Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsprozessrecht · 2 Normenkonflikte Bei der Ermittlung der...

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Verwaltungsverfahrensrecht und Verwaltungsprozessrecht -Rechtsanwalt Andreas Geron- -Rechtsanwalt Amer Issa-

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Verwaltungsverfahrensrecht und

Verwaltungsprozessrecht

-Rechtsanwalt Andreas Geron- -Rechtsanwalt Amer Issa-

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I. Grundlagen

Die Normenpyramide

Europarecht: EUV, AEUV

Bundesrecht: Grundgesetz

Bundesrecht: Bundesgesetze ( formell)

Bundesrecht: Rechtsverordnungen, Art. 80 GG

Bundesrecht: Bundessatzungen

Landesrecht: Landesverfassung

Landessrecht: Landesgesetze ( formell)

Landesrecht: Rechtsverordnungen

Landesrecht: Landessatzungen

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Normenkonflikte

Bei der Ermittlung der für eine Falllösung einschlägigen Normen kann es zu Normenkonflik-ten kommen. Die Normenkonflikte sind dadurch gekennzeichnet, dass von ihren Anwen-dungsvoraussetzungen her mehrere Normen anwendbar erscheinen, die jedoch zu abweichen-den Ergebnissen führen. Für die Bewältigung solcher Normenkonflikte muss es Konkurrenz- und Verdrängungsregeln geben. Die Juristen kennen solche Verdrängungsregeln für die Nor-menhierarchie, die Zeitordnung und die Spezialitätsordnung. Die entsprechenden Regeln lau-ten: Eine höherrangige Norm verdrängt solche Normen, die in der Normenhierarchie unter ihr stehen (lex superior derogat legi inferiori), die zeitlich jüngere Norm geht der zeitlich älteren Norm vor (lex posterior derogat legi priori), die speziellere Norm verdrängt die allgemeinere Regelung (lex specialis derogat legi generali).

Gesetz im formellen Sinn

Gesetz im formellen Sinn (auch: formelles Gesetz, Parlamentsgesetz) ist jede Maßnahme, die in einem Verfahren zustande gekommen ist, das von Verfassungswegen für den Erlass von Gesetzen vorgesehen ist, von den in der Verfassung dazu bestimmten Organen erlassen wor-den ist und die in der Verfassung für Gesetze bestimmte Form hat. Gesetz im formellen Sinn ist daher regelmäßig nur diejenige Maßnahme, die vom Parlament in einem Gesetzgebungs-verfahren beschlossen und im Gesetzblatt bekannt gemacht worden ist.

Gesetz im materiellen Sinn

Gesetz im materiellen Sinn (auch: materielles Gesetz) ist jede generell-abstrakte Regelung mit Außenwirkung (=Rechtsnorm).

Das ist jede Maßnahme eines Trägers öffentlicher Gewalt, die darauf gerichtet ist, in einer un-bestimmten Vielzahl von Einzelfällen bestimmte Rechtsfolgen herbeizuführen, die sich nicht ausschließlich innerhalb dieses Trägers öffentlicher Gewalt auswirken und in diesem Sinne so genannte Außenwirkung entfalten. Das Gesetz im materiellen Sinn ist also jede Rechtsnorm, die Rechtsbeziehungen zwischen den Bürgern, zwischen Bürgern und Hoheitsträgern oder zwischen Hoheitsträgern regelt ("Außenrecht"), also neben dem förmlichen Gesetz auch die Rechtsverordnung, die Satzung und das Gewohnheitsrecht. Die weitaus meisten förmlichen Gesetze sind zugleich materielle Gesetze Herkömmlicherweise zählt das Gesetz, das den Haushaltsplan feststellt, zu den bloß förmlichen Gesetzen, weil es nur die Staatsorgane, nicht aber die Bürger bindet, d. h. keine Außenwirkung entfaltet.

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Handlungsformen der Verwaltung

konkret-individuelle Regelung

ohne Regelung: Realakt

Sonderformen

Verwaltungsakt (Zusicherung)

abstrakt-generelle Regelung

ö.r. Vertrag

Verordnung

Verwaltungsvorschrift

Satzung

Weisung

Plan Privat-rechtl. Handeln:

Vw.privatR�FiskalprivatR

keine AW

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Erläuterung zu den Handlungsformen der Verwaltung

• die Rechtsverordnungen: sind allgemeine "Gesetze" der Verwaltung. Sie entfalten unmittelbare Kraft nach außen. Zumeist werden Sie von oberen Exekutivorganen (Bundes- oder Landesregierungen) erlassen. (z.B. die StVO). Zum Erlass einer Rechtsverordnung muss die Verwaltung in der Regel ermächtigt sein. Dies erfolgt durch Parlamentsgesetz.

• der Verwaltungsakt: regelt im Gegensatz zur Rechtsverordnung einen konkreten Einzelfall. das Zustandekommen und die Behandlung von Verwaltungsakten sind im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) geregelt. Dort ist der Verwaltungsakt als be-hördliche Einzelfallverfügung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechtes mit unmittel-barer Außenwirkung definiert (z.B. Gewerbeerlaubnis an einen Gaststättenbetreiber)

• Die Allgemeinverfügung: ist eine dem Verwaltungsakt gleichgestellte Entscheidung einer Behörde, die sich nur dadurch von diesem unterscheidet, dass Sie an einen vor-her nicht genau bestimmten, aber bestimmbaren Personenkreis gerichtet ist. (z. B. Aufhängen eines Rauchverbotsschildes)

• Der (ö-rechtliche) Verwaltungsvertrag: ist ein Verwaltungshandeln, bei dem die Behörde eine Angelegenheit regelt, die sie eigentlich durch Verwaltungsakt regeln müsste (hoheitliche Entscheidung), bei der aber der Betroffene selbst durch ein Entge-genkommen auf die Entscheidung einwirken muss. Hierbei bestehen Abgrenzungs-schwierigkeiten zum Privatrecht. Zu beachten ist beim Verwaltungsvertrag, dass die vom Bürger versprochene Gegenleistung einen engen Zusammenhang zum eigentli-chen Verwaltungsakt aufweist (z.B. Erteilung einer Bauerlaubnis gegen das Verspre-chen zusätzliche Parkplätze zu schaffen, nicht jedoch gegen eine Spende an die örtli-che Behinderteneinrichtung!)

• Der Realakt: ist ein Handeln der Behörde, welches überhaupt keinen Regelungscha-rakter hat. Die Behörde handelt also, ohne dabei eine Weisung zu erteilen. (z. B. In-formation über den Bearbeitungsstand eines Antrags)

• Der Plan: ist ein Instrument, mit welchem allgemeine Grundregeln festgesetzt, die später durch einzelne Entscheidungen zu konkretisieren sind (z.B. Baunutzungsplan)

• Die Verwaltungsvorschrift: hat überhaupt keine Außenwirkung. Der Beamte hat sich lediglich im Innenverhältnis an diese Vorschriften zu halten. Die Verwaltungsvor-schriften sollen dazu dienen, die Entscheidungen der Verwaltung, die oft aufgrund von wenig konkreten Gesetzen gefasst werden müssen zu vereinheitlichen. (z.B. Tabellen, die festlegen, ab welchem Wert bestimmte technische Voraussetzungen gegeben sind - Lärmbelästigung, Luftverschmutzung, Lebensmittelverunreinigungen ...)

Kurzdefinition : Eine Verwaltungsvorschrift ist eine abstrakt-generelle Regelung, die von einer übergeordneten Behörde gegenüber einer untergeordneten Behörde zur Re-gelung des Ablaufs und Aufbaus der Verwaltung erlassen wird.

Man differenziert folgende Arten der Verwaltungsvorschriften:

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a) Ermessensrichtlinien, die ein Entscheidungsmuster für die Ausübung des behördli-chen Ermessens darstellen und über Art. 3 GG iVm der Verwaltungspraxis Außenwir-kung erlangen. Zu dieser Außenwirkung ist zu sagen, dass die Verwaltung über Art. 3 GG (sog. Rechtsanwendungsgleichheit) verpflichtet wird, eine einmal ergriffene tat-sächliche Ausübungspraxis beizubehalten1. Demnach bedeutet die Rechtsanwen-dungsgleichheit des Art. 3 GG in diesen Fällen, dass die Behörde die Verwaltungspra-xis beibehält, nicht dass sie die VwV gleich anwendet. Nur insofern kann von einer faktischen Außenwirkung der VwV gesprochen werden.

b)Normkonkretisierende VwV die unter obigen Voraussetzungen Außenwirkung ha-ben, wie im Fall die TA Luft.

c)Gesetzesinterpretierende VwV, welche in der Verwaltungspraxis dazu dienen, eine schwierige Gesetzesvorschrift einheitlich anzuwenden. Sie haben keine Außenwir-kung, da es bei der Gesetzesauslegung um die genuine Aufgabe der Rspr. geht2 und eine andere Auffassung gegen das Gewaltenteilungsprinzip verstieße.

d)Verwaltungsorganisatorische VwV, die die innere Behördenorganisation regeln.

• Allgemein versteht man unter einer Weisung eine verbindliche mündliche oder schriftliche oder digitale Äußerung der übergeordneten Dienststelle, wie sich jemand konkret verhalten oder ein Vorgang ablaufen soll (keine Außenwirkung).

• Im Verwaltungsrecht ist Realakt ein anderer Ausdruck für schlichtes Verwaltungs-handeln. Im Gegensatz zum Verwaltungsakt bezweckt er nicht die Herbeiführung einer Rechtsfolge, sondern führt unmittelbar einen rein tatsächlichen Erfolg herbei (Beispie-le: Benutzung von Sachen, Auszahlung von Geld, Mitteilung, Warnung, Auskunft).

• Man spricht vom Verwaltungsprivatrecht , wenn die Verwaltung unmittelbar Verwal-tungsaufgaben in der Form des Privatrechts erfüllt. Dies ist der Fall, wenn die Verwal-tung privatrechtlich im Bereich der Daseinsvorsorge, wie z. B. der Gas-, Wasser und Stromversorgung, tätig ist. In diesen Fällen wird die Verwaltung, obwohl sie privat-rechtlich tätig ist, unmittelbar und in vollem Umfang an die Grundrechte gebunden. Das Verwaltungsprivatrecht bietet somit keine Flucht der Verwaltung vor der Grund-rechtsbindung ("Flucht ins Privatrecht"). Verwaltungsprivatrecht ist somit durch Normen des öffentlichen Rechts überlagertes Privatrecht.

• Von dem Begriff fiskalische Hilfsgeschäfte wird die Beschaffung der erforderlichen Sachgüter (Bleistifte, Fahrzeuge usw.) für die öffentlich-rechtlichen Verwaltung, so-wie die Beschäftigung der Angestellten im öffentlichen Dienst umfasst. Im Bereich der Hilfsgeschäfte sind die Vorschriften des Privatrechts (BGB, HGB usw.) einschlägig. D.h. besondere Bindung an die Grundrechte ist nicht gegeben

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II. Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Der Grundsatz von der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wird aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 III GG abgeleitet. Er wird unterteilt in den Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes und in den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes. A. Vorrang des Gesetzes Vorrang des Gesetzes bedeutet, dass die Verwaltung keine Maßnahmen treffen darf, die einem bestehenden Gesetz widersprechen, kurz: kein Handeln gegen das Gesetz. B. Vorbehalt des Gesetzes Soweit der Vorbehalt des Gesetzes greift, darf die Verwaltung nur tätig werden, wenn sie dazu durch formelles Gesetz ermächtigt ist, kurz: kein Handeln ohne Gesetz.

BVerfG NVwZ 2009, 708, 712: Der im Rechtsstaatsprinzip und im Demokratiegebot wur-zelnde Parlamentsvorbehalt gebietet, dass in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit dieser staatlicher Regelung zugänglich ist, die wesentlichen Entscheidungen vom Gesetzgeber getroffen werden.

Umstritten ist der Geltungsbereich des Gesetzesvorbehalts. 1. Eingriffsverwaltung Der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes gilt im Bereich der Eingriffsverwaltung, da dies der traditionellen Ausrichtung des Gesetzesvorbehalts entspricht und zum Schutz vor weitrei-chenden Einschränkungen von Grundrechten auch erforderlich ist. 2. Leistungsverwaltung Im Rahmen der Leistungsverwaltung ist die Geltung vom Vorbehalt des Gesetzes umstritten. Theoretisch sind zwei Extrempositionen denkbar, von denen die zweite Auffassung praktisch nicht mehr vertreten wird. a) Lehre vom Totalvorbehalt

Jede Tätigkeit des Staates, auch die Leistungsverwaltung, bedarf einer gesetzlichen Grund-lage.

b) Keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich

Die Leistungsverwaltung enthält ausschließlich Begünstigungen für den Bürger. Außerdem kann ohne Erfordernis einer formellen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage die Exekutive flexibler Handeln.

Die h.M. folgt der Lösung vom sog. abgeschwächten Gesetzesvorbehalt.

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c) abgeschwächter Gesetzesvorbehalt

Grundsatz: Es bedarf zwar einer Ermächtigungsgrundlage, aber es genügt insoweit ir-gendeine demokratische Legitimation, z.B. ein Haushaltsansatz im Haushaltsplan i.V.m. einer Vergaberichtlinie.

VGH Mannheim NJW 2004, 624: Die Stadt bedarf einer ausreichenden Rechtsgrundlage für die Subventionierung. Als solche wird die Ausweisung entsprechender Mittel in der Haushaltssatzung angesehen, die in Verbindung mit Verwaltungsvorschriften, Förde-rungs- oder Zuwendungsrichtlinien zur Subventionsgewährung berechtigen. Ohne haus-haltsrechtliche Grundlage gewährte Zuschüsse sind grundsätzlich rechtswidrig.

Ausnahme: Bei grundrechtsrelevanten Förderungen, insbes. bei Pressesubventionen, be-darf es einer parlamentarisch-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage (OVG Frankfurt/Oder LKV 2006, 39, 40).

III. Der unbestimmte Rechtsbegriff

A. Begriff Ein Rechtsbegriff stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, wenn er nicht unmittelbar sub-sumtionsbereit ist, er also erst durch die Gerichte ausgelegt, näher bestimmt werden muss.

Beispiele: Zuverlässig; über dem Durchschnitt liegend; erforderlich.

Der Gesetzgeber ist in bestimmten Sachbereichen auf die Verwendung solcher Rechtsbegriffe angewiesen. Ohne die Verwendung dieser vagen Formulierungen wäre er nicht in der Lage, der Vielgestaltigkeit des Lebens Rechnung zu tragen. B. Prüfungsumfang des Gerichts Fraglich ist, inwieweit die Rspr. die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Ver-waltung überprüfen darf. Nach einer Mm sind unbestimmte Rechtsbegriffe nicht überprüfbar. Dies ist jedoch im Hin-blick auf Art. 19 IV GG bedenklich. Daher geht die hM davon aus, dass die behördliche An-wendung von unbestimmten Rechtsbegriffen grundsätzlich voll überprüfbar ist. (vgl. BVerfG NVwZ 2002, 136). Ausnahme: Unbestimmten Rechtsbegriffen mit Beurteilungsspielraum Unbestimmte Rechtsbegriffe mit Beurteilungsspielraum sind allgemein dann anzuerkennen, wenn die Behörde einen uneinholbaren Wissensvorsprung hat, der sich auch mit Hilfe um-fangreicher Sachverhaltsermittlungen nicht kompensieren lässt. Beispiele: -Verteidigungspolitische Entscheidungen (vgl. BVerwG NJW 1994, 535)

-Feststellung der Schulfähigkeit (vgl. OVG Münster NVwZ-RR 2007, 30) - differenzierend bei Prüfungsentscheidungen:

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BVerwG NVwZ 2000, 915, 920: Der prüfungsspezifische Bewertungsspielraum bezieht sich bei juristischen Fachprüfungen nur auf Gesichtspunkte, die sich wegen ihrer prü-fungsspezifischen Komplexität im Verwaltungsstreitverfahren nicht ohne weiteres nach-vollziehen lassen und daher mit rein objektiven Maßstäben nicht messbar sind. Er be-trifft etwa die Punktevergabe und Notengebung, soweit diese nicht mathematisch de-terminiert sind, die Gewichtung des Schwierigkeitsgrades einzelner Aufgaben sowie die Würdigung der sprachlichen Qualität. Bei fachwissenschaftlichen Fragen hingegen steht den Prüfern kein Bewertungsspiel-raum zu. Dementsprechend gilt bei fachlichen Rechtsfragen ein strengerer Prüfungs-maßstab.

Die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Anwendung von unbestimmten Rechtsbegrif-fen mit Beurteilungsspielraum beschränkt sich darauf, ob die Behörde aa) von falschen Tatsachen ausgegangen ist; bb) die Verfahrensvorschriften nicht eingehalten hat (Bsp.: Lärm während der juristischen

Staatsprüfung ohne Schreibzeitverlängerung);

cc) sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen;

dd) allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet hat; ee) die Entscheidung ausreichend begründet hat, denn darauf ist das Gericht angewiesen,

um Beurteilungsfehler zu erkennen.

IV. Ermessen 1.Grundlagen Ermessen ist ein Entscheidungsspielraum, der einer Behörde (oder einem Gericht) gesetzlich gewährt wird. Ermessensnormen erkennt man an Formulierungen wie z.B. "kann; darf; ist be-fugt; ist berechtigt".

Bei Vorliegen der vom Gesetz geforderten Voraussetzungen kann die vom Gesetz gewählte Rechtsfolge:

-zwingend zu treffen sein,

-sie kann innerhalb bestimmter Grenzen im Ermessen der Behörde oder des Gerichts liegen

-oder sie kann grundsätzlich zwingend sein mit der Zulassung von Ausnahmen in aty-pischen Fällen.

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Ist den Behörden durch eine bestimmte Ermächtigungsgrundlage ein Ermessenspielraum ein-geräumt worden, so haben sie diesen bei der Anwendung der Norm auf den konkreten Fall pflichtgemäß auszufüllen.

Unterschieden wird bei verwaltungsrechtlichen Vorschriften vor allem zwischen zwei Ermes-sensformen:

• Erschließungsermessen

• Auswahlermessen

Ist einer Behörde beim Vorliegen bestimmter Umstände ein Erschließungsermessen einge-räumt, so darf sie selbst pflichtgemäß entscheiden, ob sie überhaupt tätig wird. Häufiger ist der Fall, dass bei Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes der Behörde nicht ein bestimmtes Verhalten auferlegt wird, sondern Ihr gesetzlich mehrere in Betracht kommende Handlungsal-ternativen an die Hand gegeben werden, aus denen sie wählen darf (Auswahlermessen).

Eine gewisse Einschränkung bei der Ausübung des Ermessens erfährt die Behörde jedoch nach den Grundsätzen der Selbstbindung der Verwaltung (Art. 3 I GG). Danach kann die Be-hörde nicht willkürlich von ihrer eigenen oder der sonst allgemein von den Behörden im Gel-tungsbereich des Gesetzes bisher in vergleichbaren Fällen eingehaltenen Praxis abweichen. Anders ist es jedoch, wenn eine Änderung dieser Praxis der Sache nach geboten ist.

Begründet die Behörde die Ermessensentscheidung mit mehreren Erwägungen, stellt sich die Frage, wie zu entscheiden ist, wenn sich nur eine Erwägung als fehlerhaft darstellt. Handelt es sich (ausdrücklich oder durch Auslegung ermittelt) um eine alternative Begrün-dung (also um selbstständige Argumente), ist die Entscheidung rechtmäßig, soweit eine rechtmäßige Begründung die Entscheidung alleine trägt (BVerwGE 101, 247, 259). Bei kumu-lativen Begründungen müssen alle Begründungen rechtmäßig sein.

2. Ermessensfehler

Folgende Ermessensfehler können der Behörde unterlaufen:

• Ermessensunterschreitung (Ermessensnichtgebrauch): Die Behörde übt ihr Ermessen (ganz oder teilweise) nicht aus. Die Behörde hält sich zB irrig für gebunden.

• Ermessensüberschreitung: Die Behörde wählt eine Rechtsfolge, die nicht mehr von der Handlungsermächtigung gedeckt ist. Die Grenzen des Ermessens kann sich ergeben aus

a) der Norm selbst (z.B. § 69 HessVwVG), b) Art. 3 I GG i.V.m. dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung c) dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und d) den Staatszielbestimmungen (zB Art. 20 a GG)

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• Ermessensfehlgebrauch (oder Ermessensmissbrauch): Die Entscheidung der Behörde beruht auf Gründen, die nicht vom Gesetzeszweck ge-deckt sind. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt vor, wenn

a) wesentliche Gesichtspunkte übersehen worden sind, b) sachfremde Erwägungen berücksichtigt worden sind (nicht sachfremd sind zB Erwägungen wie das Prioritätsprinzip, das Rotationsverfahren, das Losverfahren oder die Attraktivität des Angebotes) oder c) ein berücksichtigter Belang falsch gewichtet worden ist.

3. Überprüfungsmöglichkeit

Ermessensentscheidungen einer Behörde sind nur beschränkt gerichtlich überprüfbar.

Ermessensentscheidungen können vom Verwaltungsgericht gem. § 114 Satz 1 VwGO nur hinsichtlich der Rechtmäßigkeit überprüft werden. Es erfolgt keine Überprüfung der Zweck-mäßigkeit der behördlichen Entscheidung; das Gericht darf sein Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens der Behörde setzen. Während die Rechtmäßigkeitsanforderungen zu einer rechtsverträglichen Entscheidung führen sollen, dienen die Zweckmäßigkeitsüberlegungen der optimalen Entscheidungsfindung. Da die Behörde aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verpflichtet ist, von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen i.d.R. das mildeste Mittel zu wählen, ist grundsätzlich nur dort Raum für eine Auswahl der richtigen Maßnahme nach Zweckmäßigkeitsgesichts-punkten, wenn zwei oder mehrere Mittel gleichrangig nebeneinander in Betracht kommen. Nimmt die Widerspruchsbehörde nach § 68 VwGO eine Prüfung der Zweckmäßigkeit einer Ermessensentscheidung vor (neben der Rechtmäßigkeit), so untersucht sie nach außerrechtli-chen Kriterien, ob die Entscheidung erfolgsdienlich und sachgerecht ist und setzt dabei ihr ei-genes Ermessen an die Stelle des von der Ausgangsbehörde ausgeübten Ermessens. 4. Ermessensreduktion auf Null

Man spricht von einer Ermessensreduzierung auf Null, wenn der Ermessensspielraum der Verwaltung aufgrund der Umstände soweit reduziert ist, dass die Verwaltung trotz Ermessens nur noch eine fehlerfreie Entscheidung treffen kann. Eine Reduzierung kann z.B. eintreten aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung, bei Eingreifen von Grundrechten und bei erheb-lichen Gefahren für bedeutsame Rechtsgüter.

Beispiel: B ist infolge starken Alkoholkonsums im Winter auf einer Parkbank eingeschlafen. Es kommt eine Polizeistreife vorbei die ihn sieht. Gemäß § 11 HSOG haben die Gefahrenab-wehr- und Polizeibehörden ein Entschliessungsermessen ("können die erforderlichen Maß-nahmen treffen"), dieses ist hier aber auf Null reduziert. Die Polizei muss hier eingreifen und sich um den B kümmern, da er ansonsten zu erfrieren droht.

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V. Der Verwaltungsakt nach § 35 (H)VwVfG 1.Definition des Verwaltungsaktes Ein Verwaltungsakt liegt nur vor, wenn folgende Kriterien erfüllt sind; § 35 VwVfG

• Maßnahme (Verfügung, Entscheidung)

Maßnahme ist jede Handlung mit Entscheidungscharakter. Charakteristisch ist das Merkmal der Einseitigkeit der getroffenen Regelung; dies unterscheidet den VA vom öffentlich-rechtlichen Vertrag.

• in einem Einzelfall (Abgrenzung zur Allgemeinverfügung und zur Rechtsverordnung)

Die Allgemeinverfügung ist eine konkret-generelle Regelung, die einen bestimmten Einzel-fall für eine unbestimmte Anzahl von Adressaten regelt. Als Unterfall des Verwaltungsaktes ist die Allgemeinverfügung eine hoheitliche Maßnahme einer Verwaltungsbehörde zur Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Außenwirkung. Es finden im allgemeinen die Vorschriften über den Verwaltungsakt Anwendung.

Man unterscheidet folgende Formen von Allgemeinverfügungen:

Die adressatenbezogene Allgemeinverfügung: Für eine noch unbestimmte Anzahl von betroffenen Personen wird eine bestimmte Situation geregelt (z. B. Verbot des Betretens einer Baustelle).

Die sachbezogene Allgemeinverfügung: Diese Allgemeinverfügung wird auch "dinglicher Verwaltungsakt" genannt und bezieht sich auf die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache (z. B. die Widmung einer Straße).

Die benutzungsregelnde Allgemeinverfügung: Die Regelung bezieht sich auf eine konkrete Sache und betrifft deren Benutzung durch die Allgemeinheit (z. B. Verkehrszeichen, das ein Ge- oder Verbot beinhaltet).

• durch eine Behörde oder eine durch eine Behörde ermächtigte Stelle (Beliehener)

Der Behördenbegriff ergibt sich aus § 1 IV BVwVfG bzw. § 1 II HVwVfG. Behörde ist danach jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, also jede organisatorisch selbstständige Instanz, wenn und soweit sie mit der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben betraut ist (auch z.B. Bundestagspräsident, Gemeindevertre-tung). Die Organisation muss auf Dauer angelegt sein (Problem bei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen). OVG Berlin DVBl. 2001, 1766: Der Untersuchungsausschuss hat im Rahmen der Be-weiserhebung, da er öffentliche Gewalt ausübt, die Stellung einer Behörde. Maßnahmen der Gesetzgebung, Regierung und Rechtsprechung im funktionellen Sin-ne stellen keine behördlichen Entscheidungen dar. Keine Behörden sind Privatpersonen. Etwas anderes gilt nur für Beliehene; es handelt sich dabei um Privatpersonen, welchen das Recht durch oder auf Grund eines Gesetzes verliehen worden ist, im eigenen Namen hoheitlich tätig zu werden.

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Beispiele für Beliehene: Fleischbeschauer, Bezirksschornsteinfeger, Notar,Toll Collect GmbH, TÜV

Nach h.M. ist der Beliehene sowohl Behörde i.S.d. § 35 VwVfG als auch der gem. § 78 I Nr. 1 VwGO zu verklagende Rechtsträger (Meissner in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 78Rz 32). Die Gegenauffassung stellt als zu verklagenden Rechtsträger auf den be-leihenden Verwaltungsträger ab (Stelkens NVwZ 2004, 304, 307).

Aufpassen: Geht es um einen Amtshaftungsanspruch, haftet nicht der Beliehene, sondern das Gemeinwesen, das den Beliehenen mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet und damit zum Träger eines öffentlichen Amtes gemacht hat (BGH NVwZ-RR 2003, 543; Wolff JA 2006, 749, 750).

Im Unterschied zum Verwaltungshelfer erfüllt der Beliehene selbständig hoheitliche Aufga-ben, der Verwaltungshelfer dagegen wird nur hilfsweise tätig (zB Schülerlotsen, Abschlep-punternehmen, welches zur Umsetzung eines verbotswidrig abgestellten Kraftfahrzeugs be-auftragt wurde).

• mit Regelungswirkung

Die Maßnahme beinhaltet eine Regelung, wenn sie ihrem Ausspruch nach unmittelbar auf die Herbeiführung einer konkreten Rechtsfolge gerichtet ist. Die Rechtsfolge be-steht darin, dass Rechte und / oder Pflichten begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt werden. Das Merkmal der Regelung grenzt den Verwaltungsakt ab von schlicht-hoheitlichem Handeln ohne Regelungsgehalt (Realakten), z. B. einer Dienstfahrt, einem Hinweis auf die bestehende Rechtslage, einer Auskunft oder Warnung sowie dem Straßenbau. Mangels Regelungscharakter scheiden somit aus dem Verwaltungsaktsbegriff aus: - Die rein tatsächlichen Verwaltungshandlungen (Realakte), - Vorbereitungs- und Teilakte, wenn und weil sie noch keine abschließende Re-ge- lung enthalten, - Rechtserhebliche Willenserklärungen der Behörde, die keinen anordnenden Charakter haben.

• auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (keine privatrechtlichen Handlungen, wie zur Deckung des Behördenbedarfs oder Erwerbstätigkeit des Staates, s.o., meistens be-reits bei § 40 I 1 VwGO angesprochen, daher nach oben verweisen!)

• mit Außenwirkung (sonst nur interne Weisung, s.o.)

Eine verwaltungsbehördliche Maßnahme ist dann auf Außenwirkung gerichtet, wenn die Regelung ihrem objektiven Sinngehalt nach dazu bestimmt ist, über den verwal-tungsinternen Bereich hinauszugreifen. Es reicht nicht aus, dass eine Maßnahme fakti-sche Wirkungen im Außenbereich entfaltet. Entscheidend ist vielmehr, dass die Au-ßenwirkung auch beabsichtigt ist, dass die Regelung diese Wirkungen rechtlich auch entfalten soll.

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VI. Die Aufhebung eines Verwaltungsakts 1. Übersicht: Vorrangig spezialgesetzl. RGL:

z. Bsp. § 15 GastG, § 21 BImSchG, § 12 BBG, § 3 StV G falls (-) ⇒ RGL: §§ 48, 49 HVwVfG

VA rechtswidrig

VA rechtmäßig

Rücknahme, § 48 HVwVfG Widerruf, § 49 HVwVfG belastender VA begünstigender VA belastender VA begünstigender VA § 48 I 1 § 48 I 1, 2, II bis IV § 49 I § 49 II, III Vorauss.: - rw. VA - belastend - Ermessen

Vorauss.: - rw. VA - begünstigend - bei Geld- oder

Sachlstg.VA ⇒ Rücknahme-sperre bei Ver-trauensschutz gem. 48 II

- bei anderen VA ⇒ Entschä-digung bei Ver-trauensschutz

- Ermessen - Frist, 48 IV

Vorauss.: - rm. VA - belastend - Ermessen

Vorauss.: - rm. VA - begünstigend - Aufhebung ex

nunc ⇒ 49 II - Aufhebung ex

tunc ⇒ 49 III - Ermessen - Frist, 48 IV

falls Rücknahme ex tunc (48 II) ⇒ ggf. Rückzahlung ⇒ VA erforderlich ⇒ RGL: § 49 a

falls Widerruf ex tunc (49 III) ⇒ ggf. Rückzahlung ⇒ VA erforderlich ⇒ RGL: § 49 a

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2. Vertiefung Vorrang spezialgesetzlicher Rechtsgrundlagen, insb.

• § 15 GastG (nur falls HGastG nicht anwendbar!)

- Abs. 1 ist nicht abschließend ⇒ § 48 HVwVfG bleibt daneben anwendbar - Abs. 2 + 3 sind nach h.M. abschließend ⇒ § 49 HVwVfG ist nicht anwendbar

• §§ 21 BImSchG, 12 BBG, 3 I StVG sind abschließend und verdrängen § 49 HVwVfG • §§ 68 ff. VwGO enthalten Sonderregelungen ⇒ keine Anwendung von §§ 48 ff. HVwVfG im Widerspruchs- und Anfechtungsverfahren Abgrenzung rechtmäßiger ⇔ rechtswidriger VA Grds. ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit auf den Erlaß-Zeitpunkt abzustellen

(arg.: bei nachträglicher Änderung der Sach- und Rechtslage gilt § 49 II Nr. 3/ 4) Ausn.:3 • Vorauss. eines auf lfd. Geldleistungen gerichteten VAs fallen im Laufe des Bewil-

ligungszeitraumes weg ⇒ Aufhebung ab dem Zeitpunkt nach § 48 (Rücknahme eines insoweit rw. VAs)

• Rückwirkende Änderung der Rechtslage

Abgrenzung begünstigender ⇔ belastender VA Begünstigender VA Legaldefinition in § 48 I 2:

„Ein VA, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt“ Bsp.: Subvention, Genehmigungserteilung

Belastender VA Alle VAe, die nicht begünstigend sind (e contrario), insb. solche, die Ge- oder Verbote aufer-legen, Vergünstigungen entziehen oder zum Nachteil des Betroffenen verändern Bsp.: Abrissverfügung, Genehmigungsablehnung

3 Vgl. dazu BVerwGE 84, 111 (113 f.).

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Sonderfall (insb. bei Geldleistungen): Verschärfung einer Belastung/ Verbesserung einer Begünstigung

• Ein zu einer bestimmten Geldzahlung verpflichtender Bescheid ist insoweit begünsti-

gend, als er keine darüber hinausgehende Summe fordert. Die Erhöhung des festgesetzten Betrages durch die Behörde ist nach den Regeln über die Aufhebung belastender VAe zu beurteilen (h.M.). Nach a.A. sind die Regeln über die begünstigenden VAe maßgeblich ⇒ besser für den Betr., da die Verschlechterung schwerer durchsetzbar ist.

• Umgekehrt ist die Verbesserung einer Begünstigung wie die Aufhebung belastender VAe

zu behandeln ⇒ besser für den Betr., da die Verbesserung leichter möglich ist

Bsp.: A erhält in Anwendung eines Subventionsgesetzes eine Geldleistung in Höhe von

2.000 €. Als die Behörde feststellt, dass A tatsächlich einen Anspruch auf 2.500 € hat, hebt sie den ursprünglichen VA nach den Regeln über die Rücknahme begünsti-gender VAe auf und erlässt einen neuen Bescheid.

Fall 1: Rücknahme eines rechtswidrigen belastenden VAs, § 48 I 1 HVwVfG Rücknahme für Zukunft oder Vergangenheit steht im Ermessen der Behörde Rechtsfrieden überwiegt Gesetzmäßigkeit der Vw.; Betr. hätte sich gegen den VA mit Wispr. / Klage wehren können; tut er das nicht, nimmt die Rechtsordnung grds. in Kauf, dass ein rechtswidriger VA bestehen bleibt Fall 2: Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden VAs, § 48 I 2, II - IV HVwVfG Vertrauensschutz des Begünstigten ⇔ Gesetzmäßigkeit der Verwaltung str.: Einordnung der Absätze 2 bis 4 H.M.: TB-Vorauss.; a.A.: Ermessensbeschränkung Nach h.M. auch Anwendbarkeit auf nichtige VAe (+) § 48 II: bei Geld- oder Sachleistungs-VAs ⇒ Rücknahmesperre bei Vertrauensschutz bei - einmaliger Geldleistung (z.B. Zuschussbewilligung),

- laufender Geldleistung (z.B. Stipendium), - teilbarer Sachleistung (z.B. Bewilligung von Kleidung für Sozialhilfeempfän-

ger) oder - für VAe, die Vorauss. für Gewährung solcher Leistungen sind

(z.B. Festsetzung des Besoldungsdienstalters als Vorauss. für Gewährung der Beamtenbe-züge)

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Voraussetzungen: • VA i.S.d. § 48 II S. 1 • auf dessen Bestand der Begünstigte vertraut hat, • sofern er nicht bösgläubig und • sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öfftl. Interesse schutzwürdig

ist

§ 48 II 1 § 48 II 1, 1. HS § 48 II 3 § 48 II 1, 2. HS

1. VA i.S.d. § 48 II S. 1 ⇒ s. oben

2. auf dessen Bestand der Begünstigte vertraut hat, i.d.R. ⊕, es sei denn Empfänger hat vom VA gar keine Kenntnis 3. sofern er nicht bösgläubig ist

Nr. 1: arglistige Täuschung, Drohung, Bestechung

Nr. 2: unrichtige/ unvollständige Angaben Verschulden ist unerheblich; entscheidend ist, dass die Ursache für die Fehler-haftigkeit des VAs in der Verantwortungssphäre des Betroffenen liegt; (-), bei mißverständlichen/ lückenhaft formulierten/ schlecht kopierten Formularen

Nr. 3: Kenntnis/ grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit (S) Parallelwertung in der Laiensphäre ist entscheidend

� in diesen Fällen keine Schutzwürdigkeit, weil Begünstigter mit Rücknahme rechnen musste

4. und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öfftl. Interesse schutzwürdig ist

• Regelvermutung in § 48 II 2: betätigtes Vertrauen i.d.R. schutzwürdig (Verbrauch, Disposition) nicht: Schuldentilgung/ Anschaffungen, die wertmäßig noch im Vermögen des Betr. vorhanden sind

• sonstige Aspekte:

- Auswirkungen für den Begünstigten/ für Dritte/ für Allgemeinheit

(persönliche, wirtschaftliche + soziale Folgen für Betr./ Existenzgefährdung des Betriebes und der Mitarbeiter; Nachteil der Allgemeinheit bei hohen Geldzahlun-gen aus öfftl. Mitteln)

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- Ausmaß der Rechtswidrigkeit - Zeitablauf seit dem Erlaß des Verwaltungsaktes - einmalige Leistung/ Dauerleistung

Hinweis: Die Widerrufsgründe der § 49 II, III sind analog auch auf § 48 II anwendbar („Erst-Recht-Schluss“, h.M.) ⇒ in dem Fall erübrigt sich die Prüfung des § 48 II

Rechtsfolge: Rücknahmesperre greift, soweit das Vertrauen des Begünstigten schutzwürdig ist; ggf. kann VA gar nicht/ nur teilweise/ ab einem bestimmten Zeitpunkt aufgehoben werden Ist das Vertrauen nicht schutzwürdig, besteht seitens der Behörde keine Rücknahmepflicht; das Ermessen nach § 48 I 1 ist aber eingeschränkt durch § 48 II 4 für die Fälle der Bösgläu-bigkeit; i.ü. erhöhte Bedeutung des Grds. der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung beachten! Im Falle der Rücknahme ex tunc richtet sich die Rückzahlung nach § 49a HVwVfG § 48 III: bei sonstigen VAen ⇒ Entschädigungsgebot bspw. Baugenehmigung, (P) Bürgschaften, vgl. dazu Fall 12 VerwR AT

§ 48 II enthält ein Rücknahmeverbot, gewährt also Bestandsschutz, § 48 III enthält ein Entschädigungsgebot, gewährt also Vermögensschutz str., ob auch bei §§ 48 I, III Vertrauensschutz i.R.d. Ermessens zu berück-sichtigen: Lit.: (+) => Abwägung => ggf. auch Bestandsschutz Rspr.: (-) => nur i.R.d. Entschädigung § 48 III

Rücknahme liegt im Ermessen der Behörde (§ 48 I 1), aber auf Antrag Ersatz des negativen

Interesses, soweit das Vertrauen des Betr. schutzwürdig ist; Grenze: positives Interesse

⇒ Betr. ist zu stellen, als hätte er auf den Bestand des VAs nicht vertraut/ als wäre er gar nicht

erlassen worden

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(P) Frist für Rücknahme, § 48 IV „Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig.“ (P) Beginn der Frist

e.A.: Bearbeitungsfrist,

d.h. Fristbeginn mit Kenntniserlangung von der Rechtswidrigkeit, sonst unendliche Möglichkeit die Frist hinauszuschieben arg. Schutz des Bürgers, Sinn und Zweck

BVerwG: Entscheidungsfrist,

d.h. Fristbeginn, wenn Kenntnis von der Rechtswidrigkeit und allen Tat-sachen, die für die Rücknahmeentscheidung erforderlich sind (insb. sol-chen, die für die Gewährung von Vertrauensschutz und Ermessenserwä-gungen relevant sind); (S) „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“

arg. Wortlaut: „Kenntnis von Tatsachen, welche die Rücknahme recht-fertigen“

(P) Begriff der „Tatsachen“

unproblematisch erfasst: Sachaufklärungsfehler fraglich: Auch Rechtsanwendungsfehler?

h.M.: ⊕; arg. § 48 IV 2 enthält eine Ausnahme für den Fristlauf bei durch unlautere

Mittel erwirktem VA (bspw. Bestechung); in diesem Fall basiert der rechtswidrige VA nur auf einem Rechtsanwendungsfehler; wäre das keine „Tatsache“, wäre § 48 IV 2 überflüssig, da ohnehin keine Frist beginnt

(P) Begriff der „Behörde“

e.A.: jede Stelle, die Verwaltungstätigkeit wahrnimmt (§ 1 IV HVwVfG) ⇒ Kenntnis mit Aktenkundigkeit

h.M.: Kenntnis des zuständigen Amtsträgers (Sachbearbeiter), Rechtsgedanke des §

166 BGB Aber: ein evtl. Organisationsverschulden wird der Behörde zugerechnet; Mängel in der Organisation können für den Bürger nicht nachteilig sein

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Fall 3: Widerruf eines rechtmäßigen belastenden VAs, § 49 I HVwVfG Widerruf für Zukunft steht im Ermessen der Behörde, es sei denn

• ein VA gleichen Inhalts müsste erneut erlassen werden oder (bei gebundener Entscheidung oder bei Ermessensreduktion auf Null)

• ein Widerruf ist aus anderen Gründen unzulässig (Gesetz enthält Widerrufsverbot oder Widerruf ist nach Sinn und Zweck einer Rege-lung ausgeschlossen ⇒ Praktisch relevant bei Änderung der Sach- oder Rechtslage

Fall 4: Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden VAs, § 49 II, III HVwVfG § 49 II: Widerruf mit Wirkung für die Zukunft

• Nr. 1: Widerrufsvorbehalt durch Gesetz oder VA Ein rechtswidriger, aber bestandskräftiger Widerrufsvorbehalt steht einem Widerruf nicht entgegen, sofern dem VA überhaupt ein Widerrufsvorbehalt beigefügt werden durfte (kein „vorbehaltsfeindlicher VA“); u.U. aber Ermessensfehler bei offensicht-licher Rechtswidrigkeit (BVerwG; a.A.: RM des Vorbehalts = TB-Vorauss. => Vorbehalt rw., dann auch Widerruf unzulässig)

• Nr. 2: Nichterfüllung einer Auflage

aber: VHM beachten; insb. muß Behörde erst versuchen, Auflage zwangsweise durchzusetzen; auch hier str., ob Auflage rechtmäßig oder nur wirksam sein muß, s.o.

• Nr. 3: Änderung der Sachlage

aber: Kein Widerruf, wenn es nach Sinn und Zweck des zugrundeliegenden materiel-len Rechts auf die Änderung der Sachlage nicht ankommt (Bsp.: Dem Betr. fehlen 10 Jahre nach dem Staatsexamen die Grundkenntnisse im Öffentlichen Recht)

• Nr. 4: Änderung der Rechtslage

Rechtsvorschriften: Gesetze/ RVOen/ Satzungen; nicht: Änderung von Verwaltungsvorschriften/ Änderung der RSpr.

• Nr. 5: Verhütung/ Beseitigung schwerer Nachteile für die Allgemeinheit

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Notstandsklausel, eng auszulegen

§ 49 III: Widerruf auch mit Wirkung für die Vergangenheit

• Nr. 1: Keine Erfüllung eines bestimmten Zwecks (diff. 3. Varianten)

Verwendungszweck muß im VA festgelegt sein oder sich aus den Umständen ergeben

• Nr. 2: Nichterfüllung einer Auflage

aber: VHM beachten; insb. muß Behörde erst versuchen, Auflage zwangsweise durchzusetzen; auch hier str., ob Auflage rechtmäßig oder nur wirksam sein muß, s.o.

⇒ Praktisch relevant vor allem im Bereich des Subventionsrecht

Frist für Rücknahme: § 48 IV gilt gem. §§ 49 II 2, III 2 entsprechend, vgl. obige Ausführun-gen

Entschädigungsklausel des § 49 VI beachten, vgl. obige Ausführungen zu § 48 III Im Falle der Rücknahme ex tunc richtet sich die Rückzahlung nach § 49a HVwVfG

Sonderfall:

Rücknahme gemeinschaftsrechtswidriger Beihilfen => Notwendigkeit gemeinschaftsrechtskonformer

Anwendung / Auslegung von § 48 HVwVfG => siehe Folgeseite

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3. Vertiefung: Auswirkungen des Europarechts auf §§ 48, 49 HVwVfG bei Aufhebung von Subventionen (1) Ausgangssituation Mittlerweile haben sich die Fälle gehäuft, in denen Beihilfen/Subventionen an Private ge-

währt worden sind, ohne dass diese nach Art. 108 AEUV bei der EU-Kommission angemeldet

worden sind. Solche nationale Subventionen egal, ob aus Mitteln des Bundes, der Länder oder

Gemeinden, sind dann europarechtswidrig. Da die Leistungen aufgrund eines rechtswidrigen

VA´s erfolgen ist § 48 HVwVfG anwendbar.

(2) Rücknahme von Subventionen RGL für die Rücknahme wäre § 48 II HVwVfG. Nach dem S. 2 des Abs. 2 ist das Ver-trauen in der Regel schutzwürdig, wenn die Leistung verbraucht ist, sie darf dann nur unter

den Voraussetzungen des S. 3 zurückgenommen werden.

(3) Vertrauensschutz <=> Gemeinschaftsinteresse

Nach der Rspr. des EuGH muss das nationale Recht so zur Anwendung gelangen, dass das

Gemeinschaftsinteresse voll berücksichtigt werden kann.

Bei europarechtswidrigen Subventionen ist dann grundsätzlich von einem gesteigerten, öffent-

lichen Rücknahmeinteresse auszugehen. Würde die Subvention nicht zurückgenommen, wäre

die Durchsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsordnung gefährdet ((S) effet uti-

le). In der Regel wird man daher bei größeren Wirtschaftsunternehmen eine grobe Fahrlässig-

keit iSd § 48 II S. 3 Nr. 3 HVwVfG annehmen müssen, da erwartet werden kann, daß sich

dieses Unternehmen kundig macht.

Vertrauensschutz muss in der Regel angesichts dieses besonderen Rücknahmeinteresses

zurücktreten. Vgl. zum Ganzen, Hemmer/Wüst Europarecht; Hemmer/Wüst Basics Öffentli-

ches Recht Rn. 436.

(4) Frist des § 48 IV HVwVfG Eine streitige Frage war darüber hinaus auch, ob auch nach Fristablauf im Sinne des § 48 IV

im Interesse des Gemeinschaftsrecht zurückgenommen werden kann. Der EuGH hat jetzt je-

doch entschieden, dass die Jahresfrist bei gemeinschaftsrechtswidrigen Beihilfen vom vor-

rangigen Interesse an einer Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts überwunden werden kann. EuGH EuZW 1997, 276; EuGH NJW 1998, S. 47

(5) Ermessensentscheidung Während § 48 HVwVfG der Behörde bei der Rücknahmeentscheidung grds. Ermessen ein-

räumt, geht die ganz h.M. davon aus, dass die Rücknahme unbedingt erfolgen muss, wenn

die Kommission die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit festgestellt hat.

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VII. Die Wirksamkeit des Verwaltungsakts A. Eintritt der Wirksamkeit Der VA wird mit der Bekanntgabe wirksam; § 43 I 1 VwVfG.

Bekanntgabe ist die mit Wissen und Wollen der Behörde erfolgte Eröffnung des VA ge-genüber einem konkreten Adressaten. Ein zufälliges Bekannt werden genügt nicht.

VG Bremen NVwZ-RR 1996, 550: Die Übersendung einer Kopie eines Bescheides stellt keine Bekanntgabe dar, wenn die Übermittlung der Kopie aus der Sicht der Behörde nur eine unverbindliche Information darstellen sollte.

Eine Allgemeinverfügung darf gem. § 41 III 2 VwVfG öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Untunlich bedeutet, dass eine indivi-duelle Bekanntgabe wegen der Natur des in Frage stehenden Verwaltungsakts nicht möglich oder jedenfalls mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre (Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 41 Rz 48), z.B. weil nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, wer von dem Verwal-tungsakt betroffen ist. Ein solcher Verwaltungsakt gilt zwei Wochen ab der ortsüblichen Be-kanntmachung als bekannt gegeben (§ 41 IV 3 VwVfG).

1. einfacher Brief Bei der Übermittlung des schriftlichen Verwaltungsakts durch einfachen Brief ist hinsichtlich der Bekanntgabe im Inland gem. § 41 II 1 VwVfG die 3 - Tages - Fiktion zu beachten. Der Verwaltungsakt gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies gilt gem. § 41 II 3 VwVfG nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeit-punkt zugegangen ist. Die Beweislast trägt im Zweifel die Behörde. Problem: Der dritte Tag fällt auf einen Samstag oder Sonntag OVG Lüneburg NVwZ-RR 2007, 78; ebenso OVG Münster NVwZ 2001, 1171: Auch wenn der dritte Tag nach Aufgabe eines Briefes zur Post gem. § 41 II VwVfG auf einen Samstag, Sonn-tag oder Feiertag fällt, gilt dieser und nicht der nächste Werktag als Tag der Bekanntgabe. Bei der Bestimmung des § 41 II VwVfG handelt es sich nicht um eine Frist, sondern das Gesetz vermutet aus Praktikabilitätsgründen eine pauschalierte Zeitdauer für den Zugang eines Brie-fes. Wenn der Brief tatsächlich erst nach dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post zugeht, kann gem. § 41 II 3 VwVfG die Drei-Tages-Fiktion entkräftet werden. Anderer Ansicht ist der BFH. Er versteht die Regelung als Bestimmung einer ganz normalen Frist und wendet daher die für das Fristende maßgeblichen Vorschriften an.

BFH NJW 2004, 94: Die Drei-Tages-Fiktion zwischen der Aufgabe eines Verwaltungsakts zur Post und seiner vermuteten Bekanntgabe verlängert sich, wenn das Fristende auf einen Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Sonnabend fällt, bis zum nächsten Werktag.

Hat ein Beteiligter keinen Wohnsitz im Inland, kann die Behörde gem. § 15 Satz 1 VwVfG verlangen, dass ein Empfangsbevollmächtigter im Inland benannt wird. Unterlässt dies der Beteiligte, gilt gem. § 15 Satz 2 VwVfG ein an ihn gerichtetes Schriftstück am siebenten Tage nach der Aufgabe zur Post als zugegangen.

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2. elektronisches Dokument Ein elektronisch in das Inland oder das Ausland übermittelter Verwaltungsakt gilt gem. § 41 II 2 VwVfG am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben. Beachten Sie aber auch hier § 41 II 3 VwVfG. 3. Zustellung Der Begriff der Zustellung ist in § 2 I VwZG legal definiert. Zustellung ist die Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Dokuments in der in dem VwZG bestimmten Form. Es handelt sich dabei um eine Sonderform der Bekanntgabe.

Zugestellt wird, soweit dies durch Rechtsvorschrift oder behördliche Anordnung bestimmt ist (§ 1 II VwZG).

Wird nicht zugestellt, obwohl eine Zustellung gesetzlich vorgeschrieben ist, werden keine Fristen in Lauf gesetzt. Die Bekanntgabe des Verwaltungsakts bleibt davon jedoch unberührt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 41 Rz 62; OVG Hamburg NVwZ-RR 1993, 110). Zustellungsmängel unterliegen der Heilung nach Maßgabe des § 8 VwZG.

OVG Münster NVwZ-RR 2008, 294 = NWVBl. 2008, 77: § 8 VwZG ist nur anwendbar, wenn überhaupt eine Zustellung vorliegt. Wurde nicht zugestellt, weil es z.B. am Zustel-lungswillen fehlt, greift die Regelung nicht. Es ist anerkannt, dass eine mangelhafte Zustel-lung durch Einlegung der vorgesehenen Rechtsbehelfe, ohne den Mangel zu rügen, geheilt werden kann bzw. dass sich derjenige nicht mehr auf Zustellungsmängel berufen kann, der die gegen den Verwaltungsakt vorgesehenen Rechtsbehelfe eingelegt hat, ohne die Mängel zu rügen.

Für die Zustellung mittels Übergabe-Einschreiben greift gem. § 4 II 2 VwZG die 3 - Tages - Fiktion. Beim Einschreiben mit Rückschein ist gem. § 4 II 1 VwZG der Rückschein der Be-weis für die erfolgte Zustellung; die Fiktion des § 4 II 2 VwZG greift grundsätzlich nicht. Kann jedoch der Rückschein nicht vorgelegt werden oder enthält er keine oder eine unleserli-che Datumsangabe, gilt die (dann widerlegbare) gesetzliche Vermutung des § 4 II 2 VwZG (Rosenbach DVBl. 2005, 816, 817).

B. Ende der Wirksamkeit Der Verwaltungsakt bleibt gem. § 43 II VwVfG wirksam, solange und soweit er nicht zurück-genommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. 1. Unwirksamkeit tritt ein durch Rücknahme nach § 48 VwVfG sowie Widerruf nach § 49

VwVfG. Eine Aufhebung kann auch im Abhilfeverfahren nach § 72 VwGO sowie durch die Widerspruchsbehörde und das Verwaltungsgericht (§ 113 I 1 VwGO) erfolgen.

2. Die Wirksamkeit endet automatisch durch Zeitablauf in den Fällen einer Befristung nach § 36 II Nr. 1 VwVfG, aber auch dann, wenn der Verwaltungsakt nur eine zeitlich begrenzte Dauerwirkung hat, z.B. Gewährung von Trennungsgeld für den Zeitraum der Abwesenheit.

3. Schließlich ist eine Erledigung auf andere Weise möglich, z.B. durch Verzicht des Begüns-tigten auf das gewährte Recht, durch Untergang der Sache bei einem dinglichen Verwal-tungsakt oder durch endgültige Befolgung des Verwaltungsakts.

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VIII. Nichtigkeit des Verwaltungsakts

Die Nichtigkeit des Verwaltungsakts stellt gem. § 43 III VwVfG einen Unwirksamkeitsgrund dar. Suchen Sie zuerst spezialgesetzliche Nichtigkeitsgründe wie z.B. § 11 BeamtStG. Hier sind die Nichtigkeitsgründe für eine Ernennung abschließend aufgezählt. Ein Rückgriff auf § 44 VwVfG ist ausgeschlossen. Sind Spezialregelungen nicht einschlägig, wenden Sie § 44 VwVfG an. Prüfen Sie zuerst die absoluten Nichtigkeitsgründe des Positivkataloges in § 44 II Nr. 1 - 6 VwVfG. Nichtig ist danach ein Verwaltungsakt in folgenden Fällen:

Nr. 1: Ein schriftlicher Verwaltungsakt lässt die erlassende Behörde nicht erkennen. Nr. 2: Es fehlt die Form „Aushändigung einer Urkunde“. Nr. 3: Der Verwaltungsakt hinsichtlich unbeweglichen Vermögens wurde außerhalb der ört-

lichen Zuständigkeit der Behörde gem. § 3 I Nr. 1 VwVfG und ohne Ermächtigung erlassen. Mängel der sachlichen Zuständigkeit werden hingegen von der Nichtigkeitsre-gelung der Nr. 3 nicht erfasst.

VG Neustadt UPR 1999, 200: Eine Missachtung der sachlichen Zuständigkeit der oberen Abfallbehörde durch die untere Bauaufsichtsbehörde führt nicht zur Nich-tigkeit.

Nr. 4: Tatsächliche Unmöglichkeit. Nr. 5: Der Verwaltungsakt verlangt die Begehung einer straf- oder bußgeldbewehrten

rechtswidrigen Tat. Nr. 6: Der Verwaltungsakt verstößt gegen die guten Sitten.

Keine Nichtigkeit haben die im Negativkatalog des § 44 III Nr. 1 - 4 VwVfG genannten Feh-ler zur Folge.

Nr. 1: Nichteinhaltung der örtlichen Zuständigkeit bis auf den in § 44 II Nr. 3 VwVfG genannten Fehler.

Nr. 2: Mitwirkung einer gem. § 20 I 1 Nr. 2 - 6 VwVfG ausgeschlossenen Person. Nr. 3: Der für den Erlass des Verwaltungsakts vorgeschriebene Beschluss fehlt oder

ist unwirksam. Nr. 4: Die Mitwirkung einer anderen Behörde ist unterblieben.

Greifen weder Abs. 2 noch Abs. 3, ist die Generalklausel des § 44 I VwVfG anzuwenden. Zu prüfen ist, ob der Verwaltungsakt an einem besonders schweren Fehler leidet und dieser Fehler offensichtlich ist.

BVerwG NVwZ 2000, 1039: Die Rechtsfolge der Nichtigkeit ist eine besondere Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein Akt staatlicher Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trägt. Der Fehler muss schlechterdings unerträglich sein; der Verwaltungsakt muss mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wert-vorstellungen unvereinbar sein. OVG Saarlouis AS 27, 130, 135: Besonders schwerwiegende Fehler sind solche, die in ei-nem so schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den ihr zugrun-deliegenden Wertvorstellungen der Gemeinschaft stehen, dass es unerträglich wäre, wenn der Verwaltungsakt die ihm zugedachten Rechtswirkungen äußerte. Es muss sich um sol-che Fehler handeln, die den in § 44 II VwVfG aufgeführten an Schwere und Tragweite ver-

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gleichbar sind, jedenfalls aber schwerer wiegen als die in § 44 III VwVfG aufgeführten Mängel. Einen weiteren Anhaltspunkt für die Gewichtung an Fehlern liefert die Regelung des § 45 I VwVfG: Obschon sie nicht für nichtige Verwaltungsakte gilt, lässt sie doch er-kennen, dass die in ihren Nummern 1 bis 5 aufgeführten Mängel regelmäßig nicht so schwer wiegen, dass sie die unheilbare Nichtigkeit des Verwaltungsaktes zur Folge haben.

Europarecht: BVerwG NVwZ 2000, 1039: Nicht jeder Verstoß gegen Unionsrecht muss als Nichtigkeitsgrund behandelt werden. Prozessuales:

a) Der Adressat kann klagen auf Feststellung der Nichtigkeit des Verwaltungsakts durch das Gericht gem. § 43 I 3. Fall VwGO. Diese Klage ist gem. § 43 II 2 VwGO nicht sub-sidiär.

b) Wahlweise kann auch eine Verpflichtungsklage auf Feststellung der Nichtigkeit durch die Behörde nach § 44 V VwVfG erhoben werden. Die Möglichkeit einer Nichtigkeits-feststellungsklage nach § 43 VwGO schließt diesen Weg nach h.M. nicht aus (Kopp/Ramsauer VwVfG § 44 Rz 69).

c) Auch eine Anfechtungsklage gegen einen nichtigen Verwaltungsakt kommt in Betracht, aber unter Beachtung der Klagefrist des § 74 I VwGO (OVG Rheinland-Pfalz NVwZ 1999, 198).

IX. Die Zusicherung - § 38 VwVfG

Im Gegensatz zu Auskünften und Hinweisen stellen Zusagen eine verbindliche Festlegung der Behörde hinsichtlich ihres zukünftigen Verhaltens dar und begründen folglich einen Anspruch des Begünstigten auf ein entsprechendes Behördenverhalten. A. Begriff Zusicherung ist gem. § 38 I 1 VwVfG die verbindliche Zusage, einen bestimmten Verwal-tungsakt zu erlassen oder zu unterlassen. Richtet sich das Versprechen auf etwas, was keinen Verwaltungsakt darstellt, liegt eine (bloße) Zusage vor. Auf diese ist § 38 VwVfG nicht, auch nicht analog, anwendbar. Sie bedarf also insbesondere nicht der Schriftform. B. Form Die Zusicherung bedarf gem. § 38 I 1 VwVfG der Schriftform. Andernfalls ist sie unwirksam. Dies gilt auch insbes. dann, wenn der zugesicherte Verwaltungsakt keiner Form bedarf.

BVerwG NVwZ 2003, 997: Zusicherungen zur Niederschrift des Gerichts genügen der Schriftform des § 38 I 1 VwVfG. Das gerichtliche Protokoll erfüllt die sich aus dem Zweck der Schriftform ergebenden Anforderungen: Aus ihm wird deutlich, welche Behörde die Zusicherung gegeben hat und wer für sie gehandelt hat. Auch den mit der Schriftform ver-bundenen Zwecken der Beweis- und Warnfunktion trägt die gerichtliche Niederschrift mit einer Erklärung, die vorgelesen und genehmigt worden ist, hinreichend Rechnung.

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C. Wegfall der Bindungswirkung Eine Zusicherung kann gem. § 38 II i.V.m. 48 VwVfG zurückgenommen oder gem. § 38 II i.V.m. § 49 VwVfG widerrufen werden. Daneben entfällt die Wirksamkeit der Zusicherung durch eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage gem. § 38 III VwVfG.

OVG Greifswald NJW 2003, 3146, 3148: § 38 III VwVfG enthält für eine Zusicherung ei-nen spezialgesetzlich geregelten Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Diese Regelung geht den allgemeinen Möglichkeiten, die Zusicherung aus der Welt zu schaffen, vor. Die Bindungswirkung entfällt nach dieser Vorschrift unabhängig von der Bekanntgabe einer Aufhebungsentscheidung bereits mit der objektiven Änderung der Sach- oder Rechtslage.

X. Nebenbestimmungen 1.Begriff Die Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt sind in § 36 VwVfG geregelt. Danach sind Nebenbestimmungen Befristung, Bedingung, Widerrufsvorbehalt, Auflage und Auflagenvor-behalt. Nebenbestimmungen setzen schon begrifflich eine Hauptbestimmung voraus. Daraus folgt auch der Unterschied zwischen Neben- und Inhaltsbestimmungen. Inhaltsbe-stimmungen präzisieren - qualitativ oder auch quantitativ - den Hauptinhalt des Verwaltungs-aktes. Nebenbestimmungen ergänzen demgegenüber den Hauptinhalt eines Verwaltungsak-tes oder schränken den Hauptinhalt ein. Nach herrschender Meinung sind Neben- und Inhaltsbestimmungen einerseits sowie die ver-schiedenen Arten der Nebenbestimmungen andererseits nicht nach ihrer Bezeichnung, son-dern nach ihrem objektiven Inhalt zu unterscheiden. Maßgeblich ist deshalb der materielle Gehalt, wie er von dem Adressaten nach den Umständen des Einzelfalls bei verständiger Würdigung zu verstehen ist, also der Empfängerhorizont. Die Bezeichnung als Inhalts- oder Nebenbestimmung hat ebenso wie der Wille der Behörde lediglich indizielle Bedeutung Bestimmungen zum Verwaltungsakt, die seinen Inhalt qualitativ oder auch quantitativ beein-flussen, werden in der Rechtsprechung als modifizierende Auflagen bezeichnet. Die Literatur betrachtet diese Formulierung als missglückt, weil sie den Eindruck erweckt, es handele sich um eine besondere, in § 36 Abs. 2 VwVfG nicht genannte Nebenbestimmung zum Verwal-tungsakt. Tatsächlich ist die modifizierende Auflage eine Inhaltsbestimmung zum Verwal-tungsakt. In einer Klausurlösung kommt es auf diesen Meinungsstreit nicht an. Rechtsproble-me im Zusammenhang mit der modifizierenden Auflage betreffen regelmäßig die Frage, ob die modifizierende Auflage im Widerspruchsverfahren oder im verwaltungsgerichtlichen Ver-fahren isoliert angefochten werden kann. Insoweit besteht in der Rechtsprechung und Literatur Einigkeit darüber, dass eine solche isolierte Anfechtung nicht in Betracht kommt. Der Adres-sat des Verwaltungsaktes muss einen Verpflichtungswiderspruch oder eine Verpflichtungs-klage mit dem Antrag erheben, die Behörde zum Erlass des Verwaltungsaktes ohne die modi-fizierende Auflage zu verpflichten.

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2. Rechtsschutz Die Hauptproblematik bei Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt liegt in der Frage, wel-cher Rechtsschutz gegen die Nebenbestimmung eröffnet ist. Bis heute hat sich keine einheitli-che Meinung gebildet. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Rechtsprechung ge-schwankt. Die Rechtsprechung aus der jüngeren Zeit lässt aber eine einheitliche Tendenz er-kennen. Beispielsfall: A hat die Erteilung einer Baugenehmigung beantragt. Die Behörde B erteilt ihm die Baugenehmigung unter der Bedingung, 25 Stellplätze zu schaffen. A ist mit der Bedin-gung nicht einverstanden und erhebt Klage. Welche Klageart ist statthaft? Während früher und teilweise noch heute davon ausgegangen wird, dass bei Nebenbestim-mungen gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 VwVfG eine Verpflichtungsklage einschlägig ist und die Nebenbestimmungen gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 4 und Nr. 5 VwVfG selbstständig an-fechtbar sind, geht die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Urteil vom 22.11.2000 - 11 C 2.00 -, BVerwGE 112, 221 ff., davon aus, dass sämtliche Nebenbestim-mungen gemäß § 36 Abs. 2 VwVfG selbstständig mit der Anfechtungsklage angefochten werden können. Nur bei den modifizierenden Auflagen, ist eine Verpflichtungsklage auf Erlass des Verwal-tungsaktes ohne die modifizierende Auflage statthafte Klageart. Das Bundesverwaltungsge-richt hat außerdem seine frühere Differenzierung, ob die Nebenbestimmung einem gebunde-nen oder einem im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsakt beigefügt worden ist, nicht mehr aufrechterhalten. Zur Begründung der selbstständigen Anfechtbarkeit von Neben-bestimmungen gemäß § 36 Abs. 2 VwVfG kann insbesondere auf § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO hingewiesen werden. Die dort enthaltene Formulierung, „soweit“ der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, macht deutlich, dass auch Teile des Verwaltungsaktes selbstständig ange-fochten werden können. Bei der Prüfung der Begründetheit einer Anfechtungsklage gegen eine Nebenbestimmung ist zu beachten, dass die isolierte Aufhebung der Nebenbestimmung natürlich nur dann in Be-tracht kommt, wenn der Verwaltungsakt auch ohne die Nebenbestimmung rechtmäßig ist. Das ist der Fall, wenn der Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung nicht gegen höherrangiges Recht verstößt und nicht ermessensfehlerhaft ist. Ist der Verwaltungsakt ohne die Nebenbe-stimmung rechtswidrig, ist die Anfechtungsklage gegen die Nebenbestimmung unbegründet.

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Nebenbestimmungen (§ 36 HVwVfG) maßgebliche Ab- grenzungskriterien: (1) Bezeichnung (2) Intention (3) Zulässigkeit (4) im Zweifel: Auflage, da günstiger für den Bürger Bsp. für Auflage: Baugenehmigung + Pflicht zur Anbringung einer Außentreppe Bsp. für mod. Auflage: Baugenehmi- Bsp. für mod. Gewährung: Baugenehmigung gung für Haus mit Satteldach wird be- wird für eine best. Stelle auf dem Grundst. beantragt, genehmigt wird Haus mit antragt, aber für eine andere Stelle geneh- Flachdach migt Abgrenzung im Grunde müßig und überflüssig, da unstr. beide nicht isoliert anfechtbar

Bedingung (Nr. 2)

- zukünftiges ungewisses Er-eignis

- (Un)Wirksamkeit des Haupt-VA abhängig von Ein-tritt/Wegfall der Bedingung

- nicht selbständig vollstreck-bar („suspendierend, nicht zwingend“)

Auflage (Nr. 4)

- Tun, Dulden oder Unter-lassen wird vorgeschrie-ben

- Wirksamkeit des Haupt-VA unabhängig von der Erfüllung der Auflage

- selbständig vollstreckbar („zwingend, nicht suspen-dierend“)

Widerrufsvorbehalt (Nr. 3)

zur Verhinderung schutzwürdigen Ver-trauens

Auflagenvorbehalt (Nr. 5)

zur Verhinderung eines Ver-trauenstatbestandes (nach-trägliche Auflage erfordert eigene Rechtsgrundlage)

modifizierende Auflage

- VA gewährt ein aliud

zum Antrag - mod. Auflage enthält

das zwingende Element einer „echten“ Auflage

- die mod. Auflage ist ei-ne Nebenbestimmung iSd § 36 HVwVfG (str.)

modifizierte Gewährung

- VA gewährt ein aliud

zum Antrag - kein zwingendes Ele-

ment - mod. Gewährung ist

keine Nebenbestim-mung iSd § 36 HVwVfG

Befristung (Nr. 1)

Wirkung des VA abhängig von ei-nem zukünftigen gewissen Ereignis

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1. Standort in der Statthaften Klageart! Begehren gegen Auflagen �isolierte Anfechtungsmöglichkeit ? Isolierte Anfechtung von NB könnte zu Erg. führen, die von Verw. nicht gewollt oder rechtswidrig sind �Meistens: Befristung, Vorbehalt und Auflage a) Rspr: differenzierte nach Art der NB Unselbständige Nebenbestimmungen wie die Bedingung, Befristung und der Widerrufsvorbe-halt (§ 36 II Nr.1-3 HVwVfG) waren als integrierte Bestandteile der Begünstigung nicht iso-liert anfechtbar, während Auflagen (§ 36 II Nr.4 HVwVfG) durch die Begründung zusätzli-cher Ge- oder Verbote einem eigenständigen Schicksal unterworfen werden konnten. b)TdL : ⊕, falls geb. Entscheidung; (-) falls Ermessen c)TdL : Gedanke des § 44 IV HVwVfG maßgeblich h.M.: ⊕, bei prozessualer (logischer) Teilbarkeit(wenn also keine modifizierende Auflage ge-geben ist, die den VA selbstständig komplett abändert/MODIFIZIETRT� materielle Teilbar-keit erst in Begründetheit! 2.Standort: Begründetheit! Isolierte Anfechtungsklage gegen Nebenbestimmungen begründet, soweit

• die Nebenbestimmung rechtswidrig, der Kläger dadurch in seinen Rechten ver-letz ist und

• die Nebenbestimmung im materiellen Sinne vom Verwaltungsakt abteilbar ist.

• Nach h.M. ist eine Nebenbestimmung dann vom Verwaltungsakt materiell teilbar, wenn der verbleibende Verwaltungsakt ohne Nebenbestimmung bestehen bleiben kann, weil er weder rechtswidrig noch sinnlos wird.

• Nach a.A. ist eine materielle Teilbarkeit bei Ermessensverwaltungsakten nicht gegeben, da

nur so ein Eingriff in das behördliche Ermessen verhindert werden könnte.

Dazu hat das BVerwG ausgeführt, dass eine materielle Teilbarkeit auch bei Ermessensverwal-tungsakten in Betracht kommt. Der Behörde stehe es frei, den Rest-VA über §§ 48, 49 HVwVfG aufzuheben.

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XI. Exkurs: Gewerberecht I. Begriff, Reichweite und Systematik des Gewerberechts 1. Begriff des Gewerbes = jede erlaubte, auf Gewinnerzielung gerichtete, dauerhaft ausgeübte, selbständige Tätigkeit, die nicht Urproduktion, freier Beruf oder Verwaltung eigenen Vermögens ist 2. Rechtsquellen, Verhältnis zu anderen Gesetzen • Neben GewO: (H)GastG, HandwO, PersonenbeförderungsG (PBefG), GüterkraftverkehrsG (GüKG), „Ausnahmen oder Beschränkungen“ i.S.d. § 1 I GewO • GewO (Beginn + Fortsetzung) Bundesrecht • POR daher nur hinsichtlich Art + Weise Gewerbeausübung anwendbar, Gewerbeverbote nicht auf POR anwendbar 3. Relevante Teile der GewO • Stehendes Gewerbe, §§ 14 – 52 Def.: Alles, was nicht Reise- bzw. Marktgewerbe ist. • Reisegewerbe, §§ 55 - 61 a • Marktgewerbe, §§ 64 - 71 a 4. Systematik des Gewerberechts a) Erlaubnispflichtige Gewerbe Erlaubnisfreie Gewerbe Erlaubnis erforderlich • Ausnahmsweise erforderlich im allg. GewR, vgl. §§ 30 - 34c GewO + Reisegewerbe • HandwR: Eintragung in Handwerksrolle,§ 7 HandwO Keine Erlaubnis erforderlich • Grs. Nicht mehr im HGastG (anders noch im GastG) • regelmäßig allg. GewR, vgl. § 1 GewO, nur Anzeige erforderlich, § 14 GewO (Grds. Gewerbefreiheit, Ausfluss Art. 12 I GG) Anzeigepflicht (vgl. §§ 14 GewO,16 I Hand-wO),� Minimum an Überwachungs- und Kontrollmöglichkeiten

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ACHTUNG : Erlaubnisfreiheit entbindet nicht von Pflicht zur Einhaltung der Gesetze: - Gefahrgeneigte Tätigkeiten: präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aufgestellt (vgl. §§ 30 – 34c, 55 II GewO ) vorbeugenden Kontrolle • Wird erlaubnisfreies Gewerbe entgegen gesetzlichen Regelungen betrieben, kann es unter-sagt werden (vgl. §§ 35, 59 GewO) • Bei erlaubnispflichtigen Gewerbe: Aufhebung der Erlaubnis • Bei Betrieb ohne Erlaubnis kann Fortsetzung des Betriebs verhindert werden (§ 15 II GewO, § 16 IV HandwO) • Bei erlaubnisfreiem Gewerbe wird Fortsetzung durch Vollstreckung Gewerbeuntersagung (z.B. gem. § 35 GewO) mit Verwaltungszwanges verhindert II. Stehendes erlaubnispflichtiges Gewerbe Klausurkonstellation • Anspruch (Art. 12 GG!) auf Erlaubnis gem. §§ 30 - 34 c GewO / SpezG • Aufhebung Erlaubnis, spez. RGL (z.B. § 33 d IV, V GewO)oder §§ 48, 49 VwVfG • Schließungsanordnung gem. § 15 II GewO III. Stehendes erlaubnisfreies Gewerbe, Klausurkonstellation: • Untersagung Gewerbeausübung gem. § 35 I GewO RGL: § 35 I GewO Formelle RM Materielle RM § 35 GewO �Unzuverlässigkeit = Unbestimmter Rechtsbegriff Fraglich ist, inwieweit die Rspr. die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Ver-waltung überprüfen darf. Nach einer Mm sind unbestimmte Rechtsbegriffe nicht überprüfbar. Dies ist jedoch im Hin-blick auf Art. 19 IV GG bedenklich. Daher geht die hM davon aus, dass die behördliche An-wendung von unbestimmten Rechtsbegriffen grundsätzlich voll überprüfbar ist. (vgl. BVerfG NVwZ 2002, 136). Ausnahme: Unbestimmten Rechtsbegriffen mit Beurteilungsspielraum Unbestimmte Rechtsbegriffe mit Beurteilungsspielraum sind allgemein dann anzuerkennen, wenn die Behörde einen uneinholbaren Wissensvorsprung hat, der sich auch mit Hilfe um-fangreicher Sachverhaltsermittlungen nicht kompensieren lässt. Beispiele: -Verteidigungspolitische Entscheidungen (vgl. BVerwG NJW 1994, 535)

-Feststellung der Schulfähigkeit (vgl. OVG Münster NVwZ-RR 2007, 30) - differenzierend bei Prüfungsentscheidungen:

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BVerwG NVwZ 2000, 915, 920: Der prüfungsspezifische Bewertungsspielraum bezieht sich bei juristischen Fachprüfungen nur auf Gesichtspunkte, die sich wegen ihrer prü-fungsspezifischen Komplexität im Verwaltungsstreitverfahren nicht ohne weiteres nach-vollziehen lassen und daher mit rein objektiven Maßstäben nicht messbar sind. Er be-trifft etwa die Punktevergabe und Notengebung, soweit diese nicht mathematisch de-terminiert sind, die Gewichtung des Schwierigkeitsgrades einzelner Aufgaben sowie die Würdigung der sprachlichen Qualität. Bei fachwissenschaftlichen Fragen hingegen steht den Prüfern kein Bewertungsspiel-raum zu. Dementsprechend gilt bei fachlichen Rechtsfragen ein strengerer Prüfungs-maßstab.

Die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Anwendung von unbestimmten Rechtsbegrif-fen mit Beurteilungsspielraum beschränkt sich darauf, ob die Behörde aa) von falschen Tatsachen ausgegangen ist; bb) die Verfahrensvorschriften nicht eingehalten hat (Bsp.: Lärm während der juristischen

Staatsprüfung ohne Schreibzeitverlängerung);

cc) sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen;

dd) allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet hat; ee) die Entscheidung ausreichend begründet hat, denn darauf ist das Gericht angewiesen, um Beurteilungsfehler zu erkennen. Def. für Unzuverlässigkeit.: (+), wenn Gewerbetreibender nach Gesamteindruck seines Ver-haltens nicht Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt �erforderlich: „Prognose“, welche zukunftsgerichtet, voll gerichtlich überprüfbar ist! - Achtung: Beurteilung Zuverlässigkeit erfolgt im Allgemeininteresse, kein Drittschutz! - Standardargumente: Hohe Steuerschulden, Nichtabführen von Sozialabgaben, Straftat, Ordnungswidrigkeiten, Anhaltende wirt. Leistungsunfähigkeit, Mangel an elementarster Sachkenntnis zur Gewerbeausübung, Duldung strafbarer Handlungen - kein Verschulden! - Grds.: § 35 I 1 GewO => Gebundene Entscheidung - Ausn.: § 35 I 2 GewO => Ermessen bzgl. Untersagung einzelner anderer Gewerbe - Standardproblem in der Klausur:

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Maßgeblicher Zeitpunkt bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zur Beurteilung der Sach- +Rechtslage: Bei § 35 I GewO ist wegen behördlichen Wiedergestattungsverfahrens gem. § 35 VI GewO abzustellen auf die letzte Behördenentscheidung! IV. Reisegewerbe 1. Erlaubnispflichtig gem. § 55 II GewO (Reisegewerbekarte = VA) �Erlaubnispflicht wegen Gefahren Reisegewerbes gerechtfertigt Problem:§ 55 II GewO • Voraussetzungen aus § 57 GewO • Diff § 55 a + § 55 b GewO: Reisegewerbekartenfreie Tätigkeiten 3. Klausurkonstellationen • Anspruch auf Erlaubnis gem. § 55 II GewO / Feststellung Erlaubnisfreiheit Anspruch (+), wenn kein Versagungsgrund vorliegt V. Marktgewerbe 1. Märkte/Ausstellungen/Messen grds. erlaubnisfrei, 3 Konstellationen • Veranstaltungen i.S.d. §§ 64ff GewO - § 69 GewO durch VA festgesetzt - RF: TN Privileg „Marktfreiheit“(§ 70 I GewO), Titel II + III gelten nicht • Privatmärkte (nur Gewerbetreibende) Festsetzung + Privilegien (-),Veranstalter muss nicht Privatperson sein, oft Gemeinde • Private Veranstaltungen = Privatpersonen, GewO (-), POR inkl. Straßen- und Wegerecht. VI. Spezielles: Hessisches Gaststättenrecht (siehe Besprechung im Kurs und Fall 2 HK verwR AT)

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XII. Der öffentlich-rechtliche Vertrag

Prüfungsschema für Ansprüche aus öffentlich-rechtlichem Vertrag Typische Einkleidung in der Klausur: Klage vor dem VG:

A. Verwaltungsrechtsweg, § 40 I 1 VwGO (P) Abgrenzung zum zivilrechtlichen Vertrag => Kriterium: (S) Gesamtcharakter

B. Zulässigkeit

(P) Klageart: I.d.R. allg. Leistungsklage

ggf. hier Abgrenzung zum mitwirkungsbedürftigen VA

=> maßg.: Rechtlicher Einfluss auf den Inhalt

falls (-) => VA falls (+) => Vertrag

(P) RSB: Auch Behörde muss vor VG klagen (S) Waffengleichheit

C. Begründetheit Klage begründet, soweit Anspruch aus öffentlich-rechtlichem Vertrag besteht:

I. Anspruch entstanden? Wirksamer öffentlich-rechtlicher Vertrag

1. Wirksamer Vertragsschluß => Einigung, §§ 62 S. 2 HVwVfG, 145 ff BGB

2. Kein Handlungsformverbot, § 54 S. 1 HVwVfG (AbgabenR, BeamtenR, etc)

3. Schriftform, § 57 HVwVfG

4. ggf. Beteiligung Dritter, § 58 HVwVfG

5. Keine Unwirksamkeitsgründe nach § 59 HVwVfG

hier insbes.:

- Koppelungsverbot, vgl. § 59 II Nr. 4 HVwVfG

- Nichtigkeit eines inhaltsgleichen VA, § 59 II Nr.1 HVwVfG

- Restriktive Anwendung von § 59 I HVwVfG iVm § 134 BGB

II. Anspruch untergegangen? - WGG, § 60 HVwVfG

- Rechtsvernichtende Einwendungen, § 62 S. 2 HVwVfG iVm BGB

III. Anspruch durchsetzbar? - Rechtshemmende Einreden, § 62 S. 2 HVwVfG iVm BGB

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XIII. Die Klagearten 1.Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen für die einzelnen Klagearten:

1. Anfechtungsklage Verpflichtungsklage allg. Leistungsklage allg. Feststellungsklage Fortsetzungsfeststellungs-

klage

Statthaftigkeit ⇒ Klage richtet sich nach Klagebegeh- Ren, §§82 II, . 86 III, 88 VwGO

§ 42 I 1.HS: Aufhebung eines noch nicht erledig-ten, belastenden VA (beachte § 79 VwGO)

§ 42 I 2.HS Antrag auf begünsti-genden VA muß vor-her bei Behörde ge-stellt worden sein a) Versagungsgegen-klage b) Untätigkeitsklage, § 75

vorausgesetzt in §§ 43 II, 111, 113 Klagebegehren auf Vor-nahme (oder Unterlas-sen) eines schlicht-hoheitlichen Handelns gerichtet

§ 43 Klagebegehren ger. auf a) Bestehen oder Nichtbeste-hen eines konkreten Rechtsver-hältnisses ⇒ beachte Subsidiari-tät, § 43 II b) Nichtigkeit eines VA

§ 113 I 4 VA, der sich nach Klageerhe-bung erledigt hat; analog anwendbar auf Erledi-gung vor Klageerhebung so-wie auf Verpflichtungsklage (str. Abgrenzung zu § 43 VwGO)

Klagebefugnis § 42 II Verletzung eigener Rechte durch den Erlaß des VA muß möglich erscheinen unprobl. bei Adres-sat eines belasten-den VA (Art. 2 I GG), probl. regel-mäßig im Dreiper-sonenverhältnis ⇒ Schutznormtheorie

§ 42 II Anspruch auf VA muß mgl. erscheinen, zu-mindest Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung

h.M.: § 42 II analog a.A.: allgemeines Rechtsschutzbedürfnis ausreichend

§ 43 I berechtigtes Feststellungsinteres-se str. ob daneben § 42 II Anwen-dung findet zu bejahen bei Nichtigkeitsfest-stellungsklage, ansonsten str., nach Rspr. (+), da sonst Popu-larklagen drohen

§ 42 II umgestellte Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage; daneben § 113 I S.4 ⇒ bes. Feststellungsinteresse a) Wiederholungsgefahr b) Rehabilitationsinteresse c) Vorbereitung eines Amts-haftungsprozesses (nicht bei Erledigung vor Klageerhe-bung) d) schwerer GR-Eingriff

Vorverfahren §§ 68 ff. für Versagungsgegenklage nach § 68 II er-forderlich

(-)

(Ausn.: § 54 II Be-amtStG)

(-)

(Ausn.: § 54 II BeamtStG)

jedenfalls bei Erledigung nach Klageerhebung (+), ansonsten nach h.M. (-)

Frist § 74 VwGO

§74 II bei Versa-gungsgegenklage § 75 bei Untätigkeits-klage

(-), aber Rechtsinstitut der Verwirkung

(-), aber Rechtsinstitut

der Verwirkung

§ 74 unstreitig bei Erledigung nach Klageerhebung, str. bei Erledigung vor Klageerhebung nach h.M.: (-), Regel über prozessuale Verwirkung, aA: Jahresfrist (entspr.§ 58 II VwGO, da keine Rechts-behelfsbelehrung)

2. Hinweise zur Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs ( § 40 I 1 VwGO)

1. Aufdrängende Sonderzuweisung

zB. § 54 BeamtStG, § 54 I BaföG, § 32 WPflG

2. Generalklausel, § 40 I 1 Hs. 1 VwGO

3. Abdrängende Sonderzuweisung

zB § 40 I 1 Hs. 2 VwGO, Art. 14 III 4 GG, Art. 34 S. 3 GG, § 23 EGGVG, § 40 II 1 VwGO

(Vertiefung im besonderen Verwaltungsrecht)

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4. Theorien zur Abgrenzung einer öffentlich-rechtlichen von einer privatrechtlichen Streitigkeit

Hier sollte (wenn überhaupt) auf folgende Theorien eingegangen werden, wobei kein Meinungsstreit zwischen den Theorien geführt werden sollte, da sie sich nach wohl überwiegender Ansicht gegenseitig ergänzen.

a)Interessentheorie

Dient eine Norm dem Allgemeininteresse gehört sie dem öffentlichen Recht an; ist sie am Privatinteres-

se orientiert, ist sie privatrechtlich einzuordnen.

b)Subordinationstheorie

Besteht ein Über-Unterordnungsverhältnis zwischen Staat und Bürger liegt eine öffentlich-rechtliche

Streitigkeit vor.

c) Modifizierte Subjektstheorie, (hM)Wird durch die Norm lediglich ein Träger hoheitlicher Gewalt berechtigt

oder verpflichtet, ist die Norm öffentlich-rechtlicher Natur.

�Was sind also die streitentscheidenden Normen?

Ergibt sich aus den drei Theorien kein eindeutiges Ergebnis, so ist die Handlungsform zu untersuchen in der eine Maßnahme gegenüber dem Bürger erfolgt. (Hilfsfrage : Wer darf so handeln ?) Hilft diese Auslegung auch nicht weiter, so ist auf den Sachzusammenhang der Maßnahme abzustellen. (Hilfsfrage : Im wessen Auftrag erfolgt die Maßnahme [üblicherweise] ?)

5. Die Zwei-Stufen-Theorie

Denken Sie bei Subventionsfällen und der Zulassung zu öffentlich-rechtlichen Einrichtungen immer an die Zwei-Stufen-Theorie. Die Zweistufentheorie greift ein, wenn die Verwaltung bei einer Leistungsgewährung zunächst mittels Verwaltungsakt über das "Ob" der Gewährung entscheidet und in einem zweiten Schritt dann die Leis-tungsgewährung, das "Wie" , z.B. mittels privatrechtlichen Vertrags vornimmt. Unabhängig von der privatrecht-lichen Ausgestaltung des "Wie" ist hier der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Beispiel: So kann z.B. die Gewäh-rung von Subventionen privatrechtlich mittels Darlehensvertrag erfolgen, die Frage wer die Subventionen be-kommt, ist aber unter öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Bei der Frage des "Wie" kann man zwischen der Organisationsform und dem Benutzungsverhältnis fragen. Die Organisationsform kann dabei so-wohl öffentlich-rechtlich (Eigenbetrieb) als auch privatrechtlich (GmbH) ausgestaltet werden.

a)Hat man sich für eine privatrechtliche Ausgestaltung entschieden, ist auch das Benutzungsverhältnis notwendi-gerweise privatrechtlich.

b)Hat man sich für eine öffentlich-rechtliche Organisationsform entschieden, kann das Benutzungsverhältnis entweder privatrechtlich (Vertrag, AGB) oder öffentlich-rechtlich (Satzung, Benutzungsordnung) ausgestaltet werden.

Achtung: Wenden Sie die Zwei-Stufen-Theorie nicht bei verlorenen Zuschüssen an, da hier das Rechtsverhältnis einheitlich öffentlich-rechtlich ist. Es fehlt die zweite Abwicklungsstufe.

6. „nichtverfassungsrechtlicher Art“

Bei diesem Punkt ist höchstens das Stichwort der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit anzubringen. Das bedeu-

tet, dass

1. Gegenstand des Rechtsstreits (im Kern) nicht die Anwendung und Auslegung der Verfassung ist und

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2. keine unmittelbare Beteiligung der Rechtssubjekte am Verfassungsleben vorliegt (so etwa bei Verfas-

sungsorganen).

3.Die Anfechtungsklage

A. Zulässigkeit I. Verwaltungsrechtsweg (§ 40 I 1 VwGO) Zum Aufbau: Die Behandlung des § 40 VwGO innerhalb der Zulässigkeitsprüfung ist nicht unumstritten. Seit Einfügung des § 17a GVG im Jahre 1991 kommt es bei fehlerhaft gewähl-tem Verwaltungsrechtsweg nicht mehr zur Abweisung der Klage als unzulässig; vielmehr kommt es von Amts wegen zu einer Verweisung auf einen anderen Rechtsweg (§ 173 VwGO, § 17a Abs. 2 GVG). Vermehrt wird deshalb empfohlen, die Frage des Verwaltungsrechts-wegs, in Abkehr vom traditionellen Prüfungsaufbau, aus der Zulässigkeitsprüfung herauszu-nehmen und in eine selbständige Prüfungsstufe auszugliedern, die der eigentlichen Zulässig-keitsprüfung voranzustellen ist. Alternativ wird, um einen dreistufigen Prüfungsaufbau zu vermeiden, angeregt, den gesamten ursprünglichen Prüfungskomplex „Zulässigkeit“ (einschließlich § 40 VwGO) nunmehr als „Sachentscheidungsvoraussetzungen“ zu titulieren (obwohl die Rechtswegfrage bei automati-scher Verweisung streng genommen auch keine „Sachentscheidungsvoraussetzung“ mehr ist). Gleiches wie für den Rechtsweg hat auch für die Prüfungspunkte der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit des Gerichts zu gelten, für die nach § 83 Satz 1 VwGO die Verweisungsvorschrift des § 17a Abs. 2 GVG entsprechend gilt. M.E. ist es aber vorzugswürdig, am klassischen Prüfungsaufbau (Verwaltungsrechtsweg als Teil der Zulässigkeitsprüfung) festzuhalten. Warum? − § 17a Abs. 2 GVG spricht nach wie vor von einem „unzulässig[en]“ Rechtsweg. Aus dem Wegfall einer Pflicht zur Abweisung der Klage ableiten zu wollen, dass die Rechtswegfrage nicht mehr zum Problemkreis „Zulässigkeit der Klage“ gehört, schießt über das Ziel hinaus. Ebenso wäre es falsch zu sagen, aus der Tatsache, dass die Rechtswegfrage allenfalls zu einer Verweisung führt und deshalb für den Erfolg der Klage letztlich nicht mehr ausschlaggebend ist, folge, dass die Rechtswegfrage in einem Gutachten zu den Erfolgsaus-sichten der Klage überhaupt nicht mehr zu prüfen sei. Der bleibende Grund dafür, dass die Frage des zulässigen Rechtswegs für die Prüfung der Zulässigkeit der Klage unverzichtbar ist, besteht darin, dass die Klärung des richtigen Rechtswegs eine notwendige Vorjustierung der einschlägigen Prozessordnung leistet und so die weitere Zulässigkeitsprüfung nach den Regeln der VwGO überhaupt erst möglich macht. Allein schon diese Unverzichtbar-keit der Klärung des Rechtswegs für die Zulässigkeitsprüfung rechtfertigt es, sie als legitimen Bestandteil der Zulässigkeitsprüfung aufzufassen. Dass es zu keiner Abweisung der Klage kommen kann, steht nicht entgegen: Auch der Prüfungspunkt der „richtigen Klage-art“ beispielsweise, der unstreitig als Bestandteil der Zulässigkeitsprüfung angesehen wird, dient seinerseits allein der Ermittlung der besonderen Sachurteilsvoraussetzungen der jeweiligen Klage, d.h. der Vorjustierung der weiteren Zulässigkeitsprüfung. − „Zulässigkeit“ kann und sollte als Inbegriff aller Sachentscheidungsvoraussetzungen in

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Bezug auf das angerufene Gericht verstanden werden. In bezug auf das angerufene Verwal-tungsgericht aber ist die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs sehr wohl Sachentscheidungs- und in diesem Sinne auch Zulässigkeitsvoraussetzung, denn nur bei Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs kann es zu einer Sachentscheidung durch das Verwaltungsgericht kommen. Vor dem Verwaltungsgericht ist und bleibt eine Klage, die auf einen anderen Rechtsweg gehört, unzulässig; allein die Fehlerfolgen haben sich geändert: Es kommt nicht mehr zu einer Abweisung als unzulässig, sondern zu einer Verweisung auf den richtigen Rechtsweg. ACHTUNG : In der Klausursituation wäre es allerdings falsch, sich an diesem Punkt aufzu-halten. Vertretbar sind beide Ansichten. Die Bearbeiter sollten dazu m.E. gar nichts schreiben.

II. Statthaftigkeit der Anfechtungsklage, §§ 82 II, 86 III, 88 VwGO: Aufhebung eines be-lastenden VA �Klageziel: völlige oder teilweise Aufhebung eines belastenden VA � Voraussetzung: Vorliegen eines existierenden VA iSv § 35VwVfG 1)Abgrenzung zur Verpflichtungsklage: Alternativverhältnis - Anfechtungsklage: Beseitigung einer Belastung - Verpflichtungsklage: Erreichen einer Begünstigung 2) Teilanfechtung: -ist grundsätzlich statthaft, wie sich aus § 113 I 1 VwGO ergibt - Voraussetzung: VA objektiv teilbar 3)Anfechtung von Nebenbestimmungen (siehe hierzu schon oben) Erste Auffassung: Keine Anfechtung von NB zulässig, sondern Verpflichtungsklage. Gegenargumente: • § 113 I 1 sieht Teilaufhebung vor („soweit“) • § 36 VwVfG geht von Trennbarkeit von HauptVA und NB aus („Ein VA ... darf mit einer NB ...versehen werden“) Zweite Auffassung: Differenzierung zwischen Art der NB, nämlich zwischen unselbständigen und selbständigen NB. -Unselbständige NB(Befristung, Bedingung, Widerrufsvorbehalt)→ Verpflichtungsklage; -Selbständige NB (Auflagen, Auflagenvorbehalte) → Anfechtungsklage. Gegenargument: • § 36 sieht Trennbarkeit von Haupt-VA und NB vor, und zwar unabhängig von der Art der NB Dritte Auffassung: Differenzierung zwischen Art des Haupt-VA. -Gebundener VA → Anfechtungsklage gegen NB; -Ermessens-VA →Verpflichtungsklage. Gegenargument:

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• § 36 geht von Trennbarkeit des Haupt-VA und NB aus, und zwar unabhängig von der Art des Haupt-VA H.M.: Da Haupt-VA und NB im logischen Sinne teilbar sind, sind NB isoliert anfechtbar, es sei denn, eine isolierte Aufhebbarkeit scheidet „offenkundig und von vornherein“ aus. Also: Differenzierung zwischen Anfechtbarkeit (logische Teilbarkeit) und Aufhebbarkeit (materielle Teilbarkeit) von NB. Prüfungsfolge: Zulässigkeit der Klage/Statthafte Klageart: -Grundsatz: NB können im Wege der Anfechtungsklage isoliert angefochten werden - Ausnahme: Sofern die isolierte Aufhebbarkeit „offenkundig und von vornherein“ ausgeschlossen ist, scheidet auch die isoliert Anfechtbarkeit aus → dann Verpflichtungsklage Begründetheit der (Anfechtungs-)Klage: • Erste Stufe: Überprüfung der NB (vgl. § 113 I 1 VwGO) am Maßstab des § 36 VwVfG. Bei Rechtswidrigkeit der NB erfolgt weitere Prüfung (zweite Stufe): • Zweite Stufe: Aufhebbarkeit (materielle Teilbarkeit) der NB? - Führt die isolierte Aufhebung der NB zur Rechtswidrigkeit des Haupt-VA → isolierte Aufhebung nicht möglich → Anfechtungsklage unbegründet -Bei Ermessens-Haupt-VA → isolierte Aufhebung nicht möglich → Anfechtungsklage unbegründet III. Klagebefugnis (§ 42 II VwGO) �Adressatentheorie, zumindest aus Art 2 I GG verletzt IV. Vorverfahren (§§ 68ff. VwGO) Ist nach § 68 VwGO Zulässigkeitsvoraussetzung für Anfechtungsklage o Muss form-, frist- , aber auch erfolglos durchgeführt worden sein Entbehrlich :

a) Spezialgesetzliche Regelung: Das Vorverfahren entfällt nach § 68 I 2 VwGO, wenn ein Gesetz dies bestimmt (vor allem, § 11 AsylVfG,§ 16 a I HAGVWGO iVm der Anlage, §§ 74 I 2, 70 HVwVfG)

b) § 68I 2 Nr. 1 VwGO: VA´s einer obersten Bundes-oder Landesbehörde (zB Ministeri-um, JPA)

c) § 68 I 2 Nr. 2 VwGO: Bei erstmaliger Beschwer hat der Beschwerte sofort gemäß § 79 I Nr. 2 VwGO eine Anfechtungsklage zu erheben

V. Klagefrist (§ 74 VwGO) - innerhalb eines Monats nach Zustellung (§ 74 I VwGO) - Voraussetzung: a) ordnungsgemäße Zustellung b) richtige Rechtsbehelfsbelehrung (bei fehlender oder falscher Rechtsbehelfsbelehrung nach § 58 II VwGO Jahresfrist) -Fristberechnung: § 57 II VwGO iVm §§ 222 I ZPO, 188 II, 187 I BGB

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VI. Klagegegner, § 78I Nr. 1 VwGO (Rechtsträgerprinzip) �Eine Regelung nach Nr. 2 existiert in Hessen nicht! a)Rechtsprechung: Regelung der Passivlegitimation → keine Zulässigkeitsvoraussetzungen, sondern in der Begründetheit zu prüfen b) h.L.: Beklagter im formellen Sinne →Zulässigkeitsvoraussetzung. Hierfür spricht: Argumente: Wortlaut: „Die Klage ist zu richten“; Systematik: § 78 VwGO im 8. Abschnitt der VwGO, der die Zulässigkeit betrifft

c) Vertiefung Klagegegner und Vertretung:

Die Gemeinde/Stadt ist die richtige Beklagte bei ...

• Handlungen des Bürgermeisters/Oberbürgermeisters (vollständige Kommunalisierung dieser Verwaltungsstufe); das gilt auch bei einer Organleihe nach dem HSOG (= Bür-germeister als "allgemeine Ordnungsbehörde")

• Handlungen des Gemeindevorstands/Magistrats

• Handlungen der Gemeindevertretung/der Stadtverordnetenversammlung

Handelt der Landrat, so ist das Land Hessen der richtige Beklagte bei

• Tätigkeiten im Bereich der Kommunalaufsicht, § 55 II HKO (weil hier in Wirklich-keit nicht der Kreis, sondern der Landrat als verlängerter Arm der Landesregierung tä-tig wird)

Sonst ist immer der Kreis der richtige Beklagte und zwar

• für Handlungen des Kreisausschusses ("der Gemeindevorstand des Kreises"),

• für Handlungen des Kreistags,

• des Landrats als Ordnungsbehörde, in Eilfällen oder sonstigen Situationen.

Das Land Hessen ist die richtige Beklagte bei allen VA auf denen - untechnisch gesprochen - ein Löwe klebt. D.h.:

• VAs des RPs als Ausgangsbehörde

• VAs der Sonderverwaltung (selten!)

• VAs aufgrund der Bundesauftragsverwaltung (nicht verwirren lassen: das ist ganz normale Landesverwaltung)

• Handlungen der Polizei

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Vertretung

Im Prozess wird die Gemeinde durch den Gemeindevorstand vertreten, § 71 Abs. 1 S. 1 HGO. In Städten trägt dieser die Bezeichnung Magistrat , § 9 Abs. 2 S. 2 HGO.

Der Landkreis wird durch den Kreisausschuss vertreten, § 45 Abs. 1 S. 1 HKO; das Land Hessen durch seinen Ministerpräsidenten, Art. 103 Hess. Verfassung. Tipp : Wenn das in der Aufregung vergessen wird, einfach im Zezschwitz unter Vertretung nachschlagen.

VI. Sonstige Sachurteilsvoraussetzungen B. Begründetheit Die Anfechtungsklage ist nach § 113 I 1 VwGO begründet, soweit der VA rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. I. Rechtswidrigkeit des VA (§ 113 I 1 VwGO) Ein Verwaltungsakt kann rechtswidrig sein, weil er mit dem geltenden Recht nicht in Ein-klang steht, wenn - die notwendige Ermächtigungsgrundlage fehlt, - er formell fehlerhaft oder - materiell fehlerhaft ist. 1) Benennung der Eingriffsgrundlage(n) (streitentscheidende Norm) �Hier unter Umständen Verstoß gg Grundgesetz oder EuR überprüfen 2) Formelle Rechtmäßigkeit a) Zuständigkeit der Behörde Die Zuständigkeit richtet sich i.d.R. nach Landesrecht. Fehler führen gem. § 44 III Nr. 1 VwVfG üblicherweise nicht zur Nichtigkeit (Ausnahme: § 44 II Nr. 3 VwVfG), sondern sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 VwVfG unbeachtlich.

b) Verfahrensfehler (evtl. Heilung oder Unbeachtlichkeit) Hinsichtlich des Verfahrens ist insbesondere an das Anhörungserfordernis aus § 28 VwVfG zu denken. Diskutieren Sie Anhörungsfehler aber nur, wenn der Sachverhalt ersichtlich An-haltspunkte dahingehend enthält.

c)Form Verwaltungsakte ergehen grundsätzlich formfrei (§ 37 II VwVfG), z.B. schriftlich, elektro-nisch (z.B. als E-Mail; aber § 3 a I VwVfG beachten), mündlich oder in anderer Weise.. Aus-nahmen bestehen in Spezialnormen, z.B. in § 64 II1 2 HBO oder § 49 a I VwVfG (beachte aber § 3 a II VwVfG).

3) Materielle Rechtmäßigkeit - Anwendung der Eingriffsgrundlage �Tatbestandliche Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage

�Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

�Fehlerfreie Ermessensausübung

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Nicht vergessen: II. Rechtsverletzung durch den VA (§ 113 I 1 VwGO)

-->Klagebefugnis!!!!

4. Die Verpflichtungsklage

A. Zulässigkeit

I. Verwaltungsrechtsweg § 40 I 1 VwGO

II. Statthafte Klageart

richtet sich grds. gem. §§82 II, 86 III, 88 VwGO nach dem Begehren des Klägers

�Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthaft, wenn der Erlass eines VA

begehrt wird, Art. 35 (H)VwVfG

III. Klagebefugnis § 42 II 2. Alt. VwGO

�Hier mögliche Anspruchsgrundlage nennen!

Klagebefugnis (+),wenn es möglich ist, dass der Kläger durch die Ablehnung oder Unterlas-

sung des VA in seinen Rechten verletzt ist – dann wenn möglicherweise ein Anspruchs des

Klägers besteht (dann (+), wenn der Anspruch nicht von vornherein ausgeschlossen ist).

Der Anspruch kann sich zB aus § 70 I 1 HBO, § 20 HGO, § 6 BImSchG, Zusicherung ergeben

IV. erfolgloses Widerspruchsverfahren

-gem. § 68 II, I VwGO

-nicht bei Untätigkeitsklage § 75 VwGO

V. Frist, § 74 II VwGO

VI. Klagegegner, § 78 I Nr. 1 VwGO

[VII. Sachliche und örtliche Zuständigkeit des Gerichts § 52,

§ 45 VwGO, Art. 1 Abs. 2 AGVwGO, Form § 81 VwGO ]

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B. Begründetheit

Differenzieren nach § 113 V 1 VwGO und § 113 V 2 VwGO!

1)Verpflichtungsurteil:

Begehrt der Kläger den Erlass eines bestimmten Verwaltungsaktes, ist folgender Anspruchs-

aufbau zu wählen

a) Anspruchsgrundlage

b) Formelle Voraussetzungen (ordnungsgemäßer Antrag bei der Behörde, NICHT for-

melle Rechtswidrigkeit des Versagungsbescheides prüfen, ist unerheblich!)

c) Materielle Voraussetzungen

� Tatbestandvoraussetzungen +Ermessensreduktion auf Null prüfen (bzw. ggf. gebunde-

ne Entscheidung

� Wenn (+), ergeht Vornahmeurteil, die Sache ist spruchreif, der Beklagte wird ver-

pflichtet begehrten VA zu erlassen.

2) Bescheidungsurteil

Begehrt der Kläger eine fehlerfreie NEUE Ermessensentscheidung, so ist der Aufbau nach §

113 V 2 VwGO zu wählen.

a) Anspruchsgrundlage

b)formelle Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheides

c) Materielle Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheides

Ist der Versagungsbescheid formell oder materiell rechtswidrig, wird der Beklagte verpflichtet

unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

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5. Die Allgemeine Leistungsklage

A. Zulässigkeit der Klage

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges (§ 40I 1 VwGO)

II. Statthaftigkeit der allgemeinen Leistungsklage

Die allgemeine Leistungsklage ist statthaft, wenn eine Handlung begehrt wird, die keine VA-

Qualität besitzt. Sie kann auch auf ein Unterlassen der Behörde gerichtet sein

III. Klagebefugnis (§ 42 II VwGO analog)

� Wegen Vergleichbarkeit mit Verpflichtungssituation (BVerwG NvWZ 2004, 629)

IV. Vorverfahren (Ausnahme § 54 II BeamStG )und Frist (lediglich prozessuale Verwirkung

nach § 242 BGB) sind nicht zu beachten

V. Allgemeines Rechtsschutzinteresse

�Vorheriger Antrag bei Behörde nach BVerwG DVBl 2002, 196,198 nicht erforderlich

�bei der sog. vorbeugenden Unterlassungsklage(=vor Erlass des VA´s) ist ein qualifizier-

tes Rechtsschutzbedürfnis zu fordern, da sonst die Systematik der VwGO(es gibt ja die auf-

schiebende Wirkung nach § 80 I 1 VwGO!!!) umgangen wird. Voraussetzung ist ein schwer-

wiegender Eingriff, welche eine Unzumutbarkeit des nachträglichen Rechtsschutzes zur Folge

hat. Beispiel: Schaffung irreversibler Rechtsbeeinträchtigung durch Benennung eines Konkur-

renten im Beamtenrecht, Anfechtungsklage ist zu spät nach Ernennung.

VI. Klagegner, § 78 VWGO analog (str.)

B) Begründetheit

Obersatz:

• Bei Klage gerichtet auf positives Tun: „Die allgemeine Leistungsklage ist begründet, wenn

... (Kläger) einen Anspruch auf ... (begehrten Realakt) hat.“

• Bei (allgemeiner oder vorbeugender) Unterlassungsklage: „Die (allgemeine oder vorbeugen-

de) Unterlassungsklage ist begründet, wenn ...(Kläger) einen entsprechenden öffentlich-

rechtlichen Unterlassungsanspruch hat.“

Dann: Spezielle Voraussetzungen wie zB FBA, Öffentlich-rechtlicher Unterlassungsan-

spruch, öffentlich-rechtlicher Vertrag)

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Exkurs 1:

1)FBA (Schlichter) Folgenbeseitigungsanspruch

� Dogmatische Herleitung des FBA:

• Rechtsstaatsprinzip , Gewohnheitsrecht , Analogie zu §§ 1004, 12, 862 BGB, 19 IV GG,

Grundrechte

� Kann dahin stehen, da alle die gleichen (materiellen) Voraussetzungen:

• Hoheitliches Handeln

• Eingriff in ein subjektives Recht

• Fortdauer der Beeinträchtigung (Abgrenzung zum allgemeinen und vorbeugenden Unterlas-

sungsanspruch, der sich gegen künftige Rechtsbeeinträchtigungen richtet)

• Fehlende Duldungspflicht: Rechtswidrigkeit

des Realakts (Gegensatz zum VollzugsFBA, bei dem es auf die Rechtswidrigkeit des VA

nicht ankommt; vielmehr ist eine gerichtliche Aufhebung im Wege der Anfechtungsklage

erforderlich)

• Zurechenbarkeit: Rechtsgutbeeinträchtigung muss Hoheitsträger zuzurechnen sein

• Rechtliche und tatsächliche sowie Zumutbarkeit der Wiederherstellung des status quo ante

2) Öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch

Beachte: Öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch aus Spezialgesetz? Merke: § 22

BImSchG gilt nicht zwischen Störer und Gestörtem, und zwar auch dann nicht, wenn

der Störer ein Hoheitsträger ist

� Allgemeiner öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch? Dogmatische Herleitung:

• Rechtsstaatsprinzip, §§ 1004, 906 BGB analog, oder Grundrechte (Art. 2 II 1, Art. 14 GG),

kann dahin stehen, da alle die gleichen (materiellen )Voraussetzungen:

• Bevorstehen hoheitlichen Handelns:

• Öffentlich-rechtliches Handeln:

• Bevorstehen:

-Bei allgemeiner Unterlassungsklage: (+) wegen (Dauer-)Störung

- Bei vorbeugender Unterlassungsklage: Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr?

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• Eingriff in ein subjektives Recht (vgl. § 22 i.V.m. § 3 BImSchG)

• Fehlende Duldungspflicht: Bei immissionsrechtlichen Streitigkeiten § 906 BGB analog, §

22 i.V.m. § 3 BImSchG:

-Schädliche Umwelteinwirkungen =erhebliche Umwelteinwirkungen

-Feststellung der Erheblichkeit von Wertungen abhängig: Herkömmlichkeit, Soziale Adä-

quanz ,Allgemeine Akzeptanz

Exkurs 2: Normerlassklage (siehe Examenstermin 07/2014 in Hessen, dort im Zusam-

menhang mit dem Anspruch auf Erlass eines Bebauungsplanes, also einer Satzung ge-

mäß § 10 BauGB)

Problemstandort: Statthafte Klageart a) Grundsätzliche Möglichkeit Eine Normerlassklage ist in der VwGO nicht ausdrücklich vorgesehen. Das schließt jedoch wegen der Geltung der Generalklausel des § 40 Abs. 1 VwGO und im Hinblick auf Art. 19 IV GG (vgl. BVerwG NVwZ 2002, 1505 [1506]) eine Klagemöglichkeit nicht aus. Von § 47 VwGO, der nur den Fall der Überprüfung erlassener (untergesetzlicher) Rechtsnormen erfasst, geht auch keine Sperrwirkung gegenüber einer Normerlassklage aus, weil diese Norm den Rechtsschutz erweitern, aber nicht beschneiden will (vgl. BVerfGE 115, 81 [95 f.]; BVerwGE 111, 276 [278]) b) Verpflichtungsklage Eine Verpflichtungsklage kommt nicht in Betracht, weil sie auf den Erlass eines VA gerichtet ist, die Klägerin aber den Erlass einer Rechtsnorm anstrebt. c) Leistungsklage Gegen die Zulässigkeit einer auf Normerlass gerichteten allgemeinen Leistungsklage wird vielfach eingewandt, sie könne nur auf Einzelakte gerichtet sein, komme jedoch nicht für die Erzwingung eines abstrakt-generellen Normsetzungsaktes in Betracht (vgl. Robbers JuS 1990, 978 [980]). Für eine solche Beschränkung des Anwendungsbereichs lässt sich den Regelungen der VwGO jedoch unmittelbar nichts entnehmen. Daher wird die allgemeine Leistungsklage von Teilen der Literatur in Fällen wie dem Vorliegenden als statthafte Klageart angesehen (vgl. VGH Mannheim DÖV 2000, 784; Eyermann/Happ VwGO, 12. Aufl. 2006, § 42 Rn. 63; Hufen VwProzR, § 20 Rn. 12). Dazu wird angeführt, dass die allgemeine Leistungsklage nicht nur zur Durchsetzung des Anspruchs im Einzellfall diene, sondern eine allgemeine Auffang-klage für alle Formen hoheitlichen Handelns sei, die nicht VA sind (Hufen VwProzR, § 20 Rn. 12). Dieser Argumentation ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Gesichtspunkt der Gewaltentei-lung verlangt, dass auf den Entscheidungsspielraum eines rechtsetzenden Organs Rücksicht genommen und auf ihn nur in dem für den Rechtsschutz unumgänglichen Umfang eingewirkt wird (vgl. BVerfGE 115, 81 [96]; BVerwGE 111, 276 [279]). Deswegen ginge es zu weit,

47

wenn der Erlass von Rechtsnormen vom Normgeber als – vollstreckbare – »Leistung« einge-klagt werden könnte. (aA gut vertretbar). d) Allgemeine Feststellungsklage Statthafte Klageart könnte daher die Feststellungsklage gem. § 43 VwGO sein. Dies ist der Fall, wenn das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses festgestellt werden soll. Als Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 VwGO werden die rechtlichen Beziehungen angesehen, die sich aus einem hinreichend konkreten Sachverhalt auf Grund einer diesen Sachverhalt betref-fenden öffentlichrechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben (vgl. BVerwG NJW 2000, 3584; Gersdorf VwProzR, 3. Aufl. 2006, Rn. 145). Vorliegend geht es um die Anwendung der Vorschrift des § 203 I BauGB auf einen durch den Antrag der Gemeinde A konkretisierten Sachverhalt (vgl. BVerwG NVwZ 2002, 1505 [1506]), so dass das erforderliche Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten gegeben ist. Als Normerlassklage ist die Feststellungsklage auf Feststellung der Verpflichtung des Norm-gebers zum Erlass der begehrten Norm gerichtet (vgl. BVerfGE 115, 81 [95]; BVerwG NVwZ 2002, 1505 [1506]; BVerwG DVBl. 2008, 520 [521]). Damit kommt das zu Grunde liegende Rechtsschutzbegehren wirksam zur Geltung, ohne dass hierdurch die Entscheidungsfreiheit des Normgebers übermäßig beeinträchtigt wird (vgl. BVerwG DVBl. 2008, 520 [521]). Als »Minus« schließt ein Antrag auf Feststellung einer Verpflichtung zum Normerlass auch die – von der Gemeinde A in zweiter Linie begehrte – Feststellung ein, über ihren Antrag auf Erlass einer Rechtsverordnung zumindest neu zu entscheiden.

6. Die Feststellungsklage

A. Zulässigkeit

I. Verwaltungsrechtsweg, § 40 I 1 VwGO

II. Statthafte Klageart , insbes.: keine Subsidiarität

�„Statthaft, wenn Kl. Feststellung d. Bestehens (pos. FKl) o. Nichtbestehens

(neg. FKl) eines ör Rechtsverhältnisses begehrt, § 43 I, 1. Alt. VwGO.“

Je nach zeitl. Situation handelt es sich um eine Klage auf Feststellung des (Nicht-) Bestehens

eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses, ...

- das gegenwärtig besteht = allgemeine FKl

- in der Vergangenheit = nachträgliche FKl

- in der Zukunft = vorbeugende FKl

�auch statthaft, wenn die FK auf die Feststellung der Nichtigkeit eines VA zielt = Nichtig-

keitsfeststellungsklage, § 43 I, 2. Alt. VwGO.

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1. feststellungsfähiges Rechtsverhältnis:

die sich aus einem konkreten SV aufgrund einer Rechtsnorm (des öff. Rechts) ergebenden

rechtl. Beziehungen einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache (BVerwGE 40,

323, 325)

2. Subsidiarität, § 43 II 1 VwGO

� allg. FKl: subsidiär gegenüber AnfKl, VerpflKl, § 43 II 1 VwGO

� nachträgl. FKl: subsidiär gegenüber FFKl, § 43 II 1 VwGO

� vorbeugende FKl: nicht subsidiär gegenüber. vorb. UnterlassungsKl (umstr.)

�NichtigkeitsFKl: nicht subsidiär gegenüber AnfKl, § 43 II 2 VwGO

III. Feststellungsinteresse, § 43 I VwGO

„Ausreichend ist jedes nach der Sachlage anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtli-

cher, wirtschaftlicher oder ideeller Art.“(OVG Hamburg, NVwZ-RR 2007, 97, 100)

� bei nachträglicher FK: Wiederholungsgefahr, fortdauernde Beeinträchtigung,

Rehabilitation, Präjudiz, schwerwiegende Grundrechtsbeeinträchtigung (vergl. auch FFK!)

� bei zukünftiger FK: Wiederholungsgefahr, unzumutbares Abwarten

� bei NichtigkeitsFK: erfolgloser Antrag gemäß § 44 V VwVfG (umstr.)

IV. Klagebefugnis, § 42 II VwGO analog (str.) Rspr.: ⊕, um Popularklagen auszuschließen Lit.: (-), Feststellungsinteresse reicht

jedenfalls bei „Dritt"-FK, vorbeugender FK gegen VAe, Nichtig-

keitsFK,Kommunalverfassungsstreit

V. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis

VI. Klagegegner (wohl nicht nach § 78 VwGO, sondern nach allg. Rechtsträgerprinzip)

B. Begründetheit

„Die Feststellungsklage ist begründet, wenn das behauptete Rechtsverhältnis

besteht / nicht besteht.“

„Die Nichtigkeitsfeststellungsklage ist begründet, wenn der VA nichtig ist.“

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7.Fortsetzungsfeststellungsklage, § 113 I S. 4 VwGO analog/direkt A. Zulässigkeit I.Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, § 40 I S. 1 VwGO a) Öffentlich-rechtliche Streitigkeit � Sonst üblicher Aufbau b) Nichtverfassungsrechtlicher Art �Fehlen der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit c)Abdrängende Sonderzuweisung II. Statthaftigkeit � Feststellung des Klagebegehrens, §§82 II,86 III, 88 VwGO � FFK (+), wenn -a) VA- Qualität der Maßnahme im Rahmen einer Anfechtungssituation bzw. Verpflichtungs-situation (bei VK analog, hier zwingend abgrenzen zur FK, welche das Bundesverwaltungsge-richt bevorzugt!) -b)Erledigung des VA =Nachträglicher Wegfall der tatsächlichen oder rechtlichen Beschwer, Aufhebung des VA muss als sinnlos erscheinen c) nach Klageerhebung bzw. vor Klageerhebung (analog) III. Klagebefugnis, § 42 II VwGO analog �Klagebefugnis für jew. Klageart IV. Widerspruchsverfahren, § 68 ff VwGO HIER unterscheiden, ob sich VA vor oder nach Ablauf der Widerspruchsfrist erledigt hat. a)Erledigung nach Ablauf der Widerspruchsfrist Vorverfahren muss ordnungsgemäß durchgeführt worden sein: Eine unzulässige Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage, kann nicht im Gewand der FFK zulässig werden! b)Erledigung vor Ablauf der Widerspruchsfrist 1.Mm: Vorverfahren durchführen 2. Mm: Vorverfahren nicht zwingend erforderlich, aber statthaft hM: Kein Vorverfahren bzw. formlose Einstellung, Funktion des Vorverfahrens (Selbstkon-trolle der Verwaltung, Rechtsschutz des Bürgers, Entlastung der Gerichte) aufgehoben. V. Klagefrist, § 74 I VwGO Umstritten : Jahresfrist oder keine Frist (nur prozessuale Verwirkung): § 74 unstreitig bei Erledigung nach Klageerhebung, str. bei Erledigung vor Klageerhebung nach h.M.: (-), Regel über prozessuale Verwirkung, aA: Jahresfrist (entspr.§ 58 II VwGO, da keine Rechtsbehelfsbelehrung) VI. Berechtigtes Feststellungsinteresse a) Wiederholungsgefahr

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b) Rehabilitationsinteresse c) Präjudizielle Wirkung (Vorbereitung der Amtshaft ung) Achtung: Nach hM gilt dies nur, wenn eine Erledigung nach Klageerhebung vorliegt, da ansonsten die „Früchte des Verfahrens“ nicht für den Amtshaftungsanspruch gesichert werden müssen. Vielmehr ist es möglich in einer Situation bei Erledigung vor Klageerhebung direkt vor den ordentlichen Gerichten den Amtshaftungsanspruch geltend zu machen. d) Tief greifende (oder sich typischer Weise schnell erledigende) Grundrechtseingriffe VII. Klagegegner, § 78 VwGO analog B: Begründetheit OS: Die FFK gemäß § 113 I S. 4 VwGO ( analog) ist begründet, soweit der VA bzw. die Ab-lehnung des VA vor seiner Erledigung rechtswidrig war und der Kläger dadurch tatsächlich in seinen Rechten verletzt wurde. 8.Die Normenkontrolle gem. § 47 VwGO A. Zulässigkeit I. Verwaltungsrechtsweg, § 40 I 1 VwGO („im Rahmen der Gerichtsbarkeit“) II. Statthaftigkeit des Normenkontrollantrages 1. § 47 I Nr. 1 VwGO: Satzungen nach dem BauGB (B-Plan nach § 10 BauGB + Verände-

rungssperre nach § 14 BauGB).

Achtung: BVerwG BayVBl 2013, 571: Wenn Teile des Flächennutzungsplanes die Rechtswirkungen des § 35 III 1 Nr. 1 BauGB haben, dann ist die Normenkontrolle in analo-ger Anwendung des §47 zulässig (Beispiel: im Flächennutzungsplan werden Konzentrati-onsflächen für Windkraftanlagen ausgewiesen, verbunden mit der Festsetzung, dass diese An-lagen nicht höher als 100m sein dürfen. Eine Windkraftanlagenfirma möchte höhere Windrä-der bauen und die Rechtmäßigkeit der Höhenbegrenzung überprüfen lassen (so im saarländi-schen Examen 2013 aufgetaucht).

2. § 47 I Nr. 2 VwGO: Normen unterhalb des LandesG, soweit das LandesR dies vor-

sieht�§ 15 HAG VwGO

III. Antragsbefugnis, § 47 II VwGO Geltendmachung einer Rechtsverletzung; h.M. möglich auch aus § 1 VI BauGB

beachte: Behörden müssen bloß mit der Norm befasst sein, sie müssen nicht geltend machen,

in ihren Rechten verletzt zu sein.

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IV. Allgemeine Sachentscheidungsvoraussetzungen, insbes. RSB V. Landesverfassungsrechtlicher Vorbehalt, § 47 III VwGO für LandesRVO beachte Art. 132 HV, §§ 15 Nr. 3, 39 ff. StGHG

VI. Antragsfrist VII. Antragsgegner, § 47 II 2 VwGO = Rechtsträger der Erlassbehörde

B. Begründetheit Normenkontrolle begründet, soweit Norm gegen höherrangiges Recht verstößt.

beachte: Subj. Rechtsverletzung irrelevant, da obj. Rechtsbeanstandungsverfahren

als Beispiel: Rechtmäßigkeit einer Satzung I. Ermächtigungsgrundlage

spezielle EGL: z.B. § 19 II HGO, § 2 HKAG, §§ 1 III, 10 BauGB,

allgemeine EGL: § 5 HGO für die Gemeinde (zu allgemein für GR-Eingriffe)

ggf. zu prüfen, ob EGL wirksam

II. Formelle RM der Satzung

1. Zuständigkeit

a. Verbandskompetenz aus Selbstverwaltungsrecht oder geregelt z. B. aus §§ 1 III, 2 I BauGB

b. Organkompetenz z.B. für Gemeinde: Gem.Vertretung § 51 I Nr. 6 HGO

2. Verfahren

z.B. Verfahrensprobleme aus GO: §§ 52 ff HGO oder Verfahrensprobleme aus §§ 2 ff BauGB

ggf. Vorlage- und Genehmigungspflichten (§ 5 I 2 HGO)

3. Form Schriftform; für Gemeinde: § 71 II HGO

4. Ausfertigung und Verkündung

ggf. besonders geregelt; für Gemeinde: § 7 HGO

III. Materielle RM der Satzung

1. Voraussetzungen der EGL

z.B. § 19 II HGO, §§ 1, 8 BauGB

2. Kein Verstoß gegen höherrangiges Recht

insbes. Grundrechte; Rückwirkungsverbote; Bestimmtheitsgrundsatz

3. Ordnungsgemäße Ausübung des Ermessens durch den Satzungsgeber

beachte: Unbeachtlichkeits- /Heilungsvorschriften: § 5 IV HGO, §§ 214 ff BauGB

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XII. Das Widerspruchsverfahren

1.Schema A. Zulässigkeit des Widerspruchs I. Verwaltungsrechtsweg (§ 40 I 1 VwGO analog) II. Statthaftigkeit des Widerspruchs (§ 68 VwGO) III. Widerspruchsbefugnis (§ 42 II VwGO analog) IV . Form und Frist (§ 70 VwGO) V. Beteiligten- und Handlungsfähigkeit (§§ 79, 11ff. VwVfG) VI. Sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen: insb. Rechtsschutzbedürfnis B. Begründetheit Begründetheitsprüfung beim Widerspruch Obersatz: Der Widerspruch ist begründet, wenn der angegriffene VA rechtswidrig oder (bei Ermessens- VA) zweckwidrig ist und der Widerspruchsführer dadurch in seinen Rechten verletzt bzw. (bei Zweckwidrigkeit) beeinträchtigt ist (§ 68 I iVm § 113 I 1/ V VwGO). I Rechtmäßigkeit des angegriffenen VA 1) In Betracht kommende Ermächtigungs- oder Rechtsgrundlage 2) Formelle Rechtmäßigkeit 3) Materielle Rechtmäßigkeit 4) Rechtsverletzung II. Zweckmäßigkeit des auf Ermessen beruhenden VA und Rechtsbeeinträchtigung Beachte: keine „Widerspruchsgegener“, denn Widerspruchsverfahren ist gegnerloses Verfah-ren, zudem würde vor der Zulässigkeit bereits die Zuständigkeit der Behörde festgestellt!

2.reformatio in peius im Widerspruchsverfahren Überblick über die typischen Probleme in der klausurrelevanten Reihenfolge (Probleme 1 bis 3 = Zulässigkeit; Probleme 4 bis 7 = Begründetheit) Problem 1: Was ist Klagegegenstand?

• e.A.: § 79 I Nr. 1 VwGO (+), da Verböserung weder erstmalige Beschwer i.S.d. § 79 I Nr. 2 VwGO noch selbständige Beschwer i.S.d. § 79 II VwGO darstellt => Bür-ger hat kein Wahlrecht und muß immer VA in Gestalt des WB angreifen.

• a.A.: § 79 I Nr. 2 VwGO (+), da jedwede weitere Beschwer eine erstmalige Beschwer darstellt.

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• h.M.: § 79 II VwGO (+), da jede weitere Beeinträchtigung von Rechten des Bürgers eine zusätzliche und selbständige Beschwer ist => Bürger hat Wahlrecht („kann“).

Problem 2: Erneutes Vorverfahren? Nein, entweder direkte oder entsprechende Anwendung von § 68 I 2 Nr. 2 VwGO Problem 3: Wer ist Klagegegner? hier ist zu differenzieren:

• Anfechtung Ausgangs-VA und Widerspruchsbescheid => Ausgangsbehörde, § 78 I • Isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheids => Widerspruchsbehörde,

§§ 79 II 3, 78 II VwGO • Falls rip und Selbsteintritt vorliegen => Klage gegen rip => Ausgangsbehörde; Klage

gegen Selbsteintritt => Widerspruchsbehörde; Folge => in aller Regel keine Klagehäu-fung möglich.

Problem 4: Ist die rip generell zulässig?

• e.A.: (-); arg.: Vertrauensschutz; Rechtsschutz für den Bürger; keine ausdrückliche Regelung

• h.M.: ⊕; arg.: Selbstkontrolle; Gesetzmäßigkeit der Verwaltung; kein ausdrückl. Ver-bot (arg. e contr. § 129 VwGO); Regelung in § 79 II VwGO

Problem 5: Nach welcher RGL kann verbösert werden?

• e.A.: falls spezialgesetzl. RGL (-) ⇒ §§ 48, 49 VwVfG (da (Teil-)Aufhebung des ur-sprgl. VA)

• h.M.: RGL des Ausgangs-VA; arg.: Selbstkontrollfunktion Problem 6: Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde zur Verböserung?

• falls Bezug zum Ausgangs-VA: o e.A. Zuständigkeit aus dem Devolutiveffekt, § 73 I VwGO o a.A.: Zuständigkeit aus Stellung als Aufsichtsbehörde. Widerspruchsbehörde ist

i.d.R. auch Aufsichtsbehörde und könnte daher auch entspr. Weisung erteilen. • falls kein Bezug zum Ausgangs-VA (Selbsteintritt)=> Wdpr.beh. (falls nicht identisch

mit Ausgangsbehörde) grds. unzuständig; Ausn.: Gesetzl. geregeltes Selbsteintritts-recht.

Problem 7: Anhörung vor Verböserung erforderlich?

• früher h.M.: nach § 71 VwGO nur erforderlich bei neuen Tatsachen.

• heute h.M.: Grds. Anhörung nach § 71 VwGO erforderlich (Ausn. in atypischen Fäl-

len). Folgeproblem: Heilung fehlender Anhörung über § 45 VwVfG? str.!

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XIII. Der einstweilige Rechtsschutz

1.Antrag nach § 80 V VwGO / Einzelne Probleme

a. Entfallen der aufschiebenden Wirkung, § 80 II VwGO

1. § 80 II Nr. 1 VwGO erfaßt nach h.M. nicht die Kosten der Ersatzvornahme

2. § 80 II Nr. 2 VwGO gilt analog für Verkehrszeichen

3. § 80 II Nr. 3 VwGO: relevante Vorschriften insbes. § 212 a BauGB, § 54 IV

BStG, § 84 AufenthG sowie landesrechtl. Vorschriften (z.B. § 16 HAG VwGO)

II. Antragsgegner analoge Anwendung des § 78 VwGO (=Rechtsträger der Ausgangsbe-hörde) III. Antrag gem. § 80 V 1 1.Alt. VwGO im Fall des § 80 II Nr. 1 VwGO

Maßstab für die Begründetheit: § 80 IV 3 VwGO • ernstl. Zweifel an RM des VA / besond. Härte => Antrag begründet

• keine ernst. Zweifel an RM des VA => Antrag i.d.R. unbegründet, da Wertung des

Gesetzgebers => Vollzugsinteresse geht vor

IV. Antrag gem. § 80 V 1 1.Alt. VwGO im Fall des § 80 II Nr. 2 und Nr. 3 VwGO

str., ob auf Rechtsgedanken des § 80 IV 3 VwGO zurückgegriffen werden darf

h.M.: ja, arg.: gesetzgeberisches Leitbild => Abwägung wie oben bei III. a.A.: nein, arg.: Wortlaut => Abwägung wie unten bei V.

V. Antrag gem. § 80 V 1 2.Alt. VwGO im Fall des § 80 II Nr. 4 VwGO

• VA rechtswidrig => Aussetzungsinteresse überwiegt, keine weitere Abwägung, Be-

hörde kann kein Interesse an Vollzug eines rw. VA haben => Antrag begründet

• VA rechtmäßig => streitig

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e.A.: Vollzugsinteresse (+) keine weitere Interessenabwägung erford. arg.: Antragsteller verliert HS-Verfahren, nicht schutzwürdig

a.A.: weitere Voraussetzungen erford. (VGH Kassel: Eilbedürftigkeit; a.A. In-teressenabwägung) arg.: Missbrauchsgefahr; gesetzgeberisches Leitbild: § 80 II Nr. 4 = Ausnahme

2.- Antrag nach § 80 V VwGO -Schema A. Zulässigkeit

I. Verwaltungsrechtsweg, § 40 I 1 VwGO

II. Statthafte Antragsart

(P) Abgrenzung zu § 123, vgl. § 123 V

=> in Hauptsache Anfechtungsklage => § 80 V

=> 3 „Problemfälle“: Sozialhilfe, faktischer Vollzug, §§ 81III, IV, 84 I AufenthG

III. Antragsbefugnis, § 42 II analog

IV. Allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzungen

V. RSB

(P) vorherige Widerspruchseinlegung erforderlich?

e.A.: (+), arg. Wortlaut (wiederherstellen)

a.A.: (-), arg. faktische Verkürzung der Wdspr.frist

(P) vorheriger Antrag bei Behörde gem. § 80 IV erforderlich?

(-), nur in den Fällen des § 80 V

B. Begründetheit

bei § 80 II Nr. 4 bei § 80 II Nr. 1-3

1. Formelle RM der Abwägung: AO der sof. Vollz. Vollzugsinteresse a. Zuständigkeit gegen b. Verf. / Form Aussetzungsinteresse aa. Begründung, � maßg.: Erfolgs- § 80 III aussichten in bb. § 28 HVwVfG, str. der Hauptsache(Zul.+ Begr.) 2. Interessenabwägung �Abwägung (siehe rechts)

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3. Antrag nach § 123 VwGO A. Zulässigkeit I. Verwaltungsrechtsweg, § 40 I 1 VwGO II. Statthafte Antragsart

-(P) Abgrenzung zu § 80 V, vgl. § 123 V

-123, falls in Hauptsacheverfahren andere Klageart als Anfechtungsklage

-Drei Problemfälle: Vgl. Übersicht zu § 80 V VwGO

III. Antragsbefugnis, § 42 II analog Möglichkeitstheorie:

=> Erscheint Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund möglich?

IV. Allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzungen

V. RSB

(P) vorherige Widerspruchseinlegung erforderlich?

(P) nur, wenn in Hauptsache Verpflichtungsklage einschlägig, h.M.: (-) (P) vorheriger Antrag bei Behörde erforderlich?h.M.: Grds.: (+)

Ausn.: Hohes Eilbedürfnis und geringe Wahrscheinlichkeit einer für den Antragsteller positiven Entscheidung

B. Begründetheit Antrag begründet, soweit AO-Anspruch und AO-Grund glaubhaft gemacht worden

sind, §§ 123 III VwGO, 920 II, 294 ZPO

Sicherungsanordnung, § 123 I 1

Sicherung des status quo an Rechten

Regelungsanordnung, § 123 I 2

Erweiterung des Rechtskreises

Anordnungsanspruch

=> materiell-rechtl. Situation in der Hauptsache

Anordnungsanspruch

=> materiell-rechtliche Situation in der Hauptsache

Anordnungsgrund

=> Eilbedürfigkeit / Interessenabwägung

Anordnungsgrund

=> Eilbedürfigkeit / Interessenabwägung

=> Gericht hat nur Ermessen bzgl. des Inhalts der e. AO. nicht bzgl. des „Ob“ (h.M., da

diesbzgl. Erwägungen schon im AO-Grund zu bewerten sind)

=> Keine Vorwegnahme der Hauptsache, Ausn.: Irreversible Schäden drohen, Art. 19 IV

GG