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Viskosimetrie _________________________________________________________________________________________ Apparatives Praktikum Physikalische Chemie, Dr. Christof Maul SS 2009 TU Braunschweig, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie 1 Viskosimetrie In diesem Versuch bestimmen Sie Viskositäten von Flüssigkeiten. Das Hagen-Poiseuillesche Gesetz (laminare Strömungsgeschwindigkeit in einem Rohr) findet Anwendung im Ubbeloh- de-Viskosimeter. Abweichungen vom idealen (Newtonschen) Viskositätsverhalten von Flüs- sigkeiten untersuchen Sie mit einem Rotationsviskosimeter. Stichworte Transportgleichungen, dynamische und kinematische Viskosität, innere Reibung, Hagen- Poiseuillesches Gesetz, Temperaturabhängigkeit der Viskosität, Newtonsche Flüssigkeiten, Plastizität, Dichte, Messmethoden. Viskosität Wird ein Stoff (gasförmig, flüssig oder fest) verformt, so setzt er der Formänderung einen Widerstand entgegen, den man allgemein als seine Viskosität bezeichnen kann. Bewegt sich eine Flüssigkeitsschicht (auch Gas) mit konstanter Geschwindigkeit u in x-Richtung parallel zu einer zweiten Schicht, dann wirkt zwischen den beiden Schichten eine Reibungskraft F R . Die Bewegungsenergie wird durch die Reibung in Wärme umgewandelt. Die Viskosität eines Stoffes ist daher ein Maß für die innere Reibung. Die Viskosität eines Stoffs ist maßgebend dafür, wie gut oder schlecht er durch ein Rohr strömt (z.B. Blut durch eine Ader, Kühlflüssig- keit in einem Kühlkreislauf) und welchen Widerstand er einem sich in ihm bewegenden fes- ten Körper entgegensetzt. Zur Erklärung dieser Stoffeigenschaft geht man von folgendem Modell aus, das einen Schmierfilm (z.B. Öl) zwischen zwei sich gegeneinander bewegenden festen Körpern dar- stellt: Abb. 1: Schematische Darstellung einer Schichtenströmung zur Ableitung der Viskosität

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Viskosimetrie In diesem Versuch bestimmen Sie Viskositäten von Flüssigkeiten. Das Hagen-Poiseuillesche Gesetz (laminare Strömungsgeschwindigkeit in einem Rohr) findet Anwendung im Ubbeloh-de-Viskosimeter. Abweichungen vom idealen (Newtonschen) Viskositätsverhalten von Flüs-sigkeiten untersuchen Sie mit einem Rotationsviskosimeter.

Stichworte Transportgleichungen, dynamische und kinematische Viskosität, innere Reibung, Hagen-Poiseuillesches Gesetz, Temperaturabhängigkeit der Viskosität, Newtonsche Flüssigkeiten, Plastizität, Dichte, Messmethoden.

Viskosität

Wird ein Stoff (gasförmig, flüssig oder fest) verformt, so setzt er der Formänderung einen Widerstand entgegen, den man allgemein als seine Viskosität bezeichnen kann. Bewegt sich eine Flüssigkeitsschicht (auch Gas) mit konstanter Geschwindigkeit u in x-Richtung parallel zu einer zweiten Schicht, dann wirkt zwischen den beiden Schichten eine Reibungskraft FR. Die Bewegungsenergie wird durch die Reibung in Wärme umgewandelt. Die Viskosität eines Stoffes ist daher ein Maß für die innere Reibung. Die Viskosität eines Stoffs ist maßgebend dafür, wie gut oder schlecht er durch ein Rohr strömt (z.B. Blut durch eine Ader, Kühlflüssig-keit in einem Kühlkreislauf) und welchen Widerstand er einem sich in ihm bewegenden fes-ten Körper entgegensetzt. Zur Erklärung dieser Stoffeigenschaft geht man von folgendem Modell aus, das einen Schmierfilm (z.B. Öl) zwischen zwei sich gegeneinander bewegenden festen Körpern dar-stellt:

Abb. 1: Schematische Darstellung einer Schichtenströmung zur Ableitung der Viskosität

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Auf die der bewegten Platte benachbarten Flüssigkeitsschicht wird infolge der hier wirkenden Adhäsionskräfte die gleiche Geschwindigkeit übertragen. Diese Schicht überträgt dann über die (im Verhältnis zu den Adhäsionskräften schwächeren) Kohäsionskräfte einen Teil des Impulses auf die nächste Flüssigkeitsschicht, diese wieder auf die nächste usw. Dadurch bil-det sich eine Schichtenströmung aus, wie in Abb.1 erkennbar ist. Für viele Flüssigkeiten ist FR proportional zur Fläche A der Schicht und zum Geschwindig-keitsgefälle du/dy senkrecht zur Bewegungsrichtung x: FR = −η·A·(du/dy) (1) Dies ist das Newtonsche Gesetz für das viskose Fließen. Der Proportionalitätsfaktor η ist für (Newtonsche) Flüssigkeiten, die der Beziehung (1) genügen, eine Stoffkonstante und nur von der Temperatur T und vom Druck p abhängig. Die Einheit der dynamischen Viskosität (Zä-higkeit) η ist 1 Pa.s = 1000 mPa.s. Eine alte Einheit ist das Poise (1 Poise = 0.1 Pa.s) Die dy-namische Viskosität ist immer dann wichtig, wenn die Massenträgheit der Flüssigkeit keine Rolle spielt, z.B. bei der Gleitlager- und Getriebeschmierung. Die Schichtdicke der einzelnen Schichten ist für das Modell nicht von Belang. Es ist jedoch sinnvoll, anzunehmen, dass die Ausdehnung durch die mittlere freie Weglänge der Moleküle gegeben ist: Teilchen, die in eine bestimmte Schicht überwechseln haben eine "bremsende" Wirkung, sofern sie sich langsamer als die Teilchen der betrachteten Schicht bewegen und eine beschleunigende, wenn sie eine höhere Geschwindigkeit als diese haben (Transport von Impuls durch Stöße). Oberhalb einer bestimmten Fließgeschwindigkeit des Fluids nimmt die Viskosität plötzlich stark zu: Die laminare Strömung ist in eine turbulente Strömung umge-schlagen, in der die Schichten miteinander verwirbeln und sich durchmischen. Das häufig auftretende Verhältnis von dynamischer Viskosität η und Dichte ρ wird kinemati-sche Viskosität v genannt: v = η/ρ (2) Die Einheit der kinematischen Viskosität ist: 1 m2.s−1 (alte Einheit: 1 Stokes = 10−4 m2.s−1). Sie beschreibt das Strömungsverhalten unter Einfluss von Massenträgheit und Schwerkraft und wird z.B. für die Berechnung von Rohrströmungen benötigt.

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Bezieht man die Reibungskraft FR auf die Fläche A, so erhält man aus (1) eine entsprechende Gleichung für die Schubspannung (Scherspannung) S = FR/A, die zwischen den betrachteten Flüssigkeitsschichten besteht.

Das Hagen−Poiseuillesche Gesetz

Die dynamische Viskosität η wurde nach Gl. (1) definiert. Sie kann mit Hilfe des Hagen-Poiseuilleschen Gesetzes

L8pR

dtdV 4

ηΔπ

= (3)

bestimmt werden. Zur Herleitung dieses Gesetzes geht man von folgenden Annahmen aus: Durch ein Rohr (Kapillare) mit der Länge L und dem Radius R bzw. dem Querschnitt A = πR2 strömt infolge einer Druckdifferenz Δp = p1 – p2 zwischen den Rohrenden eine Flüssig-keit mit der Geschwindigkeit u, d.h. mit der Volumenströmung dV/dt = A·u. Folgende Vor-aussetzungen sollen erfüllt sein: 1.) die Flüssigkeit ist inkompressibel, 2.) es wirken keine äußeren Kräfte, 3.) die Flüssigkeit benetzt die Rohrwand (u(R) = 0 auf der Rohrwand), 4.) laminare Strömung in Richtung der Rohrachse (keine Turbulenz), 5.) zeitlich (und in Strömungsrichtung auch örtlich) konstante Strömung. Die detaillierte Herleitung des Hagen-Poiseuilleschen Gesetzes befindet sich im Anhang.

Viskosität reiner Flüssigkeiten

Die Viskosität einer Flüssigkeit ist unter normalen Bedingungen etwa 25 bis 75 mal größer als die des entsprechenden Dampfes. Sie nimmt mit wachsendem Druck zu, und zwar um so mehr, je komplexer die Moleküle gebaut sind. Sie vergrößert sich ebenfalls, wenn in ein Mo-lekül polare Gruppen eingebaut werden. So ist z.B. die Viskosität von Anilin (C6H5NH2) etwa sechsmal größer als die von Benzol (C6H6). Auch der Austausch eines H-Atoms der Methyl-gruppe gegen eine Hydroxylgruppe erhöht dementsprechend die Viskosität. Z.B. ist die Vis-kosität von Glycerin (HOCH2−CH(OH)−CH2OH) bei 25 °C etwa 340 mal so groß wie die des n-Propanols (CH3−CH2−CH2OH). Entsprechend dieses unterschiedlichen Verhaltens der Vis-kosität hat man schon relativ früh die Flüssigkeiten in polare, nichtpolare und assoziierte Flüssigkeiten eingeteilt.

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Temperaturabhängigkeit der Viskosität

Für gasförmige Fluide lässt sich die Temperaturabhängigkeit aus den Eigenschaften für ideale Gase in guter Näherung berechnen. Man findet, dass sich die innere Reibung mit zunehmen-der Temperatur erhöht, was sich auf die größere Anzahl der Stöße zwischen den Gasmolekü-len zurückführen lässt. Bei reinen Flüssigkeiten findet man dagegen, dass die Viskosität mit steigender Temperatur abnimmt. Man nimmt an, dass die Reibung durch die Wechselwirkun-gen (Dipol–Dipol, van der Waals, etc.) zwischen den Teilchen bestimmt ist. Damit sich die Schichten gegeneinander verschieben können, müssen Anziehungskräfte "gebrochen" und neu "ausgebildet" werden. Dazu ist in der Regel eine Aktivierungsenergie Eη erforderlich, d.h. die Temperaturabhängigkeit kann durch eine Arrhenius–Gleichung beschrieben werden:

RTE

eC)T(η

η=η (4)

R ist die allgemeine Gaskonstante und T die absolute Temperatur.

Viskosität von Suspensionen und verdünnten Lösungen

Für viele Stoffe. insbesondere Kolloide und hochmolekulare Verbindungen, ist Gl. (1) mit einer Stoffkonstanten η, die von der Schubspannung S und dem Geschwindigkeitsgefälle du/dr unabhängig ist, nicht mehr gültig. Solche Stoffe gehorchen einem allgemeinen Fließge-setz du/dr = f(S). Nach Einstein erhält man für die Viskosität ηL verdünnter inkompressibler kolloidaler Lösungen ηL = η0.(1 + k.c) (5) η0 ist die Viskosität des Lösungsmittels (Suspensionsmittels) und k eine Strukturkonstante, die die Form der Teilchen berücksichtigt. Für kugelförmige Teilchen ist k = 2.5, für stabför-mige Teilchen k = 2. c ist die Volumenkonzentration des gelösten Stoffes (Kolloids), d.h. der Volumenanteil der Teilchen am Gesamtvolumen. Gl. (5) gilt für hinreichend große Teilchen, die sich gegenseitig nicht beeinflussen. Auf das Blut als hochkonzentrierte Suspension ist sie deshalb nur eingeschränkt zu übertragen. c bezeichnet man beim Blut als Hämatokritwert.

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Die Blutströmung

Die Viskosität des Blutes spielt bei der Kreislaufdynamik des Körpers eine wichtige Rolle. Die Konzentration der Blutkörperchen im Blut beeinflusst die Viskosität wesentlich. Man hat versucht, an durchströmten Extremitäten von Versuchstieren über die Druckdifferenz und das Strömungsverhalten Werte der Viskosität des Blutes zu erhalten (s. Abb. 2).

Abb.2: Auf Wasser bezogene Viskosität von Blut als Funktion des Hämatokritwertes

Wenn man die Viskosität des Wassers gleich 1 setzt, ist diejenige des Plasmas gleich 1,5 und die von Blut mit einem Hämatokritwert (Volumenanteil der Zellen im Blut) von 45% (wie beim Menschen) etwa 2.

Nicht-Newtonsche Flüssigkeiten

Die dynamische Viskosität η ist für viele Stoffe bei konstanter Temperatur und konstanter chemischer Struktur nicht konstant, sondern abhängig von den Spannungen und Verformun-gen, denen die Stoffe unterworfen werden. Verdoppelt man z.B. die Schergeschwindigkeit, so führt ein nicht-Newtonsches Verhalten zu einer Änderung der Schubspannung, die nicht dem doppelten Wert entspricht. Die wichtigsten Erscheinungen des nicht-Newtonsches Fließverhaltens in Abhängigkeit von der Scherge-schwindigkeit zeigt Abb. 3:

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Abb. 3: Schematische Darstellung des Fließverhaltens nicht-NEWTON'scher Fluide

• Dilatanz: Von dilatantem Fließverhalten spricht man, wenn sich die Scherviskosität mit steigender Schergeschwindigkeit erhöht. (D.h. das Fluid wird beim Fließen "dickflüssi-ger".) Beispiel: Stärkeaufschlämmung in Wasser. Ursache der Dilatanz: Wechselwirkun-gen zwischen den Partikeln (Ladungen) und Immobilisierung des Dispersionsmittels.

• Plastizität: Bei Stoffen mit plastischem Fließverhalten beginnt das Fließen erst oberhalb einer Mindestschubspannung. Unterhalb dieser Grenze verhält sich die Substanz wie ein Feststoff. Bei diesen Stoffen handelt es sich meist um stark gefüllte, disperse Systeme mit benetztem dispersen Anteil. Bei sehr niedrigen Einwaagekonzentrationen des Feststoffes verhalten sich diese Fluide wie Newtonsche Flüssigkeiten. Beispiele: Farben, Lacke, Ma-yonnaise, Zahnpasta, Vaseline. Diese Stoffe sind meist gleichzeitig thixotrop1. Pseudoplastizität: Pseudoplastisches Fließverhalten (Strukturviskosität) zeigen Polymerflu-ide oder Stoffe, die durch energetische Wechselwirkungen (H-Brücken, interionische Wechselwirkungen, ...) Überstrukturen aufbauen können. Bei kleinen Schergeschwindig-keiten (im sogenannten Bereich der Ruhescherviskosität η0 oder 1. Newtonschen Bereich) ist die Scherviskosität unabhängig von der Schergeschwindigkeit, d.h. die Kettenmoleküle bzw. -segmente relaxieren schnell genug. Oberhalb einer kritischen Schergeschwindigkeit nimmt die Scherviskosität ab und weist dann eine lineare Abhängigkeit von der Scherge-schwindigkeit auf. Als mögliche Erklärung für dieses Phänomen wird eine Streckung der Polymerketten mit zunehmender Schergeschwindigkeit angenommen, bis ein Maximalwert erreicht ist.

Beispiele: Lacke, Thermoplaste, Mehrbereichsöle, Klebstoffe. Diese Stoffe haben gleich-zeitig die Tendenz viskoelastisch zu sein, d.h. neben den beim Fließen auftretenden Schub-spannungen (viskoser Anteil) treten auch sogenannte Normalspannungen (elastischer An-teil) auf, wobei ein Teil der auf das Fluid wirkenden Deformationsenergie für reversible elastische Verformungen verbraucht wird.

1 Thixotropie bezeichnet die Eigenschaft eines nicht-Newtonschen Fluids, bei einer konstanten Scherung die Viskosität mit der zeit zu verringern. Nach Aussetzung der Scherbeanspruchung wird die Ausgangsviskosität wieder aufgebaut. Das gegensätzliche Verhalten wird Rheopexie genannt.

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Verfahren zur Viskositätsmessung

Kapillarviskosimeter

Gl. (3) ist die Grundlage für die Messungen von η bzw. v mit Kapillarviskosimetern. Man misst die Zeit t, in der ein fest vorgegebenes Volumen V durch die Kapillare fließt. Bei dem hier verwendeten Ubbelohde-Viskosimeter (s. Abb. 4) ist V durch die Marken m1 und m2 festgelegt. t ist die Zeit, die die Kuppe des Flüssigkeitsmeniskus benötigt. um von m1 bis m2 abzusinken (Auslaufzeit). Da bei 2 und 4 Atmosphärendruck herrscht, ist Δp = ρgh, wenn die Kapillare genau senkrecht steht. Die mittlere Druckhöhe h ist der Abstand zwischen dem Auslauf 4 am Ende der Kapillare und dem Schwerpunkt des Volumens zwischen m1 und m2.

Abb. 4: Das Ubbelohde-Viskosimeter

Setzt man Δp = ρgh in Gl. (3) ein und berücksichtigt Gl. (2), so erhält man für die kinemati-sche Viskosität v die einfache Beziehung:

v = Ct mit einer Apparatekonstanten C = gπhR4/(8VL) (6) C sollte also in erster Näherung nicht von der Temperatur abhängen (VL ~ R4).

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Bei realen Messungen im Labor muss man noch den Energieaufwand für die Beschleunigung der Flüssigkeit im Einlauf der Kapillare K sowie die erhöhte Reibungsarbeit in der An-laufstrecke (nichtparabolisches Geschwindigkeitsprofil) berücksichtigen und die Vorgänge am Auslauf 4 berücksichtigen. Dies geschieht mittels der Hagenbach-Couette-Korrektur −B/t: v = Ct − B/t (7) Normalerweise ist der Hagenbach-Couette-Term B/t klein gegen Ct. Im Prinzip kann man C und B aus den geometrischen Daten des Viskosimeters berechnen. Dann lässt sich v nach Gl. (7) absolut bestimmen. Meistens begnügt man sich aber mit Rela-tivmessungen, indem man das Viskosimeter mit einer Flüssigkeit bekannter Viskosität kalib-riert und aus den Messwerten C und B bestimmt. Als Kalibriersubstanz wird im Praktikum destilliertes Wasser verwendet. Seine Viskosität hängt vom Gehalt an gelösten Gasen (Luft) ab, weswegen man zweckmäßig abgekochtes Wasser verwendet. Für Wasser gelten folgende Kalibrierwerte (p = 1 bar):

T / °C v / (10−6m2s−1) 0 1,792 10 1,307 20 1,004 30 0,801 40 0,658 50 0,553 60 0,474 70 0,413 80 0,365

Fallkörperviskosimeter

Beim Fallkörperviskosimeter wird die Fallzeit einer unter dem Einfluß der Schwerkraft durch die Flüssigkeit fallenden Kugel gemessen. Für überschlägige Messungen kann dann die Vis-kosität nach der unkorrigierten Stokeschen Formel berechnet werden: η = 2gr2(ρ1-ρ)/9 . v (8)

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In Gl. (8) bedeuten g die Erdbeschleunigung, r den Kugelradius, ρ1 die Dichte der Kugel, ρ die Dichte der Flüssigkeit und v die Fallgeschwindigkeit der Kugel.

Das Rotationsviskosimeter

Man kann die Viskosität auch aus dem Drehmoment ermitteln, das ein rotierender Zylinder auf eine in einem Behälter befindliche Substanz ausübt. Rotationsviskosimeter gibt es in ver-schiedenen Ausführungsformen, von denen hier nur die koaxialen Zylindersysteme behandelt werden sollen. Dieses koaxiale Zylinder-Messsytem kann man sich aus den parallelen, ebenen Platten des Newtonschen Modells dadurch entstanden denken, dass die Platten zu einem inne-ren und einem äußeren Zylinder rundgebogen wurden. Eine in dem so gebildeten Ringspalt befindliche Flüssigkeit kann wie in dem Plattenmodell einer definierten Scherung ausgesetzt werden. Unter den Bedingungen, die zu laminarem Fließen führen, kann dann eine mathema-tische Behandlung des Messproblems erfolgen. Es gibt zwei Möglichkeiten, die oben genann-te Geometrie in einem Absolut-Viskosimeter zu realisieren: • Vorgabe der Schubspannung: An der Zylinderachse wird ein definiertes Drehmoment und

damit eine definierte Schubspannung am Innen- oder Außenzylinder vorgegeben, während sich der andere Zylinder in Ruhe befindet. Der viskositätsbedingte Widerstand der ge-scherten Flüssigkeit lässt nur ein bestimmtes Geschwindigkeitsgefälle bzw. eine charakte-ristische Drehzahl zu, die dann gemessen wird.

• Vorgabe des Geschwindigkeitsgefälles: Die meisten Rotationsviskosimeter funktionieren nach diesem Prinzip. Das Geschwindigkeitsgefälle wird vorgegeben, indem man den In-nen- bzw. den Außenzylinder mit definierter Drehzahl rotieren lässt. Durch den Wider-stand der gescherten Flüssigkeit wirkt auf die Wandung des Innenzylinders eine Schub-spannung, die als Drehmoment messtechnisch erfasst wird.

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Durchführung der Versuche

Aufgabe: Um Zeitverluste durch Thermostatisieren zu vermeiden, führen Sie zunächst alle Versuchsteile bei 30°C durch, heizen Sie anschließend auf 50°C auf usw. 1.) Kalibrieren Sie das Ubbelohde-Viskosimeter mit abgekochtem destil-

liertem Wasser bei mindestens drei Temperaturen (30, 50 und 60°C). 2.) Bestimmen Sie die Viskositäten und Dichten von Wasser, Ethanol und

n-Propanol bei mindestens zwei Temperaturen (30 und 50°C). Zur Dichtebestimmung verwenden Sie ein Pyknometer.

3.) Bestimmen Sie mit dem Rotationsviskosimeter die Temperaturabhän-gigkeit der Viskosität von Speiseöl bei fünf verschiedenen Temperatu-ren zwischen 10 und 75 °C.

Setzen Sie eine Schutzbrille auf! Schalten Sie den Thermostaten ein und stellen Sie die ge-wünschte Temperatur ein. Füllen Sie die zu untersuchende Flüssigkeit durch das Füllrohr F bei 1 in das Vorratsgefäß V3 (der Ansatz der Druckausgleichsleitung A bei 4 muss frei blei-ben!). Verschließen Sie A bei 3 mit dem Finger oder einem Stopfen und drücken Sie mit ei-nem Peleusball bei 1 die Flüssigkeit aus V3 durch die Kapillare K bis in das Volumen V1. Dann geben Sie 1 und 3 frei und lassen die Flüssigkeit zum Spülen einmal durch die Kapillare laufen. (Vorsicht!! Spritzgefahr!! SCHUTZBRILLE! Geben Sie zuerst 1 frei, dann erst 3!). Anschließend pumpen Sie die Flüssigkeit erneut bis in V1 hinauf. Geben Sie 1 und 3 erneut frei (1 vor 3!! s.o.). Wenn die Meniskuskuppe die Marke m1 erreicht hat, drücken Sie die Stoppuhr (t = 0) und stoppen die Zeit ta (Auslaufzeit), nach der die Me-niskuskuppe die Marke m2 erreicht hat. Führen Sie die Messung insgesamt dreimal durch. Vor der Messung mit einer neuen Substanz müssen Sie das Viskosimeter durch die Öffnung 1 gut entleerem (Viskosimeter vorsichtig neigen!), anschließend mit der neuen Substanz füllen und mindestens einmal spülen. Überzeugen Sie sich vor der Messung davon, dass die Kapilla-re K möglichst genau senkrecht steht. Die Dichte ρ der Flüssigkeiten wird für die betreffen-den Meßtemperaturen mit dem Kapillarpyknometer bestimmt. Stellen Sie die Temperatur des Thermostaten am Rotationsviskosimeter auf 15°C ein. Füllen Sie das Öl in den Messbecher des Rotationsviskosimeters. Befestigen Sie den Drehkörper an der Antriebswelle und verschrauben Sie den Becher vorsichtig mit dem Gerät. Der jeweilige Istwert der Temperatur im Viskosimeter wird am Steuergerät angezeigt. Die Messung kann gestartet werden, sobald sich dort ein konstanter Wert eingestellt hat. Das Messprogramm variiert nach dem Start der Messung die Drehzahl linear von 0 bis 800 U/min. Die Schub-

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spannung wird zusammen mit der gemessenen Viskosität als Tabelle und Grafik ausgegeben. Nach dem Ende der Messung wird die nächste Temperatur eingestellt. Nach Beendigung aller Messungen wird zuerst der Becher herausgeschraubt. Anschließend demontiert man den Drehkörper durch Hochschieben des Halteringes. Das Gerät wird gründlich gesäubert und getrocknet.

Auswertung der Messungen

Zu 1.) Bestimmen Sie die Apparatekonstanten C und B der Gl. (7) sowie deren Standardab-weichungen. Am besten verwenden Sie dazu das auf den Praktikums-Auswerterechnern installierte Auswerteprogramm Origin.

Zu 2.) Bestimmen Sie für die drei Substanzen v nach Gl. (7) und anschließend η nach Gl. (2)

(für H2O nur η, da es zur Bestimmung der Konstanten C und B verwendet wurde!). lg v und lg η sollen als Funktion von 1 /T dargestellt werden. Ermitteln Sie die Konstan-ten der Gl. (12) Cη und Eη für jede Flüssigkeit. Diskutieren Sie alle Ergebnisse, ermit-teln Sie den experimentellen Fehler und vergleichen Sie Ihre Ergebnisse mit Litera-turwerten.

Zu 3.) Tragen sie in einer Grafik alle gemessenen Viskositäten gegen die Schergeschwindig-keit auf und bestimmen sie daraus für jede Temperatur eine –mittlere- Viskosität des Öls. Diese Werte sollen dann sowohl direkt (η gegen Τ) und in Form eines Arrhenius–Plots (ln(η) gegen 1/T[K]) dargestellt werden. Berechnen sie die Aktivierungsenergie (vgl Gl. (12)).

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Anhang Ist r der Radius eines Flüssigkeitszylinders in der Kapillare, so bewirkt die Druckdifferenz Δp auf ihn die Kraft: Fp = Δp.πr2 (A1)

Die Mantelfläche A dieses Zylinders ist A = 2πr.L. Nach Gl. (1) erhält man für die Reibungs-kraft, die der Flüssigkeitszylinder erfährt: FR = −η . 2πr.L.(du/dr) (A2) Bei stationärer Strömung gilt: FR = Fp, also: du/dr = −(Δp.r)/(2.η.L) (A3) Die Geschwindigkeit u erhält man durch Integration der Gl. (A3):

rdL2rpud ⋅

⋅η⋅⋅Δ

−=

∫ ∫= =

⋅⋅η⋅

Δ−=

u

0u

r

Rr

rdrL2

pud

( )22 rRL4

pu −⋅⋅η⋅

Δ= (A4)

Der Wahl der Integrationsgrenzen liegt die Voraussetzung 3 (benetzende Flüssigkeit) zugrun-de. Mit dieser Kenntnis der Ortsabhängigkeit von u können wir das in der Zeiteinheit durch das Rohr strömende Flüssigkeitsvolumen dV/dt berechnen, da das jede der betrachteten Schichten zwischen r und r + dr in der Zeiteinheit durchströmende Volumen 2πr.u dr ist:

∫∫== η

Δπ=−

⋅η⋅Δ

π=π=R

0r

422

R

0r L8pRdr)rR(

L4pr2rdru2

dtdV (A5)