21 4.98 .07 1.75

Kundenlösungen Vertrauen in die Anbieterorganisation

.22 3.53 .33 2.39

Reputation Vertrauen in die Anbieterorganisation

.23 3.64 .52 6.00

Vertrauen in Personen Loyalität zu Personen

.82 8.87 .79 6.93

Vertrauen in Personen Kooperation

.32 3.44 .68 6.57

Vertrauen in die Anbieterorganisation Kooperation

.83 8.70 .36 6.18

Vertrauen in die Anbieterorganisation Loyalität zur Anbieterorganisation

.52 6.56 .77 10.71

Tab.17: Ergebnisse der quantitativen Untersuchung, multipler Gruppenvergleich

Mit Hinblick auf die Auswirkungen der beiden Vertrauenskonstrukte zeigen sich in der Anbieter- und Kundenstichprobe zunächst vergleichbar starke Effekte auf die Kundenloyalität. Das Vertrauen der Kunden in Personen auf Anbieterseite führt in beiden Gruppen zu signifikanten Auswirkungen auf die personengebundene Kunden-loyalität ( =.82 zu =.79).

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In beiden Stichproben zeigt sich darüber hinaus ein positiver Effekt des Vertrauens der Kunden in die Anbieterorganisation auf die organisationsbezogene Loyalität. Jedoch ist dieser Effekt in der Anbietergruppe deutlich stärker ( =.52 zu =.77).Offensichtlich gehen die Anbieter davon aus, dass die Loyalität der Kunden über-wiegend durch die Ausprägung des Kundenvertrauens bestimmt ist. Dieser Vertrau-enseffekt ist jedoch auf Basis der Ergebnisse des multiplen Gruppenvergleichs über-schätzt. Offensichtlich sind noch weitere Faktoren für die Bildung von Loyalität auf Kundenseite wesentlich.

Relevante Unterschiede zwischen beiden Gruppen zeigen sich auch bei der Bewer-tung der Zusammenhänge zwischen den fokalen Vertrauenskonstrukten und der Qualität der gemeinsamen Kooperation. In der Kundenstichprobe hat das organisa-tionsgebundene Vertrauen einen deutlich stärkeren Effekt auf die Kooperation ( =.83) als das Vertrauen der Kunden in einzelne Personen auf Anbieterseite ( =.32). Daher ist für den Erfolg einer unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit aus Kundensicht eher das gegenseitige Vertrauen in die Organisation der jeweils anderen Seite maßgeblich. Für die Anbietergruppe gilt dieser Zusammenhang genau umgekehrt. Hier hat das Vertrauen der Kunden in Einzelpersonen einen deutlich stärkeren Effekt auf den Faktor Kooperation ( =.68) als das Vertrauen in die An-bieterorganisation als Ganzes ( =.36). Die skizzierten Unterschiede verfügen über eine hohe Relevanz, denn die Daten des multiplen Gruppenvergleichs lassen auf eine Unterschätzung der Effekte organisationaler Beziehungsstrategien durch die Anbieter sowie auf eine analoge Unterschätzung der Bedeutung organisations-gebundenen Vertrauens schließen.

3.1.3. Latente Mittelwertstrukturen

Neben einer vergleichenden Analyse der Haupteffekte lassen sich im Rahmen des multiplen Gruppenvergleichs auch Unterschiede in den latenten Mittelwertstruktureninterpretieren (Bollen 1989, 335; Reinecke 2005, 240; Schumacker/Lomax 2004, 348). Dabei können in Strukturgleichungsmodellen nicht die absoluten Mittelwerte der latenten Konstrukte, sondern nur die Mittelwertdifferenzen ( MW) geschätzt wer-den. Die entsprechenden Differenzen der Mittelwerte der Anbieterstichprobe sind in Relation zu den Mittelwerten der Kundenstichprobe in Tabelle 18 dargestellt. Die Mit-telwerte der Anbieter liegen in Bezug auf personale Beziehungsstrategien bei Exper-tise geringfügig unter und bei Kommunikation leicht über den Mittelwerten der Kun-den. Daher schätzen die Kunden die Expertise der Anbieter etwas höher und die Kommunikationskompetenz etwas schwächer ein als die Anbieter selbst.

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Konstrukt MW*

Expertise -.22

Kommunikation .15

Opportunistisches Verhalten .34

Kundenintegration .95

Preismodelle .10

Kundenlösungen -.24

Reputation -.53

Vertrauen in Personen .31

Vertrauen in die Anbieterorganisation .35

Loyalität zu Personen -.49

Kooperation -.11

Loyalität zur Anbieterorganisation -.33

* MW = Differenz des Mittelwerts des jeweiligen Konstrukts in der Anbieterstichprobe in Relation zum gleichen Konstrukt in der Kundenstichprobe

Tab.18: Ergebnisse der quantitativen Untersuchung, latente Mittelwertstrukturen

Bei opportunistischen Verhaltensweisen liegt der Mittelwert der Anbieter etwas über dem Mittelwert der Kunden, d.h. im Durchschnitt bestätigen die Anbieter die An-wendung opportunistischer Verhaltensweisen in der Kooperationspraxis. Wie oben skizziert ist jedoch die Bedeutung dieses Faktors für das Kundenvertrauen aus An-bieterperspektive unterschätzt. Bei den organisationalen Beziehungsstrategien zei-gen sich ebenfalls teils deutliche Mittelwertdifferenzen. In Bezug auf die Integration der Kunden in die Entwicklung eigener Leistungen sehen die befragten Anbieter eine deutlich stärkere Umsetzung als die Kunden. Jedoch kann die von den Anbietern wahrgenommene Intensität der Kundenintegration aus Kundensicht nicht bestätigt werden.

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Dies gilt analog für die Umsetzung wertorientierter Preismodelle, jedoch ist die Diffe-renz in den Mittelwerten hier nur minimal. Der skizzierte Zusammenhang gilt umge-kehrt für die Faktoren Kundenlösungen und Reputation. Bei der Bewertung von Kun-denlösungen zeigt die Kundengruppe einen leicht höheren Mittelwert als die Anbie-tergruppe, d.h. die Kunden bewerten die Lösungsorientierung der Anbieter gering-fügig stärker als die Anbieter selbst. Diese Differenz nimmt beim Faktor Reputation noch zu. Entsprechend haben die Kunden ein deutlich besseres Bild von der Repu-tation der Anbieter als die Anbieter selbst.

Die skizzierten Ergebnisse bei den personalen und organisationalen Beziehungs-strategien lassen sich durch eine integrierte Interpretation der Unterschiede bei den Haupteffekten und Mittelwerten interpretieren. Dabei ist plausibel, dass die Anbieter ihre Relationship Marketing Aktivitäten auf die Strategien mit den aus ihrer Sicht stärksten Effekten konzentrieren (= Expertise, Kundenlösungen, Reputation). Ent-sprechend zeigt sich das Feedback der Kunden in Bezug auf die Bewertung dieser Faktoren in vergleichsweise hohen Mittelwerten. Die weiteren Strategien sind jedoch aus Anbietersicht nicht signifikant (= Preismodelle) oder werden in ihrer Wirkung un-terschätzt (= Kundenintegration). Auf Grund der reduzierten Aktivitäten der Anbieter in diesen Bereichen bleiben auch die Mittelwerte der Kunden unter den Erwartungen der Anbieter.

Schließlich lässt sich durch den Vergleich latenter Mittelwertstrukturen zeigen, dass die Intensität des Kundenvertrauens in beiden fokalen Dimensionen durch die Anbie-ter überschätzt wird. Im Mittelwert bleiben beide Vertrauenskonstrukte unter den Erwartungen der Anbieter. Folglich überschätzen die Anbieter das Vertrauen der Kunden und die Wirkung der eigenen Beziehungsstrategien. Umgekehrte Effekte zeigen sich bei einer Bewertung von Loyalität und Kooperation. Besonders bei der personengebundenen Loyalität zeigen die Kunden im Durchschnitt höhere Werte als die Anbieter selbst, d.h. die Loyalität der Kunden zu einzelnen Personen auf Anbie-terseite ist deutlich höher, als dies die Anbieter selbst wahrnehmen. Dies gilt bei etwas kleineren Mittelwertdifferenzen auch für die organisationsgebundene Loyalität. Schließlich zeigen sich bei einer Einschätzung der Kooperationsqualität nur gering-fügige Mittelwertdifferenzen. Die Qualität der Zusammenarbeit wird von den Kunden etwas besser eingeschätzt als von den Anbietern selbst.

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3.2. Vergleich der qualitativen Analyse

Auch bei der qualitativen Analyse lässt sich ein Vergleich der erhobenen Daten aus der Anbieter- und Kundengruppe durchführen. Dabei sind zunächst die gebildeten Kategorien und die Anzahl der Codings in den einzelnen Kategorien zu vergleichen (siehe Abb.23). Schließlich können Unterschiede in den Daten aus beiden Gruppen inhaltlich interpretiert werden.

3.2.1. Vergleich der Ausprägungen und Auswirkungen von Vertrauen

Bei den Ausprägungen von Vertrauen zeigen sich zunächst deutliche Unterschiede in Bezug auf die Qualität der Vertrauensbeziehungen. So verfügen deutlich mehr Anbieter über ein positives oder zumindest heterogenes Bild zur Ausprägung von Vertrauen in Kundenbeziehungen. Die Kunden sind diesbezüglich bei ihrer Ein-schätzung wesentlich skeptischer. Dies gilt auch für die Anzahl pauschal negativ be-werteter Vertrauensbeziehungen. Offensichtlich ist das Vertrauen zwischen Anbie-tern und Kunden aus Sicht der befragten Gruppen unterschiedlich stark einzustufen. Damit zeigen sich Parallelen zwischen den Ergebnissen aus der qualitativen und quantitativen Untersuchung. Allgemein schätzen die Anbieter die Ausprägung des Vertrauens stärker ein als die Kunden.

Bei der vergleichenden Analyse der Auswirkungen von Vertrauen zeigen sich eben-falls relevante Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Dabei weisen die befragten Anbieter und Kunden in etwa gleich häufig auf die positiven Vertrauenseffekte hin-sichtlich der gemeinsamen Kooperation hin. Soweit das Vertrauen in der Zusam-menarbeit stark ausgeprägt ist, steigt die Kooperationsqualität (= 38/42 Codings) und die Beziehung kann in Richtung einer Partnerschaft weiterentwickelt werden (32/37).

Dagegen werden die negativen Effekte einer schwachen Vertrauensbeziehung von den Kunden etwas stärker thematisiert. Das Fehlen von Vertrauen wirkt sich beispielweise in Kosten- und Budgetüberschreitungen (30/11 Codings), Effizienz-problemen (21/15) und mangelnder Qualität (20/7) aus. Darüber hinaus werden die vorab definierten Projektziele bei schwachen Vertrauensausprägungen weniger häu-fig erreicht (6/2).

Die befragten Anbieter weisen hingegen häufiger darauf hin, dass bei starken Ver-trauensbeziehungen Mehrwerte für die beteiligten Parteien entstehen können (20/30) und die Umsetzung gemeinsamer Innovationsprojekte möglich ist (12/26). Darüber hinaus führt Vertrauen zu einem Aufweichen von Unternehmensgrenzen(8/24).

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Abb.23-1: Qualitative Untersuchung, vergleichende Datenanalyse

Die Mitarbeiter/innen der beteiligten Unternehmen sind dann nicht mehr so stark voneinander abgegrenzt. Vielmehr wird in integrierten Prozessen die gemeinsame Realisierung der definierten Ziele gefördert. Schließlich weisen die befragten An-bieter und Kunden noch auf gruppenspezifische Auswirkungen hin (positiv/negativ), die in der jeweils anderen Gruppe nicht oder in anderer Form thematisiert werden. Dies gilt für die Kundengruppe beispielsweise in Form von weiteren negativen Aus-wirkungen bei Fehlen einer ausreichenden Vertrauensbasis.

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Abb.23-2: Qualitative Untersuchung, vergleichende Datenanalyse

Soweit kein ausreichendes Vertrauen vorhanden ist, werden Informationen zurück-gehalten und die für den Anbieter verfügbaren Kontakte zum Kundenunternehmen eingeschränkt. Darüber hinaus ist mit einer Abstufung der Beziehung (auf Lieferan-tenstufe) und einer Zunahme formaler Ausschreibungsprozesse zu rechnen. Schließ-lich werden auf Kundenseite sogar Projekte zurückgestellt, weil kein ausreichendes Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der in Frage kommenden Anbieter vorhanden ist.

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Ergänzend zu den kundenspezifischen Vertrauensauswirkungen lassen sich bestimmte Auswirkungen von Vertrauen nur auf Anbieterseite identifizieren. Dies be-trifft in Form einer positiven Auswirkung von Vertrauen beispielsweise die Erweite-rung von Kundenbindungsprogrammen. Soweit das Vertrauen in der Kooperation fehlt, hat dies jedoch auch negative Auswirkungen auf das Anbieterverhalten, die von Kunden nicht wahrgenommen werden. So ist davon auszugehen, dass Anbieter die eigene Kundensegmentierung in Abhängigkeit von der Beziehungsqualität anpassen. Dies hat auch Auswirkungen auf den Aufwand für das Kundenmanagement bzw. das Engagement der Anbieter zur Entwicklung kundenindividueller Lösungen. Schließlich lässt sich aus den Befragungsdaten ableiten, dass Anbieter bei einem Mangel an Vertrauen auf die Teilnahme an Ausschreibungen verzichten bzw. eine vertragliche Absicherung der durch den Vertrauensmangel entstandenen Risiken anstreben. Ins-gesamt zeigen sich daher gruppenspezifische Vertrauensauswirkungen, die von der jeweils anderen Gruppe nicht oder nur zum Teil gesehen werden.

3.2.2. Vergleich der anbieterseitigen Bedingungen für Vertrauen

Bei der vergleichenden Analyse von anbieterseitigen Bedingungen für Vertrauen werden an dieser Stelle nur die ex ante definierten Kategorien der Modellkonzeption analysiert. Dabei zeigt sich in Bezug auf die Faktoren Expertise und Kommunikation aus Sicht der Anzahl an Codings eine vergleichbar starke Gewichtung in beiden Teil-gruppen. Daher treten in Bezug auf personale Beziehungsstrategien kaum Unter-schiede zwischen Anbietern und Kunden auf. Der Faktor Expertise ist erneut im Ver-gleich zu Kommunikation leicht höher bewertet. Aus qualitativer Sicht liegen die Anforderungen der Kunden an die Expertise leicht über den bei den Anbietern selbst vorhandenen Erwartungen. Dies drückt sich v.a. in einer starken Forderung der Kun-den nach einer unternehmens- und branchenindividuellen Kompetenz auf Anbieter-seite aus.

Bei der Kategorie opportunistisches Verhalten zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Im Grundsatz ist das Thema dabei aus Anbietersicht unterschätzt (= 48 Codings). Von Kundenseite beinhaltet der Verzicht auf Oppor-tunismus eine starke Grundbedingung für den Aufbau von Vertrauen in gemein-samen Beziehungen (= 73 Codings). Daher erhält die Kategorie in der Kundenstich-probe auch die meisten Codings. Im Gegenzug dazu ist der Faktor zwar aus An-bietersicht identifiziert, verfügt aber auf Grund der kleineren Menge an Codings über eine wesentlich geringere Bedeutung für die Gestaltung von Vertrauensbeziehungen.

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Weniger signifikante Unterschiede zeigen sich auch bei der Bewertung organisa-tionaler Beziehungsstrategien. Bei Analyse der gesamten Codings setzen die An-bieter einen deutlichen Schwerpunkt auf die Faktoren Kundenlösungen (= 66 Co-dings) und Reputation (= 68 Codings). Die Umsetzung wertorientierter Preismodelle und Ansätze der Kundenintegration spielen im Vergleich dazu nur eine unter-geordnete Rolle. Dieser Schwerpunkt ist in der Kundenstichprobe weniger stark aus-geprägt. Dabei schätzen die Kunden besonders den Faktor Reputation weniger do-minant ein als die Anbieter. In Summe entsteht daraus aus Anbietersicht eine leichte Überschätzung der Faktoren Reputation und Kundenlösungen sowie eine leichte Unterschätzung von Kundenintegration und Preismodellen.

3.2.3. Vergleich der kundenseitigen Bedingungen für Vertrauen

Hinsichtlich der vergleichenden Analyse von kundenseitigen Bedingungen für den Aufbau von Vertrauen zeigt sich eine leichte Verzerrung der Datenbasis, da ins-gesamt etwas mehr Codings von Anbietern (= 239) als von Kunden vorliegen (= 212). Umso stärker fällt erneut die unterschiedliche Bewertung opportunistischer Verhaltensweisen ins Gewicht. Während Kunden für sich selbst relativ deutlich einen Verzicht auf opportunistische Strategien einfordern (= 46 Codings), hat dieses The-ma im Gegenzug für die Anbieter eine wesentlich geringere Bedeutung (= 21 Co-dings). Daraus kann abgeleitet werden, dass die negative Wirkung opportunistischer Verhaltensweisen auf das Vertrauen der Anbieter vergleichsweise weniger stark aus-fällt. Theoretisch kann dies aus den im Vergleich weniger umfangreichen Folge-wirkungen opportunistischer Kundenstrategien für den Anbieter abgeleitet werden. Natürlich induziert der Opportunismus des Kunden auch einen Schaden auf Anbie-terseite. Das Potential negativer Folgewirkungen ist jedoch nicht so hoch wie im um-gekehrten Fall, bei opportunistischen Verhaltensweisen auf Anbieterseite.

Für die Anbieter haben jedoch andere Faktoren eine stärkere Bedeutung. Dies betrifft beispielsweise die Offenheit des Kunden (= 49 Codings) und die eigene Inte-gration in Wertschöpfungsprozesse auf Kundenseite (= 41 Codings). Derartige Fak-toren werden von Kundenseite eher unterbewertet. Darüber hinaus ist für die Anbie-ter wesentlich, die aktuellen Ausschreibungssysteme zu verbessern (= 23 Codings). Insgesamt zeigen die Anbieter damit weniger Vorbehalte gegenüber potentiellen Risiken aus opportunistischen Kundenstrategien. Wesentlich wichtiger sind aus Anbietersicht eine Öffnung des Kunden und ein Verzicht auf dysfunktionale Ver-gabeprozesse in Ausschreibungen.

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Neben den bisher skizzierten Kategorien lassen sich auch Themenbereiche identi-fizieren, die jeweils nur von einer Teilgruppe als relevant betrachtet werden. Dies be-trifft aus Kundensicht v.a. die Konzeptarbeit vor Anbieterintegration sowie aus Sicht der Anbieter die frühzeitige Einbindung der Fachabteilungen des Kunden. In Bezug auf die Erarbeitung von Konzepten auf Kundenseite zeigt sich ein ambivalentes und teilweise konfliktäres Bild. Für einen Teil der Kunden ist ein gewisser Reifegrad der eigenen Konzepte wesentlich, um eine stabile Grundlage für gemeinsame Inter-aktionen zu definieren. Dies lässt sich aus Sicht der Kunden auch als förderlicher Faktor für das Vertrauen der Anbieter identifizieren. Die Anbieter selbst sehen dies jedoch anders. Wie bereits skizziert begründen die meisten Anbieter den Aufbau eigener Vertrauensressourcen aus einer Öffnung und frühzeitigen Einbindung auf Kundenseite. Dies gilt auch für die Gestaltung von Fachkonzepten. Die Anbieter er-warten sogar eine tiefe Einbeziehung bei der Konzeptentwicklung bis hin zu einer Einbindung der relevanten Fachabteilungen. Insofern deckt sich hier das Feedback einer Teilgruppe auf Kundenseite nicht mit der Sichtweise der Anbieter.

3.2.4. Vergleich der Perspektiven zu den Wechselwirkungen von Vertrauen

Ein Vergleich der Daten aus Anbieter- und Kundengruppe in Bezug auf die Wech-selwirkungen zwischen personalen und organisationalen Vertrauensressourcen zeigt zunächst, dass aus Sicht von Anbietern und Kunden beide Vertrauensdimensionen für den Erfolg von Kooperationen wesentlich sind. Darüber hinaus kann von einer wechselseitigen Beeinflussung der beiden Vertrauensressourcen ausgegangen werden. Dies gilt sowohl für das Vertrauen der Anbieter als auch für das Vertrauen der Kunden.

Hinsichtlich der Gewichtung zwischen personalen und organisationalen Vertrauens-beziehungen zeigen sich nur geringfügige Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Bei den Anbietern lässt sich eine leichte Präferenz für den Aufbau von Ver-trauen über interpersonale Beziehungen ausmachen. Aus Kundensicht induzieren dagegen organisationale Faktoren einen etwas stärkeren Vertrauenseffekt in gemeinsamen Beziehungen. Damit reflektiert sich auch in der qualitativen Unter-suchung der im Rahmen des multiplen Gruppenvergleichs identifizierte Unterschied in der Bewertung personaler und organisationaler Vertrauensressourcen.

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3.3. Zwischenfazit: Vergleichende Analyse

Im Sinne eines Zwischenfazits sind die wesentlichen Ergebnisse der vergleichenden Analyse hinsichtlich der Bedingungen für das Vertrauen der Kunden und Anbieter sowie der Wechselwirkungen und Auswirkungen unterschiedlicher Vertrauens-ebenen zusammenzufassen. Im Kontext der in Teil 1 skizzierten Forschungsfragen ist damit insbesondere Forschungsfrage (5) bzw. der Vergleich zwischen der An-bieter- und Kundengruppe adressiert.

Bei den Bedingungen für das Vertrauen der Kunden zeigt sich zunächst ein Unter-schied in der Bewertung opportunistischer Verhaltensweisen. Die negative Wirkung opportunistischer Strategien wird von den Anbietern systematisch unterschätzt. In Bezug auf die Evaluation der Effektivität von Expertise und Kommunikation zeigt sich weitgehend ein einheitliches Bild. Die Wirkung von Expertise ist dabei im Vergleich zu Kommunikation etwas stärker einzuschätzen. Insgesamt ist die positive Wirkung von Expertise von den Anbietern sogar unterschätzt.

Dagegen zeigt sich bei den organisationalen Beziehungsstrategien eine Über-betonung der Bedeutung der eigenen Reputation. Dieser Faktor ist zwar auch aus Kundensicht wichtig, jedoch im Zusammenhang mit weiteren organisationalen Be-ziehungsstrategien zu sehen. Dabei blenden die Anbieter beispielsweise die Wirkung von Preismodellen auf das Kundenvertrauen vollständig aus. Auch die anbieter-seitigen Strategien in Richtung einer Kundenintegration sind erweiterbar. Der Faktor ist aus Anbietersicht ebenfalls unterschätzt. Im Gegensatz dazu zeigt sich auf beiden Seiten eine vergleichbare Einschätzung hinsichtlich der Bedeutung und Wirksamkeit von Kundenlösungen. Diese werden von Anbietern und Kunden als wesentlicher An-satz zur Erzeugung von Vertrauen auf Kundenseite aufgefasst.

Im Kontext der Evaluation der Bedingungen für die Entwicklung von Vertrauen auf Anbieterseite zeigt sich, dass die Kunden die Auswirkungen opportunistischer Ver-haltensweisen an dieser Stelle überschätzen. Daraus lässt sich ableiten, dass Opportunismus das Anbietervertrauen weniger stark tangiert als das korrespondie-rende Vertrauen auf Kundenseite. Für die Anbieter sind dagegen andere Faktoren von stärkerer Bedeutung. Dies betrifft beispielsweise eine Förderung der Offenheit und Transparenz des Kunden, die Integration in Wertschöpfungsprozesse auf Kun-denseite sowie den Umgang mit Fachkonzepten.

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Somit schöpfen die Anbieter ihr Vertrauen eher aus der Bereitschaft des Kunden, sich frühzeitig auf einen offenen Dialog einzulassen. Das Bestreben der Kunden hin-sichtlich einer tieferen konzeptionellen Vorbereitung von Kooperation ist aus An-bietersicht eher dysfunktional. Grundsätzlich ist eine frühe Einbindung zu bevor-zugen, idealerweise unter Einbezug aller relevanter Abteilungen des Kunden. In dieser Beziehung führen die gängigen Ausschreibungsprozeduren auf Kundenseite zu einer Reduzierung des Anbietervertrauens. Entsprechend ist an dieser Stelle eine Optimierung der bestehenden Verfahren einzufordern.

Schließlich zeigen sich auch bei der Bewertung der Wechselwirkungen und Aus-wirkungen alternativer Vertrauenskonstrukte relevante Unterschiede und Gemein-samkeiten. Zunächst lassen sich aus Sicht beider Seiten zwei getrennte Vertrauens-konstrukte messen bzw. bewerten. Das Vertrauen der Anbieter und Kunden kann sich daher auf personale und organisationale Faktoren der jeweils anderen Partei beziehen. Darüber hinaus beeinflusst sich das Vertrauen auf beiden Ebenen wech-selseitig. Bei den Auswirkungen von Vertrauen lassen sich in beiden Stichproben die konzeptualisierten Loyalitätseffekte beobachten.

Bei den Auswirkungen des Kundenvertrauens auf die Qualität der Kooperation zeigen sich jedoch signifikante Unterschiede. So ist eine gute Kooperationsqualitätaus Sicht der befragten Anbieter stärker auf interpersonale Vertrauensressourcen zurückzuführen. Eine Auswertung der Daten der Kundenstichprobe führt zu gegen-teiligen Ergebnissen. Aus Kundensicht ist stärker das Vertrauen in die Anbieter-organisation maßgeblich. Diese Unterschiede lassen sich aus der quantitativen und qualitativen Befragung ableiten. In Summe sind jedoch beide Vertrauensdimensionen gleichermaßen für den Erfolg von gemeinsamen Kooperationen wichtig.

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4. Diskussion der vertiefenden Analyse

Bei der vertiefenden Analyse geht es um die Untersuchung spezifischer Konzepte der Umsetzung organisationaler Beziehungsstrategien. Dabei orientiert sich die Auswahl der Fallstudien an den im Rahmen des Forschungsmodells in Teil 3 skizzierten Strategietypen (= Kundenintegration, Preismodelle, Kundenlösungen, Reputation). Für den Gegenstand der vorliegenden Forschung ist es zielführend, nicht nur die spezifischen Beziehungsstrategien eines Anbieters, sondern auch die Reaktionen und eigene Beiträge der Kunden zu evaluieren. Daher beziehen sich die folgenden Fallstudien nicht nur auf den strategischen Ansatz eines Anbieters, son-dern auf eine konkrete Kooperationssituation als Ganzes. Entsprechend werden nicht nur die Sichtweisen der Anbieter, sondern systematisch auch die Wahr-nehmungen und Aktionen der Kunden dargestellt. Die Evaluation der Kooperations-situation erfolgt damit immer aus Anbieter- und Kundenperspektive. Mit Hinblick auf eine stringente Darstellung der Fallstudienergebnisse werden zunächst die Koopera-tionspartner und der Kooperationsgegenstand skizziert. Auf dieser Grundlage erfolgt die Spezifikation der Fallstudie und v.a. eine Beschreibung der mit der Fallstudie verbundenen Forschungsziele (Gibbert et al. 2008, 1467; Yin 2009, 173). Schließlich werden im Rahmen der einzelnen Fallstudien der methodische Ansatz und die er-zielten Ergebnisse dargestellt. Abschließend sind die Ergebnisse zu interpretieren und mit Hinblick auf ihre Implikationen zu bewerten.

4.1. Cirquent und BMW: Integration in der IT Projektplanung und -steuerung

Kooperationspartner auf Anbieterseite: Die Cirquent GmbH ist ein in Deutschland führendes Unternehmen in den Bereichen IT Beratung und Systemintegration. Der Firmensitz des Unternehmens ist München. Cirquent fokussiert seine Leistungen auf die gesamte Wertschöpfungskette für Finanzdienstleister, Versicherungen, Ferti-gungs- und Telekommunikationsunternehmen. Das Unternehmen wurde 1971 von der BMW Group als Tochterunternehmen unter der Firmierung Softlab GmbH gegründet. Seit September 2008 sind 72,9 Prozent der Cirquent-Anteile im Besitz der NTT Data, eine Tochtergesellschaft der Nippon Telegraph & Telephone Corporation (NTT). Die BMW Group ist nach wie vor mit 25,1 Prozent an der Cirquent GmbH be-teiligt. Der Umsatz der Cirquent GmbH betrug im Geschäftsjahr 2008 ca. 260 Mio. Euro.

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Kooperationspartner auf Kundenseite: Die BMW Group ist mit ihren drei Marken BMW, MINI und Rolls-Royce Motor Cars ein international führender Premium-anbieter der Automobilindustrie. Die strategische Zielsetzung des Unternehmens bezieht sich auf die Positionierung der BMW Group als führenden Anbieter von Pre-mium-Produkten und Premium-Dienstleistungen für individuelle Mobilität. Der Um-satz der BMW Group lag in 2008 bei ca. 53 Mrd. Euro.

Kooperationsgegenstand: Der Gegenstand der vorliegenden Fallstudie bezieht sich auf eine Kooperation zwischen Cirquent und BMW im Kontext der Optimierung der Finanzorganisation der BMW Group. BMW befasst sich unter der Überschrift PRO F/IT seit 2003 mit der Neugestaltung seiner Finanz- und Controllingprozesse. Das Ziel des Vorhabens besteht in der Umsetzung einer weltweit führenden Finanz-organisation in der Automobilbranche. Damit will das Unternehmen primär moderne Steuerungs- und Führungsinstrumente einführen und gleichzeitig erweiterte gesetz-liche Anforderungen bedienen (= Sarbanes-Oxley Act, Frugier 2009, IFRS Inter-national Financial Reporting Standards, Müller 2005). Das Projekt wurde 2003 mit einer Evaluationsphase gestartet. Seit 2005 ist Cirquent ein fester Bestandteil der Projektorganisation. Das Gesamtprojektvolumen beträgt seit Projektstart ca. 350 Mio. Euro.

4.1.1. Spezifikation der Fallstudie

Die vorliegende Fallstudie untersucht den Faktor Kundenintegration als Beziehungs-strategie für den Aufbau von Vertrauen in Anbieter-/Kundenbeziehungen. Aus theo-retischer Sicht ist davon auszugehen, dass sich eine starke Integration von Kunden in die Entwicklung von Lösungen positiv auf das Vertrauen der Beteiligten auswirkt (Griffin/Hauser 1993; Gulati 1995; Jaworski/Kohli 2006). Darüber hinaus ist mit posi-tiven Vertrauensauswirkungen auf die Kooperationsqualität (Anderson/Narus 1990, 45; Morgan/Hunt 1994, 22) und Kundenloyalität (Sirdeshmukh et al. 2002, 15) zu rechnen. Daher ist die Fallstudie v.a. mit Hinblick auf die Darstellung der Kunden-integration im Rahmen der skizzierten Kooperation zu spezifizieren. Darüber hinaus sollen die Bedingungen und Auswirkungen integrierter Lösungsansätze am Beispiel der Fallstudie evaluiert werden. Schließlich ist zu überprüfen, ob die spezifische Be-ziehung zwischen Cirquent und BMW (im Sinne einer Unternehmensverflechtung) für die Umsetzung integrierter Lösungsansätze konstituierend ist bzw. ob die von Cir-quent angewendeten Beziehungsstrategien auch in einem anderen Kontext umsetz-bar sind. Daher sind die folgenden Untersuchungsziele für die Fallstudie relevant:

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Evaluation der Ausgangssituation von BMW, Untersuchung der Herausforderungen aus Kundensicht.

Evaluation des Lösungsansatzes von Cirquent, explizite Fokussierung auf den Faktor Kundenintegration.

Differenzierung des Lösungsansatzes gegenüber anderen Ansätzen, Beschreibung der Mehrwerte des Ansatzes für Cirquent und BMW.

Evaluation und Darstellung der Auswirkungen des Ansatzes auf die Faktoren Vertrauen, Kooperation und Loyalität.

Untersuchung der Umsetzbarkeit integrierter Lösungsansätze bei anderen Kontextbedingungen.

Evaluation von Erfolgsfaktoren für die Umsetzung integrierter Lösungsansätze.

Die fokalen Konstrukte für die Umsetzung der Fallstudie können damit aus den Untersuchungszielen abgeleitet werden. Grundsätzlich sind dafür die Themen-bereiche 1) Kundenproblem, 2) Kundenlösung, 3) Kundenintegration, 4) Mehrwerte, 5) Auswirkungen auf Vertrauen, Kooperation und Kundenloyalität, 6) Kontext und 7) Erfolgsfaktoren relevant. Im Sinne einer stringenten Umsetzung der Fallstudie sind die relevanten Konstrukte näher zu spezifizieren (Gibbert et al. 2008; Yin 2009). Ent-sprechend sind die für die Untersuchung verwendeten Konstruktdefinitionen in Tabel-le 19 visualisiert.

4.1.2. Methodischer Ansatz

Im Rahmen der Fallstudie werden aus methodischer Sicht im Sinne einer Triangu-lation unterschiedliche Vorgehensweisen für die Datenerhebung eingesetzt. Dies bezieht sich v.a. auf die Heranziehung unterschiedlicher Fallperspektiven bzw. auf die Untersuchung empirischer Daten aus Anbieter- und Kundensicht. Für die Daten-erhebung bietet sich eine qualitative Befragung an. Damit sind die Untersuchungs-ziele und die relevanten Konstrukte in ausreichender Tiefe evaluierbar. Da die Unter-suchungsergebnisse keinen Anspruch auf externe Validität erheben, kann auf die Durchführung einer Cross-Case Analyse verzichtet werden (Yin 2009, 156). Die Datenerhebung reduziert sich damit auf die Durchführung von jeweils zwei qualitati-ven Tiefeninterviews aus Anbieter- und Kundenperspektive (Interviewpartner siehe Anhang E).

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Konstrukt Definition

Kundenproblem Problemstellung und Herausforderungen des Kunden BMW bei der Umsetzung neuer Finanz- und Controllingprozesse im Rahmen des Projekts PRO F/IT

Kundenlösung In Bezug auf die Problemstellung und Herausforderungen des Kunden gestalteter Lösungsansatz des Anbieters Cirquent

Kundenintegration Intensität und Umsetzung der Integration des Kunden BMW in die Entwicklung der Lösung

Mehrwerte Vorteile für den Kunden BMW und den Anbieter Cirquent aus der Umsetzung des gestalteten Lösungsansatzes

Kundenvertrauen Vertrauen des Kunden BMW in den Anbieter Cirquent bzw. Bereitschaft von BMW, ein Risiko einzugehen und sich verletzbar zu machen, basierend auf positiven Erwartungen in Bezug auf Cirquent als Anbieter

Kooperation Qualität der koordinierten und komplementären Aktivitäten zwischen Cirquent und BMW mit Hinblick auf die Realisierung gemeinsamer Ziele

Kundenloyalität Einstellung und Verhalten von BMW in Bezug auf die Erhaltung und Fortführung der Kooperation mit Cirquent

Kontext Spezifischer Kontext der Fallstudie, insbesondere Art, Tiefe und Quali-tät der Beziehung zwischen BMW und Cirquent vor Projektbeginn

Erfolgsfaktoren Wesentliche Bedingungen für den Erfolg (im Sinne der wiederholten Realisierung der definierten Mehrwerte) bei der Umsetzung analoger Kundenlösungen

Tabelle 19: Konstrukte und Definitionen der Fallstudie Cirquent/BMW

Die qualitative Datenanalyse greift auf die in Teil 3 skizzierten Prinzipien zurück, d.h. die Tiefeninterviews werden telefonisch geführt, digital aufgezeichnet und transkri-biert. Die Transkripte sind auf Basis einer qualitativen Inhaltsanalyse mit MAX QDA auszuwerten sowie kategorienbasiert zu interpretieren. Für die Durchführung der qualitativen Tiefeninterviews ist mit Hinblick auf die definierten Untersuchungsziele und Konstrukte ein halbstrukturierter Fragebogen zu entwickeln und den Interview-partnern jeweils vorab zur Verfügung zu stellen. Dieser beinhaltet die folgenden Leit-fragen:

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Was war die Problemstellung von BMW vor der gemeinsamenZusammenarbeit? Was waren die wesentlichen Herausforderungen?

Wie sieht der Lösungsansatz von Cirquent aus? Was differenziert diesen Lösungsansatz von klassischen Vorgehensweisen?

Wie wurde der Kunde BMW in die Entwicklung der Lösung eingebunden? Wie hat sich das auf die gegenseitige Zusammenarbeit ausgewirkt?

Welche Vorteile erzeugte der Lösungsansatz für Cirquent und BMW?

Welche Auswirkungen hat die Lösung auf die gemeinsame Zusammenarbeit?

Welche Faktoren sind für den Erfolg derartiger Lösungsansätze wesentlich?

Wie lässt sich der Lösungsansatz ggf. auf eine andere Kundensituation transferieren?

Neben den Befragungsdaten standen unterschiedliche Dokumente (= digitale Prä-sentationen, PDF-Dateien) zur Verfügung, die ebenfalls in Bezug auf die definierten Untersuchungsziele interpretiert wurden.

4.1.3. Ergebnisse

Die Ergebnisse der Untersuchung sind zunächst anhand des entwickelten Kate-goriensystems und der Anzahl der Codings in Abb.24 visualisiert. Dabei dienen die Untersuchungsziele sowie die definierten Konstrukte als Ausgangsbasis für die Kategorienbildung. Auf Basis der Anzahl der Codings lassen sich zunächst keine wesentlichen Unterschiede in den Aussagen der Cirquent- und BMW-Beteiligten identifizieren. Das Untersuchungsergebnis ist insofern aus Anbieter- und Kunden-sicht relativ homogen. Graduelle Unterschiede zwischen den Gruppen werden im Rahmen der nachfolgenden Ergebnisdarstellung beschrieben.

Problemstellung und Herausforderungen von BMW. Ein wesentliches Problem bei der Umsetzung der geplanten Neuausrichtung der Finanzorganisation lag bei BMW in der mangelnden internen Expertise. Dies bezieht sich sowohl auf die quantitative Mitarbeiterzahl, als auch auf den verfügbaren Ausbildungsstand. Das Personal in der Fach- und IT-Abteilungen war auf eine derart fundamentale Neuausrichtung nicht vorbereitet. Dies begründet sich u.a. aus den mit der Neugestaltung wesentlich ver-änderten fachlichen Anforderungen.

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Abb.24: Qualitative Untersuchung, Fallstudie Cirquent/BMW

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Die Mitarbeiter/innen in den Fachabteilungen waren nicht nach internationalen Finanz- und Controllingrichtlinien (beispielsweise im Sinne von IFRS) ausgebildet. Darüber hinaus lag nur wenig Expertise in Bezug auf die Neugestaltung und erfolg-reiche Implementierung veränderter Geschäftsprozesse vor. Auch mit Hinblick auf die erforderliche IT-basierte Unterstützung durch moderne ERP-Systeme (im We-sentlichen SAP) bestand wenig Erfahrung. Als Lösungsoptionen kamen zunächst zwei unterschiedliche Strategien in Frage. Diese bezogen sich 1) auf die Einstellung entsprechend qualifizierter Mitarbeiter in ausreichender Anzahl (= Eigenleistung) oder 2) den Zukauf von Expertise durch Dienstleistungen am Markt (= Fremd-leistung). Beide Alternativen sahen sich jedoch erheblichen Restriktionen ausgesetzt. Eine Lösung durch Eigenleistung stand nicht in Einklang mit den damals gültigen Personalrichtlinien. Auf Grund der wirtschaftlich schwierigen Lage wurde innerhalb der gesamten BMW Group auf den Abschluss neuer Arbeitsverträge verzichtet. Ein massiver Zukauf von Fremdleistungen würde hingegen die budgetären Limitationen des Projekts übersteigen. Durch den Mangel an Ressourcen konnte das Projekt schließlich in wesentlichen Teilbereichen fachlich nicht weiterentwickelt werden. Nach Umsetzung einer Ressourcenstrategie musste zwingend auch die Fach- und IT-Strategie in der PRO F/IT-Initiative angepasst werden.

Lösungsansatz von Cirquent. Im Dialog zwischen BMW und Cirquent bzw. der dama-ligen Softlab GmbH wurde 2005 eine Lösung für die Kundenproblematik entwickelt. Diese basiert aus Ressourcensicht im Kern auf einer Personalüberlassung von Cir-quent-Personal an die BMW Organisation. Da BMW externe Prozess- und IT-Experten nicht selbst einstellen kann, werden diese nun über Cirquent akquiriert und für diverse Teilprojekte der PRO F/IT-Initiative an BMW überlassen. Die jeweiligen Experten verfügen zwar über einen Cirquent-Arbeitsvertrag und werden disziplina-risch aus der Cirquent-Organisation geführt, sind aber gleichzeitig fachlich tief in die BMW-Projektorganisation integriert. Die Personalintegration reicht dabei von der Übernahme von Linienaufgaben über (Teil-)Projektleiteraktivitäten bis hin zur perso-nellen Besetzung ganzer Projektteams. Neben den originären Eigenleistungen von BMW und den über Cirquent verfügbaren Ressourcen können darüber hinaus je nach Projektlage zusätzlich Fremdleistungen von dritten Anbietern bezogen werden (siehe Abb.25).

Kundenintegration. Die Integration von BMW in die Lösungsentwicklung bei Cirquent vollzog sich in mehreren Schritten. Zunächst waren bereits vor Projektstart unter-schiedliche Dialogplattformen zwischen BMW und Cirquent etabliert. Dabei bezog sich der Dialog auf die Suche nach gemeinsamen Entwicklungsfeldern zwischen bei-den Unternehmen.

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Abb.25: Personalintegration in der Cirquent/BMW-Projektarbeit

Insofern ist bei Cirquent bereits vor Projektstart die Entscheidung gefallen, eigene Ressourcen und Expertise in Bezug auf die Transformation und IT-basierte Migration von Finanz- und Controllingprozessen aufzubauen. Als Resultat aus dieser Grund-satzentscheidung wurde ein eigener Unternehmensbereich zur Umsetzung derartiger Projekte etabliert. Auf dieser Basis konnte zunächst der Ansatz zur Lösung der Res-sourcenproblematik bei BMW gemeinsam entwickelt werden. Die Umsetzung leis-tungsfähiger Finanz- und Controllingsysteme nach IFRS-Richtlinien für einen globa-len Konzern induzierte für Cirquent ein neuartiges Leistungsangebot. Daher kann die Entwicklung einer Lösung für das Ressourcenproblem von BMW und die darauf auf-bauende Projektplanung weniger als reine Kundenintegration, sondern eher als gemeinsamer Lernprozess mit wechselseitig starker Integration aufgefasst werden. Die Einstellung von Experten bei Cirquent und die nachfolgende Einsatzplanung bei BMW erfolgt im Rahmen eines gemeinsam betriebenen Personalauswahlsystems. Sobald die Experten von Cirquent bei BMW zum Einsatz kommen, stellen sie einen vollständig integrierten Bestandteil der Projektressourcen dar.

Vorteile für Cirquent. Die Vorteile der skizzierten Lösung liegen auf Seiten von Cir-quent zunächst in der Generierung sicherer Projektumsätze. Durch die enge Inte-gration in die Projektplanung und -steuerung sind die spezifischen Leistungen von Cirquent schwierig substituierbar. Darüber hinaus entstehen durch die enge wech-selseitige Integration mit der Kundenorganisation spezifische Beziehungsvorteile. So sind die Mitarbeiter/innen von Cirquent aus eigener Sicht kontinuierlich in strate-gische Entscheidungsprozesse auf Kundenseite eingebunden.

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Dies kann zwar durch die Codings auf Kundenseite nicht bestätigt werden, jedoch ist auf Basis des Lösungsansatzes und der Besetzung von (Teil-)Projektleiterpositionen durch Cirquent von einer gewissen Einflussnahme auf Entscheidungsprozesse aus-zugehen. Damit besteht für Cirquent eine Möglichkeit zur Nutzung etablierter Bezie-hungen bei der Erzeugung und Gewinnung neuer Verkaufsfälle. Entsprechend ist von Vorteilen bei der Nutzung von Cross- und Up-Selling Potentialen auszugehen. Schließlich schlagen sich die Vorteile des aktuellen Modells auch in einer erweiterten Kundenloyalität aus. Dies gilt aus Sicht von BMW zunächst für das aktuell laufende Projektvorhaben. Darüber hinaus ist bei BMW eine Erweiterung des Arbeitsmodells auf weitere Projekttypen geplant.

Vorteile für BMW. Die Mehrwerte für BMW liegen zunächst in der erweiterten Flexi-bilität des Lösungsmodells. Die für die Umsetzung von Projekten erforderliche Exper-tise kann ohne den Aufbau eigener Personalressourcen ad hoc aufgebaut werden. Damit sind Kapazitätsengpässe und Auslastungsspitzen einfach überwindbar. Auch der erforderliche Abbau des verfügbaren Personals nach Projektabschluss ist für den Kunden vereinfacht. Das bestehende Personal muss nicht freigesetzt oder anderwei-tig eingesetzt werden. Auf Basis der Arbeitsnehmerüberlassung werden die Mit-arbeiter/innen einfach an den Anbieter abgegeben und in anderen Projekten einge-setzt. Schließlich lassen sich aus der Kooperation auch Preisvorteile für den Kunden ableiten. Die Kosten für die Integration von Cirquent-Experten liegen bei Vollzeit-überlassung ca. 30% unter den Kosten einer Beauftragung externer Beratungs-ressourcen.

Auswirkungen auf die gemeinsame Zusammenarbeit. Die Auswirkungen des Lö-sungsansatzes auf die gemeinsame Zusammenarbeit werden von beiden Seiten sehr positiv gesehen. Grundsätzlich sind die Unterschiede zwischen BMW-eigenen Mitarbeiter/innen (= Eigenleistung) und Cirquent-Mitarbeiter/innen im Projektgeschäft aus Anbieter- und Kundensicht nicht erkennbar, d.h. die Zusammenarbeit funktioniert über Unternehmensgrenzen hinweg wie in einer Organisation. Dadurch hat sich die Vertrauensbasis zwischen beiden beteiligten Unternehmen stark entwickelt. Die Ex-perten von Cirquent werden zunehmend auch für Projekte in anderen Organisations-einheiten herangezogen. Dies führen die befragten Executives vorwiegend auf die optimale Kooperationsqualität innerhalb der PRO F/IT Initiative und auf die hohe Flexibilität des Lösungsansatzes zurück. Insgesamt ist durch die bisherige Zusam-menarbeit eine starke wechselseitige Loyalität entstanden. Beide Seiten präferieren eine Fortsetzung und Ausweitung entsprechender Lösungsmodelle auf andere Auf-gabenstellungen.

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Erfolgsfaktoren. Ein wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Umsetzung der skizzier-ten wechselseitigen Integration liegt aus Anbieter- und Kundensicht in der gemein-samen Personalauswahl. Dabei ist der Kunde möglichst früh in die Personalauswahl auf Anbieterseite zu integrieren. In der Zusammenarbeit zwischen Cirquent und BMW ist dies bereits bei Sichtung der schriftlichen Bewerbungsunterlagen der Fall. Auch die weiteren Stufen bis zur Anstellung und Personalüberlassung werden ge-meinsam gestaltet. Auf diese Weise lässt sich aus Sicht der befragten Executives die Integration eines Experten in das Projektgeschäft bei BMW frühzeitig fördern. Darü-ber hinaus bietet sich der Vorteil, dass der skizzierte Lösungsansatz grundsätzlich stufenweise eingeführt werden kann. Entsprechend besteht die Möglichkeit für die Durchführung von Pilotprojekten. Im Kontext der Kooperation zwischen BMW und Cirquent wurde der Ansatz der Pilotierung umfassend genutzt, d.h. die Zusammen-arbeit hat sich über erste wechselseitige Integrationsworkshops, über die Integration einzelner Cirquent Mitarbeiter/innen in die BMW Projektorganisation bis hin zur Be-setzung ganzer Teilprojekte kontinuierlich erweitert.

Als weiterer Erfolgsfaktor ist die Integrationskompetenz auf beiden Seiten zu nennen. Dies bezieht sich auf die Motivation und Fähigkeit der beteiligten Parteien bei der Umsetzung entsprechender Integrationsstrategien. Im Falle der Kooperation zwi-schen BMW und Cirquent ist es vorteilhaft, dass auf beiden Seiten ein gemeinsamer Entwicklungsbedarf bestand. Sowohl BMW als auch Cirquent wollten die eigenen Kompetenzen im Bereich der IT-Unterstützung von Finanzprozessen erweitern. Daher besteht im Grundsatz ein gemeinsames Entwicklungsinteresse. Aus Sicht von BMW resultierte dieses Interesse aus der Erzielung von Mehrwerten durch die Um-setzung einer professionellen Finanz- und Controllingorganisation. Aus der Sicht von Cirquent konnte damit im Kontext eines relativ neuen Marktes (zur Umsetzung von IT-basierten IFRS-Systemen gab es zu diesem Zeitpunkt allgemein wenig Erfahrun-gen) ein neues Leistungsportfolio entwickelt und im Rahmen eines gemeinsamen Pilotprojekts umgesetzt werden. Darüber hinaus lagen auf Grund der organisa-torischen Verflechtung zwischen beiden Unternehmen bereits gemeinsame Koopera-tionserfahrungen vor, d.h. ein gewisses Grundvertrauen war bereits etabliert. Soweit durch eine wechselseitige Integration Vorteile auf beiden Seiten absehbar sind, kann der Ansatz erfolgreich eingeführt und erweitert werden. Schließlich merken die be-fragten Fallstudienteilnehmer an, dass bei einer derart tiefen wechselseitigen Integra-tion, inklusive Personalüberlassung, die Klärung arbeitsrechtlicher Fragen und die enge Abstimmung mit der Arbeitsnehmervertretung (Betriebsrat) wesentlich sind.

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Kontext und Transferierbarkeit. Bei der Analyse von Fallstudien steht grundsätzlich die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf einen anderen Kontext zur Diskussion. Da die Erkenntnisse aus einer spezifischen Einzelfallsituation erzeugt werden, ist die Gene-ralisierungsfrage zumindest im Ansatz zu bearbeiten. Im vorliegenden Fall wurde die Frage nach der Transferierbarkeit in einen anderen Kontext explizit in die Datener-hebung integriert. Dieses Vorgehen ist grundsätzlich plausibel, da Cirquent den Lösungsansatz theoretisch auch mit anderen Kunden und/oder für andere Themen umsetzen kann, d.h. zunächst bestehen keine inhaltlichen Limitationen. Auf Grund der positiven Auswirkungen auf die Zusammenarbeit und der strategischen Vorteile für den Anbieter strebt Cirquent tatsächlich eine Übertragung des Lösungsansatzes auf anderen Kunden an. Dabei ist aus Sicht der befragten Fallstudienteilnehmer die organisatorische Verflechtung zwischen Cirquent und BMW kein konstituierendes Merkmal für die Umsetzbarkeit des skizzierten Lösungsansatzes.

Die beiden Partner müssen nicht zwingend organisatorisch verbunden sein. Entspre-chende Modelle der Personalüberlassung sind in anderen Branchen weit verbreitet und durch gesetzliche Grundlagen fundiert (= Arbeitnehmerüberlassungsgesetz). Bei der dargelegten Fallstudie sind jedoch die Tiefe der Integration und die starke Ein-bindung eines Anbieters in strategische Kundenaufgaben bemerkenswert. Daher kann ein gewisses Grundvertrauen als Ausgangsvoraussetzung für die Umsetzung definiert werden. Durch die wechselseitige Integration entsteht ein starker vertrau-ensfördernder Effekt, jedoch kann Vertrauen auch als Bedingung für den gemein-samen Erfolg verstanden werden. Schließlich basiert der dargestellte Ansatz nicht auf einer reinen Kundenintegration. Auch die Motivation der Kunden zur Integration des Anbieters ist für die dargestellte Fallstudie konstituierend. Daher kann der vor-liegende Ansatz nur unter der Bedingung in einen anderen Kontext transferiert wer-den, dass beide Parteien ein gemeinsames Entwicklungsthema identifizieren und eine Motivation zur wechselseitigen Integration in die Lösungsentwicklung entfalten.

4.1.4. Interpretation

Bei der Interpretation der Ergebnisse stehen zunächst die Erkenntnisse in Bezug auf die Umsetzung von Ansätzen der Kundenintegration zur Diskussion. Dabei kann festgestellt werden, dass eine Integration des Kunden in die Entwicklung eigener Leistungen zu positiven Auswirkungen auf die Faktoren Vertrauen, Kooperation und Loyalität führt.

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Im Falle der Kooperation zwischen BMW und Cirquent hat sich die wechselseitige Integration über verschiedene Stufen entwickelt. Dies bezieht sich auf die frühe Integration von BMW-Mitarbeiter/innen in Entwicklungsworkshops bei Cirquent, die Identifikation gemeinsamer Entwicklungsinteressen bis hin zur tiefen Integration von Cirquent-Ressourcen in die Projektorganisation bei BMW. Daher ist im vorliegenden Fallbeispiel von einer wechselseitig hohen Integrationsintensität bei der Entwicklung eines für beide Seiten interessanten Themengebiets auszugehen. Im Rahmen der gemeinsamen Zusammenarbeit hat sich das Vertrauen zwischen den beteiligten Partnern erheblich erweitert.

Dies führt zu deutlich positiven Effekten auf die Kooperationsqualität. Bei Analyse der Kooperation im Projektgeschäft sind keine Unterschiede zwischen Mitarbeiter/innen von Cirquent und BMW erkennbar. Die Mitarbeiter/innen beider Unternehmen koope-rieren intern wie Ressourcen eines einzigen Unternehmens. Dabei ist dies eine Situation, die für den Einsatz externer Beratungsressourcen eher untypisch ist. Im Gegenteil liegt in der mangelnden Integration der Beratungsressourcen in die Kun-denorganisation häufig ein Problem klassischer Beratungsprojekte. Auf Grund der positiven Effekte auf die gemeinsame Kooperation und die starke wechselseitige Vertrauensbasis sind auch positive Loyalitätseffekte erkennbar. Das Auftrags-volumen an Cirquent wurde kontinuierlich erweitert. Schließlich lässt sich der Lösungsansatz auch auf andere Projekttypen der BMW Group übertragen. BMW steht als Referenzpartner zur Darstellung des Lösungsansatzes für Cirquent zur Ver-fügung. Die Kundenloyalität ist folglich als hoch einzustufen.

Aus der Fallstudie ist jedoch auch abzulesen, dass unabhängig von der konkreten Beziehung zwischen BMW und Cirquent spezifische Anforderungen an Integrations-ansätze zu stellen sind. Dies bezieht sich zunächst auf die Auswahl des Partners und die Qualität der Beziehung zwischen den beteiligten Parteien. Für eine erfolgreiche Kundenintegration ist ein gewisses Grundvertrauen erforderlich. Die positiven Effekte der Kundenintegration basieren auf Kommunikation und Interaktion. Ohne ein mini-males Vertrauen in die jeweils andere Partei erreichen derartige Interaktionen nicht die erforderliche inhaltliche Tiefe. Allgemein ist es für die Kundenintegration förder-lich, wenn über Themen gesprochen wird, die für Anbieter und Kunde potentiell mit Mehrwert verbunden sind. Daher spielt auch die Identifikation gemeinsamer Inno-vationsthemen für den Erfolg entsprechender Integrationslösungen eine wesentliche Rolle.

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Soweit gemeinsam relevante Themen bearbeitet werden, ist es wesentlich einfacher, potentielle Mehrwerte für beide Seiten zu evaluieren. Die Integration und Zusam-menarbeit kann dann stufenweise erweitert werden. Positiv wirkt sich auch eine beidseitige Integration aus, bei der nicht nur eine Partei in Entwicklungsprozesse der jeweils anderen Seite eingebunden ist, sondern wechselseitige Integrationsansätze umsetzbar sind. In diesen Fällen lassen sich die Effekte der Kundenintegration durch eine entsprechende Anbieterintegration unterstützen. Solche gemeinsamen Entwick-lungsprozesse können eine intensive Form der Zusammenarbeit begründen. In der skizzierten Fallstudie reicht dies bis zur Personalüberlassung an die Kundenorga-nisation.

Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass sich die im Rahmen der quantitativen Unter-suchung dargestellten Effekte einer stärkeren Kundenintegration durch die vorlie-gende Fallstudie bestätigen lassen. Jedoch ist die erfolgreiche Umsetzung von In-tegrationsprojekten anspruchsvoll. Spezifische Erfolgsfaktoren liegen beispielsweise in der Auswahl geeigneter Partner sowie der Identifikation gemeinsamer Entwick-lungsinteressen (Belz 1998, 646). Darüber hinaus sollte ein Grundvertrauen zwi-schen beiden Parteien bereits etabliert sein. Schließlich sollte die Kundenintegration stufenweise erweitert und im Idealfall auch durch eine starke Anbieterintegration un-terstützt werden. In diesem Fall entstehen für den Anbieter ein direktes Kommer-zialisierungspotential und ein strategischer Vorteil bei der Erzeugung und Gewinnung weiterer Verkaufsfälle.

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4.2. Logica und Arcor: Wertorientierte Preismodelle in Managed Test Services

Kooperationspartner auf Anbieterseite: Die Logica GmbH & Co. KG ist ein inter-nationaler Anbieter von IT- und Beratungsdienstleistungen. Das Unternehmen wurde 1969 in Großbritannien gegründet. Heute sind die weltweit 40.000 Mitarbeiter spezia-lisiert auf Management- und Technologie-Consulting, Systemintegration, Infrastruk-tur- und Business Process Outsourcing sowie Application Management. In Deutsch-land erwirtschaftete Logica in 2008 mit ca. 2.200 Mitarbeiter/innen einen Umsatz von 268 Mio. Euro. Der Sitz des Unternehmens in Deutschland liegt in Stuttgart.

Kooperationspartner auf Kundenseite: Die Arcor AG & Co. KG ist ein in Deutschland führendes Unternehmen der Telekommunikationsbranche. Arcor ist ein Festnetz-anbieter und fokussiert sich auf Dienstleistungen rund um die Themen Telefonie, Internet und digitales TV. Das wesentliche Kernprodukt von Arcor sind DSL-Internet und Telefonanschlüsse. In Deutschland erwirtschaftete das Unternehmen in 2008 mit ca. 4.100 Mitarbeiter/innen einen Umsatz von ca. 2.3 Mrd. Euro. Arcor wurde im August 2008 vollständig von Vodafone übernommen. Das Unternehmen soll aber zunächst als eigenständige Organisation und Marke weitergeführt werden.

Kooperationsgegenstand: Die vorliegende Fallstudie untersucht die Zusammenarbeit zwischen Logica und Arcor im Bereich IT Testmanagement. Das Testmanagement umfasst alle Aktivitäten rund um das Testen von Software (Liggesmeyer 2009). Der-artige Tests sind erforderlich, da es in der Softwareentwicklung typischerweise zu Fehlern kommt. Eine Implementierung fehlerhafter Software kann jedoch zu schwer-wiegenden Auswirkungen auf das Kerngeschäft führen.

Im Falle Arcor sind diese Auswirkungen besonders dramatisch, da Geschäftsprozes-se in der Telekommunikationsbranche häufig nicht ohne IT-Unterstützung aus-kommen und die Branche grundsätzlich einer hohen Dynamik unterliegt. So ist der deutsche Telekommunikationsmarkt durch permanente, aktive und reaktive Verände-rungen von Preisstrukturen und Angebotsformen geprägt. Teilweise verändern sich DSL-Tarife und zugeordnete Produkte im Wochentakt. Neue Angebote werden in der Regel aggressiv vermarktet und durch den Endkunden über das Internet abge-schlossen, d.h. die Verarbeitung von Neukundenprozessen verläuft weitgehend IT-basiert und automatisch. Dabei sorgen Softwarefehler für analoge Probleme in der Umsetzung der zugeordneten Geschäftsprozesse.

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So können zum Beispiel neue Preise oder Produkte nicht angezeigt oder Tarife durch den Kunden nicht abgeschlossen werden. Bei fehlerhafter Software können die Kundenrechnungen nicht korrekt erstellt werden. Teilweise ist es auch möglich, dass bei Kundenaufträgen im Internet keine Weiterverarbeitung stattfindet und dadurch der Auftrag des Kunden verloren geht. Bei einer Häufung entsprechender Prozessprobleme ist darüber hinaus mit negativen Folgen für die Reputation und Markenwirkung zu rechnen. Das Software-Testmanagement ist daher ein wesent-licher Kernprozess der IT mit starken Auswirkungen auf das Kerngeschäft.

4.2.1. Spezifikation der Fallstudie

Die vorliegende Fallstudie untersucht die Effekte wertorientierter Preismodelle auf das Vertrauen in der Kooperation zwischen Arcor und Logica. Derartige Effekte basieren auf der Annahme, dass die Reaktionen von Kunden auf Preismodelle nicht nur durch rationale Prinzipien bestimmt sind. Zusätzlich sind verhaltensorientierte Aspekte zu berücksichtigen, wie z.B. Wahrnehmungen und Präferenzen (Kim et al. 2009, 44).

Bei wertorientierten Preismodellen orientiert sich der Preis am Vorteil einer Leistung für den Kunden (Anderson/Narus 1999, 5). Der Wert für den Kunden oder der Kun-denvorteil soll hier vereinfacht definiert werden als wahrgenommener Nutzen eines Kunden aus der Zusammenarbeit mit einem ausgewählten Anbieter (Belz/Bieger 2006, 84). Alternative Definitionen des Wertes für den Kunden finden sich beispiels-weise bei Eggert und Ulaga (2002, 28). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass bei zunehmender Bindung von Preisen an die Werterzeugung das Kundenvertrauen wächst. Diese Hypothese folgt aus der Auflösung von Interessenkonflikten zwischen Anbietern und Kunden. Beide Parteien sind im Modus wertorientierter Preismodelle an der Maximierung des Kundenvorteils interessiert (Reinecke 1996, 160). Daher reduziert sich die Wahrscheinlichkeit opportunistischer Verhaltensweisen. Der Wert-beitrag dient für beide Parteien als gemeinsames Zielbild.

In der vorliegenden Fallstudie ist insbesondere die Umsetzung von wertorientierten Preismodellen anhand der Kooperation von Logica und Arcor zu spezifizieren. Da-rüber hinaus sollen die Bedingungen und Auswirkungen wertorientierter Preismodelle am Beispiel der Fallstudie evaluiert werden. Schließlich ist zu überprüfen, ob die spezifische Beziehungskonstellation zwischen Arcor und Logica für die Umsetzung integrierter Lösungsansätze konstituierend ist. Daher sind die folgenden Unter-suchungsziele für die Fallstudie relevant:

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Evaluation der Ausgangssituation von Arcor, Untersuchung der Herausforderungen aus Kundensicht.

Evaluation des Lösungsansatzes von Logica, explizite Fokussierung auf den Faktor wertorientierte Preismodelle.

Differenzierung des Lösungsansatzes gegenüber anderen Ansätzen, Beschreibung der Mehrwerte des Ansatzes für Arcor und Logica.

Evaluation und Darstellung der Auswirkungen des Ansatzes auf die Faktoren Vertrauen, Kooperation und Loyalität.

Untersuchung der Umsetzbarkeit wertorientierter Preismodelle bei anderen Kontextbedingungen.

Evaluation von Erfolgsfaktoren für die Umsetzung wertorientierter Preismodelle.

Die fokalen Konstrukte für die Umsetzung der Fallstudie können damit aus den Untersuchungszielen abgeleitet werden. Grundsätzlich sind dafür die Themenbe-reiche 1) Kundenproblem, 2) Kundenlösung, 3) Preismodelle, 4) Mehrwerte, 5) Aus-wirkungen auf Vertrauen, Kooperation und Kundenloyalität, 6) Kontext und 7) Er-folgsfaktoren relevant. Im Sinne einer stringenten Umsetzung der Fallstudie sind die relevanten Konstrukte in Tabelle 20 visualisiert.

4.2.2. Methodischer Ansatz

Aus methodischer Sicht ist erneut eine Kombination unterschiedlicher Forschungs-methoden einzusetzen. Dies bezieht sich auf die Erzeugung und Auswertung differenzierter Fallperspektiven aus Anbieter- und Kundensicht. Zunächst bietet sich aufgrund der erwünschten Tiefe der Untersuchungsergebnisse eine qualitative Be-fragung für die Datenerhebung an. Auf dieser Grundlage sind die Forschungsziele und die relevanten Konstrukte in ausreichender Tiefe evaluierbar. Eine Cross-Case Analyse zur Untersuchung der externen Validität ist wie in allen Fallbeispielen der vorliegenden Forschung nicht erforderlich. Die Datenerhebung basiert daher v.a. auf qualitativen Interviews und einer Analyse fallstudienrelevanter Dokumente. Im Rah-men der qualitativen Befragung konnte die Anbieterperspektive ausführlich durch sechs einzelne Interviews evaluiert werden. Die Sichtweise von Arcor wurde ab-schließend durch ein Einzelinterview evaluiert (Interviewpartner siehe Anhang E).

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Konstrukt Definition

Kundenproblem Problemstellung und Herausforderungen des Kunden Arcor bei Umsetzung von IT Testmanagementprozessen

Kundenlösung In Bezug auf die Problemstellung und Herausforderungen des Kunden gestalteter Lösungsansatz des Anbieters Logica

Wertorientierte Preismodelle

Ausmaß der Orientierung der Preisfindung von Logica an die Erzeugung von Kundenvorteilen (Mehrwerten) bei Arcor.

Mehrwerte Vorteile für den Kunden Arcor und den Anbieter Logica aus der Umsetzung des gestalteten Lösungsansatzes

Kundenvertrauen Vertrauen des Kunden Arcor in den Anbieter Logica bzw. Bereitschaft von Arcor, ein Risiko einzugehen und sich verletzbar zu machen, basierend auf positiven Erwartungen in Bezug auf Logica als Anbieter.

Kooperation Qualität der koordinierten und komplementären Aktivitäten zwischen Arcor und Logica mit Hinblick auf die Realisierung gemeinsamer Ziele.

Kundenloyalität Einstellung und Verhalten von Arcor in Bezug auf die Erhaltung und Fortführung der Kooperation mit Logica.

Kontext Spezifischer Kontext der Fallstudie, insbesondere Art, Tiefe und Qualität der Beziehung zwischen Arcor und Logica vor Projektbeginn

Erfolgsfaktoren Wesentliche Bedingungen für den Erfolg (im Sinne der wiederholten Realisierung der definierten Mehrwerte) bei der Umsetzung analoger Preismodelle

Tab.20: Konstrukte und Definitionen der Fallstudie Logica/Arcor

Die qualitative Datenanalyse greift erneut auf die in Teil 3 skizzierten Grundlagen zurück, d.h. die Interviews werden telefonisch geführt, digital aufgezeichnet und transkribiert. Die Auswertung der Transkripte erfolgt unter Anwendung von MAX QDA. Über die reinen Befragungsdaten hinaus wurden unterschiedliche Dokumente (= digitale Präsentationen, PDF-Dateien) in Bezug auf die definierten Unter-suchungsziele interpretiert.

Für die Durchführung der Interviews wurde ein halbstrukturierter Fragebogen ent-wickelt und den Interviewpartnern jeweils vorab zur Verfügung gestellt. Dieser bein-haltet die folgenden Leitfragen:

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Was war die Problemstellung von Arcor vor der gemeinsamenZusammenarbeit? Was waren die wesentlichen Herausforderungen?

Wie sieht der Lösungsansatz von Logica aus? Was differenziert diesen Lösungsansatz von klassischen Vorgehensweisen?

Welche Vorteile erzeugt der Lösungsansatz für Logica und Arcor?

Wie sieht das für die Lösung entwickelte Preismodell von Logica aus? In welcher Form sind die Preise an den Kundenvorteil gebunden?

Welche Auswirkungen hat die Lösung auf die gemeinsame Zusammenarbeit?

Welche Faktoren sind für den Erfolg wertorientierter Preismodelle wesentlich?

Wie lässt sich der Lösungsansatz ggf. auf eine andere Kundensituation transferieren?

4.2.3. Ergebnisse aus Anbietersicht

Die Ergebnisse der sechs Interviews mit Logica sind zunächst anhand des entwickel-ten Kategoriensystems und der Anzahl der Codings in Abb.26 visualisiert. Dabei die-nen die Untersuchungsziele sowie die definierten Konstrukte als Ausgangsbasis für die Kategorienbildung.

Problemstellung und Herausforderungen von Arcor. Die Problemstellung im Bereich IT-Qualität und Testmanagement ist bei Arcor auf Grund einer zunehmenden Markt-dynamik und Komplexität des Telekommunikationsmarktes zu Beginn der 2000er Jahre entstanden. Auf Grund der Globalisierung und Liberalisierung der Telekommu-nikation drängten neue Wettbewerber in den Markt für Festnetz- und DSL-Anschlüsse. Dies führt bis heute zu einer starken Dynamik der Preis- und Produkt-strukturen. Unternehmen wie Arcor verfügen heute im DSL-Bereich über mehr als 50 unterschiedliche Tarife, die mit einer Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen kombinierbar sind. Die Lebensdauer eines Einzeltarifs liegt dabei unter sechs Mona-ten und wird sich in Zukunft weiter verkürzen. Durch die skizzierte Marktdynamik hat sich das Testvolumen in der IT deutlich erhöht. Arcor hat das Testen von Software bis 2002 in Eigenleistung betrieben. Für die Abdeckung des erweiterten Testbedarfs wurden externe Software-Tester bzw. auf IT Qualitätsmanagement spezialisierte Un-ternehmen beauftragt. Zu diesen Unternehmen zählte zum damaligen Zeitpunkt auch Logica.

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Abb.26: Qualitative Untersuchung, Fallstudie Logica/Arcor

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Die Auswirkungen des steigenden Testvolumens bei Arcor manifestierten sich schließlich in erhöhten Governanceaufwendungen (für die Aufrechterhaltung des Testbetriebs und die Steuerung einer Vielzahl von externen Ressourcen), einer Ver-schlechterung der Time-to-Market sowie einer Erhöhung der Fehlerquote im Soft-warebetrieb. Darüber hinaus konnte man innerhalb des bestehenden Systems kaum auf kurzfristige Änderungen des Testvolumens reagieren. Somit wirkte sich die schlechte Qualität des IT Testmanagements auch auf die Performance von Arcor in den Fachbereichen aus. Beispielsweise konnten neue Produkte und Tarife nicht in der gewünschten Zeit auf den Markt gebracht werden. Die Qualität der Leistungser-bringung war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls verbesserungswürdig. Aus Kundensicht hatte Arcor (im Gegensatz zum wichtigsten Wettbewerber, der Deutschen Telekom) das Image eines Billiganbieters mit schlechter Qualität. Partiell ist das schlechte Qualitätsmanagement auf Qualitätsprobleme der IT zurückzuführen.

Lösungsansatz von Logica. Der Lösungsansatz von Logica basiert im Grundsatz auf einer Übernahme des Testmanagements von Arcor (= Outsourcing). Die Auslage-rung entsprechender Testleistungen ist heute für viele Kunden eine relevante Option. Während das Testen von Software noch vor 10 Jahren in den meisten Unternehmen eine Teilaufgabe der Entwicklungsabteilung darstellte, hat sich dieser Bereich der IT inzwischen weitgehend als eigenständige Profession etabliert (siehe Abb.27). Durch die Trennung des Testens von der Entwicklung kann ein unabhängiger und neutraler Test der entwickelten Software erfolgen. In den meisten Unternehmen basiert das Testen von Software bis heute auf ressourcenbasierten Testverfahren. Dabei werden die für das Testen erforderlichen Ressourcen von externen Lieferanten bezogen. In der Regel handelt es sich dabei um eine Vielzahl von Einzellieferanten, die nach Aufwand in Zeit und Material (= Time & Material) abrechnen.

In den letzten Jahren ist in Bezug auf das Testen von Software eine eigenständige Profession entstanden (inklusive spezialisierter Unternehmen, eigenständigen Aus-bildungsformaten, etc.). Dies führte zur Entwicklung eines Marktes für Managed Test Services. Dabei übernehmen ein oder mehrere Anbieter das gesamte Testen der entwickelten Software im Sinne einer integrierten Dienstleistung. Für das Testmana-gement werden gemeinsam mit den Kunden Qualitätskriterien für das Testen abge-stimmt, durch Service Level Agreements fixiert (SLAs) und kontinuierlich überprüft. In diesem Sinne bezahlt der Kunden in ausgereiften Testmodellen nicht mehr für den Aufwand des Anbieters (nach Time & Material). Bezahlt wird die Erbringung der ver-einbarten Dienstleistungen im Rahmen der definierten Qualitätskriterien (SLAs).

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Abb.27: Reifegrad und Mehrwerte alternativer Testmodelle

Durch eine Fokussierung auf wenige Anbieter, die Bündelung des gesamten Test-managements bei wenigen spezialisierten Anbietern und das ergebnisbasierte Testen in Form von SLAs lassen sich die Qualitätskosten bei ergebnisbasierten Test-modellen in der Regel deutlich verringert werden.

Wertorientierte Preismodelle. Bei der Vergabe des Testmanagements durch Arcor bestand eine intensive Wettbewerbssituation. Die bisher etablierten Anbieter von ressourcenbasierten Testleistungen haben sich zum Teil ebenfalls um die Über-nahme des gesamten Testvolumens bemüht. Logica hat den Zuschlag schließlich u.a. auf Grund der Gestaltung eines wertorientierten Preismodells erhalten. Wertori-entierte Preismodelle implizieren eine Orientierung der Preisfindung an der Er-zeugung von Mehrwerten auf Kundenseite (Bliemel/Adolphs 2003, 137). Die Um-setzung der Wertorientierung bei Arcor konnte im Rahmen eines Outsourcingprojekts unter Anwendung eines so genannten Service Test Punkt (STP)-Verfahrens umge-setzt werden. Für das Outsourcing wurde ein 5-Jahres Vertrag vereinbart. Innerhalb des Vertragszeitraums verpflichtet sich Logica zu einer jährlichen Kostensenkung für Testdienstleistungen von bis zu 30%. Die Kostensenkung ist relativ zu betrachten, da Kosten nicht absolut, sondern in Relation zu den erbrachten Testleistungen gesenkt werden. Bei einer Steigerung des gesamten Testvolumens kann somit eine Er-höhung der absoluten Kosten bei gleichzeitiger Senkung der relativen Testkosten vorliegen.

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Für die Messung der spezifischen Leistungen von Logica wurde das so genannte Service Test Punkt Verfahren entwickelt. Im Rahmen des Verfahrens werden die An-forderungen für das Testen spezifischer Geschäftsprozesse in Aufwandstreiber übersetzt (z.B. Anzahl zu testender GUI-Felder, Anzahl an Datenbankverbindungen, etc.). Aus der Summe der Aufwandstreiber berechnet das Verfahren die erforder-lichen Service Test Punkte für den Test (siehe Abb.28).

Arcor bezahlt entsprechend nicht die aufgewendeten Ressourcen von Logica, son-dern nur die durch das Verfahren berechneten Service Test Punkte, d.h. Arcor bezahlt für das Testergebnis (= ergebnisbasiertes Testen). Durch die Übersetzung von Testanforderungen in Service Test Punkte kann die oben beschriebene Kosten-reduzierung in Form einer Senkung der Preise für Service Test Punkte über den Ver-tragszeitraum umgesetzt werden.

Bei der Umsetzung des STP-Verfahrens ist das Eichen der STP-Messung in einer Übergangsphase wesentlich. Dabei handelt es sich um eine Objektivierung des Messvorgangs. Bei Arcor und Logica orientierte sich der Ausgangspunkt für den Preis eines STP an den bisherigen Kosten von Arcor bei ressourcenorientierte Test-verfahren. Damit ist aus Kundensicht zunächst gewährleistet, dass durch das STP Modell keine relativen Kostensteigerungen entstehen. Anschließend wurde über mehrere Testanforderungen hinweg die Korrelation zwischen den bisherigen Arcor Testaufwänden und den gemessenen STP gemessen und über eine Veränderung der STP Logik harmonisiert. Dieser Vorgang wurde wiederholt, bis das Arcor Modell und der STP Ansatz stetig zu gleichen Ergebnissen führten. Zum Abschluss der Übergangsphase war das STP Modell geeicht und kalibriert.

Logica verpflichtete sich mit dem STP-Modell zur Abnahme unterschiedlich hoher Testvolumen. Damit entsteht die aus Kundensicht gewünschte Flexibilität. Unab-hängig vom Volumen ist das Testmanagement anhand definierter SLAs zu erbringen. Durch die SLAs werden die qualitativen Merkmale der Werterzeugung beim Kunden messbar gemacht. SLAs beziehen sich entsprechend auf die Qualität des Testens (z.B. auf den Abschluss des Tests in einer bestimmten Zeit oder die Reduzierung von nicht gefundenen Fehlern im späteren Betrieb der Software). Soweit die defi-nierten SLAs von Logica nicht eingehalten werden, sind vertraglich Abzüge bei den Preisen für Service Test Punkte vorgesehen.

Darüber hinaus hat sich neben Logica auch Arcor zu Einhaltung bestimmter SLAs verpflichtet. Diese beziehen sich auf die spezifischen Vorleistungen, die von Arcor für einen reibungslosen Testbetrieb zu erbringen sind.

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Abb.28: Das Service Test Punkt (STP) Verfahren bei Logica & Arcor

Dazu zählt beispielsweise die termingerechte Übertragung der zu testenden Soft-ware an Logica. Selbstverständlich können Fristen für Testprozesse nur eingehalten werden, wenn die Software termingerecht zur Verfügung steht. Soweit die definierten SLAs durch Arcor nicht eingehalten werden, sind entsprechende vertraglich verein-barte Aufschläge an den Preisen für Service Test Punkte vorgesehen. Die Wert-orientierung bei der Preisfindung in der Kooperation zwischen Arcor und Logica basiert folglich auf der Übersetzung von Testleistungen in Service Test Punkte.

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Durch die Preise für Service Test Punkte kann sowohl eine relative Kostensenkung für das Testmanagement, als auch die Einhaltung der Testqualität bei volatilen Test-volumen gewährleistet werden. Damit reflektiert der Preis den Kundenvorteil in Form von Flexibilität (= volatiles Testvolumen), Kosten (= vertraglich vereinbarte Senkung relativer Kosten) und Qualität (= SLAs zu Terminen, Fehlern, etc.).

Vorteile für Arcor. Die Vorteile des umgesetzten Modells für Arcor lassen sich aus den Codings der qualitativen Analyse in Abb.26 erkennen. Zunächst wirkt sich der STP-Ansatz in einer vertraglich fixierten Senkung der relativen Testkosten über die vereinbarte Laufzeit aus. Die jährliche Kostensenkung pro STP ist dabei ex ante definiert und erreicht im letzten Vertragsjahr 30%. Damit ist die Kosteneinsparung für Arcor zusätzlich über Jahre hinweg transparent. Neben der Kostenbetrachtung kann gleichzeitig die Testqualität verbessert werden. Dies folgt aus der Vereinbarung und Umsetzung von exakt definierten SLAs. Bei der Fixierung der SLAs wurden die Qualitätsobergrenzen des bisherigen Arcor-Ansatzes verwendet bzw. erweitert. In Kombination mit dem Preismodell folgt daraus eine messbare und stetige Qualitäts-verbesserung, die aufgrund der Preisbindung auch im Interesse des Anbieters liegt. Darüber hinaus verbessert sich durch den skizzierten Lösungsansatz die Flexibilität im Testmanagement. Dies ist für Arcor besonders wichtig, da Änderungen an Pro-dukten und Preisen in der Regel schnell und spontan umzusetzen sind. Insofern kann nicht von einer stetigen Testbelastung ausgegangen werden. Das Testvolumen verändert sich vielmehr dynamisch mit einer hohen Volatilität. Da diese Schwankun-gen nun nicht mehr von Arcor antizipiert und umgesetzt werden müssen, sinken auch die Governanceaufwände für das Testmanagement. Dies wirkt sich konkret in einer Senkung der für das Testmanagement erforderlichen Personalkosten bei Arcor aus. Schließlich können durch das STP-Modell auch die hohen Time-to-Market Anfor-derungen von Arcor besser bedient werden. Die Umsetzung neuer Produkte und Preise ist in definierten Zeitabschnitten möglich und scheitert nicht an ineffizienten Testprozessen. Die entsprechenden Marktvorteile sind bei Arcor spürbar, jedoch nicht systematisch und objektiv messbar. In Summe bedient der Lösungsansatz von Logica die oben skizzierten Anforderungen von Arcor sehr gut. Durch die Umsetzung eines wertorientierten Preismodells konnte zudem das Interesse beider Kooperati-onspartner in vielen Bereichen harmonisiert werden.

Vorteile für Logica. Der skizzierte Projekt- und Lösungsansatz impliziert auch vielfäl-tige Vorteile für Logica. Diese schlagen sich zunächst in einer langfristigen Kunden-bindung nieder. Auf Grund der langfristigen Vertragsbindung von fünf Jahren entsteht die Basis für eine dauerhafte Zusammenarbeit.

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Diese zeigt sich auch in der Entwicklung von Beziehungsvorteilen, die für weitere Verkaufsaktivitäten bei Arcor nützlich sind. Ein wesentlicher Vorteil für Logica ist darüber hinaus in der hohen Eigenverantwortung und Autonomie bezüglich der Realisierung der vereinbarten SLAs zu sehen. Dabei sind die Ziele der Zusammen-arbeit das Ergebnis eines gemeinsamen Dialogs zwischen Arcor und Logica. Bei der Art und Weise der Zielrealisierung kann Logica jedoch autonom agieren. Dies führt zu unterschiedlichen Vorteilen. Zunächst kann die vereinbarte Leistung möglicher-weise zu niedrigeren Kosten realisiert werden. Damit hat Logica einen direkten Ein-fluss auf die eigene Projektrentabilität.

Darüber hinaus können junge oder neue Mitarbeiter/innen von Logica einfach in den Testprozess integriert werden. Auch bei der Anwendung neuer und innovativer Test-verfahren benötigt Logica vorab keine Zustimmung von Arcor. Daher ist in gewissen Grenzen auch der Einsatz experimenteller Testverfahren möglich. Entsprechende Lerneffekte führen bei den eingesetzten Mitarbeiter/innen zu einer hohen Zufrieden-heit. Schließlich steht Arcor auf Grund des Erfolgs des STP-Modells als aktiver Re-ferenzpartner für die Gewinnung und Umsetzung analoger Projekte bei anderen Kunden zur Verfügung.

Auswirkungen auf die gemeinsame Zusammenarbeit. Die Auswirkungen auf die ge-meinsame Zusammenarbeit lassen sich zunächst durch einen veränderten Bezie-hungsstatus beschreiben. In ressourcenorientierten Testverfahren hat der Test-dienstleister den Status eines Lieferanten. Die Testleistung ist aus Kundensicht eine Commodity und einfach substituierbar. Die gemeinsame Entwicklung eines STP-Modells setzt hingegen eine strategische Partnerschaft zwischen Anbieter und Kun-den voraus.

Auf Grund der Umsetzung des Testmodells durch Outsourcing wird Logica ein Teil der Wertschöpfungskette von Arcor. Damit ist auch eine kontinuierliche Einbindung in Entscheidungsprozesse auf Kundenseite verbunden. Aus den Ergebnissen des Testmanagements lassen sich systematisch Erkenntnisse zur allgemeinen Verbes-serung der IT Performance bei Arcor ableiten. Die Gewinnung und Auswertung der-artiger Erkenntnisse ist nur bei Bündelung des Testmanagements in einer Hand möglich. Logica gewinnt damit als Anbieter eine wesentlich erweiterte Bedeutung für Arcor. Dies drückt sich auch in einer kontinuierlichen Erweiterung der Zusammenar-beit aus. Logica hat inzwischen weitere testnahe Leistungen von Arcor übernommen sowie darüber hinaus Verkaufsfälle in anderen Unternehmensbereichen abgeschlos-sen. Aus Sicht von Logica wird dies v.a. auf die produktive Zusammenarbeit im Rahmen des STP-Modells zurückgeführt.

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Erfolgsfaktoren. Als Erfolgsfaktoren für die Umsetzung eines wertorientierten Preis-modells kann auf Grund des vorliegenden Fallbeispiels zunächst die Bereitschaft zur gemeinsamen Entwicklung des Verfahrens definiert werden. Ein wertorientiertes Preismodell ist nicht alleine aus Anbietersicht zu entwickeln. Dies widerspricht der Grundidee einer Einbindung von Kundenmerkmalen in den Preisfindungsprozess. Bei einer Orientierung an der Erzeugung von Kundenvorteilen treten verschiedene Herausforderungen auf. Diese beziehen sich zum Beispiel auf die konkrete Ermitt-lung des Kundenvorteils und der Definition der relevanten Anbieterbeiträge zur Entstehung der damit verbundenen Mehrwerte. Die Bestimmung dieser Faktoren ist ohne intensive Einbindung des Kunden nicht möglich. Daher ist die Gestaltung der-artiger Preismodelle bereits als gemeinsames Entwicklungsprojekt aufzufassen. Insofern ist auch die Kooperationsbereitschaft des Kunden gefragt. Da es sich im vor-liegenden Fall um ein Outsourcingprojekt handelt, ist die Gestaltung der Über-gangsphase inklusive der Übergabe von Aufgaben an den Anbieter von besonderer Relevanz. Grundsätzlich sollte hier vor Einführung des Preismodells zunächst das Outsourcing umgesetzt werden. Aus Sicht der Beteiligten kann dies auch zur Defi-nition einer Übergangsphase mit Festpreismodellen führen. Durch wertorientierte Preismodelle steigert sich in der Regel die Komplexität.

In Verbindung mit der Umsetzung eines Outsourcings ist daher eine schrittweise Vorgehensweise erfolgskritisch. Schließlich ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor in der objektiven Messung der SLAs zu sehen. Darüber hinaus sind die SLAs sinnvoll mit den Leistungsbausteinen des Anbieters zu verbinden. Im Fallbeispiel ist dies durch das STP-Modell umgesetzt. Das SLA Management spielt folglich für die Umsetzung wertorientierter Preismodelle ein wichtige Rolle (Renner et al. 2006; Ellis/Kauferstein 2004).

Kontext und Transferierbarkeit. Die skizzierte Vorgehensweise zur Umsetzung eines wertorientierten Preismodells ist aus Sicht der befragten Executives relativ einfach auf andere Kunden übertragbar. Logica hat den skizzierten STP-Ansatz bereits mit einer Vielzahl von Kunden umgesetzt. Die Einführung eines entsprechenden Preis-modells ist daher aus Anbietersicht ein etabliertes Verfahren. Dabei sind jedoch einige Vorbedingungen an die Entwicklungsbereitschaft des Kunden zu stellen. Die-se beziehen sich weniger auf den Status der aktuellen Beziehungsqualität, sondern eher auf die grundsätzliche Bereitschaft des Kunden zur Partizipation an der ge-meinsamen Entwicklung. Da sich wertorientierte Preismodelle auf Merkmale des Kunden beziehen, ist ein entsprechender Entwicklungsprozess ohne Kundenbe-teiligung nicht umsetzbar. Daher scheitert eine Implementierung des Verfahrens häu-fig an kundenspezifischen Hindernissen.

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Soweit der Kunde jedoch zur Umsetzung einer gemeinsamen Entwicklung bereit ist, können wertorientierte Preismodelle bei unterschiedlichen Beziehungsqualitäten umgesetzt werden. So ist beispielsweise das Projekt zwischen Arcor und Logica auf Basis einer neutralen Vertrauensbeziehung entstanden. Das gegenseitige Vertrauen ist dann erst über die Projektdauer gewachsen. Insofern ist Vertrauen ex ante zwar hilfreich, jedoch für die Entwicklung entsprechender Verfahren nicht zwingend erfolgskritisch.

4.2.4. Ergebnisse aus Kundensicht

Die bisher dargestellten Untersuchungsergebnisse basieren auf sechs Interviews mit Executives von Logica. Daher reflektiert sich in den bisher skizzierten Erkenntnissen v.a. die Anbieterperspektive. Zur Absicherung der dargestellten Resultate ist jedoch auch eine Integration der Kundensichtweise erforderlich. Daher wurde abschließend zusätzlich ein Interview mit dem verantwortlichen Abteilungsleiter bei Arcor geführt. Der oben skizzierte Fragebogen musste für dieses Interview nur leicht modifiziert werden. Die Auswertung des transkribierten Interviews erfolgte wieder mit MAX QDA. Auf Grund der geringen Ergebnisumfänge wird jedoch auf eine Abbildung der Kategorien und Codings verzichtet.

Bei den Sichtweisen in Bezug auf Kundenproblem und Kundenlösung zeigen sich starke Parallelen zur dargestellten Anbieterperspektive. Aus Kundensicht lag der Fokus von Arcor deutlich auf der Erhöhung der Flexibilität (volatiles Testvolumen) und der Verbesserung der Time-to-Market (schnellere Testdurchführung). Die Förderung dieser Faktoren war aus Kundensicht mit einer Eigenlösung nicht umsetz-bar. Daher wurde ein Anbieter zur Übernahme des gesamten Testvolumens gesucht. Nach ersten Gesprächen mit potentiellen Anbietern bestanden bei Arcor jedoch erhebliche Vorbehalte hinsichtlich der Umsetzung der gewünschten Ziele bei gleich-zeitiger Beibehaltung der Testqualität. Insofern konnte sich Logica durch die Dar-stellung eines flexiblen Preismodells deutlich differenzieren. Das Preismodell impli-ziert aus Sicht von Arcor eine klassische Win/Win-Situation.

Soweit die Ziele von Arcor (Qualität, Geschwindigkeit, Flexibilität) besser realisiert werden, profitiert davon über die Preisbindung an SLAs auch Logica als Anbieter. Die über die Vertragslaufzeit integrierte Kostensenkung ist aus Sicht von Arcor weni-ger relevant. Entscheidend für die Projektvergabe war die Abbildung der geschäft-lichen Ziele von Arcor in Verbindung mit dem glaubwürdigen Interesse des Anbieters an kontinuierlicher Verbesserung und Weiterentwicklung.

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Insofern spielte das Preismodell im Verkaufsprozess eine wesentliche Rolle. Interes-sant ist die Feststellung, dass die Modelle der Preisfindung von Arcor heute in we-sentlichen Bereichen nicht mehr eingesehen werden. Aufgrund der hohen Transpa-renz bei der Preisfindung besteht zwar jederzeit die Möglichkeit zur Nachverfolgung und Kontrolle der Preisberechnungen. Diese Möglichkeit wird jedoch von Arcor kaum wahrgenommen. Nach anfänglichen Preiskontrollen vertraut Arcor heute auf die durch Logica definierten Preise und Gesamtkosten. Damit entfaltet das Preismodell über die wahrgenommene Wertorientierung und die theoretische Kontrollmöglichkeit einen positiven Vertrauenseffekt, der letztlich die tatsächliche Kontrolle der Preis-findung obsolet macht. Die Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit Logica sind daher auch aus Sicht von Arcor positiv. Das gegenseitige Vertrauen hat sich in der gemeinsamen Projektarbeit wesentlich weiterentwickelt. Für Arcor ist Logica heute ein strategischer Partner, der in grundlegende Entscheidungen zur Weiterent-wicklung der IT einzubinden ist. Der Beziehungsstatus des Anbieters hat sich daher im Vergleich zur Situation vor Projektstart deutlich verbessert.

Arcor plant aktuell selbst eine Übertragung des Preismodells auf andere IT Dienst-leistungen. Insofern ist eine grundsätzliche Transferierbarkeit des Ansatzes auf einen anderen Kontext auch aus Sicht des Kunden möglich. Wesentlich für den Projekt-erfolg ist allerdings eine intensive eigene Mitarbeit des Kunden. Darüber hinaus sollte innerhalb des Kundensystems ein konsistentes Zielbild vorliegen. Daher muss der Kunde bestimmte Bedingungen erfüllen, bevor wertorientierte Preismodelle einsetz-bar sind. Für Arcor ist darüber hinaus die Glaubwürdigkeit und Finanzkraft des Anbieters wesentlich. Der Anbieter muss zumindest theoretisch in der Lage sein, die vereinbarten Projektrisiken abfangen zu können. Insofern kam für Arcor im Rahmen des skizzierten Vorhabens nur die Zusammenarbeit mit einem etablierten Anbieter in Frage.

4.2.5. Interpretation

Bei der Interpretation der Fallstudie sind die Bedingungen und Auswirkungen wert-orientierter Preissysteme in der Zusammenarbeit zwischen Arcor und Logica zu beschreiben. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Umsetzung entsprechender Preismodelle zu erheblichen positiven Auswirkungen auf das gegenseitige Vertrauen und die gemeinsame Kooperationsqualität führt. Durch die Bindung von Preisen an die Erzeugung von Mehrwerten auf Kundenseite entsteht ein gemeinsames Zielbild in der Anbieter-/Kundenbeziehung. Dadurch werden typische Kooperationsprobleme reduziert.

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So ist z.B. ein opportunistisches Verhalten auf Anbieterseite oder die systematische Leistungsreduzierung in Outsourcingprojekten nicht möglich bzw. weniger attraktiv. Dies folgt zunächst aus der erhöhten Transparenz des Preismodells. Für die Bindung von Preisen an Mehrwerte auf Kundenseite ist die Etablierung einer transparenten Preisfindung zwischen Anbieter und Kunde wesentlich. Dabei sind auch die Leistun-gen des Anbieters und die dadurch entstehenden Mehrwerte auf Kundenseite zu beschreiben. Der Vorteil dieser Vorarbeiten liegt nicht nur in der Synchronisierung von Zielvorstellungen, sondern darüber hinaus auch in der Erhöhung der Preis-transparenz. Die Leistungen des Anbieters sind bei entsprechenden Modellen für den Kunden transparenter und auf der Grundlage eigener Ziele bewertbar. Im Ergebnis entstehen daraus erhebliche Vorteile auf Anbieter- und Kundenseite. Bei einer erfolgreichen Umsetzung wertorientierter Preismodelle kann der Anbieter mit erheblichen Auswirkungen auf das Vertrauen der Kunden, die gemeinsame Koopera-tion und die Kundenloyalität rechnen.

Jedoch stellt die Entwicklung wertorientierter Preismodelle auch erhebliche Anforde-rungen an die Motivation auf Kundenseite. Da sich die Preisfindung auf Kunden-merkmale bezieht, kann der Anbieter das Preismodell nicht alleine entwickeln. Dafür ist eine intensive Mitarbeit des Kunden erforderlich. Darüber hinaus ist vorauszuset-zen, dass der Kunde über ein konsistentes eigenes Zielverständnis verfügt. Die Abbildung der Leistungen des Anbieters und speziell die valide Darstellung der Zusammenhänge zwischen Anbieterleistungen und Kundenmehrwerten ist darüber hinaus ein anspruchsvoller Prozess. Daher können wertorientierte Preismodelle sicher nicht für alle Leistungsarten entwickelt werden.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass die positiven Effekte wertorientierter Preis-modelle durch die Ergebnisse der vorliegenden Fallstudie unterstützt werden. Eine Orientierung der Preisfindung an Kundenvorteilen führt zu einer Synchronisierung von Zielen und steigert die Transparenz. Daher kann mit positiven Effekten auf das Kundenvertrauen gerechnet werden. Jedoch ist die Umsetzung derartiger Preis-modelle mit vielfältigen Herausforderungen verbunden. Dabei sind besonders hohe Anforderungen an die Entwicklungsbereitschaft und Zielkonsistenz auf Kundenseite zu stellen. Darüber hinaus lassen sich wertorientierte Preismodelle nicht für alle Leistungstypen umsetzen. Umsetzungsprobleme können auftreten, wenn der Zu-sammenhang zwischen Anbieterleistung und Kundenvorteil nur latent vorhanden bzw. schwer zu messen ist. Grundsätzlich können Preismodelle jedoch auch im Sinne einer Beziehungsstrategie betrachtet werden. Insofern sollten sich Anbieter mit den Anwendungsmöglichkeiten für den eigenen Kontext verstärkt auseinander-setzen.

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4.3. SQS und Sunrise: Kundenlösungen in Sourcing- und Shoring-Modellen

Kooperationspartner auf Anbieterseite: Die SQS-Gruppe ist der größte unabhängige Anbieter von Software-Test und Qualitätsmanagement-Dienstleistungen. Das Unter-nehmen wurde 1982 gegründet und beschäftigt weltweit ca. 1.450 Mitarbeiter/innen. Der Umsatz der Gesamtgruppe lag im Geschäftsjahr 2008 bei ca. 143 Mio. Euro. SQS bietet Dienstleistungen für Qualitätsmanagement und Software-Testen in Form von Individual- sowie Standardsoftware-Projekten sowie durch Outsourcinglösungen. Daneben übernimmt SQS auch Spezialaufgaben zur Beurteilung der Qualität von Architekturen, Design sowie Code (Code Quality Management) und beurteilt Soft-wareentwicklungs- und IT-Organisationen nach Standards wie CMMI oder SPICE.

Kooperationspartner auf Kundenseite: Die Sunrise Communications AG mit Sitz in Zürich ist eines der größten Telekommunikationsunternehmen der Schweiz. Sunrise beschäftigte in 2008 ca. 1.500 Mitarbeiter/innen und erwirtschaftete einen Umsatz von ca. 1.856 Mio. Schweizer Franken. Das Kerngeschäft von Sunrise liegt in der mobilen Telefonie. Neben den Mobilfunkdienstleistungen baut Sunrise eine eigene Breitbandinfrastruktur auf und erweitert das Angebot damit um Festnetz- und Inter-netdienste.

Kooperationsgegenstand: Der Gegenstand der vorliegenden Fallstudie basiert auf einer Kooperation zwischen SQS und Sunrise bei der Umsetzung einer Outsourcinglösung für das automatisierte Testen spezifischer CRM-Applikationen. Dabei sollte die Lösung aus Sicht von Sunrise offshore umgesetzt werden. Das Adjektiv offshore (englisch: außerhalb der Küstengewässer liegend) bezeichnet die Verlagerung von Prozessen und Funktionen eines Unternehmens ins (Übersee-)Ausland. Aufgrund von signifikanten Lohnkostenvorteilen und der globalen Ver-fügbarkeit und Transferierbarkeit von Daten gewinnt die Umsetzung von Off-shoringprojekten für die IT zunehmende Bedeutung (Manning et al. 2008, 35). Der bedeutendste Markt für Offshoring liegt in Indien. Teilweise werden heute ganze Re-chenzentren und IT Leistungen für europäische und amerikanische Unternehmen in Indien erbracht (Carmel/Tija 2005, 20; Erber/Sayed-Ahmed 2005, 101). Dabei lassen sich die mit Offshoring verbundenen Vorteile in einigen Fällen auch durch ein Out-sourcing nach Osteuropa realisieren. In diesem Fall ist die Bezeichnung Nearshoringüblich. In der Praxis ist die regionale Verlagerung von IT Dienstleistungen jedoch mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Neben den klassischen Anforderungen eines IT Outsourcing (Reinecke 1996, 4) beinhalten Offshoringprojekte eine zusätz-liche sprachliche und kulturelle Problemstellung.

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Daher ist die Umsetzung von Kundenlösungen in diesem Bereich besonders anspruchsvoll. Bei Sunrise bezieht sich das Outsourcing auf den Bezug von auto-matisierten Testleistungen. Dabei ist aus Kundensicht eine Offshorelösung zu präfe-rieren. Der Ansatz automatisierter Testleistungen bezieht sich auf die systematische und methodengestützte Suche und Behebung von Softwarefehlern. Bei Sunrise erfolgte das Softwaretesten vor Projektbeginn noch weitgehend manuell. Nur in eini-gen Teilbereichen kamen bereits automatisierte Testsysteme zum Einsatz. Daher impliziert der Kooperationsgegenstand nicht nur ein Outsourcing/Offshoring, sondern auch eine parallele Optimierung der Testprozesse.

4.3.1. Spezifikation der Fallstudie

Die vorliegende Fallstudie untersucht die Auswirkungen von Kundenlösungen auf das Vertrauen in der Kooperation zwischen SQS und Sunrise. Vertrauen spielt bei der Umsetzung von IT Outsourcinglösungen eine wesentliche Rolle. Da die rele-vanten Leistungen von anderen Unternehmen zu erbringen sind sowie möglicher-weise sogar in einer anderen Region entstehen, macht sich der Kunde von den Leis-tungen seines Outsourcingpartners abhängig. Im Falle Sunrise hat diese Abhängig-keit direkte Auswirkungen auf das Kerngeschäft. Die Testleistungen von SQS tan-gieren die CRM Applikationen des Kunden. Daher hängen wesentliche Kernprozesse wie Rechnungserstellung, Auftragsbestätigung sowie sämtliche via Internet publizier-ten Preis- und Produktangaben u.a. auch direkt von der Performance von SQS ab.

Aus theoretischer Sicht fördert die Umsetzung von Lösungen auf Produkt- und Dienstleistungsebene eines Anbieters das Vertrauen der Kunden. Dafür ist es erfor-derlich, dass sich die Lösungsorientierung auf Anbieterseite nicht nur in der Marke-tingkommunikation, sondern v.a. in kundennahen Prozessen zeigt. Eine nachhaltige Orientierung an Kundenlösungen führt zu fundamentalen Veränderungen der Pro-dukt- und Servicestrategien (Srivastava et al. 1999, 178). Dies drückt sich v.a. in einer Orientierung an den Herausforderungen der Kunden bei der Entwicklung und Umsetzung eigener Leistungen aus (Davies et al. 2006, 45).

Aus Sicht der Kunden bestehen deutliche Erwartungen an das Verhalten eines Lösungsanbieters (Tuli et al. 2007, 8). Kunden erwarten implementierte Prozesse zur Analyse ihrer Bedürfnisse. Die Anbieterleistungen müssen sichtbar mit Hinblick auf die Kundenbedürfnisse angepasst sein und sich in die geschäftliche Infrastruktur der Kunden integrieren.

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Soweit Unternehmen aus Kundensicht wie ein Lösungsanbieter agieren, ist dies mit positiven Auswirkungen auf das Kundenvertrauen verbunden (Simonson 2005, 32). Daher sind in der vorliegenden Fallstudie insbesondere der Entwicklungsprozess und die vertriebliche Wirkung von Kundenlösungen anhand der Kooperation von SQS und Sunrise zu untersuchen. Darüber hinaus sollen die Vorteile einer lösungs-orientierten Leistungsgestaltung evaluiert und in Bezug auf ihre Rolle im Verkaufs-prozess dargestellt werden. Schließlich ist zu hinterfragen, ob sich Prinzipien der Lösungsgestaltung aus der Anwendung bei SQS und Sunrise auf einen anderen Kontext übertragen lassen. Daher sind die folgenden Untersuchungsziele für die Fallstudie relevant:

Evaluation der Ausgangssituation und Herausforderungen von Sunrise.

Evaluation des Lösungsansatzes von SQS, explizite Fokussierung auf dieEntwicklung und Umsetzung der spezifischen Kundenlösung, Darstellungder Rolle der Lösungsentwicklung im Verkaufsprozess.

Differenzierung des Lösungsansatzes gegenüber anderen Ansätzen, Beschreibung der Mehrwerte des Ansatzes für SQS und Sunrise.

Evaluation und Darstellung der Auswirkungen des Ansatzes auf die Faktoren Vertrauen, Kooperation und Loyalität.

Untersuchung der Übertragbarkeit von Prinzipien der Lösungsgestaltung auf andere Kontextbedingungen.

Evaluation von Erfolgsfaktoren für die Umsetzung von Kundenlösungen.

Die fokalen Konstrukte der Fallstudie lassen sich aus den Untersuchungszielen ab-leiten. Grundsätzlich sind dafür die Themenbereiche 1) Kundenproblem, 2) inhalt-liche Kundenlösung, 3) Kundenlösungsprozess, 4) Mehrwerte, 5) Auswirkungen auf Vertrauen, Kooperation und Kundenloyalität, 6) Kontext und 7) Erfolgsfaktoren rele-vant. Im Sinne einer stringenten Umsetzung der Fallstudie sind die relevanten Kon-strukte in Tabelle 22 visualisiert.

Für die Untersuchung wesentlich ist die Differenzierung zwischen der inhaltlichen Kundenlösung an sich und den spezifischen Prozessen zur Entwicklung und Umset-zung des Lösungsansatzes bei Sunrise. Es ist davon auszugehen, dass speziell die lösungsorientierte Leistungsentwicklung entsprechende Auswirkungen auf die Quali-tät der Zusammenarbeit impliziert (Davies et al. 2006, 45). Daher sollen die inhalt-liche Lösung und der Prozess der Lösungsentwicklung getrennt betrachtet werden.

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Konstrukt Definition

Kundenproblem Problemstellung und Herausforderungen des Kunden Sunrise bei der Optimierung von IT Testmanagementprozessen.

Kundenlösung In Bezug auf die Problemstellung und Herausforderung des Kunden gestalteter Lösungsansatz des Anbieter SQS.

Lösungsprozesse Durch SQS eingesetzte Prozesse zur Entwicklung einer optimalen Kundenlösung.

Mehrwerte Vorteile für den Kunden Sunrise und den Anbieter SQS aus der Umsetzung des gestalteten Lösungsansatzes.

Kundenvertrauen Vertrauen des Kunden Sunrise in den Anbieter SQS bzw. Bereitschaft von Sunrise, ein Risiko einzugehen und sich verletzbar zu machen, basierend auf positiven Erwartungen in Bezug auf SQS als Anbieter.

Kooperation Qualität der koordinierten und komplementären Aktivitäten zwischen Sunrise und SQS mit Hinblick auf die Realisierung gemeinsamer Ziele.

Kundenloyalität Einstellung und Verhalten von Sunrise in Bezug auf die Erhaltung und Fortführung der Kooperation mit SQS.

Kontext Spezifischer Kontext der Fallstudie, insbesondere Art, Tiefe und Qualität der Beziehung zwischen SQS und Sunrise vor Projektbeginn.

Erfolgsfaktoren Wesentliche Bedingungen für den Erfolg (im Sinne der wiederholten Realisierung der definierten Mehrwerte) bei der Umsetzung von Kundenlösungen.

Tab.22: Konstrukte und Definitionen der Fallstudie SQS/Sunrise

4.3.2. Methodischer Ansatz

Aus methodischer Sicht basiert die Fallstudie auf der Erzeugung und Auswertung differenzierter Fallperspektiven aus Anbieter- und Kundensicht. Aufgrund der erfor-derlichen Tiefe der Untersuchungsergebnisse bietet sich eine qualitative Befragung von Beteiligten auf Seiten von SQS und Sunrise an. Auf Basis der Datenerhebung sind die Forschungsziele und die relevanten Konstrukte zu evaluieren. Auf eine Cross-Case Analyse wird erneut verzichtet.

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Die Datenerhebung basiert daher v.a. auf qualitativen Interviews und einer Analyse fallstudienrelevanter Dokumente. Über die reinen Befragungsdaten hinaus wurden die verfügbaren Projektdokumentationen ausgelesen und interpretiert. Für die Be-fragung standen von SQS vier und von Sunrise zwei Interviewpartner zur Verfügung. Die entsprechenden Executives sind in Anhang D ausgewiesen. Die qualitative Datenanalyse greift erneut auf die in Teil 3 skizzierten Grundlagen zurück, d.h. die Interviews wurden telefonisch geführt, digital aufgezeichnet und transkribiert. Die Auswertung der Transkripte erfolgt unter Anwendung von MAX QDA. Für die Durch-führung der Interviews wurde ein halbstrukturierter Fragebogen entwickelt und den Interviewpartnern jeweils vorab zur Verfügung gestellt. Dieser beinhaltet die folgen-den Leitfragen:

Was war die Problemstellung von Sunrise vor der gemeinsamen Zusammenarbeit? Was waren die wesentlichen Herausforderungen?

Wie sieht der Lösungsansatz von SQS aus? Was differenziert diesen Lösungsansatz von klassischen Vorgehensweisen?

In welchen Teilschritten wurde die Lösung bei Sunrise entwickelt? Welche Rolle spielten diese Teilprozesse im Verkaufsprozess?

Welche Vorteile erzeugt der Lösungsansatz für SQS und Sunrise?

Welche Auswirkungen hat die Lösung auf die gemeinsame Zusammenarbeit?

Welche Faktoren sind für die Umsetzung von Kundenlösungen in Shoringprojekten wesentlich?

Wie lässt sich der Lösungsansatz ggf. auf eine andere Kundensituation transferieren?

4.3.3. Ergebnisse

Die Ergebnisse der Fallstudie sind in Abb.29 anhand des entwickelten Kategorien-systems und der Anzahl der Codings skizziert. Dabei dienen die Untersuchungsziele sowie die definierten Konstrukte als Ausgangsbasis für die Kategorienbildung. Daher soll zunächst die Problemstellung von Sunrise sowie die entsprechende Kunden-lösung dargestellt werden. Danach sind die spezifischen Lösungsprozesse und die Auswirkungen auf die gemeinsame Kooperation zu beschreiben.

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Problemstellung und Herausforderungen von Sunrise. Die Problemstellung des Kunden Sunrise manifestierte sich vor Projektbeginn v.a. in der Senkung von Kosten. Der Telekommunikationsmarkt ist durch intensiven Wettbewerb gekennzeichnet. Dabei steht Sunrise besonders in einer intensiven Wettbewerbsbeziehung zur SwissCom. Gegenüber der SwissCom liegen für Sunrise fundamentale Wett-bewerbsnachteile vor. Diese beziehen sich beispielsweise auf das Branding der SwissCom als schweizerisches Staatsunternehmen und die damit verbundenen Loyalitätseffekte in der Bevölkerung. Darüber hinaus verfügt die SwissCom über ein flächendeckendes Glasfasernetz in der Schweiz. Sunrise muss für die Durchleitung eigener Gespräche eine Gebühr an die SwissCom entrichten und daher direkt einen Wettbewerber subventionieren (= in 2008 ca. 334 Mio. Schweizer Franken).

Um diese Nachteile zu kompensieren, setzt Sunrise auf eine Strategie aus kom-binierter Kosten- und Qualitätsführerschaft. Die Kunden von Sunrise sollen im Be-reich der Telekommunikation die bestmögliche Leistung zu extrem marktfähigen Preisen erhalten. Insofern sind die Tarifstrukturen von Sunrise in der Regel sehr kompetitiv. Entsprechend liegt innerhalb des Unternehmens ein deutlicher Fokus auf der kontinuierlichen Umsetzung von Kostensenkungsprogrammen.

Innerhalb des IT Testmanagements waren vor Projektbeginn die internen Möglich-keiten für weitere Kostensenkungen aus Sicht des Kunden ausgeschöpft. Sunrise verfügte zu diesem Zeitpunkt bereits ü, die mit einem Offshoring verbundenen weite-ren Kostensenkungen zu prüfen. Dabei sollte aus Kundensicht auch die Test-geschwindigkeit nochmals gesteigert werden (= Time-to-Market). Dieses Ziel wird jedoch von den befragten Vertretern auf Anbieterseite nur schwach identifiziert. Im Wesentlichen konzentrierte sich das Projekt daher auf die Realisierung von Kosten-vorteilen durch Offshoring.ber ein hoch entwickeltes Testsystem. In einem nächsten Schritt ging es darum

Inhaltliche Lösung von SQS. Bei der Gestaltung von Offshoring-Lösungen sind un-terschiedliche Herausforderungen zu betrachten. Grundsätzlich versprechen derarti-ge Ansätze auf Grund der vergleichsweise hohen Lohnkostenvorteile deutliche Kos-teneinsparungen. In der Regel werden mit Offshoring-Lösungen Kostensenkungen zwischen 20% und 40% der Ist-Kosten angestrebt. In der Praxis lassen sich die theo-retisch formulierten Ziele jedoch in vielen Fällen nicht umsetzen. Einige der Probleme klassischer Offshoringstrategien sind in Abb.30 dargestellt.

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Abb.29: Qualitative Untersuchung, Fallstudie SQS/Sunrise

KundenproblemDynamisches Marktumfeld, starker WettbewerbKostensenkung, KostenführerschaftInternes Kostenpotential ausgeschöpftTime-to-Market Beschleunigung

344

1122

2

Haupt- und Teilkategorien Anzahl CodingsSQS (n=4)

Anzahl CodingsSunrise (n=2)

Kundenlösung (Inhalt)Outsourcing von TestleistungenOffshoring nach SüdafrikaProjektsteuerung vor Ort, kundennah 3

44

3222

1

Kundenlösung (Prozess)Stufenweises EinführungskonzeptBewertung Outsourcingkompetenz des KundenEinbindung des Kunden bei der LösungsdefinitionTest alternativer Lösungskomponenten

344

3202

1

Vorteile für SQSUmsatzsicherheit, langfristiger VertragOptimale Kundenlösung, wenig AnpassungsbedarfStufenweiser Ausbau der ZusammenarbeitErweiterte Kundenloyalität

344

2212

1

Auswirkungen

Hochwertiges Eskalationsmanagement

Ausbau der Vertrauensbasis, PartnerschaftSenkung der Shoring-Komplexität

Kundenloyalität, Ausbau der Share-of-Wallet444

3222

1

KontextHohe Übertragbarkeit des Lösungsansatzes 4 2

ErfolgsfaktorenEvaluation der KundenherausforderungenEvaluation der KundenkompetenzFlexible LeistungssystemeZentrale Projektkoordination

344

2202

2

Deutliche Kostensenkung

Lokale Steuerung, dezentrale LeistungserbringungFlexibler Auf- und Abbau von Ressourcen

344

3222

1

Vorteile für Sunrise

Auslagerung von Risiken

Integration von Automatisierungsexpertise

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Allgemein verursacht häufig eine schwache Interaktion zwischen Anbieter und Auf-traggeber Kooperationsprobleme. Soweit das Offshoring beispielsweise auf einer Verlagerung von Aktivitäten nach Indien basiert, ist die gemeinsame Kommunikation und Interaktion mit Schwierigkeiten verbunden. Die auf Offshoring spezialisierten Unternehmen haben in Indien große Offshorekapazitäten aufgebaut und die Mana-gementprozesse in den letzten Jahren deutlich optimiert. Dennoch zeigen sich häufig strategische und kulturelle Differenzen. Diese schlagen sich beispielsweise in der fristgerechten Bearbeitung von Aufträgen oder der Einhaltung der Servicequalität nieder.

Viele Offshoringkunden können daher die definierten Kostensenkungen realisieren, leiden jedoch unter einer niedrigen Servicequalität. Diese Probleme werden häufig durch eine hohe Fluktuation in den Offshoringlokationen gefördert. Die Zusammen-arbeit verläuft weitgehend dezentralisiert und ohne personale Bindungen. In vielen Fällen ist auch das Management des Offshoringpartners in der Offshoringlokation angesiedelt, was eine gemeinsame Koordination auf Managementebene zusätzlich erschwert. Insgesamt hat Offshoring die ex ante definierten Erwartungen daher nicht erfüllt, weshalb gegenwärtig eine breite Diskussion rund um die zukünftige Gestal-tung des Ansatzes zu beobachten ist (Gefen/Carmel 2008; Hahn et al. 2009). Im Kontext der Fallstudie basiert die Lösung von SQS auf einem Outsourcing der Test-aktivitäten in Verbindung mit einem Offshoring nach Südafrika. Die Projektsteuerung ist seitens SQS in der Schweiz angesiedelt, d.h. der Kunde hat einen lokalen Ansprechpartner zur Steuerung der Offshoringaktivitäten. Das Offshoring wurde stufenweise eingeführt und erweitert. Dabei stand auch die Integration der Expertise von SQS mit Hinblick auf die Testautomatisierung im Fokus. Für tiefere Einblicke in den spezifischen Projektansatz ist neben einer Analyse der inhaltlichen Lösung die Diskussion der prozessualen Vorgehensweise bei der Lösungsentwicklung relevant.

Prozessuales Vorgehen bei der Lösungsentwicklung. Der prozessuale Lösungs-ansatz von SQS wird intern als Multi-Language Customer-Related Sourcing Strategy bezeichnet und bezieht sich auf die individuelle Auswahl der passenden Sourcingva-riante für einen spezifischen Kunden. Für die Darstellung der Strategie sind die in Abb.30 skizzierten Merkmale relevant. Dabei ist u.a. wesentlich, dass SQS bei der Umsetzung von Shoringprojekten nicht auf eine große Shoringlokation setzt, sondern über mehrere kleinere Standorte verfügt. Durch eine derartige Dezentralisierung der Leistungssysteme sollen unterschiedliche sprachliche und kulturelle Voraussetzun-gen bei den Kunden der SQS Gruppe berücksichtigt werden. Entsprechend verfügt SQS heute über vier Sourcinglokationen in Südafrika, Ägypten, Indien und Deutsch-land.

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Abb.30: SQS Offshoring Lösungsansatz

Durch die vier Lokationen können unterschiedliche Kundentypen, Sprachen und Er-fahrungswerte berücksichtigt werden. So sieht SQS beispielsweise für Kunden ohne Outsourcingerfahrung grundsätzlich eher ein Homeshoring in Deutschland vor. Spe-ziell für Kunden mit wenig Outsourcingerfahrungen und französischer Sprache wur-den Sourcingkapazitäten in Ägypten aufgebaut.

Die Zuordnung einer passenden Lokation zu einer spezifischen Kundensituation basiert auf einer Analyse von Kompetenzen und Erfahrungen des Kunden (= maturity analysis). Dabei wird auch die Offshoringkompetenz des Kunden eingestuft. Danach ist aus SQS-Sicht v.a. die bisherige Erfahrung des Kunden mit Offshoringmodellen relevant. Aber auch Kriterien wie Unternehmens- und Landeskultur, Sprache und Professionalität der internen IT-Prozesse werden bewertet.

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Niedrige Offshore-Kompetenz des Kunden

Hohe Offshore-Kompetenz des Kunden

keine oder nur geringe Erfahrung mit Offshore-Modellen

keine explizit beschriebene oder keine umgesetzte Offshore-Strategie

keine explizit für Outsourcing und/oder Offshoring verantwortliche Organisations-einheit

geringe Erfahrung in den relevanten IT-Prozessen und -Methoden

keine etablierten Outsourcingbeziehungen oder -partner

potentielle interne Widerstände gegen Outsourcing oder Offshoring

konservative Unternehmenskultur

negative Einstellung gegenüber Outsour-cing oder Offshoring, zum Teil negative Er-fahrungen beteiligter Kollegen

erste Erfahrungen bzw. umfassende Erfahrungen mit Offshoringlösungen

bei schlechten Erfahrungen: Lokaler Sourcing-Ansatz, europäische Shoring- lösungen bevorzugen

gute Erfahrungen: Empfehlung zu Erweite-rung mit bestehenden Partnern

Outsourcing/Offshoring sind für den Kun-den etablierte strategische Ansätze

es gibt beim Kunden eine dedizierte Organisationseinheit für die Steuerung von Sourcingprozessen.

der Kunde verfügt über etablierte Partner

innerhalb des Kundenunternehmens herrscht eine aufgeschlossene Einstellung gegenüber Outsourcing oder Offshoring-Strategien

IT-Prozesse mit hohen Arbeitsvolumen werden grundsätzlich an externe Partner abgegeben.

Tab.22: SQS Offshoring Lösungsansatz, Bewertung der Kundenkompetenz

Die Analyse ist in den Verkaufsprozess integriert und führt zu einer stufenweisen Entwicklung des passenden Shoringmodells. Dabei geht es nicht um die Auswahl der Variante mit den stärksten Kostensenkungspotentialen, sondern um die Suche nach der Lösung mit der höchsten Gesamtperformance. Eine entsprechende Evaluation wurde auch in der Kooperation zwischen Sunrise und SQS durchgeführt. Dabei zeigt sich, dass die Analyse als solches von Kundenseite nicht wahrgenommen wird (siehe Abb.29, 0 Codings). Hingegen spielen die stufenweise Entwicklung des Sho-ringmodells und die Einbindung in die Lösungsentwicklung für den Kunden eine wichtige Rolle. Die Evaluation der eigenen Kompetenz lässt sich daher von Sunrise nicht als Assessment, sondern als gemeinsame Entwicklung einer passenden Lösung auffassen.

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Im Ergebnis führt die Multi-Language Customer-Related Sourcing Strategy im Fall von Sunrise zu einer Offshoringlösung in Südafrika. Bei der Auswahl von Südafrika als Lokation spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Zunächst hat Sunrise bereits um-fassende Erfahrungen in der Umsetzung mit Shoringmodellen aufgebaut. Darüber hinaus verfügten die zu übertragenden IT-Prozesse über eine hohe Qualität, d.h. Sunrise hat intern bereits ein sehr hohes Professionalisierungsniveau in der IT erreicht. Zudem ist die englische Sprache für Sunrise als britisches Unternehmen unproblematisch. Insofern standen Indien und Südafrika als potentielle Shoring-lokationen zur Auswahl. Die vorliegenden Shoringerfahrungen bei Sunrise sprachen eher gegen eine Lösung in Indien. Bei der bisherigen Zusammenarbeit mit indischen Anbietern wurden stets die schwierige Kommunikation und die teilweise schlechte Servicequalität bemängelt. Gegenüber einer Offshoringlösung in Indien bestanden daher erhebliche Vorbehalte.

Südafrika verfügte innerhalb des SQS-Modells gegenüber Indien über leicht geringe-re Kostenvorteile, jedoch wurde die Zusammenarbeit mit südafrikanischen Dienstleis-tern von Sunrise als einfacher eingestuft. Dies folgt zum einen aus zeitlichen Über-legungen. Südafrika befindet sich in der gleichen Zeitzone wie die Schweiz. Darüber hinaus wurden die kulturellen Unterschiede der Kombination Südafrika/Schweiz im Vergleich zu Indien/Schweiz geringer eingestuft.

Die stufenweise Entwicklung des passenden Shoringmodells und die Einbindung des Kunden in die Lösungsentwicklung haben den Verkaufsprozess entscheidend be-einflusst. SQS verfügte bei Sunrise vorher über keine installierte Basis. Die Bezie-hungsqualität zu den wesentlichen Entscheidungsträgern war nur schwach aus-geprägt. Die Qualität der Lösung sowie die intensive Analyse von Situation und Zielen des Kunden spielten folglich für die Vergabe des Offshoring an SQS eine star-ke Rolle. Dies kann auf Basis der qualitativen Interviews aus Sicht von SQS und Sunrise bestätigt werden.

Vorteile für SQS. Die Vorteile des skizzierten Modells liegen für SQS in der lang-fristigen Sicherung des Umsatzvolumens. Outsourcingverträge werden in der Regel für einen definierten Vertragszeitraum abgeschlossen. So ist Sunrise bei Realisie-rung der definierten Service Level für fünf Jahre zur Abnahme eines entsprechenden Testvolumens verpflichtet. Dies impliziert für SQS einen deutlichen Vorteil, da klassi-sche Beziehungen im Testmanagement häufig ad hoc beendet werden. Der Anbieter ist daher im Outsourcingmodus kein einfacher Lieferant, sondern Teil der Wertschöp-fungskette des Kunden. Ein weiterer Vorteil für SQS liegt in der optimalen Passung der eigenen Leistungssysteme für die Anforderungen von Sunrise.

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Durch den Aufbau von Sourcingkapazitäten in unterschiedlichen Regionen kann die Leistung optimal auf den Kunden abgestimmt werden. Die für Shoringmodelle typi-schen Konflikte in der Übergangsphase lassen sich damit reduzieren. Dies ist auch für SQS als Anbieter vorteilhaft, weil nicht mit umfassenden Anpassungsauf-wendungen zu rechnen ist. Entsprechend kam es in der Zusammenarbeit mit Sunrise auch nicht zu unvorhergesehenen Nacharbeiten, die die Rendite des Projekts für den Anbieter belasten. SQS konnte darüber hinaus den Umfang der Zusammenarbeit mit Sunrise stufenweise ausbauen. Auf Grund der optimalen Kundenlösung und der hohen Kundenzufriedenheit hat sich der Leistungsumfang über die Projektlaufzeit inzwischen verdreifacht. Eine weitere Steigerung des Projektvolumens ist auch aus Perspektive der Interviews mit Sunrise absehbar.

Vorteile für Sunrise. Aus Sicht von Sunrise liegt der Vorteil der skizzierten Zusam-menarbeit v.a. in der Umsetzung der erwarteten Kostensenkung. Der Umfang der Kostensenkung beläuft sich dabei im Anwendungsfall auf durchschnittlich 30%. Häu-fig werden die mit Offshoring verbundenen Kostenvorteile durch eine mangelnde Servicequalität und umfangreiche Eskalationen negiert. Dies ist bei Sunrise und SQS nicht der Fall. Der flexible Auf- und Abbau von Testressourcen verläuft aus Sicht des Kunden relativ reibungslos. Vorteilhaft ist in diesem Sinne auch die lokale Steuerung der Zusammenarbeit. Die Mitarbeiter/innen von Sunrise kooperieren überwiegend mit lokalen Umsetzungsverantwortlichen aus der Schweiz. Somit sind das Offshoring an sich und die dezentrale Leistungserbringung für den Kunden kaum wahrnehmbar. Zusätzlich entstehen für Sunrise Vorteile durch die Auslagerung von Risiken an den Outsourcer. Potentielle Folgeschäden aus mangelhaften Testleistungen sind durch SQS zu tragen.

Auswirkungen. Die Umsetzung der skizzierten Outsourcingkooperation hat signifikan-te Auswirkungen auf die Qualität der Zusammenarbeit zwischen Sunrise und SQS. Vor der Projektdurchführung hatte SQS den Status eines austauschbaren Lieferan-ten für Testleistungen. Mit der Übernahme des Testverfahrens ist SQS ein fester Bestandteil der Wertschöpfungskette des Kunden. Sunrise hatte bereits vor der Kooperation umfassende und teilweise negative Erfahrungen mit Shoringprojekten gemacht. Die Grundeinstellung bei der Auswahl eines Anbieters kann daher als skeptisch beschrieben werden. Durch das lösungsorientierte Vorgehen der SQS hat sich das Vertrauen zwischen beiden Parteien sequentiell aufgebaut. Dazu tragen unterschiedliche Lösungselemente bei: (1) Die Auswahl einer zum Kunden passen-den Shoringlokation, (2) die Verfügbarkeit eines zentralen Ansprechpartners vor Ort sowie (3) die Möglichkeit einer stufenweisen Erweiterung des Shoringvolumens.

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Auf Grund der wachsenden Vertrauensbasis kann die Zusammenarbeit zwischen SQS und Sunrise heute als partnerschaftlich eingestuft werden. SQS ist für Sunrise darüber hinaus ein bevorzugter Partner bei der Umsetzung weiterer Shoringprojekte. Dies begründet sich v.a. durch eine aus Kundensicht spürbare Senkung der mit Shoring verbundenen Komplexität. Der Kunde muss bei SQS nicht mit kulturell frem-den Anbietern in einer anderen Sprache kommunizieren. Der zuständige Ansprech-partner sitzt direkt vor Ort. Dadurch wird ein hochwertiges Eskalationsmanagement in der Zusammenarbeit realisiert. Mit der Komplexität sinkt auch die Unsicherheit und das Vertrauen kann weiter gefestigt werden. Eine zusätzliche Auswirkung auf die Zusammenarbeit ist daher in einer Erweiterung der Kundenloyalität und einer schritt-weisen Erhöhung des Share-of-Wallet in Bezug auf das Shoring-Gesamtbudget von Sunrise zu sehen.

Erfolgsfaktoren. Bei der Evaluation von Erfolgsfaktoren für die erfolgreiche Um-setzung von Kundenlösungen ist im Kontext des Fallbeispiels auf die Gestaltung von Kunden- und Leistungssystemen einzugehen. Bei den Kundensystemen hat die SQS über die Qualifizierung der Herausforderungen von Sunrise und die Bewertung der Offshoringkompetenz geeignete Maßnahmen zur Erfassung der Kundensituation umgesetzt. Dabei hat die SQS besonders darauf fokussiert, die für die erfolgreiche Umsetzung einer Offshoringlösung relevanten kulturellen Muster zu erfassen. Das Verfahren folgt dabei erprobten und definierten Prozessen. Daher basieren die Diagnoseprozesse nicht auf der spontan verfügbaren Kompetenz einer Einzelperson, sondern auf institutionalisierten Lösungsprozessen. Eine analoge Hypothese kann für die Entwicklung der Leistungssysteme der SQS entwickelt werden. Das Unter-nehmen hat bewusst nicht auf den Aufbau einer einzelnen Shoringlokation mit über-legenen Kostenstrukturen gesetzt. Vielmehr wurden unterschiedliche Lokationen aufgebaut, um verschiedene Kunden-, Sprach- und Kulturmuster bedienen zu können. Damit steht im Bereich der Leistungssysteme zumindest eine Bandbreite möglicher Lösungstypen zur Verfügung, die auf Basis der Diagnose der Kunden-situation nutzbar sind. Entsprechend basiert die Umsetzung von Lösungen aus Sicht der Leistungssysteme auf standardisierten Lösungstypen (Belz et al. 2000, 78). Darüber hinaus folgt auch die lokale Verortung der Projektsteuerung beim Kunden einer SQS-Prozessvorgabe. Dieser Sachverhalt wurde in der Kunden- und An-bietergruppe als wesentlicher Erfolgsfaktor identifiziert. Durch die lokale Projekt-steuerung ist eine nachhaltige Beibehaltung der Lösungsorientierung in der Um-setzungsphase möglich. Erneut handelt es sich nicht um eine personale Beziehungs-ressource, sondern um eine spezifische organisationale Leistungsstrategie.

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Durch die skizzierten Komponenten können die für eine Lösung spezifischen Eigen-schaften aus Kundensicht (Tuli et al. 2007, 4) exemplarisch umgesetzt werden:

“… customers expect a solution to include processes directed at under-standing their requirements, customizing and integrating products, deploy-ing them, and supporting them on an ongoing basis.“

Durch die geeignete Umsetzung von Kunden- und Leistungssystemen sind die genannten Elemente in der Kooperation zwischen SQS und Sunrise ideal umgesetzt. Das Fallbeispiel skizziert daher die Bedeutung wirksamer und auf die Kunden-anforderungen angepasster Leistungssysteme (Belz et al. 2002, 61).

Kontext und Transferierbarkeit. Hinsichtlich der Transferierbarkeit des skizzierten Lösungsansatzes ist von einer hohen Übertragbarkeit auf andere Ausgangssituatio-nen auszugehen. Dies folgt auch aus konkreten Erfahrungen der SQS. Die skizzierte Vorgehensweise mit einer umfassenden Analyse der Kundensituation sowie der darauf basierenden Entwicklung einer optimalen Shoringlösung ist heute gelebte Praxis in vielen SQS-Projekten. Daher ist von einer hohen Übertragbarkeit des Grundprinzips auf einen anderen Kontext auszugehen.

4.3.4. Interpretation

Bei einer Interpretation der Fallstudienergebnisse ist der Einfluss von Kundenlösun-gen auf den Entscheidungsprozess des Kunden wesentlich. Nach Hinweisen der Sunrise waren die Lösung und das Angebot von SQS in Bezug auf den Preis unter-legen. Die beteiligten Wettbewerber konnten das Shoring zu deutlich günstigeren Preisen durchführen. Dennoch hat sich Sunrise auf Grund der hohen Lösungs-orientierung in der Verkaufsphase für eine Zusammenarbeit mit SQS entschieden. Darüber hinaus hat die SQS das Projektvolumen mit Sunrise im Rahmen der laufen-den Zusammenarbeit kontinuierlich erweitert. Dies ist erneut auf eine funktionale Lösung und die entsprechende Erzeugung von Mehrwerten in der gemeinsamen Kooperation zurückzuführen.

Damit SQS zur Entwicklung und Umsetzung entsprechender Kundenlösungen in der Lage ist, sind erhebliche Anforderungen an die eigene Leistungsfähigkeit zu stellen. Eine Anforderung die beispielsweise Belz und Bieger (2006, 136) als L-Ansatz (Leis-tungsansatz) kennzeichnen.

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Darüber hinaus ist eine Kooperationsbereitschaft des Kunden im Prozess der Lösungsentwicklung erfolgskritisch (Belz 1998b, 23; Tuli et al. 2007, 1). Diese beiden Grundannahmen der Forschung zu Kundenlösungen lassen sich auf Basis der vor-liegenden Fallstudie nachhaltig bestätigen.

Zunächst hat SQS die erforderlichen Voraussetzungen bei den eigenen Leistungs-systemen geschaffen, um Kundenlösungen grundsätzlich auf Basis von standardi-sierten Leistungsmodulen anbieten zu können. Im Anwendungsfall betrifft dies den Aufbau von unterschiedlichen Shoringkapazitäten mit kundenrelevanten Aus-prägungsmerkmalen (siehe Abb.30). Auf dieser Grundlage ist SQS ist der Lage, den für einen spezifischen Kundentyp passenden Shoringansatz anbieten zu können.

Darüber hinaus sind u.a. durch geeignete Kundensysteme die Anforderungen des Kunden mit der eigenen Leistungsfähigkeit in Einklang zu bringen. Dafür hat SQS bei Sunrise das Verfahren des maturity analysis eingesetzt (siehe Tabelle 22). Durch die Evaluation kundenrelevanter Merkmale ist die Gestaltung einer kundenindividuellen Shoringlösung möglich. Auf Grund der möglichst optimalen Kombination von Anfor-derung und Leistung sind für den Kunden erweiterte Kundenvorteile zu erwarten. Im Fallbeispiel drückt sich dies beispielsweise in einer möglichst reibungslosen Um-setzung des Shoring aus. Die avisierten Kostensenkungen sind auf Basis dieser Projektumsetzung tatsächlich realisierbar und es ist nicht mit aufwendigen An-passungen und Produktivitätseinbußen zu rechnen.

Insgesamt erzeugt (1) das lösungsorientierte Verhalten von SQS im Verkaufsprozess und (2) die Effektivität der Lösung in der späteren Umsetzungsphase erhebliche Beziehungsvorteile. Diese schlagen sich zunächst in einer deutlichen Erweiterung der Vertrauensbasis nieder. Offshoring ist zu einem großen Teil eine Vertrauens-frage, denn der Kunde muss bewerten, ob der avisierte Kostenvorteil tatsächlich oh-ne Produktivitäts- und Qualitätseinbußen realisierbar ist. Vertrauen führt in weiterer Konsequenz zu Differenzierungsmöglichkeiten im Verkaufsprozess. SQS konnte auf dieser Basis im Anwendungsfall ein Preispremium durchsetzen. Darüber hinaus ent-stehen aus der produktiven Umsetzung einer Kundenlösung über die Erzeugung von Vertrauen umfangreiche Loyalitätseffekte. SQS hat auf diese Weise seinen share of wallet bei Sunrise kontinuierlich ausgebaut. Darüber hinaus sind weitere Vorteile durch Cross-Sell, Up-Sell und Referenzinitiativen bereits umgesetzt bzw. absehbar.

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4.4. IBM: Reputationsmanagement

Die Fallstudie zum Faktor Reputation unterscheidet sich in Bezug auf Gegenstand und Methodik von den bisher skizzierten Falluntersuchungen. Gegenstand der Forschung ist nicht ein konkretes Kooperationsprojekt, sondern die allgemeine Repu-tationswirkung sowie die Strategien eines IT Anbieters zur Förderung der Reputation in der Schweiz. Methodisch basiert die Untersuchung auf einer zweistufigen Vor-gehensweise.

Dabei steht zunächst eine schriftliche Kundenbefragung im Fokus, um reputations-starke Anbieter aus Kundensicht zu identifizieren. Neben der Identifikation von Anbietern mit einer hohen wahrgenommenen Reputation bildet auch die Reflexion der Wirkungen von Reputation aus Perspektive der Kunden einen Evaluations-schwerpunkt. Auf Basis der Ergebnisse der Kundenbefragung ist das Reputations-management eines aus Kundensicht reputationsstarken Anbieters durch eine quali-tative Einzelfalluntersuchung näher zu beschreiben. Dabei sind erneut Interviews mit verantwortlichen Executives auf Anbieterseite zu führen. Im Zuge der Untersuchung ist daher wieder eine vergleichende Analyse aus Anbieter- und Kundenperspektive möglich. Damit kann der Faktor Reputation als Beziehungsstrategie multidimensional untersucht werden.

Kundenperspektive: Die Perspektive der Kunden basiert auf schriftlichen Befra-gungsdaten von 56 CIOs (= Chief Information Officers) in der Schweiz. Die Stich-probe repräsentiert einen Ausschnitt der allgemeinen Stichprobe für die oben skiz-zierte quantitative und qualitative Untersuchung. Nach Durchführung der Interviews für die Hauptuntersuchung wurden im Juni 2009 erneut 94 schweizerische CIOs in Bezug auf eine vertiefte Untersuchung des Faktors Reputation angesprochen. Von den 94 adressierten CIOs erklärten sich 56 Executives bereit, an der weiteren Unter-suchung teilzunehmen (= 59.6 %). Die Kundenstichprobe repräsentiert daher einen branchenübergreifenden Ausschnitt von schweizerischen Kundenunternehmen mit jeweils mehr als 1.000 Mitarbeiter/innen.

Anbieterperspektive: Ein Teilaspekt der Kundenbefragung bezog sich auf die Evalua-tion eines reputationsstarken Anbieters. Auf Basis der Kundenperspektive wurde die IBM Schweiz AG als möglicher Fallstudienpartner identifiziert und zur Teilnahme an der Untersuchung eingeladen. Die IBM ist gemessen am Umsatz das weltgrößte IT-Unternehmen. Im Geschäftsjahr 2008 erwirtschafteten die weltweit über 400.000 Mitarbeiter/innen von IBM einen Umsatz von ca. 103.6 Mrd. Dollar. Die IBM Schweiz AG mit Sitz in Zürich beschäftigte in 2008 ca. 3.500 Mitarbeiter.

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4.4.1. Spezifikation der Fallstudie

Die vorliegende Fallstudie untersucht die Reputation und das Reputationsmanage-ment der IBM Schweiz AG. Dabei stehen auch die Auswirkungen von Reputation auf Aspekte wie Vertrauen, Kooperation und Loyalität zur Diskussion. Aus theoretischer Sicht reflektiert die organisationale Reputation den Ruf eines Unternehmens inner-halb eines spezifischen Netzwerks (beispielsweise innerhalb einer Branche oder eines Marktes) (Weiss et al. 1999, 75). Reputation ist daher als öffentliche Wahr-nehmung dritter Parteien zu bezeichnen bzw. als “second-hand rumor that one has positive general traits“ (McKnight/Chervany 2001, 7).

Picot et al. (2003, 126) drücken dies wie folgt aus:

“Reputation ist gewissermaßen die öffentliche Information über die bis-herige Vertrauenswürdigkeit eines Akteurs. Sie spielt z.B. bei Koopera-tionen eine große Rolle, wenn keine nachprüfbaren Informationen über die Leistungsfähigkeit potentieller Partner vorliegen.“

Allgemein kann die Genese von Reputation als Ergebnis von Kommunikations-prozessen aufgefasst werden (Einwiller 2003, 125). Dabei spielt die Kommunikation (beispielsweise die Kommunikation von Kunde zu Kunde) über gemachte Erfahrun-gen eine wesentliche Rolle. Derartige Erfahrungen können sich beispielsweise auf Produkte und Dienstleistungen eines Anbieters, die allgemeine Marketingkommuni-kation oder auf das Verhalten der Repräsentanten einer Organisation in Interaktions-prozessen beziehen (Tomczak et al. 2009, 6). Reputationsmanagement kann daher als gezielte Planung und Umsetzung von Kommunikationsprozessen mit der Zielset-zung einer Optimierung der eigenen Reputation definiert werden (Weiss et al. 1999, 75).

Die vorliegende Fallstudie adressiert die Reputation und das Reputationsmanage-ment der IBM Schweiz AG. Da für den Kontext dieser Untersuchung v.a. Kundenbe-ziehungen relevant sind, soll das Konstrukt Reputation zunächst aus Kundensicht erfasst werden. Darüber hinaus sind die spezifischen Ursachen und Folgewirkungen der skizzierten Reputation aus Perspektive der Kunden relevant. Die Analyse auf Basis der empirischen Kundendaten ist nachfolgend durch eine qualitative Unter-suchung auf Anbieterebene zu ergänzen. Dafür sind spezifische qualitative Inter-views mit Repräsentanten der IBM zu führen, die Reputation und das Reputations-management der IBM aus Anbietersicht erfassen. Insgesamt sind daher die folgen-den Untersuchungsziele für die Fallstudie relevant:

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Evaluation der Reputation der IBM Schweiz

Identifikation und Evaluation der Eigenschaften der IBM in Bezug auf die Förderung der eigenen Reputation

Identifikation und Evaluation von Strategien der IBM in Bezug auf die Förderung der eigenen Reputation

Differenzierung der Auswirkungen der Reputation der IBM Schweiz auf die Faktoren Vertrauen, Kooperation und Loyalität

Bei der Zielformulierung ist somit zwischen Eigenschaften und Strategien der IBM zu unterscheiden. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass Reputation als soziale Wahrnehmung zum einen auf Eigenschaften (z.B. amerikanisches Unter-nehmen, Unternehmensgröße), als auch auf spezifischen Strategien basiert. Die fokalen Konstrukte für die Umsetzung der Fallstudie können damit aus den Unter-suchungszielen abgeleitet werden. Grundsätzlich sind dafür die Themenbereiche 1) Reputation, 2) Eigenschaften, 3) Strategien, 4) Kundenvertrauen, 5) Kooperation und 6) Loyalität relevant. Im Sinne einer stringenten Umsetzung der Fallstudie sind die relevanten Konstrukte in Tabelle 23 visualisiert.

4.4.2. Methodischer Ansatz

Bei der Umsetzung der Fallstudie zeigen sich in Bezug auf die Evaluation der Anbie-ter- und Kundenperspektive methodische Unterschiede. Hinsichtlich der Evaluation der Kundenperspektive erhielten 94 CIOs aus der initialen Stichprobe in der Schweiz eine Einladung zur Teilnahme an einer ergänzenden schriftlichen Befragung. 56 CIOs (= 59.6 %) haben schließlich einer Teilnahme zugestimmt. Diesen wurde der in Abb.31 dargestellte Fragebogen per eMail zugesandt. Alle 56 Kunden haben den ausgefüllten Fragebogen per eMail beantwortet und zur Auswertung übermittelt. Die Fragen zur Anbieterrangfolge im ersten Abschnitt des Fragebogens dienten zur Auswahl eines Anbieters mit hoher Reputationsstärke. Dabei wurden die sieben (bezogen auf den Umsatz) größten IT-Anbieter der Schweiz per Auswahl vorge-geben. Mit der Auswahl eines reputationsstarken Anbieters durch die Kunden konnte in der Kundengruppe ein gemeinsamer Bezugspunkt generiert werden. Für die Um-setzung der Fallstudie ist darüber hinaus die Auswahl eines Anbieters mit relativ starker Reputation und signifikanter Marktbedeutung wesentlich.

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Konstrukt Definition

Reputation Ausprägung und Qualität der öffentlichen Wahrnehmung (bzw. spezifisch der Kundenwahrnehmung) in Bezug auf die IBM Schweiz

Eigenschaften der IBM

Einflussfaktoren und Bedingungen für die Entwicklung der spezifischen Reputation der IBM Schweiz (aus Kundensicht)

Strategien der IBM

Summe der Strategien und Maßnahmen der IBM Schweiz zur Förderung der eigenen Reputation (aus Anbietersicht)

Kundenvertrauen Vertrauen der Kunden in die IBM Schweiz bzw. Bereitschaft der Kunden, ein Risiko einzugehen und sich verletzbar zu machen, basierend auf positiven Erwartungen in Bezug auf die IBM Schweiz als Anbieter.

Kooperation Qualität der koordinierten und komplementären Aktivitäten zwischen den Kunden und der IBM Schweiz mit Hinblick auf die Realisierung gemeinsamer Ziele.

Kundenloyalität Einstellung und Verhalten von Kunden in Bezug auf die Erhaltung und Fortführung einer Kooperation mit der IBM Schweiz.

Tab.23: Konstrukte und Definitionen der Fallstudie IBM

Nur bei Evaluation einer relativ positiven, ausgeprägten und wahrnehmbaren Repu-tation lassen sich aus Kundensicht Aussagen über das Reputationsmanagement eines Anbieters ableiten. Von den 56 befragten CIOs haben schließlich 32 Kunden die IBM Schweiz an den ersten Rang gesetzt. Darüber hinaus befindet sich die IBM Schweiz bei 12 befragten CIOs unter den drei reputationsstärksten Anbietern. Daher wurden die Daten der 32 CIOs mit der Auswahl IBM Schweiz im ersten Rang für die weitere Untersuchung herangezogen. Die qualitative Angaben dieser 32 Kunden aus dem zweiten Abschnitt des Fragebogens bilden schließlich die Datengrundlage für eine qualitative Inhaltsanalyse mit MAX QDA (Kuckartz et al. 2008). In Bezug auf die Auswahl der IBM Schweiz ist zu betonen, dass das methodische Vorgehen keine Rückschlüsse auf eine absolut stärkere Reputation der IBM im Vergleich zu den an-deren genannten IT-Unternehmen zulässt. Der methodische Ansatz bezweckt aus-schließlich die Erzeugung eines gemeinsamen Bezugspunkts in der Kundengruppe sowie die Identifikation eines Anbieters mit relativ hoher Reputation. Auf der Grund-lage der Kundenauswahl wurde die IBM Schweiz schließlich zur Teilnahme an der Untersuchung eingeladen.

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Abb.31: Fallstudie IBM, Fragebogen für Kunden

Die Datenerhebung bei der IBM basierte v.a. auf qualitativen Interviews und einer Analyse fallstudienrelevanter Dokumente. Im Rahmen der qualitativen Befragung konnte die Perspektive der IBM durch sieben telefonische Interviews evaluiert werden (siehe Anhang D). Die qualitative Datenanalyse beruht auf den skizzierten Grundlagen, d.h. die Interviews wurden telefonisch geführt, digital aufgezeichnet und transkribiert. Die Auswertung der Transkripte erfolgt unter Anwendung von MAX QDA (Kuckartz et al. 2008). Für die Durchführung der Interviews wurde ein halb-strukturierter Fragebogen entwickelt und den Interviewpartnern vorab zur Verfügung gestellt (siehe Abb.32).

Welche der genannten Anbieter verfügen aus Ihrer Sichtüber die beste Reputation?

Bitte geben Sie Ihre Rangfolge in der Abstufung 1, 2 und 3 an(1=beste Reputation, 2=zweitbeste Reputation, 3=drittbeste Reputation).

Cisco Schweiz

T-Systems Schweiz

SAP Schweiz

Oracle Schweiz

Microsoft Schweiz

IBM Schweiz

Hewlett-Packard Schweiz

Bezogen auf den Anbieter mit der aus Ihrer Sicht besten Reputation (= Rang 1):

Wie würden Sie die Reputation dieses Anbieters beschreiben?

Welche Eigenschaften dieses Anbieters haben einen Einfluss auf die Reputation?

Gibt es aus Ihrer Sicht Strategien, durch die dieser Anbieter seine Reputation aktiv beeinflusst? Falls ja, welche?

Wie wirkt sich die Reputation dieses Anbietersauf die Beziehung zu Ihnen aus?

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Abb.32: Fallstudie IBM, Fragebogen für die IBM Schweiz

4.4.3. Ergebnisse aus Kundensicht

Die Ergebnisse der qualitativen Evaluation der Kundengruppe (n=32) sind in Abb.33 dargestellt. Dabei orientiert sich die Kategorienbildung der qualitativen Datenanalyse an den Leitfragen des Kurzfragebogens (Flick 2007, 386; Mayring 2008, 43). Folglich lassen sich Subkategorien zu den Fragestellungen 1) Reputation der IBM, 2) Eigen-schaften der IBM, 3) Strategien zur Förderung der Reputation und 4) Auswirkungen der Reputation auf die Geschäftsbeziehung bilden.

Reputation der IBM. Bei der Einschätzung der Reputation der IBM Schweiz weisen die meisten der befragten CIOs auf die marktführende Position des Unternehmens hin (= 30 Codings). Danach ist die IBM eine Firma mit langer Tradition und erfolg-reicher Marktpositionierung, die besonders für größere Kundenunternehmen eine hohe Bedeutung hat. Darüber hinaus attestieren die meisten der befragten CIOs der IBM eine ausgeprägte Kundenorientierung (= 26 Codings). Aus Sicht der Kunden sind die Repräsentanten der IBM an den Herausforderungen der Kunden interessiert. Bei gemeinsamen Kontakten ist der Ansatz spürbar, nach optimalen Lösungen für das Kundenproblem zu suchen. Anfragen der Kunden werden entsprechend ernst genommen und in angemessener Zeit beantwortet. Schließlich haben die beteiligten CIOs auch ein positives Bild hinsichtlich der Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit von IBM Repräsentanten (= 25 Codings). Dabei werden gemachte Zusagen in der Regel ein-gehalten bzw. keine Versprechungen abgegeben und später wieder zurückgezogen.

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Abb.33: Fallstudie IBM, Qualitative Untersuchung Kundengruppe (n=32)

Allgemein bezeichnen die Kunden die Reputation der IBM als professionell, senior, erfahren und konservativ (= 23 Codings). Im Gegensatz zu vielen anderen IT-Unternehmen gilt der Anbieter als routiniert und etwas statisch. Daher kritisieren viele der befragten Kunden die Dynamik des Unternehmens, schätzen jedoch die Qualität der umgesetzten Lösungen (= 19 Codings).

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Die Qualität liegt aus Kundensicht deutlich über dem Marktstandard. Dies gilt jedoch auch für die von der IBM angesetzten Preise (= 14 Codings). Daher hat die IBM eher die Reputation eines konservativen Premium-Anbieters mit qualitativ guten Lösungen und hohen Preisen.

Die IBM wird darüber hinaus als innovationsstarkes Unternehmen, jedoch nicht im-mer als Innovationsführer, wahrgenommen (= 12 Codings). Aus Kundensicht ist es gelegentlich sogar schwierig, mit den Repräsentanten des Unternehmens zu neuen Themen ins Gespräch zu kommen. Darüber hinaus gestaltet sich der Entwicklungs-prozess bei neuen und individuellen Lösungen aus Kundensicht statisch und büro-kratisch (= 9 Codings). Die beteiligten Kunden merken an, dass Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse bei der IBM häufig viel Zeit oder mehr Zeit als bei Wett-bewerbern benötigen. Gelegentlich hat man sich daher auch für eine Zusammen-arbeit mit anderen Anbietern entschieden, obwohl im Grundsatz die Stabilität und Sicherheit von IBM Lösungen geschätzt wird.

Eigenschaften der IBM. Bei den Eigenschaften der IBM haben die beteiligten CIOs die Einflussfaktoren auf die Reputation des Anbieters aus Kundensicht bewertet. Dabei sind zunächst die hohen Marktanteile der IBM aufzuführen (= 28 Codings). Auf Basis der Marktführerschaft der IBM in vielen Produktbereichen sind die meisten Kunden zu Interaktionen mit der IBM gezwungen. Daher bestehen für den Anbieter ausreichend Chancen zur Verbesserung der eigenen Reputation. Allgemein sehen die Kunden auch in der Unternehmensgröße der IBM eine reputationsfördernde Eigenschaft (= 27 Codings). Aufgrund der Unternehmensgröße verfügt die IBM über ausreichende Ressourcen. Diese können für Innovationen und zur produktiven Weiterentwicklung des eigenen Unternehmens eingesetzt werden. Darüber hinaus bestehen auf Kundenseite keine Zweifel hinsichtlich der Stabilität und Bonität des Unternehmens. Die Kunden können sich insofern darauf verlassen, dass auch eine langfristige Zusammenarbeit inklusive Unterstützung bei der Optimierung der imple-mentierten Leistungen möglich ist.

Schließlich ist als wesentliche reputationswirksame Eigenschaft das breite Leis-tungsportfolio der IBM zu nennen (= 24 Codings). Aus Sicht der Kunden ist die IBM als einer von wenigen Anbietern in der Lage, die Herausforderungen der Kunden über die gesamte Wertschöpfungskette zu unterstützen. Dabei sind die Leistungs-elemente der IBM in den Bereichen Hardware, Software und Dienstleistungen in den meisten Fällen marktführend und von einer hohen Qualität. Die befragten CIOs sehen daher nur in Einzelfällen Schwächen im Leistungsportfolio.

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Außerdem ist die IBM besonders für große und international agierende Kunden wegen der globalen Lieferfähigkeit und Standardisierung von Prozessen interessant (= 16 Codings). Dieser Faktor fördert die Reputation aus Sicht der beteiligten Kunden im Sinne einer globalen Verfügbarkeit und Stabilität potentieller IT-Lösungen. Als negative Eigenschaften werden von Kundenseite die amerikanische Ausrichtung (= 15 Codings) und die ausgeprägte Hierarchie (= 11 Codings) des Unternehmens bemängelt. Dabei steht die amerikanische Unternehmenskultur häufig in Konflikt zu anderen Kulturen, z.B. hinsichtlich der überzogenen Darstellung der eigenen Stärke oder der (besonders zum Quartalsende spürbaren) Fokussierung auf Quartals-zahlen, Umsatz und Gewinn.

Strategien zur Förderung der Reputation. In Bezug auf aktive Strategien zur Förde-rung der eigenen Reputation nehmen die beteiligten Kunden v.a. die Fokussierung auf ausgereifte Lösungen als strategischen Ansatz wahr (= 31 Codings). Danach orientiert sich die Leistungsstrategie der IBM aus Kundensicht stark an Kriterien wie Qualität, Reife und Standardisierung. Entsprechend sehen die Kunden eine IBM weniger als Partner für hochindividuelle Kundenlösungen oder innovative Experimen-te. Aus strategischer Sicht identifizieren die beteiligten CIOs bei der IBM darüber hinaus eine klar definierte Strategie und Konzentration auf bestimmte Leistungs-systeme. Nicht strategiekonforme Geschäftsfelder werden abgestoßen (z.B. die PC-Sparte an Lenovo), im Kerngeschäft verfolgt die IBM dagegen eine Marktführerstra-tegie (= 29 Codings). Durch die Signalisierung einer intendierten oder manifesten Marktführerschaft verfolgt die IBM indirekt auch eine Strategie der Reputations-förderung im Kerngeschäft. Schließlich sehen die befragten CIOs eine wesentliche Strategie der IBM in der Fokussierung auf die Qualität der operativen Zusammen-arbeit. Dies schlägt sich beispielsweise in professionellen Prozessen des Reklama-tions- und Eskalationsmanagements nieder (= 26 Codings). Offensichtlich ist die IBM in der Lage, bei Reklamationen der Kunden oder Problemen in der Projektdurch-führung schnell und adäquat zu reagieren. Entsprechend werden die Ursachen für potentielle Leistungsdiskrepanzen umfassend analysiert und gemeinsam mit dem Kunden reflektiert. Aus Kundensicht ist die IBM daher stark bestrebt, die eigenen Leistungen auch produktiv für den Kunden umzusetzen. Die Reputation der IBM ist schließlich aus Sicht der befragten CIOs auch ein Resultat von Expertise und Ver-halten der IBM Mitarbeiter/innen (= 23 Codings). Danach färbt die Kultur des Unter-nehmens stark auf das Verhalten der einzelnen Mitarbeiter/innen ab. Aus Kunden-sicht verfügen die Repräsentanten der IBM in der Regel über ein ausgeprägtes IT know-how. Darüber hinaus ist ein methodisches Vorgehen und eine ausgeprägte Kunden- sowie Verkaufsorientierung im Mitarbeiterverhalten spürbar.

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Die IBM versteht es dabei aus Kundensicht sehr gut, das Verhalten einzelner Mit-arbeiter auf eine gemeinsame Linie auszurichten. Dies ist auch bei der Fokussierung auf Mehrwerte im Verhalten des Unternehmens und seiner Repräsentanten spürbar (= 19 Codings). Das Verhalten der IBM ist insofern nicht auf die eigenen Produkte und Dienstleistungen, sondern v.a. auf die damit verbundene Erzeugung von Mehr-werten auf Kundenseite ausgerichtet.

Schließlich sehen die befragten Kunden in der ausgeprägten Prozessorientierung der IBM einen bewussten Strategieansatz zur Förderung der eigenen Reputation (= 12 Codings). Dies bezieht sich auf eine starke Orientierung des eigenen Verhaltens an dediziert vorgegebenen Methoden und Prozessen. Der Aufritt der IBM wirkt in dieser Hinsicht erprobt, strukturiert und professionell, in negativer Hinsicht jedoch auch bürokratisch und kompliziert. Aus Sicht der Kunden geht die IBM daher bevorzugt einen sicheren und erprobten Weg. Eine zu starke Autonomie und Kreativität in Ein-zelprozessen entsprechen bewusst nicht der Kultur der Firma.

Auswirkungen der Reputation auf die Geschäftsbeziehung. Bei den Auswirkungen der Reputation auf die Gestaltung von Geschäftsbeziehungen lassen sich deutliche Effekte auf Faktoren wie Vertrauen, Loyalität und Kooperation evaluieren. Den stärksten Effekt entfaltet die Reputation auf das Vertrauen der Kunden. Ent-sprechend bezeichnen die meisten der befragten CIOs die IBM als vertrauenswürdig (= 30 Codings). Dies lässt sich deutlich auf zugewiesene Merkmale wie Seriosität, Ehrlichkeit, Professionalität und Kundenorientierung zurückführen. Die Kunden ver-trauen entsprechend in die Aussagen und Zusagen der IBM. Darüber hinaus ist ein starker Effekt auf die Loyalität der Kunden zu verzeichnen (= 26 Codings). Die meis-ten der befragten Kunden unterhalten eine aktive Geschäftsbeziehung bzw. beab-sichtigen die Umsetzung von weiteren Projekten mit der IBM.

Die Reputation der IBM wirkt sich darüber hinaus aus Sicht der befragten Kunden in einer sehr guten Kooperationsqualität aus (= 22 Codings). Da die Vertrauenswürdig-keit bereits aus der Reputation des Unternehmens erwächst, sind weniger Vorbe-halte vorhanden. Insofern kann bereist ex ante auf gewisse Kontrollmechanismen verzichtet werden. Die IBM ist für den Kunden insofern leichter zu berechnen. Nega-tive Überraschungen, z.B. in Form von deutlichen Leistungsabweichungen, sind eher selten und werden in der Regel durch ein gutes Eskalationsmanagement beseitigt. Daher empfinden die befragten CIOs die Zusammenarbeit mit der IBM leichter und einfacher als mit anderen Anbietern.

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Schließlich schlägt sich die Reputation der IBM in häufigen Einladungen zu Aus-schreibungsverfahren und einem intensiven informellen Informationsaustausch nieder (= 20 Codings). Die Meinung der IBM ist bei den Kunden gefragt. Für die IBM ist es folglich im Vergleich zu den Wettbewerbern einfacher, Kundentermine zu er-halten, Informationen austauschen sowie allgemein eine hohe Interaktionsintensität mit Kunden zu etablieren. Auf Grund der dargestellten Reputation identifizieren die Kunden die IBM im Wesentlichen als Ansprechpartner für Lösungsgeschäfte (= 17 Codings). Bei der Beschaffung von Commodities gilt die IBM hingegen als zu teuer.

4.4.4. Ergebnisse aus Anbietersicht

Nach der Kundenbefragung wurde eine qualitative Untersuchung mit sieben Reprä-sentanten der IBM durchgeführt. Die Ergebnisse der qualitativen Interviews sind in Abb.34 dargestellt. Die Kategorienbildung orientiert sich jeweils erneut an den Leit-fragen des Kurzfragebogens (Flick 2007, 386; Mayring 2008, 43). Daher lassen sich die Subkategorien 1) Reputation der IBM, 2) Eigenschaften der IBM, 3) Strategien zur Förderung der Reputation und 4) Auswirkungen der Reputation auf die Ge-schäftsbeziehung bilden.

Reputation der IBM. Bei der Evaluation der Reputation der IBM geht es um eine Selbsteinschätzung der Interviewteilnehmer in Bezug auf die Kundensichtweise. Daher steht im Wesentlichen die subjektive unterstellte Reputation bei den Kunden im Fokus. Die befragten Repräsentanten sehen in dieser Hinsicht in der hohen Quali-tät der eigenen Lösungen einen relevanten Reputationsaspekt (= 7 Codings). IBM setzt diesbezüglich auf eine Differenzierung durch Innovation. Insofern enthalten die eigenen Lösungen immer Leistungsbestandteile, die in der relevanten Kategorie marktführend sind. Darüber hinaus legt IBM aus Sicht der Interviewteilnehmer starken Wert auf erprobte Ansätze. Die zugesagte Qualität der Lösung sowie die da-rin enthaltenen Zusagen lassen sich daher in den meisten Fällen auch einhalten. In dieser Hinsicht gehen die Repräsentanten von IBM davon aus, dass sich Aspekte wie Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit auch in der Reputation aus Kundensicht reflektie-ren (= 7 Codings). Im Gegensatz dazu sehen die Interviewteilnehmer in der Höhe des Preisniveaus der IBM einen negativen Reputationsbestandteil (= 6 Codings). Eine Zusammenarbeit mit der IBM betrachten viele Kunden als Luxus. Darüber hinaus kann die starke Prozessorientierung der Firma auch als Bürokratismus wahr-genommen werden (= 5 Codings). In diesen Aspekten zeigen sich negative Gegen-effekte der eigenen Fokussierung auf Verlässlichkeit und Lösungsqualität.

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Abb.34: Fallstudie IBM, Qualitative Untersuchung Anbietergruppe (n=7)

Aus Sicht der Interviewteilnehmer ist die eigene Reputation am Markt durch Profes-sionalität und Seriosität geprägt (= 5 Codings). IBM ist für die Verhältnisse der IT-Branche ein seniores und etabliertes Unternehmen. Insofern verfügt das Unterneh-men über langjährige Markterfahrungen, bewährte Prozesse und stark methodisch geprägte Vorgehensweisen. Dies erzeugt beim Kunden zum einen den Eindruck von Professionalität, gelegentlich aber auch die Wahrnehmung einer starken Bürokratie.

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Darüber hinaus sehen die befragten Anbieter für die IBM eine starke Reputation in den Themen Innovation und Innovationskraft (= 4 Codings). Auf Grund der sehr hohen globalen Investitionen in neue Innovationen und der lokalen Ansiedlung eines Forschungs- und Entwicklungszentrums in Rüschlikon ist die IBM für ihre Innova-tionen bekannt. Daher sollte sich dies auch in der Reputation bei den Kunden niederschlagen. Schließlich spielt für die Reputation der IBM die Position als Markt-führer in vielen Marktsegmenten eine erhebliche Rolle (= 3 Codings). Aus Sicht der befragten IBM-Executives ist dies jedoch nicht nur mit positiven Reputationseffekten verbunden. Teilweise wird die Zusammenarbeit mit einem Marktführer geschätzt. Einige Kunden empfinden jedoch die Zusammenarbeit mit einem dominanten und möglicherweise aus Ressourcensicht überlegenen Anbieter als riskant.

Eigenschaften der IBM. Bei der für die Reputation relevanten Eigenschaften der IBM identifizieren die befragten Executives zunächst das breite Leistungsportfolio des Unternehmens (= 7 Codings). Dabei kann IBM von der Umsetzung von Rechenzent-rums- und Großrechnerlösungen über die Verfügbarkeit von Softwareapplikationen in allen relevanten Sektoren bis hin zur Erbringung unterschiedlicher fach- und IT-spezifischer Dienstleistungen fast die gesamte Bandbreite informationstechnolo-gischer Lösungen aus einer Hand anbieten. Darüber hinaus sehen die Interview-teilnehmer eine relevante Eigenschaft in der kundenorientierten Unternehmenskultur (= 7 Codings). Bei IBM spielt der Ansatz der Kundenorientierung bereits seit Jahr-zehnten eine gewichtige Rolle. Die Fokussierung auf den Kunden ist in den Unter-nehmenswerten abgebildet und Gegenstand kontinuierlicher Aus- und Weiterbildung. Schließlich sind die global standardisierten Prozesse der IBM als wichtiges Kriterium zu nennen (= 5 Codings). Das Unternehmen legt in dieser Hinsicht sehr viel Wert auf dedizierte Methoden, Prozesse und Regeln. Schließlich sehen die Executives der IBM in der reinen Unternehmensgröße ein reputationsrelevantes Merkmal (= 5 Co-dings). Die Größe der IBM hat dabei wie bereits dargelegt positive und negative Auswirkungen. Zum Teil wird die Innovationskraft, wirtschaftliche Potenz und Mit-arbeiterstärke als vorteilhaft wahrgenommen. Teilweise empfinden die Kunden eine Zusammenarbeit mit einem so großen Anbieter jedoch auch als Risiko. Abschließend ist relevant, dass die IBM von vielen Kunden als amerikanisches Unternehmen gesehen wird (= 4 Codings). Die befragten IBM Repräsentanten nehmen in dieser Hinsicht in den letzten Jahren eine zunehmende Problemwahrnehmung bei den Kunden auf. Offensichtlich schlägt sich das gesellschaftliche Meinungsbild zur USA zum Teil auch in der Reputation amerikanischer Unternehmen nieder.

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Strategien zur Förderung der Reputation. Bei den Strategien zur Förderung der Reputation geht es um bewusst konzipierte und umgesetzte Ansätze und Program-me zur Förderung der eigenen Reputation im Markt. Dabei ist aus Sicht der befrag-ten IBM-Executives zunächst die Ausrichtung des Unternehmens auf ausgereifte Lösungen und hohe Lösungsqualität zu nennen (= 7 Codings). Bei IBM bestehen diesbezüglich enge Vorgaben und Regeln. Beispielsweise müssen Angebote vor Abgabe an den Kunden einen mehrstufigen Reviewprozess durchlaufen. Bei den Kernleistungen (Hardware, Software, Dienstleistungen) setzt das Unternehmen auf ausgereifte und marktführende Komponenten. Allgemein spielen Faktoren wie Sicherheit, Umsetzbarkeit und Machbarkeit bei der Interaktion zwischen Führungs-kräften und verantwortlichen Mitarbeiter/innen eine große Rolle. Auch die ausgepräg-ten Ansätze im Bereich Eskalations- und Reklamationsmanagement sind als Aus-druck einer hohen Konzentration auf qualitativ ausgereifte Kundenlösungen zu wer-ten.

Grundsätzlich kann die ausgeprägte Prozessorientierung der IBM als weitere reputa-tionsrelevante Strategie bezeichnet werden (= 7 Codings). Dabei sind die relevanten Kernprozesse zur Erbringung von Leistungen standardisiert und strukturiert. Dies gilt sogar für die Umsetzung von spontan erforderlichen Unternehmensreaktionen (= in-cident management). Insofern ist bei IBM sogar der Ausnahmefall im Kontext eines globalen Prozesses beschrieben.

Darüber hinaus sehen die befragten Interviewteilnehmer eine reputationsrelevante Strategie in der Umsetzung konzernweiter Kommunikationskampagnen (= 6 Co-dings). Dabei definiert die IBM global ein zentrales Kommunikationsthema und setzt dieses in vielfältigen lokalen Initiativen um. Während das Unternehmen in den 1990 Jahren durch den Slogan “on demand“ eine ausgeprägte Fokussierung auf Kunden-lösungen adressierte, liegt der Schwerpunkt in den letzten Jahren auf Corporate Social Responsibility (CSR) Kampagnen unter dem Motto “smarter planet“. Ent-sprechend werden alleine in der Schweiz pro Jahr zwischen 50 und 100 CSR-Maßnahmen umgesetzt und medial verarbeitet.

Eine weitere reputationsrelevante Strategie der IBM liegt schließlich in der syste-matischen Fokussierung auf die Expertise und das Verhalten der eigenen Mitarbei-ter/innen (= 5 Codings). Aus Sicht der IBM entsteht und verändert sich die Reputa-tion des Unternehmens v.a. im direkten Kontakt zwischen den Kunden und den eige-nen Repräsentanten. Daher hat IBM bereits seit Jahren ein umfangreiches Konzept für die Personalauswahl (Recruiting), Einarbeitung (New Hires) und Personalent-wicklung (Development) umgesetzt.

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Außerdem ist im Sinne einer reputationsfördernden Strategie die Verankerung von Kundenorientierung und Vertrauen in den Unternehmenswerten relevant (= 4 Co-dings). Die Werte der IBM lauten in dieser Reihenfolge: (1) Engagement für den Er-folg jedes Kunden, (2) Innovationen, die etwas bedeuten – für unser Unternehmen und für die Welt sowie (3) Vertrauen und persönliche Verantwortung in allen Bezie-hungen. Die Formulierung dieser drei Kernwerte ist seit mittlerweile über 10 Jahren konstant geblieben. Darüber hinaus werden die Kernwerte in Einzelprozessen sys-tematisch kommuniziert und operationalisiert. Aus Sicht der IBM-Executives sind die-se Werte daher nicht nur ein Slogan, sondern gelebte Realität.

Schließlich kann auch die Zielsetzung einer Marktführerschaft in allen relevanten Leistungssegmenten als Ausdruck einer reputationsfördernden Strategie betrachtet werden (= 4 Codings). Die IBM setzt in dieser Hinsicht auf etablierte, marktführende und umfangreich erprobte Produkte und Dienstleistungen.

Auswirkungen der Reputation auf die Geschäftsbeziehung. Bei den Auswirkungen der eigenen Reputation auf die Geschäftsbeziehung mit Kunden sehen die befragten Interviewteilnehmer von IBM zunächst einen positiven Effekt auf das Kundenver-trauen(= 7 Codings). Kunden vertrauen in dieser Hinsicht auf die Aussagen, Zusagen und Leistungen der IBM. Entsprechend ist bei vielen Kunden eine frühe Integration der IBM in eigene Überlegungen und Prozesse obligatorisch (= 7 Codings). Die Mitarbei-ter/innen der IBM sind in dieser Hinsicht in der Lage, relativ früh im Entwicklungspro-zess der Kunden Einfluss auf relevante Entscheidungen zu nehmen. Bei etablierten IBM Kunden führt die Reputation aus Perspektive der befragten Executives darüber hinaus zu einer hohen Kundenloyalität (= 6 Codings). Einmal etablierte Beziehungen zur IBM werden in der Regel relativ selten wieder beendet.

Die IBM wird darüber hinaus von vielen Kunden als Benchmark genutzt (= 5 Co-dings). Selbst wenn keine Zusammenarbeit mit der IBM etabliert ist, so gilt die Mei-nung des Unternehmens doch als Benchmark für andere Anbieter. Darüber hinaus hat IBM inzwischen mit einer Vielzahl von Unternehmen Referenz- und Ent-wicklungspartnerschaften umgesetzt (= 4 Codings). Die IBM gilt daher als wichtiger Partner für die Umsetzung IT-basierter Entwicklungsprozesse. Dies gilt nicht nur für die Kunden, sondern in spezifischen Bereichen auch für die Wettbewerber und Part-ner. Schließlich lassen sich auch einige Vorbehalte aus der Reputation der IBM ab-leiten. Diese beziehen sich wie bereits dargestellt auf eine teilweise aus Kundensicht zu hohe Anbieterdominanz (= 4 Codings) sowie auf die amerikanischen Wurzeln des Unternehmens (= 3 Codings).

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4.4.5. Interpretation

Im Kontext einer Interpretation der Fallstudie zu Reputation der IBM lassen sich eini-ge wesentliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Anbieter- und Kundenperspektive ausmachen. Grundsätzlich basiert das Reputationsmanagement der IBM auf drei Bausteinen.

Zunächst ist dabei die hohe Leistungsqualität und Marktführerschaft in vielen Teil-bereichen zu nennen. IBM setzt dabei nicht immer auf die neuesten Innovationen, sondern eher auf erprobte und verlässliche Konzepte. Insofern ist die Reputation der IBM durch Attribute wie Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Seriosität gekennzeichnet. Die Qualitäts- und Marktführerschaft der IBM kann dabei aus Anbieter- und Kunden-sicht bestätigt werden. Dies gilt jedoch nicht für die Ansprüche der IBM in Bezug auf Innovationen. Die Eigenschaft einer hohen Innovationskraft spielt im Wahr-nehmungsspektrum der Kunden eine eher untergeordnete Rolle.

Der zweite wesentliche Baustein der IBM Reputation besteht in der Fokussierung auf operative Transaktionen mit Kunden. Die IBM verfügt in dieser Hinsicht über einen Mix aus standardisierten Prozessen, Verankerung einer starken Kundenorientierung in den Unternehmenswerten und einer Fokussierung auf das Verhalten und die Ex-pertise der einzelnen Mitarbeiter/innen. Insgesamt soll aus dieser Kombination das Vertrauen der Kunden in einzelnen Transaktionen gefördert werden. Dabei führt der Ansatz offensichtlich zu den gewünschten Reputationseffekten. Prozessorientierung, Expertise und Kundenorientierung werden auch aus Kundensicht als wesentliche Reputationsmerkmale und -strategien der IBM erkannt.

Schließlich setzt die IBM auf global gesetzte und lokal operationalisierte Kommunika-tionskampagnen. In dieser Hinsicht spielt aktuell v.a. die Rolle der IBM im Sinne einer CSR eine wesentliche Rolle. Dabei zeigt die vorliegende Fallstudie jedoch, dass derartige Ansätze für die Reputationswahrnehmung der Kunden kaum relevant sind.

Die Reputation der IBM basiert daher weniger auf breit angelegten Kommunikations-kampagnen, sondern vielmehr auf kontinuierlichen Leistungen des Unternehmens und der Steuerung operativer Kundeninteraktionen. In diesem Sinne entsteht die Re-putation im Anwendungsfall eher aus Effekten eines Behavioral Branding (Tomczak et al. 2009). Darüber hinaus spielt die Kontinuität der IBM eine wesentliche Rolle für den Aufbau von Reputation (Belz 2006b, 89). Die Konstanz des Unternehmens über mehrere Jahrzehnte und seine Verlässlichkeit stellen eine wesentliche Ursache für die Ausbildung kollektiver Kundenwahrnehmungen dar (Belz 2005, 9).

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4.5. Zwischenfazit: Vertiefende Analyse

Die vertiefende Analyse fokussiert v.a. auf die Darstellung von Einzelfallbeispielen und die daraus abgeleitete Entwicklung von Konzepten zur Umsetzung organisa-tionaler Beziehungsstrategien. In diesem Sinne können für die vier skizzierten Ansät-ze die folgenden Erkenntnisse festgehalten werden.

Kundenintegration. Die Fallstudie zur Kooperation von Cirquent und BMW ver-deutlicht, dass sich durch eine gegenseitige Integration in Geschäftsprozesse we-sentliche Effekte auf Vertrauen sowie allgemein auf die Qualität der Zusammenarbeit entfalten. Dabei ist aus Anbietersicht die Integration der richtigen Kunden zu den richtigen Themen wesentlich (Bonner/Walker 2004, 155). Eine kontinuierliche Inte-gration von Kunden ist punktuellen und spontanen Ansätzen vorzuziehen. Darüber hinaus ist es für den Integrationsprozess hilfreich, wenn sich der Integrationsgegen-stand möglichst eng an operativen Wertschöpfungsprozessen orientiert und ein gemeinsames Entwicklungsinteresse zwischen Anbieter und Kunde vorhanden ist. Schließlich zeigt die Fallstudie auch auf, dass Vertrauen nicht nur eine Auswirkung, sondern auch analog zu Rindfleisch und Moorman (2001, 2) eine Bedingung für Kundenintegration darstellt. Insofern ist ein gewisses Grundvertrauen für die Um-setzung entsprechender Beziehungsstrategien obligatorisch.

Preismodelle. Bei der Gestaltung von Preismodellen zeigt das Fallbeispiel über die Zusammenarbeit von Logica und Arcor die möglichen Vertrauensimplikationen aus wertorientierten Preisstrategien. Über die Orientierung von Anbieterpreisen an den Vorteilen auf Kundenseite lassen sich die Zielbilder beider Seiten harmonisieren (Belz et al. 2004, 219). Eine kritische Frage bei derartigen Modellen liegt in der Messung der Anbieterleistung und der damit verbundenen Auswirkungen auf den Kundenvorteil (Reinecke 1996, 272). In den meisten Fällen folgt aus dieser Messproblematik die Notwendigkeit einer gemeinsamen Entwicklung von Messmo-dellen zwischen Anbieter und Kunde. Dabei ist auch die Kooperationsbereitschaft auf Kundenseite gefragt. Im Einzelfall sind darüber hinaus auch die Leistungsbeiträge der Kunden selbst zu erfassen. Soweit derartige Modelle etabliert sind, bietet der An-satz jedoch erhebliche Möglichkeiten zur Erweiterung der Beziehungsqualität. Anbie-ter wie Logica erhalten durch wertorientierte Preismodelle eine Möglichkeit zur Repositionierung des eigenen Beziehungsstatus. Die Leistungen der Anbieter indu-zieren in diesem Sinne nicht nur Kosten, sondern einen Beitrag zur Wertschöpfung auf Kundenseite.

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Kundenlösungen. Aus der Fallstudie der Kooperation zwischen SQS und Sunrise lassen sich vielfältige Vorteile von Kundenlösungen für den Verkaufsprozess und für die Weiterentwicklung der Kundenbeziehung in der Projektumsetzung ableiten. Grundsätzlich steigert ein lösungsorientiertes Anbieterverhalten das Vertrauen der Kunden in die Realisierbarkeit der geplanten Kundenvorteile. Damit ist es möglich, in der Verkaufsphase ein Preispremium durchzusetzen. Soweit Kundenlösungen tat-sächlich zu den erwarteten Kundenvorteilen führen, ergeben sich daraus Möglich-keiten zur Erweiterung der Geschäftsgrundlage und der Umsetzung von Cross- und Up-Sell Strategien. Die Fallstudie bietet jedoch auch Einblicke in die anspruchsvollen Voraussetzungen von Kundenlösungen. Damit Anbieter überhaupt Kundenlösungen anbieten können, sind zunächst umfangreiche Vorbereitungen auf Seiten der eige-nen Leistungssysteme zu treffen (Belz 2006, 136). Dabei müssen die Leistungs-systeme die Herausforderungen der Kunden bei der Lösung geschäftlicher Heraus-forderungen reflektieren. Darüber hinaus sind auch entsprechende Kundensysteme zu implementieren, um die Kundenproblematik genau zu erfassen (Tuli et al. 2007, 13). Schließlich lassen sich Kundenlösungen nicht ohne eine aktive Mitarbeit von Kundenseite entwickeln und umsetzen (Belz 1998b, 23).

Reputation. Abschließend wurde der Faktor Reputation im Rahmen einer Fallstudie mit der IBM Schweiz untersucht. Dabei lässt sich erneut bestätigen, dass die Reputa-tion eines Anbieters aus Sicht beider beteiligter Parteien deutlich das Vertrauen der Kunden und die Qualität der gemeinsamen Zusammenarbeit beeinflusst. Bei der Umsetzung von Strategien des Reputationsmanagements lassen sich aus Anbieter-sicht drei Schwerpunkte in den Bereichen Leistungsqualität (erprobte Leistungen, Marktführerschaft, Premiumqualität), operative Interaktionen (Expertise der Mitarbei-ter/innen, Prozessorientierung, Unternehmenswerte) und Marktkommunikation (Imagekampagnen) unterscheiden. Aus Kundensicht speist sich die Reputation eines Anbieters jedoch v.a. aus der Interaktion mit Repräsentanten des Unternehmens sowie der Qualität der gelieferten Leistungen. Allgemeine Kommunikationskampag-nen werden dagegen kaum wahrgenommen. Darüber hinaus zeigt die Fallstudie, dass zur Erzeugung einer positiven Reputation eine gewisse Konstanz und Kontinui-tät auf Anbieterseite erforderlich ist (Belz 2006b, 89). Die eigene Reputation lässt sich daher schwer auf Basis kurzfristiger und punktueller Maßnahmen verändern.

Insgesamt bieten die vier skizzierten Fallstudien einen guten Überblick zur Um-setzung der im Rahmen des Forschungsmodells aus Teil 3 empirisch untersuchten Beziehungsstrategien. Darüber hinaus lassen sich einige wertvolle Indikationen zur vertieften Konzeptualisierung der einzelnen Strategien evaluieren.

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Teil 6: Bewertung

Bei einer Bewertung der vorliegenden Forschung sind unterschiedliche Aspekte rele-vant. So ist zu prüfen, in welcher Form die Untersuchungsergebnisse zu theoretisch relevanten Implikationen führen. In diesem Kontext sind v.a. die Beiträge zur Rela-tionship Marketing Forschung bzw. zur Vertiefung und Erweiterung entsprechender Erklärungszusammenhänge zu diskutieren. Wie im ersten Teil skizziert, erfolgt dies aus Perspektive eines angewandten Wissenschaftsverständnisses (Ulrich 1984, 23). Die Funktion der Forschung besteht danach in der Entwicklung von Beiträgen zur Lösung praxisrelevanter Fragestellungen (Dyllick/Tomczak 2007, 76). Insofern sind neben den theoretischen auch die praktischen Implikationen der Untersuchungs-ergebnisse wesentlich. Dabei geht es besonders um die Ableitung von Konzepten und Empfehlungen für die an der Umsetzung von Relationship Marketing Program-men interessierte Unternehmenspraxis. Darüber hinaus beinhaltet die Untersuchung einige Limitationen, die in Bezug auf die Evaluation und Gültigkeit der Forschung zu bewerten sind. Eine differenzierte Darlegung möglicher Schwerpunkte der weiteren Vertrauensforschung schließt die vorliegende Dissertation ab.

1. Theoretische Implikationen

Theoretische Implikationen beinhalten Beiträge zur Weiterentwicklung einer spezi-fischen Theorie. Auch in der Unternehmenspraxis besteht ein hohes Interesse an empirisch überprüften und intersubjektiv gültigen Theorien bzw. Erklärungszusam-menhängen (Raffée 1984, 17). Die theoretischen Implikationen der vorliegenden Arbeiten beziehen sich in erster Linie auf die Weiterentwicklung der Relationship Marketing Forschung. Dabei erschließen sich die Theoriebeiträge der dargestellten Untersuchung aus der Beantwortung der zu Beginn skizzierten Forschungsfragen, den erzeugten Untersuchungsergebnissen sowie der Reflexion der Ergebnisse auf den aktuellen Stand der Relationship Marketing Forschung. Die wesentlichen Unter-suchungsergebnisse und theoretischen Implikationen sind daher in Bezug zu den formulierten Forschungsfragen in Tabelle 24 zusammengefasst.

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Forschungsfrage Ergebnisse und theoretische Implikationen

(1) Wie kann Vertrauen als multidimensionales Konstrukt konzeptualisiert werden?

Das Vertrauen der Kunden in Personen und das Vertrauen der Kunden in die Anbieterorganisation sind als getrennte Konstrukte messbar. Zwischen beiden Vertrauensebenen besteht ein positiver Zusammenhang. Das Konstrukt Ver-trauen verfügt auf beiden Ebenen über teilweise verschiedene Bedingungen und Auswirkungen.

(2) Welche Bedingungen und Auswirkungen hat das Vertrauen der Kunden in einen Anbieter?

In Bezug auf die Vertrauensdynamik ist zwischen personalen und organisationalen Beziehungsstrategien zu differenzieren. Beide Strategietypen beeinflussen unterschiedliche Vertrau-enskonstrukte und führen teilweise zu unterschiedlichen Aus-wirkungen.

Expertise und Kommunikation haben als personale Bezie-hungsstrategien einen positiven Effekt auf das Vertrauen der Kunden in Einzelpersonen, jedoch keinen direkten Effekt auf das Vertrauen in die Anbieterorganisation. Die Effekte von Expertise sind aus Anbieter und Kundensicht etwas stärker zu bewerten als die Effekte von Kommunikation.

Opportunistische Verhaltensweisen haben als einziger Prä- diktor einen negativen Effekt auf beide Vertrauenskonstrukte.

Organisationale Beziehungsstrategien (d.h. die Integration von Kunden in die Entwicklung neuer Leistungen, wertorien-tierte Preismodelle, Kundenlösungen und Reputation) fördern das Vertrauen der Kunden in die Anbieterorganisation. Die vier untersuchten organisationalen Beziehungsstrategien entfalten aus Kundensicht in etwa gleich starke Effekte auf das Kundenvertrauen.

Aus der qualitativen Untersuchung lassen sich Hinweise auf eine unterschiedlich starke Bedeutung einzelner Beziehungs-strategien in unterschiedlichen Phasen einer Kundenbezie-hung ableiten. Expertise, Kommunikation und Reputation sind in einer frühen Phase der Beziehung besonders wichtig. Wertorientierte Preismodelle, Kundenlösung und Kunden-integration benötigen eine hohe Interaktion und damit ein gewisses Grundvertrauen in etablierten Beziehungen.

Tab.24-1: Forschungsfragen, Ergebnisse und theoretische Implikationen

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Forschungsfrage Ergebnisse und theoretische Implikationen

(2) Welche Bedingungen und Auswirkungen hat das Vertrauen der Kunden in einen Anbieter?

Vertrauen auf personaler und organisationaler Ebene hat einen positiven Effekt auf die Kooperationsqualität. Die Wirkung der untersuchten Beziehungsstrategien auf die Kooperationsqualität kann vollständig durch Vertrauenseffekte erklärt werden. Dabei wird die Qualität der Kooperation im Vergleich zu personengebundenen Vertrauensressourcen deutlich stärker durch das Vertrauen der Kunden in die An-bieterorganisation beeinflusst.

Die Kundenloyalität differenziert sich in die Loyalität gegen-über einzelnen Personen und der Loyalität in die Anbieter-organisation. Das Vertrauen der Kunden in Einzelpersonen führt zu einer Stärkung der personengebundenen Loyalität. Partielle Mediationseffekte sind auszuschließen. Die Loyalität der Kunden zu einzelnen Personen kann vollständig durch Vertrauenseffekte erklärt werden.

Das Vertrauen der Kunden in den Anbieter als Organisation führt zu einer Stärkung der organisationsgebundenen Loyali-tät. Die Loyalität der Kunden zur Anbieterorganisation kann nur partiell durch Vertrauenseffekte erklärt werden. Daher wird die Loyalität der Kunden zur Anbieterorganisation auch durch weitere Faktoren bestimmt (z.B. Reziprozität, Transaktions-kosten, etc.).

(3) Welche Bedingungen und Auswirkungen hat das Ver-trauen der Anbieter in einen Kunden?

Aus der qualitativen Untersuchung lassen sich Hypothesen zur Erklärung der anbieterseitigen Vertrauensdynamik ent-wickeln. Danach basiert das Vertrauen der Anbieter in den Kunden v.a. auf den Faktoren Offenheit und Integration sowie auf der Reduzierung opportunistischer Verhaltensweisen auf Kundenseite.

Vertrauen wirkt sich darüber hinaus auf die Bereitschaft der Anbieter zur Investition in eine Beziehung aus. Bei mangeln-dem Vertrauen reduzieren Anbieter die Aufwände für das Kundenmanagement und investieren weniger in die indivi-duelle Lösungsentwicklung. Dies führt zu einer Reduktion der für Kunden verfügbaren Ressourcen, Innovationen und Lösungen.

Tab.24-2: Forschungsfragen, Ergebnisse und theoretische Implikationen

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Forschungsfrage Ergebnisse und theoretische Implikationen

(4) Welche kunden-spezifischen Merkmale moderieren die Wirkung von Beziehungsstrategien auf das Vertrauen der Kunden?

Eine ausgeprägte Extraversion auf Kundenseite verstärkt zum Teil den Effekt von Beziehungsstrategien auf das Kundenvertrauen. Dies gilt für alle personalen Beziehungs-strategien, opportunistisches Verhalten, Kundenintegration und Kundenlösungen.

Eine langfristige Beziehungsorientierung des Kunden ver-stärkt den Effekt der meisten Beziehungsstrategien auf das Kundenvertrauen. Dies gilt für alle personalen Beziehungs-strategien, opportunistisches Verhalten, Kundenintegration, Kundenlösungen und Reputation.

Kunden tragen durch ihr Verhalten zum Vertrauensaufbau bei und induzieren spezifische Auswirkungen auf die gemeinsame Beziehungsqualität.

(5) Wie unterscheiden sich die Sichtweisen von Anbietern und Kunden in Bezug auf die Bedingungen und Auswirkungen von Ver-trauen?

Das theoretische Modell zu den Bedingungen und Auswirkun-gen von Vertrauen in Kundenbeziehungen ist aus Anbieter- und Kundensicht signifikant (= Vertrauen der Kunden in Per-sonen und Vertrauen der Kunden in die Anbieterorganisation als getrennte und positiv korrelierte Konstrukte, Differenzie-rung personaler und organisationaler Beziehungsstrategien, Loyalität und Kooperation als Auswirkungen von Vertrauen).

Die negativen Effekte opportunistischer Verhaltensweisen werden aus Sicht der opportunistisch agierenden Partei systematisch unterschätzt.

Anbieter fokussieren bei der Auswahl und Umsetzung von Beziehungsstrategien auf Expertise, Kommunikation, Reputation und Kundenlösungen. Die Effekte von Kunden-integration und wertorientierten Preismodellen werden systematisch unterschätzt.

Die Qualität der gemeinsamen Kooperation ist aus Anbieter-sicht überwiegend durch personales Vertrauen und aus Kun-densicht überwiegend durch organisationales Vertrauen de-terminiert.

Tab.24-3: Forschungsfragen, Ergebnisse und theoretische Implikationen

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Forschungsfrage Ergebnisse und theoretische Implikationen

(6) Wie können orga-nisationale Beziehungs-strategien in der Unter-nehmenspraxis umgesetzt werden?

Bei der Umsetzung der vier untersuchten organisationalen Beziehungsstrategien sind theoretische Unterschiede zu be-achten. Kundenintegration und Kundenlösungen verlangen eine hohe Interaktionsintensität und setzen bereits ein gewis-ses Maß an Vertrauen voraus. Reputation setzt keine direkte Anbieter-Kunden-Interaktion voraus, benötigt jedoch Konstanz und eine mittelfristigen Entwicklungsprozess. Wertorientierte Preissysteme sind kurzfristig umsetzbar, stellen jedoch eben-falls Anforderungen an die Qualität der bisherigen Beziehung.

Tab.24-4: Forschungsfragen, Ergebnisse und theoretische Implikationen

1.1. Vertrauen auf Konstruktebene

Aus theoretischer Sicht ist zunächst die Konzeptualisierung von Vertrauen als multi-dimensionales Konstrukt relevant. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass sich das Vertrauen der Kunden in Bezug auf einen Anbieter nicht als homogenes Konstrukt repräsentiert. Das Vertrauen in Einzelpersonen sowie das Vertrauen in die Anbieterorganisation sind als differenzierte Konstrukte messbar. Wie bereits in der Organisationsforschung konzeptualisiert, lassen sich damit zwei getrennte Aus-prägungen des Kundenvertrauens differenzieren (Curral/Inkpen 2006, 237; McEvi-ly/Zaheer 2006, 292). In Bezug auf die Beziehungen zwischen den fokalen Vertrau-enskonstrukten erlaubt die Spezifikation des Strukturgleichungsmodells keine statis-tisch signifikante Untersuchung.

Jedoch lässt sich aus der deskriptiven Statistik eine positive Korrelation zwischen beiden Vertrauenskonstrukten ableiten. Darüber hinaus kann die Hypothese einer positiven Wechselwirkung zwischen beiden Vertrauensebenen durch die Ergebnisse der qualitativen Untersuchung unterstützt werden. Die befragten Anbieter und Kun-den trennen deutlich zwischen beiden Vertrauen auf personaler und organisationaler Ebene. Aus Sicht beider Seiten sind darüber hinaus beide Vertrauensformen für den Erfolg einer unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit wesentlich.

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1.2. Vertrauen der Kunden: Bedingungen und Auswirkungen

Eine Differenzierung des Vertrauenskonstrukts ist für die Marketingtheorie fruchtbar, weil beide Vertrauensebenen durch unterschiedliche Bedingungen beeinflusst wer-den und zu differenzierten Vertrauenseffekten führen. Zunächst implizieren die Untersuchungsergebnisse in Bezug auf die theoretische Fundierung von Relations-hip Marketing Programmen eine Differenzierung zwischen personalen und organi-sationalen Beziehungsstrategien. Das Vertrauen der Kunden unterliegt auf multiplen Ebenen einer Beeinflussung durch unterschiedliche Bedingungen. Aus personaler Sicht basiert die Entwicklung von Vertrauen v.a. auf der Expertise und Kommunika-tionskompetenz von Einzelpersonen. Analog zu früheren Untersuchungen ist der Effekt von Expertise auf das Kundenvertrauen dabei stärker als der Effekt von Kom-munikation (Palmatier et al. 2006, 150). Dabei geht die Relationship Marketing For-schung jedoch allgemein von einer positiven Wirkung von Expertise und Kommuni-kation auf das Kundenvertrauen als Ganzes aus. Diese Annahme kann auf Basis der vorliegenden Forschungsergebnisse nicht unterstützt werden. Personale Bezie-hungsstrategien (z.B. Expertise und Kommunikation) entfalten zwar einen positiven Einfluss auf das personengebundene Kundenvertrauen, jedoch keinen direkten Effekt auf das Vertrauen in die Anbieterorganisation. Unternehmen profitieren nur indirekt von den Vertrauensbeziehungen ihrer Mitarbeiter/innen (durch die positive Korrelation zwischen den beiden Vertrauenskonstrukten).

Darüber hinaus entfalten opportunistische Verhaltensweisen als einziger Prädiktor einen negativen Effekt auf beide fokalen Vertrauenskonstrukte. Dies unterstützt die bereits von Morgan und Hunt (1994, 25) vorgetragene Negativbeziehung zwischen Opportunismus und Vertrauen. Theoretisch kann dies durch eine überproportionale Steigerung von Unsicherheit und Risiko bei der Wahrnehmung opportunistischer Strategien erklärt werden. Soweit sich nur eine Einzelperson auf Anbieterseite oppor-tunistisch verhält (z.B. eine gemachte Zusage nicht einhält) reduziert dies das Ver-trauen auf interpersonaler Ebene. Zusätzlich erhöht ein derartiges Individualverhalten jedoch auch die Unsicherheiten in Bezug auf das Verhalten aller anderen Organisa-tionsmitglieder. Der Vertrauensverlust wird dadurch auf die Organisation übertragen und kollektiviert. Umgekehrt schlägt sich ein systematischer und kollektiver Oppor-tunismus auf Anbieterseite direkt auf die Vertrauenswürdigkeit einzelner Mitarbei-ter/innen nieder. Selbst bei grundsätzlich positiven Individualbeziehungen stellt sich aus Kundensicht die Frage, ob die betreffende Einzelperson zukünftig in der Lage ist, opportunistische Verhaltensweisen des Anbieters als Unternehmen zu unterbinden. Der Vertrauensverlust wird dadurch individualisiert.

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Die Kollektivierung und Individualisierung von Vertrauensverlusten verfügt dies-bezüglich über eine wesentlich höhere Dynamik als der entsprechende Aufbau von Vertrauen bei produktiven Beziehungsstrategien (Götz 2006b, 62; Neuberger 2006, 20; Shiv et al. 1997, 293). Durch die direkten Effekte von Opportunismus auf beide fokalen Vertrauenskonstrukte bietet sich möglicherweise auch eine Erklärungsgrund-lage für die überproportional starken Wirkungen negativer Erfahrungen in anderen Untersuchungen (Palmatier et al. 2006, 143).

Grundsätzlich überträgt sich das Vertrauen eines Kunden in Einzelpersonen durch die positive Korrelation zwischen den beiden konzeptualisierten Vertrauenskon-strukten über die Zeit auch auf die Anbieterorganisation. Dennoch speist sich das Vertrauen der Kunden in ein Anbieterunternehmen nicht nur aus personalen Bezie-hungen. Für den Aufbau von Vertrauen auf Kundenseite spielen darüber hinaus organisationale Aspekte eine wesentliche Rolle. In dieser Hinsicht bietet die vor-liegende Dissertation eine empirische Fundierung für die Betrachtung der Faktoren Kundenintegration, Preismodelle, Kundenlösungen und Reputation als organisa-tionale Beziehungsstrategie.

Damit kann theoretisch gezeigt werden, dass organisationale Merkmale wie Prozes-se, Preise, Leistungen und Marke nicht nur rationale Aspekte umfassen, sondern stets auch als organisationales Beziehungsangebot aufzufassen sind. In diesem Sin-ne thematisiert beispielsweise Capaldo (2007, 586) die Entwicklung von relationalcapabilities als wesentlichen Ansatzpunkt zur Realisierung unternehmerischer Wett-bewerbsvorteile. Dabei liegen für die beziehungsorientierte Konzeptualisierung der Reputation eines Anbieters bereits umfangreiche Forschungen vor (Doney/Cannon 1997, 37; Ganesan 1994, 5; Einwiller et al. 2005). Die Effekte von Preismodellen, Integration und Kundenlösungen auf die Beziehungsqualität sind bislang jedoch nur unterproportional erforscht. Insofern bietet die vorliegende Forschung eine empi-rische Fundierung zu entsprechenden Beziehungsstrategien aus organisationaler Sicht. Hinsichtlich der Effektivität organisationaler Beziehungsstrategien zeigen sich aus Kundenperspektive nur geringfügige Unterschiede bei den einzelnen Strategie-typen.

Dagegen lassen sich jedoch aus der qualitativen Untersuchung Hypothesen mit Hin-blick auf eine unterschiedliche Bedeutung einzelner Strategietypen in alternativen Phasen einer Beziehung ableiten. So sind die Faktoren Expertise, Kommunikation und Reputation unabhängig von der Stärke der Vertrauensbeziehung von grundsätz-licher Bedeutung für den Vertrauensaufbau.

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Hingegen erfordert insbesondere die Umsetzung von Kundenlösungen und Ansätzen der Kundenintegration ein gewisses Grundvertrauen in der bisherigen Kundenbezie-hung. Auf Grund der erforderlichen Interaktionsintensität solcher Strategien ist die Umsetzung derartiger Programme besonders in neuen Beziehungen ohne Vertrau-ensgrundlage erschwert. Dies gilt m.E. auch für wertorientierte Preismodelle, da die-se Ansätze in der untersuchten Stichprobe fast ausschließlich von Unternehmen mit ausgeprägten Vertrauensbeziehungen umgesetzt werden.

Aus der dargestellten Forschung lassen sich auch theoretische Implikationen mit Hinblick auf die Auswirkungen des Vertrauens der Kunden auf multiplen Ebenen ab-leiten. Zunächst hat das Kundenvertrauen auf personaler und organisationaler Ebene einen positiven Effekt auf die Qualität der Kooperation. Damit werden entsprechende Grundannahmen der Relationship Marketing Theorie durch die vorliegende Unter-suchung bestätigt (Morgan/Hunt 1994, 26; Palmatier et al. 2006, 147). Vertrauen ist in dieser Hinsicht eine wesentliche Ressource zur erfolgreichen Entwicklung, Gestal-tung und Umsetzung einer unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit. Dabei zeigt eine Analyse partieller Mediationseffekte, dass die Wirkung der untersuchten Beziehungsstrategien auf die Kooperationsqualität vollständig durch Vertrauens-effekte erklärt werden kann.

Insofern verfügt das Konstrukt Vertrauen bei der Erklärung der Effekte spezifischer RM Programme auf den Faktor Kooperation über eine sehr starke Bedeutung. Erneut lassen sich aus einer Differenzierung der Vertrauenseffekte in personale und organi-sationale Aspekte fruchtbare Implikationen für die Marketingtheorie gewinnen.

Die Qualität der Kooperation ist nämlich im Vergleich zu personengebundenen Ver-trauensressourcen deutlich stärker durch das Vertrauen der Kunden in die Anbieter-organisation bestimmt. Daher ist zur Realisierung der gewünschten Effekte weniger eine pauschale Stimulierung von Vertrauen, sondern eher ein differenzierter Ansatz mit ausgewogenen Schwerpunkten wesentlich. Insbesondere die Ergebnisse der qualitativen Untersuchung manifestieren die Bedeutung einer angemessenen Ver-trauensentwicklung auf personaler und organisationaler Ebene. Daher können die sich vollen Wirkungen auf die Kooperationsqualität nur bei Entwicklung der Kunden-beziehung auf beiden fokalen Vertrauensebenen entfalten.

Auch bei der Erklärung der Kundenloyalität zeigen sich wesentliche Implikationen. So ist zunächst auf Basis einer Differenzierung unterschiedlicher Vertrauensebenen zwischen einer personal und organisational motivierten Loyalität des Kunden zu differenzieren (Palmatier 2007, 185). Beide Loyalitätsebenen werden durch unter-schiedliche Vertrauenskonstrukte beeinflusst.

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Das Vertrauen der Kunden in Einzelpersonen führt zu einer Stärkung der personen-gebundenen Loyalität. Dabei lassen sich partielle Mediationseffekte ausschließen. Die Loyalität der Kunden zu einzelnen Personen auf Anbieterseite kann vollständig durch Vertrauen erklärt werden. Das Vertrauen der Kunden in den Anbieter als Organisation führt zu einer Stärkung der organisationsgebundenen Loyalität. Dabei sind jedoch bei allen vier untersuchten Beziehungsstrategien erhebliche Partialmedi-ationen zu beobachten. Daher ist die Loyalität der Kunden in Bezug auf die Anbieter-organisation nur zum Teil durch den Faktor Vertrauen erklärbar. Offensichtlich wird die Loyalität auf organisationaler Ebene zusätzlich durch weitere Faktoren bestimmt. Dabei bilden Ansätze aus Interdependenzperspektive (Bucklin/ Sengupta 1993; Hib-bard et al. 2001) oder aus Sicht der Transaktionskostentheorie (Heide/John 1990; Noordewier et al. 1990; Parkhe 1993) alternative Erklärungen für die Entstehung von Kundenloyalität. Grundsätzlich basiert Loyalität aus dieser Sicht nicht auf Vertrauen, sondern aus Vorteilen einer Beibehaltung etablierter Beziehungen. Beispielsweise können die beteiligten Unternehmen erhebliche Beziehungsvorteile aus der Verbin-dung erzielen, die eine Beendigung der aktuellen Zusammenarbeit unattraktiv erscheinen lassen. Zum anderen können die mit der Beendigung einer Beziehung verbundenen Transaktionskosten das Commitment auch ohne Vertrauen erhalten. In Bezug auf das an dieser Stelle untersuchte Modell bleibt anzumerken, dass sich bei-de fokussierten Loyalitätsebenen über die Korrelation der fokalen Vertrauenskon-strukte gegenseitig verstärken, solange die Vertrauensperson ein Mitglied der Orga-nisation ist. Sobald die Vertrauensperson jedoch das Unternehmen verlässt und zu einem anderen Anbieter wechselt, entsteht aus Kundensicht eine Entscheidungs-situation. Die beiden Loyalitätskonstrukte wirken in diesem Fall nicht mehr komple-mentär, sondern kompetitiv. Für den Kunden ist es dann schwer möglich, beide Loyalitätsdimensionen aufrecht zu erhalten. Insofern entsteht für Anbieterunter-nehmen ein latentes Risiko, soweit sich das Vertrauen und damit auch die Kunden-loyalität weitgehend aus personalen Beziehungen speist (Palmatier 2007, 195).

1.3. Vertrauen der Anbieter: Bedingungen und Auswirkungen

Aus den Ergebnissen der qualitativen Untersuchung lässt sich ableiten, dass die Be-ziehung zwischen Anbietern und Kunden auch durch das Vertrauen der Anbieter so-wie besonders durch das kundenseitige Verhalten gegenüber den Anbietern geprägt ist. Die erzielten Resultate bieten im Sinne eines explorativen Ansatzes Einsichten in Hypothesen zu den Bedingungen und Auswirkungen des Anbietervertrauens.

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Bei den Bedingungen für Vertrauen legen die meisten Anbieter Wert auf eine Offen-heit und Transparenz der Anbieterorganisation. Dies betrifft auch die Einbindung aller relevanter Parteien bzw. im Untersuchungskontext besonders die frühzeitige Integra-tion der Fachabteilungen des Kunden. Im Gegensatz zur Kundenstichprobe verfügt der Faktor Opportunismus bei den Anbietern daher nur über eine abgeschwächte Bedeutung. Opportunistische Verhaltensweisen der Kunden haben zwar einen Ein-fluss auf das Anbietervertrauen. Deutlich stärker wird jedoch die Offenheit des Kun-den und der Zugang zu relevanten Informationen bewertet. Darüber hinaus hat aus Anbietersicht die Teilung von Chancen und Risiken einen starken Einfluss auf das eigene Vertrauen. Soweit die Kunden bei Kooperationen mit Anbietern nicht nur eine Risikoteilung umsetzen, sondern auch auf die Partizipation an den Chancen achten, sind weiterführende Vertrauenseffekte möglich. Schließlich hat auch die Qualität der Mitarbeiter/innen auf Kundenseite einen Einfluss auf das Anbietervertrauen. Wenn die Repräsentanten des Kunden eine hohe Expertise, Qualifikation und Kompetenz ausstrahlen, fördert dies das Vertrauen auf Anbieterseite. Weitere vertrauens-fördernde Effekte lassen sich beispielsweise in der Optimierung von Ausschrei-bungsverfahren, der Übernahme von Referenzpartnerschaften oder der Nachvoll-ziehbarkeit der Strategie- und Zeitplanung eines Kunden finden. Neben den Bedin-gungen für das Vertrauen der Anbieter ist es auch wesentlich, die Relevanz des Ver-trauens auf Anbieterseite zu hinterfragen. Dabei steht zur Diskussion, ob der Faktor Anbietervertrauen in Kundenbeziehungen überhaupt eine erfolgsrelevante Bedeu-tung hat. Dies lässt sich anhand der Ergebnisse der qualitativen Befragung bestäti-gen. Soweit das Vertrauen der Anbieter in einen Kunden nur schwach ausgeprägt ist, leidet auch die Kooperationsqualität. Dies drückt sich beispielsweise in einem begrenzten Engagement auf Anbieterseite aus. Das Kundenmanagement wird in solchen Situationen genauso wie der Aufwand in Bezug auf die Gestaltung individu-eller Kundenlösungen reduziert. Im Gegensatz dazu investieren Anbieter bei starken Vertrauensbeziehungen in die gemeinsame Partnerschaft. Derartige Kundenbezie-hungen zeichnen sich auch durch eine besonders hohe Motivation der Anbieter hin-sichtlich der Kundenbindung und der Gestaltung nachhaltiger Lösungen aus. Durch Partnerschaften, gemeinsame Innovationen und die wechselseitige Integration in Geschäftsprozesse können Kunden überproportional von den Ressourcen und der Innovationskraft eines Anbieters profitieren. Die Nutzung dieser Vorteile gewinnt in Zukunft an Bedeutung, da die Spezialisierung in funktionalen Teilbereichen weiter zunimmt und Unternehmen als organisationale Systeme immer weniger in der Lage sind, alle relevanten Teilbereiche im eigenen Unternehmen zu halten. Im Gegenteil ist ein deutlicher Trend zur wechselseitigen Integration in Wertschöpfungsprozesse und Outsourcing erkennbar.

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Die skizzierte Vertrauensdynamik auf Anbieterseite induziert daher eine Konzeptuali-sierung von Vertrauen als relevanter Faktor für alle beteiligten Parteien. Während eine derartige Perspektive für die Organisationsforschung üblich ist, konzentriert sich die Marketingforschung bisher weitgehend auf das Vertrauen der Kunden. Insbeson-dere bei Vertrauensbeziehungen ist jedoch eine Berücksichtigung der Wahrnehmun-gen und Verhaltensweisen aller beteiligter Parteien erforderlich (McEvily et al. 2006, 53). Der Kunde moderiert durch sein Verhalten nicht nur die Wirkung von anbieter-seitigen RM Programmen. Darüber hinaus hat das Kundenverhalten auch Aus-wirkungen auf das Vertrauen der Anbieter. Mögliche Bedingungen und Auswirkungen dieser Dynamik wurden im Rahmen der qualitativen Untersuchung exploriert, sind jedoch durch weiterführende und konfirmative Forschungen differenzierter zu unter-suchen.

1.4. Moderatoreffekte

In Bezug auf die Interpretation der Ergebnisse zu den untersuchten Moderatoreffek-ten und den daraus abgeleiteten theoretischen Implikationen sind zunächst die folgenden Vorüberlegungen wesentlich. Die Wirkung von personalen und organisa-tionalen Beziehungsstrategien auf das Kundenvertrauen unterliegt einer Beeinflus-sung durch spezifische Kundenmerkmale. Dies ergibt sich aus den grundsätzlichen Überlegungen zur Konzeptualisierung des Vertrauenskonstrukts. Vertrauens-entscheidungen sind in erster Linie Entscheidungen von Individuen (McEvily/Zaheer 2006, 292). Dabei vertrauen Individuen in andere Personen, Organisationen oder weitere soziale Systeme (z.B. gesellschaftliche Systeme) (Sydow 2006, 377). Ver-trauensentscheidungen auf personaler Ebene werden folglich durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst, u.a. durch den organisationalen Kontext des eigenen Unter-nehmens. Dies erfolgt teilweise explizit, beispielsweise durch Stellen- und Prozess-beschreibungen, Regeln und die Hierarchie. Von Bedeutung ist darüber hinaus die Beeinflussung individueller Entscheidungen durch latente kulturelle Muster (Cur-ral/Inkpen 2006, 240). In Summe kann der Einfluss des Unternehmens auf indivi-duelle Vertrauensentscheidungen daher als organisationaler Kontext aufgefasst wer-den (Heath/Sitkin 2001,43; Johns 2001, 31). Jedoch bleibt aus theoretischer Sicht festzuhalten, dass Organisationen unabhängig von einzelnen Personen nicht ent-scheiden und folglich auch nicht vertrauen können. In letzter Instanz bleibt die Ver-trauensentscheidung daher eine individuelle Angelegenheit.

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Aus Sicht der Relationship Marketing Theorie ist die Berücksichtigung des organi-sationalen Kundenkontexts ein wichtiges Forschungsgebiet. Dabei liegen bislang nur relativ generische Erkenntnisse zur Moderation der Wirkung spezifischer Bezie-hungsstrategien vor. Diese beziehen sich in erster Linie auf die Unterscheidung von Merkmalen in Bezug auf den Markt (Business-to-Business versus Konsumenten-märkte), die Leistung (Produkte versus Dienstleistungen) und das Vertriebssystem (direkt versus Multi-Channel) (Palmatier et al. 2006, 140). Die vorliegende Forschung impliziert in dieser Hinsicht empirisch überprüfte Erkenntnisse zur Wirkung individuel-ler und organisationaler Kundenmerkmale und konzeptualisiert diese als Modera-toren für die Wirkung personaler und organisationaler Beziehungsstrategien. Dabei sind zunächst die Effekte der quantitativ untersuchten Moderatoren Extraversion und Beziehungsorientierung zu interpretieren. Darüber hinaus lassen sich aus der Unter-suchung Hypothesen zu weiteren relevanten Moderatoren der Effektivität von Rela-tionship Marketing Programmen ableiten.

1.4.1. Extraversion: Individualpräferenzen als Moderator

Bei der empirischen Überprüfung spielt zunächst der Faktor Extraversion als indivi-duelles Kundenmerkmal eine wesentliche Rolle. Extravertierte Kunden verfügen über eine höhere Affinität zur intensiven Interaktion mit Anbietern (McCrae/Costa 2006, 49). Da die Umsetzung von Relationship Marketing Programmen in wesentlichen Tei-len auf Interaktion und Kommunikation basiert, lassen sich relationale Bindungen einfacher mit extravertierten Kunden aufbauen.

Die empirischen Daten der vorliegenden Forschung bestätigen diesen Moderations-effekt zunächst bei den personalen Beziehungsstrategien Expertise und Kommunika-tion. Daher ist davon auszugehen, dass die Expertise und Kommunikationskompe-tenz des Repräsentanten eines Anbieters bei extravertierten Kunden zu stärkeren Vertrauenseffekten führt. Auf Grund der erhöhten Affinität und Motivation für soziale Interaktionen kann diese Kundengruppe die Expertise von Einzelpersonen auf Anbie-terseite besser bewerten. Darüber hinaus kommen beispielsweise die individuellen Kommunikationskompetenzen eines Vertriebsbeauftragten nur bei entsprechend in-tensiver sozialer Interaktion zum Ausdruck.

Im Gegenzug dazu verstärken sich bei extravertierten Kunden auch die negativen Effekte opportunistischer Verhaltensweisen. Dies kann dadurch erklärt werden, dass extravertierte Kunden opportunistische Tendenzen auf Anbieterseite umfangreicher identifizieren bzw. im situativen Kontext intensiver erleben.

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Während die für extravertierte Kunden typische soziale Interaktion bei produktiven Strategien zu stärkeren Vertrauensgewinnen führt, wirkt sich dieser Faktor in Bezug auf opportunistische Erfahrungen gegenteilig aus. Dabei spielt auch eine Rolle, dass Kunden ihr Vertrauen nicht schenken, sondern den Vertrauensbeweis mit der explizi-ten Erwartung einer Gegenleistung verbinden (Dasgupta 1988, 53). Vertrauen erzeugt in dieser Hinsicht eine soziale Verpflichtung. Soweit diese Verpflichtung ent-täuscht wird, sind die negativen Auswirkungen bei extravertierten Kunden besonders stark.

Schließlich zeigen sich in Bezug auf die Bewertung von Extraversion als Moderator-variable stärkere Vertrauenseffekte bei den organisationalen Beziehungsstrategien Kundenintegration und Kundenlösungen. Dagegen ist der Effekt von Reputation und wertorientierten Preismodellen auf das Kundenvertrauen in beiden Kundengruppen(extravertiert/introvertiert) in etwa gleich stark. Daher kann davon ausgegangen wer-den, dass die unterstellten Moderationseffekte von Extraversion nur bei organisatio-nalen Beziehungsstrategien mit einer sehr hohen Interaktionsintensität relevant sind.Die Reputation eines Anbieters basiert beispielsweise weniger auf der direkten Inter-aktion mit Kunden im situativen Kontext, sondern eher auf Basis von gemachten Er-fahrungen. Diese werden über Kommunikationsprozesse innerhalb eines Netzwerks verteilt und bewertet. Insofern entsteht eine hohe Reputation nicht situativ, sondern über einen gewissen Entwicklungszeitraum. Daher entfaltet ein Faktor wie Repu-tation bei introvertierten Kunden eine vergleichbar starke Wirkung auf das Kunden-vertrauen. Bei der Entwicklung von Kundenlösungen und integrierten Entwicklungs-prozessen sind hingegen intensive und kontinuierliche Interaktionsprozesse erforder-lich. Eine starke Ausprägung dieser Faktoren spricht daher extravertierte Kunden deutlicher an.

Vergleichbare theoretische Überlegungen lassen sich zu wertorientierten Preis-modellen entwickeln. Durch die Wertorientierung bei der Preisbildung wird eine Har-monisierung von Interessen in der Beziehung zwischen Anbieter und Kunden ange-strebt. Der vertrauensfördernde Effekt basiert weniger auf Interaktion und Kommuni-kation, sondern stärker auf der Abbildung einer einheitlichen Zielstruktur. Ent-sprechend können durch derartige Preismodelle die Unsicherheiten bzgl. der Leis-tungsbereitschaft eines Anbieters reduziert werden. Dieser Effekt ist jedoch unab-hängig von der Ausprägung der Extraversion eines Kunden.

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1.4.2. Beziehungsorientierung: Organisationskultur als Moderator

Neben der Extraversion einzelner Personen auf Kundenseite bildet die Ausprägung der Beziehungsorientierung (kurzfristig versus langfristig) ein wesentliches organisa-tionales Kundenmerkmal. Langfristig orientierte Kunden sind grundsätzlich an der Etablierung strategischer Partnerschaften interessiert, binden andere Unternehmen in eigene Prozesse ein und pflegen die eigene Einbindung in Unternehmensnetz-werke (Ganesan 1994, 3). Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung belegen, dass personale und organisationale Beziehungsstrategien bei Kunden mit einer lang-fristigen Beziehungsorientierung zu stärkeren Vertrauenseffekten führen. Dies kann auf die gehobene Bedeutung der Kooperationsqualität für derartige Unternehmen zurückgeführt werden. Soweit Kunden an einer langfristigen Zusammenarbeit inte-ressiert sind, ist die Auswahl passender Partner für den gemeinsamen Erfolg wesent-lich. Daher fokussieren Kunden mit dieser Beziehungsorientierung weniger auf inter-aktionsspezifische Merkmale wie Preise oder Produkte. Wesentlicher ist, ob eine gemeinsame Beziehung über die Zeit zu spezifischen Vorteilen führt. Dies hängt u.a. von der Expertise und Kommunikation der beteiligten Personen auf Anbieterseite ab.Kunden bewerten in dieser Hinsicht, ob die Expertise der Anbieter für die eigene Unternehmensentwicklung hilfreich ist oder ob auf Basis der jeweiligen Kommunika-tionskompetenz die gemeinsame Zusammenarbeit effektiv verläuft.

Darüber hinaus pflegen Kunden mit langfristiger Ausrichtung einen intensiveren Aus-tausch mit relevanten Anbietern. Folglich können sich die Vertrauenswirkungen von anbieterbezogenen Beziehungsstrategien bei langfristig agierenden Kunden deutlich besser entfalten. Dies gilt prinzipiell auch für organisationale Beziehungsstrategien. Dabei haben die Faktoren Kundenintegration, Kundenlösungen und Reputation bei langfristig orientierten Kunden eine deutlich stärkere Vertrauenswirkung. Nicht bestä-tigt hat sich hingegen die unterstellte Moderationswirkung wertorientierter Preis-modelle. Aus den empirischen Daten kann nicht abgeleitet werden, dass die Einfüh-rung wertorientierter Preismodelle bei langfristig orientierten Kunden zu stärkeren Vertrauenseffekten führt. Für die Relationship Marketing Theorie bleibt damit fest-zuhalten, dass Preismodelle zwar grundsätzlich vertrauensfördernde Effekte ent-falten können, dieser Effekt jedoch relativ unabhängig von der Beziehungsorien-tierung des Kunden auftritt. Eine verstärkte Orientierung der Preisfindung an der Erzeugung von Kundenvorteilen führt aus Kundensicht zunächst zu einer Reduktion der mit einer Transaktion verbundenen Risiken. Durch die Reduktion von Risiken und die Harmonisierung von Zielen entstehen vertrauensfördernde Effekte. Aus Sicht der vorliegenden Ergebnisse sind derartige Effekte für Kunden unabhängig von der Be-ziehungsorientierung relevant.

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Wertorientierte Preismodelle können folglich auch bei grundsätzlich transaktional orientierten Kunden zur Förderung des Vertrauens in die Anbieterorganisation ge-nutzt werden.

Schließlich weisen die skizzierten Untersuchungsergebnisse auf leicht erhöhte Nega-tiveffekte opportunistischer Verhaltensweisen bei langfristig orientierten Kunden hin. Dies lässt sich unmittelbar aus der kundenseitigen Beziehungsperspektive begrün-den. Kunden mit einer langfristigen Orientierung sind auf der Suche nach dauer-haften Beziehungen, partnerschaftlichen Kooperationen und der Erzielung gemein-samer Mehrwerte. Auf solche Kunden wirken opportunistische Verhaltensweisen besonders intensiv, denn sie stellen die Funktionalität langfristiger Beziehungen grundsätzlich in Frage. Insofern ist davon auszugehen, dass langfristig orientierte Kunden auch entsprechende Strategien auf Anbieterseite erwarten und höhere Anforderungen an das Beziehungsmanagement eines Anbieters stellen. Aufgrund der erhöhten Erwartungshaltung führen Enttäuschungen auf Basis eines wahr-genommenen Opportunismus zu verstärkten negativen Effekten auf das Kunden-vertrauen.

Die skizzierten Moderatoreffekte führen in Bezug auf die Beziehungsorientierung des Kunden zu einer wesentlichen Weiterentwicklung der Relationship Marketing Theo-rie. So führen beispielsweise Palmatier et al. (2006, 152) an:

“… research to determine other moderators that may influence RM effectiveness (e.g. relationship age, customer control, customer involve-ment, relationship orientation of a customer). For example, as the custom-er´s need for a relationship increases, RM strategies may become more effective. Thus, researchers should develop a measure for the relationship orientation of the customer to support the segmentation of RM efforts”.

Entsprechend beinhaltet die vorliegende Forschung eine konzeptionelle Entwicklung und empirische Fundierung der beispielhaft von Palmatier et al. (2006) geforderten Moderatoreffekte und impliziert damit einen wesentlichen Beitrag zur Weiterent-wicklung der Relationship Marketing Theorie.

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1.4.3. Exploration weiterer Moderatoreffekte

Neben der Extraversion des Kunden (als Person) und der Orientierung der Bezie-hungsstrategie (der Kundenorganisation) ist für die Weiterentwicklung der Relation-ship Marketing Theorie die empirische Untersuchung weiterer relevanter Kunden-merkmale geboten. Die vorliegende Dissertation leistet dafür in Form der mit der qualitativen Untersuchung verbundenen Exploration wesentliche Vorarbeiten.

So sind beispielsweise aus Anbieter- und Kundensicht die organisationale Offenheit und Transparenz des Kunden als wesentliche Moderatoren der Vertrauensdynamik anzusehen. Soweit Kunden offenen Zugang zu eigenen Informationen gewähren, erhöht dies die Wirksamkeit der Beziehungsstrategien eines Anbieters. Beispiels-weise können bei erhöhter Transparenz der Kundensituation effektivere Kunden-lösungen entwickelt werden. Darüber hinaus ist es aus Anbietersicht möglich, die eigene Expertise und Kommunikation optimaler auf den Kunden abzustimmen. Kunden tragen daher durch ihre eigene Offenheit zur weiterführenden Vertrauens-bildung bei. In diesem Sinne ist ein geeignetes Optimum zwischen Offenheit, Ver-trauen und der Absicherung gegenüber opportunistischer Ausnutzung anzustreben.

Neben der allgemeinen Offenheit und Transparenz spielt auch das Ausmaß der Anbieterintegration auf Kundenseite eine wesentliche Rolle. Soweit Kunden aus-gewählte Anbieter in eigene Prozesse integrieren, ermöglicht dies eine effektivere Anwendung personaler und organisationaler Beziehungsstrategien. Folglich verstärkt sich die Wirkung von Beziehungsstrategien auf den Aufbau von Vertrauen bei Kun-den mit hoher Integrationsintensität.

Darüber hinaus ist auch die Qualität bzw. die Expertise, Kompetenz und Erfahrung der Mitarbeiter/innen auf Kundenseite für den Vertrauensaufbau wesentlich. Soweit auch auf Kundenseite ein ausreichendes Maß an Expertise vorhanden ist, sind die Beziehungsstrategien eines Anbieters aus Kundensicht besser einzuschätzen. Die Vertrauensentscheidungen des Kunden basieren dann nicht nur auf good will. Daher ist davon auszugehen, dass Anbieter mit hoch entwickelten Beziehungsstrategien(z.B. ausgebauter eigener Expertise und Kommunikationskompetenz, Kunden-lösungen oder Reputation) bei Kunden mit einer hohen Mitarbeiterqualität stärkere Effekte auf das Kundenvertrauen erzielen.

Schließlich spielt auch die Qualität der internen Kooperation innerhalb der Kunden-organisation (z.B. zwischen Fach- und Serviceabteilungen) eine wichtige Rolle für den kundenseitigen Vertrauensaufbau.

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Soweit die interne Kooperation auf Kundenseite scheitert, werden auch die RM Programme eines Anbieters zu weniger effektiven Ergebnissen führen. In derartigen Situationen kann das Vertrauen von Einzelpersonen auf Kundenseite nicht kollekti-viert werden. Soweit die interne Kooperation des Kunden über eine hohe Qualität verfügt, können Ziele und Strategien intern besser abgestimmt werden. Dies erleich-tert auch die Umsetzung von Vertrauensentscheidungen gegenüber externen An-bietern. Externe Beziehungsstrategien können bei einer gut abgestimmten internen Kooperation einfacher und intensiver umgesetzt werden. Darüber hinaus lassen sich interpersonale Vertrauensbeziehungen bei guter interner Kooperation einfacher auf andere Personen und Organisationseinheiten übertragen. Unterschiedliche Motive, Mikropolitik und allgemein eine schlechte interne Kooperation sind daher als weitere relevante Kundenmerkmale und Moderatoren für die Effektivität von Beziehungs-strategien zu konzeptualisieren.

In Summe ergeben sich daher aus der vorliegenden Forschung weitere Ansatz-punkte für die Untersuchung von RM Programmen bei unterschiedlichen Kontext-bedingungen auf Kundenseite. Neben der Extraversion und Beziehungsorientierung lassen sich auf diese Weise weitere Moderationshypothesen formulieren und in nachfolgenden Forschungen empirisch untersuchen.

1.5. Theorieentwicklung aus Anbieter- und Kundenperspektive

Neben der Analyse von theoretischen Zusammenhängen und moderierenden Effek-ten impliziert die vorliegende Forschung eine multidimensionale Theorieentwicklung auf Basis einer vergleichenden Analyse von Anbieter- und Kundenperspektive. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass das in Teil 3 entwickelte Forschungsmodell in seiner wesentlichen Modellstruktur aus Anbieter- und Kundensicht eine gute Annäherung an die empirischen Daten beinhaltet. Damit erhalten wesentliche Modellbestandteile,wie beispielsweise die differenzierte Konzeptualisierung von Vertrauen auf multiplen Ebene, die konzeptionelle Trennung personaler und organisationaler Beziehungs-strategien sowie die Messung der Auswirkungen von Vertrauen auf Kundenloyalität und Kooperationsqualität eine Bestätigung aus mehreren Perspektiven. Entspre-chend sind die Theoriebeiträge der dargestellten Forschung empirisch stärker fundiert als bei einer klassischen Untersuchung mit nur einer Stichprobe. Auf Basis eines multiplen Gruppenvergleichs lassen sich darüber hinaus wesentliche Unter-schiede in der Sichtweise beider Gruppen ermitteln und theoretisch interpretieren.

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So zeigt beispielsweise die Bewertung opportunistischer Verhaltensweisen aus An-bieterperspektive eine deutliche Unterschätzung der negativen Folgeeffekte auf das Kundenvertrauen. Während Kunden und Anbieter offensichtlich in Bezug auf die Be-wertung opportunistischer Aktionen der jeweils anderen Seite über eine hohe Sensi-tivität verfügen, scheinen eigene opportunistische Verhaltenszüge vergleichsweise weniger Beachtung zu finden. Für die Weiterentwicklung der Relationship Marketing Forschung folgt daraus die These einer systematischen Unterschätzung der nega-tiven Opportunismuseffekte durch die jeweils opportunistisch agierende Partei.

Im Detail zeigen sich zwischen beiden Vergleichsgruppen darüber hinaus relevanteUnterschiede und Gemeinsamkeiten bei der Bewertung der Wirksamkeit einzelner Beziehungsstrategien. So zeigt beispielsweise Expertise im Bereich personaler Be-ziehungsstrategien in beiden Untersuchungsgruppen einen stärkeren Vertrauens-effekt als Kommunikation. Daher kann Expertise als wesentliche Beziehungsstrategie zur Stärkung personenbezogener Vertrauensressourcen aufgefasst werden (Palma-tier et al. 2006, 143). Deutliche Unterschiede zeigen sich jedoch bei organisationalen Relationship Marketing Programmen. Während die Effekte der vier modellierten Stra-tegien von den befragten Kunden als gleichwertig eingestuft werden, überragt aus Anbietersicht der Faktor Reputation. Folglich neigen Anbieter zu einer syste-matischen Überschätzung der eigenen Reputationseffekte. Reputation ist zwar ein wesentlicher Faktor, jedoch in Bezug auf die kundenseitige Vertrauensbildung nicht isoliert zu betrachten. Eine systematische Überschätzung des Faktors Reputation kann darüber hinaus zu einer Vernachlässigung von weiteren relevanten Bezie-hungsstrategien führen. Dieser Effekt wird u.a. durch die unterschiedliche Bewertung der Wirkung multipler Vertrauenskonstrukte auf die Qualität der gemeinsamen Kooperation unterstrichen. Die Kooperationsqualität ist aus Anbietersicht stärker durch personales Vertrauen bestimmt, während die befragten Kunden v.a. die Wir-kungen organisationaler Vertrauensressourcen gewichten. Theoretisch können diese Effekte aus der Trägheit in Bezug auf die Implementierung organisationaler Ressour-cen erklärt werden. Aus Anbietersicht ist es einfacher, die Verantwortung zur Bildung von Kundenvertrauen an Einzelpersonen zu delegieren. Darüber hinaus werden derartige personenzentrierte Strategien intensiv durch die jahrlange Fokussierung auf die Auswahl und das Training der Vertriebsmannschaft unterstützt.

Als nachteilig kann sich in diesem Kontext jedoch die Vernachlässigung organisatio-naler Beziehungsstrategien erweisen. Auch wenn die Entwicklung organisationaler Beziehungsressourcen mit mehr Aufwand verbunden ist, so zeigen die Ergebnisse der empirischen Untersuchung doch, dass derartige Systeme durch Kunden unter-stützt werden.

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Darüber hinaus impliziert eine Differenzierung durch organisationale Beziehungs-strategien einen nachhaltigen Charakter:

“Social and technical change is producing more temporary, mobile and impersonal relationships. These trends threaten to undermine fragile long-term relationships based on interpersonal trust. One implication is that there seems to be greater reliance on institutional trust, where one relies on the security of rules, structures and organizations to buttress inter-personal trust (Van de Ven/Ring 2006, 145)”.

Danach werden organisationale Beziehungsstrategien in der Relationship Marketing Theorie zukünftig eine stärkere Rolle spielen. Dieser Effekt zeigt sich auch in den empirischen Daten der Kundenstichprobe dieser Untersuchung. Für die Anbieter im-pliziert die Umsetzung organisationaler Beziehungsstrategien einen Veränderungs-bedarf auf organisationaler Ebene, um nachhaltig die erwarteten Vertrauenseffekte auf die Kooperationsqualität abzusichern.

1.6. Theoriebeiträge zu organisationalen Beziehungsstrategien

Schließlich lassen sich besonders aus der qualitativen Untersuchung und den um-gesetzten Fallstudien einige Beiträge zur theoretischen Weiterentwicklung organisa-tionaler Beziehungsstrategien ableiten. Dabei haben die vorgestellten Implikationen explorativen Charakter, da die Ergebnisse nicht durch eine quantitative Unter-suchung abgesichert sind. Grundsätzlich bieten die dargestellten Ergebnisse jedoch einige theoretisch relevante Einblicke bezüglich der Umsetzung der vier untersuchten organisationalen Beziehungsstrategien.

Bei der Integration von Kunden in die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistun-gen ist zunächst die Auswahl der Kunden für die Funktionalität der Beziehungs-strategie wesentlich (Fang 2008, 100). Dabei ist eine Ausgangskonstellation optimal, in der wie im skizzierten Fallbeispiel zwischen Cirquent und BMW der Gegenstand der gemeinsamen Entwicklung für beide Seiten mit hohen Mehrwerten verbunden ist. Derartige Mehrwerte können beispielsweise aus einer möglichst wertschöpfungs-nahen Kundenintegration entstehen. In den meisten Fällen ist die reine Einbindung von Kunden in Konferenzen und Dialogrunden aus Anbieter- und Kundensicht wenig gewinnbringend.

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Neben diesen Faktoren ist zu berücksichtigen, dass eine erfolgreiche Kundenintegra-tion ein gewisses Mindestniveau an Vertrauen voraussetzt (Rindfleisch/Moorman 2001, 2). Die Effekte einer effektiven Kundenintegration auf die Kooperationsqualität und die Kundenloyalität sind jedoch erheblich. Dies lässt sich grundsätzlich aus den getesteten Strukturgleichungsmodellen und im Einzelfall an der Fallstudie Cirquent und BMW ablesen.

In Bezug auf die Umsetzung wertorientierter Preismodelle bietet die vorliegende For-schung ebenfalls interessante Ansatzpunkte. So lässt sich anhand des Fallbeispiels der Zusammenarbeit zwischen Logica und Arcor zeigen, dass die Orientierung von Anbieterpreisen an Kundenvorteilen zu relevanten Implikationen auf die Qualität der Zusammenarbeit führt. Dabei liegt ein kritischer Punkt in der Umsetzung ent-sprechender Preismodelle bzw. in der Messung der Anbieterleistung und der impli-zierten Auswirkungen auf den Kundenvorteil (Reinecke 1996, 272). Für eine wert-orientierte Preisbildung ist darüber hinaus auch der Einfluss von Eigenleistungen des Kunden auf den Kundenvorteil zu erheben. Solche Messmodelle kann der Anbieter in der Regel nicht autonom entwickeln. Daher ist eine Mitarbeit des Kunden erforder-lich. Folglich spielt die Kooperationsbereitschaft der Kunden auch bei der Entwick-lung wertorientierter Preismodelle eine wesentliche Rolle.

Bei der Analyse von Kundenlösungen ist zunächst die Evaluation der Kundenerwar-tungen aus der qualitativen Untersuchung relevant. Die befragten Kunden erwarten in dieser Hinsicht eine lösungsorientierte Einstellung der Anbieter sowie eine strin-gente Umsetzung in kundenorientierten Prozessen über die gesamte Wert-schöpfungskette. Dazu zählen insbesondere Prozesse zur Analyse der Kunden-bedürfnisse, der Anpassung sowie Integration von Leistungsbestandteilen an die Kundenanforderungen sowie zur Gewährleistung einer effektiven Unterstützung in der After-Sales-Phase (Tuli et al. 2007, 5). Besonders die Ergebnisse der Fallstudie (SQS/Sunrise) dokumentieren darüber hinaus die bereits von Belz und Bieger (2006, 37) postulierte Relevanz von Kunden- und Leistungssystemen bei der Lösungs-entwicklung. Dabei ist es zum einen erforderlich, über geeignete Kunden- und Kommunikationssysteme relevante Informationen über die Herausforderungen der Kunden zu erzeugen. Derartige Informationen lassen sich jedoch kaum fundiert in Mehrwerte transformieren, wenn nicht gleichzeitig die Leistungssysteme zur Realisie-rung kundenspezifischer Lösungen geeignet sind. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung zeigen auf, dass besonders bei der Entwicklung theoretischer und praktischer Leitlinien für lösungsorientierte Leistungssysteme ein weiterer For-schungsbedarf besteht.

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Bei der Entwicklung und Nutzung der eigenen Reputation als organisationale Bezie-hungsstrategie ist zunächst relevant, dass sich die Reputation eines Anbieters als Bestandteil des Corporate Brand über Kommunikationsprozesse entwickelt (Einwiller 2003, 125). Relevante Kommunikationsprozesse können sich beispielsweise auf Produkte und Dienstleistungen eines Anbieters, die allgemeine Marketingkommuni-kation oder auf das Verhalten der Repräsentanten einer Organisation in Interaktions-prozessen beziehen (Tomczak et al. 2009, 6). Eine Auswertung der breit angelegten Fallstudie zur Reputation der IBM Schweiz zeigt auf, dass in diesem Fall aus Anbie-tersicht drei strategische Schwerpunkte für das Reputationsmanagement wesentlich sind: 1) Marketingkommunikation, 2) Qualität der Leistungen sowie 3) Mitarbeiter-verhalten und Wertorientierung in eigenen Prozessen. Ein Vergleich mit den Ergeb-nissen der Kundenbefragung induziert, dass aus Sicht der Kunden nur zwei dieser Faktoren die Reputation bestimmen. Dies betrifft die Qualität der Produkte und Dienstleistungen sowie das in spezifische Prozesse integrierte Verhalten der IBM-Mitarbeiter/innen. Die allgemeine Marketingkommunikation der IBM ist aus Kunden-sicht nicht relevant (Bauhofer 2004, 44). Derartige empirische Befunde setzen Impli-kationen für das Reputationsmanagement in Richtung eines Behavioral Branding (Tomczak et al. 2009) sowie eine stärkere Nutzung der Reputationswirkungen in Kundennetzwerken (Röthlingshöfer 2006).

2. Implikationen für die Unternehmenspraxis

Neben der Evaluation theoretischer Beiträge sind im Sinne einer Bewertung der vor-liegenden Forschung v.a. die Implikationen für die Unternehmenspraxis wesentlich. Dabei lassen sich aus den vorgetragenen Ergebnissen vielfältige Erkenntnisse für die praktische Umsetzung von RM Programmen ableiten. Insofern ist davon auszu-gehen, dass die Reserven des Beziehungsmanagements in der Praxis noch längst nicht erschöpft sind (Belz 1999b, 218). Daher werden nachfolgend zunächst die praktischen Implikationen einer mehrdimensionalen Konzeptualisierung des Vertrau-enskonstrukts differenziert. Darüber hinaus sind aus der vorliegenden Forschung spezifische Empfehlungen für die Gestaltung von personalen und organisationalen Beziehungsstrategien abzuleiten. Schließlich sollen auch einige der im Rahmen die-ser Dissertation entwickelten Risikofaktoren dargestellt werden. Diese beziehen sich zum einen auf Risiken aus exzessiven Vertrauensbeziehungen und der damit ver-bundenen Loyalität auf interpersonaler Ebene sowie zum anderen auf das Risiko opportunistischer Verhaltensweisen.

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Abschließend sind die aus den Forschungsergebnissen ablesbaren Implikationen für das Management der Kooperationsqualität sowie für Fragen der Kundensegmen-tierung und des Account Managements zu explizieren. Eine Darstellung der praxis-relevanten Implikation für Kunden rundet die vorliegenden Ausführungen ab.

2.1. Förderung von Vertrauen auf mehreren Ebenen

Zunächst leitet sich in Bezug auf praktische Implikationen die Empfehlung ab, Ver-trauen nicht als homogenes Konstrukt zu betrachten. So bezieht sich beispielsweise das Vertrauen der Kunden auf unterschiedliche Faktoren, u.a. auf die Repräsentan-ten eines Anbieters, zum anderen aber auch auf die Anbieterorganisation. Im Sinne einer Optimierung der mit Vertrauen verbundenen Effekte sind daher beide Ebenen zu stimulieren. Soweit sich das Beziehungsmanagement nur auf den Aufbau und die Förderung interpersonaler Beziehungen begrenzt, können zunächst die erwünschten Vertrauenseffekte auf die Kooperationsqualität und das Vertrauen der Kunden nicht umfänglich realisiert werden. Darüber hinaus entstehen aus derartig isolierten Stra-tegien spezifische Risiken.

Grundsätzlich sollten Anbieter als finale Zielgröße eine Förderung organisationaler Vertrauensressourcen anstreben. Der Aufbau interpersonaler Beziehungen ist dafür ein wesentliches Mittel, de facto eben aber nur ein Mittel für einen anderen Zweck. Diese Eigenschaft interpersonaler Beziehungen bleibt in der Unternehmenspraxis bisher eher unterbelichtet. Interpersonale Beziehungen spielen für den Vertrauens-aufbau eine wesentliche Rolle, im Endeffekt fokussiert das Relationship Marketing jedoch auf den Aufbau von Vertrauen und Loyalität zur Anbieterorganisation.

Daher sind in der Unternehmenspraxis Maßnahmen zu entwickeln, um die Vorteile interpersonaler Vertrauensbeziehungen auf die Organisation zu übertragen. Der da-mit verbundene Transferprozess stellt hohe Anforderungen an die Anbieterorga-nisation. Kunden werden ihre Vertrauensentscheidungen nur auf die Anbieterorga-nisation transferieren, wenn auch die Organisation des Anbieters als solches etwas mehr (als nur Personen) zu bieten hat. Insofern sind auch organisationale Bezie-hungsstrategien zu entwickeln, beispielsweise wie im Rahmen dieser Forschung skizziert in den Bereichen Kundenintegration, Preismodelle, Kundenlösungen und Reputation. Mit dem Aufbau derartiger Beziehungsressourcen lassen sich zunächst die Effekte interpersonaler Beziehungen verstärken. Darüber hinaus schützen orga-nisationale Ansätze jedoch auch vor den Risiken einer opportunistischen Ausnutzung interpersonaler Beziehungen durch die eigenen Mitarbeiter/innen.

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2.2. Implikationen für personale Beziehungsstrategien

Aus den eben skizzierten Risiken einer ausschließlichen Fokussierung auf interper-sonale Beziehungsstrategien kann nicht abgeleitet werden, dass derartige Ansätze in Zukunft an Bedeutung verlieren werden. Das Gegenteil ist der Fall. Die Ergebnisse der quantitativen Untersuchung manifestieren die Signifikanz interpersonaler Bezie-hungsstrategien für den Aufbau von Vertrauen auf Kundenseite. Darüber hinaus zeigt die qualitative Untersuchung, dass Expertise und Kommunikation als grund-legende Faktoren für Vertrauen zu bewerten sind und darüber hinaus besonders in frühen Phasen der Beziehungsgestaltung über eine hohe Bedeutung verfügen.

Daher sind interpersonale Beziehungsstrategien für das Relationship Marketing nach wie vor wesentlich. Aus den argumentierten Nachteilen einer isolierten Fokussierung auf interpersonale Beziehungen ist nicht abzuleiten, dass zukünftig auf derartige Re-lationship Marketing Programme verzichtet werden kann.

Dies bestätigt in wesentlichen Teilen die Implikationen der bislang vorliegenden Re-lationship Marketing Forschung sowie die Fokussierung vieler Unternehmen auf eine entsprechende Optimierung von Personalauswahl und Personalentwicklung.

Darüber hinaus kann daraus auch die Sinnhaftigkeit dedizierter Betreuungsstrukturen abgeleitet werden, wie sie beispielsweise in Ansätzen des Key Account Manage-ments abgebildet sind. Die bewusste Etablierung und Entwicklung interpersonaler Beziehungen dient in dieser Hinsicht als wesentlicher Ausgangspunkt für die Umset-zung weiterer Relationship Marketing Maßnahmen.

Interpersonale Beziehungen bilden auf dieser Basis auch eine Grundlage für die Umsetzung anderer Beziehungsstrategien. Wesentlich ist jedoch die kontinuierliche Ausweitung des eigenen Beziehungsmanagements über interpersonale Ansätze hin-aus. Dabei besteht in der Unternehmenspraxis insbesondere bei der Umsetzung or-ganisationaler Beziehungsstrategien ein erhebliches Differenzierungspotential.

Bei einer Bewertung der beiden untersuchten interpersonalen Relationship Marketing Ansätze (Expertise und Kommunikation) bleibt anzumerken, dass Expertise in allen relevanten Teiluntersuchungen einen stärkeren Effekt auf das Vertrauen der Kunden induziert als Kommunikation. Folglich sollten Anbieter v.a. auf die Expertise der kun-denrelevanten Mitarbeiter/innen sowie auf eine hochwertige Personalentwicklung achten. Bei einer differenzierten Untersuchung von Expertise in der qualitativen Eva-luation zeigen sich erweiterte Anforderungen der Kunden an die Repräsentanten auf Anbieterseite.

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Unter Expertise subsumieren die Kunden nicht nur die Fach- und Leistungskompe-tenz sowie Projekterfahrung der Anbieter. Wesentlich ist darüber hinaus ein differen-ziertes Verständnis für die Branche und die daraus resultierenden Anforderungen des Kunden. Aus dieser Perspektive verlagert sich der Schwerpunkt der Anforderun-gen an Anbieter auf die Kultivierung kundenspezifischer Wissensressourcen. Damit lassen sich beispielsweise Ansätze einer Vertikalisierung der Aufbauorganisation nach Kunden und Kundensegmenten unterstützen.

Entsprechende Veränderungen zeigen sich auch bei einer Evaluation des Faktors Kommunikation. Aus Sicht der vorliegenden Untersuchung ist weniger die Kommuni-kationskompetenz der Vertriebsbeauftragten im Sinne einer starken Darstellung der eigenen Leistungsfähigkeit gefragt. Kunden erwarten vielmehr, dass die Repräsen-tanten der Anbieter die Sprache des Kunden sprechen, branchen- und kunden-orientiert kommunizieren sowie durch relationales Kommunikationsverhalten (Fragen, Zuhören, etc.) die Anforderungen der Kunden analysieren, um darauf pas-sende Lösungsansätze zu entwickeln. Entsprechende Akzente sind daher auch bei der Gestaltung entsprechender Aus- und Weiterbildungsprogramme in den Berei-chen Expertise und Kommunikation zu setzen.

2.3. Implikationen für organisationale Beziehungsstrategien

Einer der wesentlichen Beiträge der vorliegenden Forschung für die Unternehmens-praxis liegt in der Entwicklung von über interpersonale Beziehungen hinaus gehen-den Ansätzen des Relationship Marketing. Insofern sind besonders in der Berück-sichtigung organisationaler Beziehungsstrategien erhebliche Ansatzpunkte für das Marketing Management zu sehen.

Durch die quantitative Forschung kann aus Anbieter- und Kundenperspektive zu-nächst der positive Effekt einer Integration von Kunden in Entwicklungsprozesse auf Anbieterseite bestätigt werden. Damit unterstützt die vorliegende Forschung Ansätze der Innovationstheorie, die auf die Vorteile einer Öffnung von Innovationsprozessen hinweisen (Enkel/Gassmann 2009, 6). In Bezug auf die Umsetzung einer verstärkten Kundenintegration lässt sich auf Basis der skizzierten Fallstudie in Business-to-Business-Beziehungen eine mehrstufige Vorgehensweise identifizieren (siehe Abb.35). Ein erster Teilschritt bezieht sich auf die Identifikation und Auswahl geeig-neter Kunden. Bei der vorzunehmenden Selektion sind unterschiedliche Kriterien relevant. So sollten zumindest aus subjektiver Sicht des Anbieters gemeinsame Ent-wicklungsinteressen vorliegen.

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Abb.35: Mehrstufige Vorgehensweise bei der Kundenintegration

Darüber hinaus ist wesentlich, dass die bisherigen Kundenbeziehungen mindestens durch erste Kontakte und ein gewisses Grundvertrauen geprägt sind. Schließlich ist besonders eine Einbindung von Kunden relevant, zu denen bisher keine umfangrei-chen Geschäftsbeziehungen bestehen. Nach der Selektionsphase sind in einem zweiten Schritt mögliche gemeinsame Entwicklungsinteressen zu identifizieren. Die Fallstudie von Cirquent und BMW verdeutlicht, dass Integrationsprozesse wesentlich effektiver verlaufen, wenn alle beteiligten Seiten über ein Interesse an der gemein-samen Entwicklung verfügen. Danach ist der integrierte Entwicklungsprozess im Sin-ne einer kontinuierlichen Kooperation zu verstetigen. Die Integration ist dabei nicht als punktuelle Zusammenkunft, sondern als kontinuierlicher Prozess mit definierten Zielen zu konzeptualisieren. Abschließend können gemeinsame Entwicklungen bei ausreichender Reife und positiven Auswirkungen auf das Geschäft der beiden Par-teien in (Pilot-)Projekten umgesetzt werden. Die Auswertung bzw. Verwertung ge-meinsamer Entwicklungen im Sinne einer kooperativen Vermarktung kann schließlich die letzte Stufe einer integrierten Entwicklung darstellen. Dabei ist zu betonen, dass Ansätze der Kundenintegration nicht immer bis zur Stufe gemeinsamer Vermarktung auszubauen sind. Grundsätzlich ist bereits bei funktionalen Integrationsprozessen in den ersten drei Stufen mit relevanten Auswirkungen auf das gegenseitige Vertrauen und die Kooperationsqualität zu rechnen.

Selektion geeigneter Kunden zur Integration

Evaluation gemeinsamer Entwicklungsinteressen

Initiierung und Verstetigung der gemeinsamen Entwicklung

Pilotprojekte und Projektphase

Auswertung gemeinsamer Entwicklungen, partnerschaftliche Verwertung

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Implikationen für die Unternehmenspraxis lassen sich auch in Bezug auf die Entwick-lung und Umsetzung wertorientierter Preismodelle ableiten. Dabei macht die vor-liegende Forschung deutlich, dass die Orientierung von Anbieterpreisen an Kunden-vorteilen zu einer Erweiterung der Beziehungsqualität führt. Entsprechende Ansätze zur Preisfindung reduzieren das subjektiv empfundene Risiko und führen zu einer Harmonisierung der Interessen zwischen beiden Parteien. Daher fördern wertorien-tierte Preismodelle besonders das Vertrauen der Kunden in die Anbieterorganisation. Auf Basis der vergleichenden Analyse kann darüber hinaus gezeigt werden, dass die skizzierten Beziehungseffekte von Anbieterseite bisher negiert bzw. nicht erkannt werden. Daher besteht in diesem Bereich ein erhebliches Differenzierungspotential. Auch für die Umsetzung entsprechender Ansätze lassen sich aus der vorliegenden Dissertation einige Implikationen ableiten. So ist die Entwicklung wertorientierter Preismodelle bereits als gemeinsame Kooperation zwischen den beteiligten Parteien zu konzeptualisieren. Da sich die Erzeugung von Kundenvorteilen auf relevante Zie-le des Kunden bezieht, kann der Anbieter die erforderlichen Wechselwirkungen nicht alleine abbilden und messen. In Bezug auf die Umsetzung entsprechender Ansätze lässt sich aus der Fallstudie zwischen Logica und Arcor ein Prozessmodell zur Er-mittlung wertorientierter Preise definieren. Die wesentlichen Phasen des Modells sind in Abb.36 zusammengefasst.

Grundsätzlich orientieren sich die Anbieterpreise bei einer wertorientierten Preis-findung an den Kundenvorteilen. Da Kundenvorteile aus der Realisierung von Kundenzielen entstehen, sind diese vorab zu definieren (im Fallbeispiel Arcor z.B.: Kostensenkung, Verbesserung der time-to-market, etc.). Darüber hinaus bleibt fest-zuhalten, wie sich eine Über- oder Unterschreitung der definierten Ziele auf den Wert für den Kunden auswirkt. Danach sind die Leistungen auf Anbieter- und Kundenseite zu beschreiben, die erforderlich sind, um die skizzierten Kundenziele zu realisieren. Im Anwendungskontext von Logica und Arcor wurde die Qualität der relevanten Leis-tungen durch SLAs definiert und kontinuierlich gemessen. Bei Über- oder Unter-schreitungen der SLAs und damit verbundenen Auswirkungen auf den Kundenvorteil wurden Preisanpassungen umgesetzt. Wesentlich für die Entwicklung derartiger Modelle ist, dass sich der Preis des Anbieters nicht auf den Umfang der eigenen Leistungen bezieht. Wie die relevanten Kundenziele erreicht werden, bleibt in letzter Konsequenz in der Verantwortung des Anbieters. Auf diese Weise können Anbieter wie Logica, beispielsweise durch Innovationen oder eine Automatisierung von Teil-prozessen Effizienzgewinne realisieren. Damit lohnt sich eine Optimierung der Leis-tung auch für den Anbieter.

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Abb.36: Prozessmodell zur Ermittlung wertorientierter Preise

Falls jedoch die gewünschten Ziele auf Kundenseite nicht erreicht werden, muss auch der Anbieter mit einer Preisreduzierung rechnen. In diesem Kontext kann sich ein Anbieter durch eine Definition kundenseitiger SLAs davor schützen, für Leistungsverschlechterungen verantwortlich gemacht zu werden, die letztlich von Kundenseite zu vertreten sind. Aus theoretischer Sicht leisten wertorientierte Preis-modelle damit einen erheblichen Beitrag zur Förderung der Beziehungsqualität. Allerdings bleibt die Umsetzung auf Grund der komplexen Messung der skizzierten Wirkungszusammenhänge schwierig.

Über die bisher dargestellten Ansätze hinaus, hat die vorliegende Dissertation als weitere organisationale Beziehungsstrategie den Einfluss von Kundenlösungen auf das Vertrauen der Kunden untersucht. Die quantitative Untersuchung bestätigt einen positiven Effekt von Kundenlösungen auf das Vertrauen der Kunden in die Anbieter-organisation.

Entsprechend müssen Anbieter ihre Leistungen auf die Lösung von Herausforderun-gen der Kunden ausrichten, wenn sie an einer Erweiterung der Beziehungsqualitätinteressiert sind. Aus der qualitativen Untersuchung und der Fallstudie zwischen SQS und Sunrise lassen sich darüber hinaus Hinweise für die Umsetzung ent-sprechender Ansätze gewinnen.

Definition der Kundenziele & Kundenvorteile

Beschreibung der Leistungen von Anbieter und Kunde

Beschreibung der Beziehungen zwischen Leistung und Kundenvorteil

Kontinuierliche Leistungsmessung

Ermittlung wertorientierter Preise

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So ist in erster Linie wesentlich, dass Anbieter ihre Leistungssysteme auf die Gestal-tung von Kundenlösungen ausrichten (Belz/Bieger 2006, 136). Im Anwendungsfall bei SQS geschieht dies durch die Dezentralisierung der Offshoringkapazitäten auf mehrere kleinere Standorte mit unterschiedlichen Ausprägungen. Aus abstrakter Sicht entspricht dies einer Standardisierung von Einzelleistungen, die kunden-spezifisch kombiniert werden können. Bei der Entwicklung von Leistungssystemen ist darüber hinaus zu beachten, dass durch die Kombination von Einzelleistungen tatsächlich auch kundenrelevante Problemstellungen adressierbar sind. In der Fall-studie trifft dies auf unterschiedliche kulturelle Voraussetzungen der Kunden zu. Kulturelle Konflikte führen zu Kooperationsproblemen und negieren häufig die ge-wünschten Offshoringeffekte. Bei einer kundenindividuellen Anpassung der Shoring-lokation kann dieser Effekt abgeschwächt werden.

Über die Leistungssysteme hinaus sind die spezifischen Anforderungen der Kunden durch geeignete Kundensysteme zu erfassen. Mit Kundensystemen bilden Unter-nehmen die Schnittstelle zum Kunden ab. Daher definieren die Kundensysteme eines Anbieters auch die Möglichkeiten und Ansätze des Dialogs mit spezifischen Zielgruppen (Belz/Bieger 2006, 45). In Bezug auf Kundenlösungen müssen Kunden-systeme darauf ausgerichtet sein, die Anforderungen der Kunden genau zu erfassen. Darüber hinaus sind diese Anforderungen in geeigneter Art und Weise mit der Leis-tungsfähigkeit des eigenen Unternehmens zu verbinden. Aus der Fallstudie zwischen SQS und Sunrise kann diese Verbindung klar abgelesen werden. Durch die Bewer-tung der Shoringkompetenz eines Kunden lassen sich die Leistungssysteme im Sin-ne alternativer Shoringlokationen optimal auf die Kundenanforderungen abstimmen.

Im Sinne einer Implikation für die Unternehmenspraxis folgt daraus die Empfehlung zu einer stärkeren Fokussierung der eigenen Leistungen auf die Lösung von Kun-denherausforderungen. Fundierte Kundenlösungen werden von Kunden honoriert. Dies zeigt sich wie bei Sunrise beispielsweise in einer Erweiterung des Vertrauens der Kunden, der Vermeidung eines isolierten Preiswettbewerbs sowie einer erhöhten Kundenloyalität. Wesentlich ist jedoch, dass die Leistungs- und Kundensysteme eines Anbieters tatsächlich auf Kundenlösungen ausgerichtet sind. Wenn Kunden-lösungen nur ein Schlagwort für die Marktkommunikation darstellen, lassen sich die gewünschten Beziehungseffekte nicht erzeugen. Im Gegenteil muss auf dieser Basis sogar mit negativen Auswirkungen gerechnet werden, wenn Kunden nicht eingelöste Lösungsversprechen als opportunistisches Anbieterverhalten identifizieren. Neben der verstärkten Integration von Kunden, der Umsetzung wertorientierter Preismodelle und der Gestaltung von Kundenlösungen spielt für Anbieter auch die Verbesserung der eigenen Reputation eine wesentliche Rolle.

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Die Reputation umfasst die aus subjektiver Sicht verfügbaren sozialen Informationen über den Ruf eines Anbieters. Entsprechend bildet sich die Reputation auf Basis der Kommunikation über gemachte Erfahrungen. Anbieter sollten in diesem Sinne Maß-nahmen des Reputationsmanagements einsetzen, um die eigene Reputation positiv zu beeinflussen. Die Erkenntnisse aus der Fallstudie mit der IBM Schweiz führen zu der Annahme, dass sich die Reputation eines Anbieters heute weniger stark durch breit angelegte Imagekampagnen beeinflussen lässt. Die immensen Investitionen der IBM bezüglich der Umsetzung und Kommunikation von CSR Initiativen werden von Kunden kaum als reputationsrelevant eingestuft. Auf Basis der Resultate der vor-liegenden Forschung ist die Reputation eines Anbieters viel Stärker durch operative Faktoren bestimmt. Dabei spielt beispielsweise die Qualität der Leistungen sowie das Verhalten der Repräsentanten des Unternehmens eine wesentliche Rolle. Insofern muss sich das Reputationsmanagement stärker auf die Optimierung eigener Leis-tungen und Prozesse, die Verstetigung von Verhaltensweisen und im Sinne eines Behavioral Branding auf die Optimierung des Mitarbeiterverhaltens beziehen (Tomc-zak et al. 2009). In diesem Sinne zeigt sich auch die Bedeutung des Faktors Kontinu-ität (Belz 2006b, 89). Nur bei kontinuierlicher Wiederholung reputationsrelevanter Verhaltensweisen (z.B. im Fall IBM: “Wir bieten nur Lösungen an, die in der Anwen-dung funktionieren“) lassen sich die gewünschten Reputationswirkungen erzielen. Dabei können mit der Umsetzung einer spezifischen Reputationsstrategie auch Nachteile verbunden sein (z.B. im Fall IBM: “Die IBM ist nicht besonders innovativ. Die setzen nur auf etablierte Lösungen“).

Insgesamt können Anbieter aus der Umsetzung organisationaler Beziehungs-strategien erhebliche Beziehungsvorteile generieren. Dabei ist die Umsetzung der skizzierten Ansätze in den Bereichen Kundenintegration, Kundenlösungen, Preis-modelle und Reputation mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Soweit es jedoch gelingt, entsprechende Beziehungsstrategien zu institutionalisieren, bilden sich auf dieser Basis schwer imitierbare Wettbewerbsvorteile. Daher lassen sich organisationale Beziehungsstrategien im Sinne einer relational capability auch als relevanter Wettbewerbsfaktor konzeptualisieren (Capaldo 2007). In der Praxis liegen die Herausforderungen einerseits in der nachhaltigen Umsetzung der einzelnen Strategien. Darüber hinaus geht es auch um eine optimale Kombination der skizzier-ten Ansätze. Schließlich sind die skizzierten Strategien jeweils für unterschiedliche Phasen der Kundenbeziehung anzupassen. Insofern besteht in Bezug auf die weite-re Gestaltung entsprechender Ansätze ein breites Arbeitsgebiet für die Marketing-forschung und -praxis.

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2.4. Risikofaktor Opportunismus

Neben der Umsetzung von personalen und organisationalen Beziehungsstrategien sind für die Unternehmenspraxis auch die Implikationen opportunistischer Verhal-tensweisen relevant. Dabei weist die vorliegende Forschung deutlich auf die nega-tiven Auswirkungen eines ausgeprägten Opportunismus hin. Die Vermeidung oppor-tunistischer Verhaltensweisen ist daher besonders für den Aufbau von Vertrauen auf Kundenseite relevant. In diesem Sinne ist die Kontinuität und Verlässlichkeit eines Anbieters der wichtigste Prädiktor für Vertrauensbeziehungen (Belz 2005, 8). Soweit sich Kunden nicht auf die Zusagen von Anbietern verlassen können, negiert dies auch die positiven Effekte einer Umsetzung produktiver Maßnahmen des Relations-hip Marketing (Palmatier et al. 2006, 143). Die Investitionen eines Anbieters führen aus dieser Perspektive nicht zu den gewünschten Ergebnissen, wenn in einem ande-ren Kontext opportunistisch das Eigeninteresse im Fokus steht. Anbieter müssen da-her genau prüfen, welche Maßnahmen aus Kundensicht als opportunistisch einge-stuft werden und ob die entsprechenden Aktionen aus einer Gesamtbetrachtung zu positiven Effekten führen. Dies gilt besonders für Situationen, in denen sich Zusagen nicht einhalten lassen, Informationen bewusst zurückgehalten und verändert oder Informationen des Kunden ausschließlich für eigene Zwecke genutzt werden.

2.5. Risikofaktor Loyalität

Die dargestellten opportunistischen Verhaltensweisen führen zu einer Reduktion von Vertrauen und den damit verbundenen Negativeffekten auf die Kooperationsqualität und die Loyalität des Kunden. Diesen Zusammenhang hat die Relationship Marke-ting Forschung bereits an anderer Stelle thematisiert (Morgan/Hunt 1994, 25). Ein Risiko kann jedoch nicht nur aus der Reduktion von Vertrauen entstehen. Für den Anbieter können auch aus der Erweiterung von Vertrauensbeziehungen Risiken ent-stehen. Diese leiten sich aus den Auswirkungen von Vertrauen auf die Kundenloyali-tät ab.

Bei der Bewertung der Auswirkungen von Vertrauensbeziehungen hat sich die vor-liegende Forschung auf die Faktoren Loyalität und Kooperation konzentriert. Dabei konnte gezeigt werden, dass sich das Vertrauen der Kunden multidimensional kon-zeptualisieren lässt. In diesem Sinne bezieht sich das Vertrauen der Kunden auf per-sonale und organisationale Aspekte. Darüber hinaus entfalten Vertrauensbeziehun-gen einen positiven Effekt auf die Qualität der Kooperation und die Kundenloyalität.

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Damit führt der skizzierte Zusammenhang grundsätzlich zu positiven Auswirkungen. Unter spezifischen Bedingungen lässt sich daraus jedoch auch ein Risiko für den Anbieter ableiten.

Risiko durch Fluktuation. Offensichtlich sind in diesem Kontext die vorhandenen Risi-ken durch Fluktuation. Eine wechselseitige positive Beziehung zwischen Vertrauen und Loyalität auf personaler und organisationaler Ebene kann nur unterstellt werden, solange eine Identität zwischen Person und Organisation gegeben ist. Sobald Per-sonen als Vertrauensträger jedoch das Anbieterunternehmen verlassen, kann für den Kunden eine Entscheidungssituation entstehen. Diese bezieht sich nicht unmittelbar auf Fragen des Vertrauens. Aus Kundensicht kann auch bei einer Trennung von Per-son und Organisation das Vertrauen auf beiden Ebenen erhalten werden. Kritische Fragestellungen ergeben sich jedoch bei der Kundenloyalität. Soweit sich die Loyali-tät der Kunden überwiegend oder ausschließlich auf interpersonale Vertrauens-ressourcen bezieht, entfällt bei Fluktuation der loyalitätsbedingende Faktor. Wenn die betreffenden Vertrauenspersonen darüber hinaus zu einer Firma mit vergleichbaren Leistungen wechseln, kann dies negative Implikationen für die Anbieterorganisation bewirken. Vertrauen auf interpersonaler Ebene führt folglich nur bei Zugehörigkeit der Vertrauenspersonen zur Anbieterorganisation zu den gewünschten positiven Effekten. Soweit Anbieter ausschließlich auf interpersonale Beziehungsstrategien setzen, kann bei Fluktuation ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko entstehen. Daher sind geeignete Gegenmaßnahmen zur Eindämmung der skizzierten Vertrau-ens- und Loyalitätsrisiken einzuleiten.

Entsprechende Maßnahmen können sich auf unterschiedliche Ansatzpunkte bezie-hen. Zunächst besteht die Möglichkeit, durch adäquate Mitarbeiterbindungs-programme die Fluktuation zu senken. Dies führt auch zu einer erweiterten Bedeu-tung der internen Zufriedenheit auf Mitarbeiterebene. Derartige Strategien werden in ihrer Bedeutung für den Unternehmenserfolg häufig unterproportional gewichtet. In den Implikationen auf die Fluktuation und Kundenloyalität zeigt sich jedoch die Bedeutung entsprechender Ansätze. Darüber hinaus ist in Bezug auf die Reduzie-rung von Fluktuationsrisiken eine Flankierung interpersonaler Beziehungen durch organisationale Beziehungsstrategien möglich. Entsprechende Ansätze sind weiter oben dargestellt. Soweit durch organisationale RM Programme auch die Loyalität zur Anbieterorganisation ausgebildet ist, führen die mit Fluktuation verbunden Risiken zu weniger starken Auswirkungen. Die Kunden haben dann einen Grund, auch unab-hängig von einzelnen Personen die Beziehung zur Anbieterorganisation weiterzufüh-ren. Schließlich ist zu prüfen, ob organisationale Beziehungen zumindest auf Zeit durch vertragliche Regelungen geschützt werden können.

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Risiko durch exzessives Vertrauen. Neben den skizzierten Fluktuationsrisiken ist noch ein weiterer Risikofaktor zu beachten. Dieser folgt aus den von Gargiulo und Ertug (2006, 175) skizzierten Folgewirkungen exzessiver Vertrauensbeziehungen. Soweit Vertrauen in interpersonalen Beziehungen ein optimales Niveau übersteigt, entstehen dysfunktionale Loyalitätseffekte (siehe Abb.9). Ein exzessives Vertrauen in Einzelpersonen kann wie in Teil 2 dargestellt durch starke Commitmenteffekte zu überzogener Selbstzufriedenheit, irrationalen Verpflichtungen und kognitiven Lock-In-Situationen führen. Damit entstehen aus starken Vertrauensbeziehungen und aus der dadurch induzierten Loyalität Risiken auf Anbieter und Kundenseite.

Die Relationship Marketing Forschung bietet mit Hinblick auf die Lösung derartiger Beziehungskonflikte bisher kaum Ansatzpunkte. Darüber hinaus steht die Lösung von Vertrauensrisiken auch nicht im Fokus der vorliegenden Dissertation. Dennoch lassen sich einige Grundüberlegungen formulieren. Dabei ist beispielsweise zu prüfen, über welchen Zeitraum die Beibehaltung von interpersonalen Beziehungs-strukturen aus Anbieter- und Kundensicht optimal ist. So lassen sich die skizzierten Risiken möglicherweise durch eine geplante und stufenweise Übergabe der Bezie-hungsverantwortung an andere Personen lösen. Darüber hinaus ist erneut die Ein-bettung der Person in einen organisationalen Kontext wesentlich. Bei erweiterten Freiheitsgraden auf individueller Ebene führen die skizzierten Vertrauensrisiken zu entsprechend größeren Auswirkungen. Soweit das Individualverhalten in Unterneh-menswerte, Prozesse und Regeln eingebettet ist, lassen sich die skizzierten Nega-tiveffekte wirksam reduzieren.

2.6. Management der Kooperationsqualität

Über die bisher skizzierten Implikationen hinaus lassen sich aus der vorliegenden Forschung auch Ansatzpunkte für das Management der Kooperationsqualität ablei-ten. Auf der Grundlage des entwickelten Forschungsmodells weist die quantitative Untersuchung auf eine starke Abhängigkeit der Kooperationsqualität von der Aus-prägung der Vertrauensbeziehung hin (Morgan/Hunt 1994, 22). Dieser Effekt ist im Grundsatz auch durch die qualitative Datenanalyse zu bestätigen. Im Allgemeinen sollten daher beide Parteien eigene Ansätze zur Förderung des gegenseitigen Ver-trauens umsetzen.

Die vergleichende Analyse bietet jedoch Einblicke in signifikante Unterschiede zwi-schen der Anbieter- und Kundenperspektive. Aus Anbietersicht hat das Vertrauen auf interpersonaler Ebene einen vergleichsweise stärkeren Effekt auf die Kooperations-

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qualität als das Vertrauen in die Anbieterorganisation. Damit sind mit Hinblick auf eine Verbesserung der Kommunikation v.a. interpersonale Beziehungsstrategien relevant. Aus Kundensicht gilt jedoch genau der umgekehrte Effekt. Das Vertrauen in Repräsentanten hat zwar einen Einfluss auf die Qualität der Kooperation. Jedoch ist der Effekt organisationaler Vertrauensressourcen wesentlich stärker zu bewerten. Die skizzierten Unterschiede weisen auf eine Überbetonung interpersonaler Bezie-hungen auf Anbieterseite hin. Damit zeigt sich die zu Beginn dargestellte Fokus-sierung der Relationship Marketing Forschung auf personale Beziehungsstrategien auch in der Unternehmenspraxis. Aus Kundensicht verfügen interpersonale Faktoren ebenfalls über eine hohe Bedeutung, jedoch sollten die organisationalen Aspekte einer Vertrauensbeziehung nicht unterschätzt werden. Aus dieser Perspektive lässt sich auch die aus Anbietersicht teilweise unterproportionale Bedeutung organisa-tionaler Beziehungsstrategien erklären (v.a. in Bezug auf wertorientierte Preismodel-le). Daher führt die dargestellte Diskrepanz aus Perspektive des Managements der Kooperationsqualität zur Forderung nach einer stärkeren Berücksichtigung organisa-tionaler Faktoren. Dies kann sich beispielsweise auf die dargestellten Ansätze in den Bereichen Kundenlösungen, Kundenintegration, Preismodelle und Reputation bezie-hen. Ohne eine gleichberechtigte Weiterentwicklung organisationaler Beziehungs-ressourcen sind Anbieter nicht in der Lage, ein ausreichend starkes Vertrauen auf organisationaler Ebene aufzubauen. Im Sinne eines optimalen Managements der Kooperationsqualität muss der strategische Fokus daher auf einer parallelen Entwicklung von personalen und organisationalen Beziehungsstrategien liegen. Entsprechend sind die aktuellen Managementsysteme zu überdenken bzw. in sinn-voller Art und Weise anzupassen.

2.7. Kundensegmentierung und Account Management

Die vorliegende Forschung bietet auch Implikationen für die Kundensegmentierung und das Account Management. Diese beziehen sich im Wesentlichen auf die Berücksichtigung beziehungsrelevanter Kundenmerkmale. Aus den Ergebnissen der quantitativen Untersuchung ist ersichtlich, dass sich die Beziehungsorientierung und Extraversion des Kunden deutlich auf die Effektivität von Beziehungsstrategien aus-wirken. Daher ist es wenig sinnvoll, die eigenen Beziehungsstrategien auf Kunden mit kurzfristigen Interaktionspräferenzen oder einer ausgeprägten Introversion zu fokussieren. Durch eine fehlerhafte Allokation der eigenen Ressourcen werden schließlich auch die Ressourcen des Kunden übermäßig beansprucht (Belz/Bußmann 2002, 53; Ganesan 1994, 14).

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Das Beziehungsmanagement ist vielmehr auf Kunden auszurichten, bei denen tatsächlich Chancen für den Aufbau von Vertrauen bestehen. Darüber hinaus sind Kunden zu selektieren, die an der Etablierung entsprechender Geschäftsbeziehun-gen zumindest grundsätzlich interessiert sind. Die Ressourcen des Beziehungs-managements sind in der Regel begrenzt. Daher lassen sich vertrauensrelevante Kundenmerkmale bereits in der Kundensegmentierung berücksichtigen (Belz 1999b, 121). Dies gilt besonders für Business-to-Business-Beziehungen. Auf Grund der Aus-richtung auf wenige Schlüsselkunden ist eine Berücksichtigung der organisationalen Beziehungsorientierung der Kundenorganisation möglich. Soweit die Beziehungs-orientierung auf Kundenseite langfristig angelegt ist, besteht ein grundsätzliches Inte-resse an partnerschaftlicher Zusammenarbeit. Auf dieser Grundlage lassen sich auch die skizzierten Beziehungsstrategien auf personaler und organisationaler Ebe-ne besser umsetzen. Daher ist davon auszugehen, dass eine Konzentration des Relationship Marketing auf langfristig orientierte Kunden effektiver zu den gewünsch-ten Vertrauenseffekten führt. Außerdem lassen sich in diesem Kontext stärkere Auswirkungen auf die Kooperationsqualität und Kundenloyalität erzielen. Insofern sind aus Sicht der Marktsegmentierung praktikable Messgrößen zur Erfassung der kundenseitigen Beziehungsorientierung aufzubauen und in der Segmentierungs-praxis zu nutzen. Grobe Hinweise auf mögliche Segmentierungsparameter lassen sich aus den Items des Fragebogens in Anhang C entnehmen. Darüber hinaus ist beispielsweise wesentlich, ob auf Kundenseite spezifische Ressourcen für die Gestaltung von Kundenbeziehungen vorhanden sind (z.B. Personen für das Vendor Management) oder bereits in einem anderen Kontext strategische Partnerschaften gepflegt werden. Schließlich sind die Erkenntnisse zu kundenbezogenen Moderator-variablen auch für das Account Management verwertbar. Dies gilt speziell für Teil-aspekte der Account Planung (Belz et al. 2004, 183). Im Kontext der Account Planung geht es um die Analyse der Kundensituation und die Einleitung strategischer Maßnahmen zur Erzeugung von Verkaufsfällen. Ein wesentliches Element der Account Planung liegt in der Planung einer kundenindividuellen Beziehungsstrategie. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass der Aufbau interpersonaler Beziehungen auf Managementebene ein wichtiges Mittel ist. Jedoch ist die Umsetzung entsprechen-der Beziehungsinitiativen auch aufwendig (Belz 1999b, 31). Daher sollten die Maß-nahmen entsprechend geplant und effektiv eingesetzt werden. Im Zuge der Planung einer Beziehungsstrategie kann die in der vorliegenden Forschung untersuchte Extraversion der Kunden als Analyse- und Planungsmerkmal herangezogen werden. Die generische Darstellung einer Beziehungsanalyse und Strategieplanung ist in Abb.37 dargestellt.

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Abb.37: Generische Darstellung der Planung einer Beziehungsanalyse und -planung

Dabei sind nur drei Analysekriterien aufgeführt: Extraversion/Introversion des Kun-den, Beziehungsstatus (Unterstützer, Gegner, Neutral) sowie die Kontakthäufigkeit (wenig, gelegentlich, häufig). Soweit nun interpersonale Beziehungen zur ersten und zweiten Führungsebene aufzubauen sind, kann auch die Extraversion der Kunden als relevantes Merkmal herangezogen werden. Dies führt zu unterschiedlichen Vor-teilen. Zunächst ist die Ausprägung Extraversion versus Introversion leicht beobacht-bar. Eine entsprechende Einteilung kann häufig bereits auf Basis der Beobachtung des Kommunikationsverhaltens der betreffenden Person vorgenommen werden. Da-rüber hinaus lassen sich interne Quellen, z.B. von Mentoren für die Analyse heran-ziehen. Schließlich ist davon auszugehen, dass die Anwendung von Relationship Marketing Strategien bei extravertierten Kunden zu stärkeren Vertrauenseffekten führt. Damit lassen sich die erforderlichen Vertrauensbeziehungen effektiver realisie-ren.

DirektorMarketing & Vertrieb

DirektorProduktion

DirektorIT

CEO

I

E I I

Vertriebs-leiter

E

Marketing-leiter

E

Fertigungs-leiter

I

LeiterSysteme

I

LeiterRZ

E

=

= = =

- +== +

E = Extravertiert

I = Introvertiert

+ Unterstützer

- Gegner

wenig Kontakt

gelegentlich Kontakt

häufig Kontakt= Neutral

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Aus Sicht eines IT-Anbieters ist in Bezug auf die in Abb.37 abgebildete Beziehungs-analyse beispielsweise fraglich, ob eine Umsetzung von Beziehungsstrategien über die IT-Abteilung effektiv ist. In der Regel verfügen IT-Anbieter über eine hohe Kon-takthäufigkeit in den IT-Abteilungen der Kunden. Der Kontakt zu den Fachabteilun-gen ist dagegen weniger stark ausgebaut. Soweit aus inhaltlicher Sicht Ansatzpunkte bestehen, kann im dargestellten Beispiel jedoch eine Beziehungsstrategie über die Marketing- und Vertriebsabteilung zu besseren Resultaten führen. Bei einer ausge-prägten Introversion auf Stufe des IT-Direktors und gemischten Präferenzen in der IT-Abteilung selbst, reduziert sich die Effektivität einer Umsetzung von personalen und organisationalen Beziehungsstrategien. Auf der Grundlage der Extraversion der Schlüsselpersonen in Marketing und Vertrieb ergeben sich bessere Ansätze für das Beziehungsmanagement.

Im Kontext der Marktsegmentierung und Account Planung ist wesentlich, dass stets unterschiedliche Merkmale zu berücksichtigen sind. Aspekte wie die Beziehungs-orientierung oder Extraversion der Kunden adressieren daher immer nur eines von mehreren relevanten Kriterien. Jedoch kann die Berücksichtigung von Kundenmerk-malen zur Umsetzung von kunden- und segmentspezifischen Beziehungsstrategien beitragen (Belz 1998b, 63). In diesem Sinne erhöht sich durch die Berücksichtigung solcher Faktoren die Effektivität personaler und organisationaler Beziehungsstrate-gien.

2.8. Implikationen für Kunden

Bei der Darstellung von Implikationen für die Unternehmenspraxis stand bisher eher die Perspektive der Anbieter im Fokus. Jedoch leiten sich aus der vorliegenden Dis-sertation auch Implikationen für Kunden ab. Diese beziehen sich auf unterschiedliche Aspekte.

Grundsätzlich müssen Kunden ihre Strategie für das Management externer Anbieter-beziehungen definieren. Dabei sind unterschiedliche Möglichkeiten denkbar. Allge-mein ist der Trend zu einer stärkeren Integration externer Anbieter zu beobachten. Dies beruht auf einer zunehmenden Spezialisierung in vielen Disziplinen und Unter-nehmensfunktionen. Aus Kundensicht sind daher nicht mehr alle Teilprozesse der eigenen Wertschöpfung alleine gestaltbar. Die Integration und Expertise externer Anbieter ist aus dieser Perspektive zunehmend gefragt. Soweit Kunden Vorteile aus Partnerschaften mit Anbietern ziehen wollen, sind spezifische Voraussetzungen auf Kundenseite zu treffen.

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Dabei steht besonders die Förderung von Vertrauen in gemeinsamen Beziehungen im Vordergrund. Bei Fokussierung auf diese Strategiealternative besteht die Heraus-forderung aus Kundensicht weniger in der Steuerung vieler Lieferantenbeziehungen, sondern in der anspruchsvollen Zusammenarbeit mit wenigen Partnern (Belz 1999b, 50).

Aus der qualitativen Untersuchung leiten sich unterschiedliche Anforderungen an Kunden in Bezug auf die Förderung von Vertrauen ab. Dies bezieht sich zunächst auf die Umsetzung einer größeren Offenheit und Transparenz gegenüber den aus-gewählten Wertschöpfungspartnern. Soweit Kunden tatsächlich von der Expertise und Kompetenz auf Anbieterseite profitieren wollen, müssen sie sich öffnen. Dies umfasst auch die Diskussion eigener Strategien, Ressourcen und Fähigkeiten. Nur auf der Grundlage eines offenen Dialogs können die Leistungen der Anbieter optimal in die Wertschöpfung auf Kundenseite integriert und auf die Ziele der Kunden bezo-gen werden. Darüber hinaus ist die Offenheit des Kunden ein wesentlicher Faktor für die Erzeugung von Vertrauen auf Anbieterseite.

Schließlich sind Kunden auch dazu gezwungen, über die Reduktion eigener opportu-nistischer Verhaltensweisen nachzudenken. In der alltäglichen Kommunikation zwi-schen den Marktteilnehmern ist Opportunismus häufig abstrakt als Problem auf An-bieterseite wahrnehmbar. Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass dies nicht zu-trifft. Auch Kunden verhalten sich opportunistisch. Anbieter werden gegeneinander ausgespielt, ein Mangel an eigener Performance in die Verantwortung der Anbieter delegiert und Konzepte der Partner für eine Umsetzung im eigenen Haus genutzt.

Entsprechend bestehen in einigen Fällen auch auf Anbieterseite Vorbehalte gegen eine offene Zusammenarbeit mit Kunden. Die Reduktion opportunistischer Verhal-tensweisen auf beiden Seiten ist folglich eine wichtige Bedingung für eine vertrau-ensvolle Zusammenarbeit (Morgan/Hunt 1994, 25).

Über die skizzierten Faktoren hinaus ist es für Kunden auch wichtig, eine ausrei-chend hohe Qualität bei den eigenen Mitarbeiter/innen verfügbar zu halten. Diese Implikation leitet sich aus verschiedenen Überlegungen ab. Zunächst ist die Exper-tise und Kompetenz der Mitarbeiter/innen auf Kundenseite eine wichtige Bedingung für den Aufbau von Vertrauen bei den Anbietern. Die Ergebnisse der qualitativen Evaluation führen zu der Erkenntnis, dass die Anbieter eine Kooperation mit quali-fizierten und erfahrenen Kunden bevorzugen. Darüber hinaus erleichtert die Verfüg-barkeit einer internen Expertise die Entscheidungsprozesse auf Seiten der Kunden. Dies betrifft auch die eigenen Entscheidungen zwischen Vertrauen und Misstrauen.

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Die Qualifikation der eigenen Mitarbeiter/innen induziert in diesem Sinne für die Kun-den einen wichtigen Schutzmechanismus vor opportunistischer Ausnutzung. Wenn der Kunde mangels eigener Expertise keinerlei Bewertungen vornehmen kann, leidet darunter auch die Herbeiführung von Vertrauensentscheidungen. Dabei soll und kann die Expertise der Kunden den Anbieter nicht ersetzen, denn der Sinn arbeits-teiliger Partnerschaften besteht gerade in der Nutzung von Ressourcen auf Anbieter-seite. Die Definition und Umsetzung von Anforderungsprofilen an die Qualifikation und Expertise bei den eigenen Mitarbeiter/innen ist jedoch für die Gestaltung effek-tiver Kooperationen wesentlich.

Eine weitere relevante Implikation für Kunden thematisiert die Teilung von Chancen und Risiken in Lösungsprojekten. Die bisher praktizierten Modi bilden die Merkmale einer Partnerschaft aus finanzieller Sicht nur unzureichend ab. Die Resultate der vor-liegenden Forschung zeigen, dass variable oder wertorientierte Preismodelle nur sel-ten eingesetzt werden. Dagegen dominiert nach wie vor eine Anbindung von Preisen an den Kosten auf Anbieterseite (cost-plus pricing). Entsprechend schlagen sich die Chancen und Risiken bei neuen Vorhaben ausschließlich auf Kundenseite nieder. Im Sinne einer Förderung von Vertrauen und Partnerschaft können Kunden eine stärke-re unternehmerische Beteiligung der Anbieter einfordern. Wesentlich ist jedoch, die-se Grundidee nicht nur im Sinne einer Beteiligung an den Projektrisiken umzusetzen. Für den Anbieter sollte auch die Chance erkennbar sein, am Erfolg des Kunden finanziell zu partizipieren. Entsprechend bilden wertorientierte Preismodelle auch aus Kundensicht eine interessante Perspektive.

Weitere Implikationen der vorliegenden Forschung beziehen sich auf die interne Kooperation des Kunden. Die skizzierten Fallbeispiele aus der IT-Branche zeigen auf, dass der Wert einer Anbieterleistung in der Regel nicht nur in einer einzelnen Abteilung auf Kundenseite entsteht. Im Gegenteil ist in den meisten Fällen die Einbindung weiterer relevanter Organisationseinheiten erforderlich, die durch Verän-derungen der Wertschöpfungskette direkt oder indirekt tangiert sind. Daher lassen sich die Vorteile aus einer Integration externer Partner nur erzielen, wenn eine effek-tive Kooperation zwischen den betroffenen Organisationseinheiten auf Kundenseite gegeben ist. Dies führt zu einer Erweiterung der Vertrauens- und Kooperationsprob-lematik auf den gesamten Wertschöpfungsprozess. Entsprechend sollten Kunden ihre Supply Chain auch aus Vertrauens- und Kooperationsperspektive überprüfen. Interne Kundenprobleme lassen sich kaum durch eine Integration externer Wert-schöpfungspartner lösen. Daher ist die Anbieterleistung auch immer von internen Prozessen auf Kundenseite abhängig.

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Neben den skizzierten Überlegungen sind auf Kundenseite Fragestellungen in Bezug auf die Umsetzung von standardisierten Ausschreibungen zu stellen. Dies betrifft darüber hinaus auch die Auslagerung von Einkaufsprozessen an spezialisierte Unternehmen oder die Standardisierung der Beschaffung über Auktionen. Die skiz-zierten Beschaffungsprozeduren bezwecken letztlich eine Minimierung von Bezie-hungseffekten sowie eine Standardisierung der Anbieterleistungen. Damit soll der Beschaffungsprozess objektiviert und auf wesentliche Kernkriterien zurückgeführt werden. Die qualitative Untersuchung zeigt jedoch, dass durch derartige Einkaufs-praktiken nicht nur Beziehungsstrategien an Wirkung verlieren, sondern auch das Vertrauen der Anbieter in den Kunden sinkt. Entsprechend resultiert aus einem transaktionalen Verhalten der Kunden auch ein transaktionales Verhalten der Anbie-ter. Aus Kundensicht ist zu thematisieren, ob dies so beabsichtigt ist. Jedenfalls lassen sich die positiven Effekte partnerschaftlicher Kooperation durch ein derartiges Beschaffungsverhalten kaum realisieren.

Aus der vorliegenden Dissertation sind im Gegenteil Implikationen abzuleiten, die auf eine Förderung des beidseitigen Vertrauens und die Umsetzung strategischer Partnerschaften setzen. Dabei sind zunächst durch den Kunden vertrauenswürdige Anbieter auszuwählen. Das Management und die Pflege von Schlüssellieferanten und Partnerschaften wird auf dieser Basis für Kunden an Bedeutung gewinnen (Belz/Mühlmeyer 2001, 20).

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3. Limitationen

Neben den dargestellten Implikationen für die Marketingtheorie und -praxis sind auch einige Limitationen der vorliegenden Forschung für die Bewertung relevant. Diese beziehen sich auf die Begrenzung des Forschungsgegenstands sowie auf metho-dische Aspekte der quantitativen Untersuchung.

Forschungsgegenstand. Gegenstand der vorliegenden Forschung ist die Untersu-chung von Vertrauen in der Zusammenarbeit zwischen Anbietern und Kunden bei der Gestaltung von IT-Lösungen. Durch die Fokussierung auf IT-Lösungen sind der Forschungsgegenstand und die Gültigkeit der vorliegenden Ergebnisse zunächst auf einen spezifischen Leistungsbereich begrenzt. Damit stellt sich die Frage nach einer Generalisierbarkeit der Forschung für andere Business-to-Business-Beziehungen oder für Beziehungen zwischen Unternehmen und Konsumenten. Dies kann nicht eindeutig positiv oder negativ beantwortet werden.

Für eine grundsätzliche Übertragbarkeit der Forschungsergebnisse spricht, dass die Einzeleffekte des untersuchten Forschungsmodells teilweise umfassend in unter-schiedlichen Kontextzusammenhängen getestet sind. So ist das grundsätzliche Input-Mediator-Output Modell der Relationship Marketing Forschung u.a. durch empi-rische Daten aus der automobilen Zuliefererindustrie (B2B, Morgen/Hunt 1994), der Finanzdienstleistungsbranche (B2C, Crosby et al. 1990), der verarbeitenden In-dustrie (B2B, Doney/Cannon 1994) sowie in industrieübergreifenden B2B-Beziehungen (Anderson/Narus 1990) getestet. Darüber hinaus ist die allgemeine Modellstruktur durch die Meta-Analyse von Palmatier et al. (2006) branchenüber-greifend überprüft. Daher kann die Grundstruktur der konzeptionellen Vorüber-legungen auch für einen anderen Kontext übernommen werden. Dies gilt m.E. auch für die Konzeptualisierung von Vertrauen auf personaler und organisationaler Ebene. Die Differenzierung dieser Vertrauensebenen bezieht sich auf die Erkenntnisse der allgemeinen Vertrauensforschung und ist inzwischen allgemein akzeptiert (Zaheer et al. 1998, 141; Currall/Inkpen 2002, 2006).

Fraglich ist hingegen, ob die Beziehungen zwischen beiden Vertrauenskonstrukten sowie die spezifischen Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen auf beiden fokalen Vertrauensebenen markt- und branchenübergreifend konstant sind. Diese Frage muss mit Hinblick auf die bestehende Forschung zu Unterschieden zwischen verschiedenen Marktformen verneint werden (Palmatier et al. 2006, 147).

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Unterschiede werden sich auch mit Hinblick auf die markt- und branchenspezifische Wirkung und Ausgestaltung organisationaler Beziehungsstrategien ergeben. Insofern lassen sich aus den vorliegenden Fallstudien nur allgemeine Implikationen und Em-pfehlungen zur Umsetzung ableiten. In Summe ist davon auszugehen, dass die all-gemeine Modellstruktur auch für andere Marktformen und Branchen adaptierbar ist. Im Detail ergeben sich jedoch Unterschiede. Dies gilt besonders für die Umsetzung organisationaler Beziehungsstrategien und die Stärke der Wirkungen zwischen den Bedingungen und Auswirkungen von Vertrauen auf multiplen Ebenen.

Stichprobengröße. Eine weitere Limitation der vorliegenden Forschung folgt aus der Größe der Stichprobe. Für die Untersuchung des in Teil 3 entwickelten Modells lässt sich in der Anbieter- und Kundenstichprobe jeweils eine Stichprobengröße von n = 220 heranziehen. Wie diese Stichprobengröße zu bewerten ist, muss auf Basis der Erkenntnisse zu Ermittlung einer optimalen Stichprobengröße in Strukturgleichungs-modellen bewertet werden. Die Empfehlungen sind in dieser Hinsicht nicht eindeutig. Teilweise wird eine Mindeststichprobengröße von n=200 verlangt (Herrmann et al. 2006, 44). Andere Untersuchungen orientieren die Beurteilung der Stichprobengröße an der statistischen Power des Testverfahrens (MacCallum et al. 1996). Ein drittes und empirisch überprüftes Verfahren (Jackson 2003) orientiert die Bestimmung der optimalen Stichprobengröße N an der zu schätzenden Parameteranzahl q (Bentler/Chou 1987; Marsh et al. 1988). Dabei wird im Verhältnis Stichprobe zu Parameteranzahl N:q mindestens ein Verhältnis von 1:1, im Idealfall jedoch ein höhe-res Verhältnis von beispielsweise 5:1 angestrebt. Für den vorliegenden Fall beinhal-tet das Strukturgleichungsmodell in Anbieter- und Kundenstichprobe jeweils 115 zu schätzende Parameter. Das Verhältnis zwischen Stichprobengröße und Parameter-anzahl liegt damit knapp unter 2 und ist damit auf Grundlage des N:q Kriteriums als schwach ausreichend einzustufen. Folglich ist zu prüfen, ob das Ausgangsmodell oder Teilmodelle mit besseren N:q-Relationen bestätigt werden können. Alternativ ist auch eine ergänzende Untersuchung der Rohdaten mit in Bezug auf die Stichprobe weniger anspruchsvollen Verfahren, wie beispielsweise PLS (Partial Least Squares) umzusetzen (Huber et al. 2007).

Modellspezifikation. Eine weitere Einschränkung der vorliegenden Forschung liegt im Rahmen der quantitativen Untersuchung in der Spezifikation des Struktur-gleichungsmodells. Der unterstellte wechselseitige Effekt im Sinne von Forschungs-hypothese H1 führte zu einer Überspezifikation des Strukturmodells.

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Das Spezifikationsproblem konnte weiterhin analog zu Eid (2000, 252) durch eine Reduktion der modellierten Pfadbeziehungen gelöst werden. Die skizzierte Spezi-fikationsproblematik weist darauf hin, dass die wechselseitige Beeinflussung der bei-den fokalen Vertrauenskonstrukte im Rahmen des vorliegenden Forschungsdesigns nicht getestet werden kann. Aus dieser Sicht sind weiterführende Forschungen, z.B. in Form von Längsschnittdesigns anzustreben. Eine statistisch signifikante Prüfung der unterstellten wechselseitigen Beeinflussung kann daher im Rahmen des vor-liegenden Untersuchungszusammenhangs nicht vorgenommen werden. Damit las-sen sich in dieser Hinsicht nur deskriptive Daten und die Ergebnisse der qualitativen Untersuchung heranziehen.

Untersuchung von Moderatoreffekten. Schließlich zeigt sich aus methodischer Sicht eine weitere Limitation bei der Untersuchung der modellierten Moderatoreffekte. Zwar ist das angewendete Verfahren nach Ping (1995) bzw. die Aufteilung der Stich-proben und die Durchführung eines Zwei-Gruppen-Vergleichs (Chi-Quadrat-Differenztest) inzwischen in vielen Untersuchungen etabliert (Einwiller et al. 2005, 32; Palmatier et al. 2007, 191). Nach Huber et al. (2006, 698) ist jedoch die Anwendung des Verfahrens für Quasimoderatoren problematisch. Quasimoderatoren zeichnen sich dadurch aus, dass die Moderatorvariable nicht nur den Effekt zwischen der unabhängigen und abhängigen Variable beeinflusst, sondern darüber hinaus auch noch einen direkten Effekt auf die unabhängige Variable aufweist. Bei Anwendung eines Zwei-Gruppen-Vergleichs kann jedoch der direkte Effekt des Moderators auf die Zielgröße nicht berechnet werden.

In Bezug auf das vorliegende Forschungsmodell ist davon auszugehen, dass die Konstrukte Extraversion und Beziehungsorientierung auch einen direkten Effekt auf das Vertrauen der Kunden entfalten. Die beiden untersuchten Kundenmerkmale beeinflussen nicht nur die Stärke des Effekts von Beziehungsstrategien auf das Kun-denvertrauen, sondern auch das Vertrauen der Kunden selbst. Daher handelt es sich bei den beiden untersuchten Konstrukten um Quasimoderatoren. Insofern stellt sich die Frage, wie sich die dargestellten Moderatoreffekte bei Berücksichtigung der direkten Effekte zwischen den Moderatorvariablen und den fokalen Vertrauens-konstrukten verändern. Die interpretierten Moderatoreffekte sind daher beispielswei-se durch Anwendung der von Huber et al. (2006, 699) dargestellten Verfahren und ergänzende Untersuchungen abzusichern bzw. erneut zu überprüfen.

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4. Schwerpunkte der weiteren Vertrauensforschung

Auf der Grundlage der vorliegenden Dissertation zu Fragen des Vertrauens in Kundenbeziehungen lassen sich unterschiedliche Schwerpunkte für die weitere Ver-trauensforschung im Marketing identifizieren.

Diese beziehen sich zunächst auf eine tiefere Analyse der im Kontext der darge-stellten Untersuchung eingeführten multidimensionalen Konzeptualisierung des Ver-trauenskonstrukts. Vertrauen ist in dieser Hinsicht nicht homogen, sondern auf unter-schiedlichen Objekt- und Subjektebenen zu untersuchen. Im Kontext der darge-stellten Forschung standen v.a. die Vertrauensobjekte Person und Organisation im Fokus. Die weitere Vertrauensforschung hat sich damit zu befassen, ob auch eine Modellierung alternativer Vertrauenssubjekte sinnvoll ist. Damit ist besonders die Frage adressiert, ob Organisationen per se vertrauen können (Currall/Inkpen 2002; Sydow 2006). Eine entsprechende Konzeptualisierung unterschiedlicher Vertrauens-geber führt zu einer erweiterten Komplexität der Vertrauensdynamik in Kundenbezie-hungen. Die Forschung muss sich dann nicht nur damit befassen, was für die Entstehung von Vertrauen ursächlich ist, sondern auch wer die jeweils erforderlichen Vertrauensentscheidungen trifft bzw. wie Vertrauensentscheidungen im Wechselspiel zwischen Person und Organisation entstehen. Ansätze zur Modellierung von Orga-nisationen als Vertrauenssubjekt lassen sich beispielsweise aus der Struktura-tionstheorie ableiten (Sydow 2006). In diesem Sinne sind Faktoren wir Beziehungs-orientierung und Extraversion nicht nur als Moderatoren individueller Vertrauensent-scheidungen aufzufassen. Die Struktur kollektiver Muster der Organisation bildet vielmehr einen theoretischen Ansatz zur Begründung einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Vertrauenskultur.

Über die Konzeptualisierung unterschiedlicher Subjekte und Objekte von Vertrauen hinaus ist die Frage wesentlich, wie stark der Effekt der einzelnen Vertrauensebenen auf alternative Zielkonstrukte ist (Corazzini 1977, 75). Daher sind neben Kooperation und Loyalität auch noch weitere Zielkonstrukte, wie beispielsweise die finanzielle Performance eines Anbieters, auf der Grundlage von multidimensionalen Vertrau-enskonzepten zu untersuchen.

Schließlich induziert auch eine Analyse der Wechselwirkungen zwischen alternativen Vertrauensebenen einen weiteren Forschungsbedarf. Beispielsweise ist zu unter-suchen, welche Vertrauensebene unter welchen Kontextbedingungen von größerer Bedeutung ist oder durch welche Strategien ein Transfer von Vertrauen über die skizzierten Ebenen stimuliert werden kann.

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Im Kontext der weiteren Forschungen sind diesbezüglich vermehrt Längsschnitt-designs einzusetzen, die eine Untersuchung der Dynamik zwischen den fokalen Ver-trauenskonstrukten über die Zeit ermöglichen (Currall/Inkpen 2006, 244). Quer-schnittdesigns liefern in dieser Hinsicht nur eine Momentaufnahme. Bei einer Unter-suchung über mehrere Perioden lassen sich die Wachstums- und Transfereffekte aus multiplen Vertrauensebenen besser darstellen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Forschung sollte in der fortgesetzten Exploration orga-nisationaler Beziehungsstrategien liegen. Dies gilt sowohl in Bezug auf eine kon-zeptionelle Vertiefung der an dieser Stelle präsentierten Ansätze, jedoch auch für die Evaluation weiterer Möglichkeiten einer Stimulierung von Vertrauen durch orga-nisationale Ressourcen. Die gestiegene Bedeutung von institutionalisierten Vertrau-ensressourcen leitet sich aus sozialen und technologischen Veränderungen ab. Da-bei werden die Beziehungen zwischen Anbietern und Kunden in Zukunft an Volatilität und Mobilität gewinnen. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung interpersonaler Beziehun-gen ab (Van de Ven/Ring 2006, 145). Für Anbieter ist es daher ein wesentlicher Wettbewerbs- und Erfolgsfaktor, das eigene Unternehmen als Vertrauensorga-nisation zu etablieren. Die skizzierten Überlegungen zu Kundenintegration, Preis-modellen, Kundenlösungen und Reputation sind daher in ihrer Anwendung und Aus-wirkung auf das Vertrauen in Kundenbeziehungen genauer zu beschreiben. Dies kann beispielsweise durch eine umfangreichere Durchführung von Fallstudien oder die Evaluation entsprechender Strategien in Aktionsforschungsprojekten geschehen.

Darüber hinaus sind weitere Zielkonstrukte zu untersuchen, die eine Förderung von Vertrauen in Kundenbeziehungen adressieren. Als wesentlich gilt in diesem Zusam-menhang die von Zajac und Olsen (1993, 131) thematisierte Berücksichtigung von Transaktionsvorteilen (transaction values). Solche Vorteile aus Transaktionen zeigen sich beispielsweise in der verstärkten Umsetzung von Innovationen. Die Wechsel-wirkungen zwischen Relationship Marketing Programmen und der Wissensbasis sowie Innovationstätigkeit eines Unternehmens sind in dieser Hinsicht nur relativ schwach beleuchtet (Palmatier 2008, 95). Schließlich ist erneut zu prüfen, durch wel-che Vertrauensebenen spezifische Transaktionsvorteile entstehen. Insofern kann das in dieser Forschung entwickelte Modell auch auf diesen Erklärungszusammenhang angewendet werden.

Bei den Auswirkungen von Vertrauen in Kundenbeziehungen sind schließlich auch die Negativeffekte von Vertrauen deutlicher zu hinterfragen. Potentielle Risiken aus Vertrauen bleiben in der Marketingforschung bisher weitgehend unberücksichtigt.

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Die im Rahmen dieser Arbeit vorgetragenen Überlegungen induzieren die Hypothe-se, dass Vertrauen ab einer gewissen Ausprägungsstärke zu dysfunktionalen Aus-wirkungen führt (Gargiulo/Ertug 2006, 175). Dabei zeigen sich derartige Effekte bevorzugt in interpersonalen Beziehungen. Die entsprechenden Erklärungszusam-menhänge sind jedoch weder konzeptionell modelliert noch empirisch überprüft. Im Kontext von Vertrauensrisiken erscheint insbesondere die Bestimmung und Messung eines optimalen Vertrauensniveaus schwierig, da die Vorteile und Nachteile von Vertrauen auf identischen Prädiktoren basieren. Entsprechend ist eine Entwicklung und Anwendung geeigneter Forschungsdesigns zur Untersuchung der Negativeffekte von Vertrauen gefragt. Schließlich lässt sich ein Schwerpunkt der weiteren Forschung in der empirischen Untersuchung relevanter Kontextmerkmale identifizie-ren. Dies bezieht sich auf eine differenzierte Analyse von Moderatoreffekten (Palma-tier et al. 2006, 151). Dabei sind zum einen die relevanten Kontextbedingungen für den Einsatz personaler und organisationaler Beziehungsstrategien relevant. Zum anderen ist vertieft zu untersuchen, welche Kontextfaktoren die Wirkung von Vertrauen auf alternative Zielkonstrukte beeinflussen. Als relevanter Kontext sind dabei v.a. die Kunden und ihre spezifischen Merkmale und Anforderungen zu thema-tisieren. Die Relationship Marketing Forschung hat die Ausgangssituation der Kunden bei der Modellierung von Beziehungsstrategien bisher weitestgehend aus-geblendet. Dabei liefert die vorliegende Forschung durch die Konzeptualisierung von Extraversion und Beziehungsorientierung erste Ansätze für ein Verständnis der kundenbezogenen Einflussfaktoren auf die Vertrauensdynamik. Entsprechend verfügt eine auf diese Fragestellung fokussierte Forschung über ein fruchtbares Potential. In dieser Beziehung ist die Rolle des Kunden bei der Gestaltung von Ver-trauensbeziehungen näher zu beleuchten. Die Kunden verfügen, wie im Rahmen der vorliegenden Arbeit skizziert, durch eigene Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster über einen erheblichen Einfluss auf die Vertrauensdynamik. Eine wesentliche Frage bezieht sich daher auf die für eine Entstehung von Vertrauen förderliche Gestaltung von kundenseitigen Beschaffungsprozessen. Darüber hinaus ist aus Anbieter- und Marketingsicht relevant, wie mit alternativen Kundentypen umzugehen ist. Eine pau-schale Fokussierung auf Relationship Marketing scheint dabei ebenso fehlplatziert, wie eine rein transaktionales Anbieterverhalten. Aus diesem Zusammenhang lassen sich Forschungsfragen mit Hinblick auf eine Integration von Beziehungs- und Vertrauensfragen in Themenbereiche wie Markt- und Kundensegmentierung sowie Account- und Opportunity Management ableiten. Für die Relationship Marketing For-schung sind damit vielfältige Forschungsfelder für die weitere Ausdifferenzierung des Forschungsgebiets gegeben.

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5. Fazit

Das wesentliche Anliegen der vorliegenden Dissertation besteht in einer differenzier-ten Untersuchung der Dynamik von Vertrauensbeziehungen zwischen Anbietern und Kunden. Dabei lassen sich verschiedene Erweiterungen der aktuell vorliegenden Vertrauensforschung im Marketing identifizieren. Zunächst zeigt sich das Vertrauen in Kundenbeziehungen nicht als homogenes Konstrukt. Vertrauen ist vielmehr ein vielschichtiges Phänomen mit multiplen Analyseebenen. Die hier dargestellte Forschung fokussierte v.a. das Vertrauen der Kunden in zwei differenzierbare Ver-trauensobjekte. Kunden vertrauen in einzelne Personen auf Anbieterseite und in die Anbieterorganisation. Auf Basis dieser Differenzierung lassen sich im Marketing personale und organisationale Beziehungsstrategien unterscheiden. Schließlich führt Vertrauen auf multiplen Ebenen auch zu differenzierbaren Auswirkungen. Dies gilt besonders für die Kundenloyalität. Aus der getrennten Analyse einer personal und organisational motivierten Loyalität der Kunden lassen sich auch spezifische Risiken der aktuell dominanten Umsetzung interpersonaler Beziehungsstrategien ableiten. Vertrauen führt in dieser Hinsicht nicht nur zu positiven Auswirkungen, sondern kann im Gegenteil gravierende Risiken auf Anbieterseite induzieren. Abschließend führt die diskutierte Untersuchung zu einer stärkeren Berücksichtigung der Kundenper-spektive. Kunden tragen durch eigene Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster erheb-lich zur Förderung von Vertrauen auf beiden Seiten bei. Entsprechend sind aus Anbieter- und Kundensicht effektive Strategien für den weiteren Umgang mit Ver-trauen in gemeinsamen Beziehungen zu gestalten.

Der Kernbeitrag der dargestellten Forschung besteht daher in einer Vertiefung und Differenzierung der Relationship Marketing Theorie. Dies führt auch zu erheblichen Implikationen für die Unternehmenspraxis. Anbieter sollten auf Basis der skizzierten Forschungsergebnisse ihre Anstrengungen im Bereich interpersonaler RM Programme durch organisationale Beziehungsstrategien ergänzen. Dabei kann be-sonders durch Initiativen in den Bereichen Kundenintegration, Preismodelle, Kunden-lösungen und Reputation ein signifikanter Effekt auf das Vertrauen der Kunden in die Anbieterorganisation induziert werden. Darüber hinaus lassen sich durch die Ausrich-tung der eigenen Organisation auf Vertrauensmerkmale auch die Fluktuations- und Loyalitätsrisiken aus interpersonalen Beziehungen abschwächen. Für eine nach-haltige Realisierung der Vorteile aus Vertrauensbeziehungen ist jedoch auch eine Mitarbeit der Kunden erforderlich. Daher lassen sich den Forschungsergebnissen auch Implikationen für die an Vertrauensfragen interessierte Kunden ableiten.

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Insgesamt führt die vorliegende Dissertation daher zu einer vielschichtigen Konzep-tualisierung des Konstrukts Vertrauen in Kundenbeziehungen. Dies lässt eine sinn-volle Verarbeitung der immanenten Komplexität von Vertrauensfragen zu und führt zu managementrelevanten Implikationen für die Unternehmenspraxis.

”People buy from people they like”

Die Botschaft dieses Zitats behält auch im Kontext der vorliegenden Forschung seine Gültigkeit. Der Mensch ist nach wie vor Dreh- und Angelpunkt für die Gestaltung von Vertrauen in Kundenbeziehungen. In einer Zeit abnehmender sozialer Bindungen und zunehmender Dynamik lassen sich Beziehungen jedoch immer weniger alleine auf interpersonalen Vertrauensressourcen aufbauen. Das Vertrauen in Organisa-tionen und Institutionen gewinnt an Bedeutung. Anbieter und Kunden müssen sich daher fragen, wie das Vertrauen in gemeinsamen Beziehungen gestärkt werden kann. Die vorliegende Dissertation leistet in dieser Hinsicht einen kleinen Beitrag.

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Anhang

A. Konstrukte und Items (Fragebogen Kundenstichprobe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300

B. Konstrukte und Items (Fragebogen Anbieterstichprobe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303

C. Konstrukte und Items (Moderatorvariablen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304

D. Transkriptionsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

E. Verzeichnis der Gesprächspartner für Fallstudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310

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A. Konstrukte und Items (Fragebogen Kundenstichprobe)

Konstrukte und Items Ladungen

1 Expertise (Doney/Cannon 1997, 49)

Die verantwortlichen Mitarbeiter/innen dieses Anbieters verfügen über ein profundes fachliches Wissen.

Die verantwortlichen Mitarbeiter/innen dieses Anbieters verfügen über eine ausgezeichnete IT-Expertise.

Die verantwortlichen Mitarbeiter/innen dieses Anbieters verstehen meine Branche.

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2 Kommunikation (Anderson/Weitz 1992, 32)

Die verantwortlichen Mitarbeiter/innen dieses Anbieters lassen uns pro-aktiv relevante Informationen zukommen.

Die verantwortlichen Mitarbeiter/innen dieses Anbieters verstehen meine Bedürfnisse.

Die Kommunikation mit den verantwortlichen Mitarbeiter/innen dieses Anbieters ist wertvoll.

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3 Opportunistisches Verhalten (Morgan/Hunt 1994, 35)

Dieser Anbieter macht gelegentlich Zusagen, die später nicht eingehalten werden können.

Dieser Anbieter informiert uns nur über relevante Sachverhalte, wenn dies auch zu seinem Vorteil ist.

Überwiegend hat dieser Anbieter stärker sein eigenes Interesse, als das Interesse des Kunden im Fokus.

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4 Kundenintegration (Fang 2008, 101)

Wir sind in die Entwicklung neuer Leistungen dieses Anbieters eingebunden.

Wir haben noch während der Entwicklungsphase einen signifikanten Einfluss auf die Leistungen dieses Anbieters.

Im Rahmen der Entwicklung neuer Leistungen ist bei diesem Anbieter ein regelmäßiger Austausch mit uns üblich.

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Konstrukte und Items Ladungen

5 Wertorientierte Preismodelle

Dieser Anbieter orientiert seine Preise an der Erzeugung von Mehrwerten auf Kundenseite.

Dieser Anbieter ist bereit, sich an den Projektchancen und Projektrisiken zu beteiligen.

Unsere ROI-Kalkulation hat bei Projekten mit diesem Anbieter Einfluss auf die Preisgestaltung.

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6 Kundenlösungen

Dieser Anbieter hat Prozesse etabliert, um unsere Herausforderungen als Kunde lösen zu können.

Dieser Anbieter bietet individuelle Kundenlösungen. Die Leistungen dieses Anbieters sind bei uns integriert

und an unsere geschäftlichen Bedürfnisse angepasst.

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.79

7 Reputation (Doney/Cannon 1997, 48; Einwiller et al. 2005, 37)

Dieser Anbieter gilt als vertrauenswürdig. Dieser Anbieter ist dafür bekannt, intensiv nach Lösungen

für die Bedürfnisse seiner Kunden zu suchen. Dieser Anbieter hat einen sehr guten Ruf.

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8 Vertrauen in Personen (Doney/Cannon 1997, 49)

Die Mitarbeiter/innen dieses Anbieters sind als Person vertrauenswürdig.

Ich würde den Mitarbeiter/innen dieses Anbieters auch dann vertrauen, wenn sie das Unternehmen verlassen.

Ich vertraue in die persönliche Leistung der Mitarbeiter/innen dieses Anbieters.

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9 Vertrauen in die Anbieterorganisation (Doney/Cannon 1997, 48)

Dieser Anbieter ist als Unternehmen vertrauenswürdig. Ich würde diesem Anbieter auch dann vertrauen, wenn die mir

bekannten Mitarbeiter/innen das Unternehmen verlassen. Ich vertraue in die kollektive Leistung

dieses Anbieters als Unternehmen.

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Konstrukte und Items Ladungen

10 Loyalität zu Personen (Palmatier et al. 2007, 197)

Wenn die Mitarbeiter/innen dieses Anbieters zu einem anderen Unternehmen mit vergleichbaren Leistungen wechseln, würde ich versuchen auch weiterhin mit ihnen Geschäfte zu machen.

Ich spüre eine stärkere Verbundenheit gegenüber einzelnen Mitarbeiter/innen dieses Anbieters, als gegenüber dem Anbieter als Unternehmen.

Ich würde die Mitarbeiter/innen dieses Anbieters weiterempfehlen, auch wenn sie das Unternehmen verlassen.

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11 Kooperation (Anderson/Narus 1990, 49; Morgan/Hunt 1994, 35)

Die Kooperation mit diesem Anbieter ist effektiv. Wir unterstützen uns gegenseitig bei der Realisierung

gemeinsamer Ziele. Bei der Zusammenarbeit mit diesem Anbieter findet eine

gemeinsame Koordination der auszuführenden Aktivitäten statt.

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12 Loyalität zur Anbieterorganisation (Palmatier et al. 2007, 197)

Bei neuen Projekten werden wir eine Zusammenarbeit mit diesem Anbieter bevorzugt in Erwägung ziehen.

Wir werden mit diesem Anbieter auch in Zukunft Projekte umsetzen.

Ich kann diesen Anbieter ohne Vorbehalte weiterempfehlen.

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B. Konstrukte und Items (Fragebogen Anbieterstichprobe)

Konstrukte und Items Ladungen

1 Expertise (Doney/Cannon 1997, 49)

Unsere Mitarbeiter/innen bei diesem Kunden verfügen über ein profundes fachliches Wissen.

Unsere Mitarbeiter/innen bei diesem Kunden verfügen über eine ausgezeichnete IT-Expertise.

Unsere verantwortlichen Mitarbeiter/innen verstehen die Branche des Kunden.

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2 Kommunikation (Anderson/Weitz 1992, 32)

Unsere verantwortlichen Mitarbeiter/innen lassen dem Kunden pro-aktiv relevante Informationen zukommen.

Unsere verantwortlichen Mitarbeiter/innen verstehen die Bedürfnisse dieses Kunden.

Die Kommunikation mit unseren verantwortlichen Mitarbeiter/innen ist aus Kundensicht wertvoll.

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3 Opportunistisches Verhalten (Morgan/Hunt 1994, 35)

Es kommt gelegentlich vor, das wir Zusagen machen, die später nicht eingehalten werden können.

Wir informieren den Kunden in der Regel nur zu relevanten Sachverhalten, wenn dies auch zu unserem Vorteil ist.

Überwiegend haben wir stärker unser eigenes Interesse, als das Interesse des Kunden im Fokus.

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4 Kundenintegration (Fang 2008, 101)

Wir binden den Kunden in die Entwicklung neuer Leistungen ein. Der Kunde hat noch während der Entwicklungsphase

einen signifikanten Einfluss auf unsere Leistungen. Im Rahmen der Entwicklung neuer Leistungen ist bei uns

ein regelmäßiger Austausch mit dem Kunden üblich.

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Konstrukte und Items Ladungen

5 Wertorientierte Preismodelle

Wir orientieren unsere Preise bei diesem Kunden an der Erzeugung von Mehrwerten auf Kundenseite.

Wir sind als Anbieter bereit, uns an den Projektchancen und Projektrisiken zu beteiligen.

Die ROI-Kalkulation des Kunden hat bei Projekten Einfluss auf unsere Preisgestaltung.

.84

.87

.86

6 Kundenlösungen

Wir haben als Anbieter Prozesse etabliert, um die Herausforderungen des Kunden lösen zu können.

Wir bieten individuelle Kundenlösungen. Unsere Leistungen sind beim Kunden integriert

und an seine geschäftlichen Bedürfnisse angepasst.

.88

.91

.93

7 Reputation (Doney/Cannon 1997, 48; Einwiller et al. 2005, 37)

Unser Unternehmen gilt als vertrauenswürdig. Unser Unternehmen ist dafür bekannt, intensiv nach Lösungen

für die Bedürfnisse der Kunden zu suchen. Unser Unternehmen hat einen sehr guten Ruf.

.85

.85

.87

8 Vertrauen in Personen (Doney/Cannon 1997, 49)

Unsere Mitarbeiter/innen sind als Person aus Kundensicht vertrauenswürdig.

Der Kunde würde unseren Mitarbeiter/innen auch dann vertrauen, wenn sie unter Unternehmen verlassen.

Der Kunden vertraut in die persönliche Leistung unserer Mitarbeiter/innen.

.86

.91

.85

9 Vertrauen in die Anbieterorganisation (Doney/Cannon 1997, 48)

Wir sind als Unternehmen aus Kundensicht vertrauenswürdig. Der Kunde würde uns auch dann vertrauen, wenn die für ihn

bekannten Mitarbeiter/innen das Unternehmen verlassen. Der Kunde vertraut in die kollektive Leistung

unseres Unternehmens.

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Konstrukte und Items Ladungen

10 Loyalität zu Personen (Palmatier et al. 2007, 197)

Wenn unsere Mitarbeiter/innen zu einem anderen Unternehmen mit vergleichbaren Leistungen wechseln, würde der Kunde versu-chen auch weiterhin mit ihnen Geschäft zu machen.

Der Kunden spürt eine stärkere Verbundenheit gegenüber einzelnen Mitarbeiter/innen, als gegenüber uns als Unternehmen.

Der Kunden würde unsere Mitarbeiter/innen weiterempfehlen, auch wenn sie unser Unternehmen verlassen.

.83

.79

.83

11 Kooperation (Anderson/Narus 1990, 49; Morgan/Hunt 1994, 35)

Die Kooperation mit diesem Kunden ist effektiv. Wir unterstützen uns gegenseitig bei der Realisierung

gemeinsamer Ziele. Bei der Zusammenarbeit mit diesem Kunden findet eine

gemeinsame Koordination der auszuführenden Aktivitäten statt.

.80

.82

.84

12 Loyalität zur Anbieterorganisation (Palmatier et al. 2007, 197)

Bei neuen Projekten werden wir als Anbieter von diesem Kunden bevorzugt in Erwägung gezogen.

Wir werden als Anbieter mit diesem Kunden auch in Zukunft Projekte umsetzen.

Der Kunde kann uns als Anbieter ohne Vorbehalte weiterempfehlen.

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C. Konstrukte und Items (Moderatorvariablen)

Konstrukte und Items Ladungen

Beziehungsorientierung (Ganesan 1994, 15)

Es ist grundsätzlich wichtig für uns, eine langfristige Beziehung zu unseren Anbietern aufzubauen.

In der Zusammenarbeit mit Anbietern fokussieren wir überwiegend auf langfristige Ziele.

Wir denken dass sich eine langfristige Zusammenarbeit mit Anbietern profitabel auf unser Geschäfts auswirkt.

Wir erwarten von unseren Anbietern im Sinne einer Partnerschaft die Bereitschaft zur langfristigen Zusammenarbeit.

Soweit wir unseren Anbietern gelegentlich entgegenkommen, hat dies langfristig auch einen positiven Effekt auf unser Geschäft.

.75

.84

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KFA: 2(5)=5.95; CFI=.999; NFI=.994; NNFI=.998; RMSEA=.029

Extraversion (NEO-Fünf-Faktoren-Inventar) (Borkenau/Ostendorf 2008)

Ich habe gerne viele Leute um mich.

Ich bin leicht zum Lachen zu bringen.

Ich halte mich nicht für besonders fröhlich (I).

Ich unterhalte mich wirklich gerne mit anderen Menschen.

Ich bin gerne im Zentrum des Geschehens.

Ich ziehe es gewöhnlich vor, Dinge alleine zu tun (I).

Ich habe oft das Gefühl, vor Energie überzuschäumen.

Ich bin ein fröhlicher, gut gelaunter Mensch.

Ich bin kein gut gelaunter Optimist (I).

Ich führe ein hektisches Leben.

Ich bin ein sehr aktiver Mensch.

Lieber würde ich meine eigenen Wege gehen, als eine Gruppe anzuführen.

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.65

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KFA: 2(54)=90.42; CFI=.993; NFI=.983; NNFI=.991; RMSEA=.055

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D. Transkriptionsbeispiele

Transkription CIO-Interview (Kundenperspektive)

I: Wie stark ist denn aus Ihrer Sicht heute das Vertrauen in der Zusammenarbeit mit Anbietern ausgeprägt?

B: Das Vertrauen ist auf einem transaktionalen Niveau sehr hochwertig. Was sich noch entwickeln muss, ist das Vertrauen neben dem reinen Projektgeschäft, also das Vertrauen in Richtung einer stra-tegischen Partnerschaft.

I: Welche Auswirkung hat das auf die gemeinsame Kooperation?

B: Die Kooperation wird zunehmend intensiver. Wir wollen halt Teile der Wertschöpfungskette zum Anbieter verlagern, wir wollen halt von den reichhaltigen Research & Development-Budgets, die bei den Anbietern vorhanden sind partizipieren, wollen aber dann eben auch die Möglichkeit haben, den Einsatz dieser Mittel zum Teil halt eben wenigstens mit beeinflussen zu können. Wir sind inzwischen auch zu der Erkenntnis gekommen, dass wir bei Anbietern, die in unserem Umfeld tätig sind, im Grunde genommen von deren know-how eindeutig profitieren können, und dass wir teilweise einfach selber nicht die finanziellen Möglichkeiten haben in einigen der Teilbereiche überhaupt aktiv werden zu können.

I: Was zeichnet denn aus Ihrer Sicht einen vertrauenswürdigen Anbieter aus?

B: Also ich sage letzten Endes müssen wir uns natürlich bei einem Partner immer darauf verlassen können, dass er zu seinen Commitments, die er uns gegeben hat, auch steht. Das ist für mich weiter-hin das A und O, in einer partnerschaftlichen Beziehung genauso wie in der jetzigen Beziehung, die wir mit den meisten unserer Produktanbietern pflegen, das heißt also, für mich ist vertrauenswürdig eben derjenige, dem ich mich erwiesener Maßen durch seine Reputation am Markt, aber auch erwie-sener Maßen durch die Taten, die er bei mir vollbracht hat, vertrauen kann.

I: Und wie können Kunden die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Anbietern verbessern?

B: Also, sie müssen einerseits mitbringen, dass sie Teile ihrer eigenen Kompetenzen ein Stück weit für diese Kooperation zur Verfügung stellen. Also ich sage einmal, wir haben vor drei, vier Jahren, als wir den ersten Ansatz gefahren haben, einfach den üblichen Fehler gemacht, wir haben immer einmal wieder in unregelmäßigen Abständen einfach unsere Partner eingeladen, und haben gesagt, stellt uns doch einmal vor, was ihr so vom Markt her seht. Das waren dann immer so Blitzlichter, und dann ha-ben wir sie wieder gehen lassen, und irgendwie, da war keine Kontinuität hereingebracht, und das war immer eine sehr stark aus dem Management angetriggerte Sichtweise, die aber in unserer Organisa-tion keinerlei Verankerung hatte. Also sprich, da waren keine meiner Mitarbeiter, wo ich irgendwo einen einzigen hätte benennen können, der hauptamtlich sich mit diesem Partner jetzt auseinander-setzt und auch wirklich dafür Sorge trägt, dass die Idee, die in so einer gemeinschaftlichen Runde diskutiert wurden, auch innerhalb unseres Unternehmens weitergepflegt werden, dass dort auch auf einer gewissen anderen Ebene Vorsetzungsgespräche stattfinden. Also ich sage einmal ganz hart gesprochen, wir können als Kunde natürlich sehr stark für diese Kooperation beitragen, indem wir auch wirklich entsprechende Kümmerer, entsprechende zuständige Mitarbeiter benennen, die eben auch hauptamtlich an dieser Kooperation arbeiten.

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Das natürlich nicht zum Selbstzweck der Kooperation, sondern dass eben meistens mit der Doppel-aufgabe, damit noch stärker als bisher auch die Wissensträger über die Möglichkeiten einer solchen Kooperation für uns darzustellen. Also in dem Sinn einerseits wie ich es vorhin sagte, eine gewisse Veränderung für unsere bisherigen Experten, weil sie nicht mehr alleine die Experten sind, aber die Inkarnation dieses Expertentums innerhalb unseres Unternehmen aus dieser Kooperation heraus. Und wir können uns natürlich die Zeit oder wir müssen uns als Unternehmen die Zeit für diese Koope-ration nehmen. Man ist ja in einer hausinternen IT sehr oft liefergetrieben, indem man auch die inter-nen Kunden wiederum, die Hauptteil seines Tagesgeschäftes wirklich mit dem Hier und Jetzt sich auseinandersetzt, und sagt, welche Lieferverpflichtung bin ich denn eingegangen für die nächsten zwei, drei Monate, um die kümmere ich mich besonders.

Das hier erfordert natürlich auch eine gewisse, ein gewissen Anteil von zeitlichen Invest. Das sind sicherlich die beiden Hauptpunkte, die man auch als derjenige, der an einer Partnerschaft interessiert ist, eben investieren sollte, ansonsten bewegt man sich doch wieder zu sehr in ein transaktionales Modell, in dem nur wir als Kunde etwas wollen. Natürlich müssen wir auch die Offenheit haben, ent-sprechende Strategieabgleiche und Ähnliches auch wirklich ehrlich miteinander angehen zu wollen. Das sind so die wesentlichen drei Punkte, die ich sagen würde, die wir aktiv tun müssen, damit es überhaupt zu einer Partnerschaft werden kann.

I: OK, Vertrauen in der Beziehung speist sich ja aus individuellen Beziehungen, aber auch aus den Eigenschaften der kooperierenden Organisation. Welcher Aspekt ist aus Ihrer Sicht wichtiger: Person oder Organisation?

B: Ich denke, Personen spielen schon eine wesentliche Rolle, das ist ganz klar, weil es für beide Part-nerseiten im Grunde etwas Neues ist, das heißt, wir brauchen sowohl bei uns, als auch von Anbieter-seite her entsprechende Key-Player, die dieses partnerschaftliche auch einfach in sich aufgesogen haben und wollen. Ich denke, dafür können sie zwar einerseits organisatorisch genau diese Entschei-dung 'Wie wollen in so eine Richtung gehen' treffen, aber sie wird dann letzten Endes doch gerade bei Neuerungen sehr stark von Einzelpersonen auch erstmalig ausgeprägt. Wir haben aber eben auch gemerkt, dass es schon sehr wichtig ist, sich auch genau zu überlegen, welche organisatorischen Rahmenbedingungen müssen sowohl auf Seiten des Lieferanten als auch bei uns greifen. Das heißt bei uns, wir müssen uns alleine in der Organisation diesen Freiraum bei gewissen Mitarbeitern, diese partnerschaftlichen Diskussionen aufzubauen. Die müssen sie kreieren, also das muss in der Organi-sation auch verankert sein, sei es, dass sie das über entsprechende Subjekt Matter Experts machen, die halt den regelmäßigen Kontakt pflegen, sei es, dass sie wirkliche Andockpunkte im wesentlichen Sinn aller eines Vendormanagers oder ähnlichem etablieren, und last but not least muss auch die Organisation des Partners natürlich entsprechende Andockpunkte an der richtigen Stelle erlauben. Wenn sie also sagen, für jede dieser Transaktionen müssen sie bei dem Partner immer über seine Vertriebsorganisation gehen, dann erstickt das natürlich Teile dieser Gedanken des gegenseitigen Austausches im Keim. Also für uns ist immer sehr wichtig gewesen bei den ersten Anläufen, die wir gemacht haben, dass wir immer sehr stark auch mit dem wirklichen entweder Delivery-Einheiten oder mit dem Produktdesigneinheiten der entsprechenden Partner auch zusammenarbeiten konnten. Und diese Offenheit muss im Grunde die Organisation eines Partners auch mitbringen. Ansonsten klappt das mit dem Teil der Wertschöpfungskettenverlagerung nicht so richtig.

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Transkription CEO-Interview (Anbieterperspektive)

I: Wie stark ist denn aus Ihrer Sicht heute das Vertrauen in der Zusammenarbeit mit Kunden ausgeprägt?

B: OK. Ich habe für mich spontan geantwortet, wie ich das wahrnehme. Ich empfinde da, ich sage mal, eine zunehmende Hierarchie zwischen Kunde und Lieferant. Also zugunsten Kunde, also sprich, typische Situation im Käufermarkt und diese Situation, spielt der Kunde auch aus. Das Vertrauen ist folglich aktuell nicht sehr stark ausgeprägt.

I: Welche Auswirkung hat das auf die gemeinsame Kooperation?

B: Es ist, ich sag mal, was sich ja alle Wünschen ist, so quasi auf gleicher Augenhöhe zu sein, ja? Und diese Hierarchie wirkt sich aus, beispielsweise in einseitigen Verträgen, wo dann quasi so, weil der Markt eben im Moment, ich sag mal, doch auch angespannter ist, schon eine Weile. Ich sag mal keine ausgewogenen Verträge mehr mit, wo man, und jetzt, wenn man nicht ein Internationaler ir-gendwo Anbieter ist, der quasi, sondern eher, ich sag mal ein mittelständisches Unternehmen, wo man dann also, wo quasi der Kunde gewisse Situationen ausnützt. Und das hat extrem zugenommen. Und vielleicht ein anderes ist beispielsweise das Thema so ein böses Geschäftsgebaren vor, zum Beispiel, wenn man das Thema nimmt, Leute abwerben. Das war früher, früher war das irgendwie ein Gentleman-Agreement noch, also, wo man, wenn man es gemacht hat, dann hat man darüber gere-det. Heute ist das quasi, der Kunde macht das eigentlich schamlos. Und, also ich empfinde das über die letzten Jahre, es ist ein größerer Abstand und dazu kommt eben auch, dass es dann weniger per-sonenorientiert ist.

Also, es wird dann also nicht so gespielt, dass, ich sage mal, man hat immer noch die guten Kontakte zur Linie, jetzt aus Anbietersicht zur Linie des Kunden, aber diejenigen, die eigentlich dann die bösen sind, ist das so die zentralen Procurement-Einheiten. Also, der Kunde spielt es im Prinzip sauber, er guckt, dass die Linie ist, sich es nicht mit den Leuten, mit denen man zusammenarbeiten muss, vom Anbieter verscherzen muss und die zentralen Procurement-Einheiten haben dann eigentlich die Auf-gabe, die Bösen zu spielen, was sie auch machen.

I: Was zeichnet denn aus Ihrer Sicht einen vertrauenswürdigen Anbieter aus?

B: Da habe ich mir drei Wörter aufgeschrieben, die mir da spontan in den Sinn gekommen sind. Das ist Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Leistung.

I: Können Sie diese drei Dimensionen noch ein wenig genauer skizzieren?

B: Also Zuverlässigkeit heißt, der Kunde kann sich darauf verlassen, dass, wenn ich was sage, dann mache das auch so. Und die Ehrlichkeit in dem Sinn ist eigentlich genau das, das Pendant dazu. Ich mach auch nur die Sachen, die ich sage. Also, bin in dem Sinne voll transparent. Und Leistung, das ist dann einfach, am Schluss muss wirklich noch was rauskommen. Also irgendwie nur mit Absichtserklä-rungen und irgendwie schön reden langt nicht, sondern muss auch noch messbar was bei rauskom-men.

I: Und wie können Kunden die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Anbietern verbessern?

B: Also, da ist mir folgender Gedanke gekommen. Im Prinzip, das Stichwort heißt partnerschaftliche Zusammenarbeit.

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Also, ich sag mal, das Stichwort gleiche Augenhöhe und da sind wir irgendwie in einem Clinch, und zwar, wenn ich jetzt zurückgucke, Ende 1990er Jahre noch Anfang 2000 und so, da hatten wir ja ei-nen Verkäufermarkt, da haben eigentlich die Anbieter übertrieben. Haben praktisch also weil quasi, da konnten ja die Anbieter machen was sie wollten. Das hat bei vielen Kunden schlechte Gefühle zu-rückgelassen, und das hat, und ich finde diese Situation hat eben genau ins Gegenteil geschlagen, was ich Ihnen jetzt gesagt habe, heute ist die Hierarchie genau umgekehrt. Und jetzt die Frage ist, ist das Leben jetzt einfach so, dass wir immer von einem ins andere springen, das sobald jetzt wieder mal der Markt ändern würde, dass die Anbieter dann wieder übertreiben und dass dann immer so eine Pendelbewegung besteht? Oder, was eigentlich ja sich alle wünschen würden wäre eigentlich so un-abhängig davon wie der Markt ist, dass man eben partnerschaftlich diese Einstellung hat, das wäre eigentlich so mein Wunsch und meine Vision. Unabhängig von wer grad aufgrund des Marktes ir-gendwie Überhand hat, dass man sich einfach partnerschaftlich verhält.

I: OK, Vertrauen in der Beziehung speist sich ja aus individuellen Beziehungen, aber auch aus den Eigenschaften der kooperierenden Organisation. Welcher Aspekt ist aus Ihrer Sicht wichtiger: Person oder Organisation?

B: Das ist Interessant, weil das geht ja genau in die Richtung, die ich auch vorhin, ich sag mal, mit dieser größeren Hierarchie. Also, im Prinzip, ganz tief in meinem Bauch drinnen glaube ich, dass ich sag mal, sobald es auf persönlicher Ebene sehr gut funktioniert, sind auch die Leistungen besser. Und was jetzt quasi, das sind auch, wenn Sie zum Beispiel meine Fragen jetzt auswerten, da kommt dann also diese, mit den Punkte. Da geht ja viel eigentlich um die Frage, wie abhängig ist quasi, jetzt aus Anbietersicht die Anbieterfirma von den einzelnen Personen. Und ich glaube, da gibt es einfach wirk-lich zwei Typen von Firmen. Die einen, die ein entsprechendes Branding haben, und diejenigen, die das nicht haben. Und je weniger der Brand wahrgenommen oder bekannt ist, oder desto mehr hängt es halt auch von den Leuten ab.

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E. Verzeichnis der Gesprächspartner für Fallstudien

Fallstudie Cirquent/BMW

Delvo, Stefan: Business Segment Manager, Cirquent GmbH,Interview im Juni 2009

Kapp, Klaus: Projektleiter BMW Group,Interview im Juni 2009

Kühner, Jan: Projektleiter BMW Group,Interview im Juni 2009

Schröder, Roland: Senior Project Manager, Cirquent GmbH,Interview im Juni 2009

Fallstudie Logica/Arcor

Dr. Messarius, Timo: IT Consultant OS Managed Test Services,Logica GmbH & Co.KG, Interview im Juli 2009

Mohn, Martin: Service Delivery Manager, Logica GmbH & Co.KG,Interview im Juni 2009

Scharf, Christian: Consultant OS Managed Test Services, Logica GmbH & Co.KG, Interview im Juni 2009

Scholz, Olaf: Geschäftsführer Marketing und Vertrieb, Logica GmbH & Co.KG,Interview im März 2009

Seiffert, Karl: Abteilungsleiter Systemeinführung, Arcor AG & Co. KG,Interview im Juli 2009

Töller, Peter: Senior Consultant & Team Manager OS Managed Test Services,Logica GmbH & Co.KG, Interview im Juli 2009

Wichert, Stefan: Head of Managed Test Services, Logica GmbH & Co.KG, Interview im Mai 2009

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Fallstudie SQS/Sunrise

Baumgärtner, Irina: Director ITQA, Sunrise Communications AG Schweiz, Interview im Juli 2009

Boekholt, Henk: Delivery Manager, Software Quality Systems Schweiz AG, Interview im Juni 2009

Sidiropoulos, Kariofilis: Business Unit Leiter, Mitglied der Geschäftsleitung, Software Quality Systems Schweiz AG, Interview im Juli 2009

Spirig, Daniel: Sales Director, Mitglied der Geschäftsleitung, Software Quality Systems Schweiz AG, Interview im Juli 2009

Thuerlemann, Emilija: Regression Test Manager, Sunrise Communications AG Schweiz, Interview im Juli 2009

Tilly, Sebastian: Test Manager, Software Quality Systems Südafrika, Interview im Juli 2009

Fallstudie IBM

Barciela, Philipp: Key Account Manager Financial Services Sector,Interview im Juli 2009

Dolle, Jürgen: Business Development Executive, Interview im Juli 2009

Erni, Herbert: Key Account Manager,Interview im Juli 2009

Häusler, Urs: Global Account Manager Swiss Re & Baloise Insurance, Interview im Juli 2009

Hendier, Patrick: Suisse Romande Regional Manager, Interview im Juni 2009

Heusler, Lucas: Client IT Architect,Interview im August 2009

Rüthemann, Daniel: CEO IBM Switzerland,Interview im August 2009

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Curriculum Vitae

Alexander Rossmann Geburtsdatum: 06.06.1974

Ausbildung & Studium

09|1980 – 08|1984 Grundschule Freudental (D)

09|1984 – 08|1990 Realschule im Aurain, Bietigheim-Bissingen (D)

09|1990 – 06|1993 Wirtschaftsgymnasium, Ludwigsburg (D)

09|1993 – 06|1999 Eberhard-Karls Universität, Tübingen (D) State University of New York, Stony Brook (USA) Diplom-Kaufmann

09|2007 – 02|2010 Universität St.Gallen (CH) Promotionsstudium

Berufserfahrung

02|1999 – 06|1999 DaimlerChrysler AG, Stuttgart (D) Diplomand

07|1999 – 09|2001 DaimlerChrysler AG, Stuttgart (D) Referent internationale Markt- und Vertriebsentwicklung

10|2001 – 09|2003 Konzept AG, Asperg Leiter Unternehmensentwicklung

10|2003 – 06|2009 Die Zukunfts-Akademie GmbH, Eching Geschäftsführender Partner

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