Vom Wandel(n) der Musen - altekanti.ch · ist dieser (frühe) Umgang mit der Angst – mit sich...

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19 Semesterpublikation Alte Kantonsschule Aarau Vom Wandel(n) der Musen

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esterpublikation Alte Kantonsschule Aarau

Vom Wandel(n) der Musen

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Liebe Leserin, lieber LeserIch will mir schnell noch den Lippenstift von der Wange wischen,bevor ich hier zu Werke gehe … würde ich sagen, wäre ich gradvon der Muse geküsst worden. Rechteigentlich ist das aber meistein unsichtbarer und nur schwer zu definierender Vorgang, solchein Musenkuss. Einfall, Wallung oder Hormonüberschuss? Dies ge-nauer zu klären, dafür liegt diese sage & schreibe-Ausgabe nun vor.

So viel aber sei vorweggenommen: Nicht zuletzt umkreisendie Musen den ‹Schüler der Möglichkeit›, wie ihn einst Sören Kier-kegaard Ende des 19. Jahrhunderts vorzeichnete (die Schülerinhatte er freilich mitgedacht). Worum es dem dänischen Expertenfür Angst, Furcht und Zittern vornehmlich ging: um die Freiheit,Entscheidungen zu treffen (treffen zu müssen). Je mehr Wahlmög-lichkeiten zur Disposition stehen, desto mehr Ängste brechen sichBahn. So unerfreulich das zunächst anmutet, so eminent wichtigist dieser (frühe) Umgang mit der Angst – mit sich selbst. Dank die-ses Umgangs entwickelt sich das Selbstbewusstsein, so dass dasTreffen von Entscheidungen alsbald auf Erfahrungswerte zurück-greifen kann. Jede neue Erfahrung, die ich machen kann (ob ichmich davor nun richtig oder falsch entschieden habe), erweitertden Horizont, schärft womöglich meine Intuition – gar mein Anti-zipationsvermögen? – Schön theoretisch, nicht wahr?

Noch mal ganz anders: Nein, ich glaube nicht, dass sich jedeSchülerin und jeder Schüler grundsätzlich für alles zu interessie-ren hätte. Ich halte diese Idee vielmehr für pädagogischen Unfug.Jedoch sollten ebendiesen Schülerinnen und Schülern viele Mög-lichkeiten für ein frei gewähltes Herantasten und Ausprobieren of-fenstehen. Die Musen steigen selten auf die erstbeste Gelegenheitein; Inspiration braucht Raum, sie braucht Zeit, sie ist im wahrstenSinne des Wortes ein Glücksfall. – Nur so kann auch das Scheiterngelingen, wird überraschend eine Faszination geweckt, eine Lei-denschaft entzündet.

Dafür halte ich gern beide Wangen hin.

Markus Bundi, Redaktionsleitung

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IMPRESSUM

HerausgeberinAlte Kantonsschule AarauBahnhofstrasse 915001 AarauTel. 062 834 67 [email protected]

LeitungUlrich Salm, ProrektorMarkus Bundi, Leitung / RedaktionMichael Bouvard, Gestaltung / LayoutAnja Nicol, Inserate

RedaktionSchülerinnen und Schüler der G3I:Andjelka Antonijevic, Vanessa Baumann, Jonas Bucher, Melanie Decher, Dominik Dürst,Benjamin Fisch, Katharina Gros, Nora Hertig,Lukas Heuscher, Besnik Mehmeti, Carla Meier,Jonas Plüss, Jehona Ramadani, Florian Sommer,Nicolas Tschudi, Anna von Wyl undAndreas Wiemeyer

DruckDruckerei AG SuhrPostweg 25034 Suhrwww.drucksuhr.ch

Auflage5’500 ExemplareErscheint zweimal jährlich

TitelbildLuminogramm von Aleksandra Lazic, Sbig

EDITORIAL

‹Das Tanzen, die coole Gruppe, die gemeinsame Leidenschaft, der Nervenkitzel vor einem Auftrittund die ausgelassene Freude danach. Deshalb tanze ich in derShow Dance Gruppe.›

Carla Meier, G3I

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INHALT

Editorial // Markus Bundi

Von der Muse geküsst … // Essay von Jacqueline Seiler

BABYLON // Kolumne von Walter Maurer

‹Wir brauchen gut gebildete junge Menschen, auch morgen› // Interview mit Rektor Dr. Martin Burkard

Von ausschlaggebender Bedeutung, aber keine heilige Kuh // Statement zu Bildung und Sparpotenzial von Altbundesrat Kaspar Villiger

Die eigenen kleinen Welten in Worten // Andjelka Antonijevic über ‹Treffpunkt Text›

Das Machwerk // Erzählung von Fabienne Suter

knips! // Bildkolumne von Markus Meier

‹Einen breiten Horizont mit auf den Weg geben› // Interview von Florian Sommer mit Michael Schneider, Leiter des Künstlerhauses Boswil

DAS [UN-]DING // Kolumne von Jonas Bucher

‹Es wäre schön, weiter zu machen› // Vanessa Baumann und Jehona Ramadani berichten über das Miniunternehmen Belle Elle

Schuster, bleib bei deinen Leisten // Prorektor Ulrich Salm über die WMS und die IMS

Ausrangierte Wagons machen sich selbständig // Anna von Wyl und Melanie Decher über die Theatergruppe der AKSA

PAUSENGEFLÜSTER // Kolumne von Lyne Schuppisser

Nach Madrid ist nur der Himmel schöner! // Reportage von Jehona Ramadani und Vanessa Baumann

ELTERNBRIEF // Martin Jordi über Clouds und Wolken

Olympische Spiele als Traum // Jonas Plüss, Jonas Bucher und Lukas Heuscher besuchten Maya Schärer und Sarah Keller im Karatetraining

Üben, auftreten, Applaus geniessen // Porträt über die Pianistin Ani Wollstein von Dominik Dürst und Besnik Mehmeti

BRENNPUNKT // Stefan Läderach zum Instrumentalunterricht und der Inspiration auf Sparflamme

Verabschiedungen // Elvira Ammann, Sabine Kaipainen, Christine Sigg, Walter Maurer und Michael Storz verlassen die AKSA

Meisterhaft // Die erfolgreichen Teams des Volleyballs und Showdance

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‹Da ich schon als Kind immer herum-trällerte, entschloss ich mich, Gesangsunterricht zu nehmen. Ichhabe grosses Glück mit meiner Lehrerin, die mich super unterstütztund mir hilfreiche Tricks beibringt.Den Gesangsunterricht besuche ich sehr gerne; er dient als Abwechslung zum Schulalltag und macht einfach Spass!›

Anna Schirlo, G3E

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Ἄνδρα µοι ἔννε!ε, Μοῦσα, …(Ạndra moi ẹnnepe, Moụsa), sagemir, Muse, singe mir von den Dingen,hilf meiner Eingebung und beflüglemeine Worte! So lässt der grie-chische Dichter Homer seine Odys-see beginnen, das wohl be r ühm -t es te und einflussreichste Epos derabendländischen Literatur, das denNamen seines Helden zum Syno-nym einer menschlichen Irrfahrtschlechthin gemacht hat. Ein Irrenund Streben durch das Leben.

Während 32 bis 35 Stunden proWoche bewegen sich die Schülerin-nen und Schüler durch Gebäudeder AKSA, streben fleissig und ste-tig, häufen Wissen auf Gelerntes,Neues auf Bekanntes. Fördern undFordern liegen da oft nahe beisam-men; es bleibt wenig Zeit, sich sei-ner eigenen Interessen gewahr zuwerden, geschweige denn sie zuverfolgen. Und manch einer ist

froh um einen Anreiz, um einenAnstoss zum Entdecken möglicherInteressensgebiete ausserhalb desobligaten Schulunterrichts. Undmancher lässt sich verführen, ver-spürt Neugier, ist inspiriert undentdeckt sich selbst und erschafftsich neu. Was aber steht am Anfangeines kreativen Prozesses? Wiekomme ich von der Aufgabe zurKlarheit, die mir einen Lösungswegaufzeigt? Vom Wort zur Tat? Wirwarten auf das Moment der Einge-bung, auf eine plötzliche Ekstase.

Von der Muse geküsst heisst dieschöne Wendung – gemäss idioma-tischem Wörterbuch ‹scherzhaft›anzuwenden –, die uns ‹zu künstle-rischer Betätigung berufen, einekünstlerische Inspiration erlebend›verheisst. Seit dem 17. Jahrhundertbegegnet uns das Fremdwort Museim Sinne von ‹beflügelnde Inspira-tion› und ‹künstlerische Begeiste-rung›, die meist auf poetischästhe tisch tätige Menschen bezo-gen wird. Das griechische mousa(lat. musa) liefert die Grundlage zudieser Sinnübertragung, wobei sichdie ursprüngliche Bezeichnungdeutlich auf eine der neun altgrie-chischen Schutzgöttinnen derKünste bezieht. Sie sind die Töchterdes Zeus und der Titanin Menmo-syne, die als Göttin der Erinnerungwandelt. Anteil an dieser Erbschaft

des Gedächtnisses kommt auchden Töchtern der Menmosyne zu,den Musen. Ihr Name bedeutet ‹Er-innernde› oder ‹Sinnende›. Sie sinddie Urheberinnen und Förderinnender schönen Künste, der Musik undLiteratur, allgemein der geistigenBeschäftigung.

Ihre Bedeutung verdanken sieihrer Beliebtheit unter den Dich-tern, die ihnen Inspiration zu-schrieben. Und die Dichter undDenker aller Zeiten, die sich in ihreObhut begaben, verliessen sich aufdieses Erbe der Gedächtniskraft.Das Gedenken einer Sache, Erin-nern eines Augenblicks oder einerSituation bringt stets Gegenwärti-ges mit dem zeitlich Entfernten zu-sammen. Das Erinnerte erhält eineüberzeitliche Dimension, die alskulturelles Gedächtnis zugleichkulturstiftend sein muss.

Im gleichen Wortfeld finden wirdas Adjektiv musisch – die schönenKünste betreffend wie auch künstle-risch gebildet oder begabt sein und

schlicht kunstempfänglich – wie auchdas heute als Ort und Ausstellungs-räumlichkeiten für Kunst- und wis-senschaftliche Sammlungenbekannte Museum, das in seiner ur-sprünglichen Bedeutung als Studier-zimmer beziehungsweise aus demlat. museum schlicht als Ort für ge-lehrte Beschäftigungen gilt. Auch hieraber ist die Anlehnung an denMusen-Begriff deutlich: Das ausdem Griechischen stammendeWort mouseion benennt den Sitz derMusen, also die Orte, an denen sichdie Göttinnen aufgehalten hatten,meist den göttlichen Apollon be-gleitend und umringend.

Raum und InspirationDer Musenkuss hat in seinem ur-sprünglichen Auftreten stets mitdem persönlichen Aufsuchen desOrtes zu tun. Als sei die Inspirationan den Raum gebunden. Wir versu-chen also einen Raum zu finden, indem die Empfänglichkeit erhöht,die Bereitschaft eindeutig ist undmachen uns zugleich zu einem Ge-fäss, welches das Geküsstwerdenund das Einfliessen der Inspirationauffangen kann.

Die Alte Kantonsschule ist eineInstitution des Wissens, der Bil-dung und des Austauschs. IhreRäumlichkeiten sind Orte des Ler-nens und der Kreativität zugleich.

Es sind aber auch soziale Räume,die das Gemeinsame und Geselligepflegen. So wandeln die Musen inihren langen wallenden Gewän-dern singend und tanzend durchdiese Hallen, stelle ich mir vor. DieGänge der AKSA laden zum Lust-wandeln ein! Und in einem derRäume setzen die Musen sich nie-der und lauschen den Schülerin-nen und Schülern.

‹Jeder Mensch trägt ein Zimmer insich› schreibt Kafka in einer Tage-buchnotiz. Diese Räume zu finden,zu erkunden und wieder zu verlas-sen, ihre Schwelle zu beschnup-pern, sie möglicherweise über -schreiten zu können, um dann dieTür wieder ins Schloss zu werfenund den Raum zu vergessen, das istFantasie, das ist die Kunst desSelbsterkundens. Kategorien desRaums bestimmen unser alltägli-ches Leben und unsere kulturellenAusdrucksformen. Unweigerlichwird der Raum damit zu einem

Faktor der Identitätsbildung. Etvoilà – da wollten wir doch hin. Dahaben wir ihn, unsern Raum. Denfreien Raum nämlich, in demSelbsterkenntnis in hohem Massemöglich ist. Diesen Raum gilt es imUnterricht und in speziellen Gefäs-sen vermehrt zu gewähren.

Apropos Schwelle: Selbst Goe-thes Mephisto in Faust hat einSchwellenproblem. Der Druden-fuss hindert sein Fortgehen, dasHolz muss zuerst angenagt werden.Eine Kunst oder ein Bewusstsein,das an einer Schwelle halt macht,war in Goethes Augen fragwürdig.Über die Schwelle jedoch betretenoder verlassen wir einen Raum.Schwellenängste plagen unsebenso wie die unbändige Anzie-hung von Schwellenerfahrungen.Der Schluss liegt nahe, dass zweidurch eine Schwelle verbundeneRäume wie Bewusstsein und Unbe-wusstsein, Wachen und Schlaf,Traum und Wirklichkeit sich zu-gleich gegenseitig erschliessen. Siesind Übergänge, keine Orte des Ver-weilens. Man entscheidet sich zumGehen oder Bleiben; ein Platz desErinnerns und zugleich eineGrenze, die überschritten werdenkann oder eben nicht, aber stets zueiner inneren Auseinandersetzungauffordernd. Schwellen sind Zwi-schenräume, Etappen im Denken,

Von der Muse geküsst …Essay von Jaqueline Seiler

LEITARTIKEL‹Die Frage sollte nicht sein, wieso ich ins Salsa gehe, son-dern wieso nicht alle ins Salsa gehen. Alle schwingen gernedie Hüften, doch nur die Wenigsten wissen, was sie tun.›

Benjamin Fisch, G3I

« Durch die einfache Grammatik,die komplizierte Aussprache und die unzähligen Schriftzeichen unterscheidet sich Chinesisch deu-tlich von den sonst üblichen

Sprachen, die man an der Kanti lernt. Doch gerade dieser Kontrast

macht das Freifach erfrischend an-ders. Höhepunkt ist dabei sicher

die zweiwöchige Chinareise, welche dieses Jahr stattfindet.»

Daniel Weber, G3C« Ich habe das Freifach Spanischgewählt, da mich der Klangder Sprache schon immer faszi-niert hat. Deshalb habe ichbeschlossen, die Sprache selbstzu erlernen und ich finde, eslohnt sich.»

Vanessa Baumann, G3I

« Parkour und Freerunning sind fürmich mein Leben! Parkour ist einementale Herausforderung undspannend, weil man dabei immerein grosses Risiko eingeht. Ich liebeden Schulsport, weil man seinHobby auch in der Schule ausübenkann. Für mich ein Traum.»

Julian Dutoit, W3C

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bringen, eine Art Einfliessen in denDichter, ein Einschlagen wie einBlitz, ein ‹furor divinus›. Das Kon-zept der In-Spiration im Sinne desWortes wird tragend bleiben.

Die Moderne nimmt eine be-reits früher initialisierte Wendungdes Musenkultes auf, in welchemvermehrt Einzeldarstellungen –auch in der bildenden Kunst – zufinden sind. Diese zeigen den Dich-ter mit einer Muse an seiner Seite.Das Musische erfährt so quasi einePrivatisierung. Dabei werden nachund nach die Funktionen derMusen zwar aufgeweicht, dasMotiv der Inspiration für nunmehrjede mögliche Berufssparte bleibtbestehen. Der Schaffensprozess alssolcher rückt vermehrt ins Zen-trum und drängt die Muse als Teil-nehmerin in einem Prozess derAutoinspiration an den Rand, wosie mit dem Schaffen und demWerk verschmilzt. Otto Dix stelltgenau diesen Prozess in akzentu-ierter Weise in seinem Selbstbildnismit Muse von 1925 dar, wo sich derKünstler die eigene Muse malt underschafft. Auch in der Musik wer-den die Musen nach und nach zumGegenstand musikalischer Produk-tionen selbst oder sie fungierenschlicht als Namengeberinnen fürTitel. Wir finden sie bei Walt Dis-ney und in der Filmwelt allgemein,in der bildenden Kunst und der Li-teratur genauso wie in der Musik.Nicht von ungefähr widmet dieenglische Rockgruppe Muse demWesen gleichen Namens ein Liedmit dem Titel Space Dementia aufihrem wohl besten Album Origin ofSymmetry.

Die Begegnung des Dichtersoder Künstlers mit den Musen istan sich keine körperliche, sonderneine mentale, geträumte Zwiespra-che. Die Muse wird zur Allegorieder Schaffenskraft an sich. ‹Allego-rien sind im Reiche der Gedanken

was Ruinen im Reiche der Dinge›,gibt Walter Benjamin im Ursprungdes deutschen Trauerspiels zu beden-ken und liefert uns zugleich dieDislokation vom Sprachlichen zumRäumlichen. Obwohl die zersetz-ten und zerfallenen Gebäude beiBenjamin den Vorzug erhalten,weil in den Ritzen, Bruchkantenund Schutthöhlen sich das Wissen

sammle, bleibt die Erinnerung anetwas einst Gewesenes mit demdeutlich sichtbaren Mahnmal desnoch übrig Gebliebenen verbun-den. Der Rest lässt aufs Ganze zu-rückblicken, von den Brocken aufdie Mauer und das Gebäude. Raumund Zeit treten in eine Beziehung.

Die moderne Gesellschaft hatmit ihren Entwicklungen undihren Bedürfnissen eine Entkoppe-lung von Raum und Zeit erwirkt,die weitreichende Konsequenzenbirgt. Das Überschreiten des Rau-mes beziehungsweise die Überwin-dung von Distanzen ist kaum nochan Zeit gebunden, die Digitalisie-rung ermöglicht uns Räume ver-schiedenster Art gleichzeitig zubearbeiten und auch die Bezie-hungswelten unter uns Individuensind nicht länger an Räumlichkei-ten oder zeitliche Fixierung gebun-den. Die steigende Vernetzung undGlobalisierung sind schön, ohneZweifel. Das Aber ergibt sich ausderselben Zweiteilung: Ich ent-scheide mich für Raum oder Zeit,für das Hier oder das Jetzt, für dasAm-richtigen-Platz-Sein oder dasZum-richtigen-Zeitpunkt-Sein. Die

Dynamisierung und Effizienzstei-gerung führen paradoxerweise zu-gleich zur Knappheit einer derbeiden Ressourcen Raum oder Zeit.Eigene Erfahrungen im Unterrichtund vor allem Gespräche mit Schü-lerinnen und Schülern zeigen, dasssie sich durchaus eine noch offe-nere und freiere Wahl ihrer Fächer-kombinationen wünschen würden.Zudem – und dieser Aspekt scheintmir der allerwichtigste zu sein undsollte unbedingt Gehör erhalten –wünschen sie sich mehr Zeit bezie-hungsweise die Möglichkeit, sichstärker auf bestimmte Interesseneinlassen und konzentrieren zukönnen.

Dass die Schweiz anscheinendzu wenig Platz hat, wissen wir spä-testens seit der letzten Abstim-mung. Dass dem Land der Uhrenauch noch die Zeit ausgehen soll,kann nicht stimmen, darf nichtsein. Nur wenn wir diese Entschei-dung zwischen Raum und Zeit alsonicht als solche erleben und beidesvereinen, erfahren wir eine Ruhe,finden wir Musse.

Die Etymologie des Wortes‹Musse› beruft sich auf eine für diedeutsche Sprache – und die Sub-stantivbildung sei übrigens ein Spe-zifikum, was gerade in Anbetracht

der positiven Konnotation des Wor-tes beachtlich ist – herzuleitendeVerwandtschaft mit den Verbenmüssen, aber auch mit den Wortenmessen und ‹Mal› im Sinne von‹Zeitpunkt›. Die mhd. Form muoze(ahd. muoza) bedeutet ursprünglich‹Gelegenheit finden oder Möglich-keit haben, etwas tun zu können›,

sie zeigen den Zugang zu etwasNeuem, Anderem, Gewagten. Siezeigen einen weiteren Raum.Räume hingegen laden zum Blei-ben und zum Aufenthalt ein.

Vom Ort zum Prozess – Allegorie der SchaffenskraftWann küsst die Muse? Und küsstdie Muse alle gleich? Was bewirktihr Kuss? Die Eingebung stellt sichüberraschend und unverhofft ein,die Muse ist frei von Ort und Zeit.Sie küsst am Morgen, des Nachtsim Dämmerzustand … Sie kommtins Studierzimmer, in die Küche,begleitet eine kleine Reise im Zugund blickt mit uns auf die vorbei-rauschende Landschaft, sie stehtmit uns unter der Dusche und

scheut sich auch vor dem stillenÖrtchen nicht. Sie taucht auf undist ebenso unverhofft wieder weg.Sie ist frei in ihrer Beziehung zuuns und nicht mit Zwang zu hal-ten. Wir können lediglich bereitsein für sie und mit Gelassenheitihren Kuss annehmen und ihrFernbleiben erdulden.

In der frühneuzeitlichen Rezep-tion erfährt der Musenbegriff eineWandlung oder besser: eine zusätz-liche Bedeutung. Es ist den Dich-tern um ein Erinnern der Seele anihre ursprünglich himmlische Exis-tenz zu tun. Die solchermassengöttliche Inspiration hilft derSeele, den Zustand zwischen schöp-ferischem Geistesstrom kraft ihrerAbstammung und körperlicherBindung zu einer Harmonie zu

sage&schreibe // Nr.18 // 12.2013 07

Abbildungen › Luminogramme von

Aleksandra Lazic, 2014

sage&schreibe // Nr.19 // 5.2014 0706

« Im Freifach CAE kann ich eininternational anerkanntes Diplom in Englisch machen. Ausserdemverbessert der Unterricht mein Eng-lisch im Allgemeinen.»

Jonas Plüss, G3I

« Am Freifach Religion gefällt mir,dass nicht gewertet wird, wasrichtig und was falsch ist. Es gehteinfach darum, andere Lebens-stile und andere Sichtweisenkennenzulernen und zu verstehen.Dabei ist es egal, woran man selbstglaubt.»

Kim Wiklund, G3M

« Der Cello-Unterricht bietet mirdie Möglichkeit abzuschalten, wasfür mich einen optimalen Aus-gleich zum Schulalltag bedeutet.Ich liebe es, in den Orchesterprobendas Geübte zeigen zu können. DerEffekt aller Instrumente zusammenist einfach einmalig.»

Seraina Ummel, G3K

LEITARTIKEL

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Die Lernpsychologie besagt eindeu-tig, dass die Lernmotivation, die so-genannt intrinsische Motivation,bei Schülern unvergleichlich steigt,wenn das Interesse des Schülers ge-weckt ist, seine Aufmerksamkeitsich somit erhöht und er sich selbstfachlich und persönlich abgeholtfühlt.

Die grösstmögliche Wahlfrei-heit bei gleichzeitig rein individu-eller und aus eigener Entscheidungaufgebrachter Beteiligungsmotiva-tion führt die Schüler zu den Freifä-chern. Gerade den Faktor Zeit undFlexibilität in Bezug auf diese ent-wicklungspsychologisch erklärbareMotiv- und Interessenverschiebungkann ein Freifach bedienen. Voneinem frei gewählt wird ein Fachdann, wenn es den eigenen Interes-sen entspricht. Verändern sich dieInteressen, dann belegt man dasFreifach nicht mehr.

Erinnern wir uns an die Ur-sprünge der Kreativität und derSchaffenskraft! Den ersten Musen-kuss eines Jugendlichen, dieGrundsteine in ein kreatives Feldseiner ganz persönlichen Entwick-lung, seiner tiefen Wünsche zuAusdruck und Mitteilung von Anla-gen, die intrinsisch angeregt nurzu wirklicher Entfaltung und Kraftfinden, die also ein Angebot an

Freifächern, das zu diesem Zweckgewachsen ist, nutzen können soll,ein Ausgleich zum kanonisiertenWissen einer Masse in Schule undWeiterbildung, ein Ausgleich abzie-

lend auf Charakteristika wie Inte-resse, Neugier, Nostalgie, Sehn -sucht und Liebe zum Gegenstand,Antrieb und Leidenschaft, Unvor-eingenommenheit und Unbeschol-tenheit, Interesse undWissensdurst, Hinterfragen wagenohne Angst davor, die falschen Fra-gen zu stellen, ohne Scheu vormöglichem Irrtum, mit Freude anvertrackten Problemen und mögli-chen Sackgassen, schlicht das reineStreben und Treibenlassen. Nietz-sche sagte in seinen Vorträgen überdie Zukunft unserer Bildungs-Anstalten,‹so ist dem wahrhaft Gebildetendas unschätzbare Gut verliehen,ohne jeden Bruch den beschauli-chen Instinkten seiner Kindheittreu bleiben zu können und da-

durch zu einer Ruhe, Einheit, zueinem Zusammenhang und Ein-klang zu kommen, die von einemzum Lebenskampfe Herangezoge-nen nicht einmal geahnt werdenkönnen›.

Es sind diese als kindlich beti-telten Eigenschaften, die wir zu er-halten, ja zu fördern versuchen.Und wo kämen sie her, wenn nichtaus dem einzelnen Menschenselbst. Seine ganz eigene Motiva-tion allein ist es, die ihn die wahreBegeisterung und Hingabe an dasWissen beziehungsweise an die Bil-dung finden lässt. Man kann dieseEigenschaften weder züchten nocherzwingen, man kann nur mit Ge-duld darauf warten, dass sie sicheinstellen mögen und der Musen-kuss einen ereilt. Zögern heisstnicht Scheitern. Aber es brauchtMut, sich der gestundeten Zeit ent-gegenzustellen und sich sinken zulassen, um den Raum zu fühlen, zuertragen, der sich öffnet, damit dieMuse Einzug halte. Warten ohne zuerwarten, Sitzen ohne auszusitzen,Ruhen ohne Hast, sinnieren ohneden Sinn zu erzwingen, denken,entspannen, sammeln. Wir kön-nen weder das Denken noch die Er-kenntnis beschleunigen; aber wirkönnen ihnen Raum geben!

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was sich durch die Ableitungenmüssig ‹unbeschäftigt, untätigsein›, allerdings auch ‹überflüssig,unnütz› und die zugehörige Sub-stantivierung müezecganc seman-tisch einfangen lässt. Die Mussealso ist der Schlüssel zum Musen-kuss. Sie birgt die Voraussetzungen– Untätigkeit, in der sich aber dieGelegenheit erst einstellt, Nichts-tun und vor allem die freie Zeit –,um für die Musen bereit zu sein.

‹Raum› kommt von ‹räumen› …Gerne findet man das Gymnasiumals ‹Lebensschule› bezeichnet. EineBinsenwahrheit, denken wir! Nonscholae, sed vitae discimus, sovielsei sicher! Aber möglicherweiselohnt sich immer wieder das ge-naue Hinhorchen auf konkrete Be-griffe. Lebens-Schule nennen wirsie nicht, weil der Wortteil Schuleprimär das Kompositum ausmacht,sondern weil der Akzent eben aufdem Leben zu liegen habe. EineHinwendung zur und ein Erfahrenvon Gegenwärtigkeit, ein Verständ-nis des Lebens sei Bildung! Auchder Physiker und quasi Altvater un-

serer Schule, Albert Einstein, ge-stand gegenüber der Erkenntnis,dass sie weder erklärbar noch er-zwingbar sei. ‹Die Intuition ist eingöttliches Geschenk, der denkendeVerstand ein treuer Diener. Es istparadox, dass wir heutzutage ange-fangen haben, den Diener zu ver-ehren und die göttliche Gabe zuentweihen.›

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sage&schreibe // Nr.19 // 5.2014 09

« Für mich ist das Freifach Japanischmehr Hobby als Schule, denn ichbin als Anime-Fan sehr von Japans Kultur und Sprache angetan.Ich habe innerhalb eines Jahresalles gelernt, was ich brauche, ummich in Japan zurechtzufinden und unterhalten zu können.»

Stigie Huber, G4H

LEITARTIKEL

« Ein Tag ohne Basketball ist ein verlorener Tag. Deshalb gehe ich selbst an meinem freien Trai-ningstag in die Halle und werfe,dribble und übe, um mein Können Woche für Woche zu verbessern. Deshalb ist der Schul-sport Basketball etwas unglaublich Wichtiges für mich.»

Besnik Mehmeti, G3I

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sage&schreibe // Nr.19 // 5.2014 11

Dr. Martin Burkard, Rektor der Alten Kantonsschule Aarau, imGespräch über das Freifachangebot an der AKSA gestern undheute. Und auch darüber, dass ein sichtbarer Spareffekt an die-ser Schule nur dann erzielt werden kann, wenn man einenspürbaren Substanzverlust in Kauf nehmen will.

Martin Burkard, als Sie in den 1970er-Jahren Gymnasiast waren, gabes da schon Freifächer an der Kanti?

Martin Burkard: Ja, gewiss. Ich lernte Italienisch, und ich be-suchte auch das Freifach Religion, das damals eigentlich Philoso-phie war.

Seit der Einführung des neuen MAR (Maturitätsanerkennungsregle-ment) vor 15 Jahren hat sich das Freifachangebot an der Alten Kan-tonsschule stetig erweitert. Was sind die Gründe dafür?

Burkard: Bis zum MAR hin gab es einen klar definierten Katalogvon Freifächern. Damals war auch die Mindestzahl von Schülerin-nen und Schülern für einen Kurs definiert. Dann, mit dem neuenMAR, wechselte man das System und begann, die Anzahl Freifach-stunden an der Anzahl Abteilungen an einer Schule zu messen.Pro Abteilung drei Freifachlektionen. Davon profitierten vor allemdie grossen Schulen. Heute ist das System noch einmal liberaler.Man muss kaum noch ein Freifach führen, darf aber eine sehrbreite Palette anbieten. Möglich sind auch Blockveranstaltungen.So gibt es inzwischen zum Beispiel das Freifach Politische Bildungan der Alten Kanti, das öffentliche Veranstaltungen auf dem Pro-gramm hat. Das gefällt mir sehr.Wie kommt eigentlich ein neues Freifach zustande? Welche Kriterien müssen erfüllt sein?

Burkard: Wir haben in der Schulleitung immer ein offenes Ohrund gehen gern auf Vorschläge ein. Zu einem Freifach gehören jaimmer zwei: Jemand aus dem Kollegium, der etwas anbieten kannund auch will, und es braucht Schülerinnen und Schüler, die diesesAngebot nutzen wollen. Allerdings haben es Freifächer, die nach16 Uhr stattfinden, so meine Beobachtung, heute schwerer als frü-her. Viele Schülerinnen und Schüler wollen dann nach Hause.

KOLUMNE

Русский язык в нашей школе.

Уже нескол’ко лет в нашей школе препо-даются ‹экзотические› современные языки:русский, арабский и китайский. Среди нихдол’ше всех – приблизител’но с семидесятыхгодов – преподается русский, тогда как ки-тайский и арабский совсем недавно. Хотярусский считается сравнител’но ‹трудным›,он, возможно, из этих трех языков наиболеедоступен, потому что он принадлежит кбол’шой группе индоевропейских языков. Ссамого начала всегда был бол’шой интереск русскому, и по сей ден’ многие записы-ваются на курсы, но уже через семестр у не-которых учеников возникают проблемы с из-учением языка, потому что приходится многоработат’, и у них нет времени занимат’ся до-машними заданиями. Но ест’ всегда прилеж-ные и мотивированные ученики, которые ус-пешно работают и которые в конце курса ужесовсем неплохо об“ясняются по-русски.

Чтобы умет’ читат’ русскую литературу воригинале, наш курс, конечно, слишком ко-роткий. Он длится всего тол’ко четыре семе-стра, и те, которые сдают экзамен на аттестатзрелости, уходят уже ран’ше. Жал’, что курссостоит тол’ко из двух уроков в неделю(двойной урок во вторник вечером, после‹нормал’ных› уроков, когда ученики устали,и им трудно концентрироват’ся!) Ран’ше у насбыло три урока в неделю, но в связи с тем,что расписание уроков становится все болееи более сложным, осталас’ тол’ко эта воз-можност’. Тем не менее мы конечно наде-емся, что и в будущем наидутся студенты,которые интересуются этим важным для ев-ропы языком.

Walter Maurer, Russisch- und Englischlehrer

BA yb L n

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Ohne Achtsamkeit beachte ich alles Robert Walser und die bildende KunstIan Breakwell (GB), Marie José Burki (CH), Dexter Dalwood (GB), Thomas Hirschhorn (CH), Heiner Kielholz (CH), Klaus Lutz (CH), Markus Raetz (CH), Daniel Roth (D), Thomas Schütte (D), John Tremblay (USA), Rosemarie Trockel (D), Marcel van Eeden (NL), Mark Wallinger (GB)Und Künstler aus Robert Walsers Zeit, u.a. Cuno Amiet (CH), Arnold Böcklin (CH), Lovis Corinth (D), Walter Leistikow (D), Max Liebermann (D), Max Slevogt (D), Wilhelm Trübner (D)

CARAVAN 2/2014: Eva-Fiore Kovacovsky Ausstellungsreihe für junge Kunst

*Aargauer Kunsthaus 10. 5. – 27. 7. 2014 Aargauerplatz CH–5001 Aarau Di – So 10 – 17 Uhr Do 10 – 20 Uhr www.aargauerkunsthaus.ch

Bild: Rosemarie Trockel, Triple Bob 2, 2012 © ProLitteris, Zürich

‹Wir brauchen gut gebildete junge Menschen, auch morgen›

Interview mit Martin Burkard

[Foto: zvg]

INTERVIEW

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Haben Sie Freifächer im Kopf, die derzeit an der AltenKanti noch nicht angeboten werden, vielleicht aber in Zu-kunft ihren Platz haben werden?

Burkard: Nun, wir sind vor allem bei den Sprachengut aufgestellt. Wir bieten Arabisch, Italienisch, Rus-sisch, Latein, Chinesisch, Spanisch und Japanisch an.Aber vielleicht ein literarisches Praktikum, ein Lesezir-kel für jene, die sich über den Deutschunterricht hinausmit Literatur beschäftigen möchten, Theateraufführun-gen besuchen wollen. Jetzt spreche ich als Germanist,zugegeben. Doch wir haben ja kein SchwerpunktfachDeutsch. Ich meine aber auch, dass die Stundentafelrecht dicht ist. Insbesondere in der dritten Klasse sinddie Pflichtanteile der Schülerinnen und Schüler hoch.

Die Sparpläne des Kantons Aargau drohen nun, das Frei-fachangebot zu beschneiden. Eine Reglementänderung sollerwirken, dass Freifächer künftig kostenpflichtig angebo-ten werden (können). Zunächst soll es ‹nur› den Instrumen-talunterricht treffen. Ist das aus Ihrer Sicht ein guter Plan?

Burkard: Nein, wenn er tatsächlich existieren sollte,dann wäre das kein guter Plan. Da in den unteren Schul-stufen der Instrumentalunterricht kostenpflichtig ist,wurde schon vor Jahren darüber nachgedacht, dies auchauf die Mittelschule auszudehnen. Wenn aber weitereBereiche einbezogen werden sollten, wäre das verhee-rend.

›Hat der Aargau einfach kein Musikgehör?

Burkard: Das will ich nicht hoffen. Hier spielt wohlein unguter, aber auch menschlicher Reflex eine Rolle:Man sieht, was der Instrumentalunterricht kostet und

denkt: meine Güte! Dass der Einzelunterricht in diesenFächern in der Natur der Sache liegt – Intsrumentalun-terricht lässt sich nun einmal nicht im Klassenverbundrealisieren –, sollte man immer mitdenken. Und wie inallen andern Schweizer Betrieben auch: Kostenintensivist immer zunächst das Personal. Man muss sich dieseQualität, über die wir fraglos verfügen, auch leistenwollen.

Einmal angenommen, es sei wirklich unumgänglich, auchan den Kantonsschulen zu sparen, wo würden Sie den Hebelansetzen?

Burkard: Es ist nicht angezeigt, im Bereich der Kan-tonsschulen zu sparen. Eine weitere Sparrunde hättedefinitiv einen Substanzverlust zur Folge. Ein Sparef-fekt, der diesen Namen verdient, ist nur mit Stunden-reduktionen, sprich Personalabbau zu realisieren. Damituntergräbt man das Fundament der Bildung. Einen sol-chen spürbaren Leistungsabbau kann niemand wollen.Wir brauchen gut und breit gebildete junge Menschenheute, und wir werden diese morgen noch vermehrtnötig haben.

Wären Sie heute noch einmal Gymnasiast hier an der AltenKanti, welche Freifächer würden Sie belegen?

Burkard: Sprachen, Sprachen, Sprachen. So einfachkommt man später nie mehr dazu.

Das Gespräch führte Markus Bundi

Ich selber habe eine sehr gute Erinnerung an meineKantizeit. Musische Fächer gab es noch nicht allzuviele, aber die kulturelle Allgemeinbildung, die wir vorallem im Deutschunterricht bei Prof. Bagdasarianz ver-mittelt bekamen, ist für mich bis heute enorm wichtiggeblieben. Das Musische haben wir eher im ausser-schulischen Bereich intensiv gepflegt. Das geht auchohne staatliche Mittel. Ich sage das, weil ich mich nichtin die politische Frage einmischen will, wo ein Kantonwas tut, wenn seine Steuern zur Deckung seiner Ausga-ben nicht mehr ausreichen. Da müssen oft alle einwenig bluten, um ein Gemeinwesen nicht in übermäs-sige Verschuldung abgleiten zu lassen. Was das näm-lich bedeutet, können wir in den europäischen Süd -ländern sehen, wo vor allem die Jugend nur noch einebeschränkte Perspektive hat. Natürlich ist Bildung fürunser rohstoffarmes Land von ausschlaggebender Be-deutung. Aber das kann nicht heissen, dass Bildungeine heilige Kuh ist, deren Fütterung nicht diskutiertwerden darf.

Kaspar Villiger, Alt-Bundesrat und ehemaliger Präsident des Verwaltungsrates der UBS

sage&schreibe // Nr.19 // 5.2014 1312

‹Am Freifach Altgriechisch gefällt mir, dass man viel über die Kultur des antikenGriechenlands lernt, die Bedeutung vieler Fremdwörter plötzlich offensichtlichist und besonders, dass es eine seltene Sprache mit für uns fremden Schriftzeichen ist.›

Samuel Amstutz, G3A

Per E-Mail tauschte sich Kantischüler Florian Sommer mit Alt-Bundesrat Kaspar Villigeraus, der seinerseits die Alte Kantonsschule Aarau besuchte

‹Wenn man gerne diskutiert, politisch interessiert ist und sich gerne mit Konflikten und Problemen dieser Welt auseinandersetzt, ist man im Freifach Politische Bildung genau richtig. Daran mag ich besonders, dass man mit Leuten jeder polit-ischen Einstellung hitzige Debatten bis hin zu tiefen, philosophischen Gesprächen führen kann.›

David Altner, G3L

Von ausschlaggebender Bedeutung, aber keine heilige Kuh

[Foto: wikimedia.org]

E-MAIL

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Die eigenen kleinen Welten in WortenWenn sich zehn ‹Verrückte› über Texte streiten

sage&schreibe // Nr.19 // 5.2014 1514

as Plakat in der Mensawar unauffällig, mit dem

Titel ‹Hunger› wurde es von einemsarkastischen Unterton getragen.Es war das Plakat für die Lesung derGruppe ‹Treffpunkt Text›. ZehnSchülerinnen und Schüler habenletzten November im Medienzen-trum der Alten Kanti Aarau vorge-lesen, und dies vor mehr alsachtzig Leuten. Die Autorinnenund Autoren hatte je sechs Minu-ten Lesezeit. Nicht sehr viel, wieman zunächst denkt …

Jeden zweiten bis dritten Diens-tag versammelt sich die Begabten-förderungsgruppe ‹Treffpunkt Text›unter der Leitung des Schriftstel-lers Andreas Neeser. Ziel ist es,möglichst viel vorzulesen und zukritisieren. Ja, Kritik ist das A undO in der Gruppe, denn nur mit Kri-tik kommt man mit seinem Schrei-ben weiter. ‹Schreiben ist eineeinsame Angelegenheit; deshalbbraucht es den sporadischen Aus-tausch mit anderen Verrückten, diestunden- und wochenlang aneinem Text arbeiten›, wie derSchriftsteller meint. Die Schülerin-nen und Schüler notieren sich

alles, diskutieren, suchen Lösun-gen und schreiben nochmals neuoder verändern den Text. ‹Esbraucht da einiges an Frustrations-toleranz – und von meiner Seite ei-niges an Fingerspitzengefühl, dennSchreiblust und Schreibstau sindnäher beisammen, als man ge-meinhin denkt.›

Nicht nur die Gruppenzusam-menkünfte sind Bestandteil vomTreffpunkt. Die individuelle Zu-sammenarbeit jedes Einzelnen mitAndreas Neeser bildet das Herz-stück. Will man einen Text bespre-chen, hat man die Möglichkeit,sich mit dem Autor zu treffen.‹Kurse in kreativem Schreiben gibtes mittlerweile an einigen Gymna-sien; dass aber talentierten Schrei-benden sozusagen ein literarischerPrivat-Coach zur Seite gestellt wird,ist auf dieser Stufe meines Wissensneu.› Andreas Neeser beurteiltseine Arbeit und das einzigartigeProgramm als erfolgreich. ‹Es istnatürlich wunderbar, mit einerjungen Autorin beziehungsweiseeinem jungen Autor an einem Textzu arbeiten, die Geschichte oderdas Gedicht in immer neuen Über-

arbeitungsschritten weiter zu ent-wickeln und zu sehen, wie auch dieSchreibenden sich über die Fort-schritte des Textes freuen.› Voraus-setzung für die Teilnehmenden istes also, sich regelmässig einzubrin-gen und vor allem am eigenenSchreiben dran zu bleiben. Auchhier gilt wie für so manches imLeben: Der Weg ist das Ziel.

Hinter den sechs Minuten Textsteckt also stundenlange müh-same, aber auch schöne Arbeit.Auch wenn das jeweilige Themafür alle das gleiche ist, gab es bis-lang nicht einmal ähnliche Texte.Jeder einzelne Text ist eine eigenekleine Welt, jede Autorin und jederAutor hat seinen eigenen Kopf, dieeigenen Ideen und Vorstellungen.Was dabei herauskommt, sind Ge-dankengänge, die in alle mögli-chen Richtungen verlaufen. Etwashaben sie aber alle gemeinsam: Sieregen zum Nachdenken an. Und ei-nige bleiben haften.

Andjelka Antonijevic, G3I

D

Das Machwerk // Erzählung von Fabienne Suter

Eine fieberhafte Unruhe packte Lemaître. Seine Augenschweiften nervös von einem Gebäude, von einem Bildzum anderen, ohne etwas festzuhalten. Unendlichviele Eindrücke strömten auf ihn ein, und trotzdem ge-schah nichts. Was sollte er tun? Seit Tagen schon brü-tete er über dieser einen Idee. Der Idee, die er einfachnicht finden konnte. Wo waren sie hergekommen, dieanderen brillanten Geistesblitze, mit denen er vor lan-ger Zeit ein kleines Vermögen gemacht hatte? War esmöglich, dass die Tiefen seines Geistes mit einem Malleer waren? Vermutlich brauchte er Abstand. Abstandvom Auftraggeber, vom geplanten Werk, das nochnicht einmal in seinen Gedanken existierte. Doch Ab-stand nehmen hiesse, sich Zeit nehmen, und die hatteer einfach nicht. Sein bestes Bild erwartete man vonihm. Keine anderen Vorgaben. Und ein Meisterwerkhatte er versprochen. Er hetzte durch die Strassen sei-nes Viertels.

«Wünschen Sie ein Portrait, Monsieur?»«Danke Monsieur, das kann ich selbst», meinte Le-

maître kühl und eilte weiter zu seinem Wohnhaus.Dämlicher Strassenkünstler, dachte er, schlug die Türzu und stürmte in den dritten Stock hinauf. In der klei-nen Küche schenkte er sich ein grosses Glas Rotweinein, trank es in wenigen Schlucken leer. Dann atmeteer tief durch und spürte, wie sich eine angenehmeWärme in seinem Körper ausbreitete. Er setzte sich aufdas Sofa und schloss die Augen. Er durfte sich nicht auf-regen. Er musste ruhig bleiben. Er konzentrierte sichganz auf sein Inneres, suchte in den verborgenen Win-keln seiner Gedanken, doch alles, was er fand, hatte erbereits so oft durchgekaut, dass er es nicht mehr ertra-gen konnte.

«Merde!» Mit einem Ruck war Lemaître wieder aufden Beinen. Nervös tigerte er im Raum umher. DieserAuftrag könnte ihn reich machen. Der Auftraggeberhatte ihm so viel Geld versprochen, dass er sich sogareine grössere Wohnung leisten könnte, mit mehr Platzfür seine Bilder und Staffeleien. Und das Beste: Er wärenicht mehr auf dämliche Auftragsarbeiten angewie-sen. Endlich hätte er die Freiheit, eigene Ideen zu ver-wirklichen! Seine Bilder waren gut, seine bisherigenIdeen genial gewesen. Trotzdem war dieser Auftrag seitMonaten sein erster. Er durfte nicht wählerisch sein.Alles in ihm drängte zur Leinwand. Sie stand auf derStaffelei, in reinstem Weiss, und wartete darauf, be-malt zu werden. Erwartungsvoll auch die Farben, diePalette, der Pinsel. Sie riefen ihn zu sich. Er konnte es

kaum ertragen, seine Malutensilien so unbenutzt da-stehen zu sehen. Sein bestes Bild. Zärtlich strich erüber den Holzrahmen der Staffelei.

Wie in den Nächten zuvor lag Lemaître nun grü-belnd im Bett. – Das Beste. – Und was sollte das sein? –Geld? Gut, dann brauchte er nicht mehr zu arbeiten.Frauen? Die wechselte er alle paar Wochen. Die Kunst?Sie war sein Brot, sein Atem, seine Seele. Er brauchtesie, ohne die Kunst wäre er nichts. Doch wie wollte ersie malen?

Seinem Gefühl nach hatte er noch keine fünf Minu-ten geschlafen, als er durch ein Klopfen an der Woh-nungstür geweckt wurde. Er drehte sich im Bett, zogsich die Decke über den Kopf. Doch wieder klopfte es.Genervt stand er auf. Auf dem Weg zur Tür vermied eres, die weisse Leinwand anzusehen.

«Guten Morgen Monsieur! Möchten Sie eines mei-ner Bilder kaufen?»

Er knallte die Tür zu. Was für eine penetrante Per-son, dachte er.

Wenig später klopfte es wieder. «Voilà, Monsieur, hier sind meine besten Werke.»«Ihre besten Werke.» Herablassend runzelte Lemaî-

tre die Stirn.Der Strassenkünstler nickte heftig, den Spott igno-

rierend.«Na gut. Zeigen Sie her. Aber danach lassen Sie

mich in Ruhe.»Der Mann zog einige Bilder unter seinem Arm her-

vor und breitete sie auf dem Boden vor der Wohnungaus.

Langsam ging Lemaître zwischen den Bildern hinund her. Er betrachtete sie von oben herab, eines nachdem anderen.

«Was kostet das Ding da in der Ecke?»«Oh, das ist eine meiner neusten Arbeiten. Ist mir

gut gelungen, finden Sie nicht auch?»«Was wollen Sie dafür?»«Tausend.»«Sind Sie wahnsinnig?»«Ich feilsche nicht.»«Tausend, für dieses – Machwerk?»«Tausend für dieses Machwerk.» Wenige Augenblicke später trat der Strassenkünst-

ler ins helle Licht des Vormittags hinaus. Er trug einBild weniger unter dem Arm.

Lemaître stand reglos vor der weissen Leinwand.Dann tunkte er den Pinsel in die Farbe.

TREFFPUNKT TEXT

Joel Kogler und Fabienne Suter von Treffpunkt Text an der Arbeit.

[Foto: Vanessa Baumann]

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sage&schreibe // Nr.19 // 5.2014 17

knips!

Michael Schneider, ehemaliger Schüler der AltenKantonsschule Aarau und heute Leiter des Künstler-hauses Boswil, erinnert sich und schlägt einenBogen von gestern zu heute.

Was ist Ihre schrecklichste Erinnerung an Ihre Schulzeit ander Alten Kanti Aarau?

Michael Schneider: Zweifellos eine katastrophale Ma-thematik-Lehrerin! Sie hatte eine Aversion gegen sämt-liche Knaben und wir gingen jeweils schon mit weichenKnien in den Unterricht. Gott sei Dank verliess sie unsim Laufe der Kantizeit, sonst würde ich heute hier even-tuell gar kein Interview geben können als ehemaligerSchüler der Alten Kanti!

Abgesehen vom Normalprogramm: Waren die Stunden derFreifächer, die Sie zusätzlich besucht haben, für Sie undIhre Eltern kostenlos?

Schneider: Ja, es war spektakulär, dass wir diesewichtigen Inputs gratis erhielten! Erst dies hat nichtnur mir, sondern auch vielen anderen diesen Kursbe-such überhaupt ermöglicht und uns enorm weiterge-bracht.

Verfolgten Sie neben der Musik noch andere Interessenwährend Ihrer Schulzeit an der Kanti? Besuchten Sie nochweitere Freifächer?

Schneider: Verglichen mit heute scheint mir das da-malige Angebot geradezu bescheiden. Unter den Frei-fächern habe ich das kleine Latinum absolviert. Ein be-sonderes Highlight waren aber die freiwilligenAngebote im Musikhaus: abendliche Analysen und zu-sätzlicher Cembalo- und Ensembleunterricht.

Sie besuchten den Musikunterricht bei János Tamás, wiewichtig war er für Ihre Kariere als Komponist?

Schneider: Nachdem ich beim Wettbewerb zum Aar-auer Jugendpreis ein Musikstück eingereicht hatte,wechselte ich auf die zweite Kanti hin zu Tamás als

Klavierlehrer. Wir vereinbarten, dass wir ab und zueine Kompositionsstunde abhielten, das heisst, wennich am Komponieren war, konnte ich diese Skizzenmitbringen und wir besprachen sie. Diese musikalischeFörderung war enorm wichtig für mich und half mirbis zum Ende der Kantizeit dabei, formal und stilistischmeine kompositorischen Gedanken zu fokussieren.Mich und seine anderen Schüler hat Tamás aber überdie Musik hinaus durch seine grosse Sensibilität undMenschlichkeit geprägt – in den Klavierstunden warnicht nur das Klavierspiel ein Thema, sondern die ganzeWelt!

Hielten Sie den Kontakt nach der Kantizeit aufrecht?Schneider: Ja, wir blieben sehr freundschaftlich ver-

bunden. Ich habe verschiedene Texte über Tamás pu-bliziert und nach seinem Suizid 1995 den ‹FördervereinJános Tamás› initiiert.

Was hat dieser ‹Förderverein János Tamás› zum Ziel?Schneider: Promotion! Die Musik bekannt machen

und wenn möglich spielen lassen! Das Wissen über denKomponisten verbreiten; Noten, Bücher und CDs initi-ieren …

Wollten Sie schon immer Komponist werden? Wie habenIhre Eltern reagiert, als Sie als Schüler anfingen zu kompo-nieren?

Schneider: Ich habe etwa mit 14 Jahren begonnen,zu komponieren, zunächst ganz viele Popsongs – daswar aber, auch während der Kantizeit, eher wie ein pri-vates Tagebuch. Zuhause wussten zwar alle, dass ichmir an der Gitarre wieder einen neuen Song ausdachte,aber Text und Musik behielt ich für mich. Erst im Laufeder Kanti habe ich dann mehr auch ‹klassisch› zu kom-ponieren versucht. Die ersten Stücke, die ich heutenoch gelten lasse, stammen dann aber erst von 1991,als ich 27 und mit dem Musikwissenschafts-Studiumschon fast fertig war und auch noch für drei Jahre am

‹Einen breiten Horizont mit auf den Weg geben› Interview mit Michael Schneider

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BILDKOLUMNE

Neulich im Physik-Praktikum: Auch bei den kühl-rational denkenden Schüler/-innen bricht hin und wieder eine Art Gestaltungsdrang durch.Eine Bild von Markus Meier, Physiklehrer

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Konservatorium Bern war. Überhaupt ist ja ‹Komponist›nicht wirklich mein Beruf – es ist mir zwar zutiefst einBedürfnis, regelmässig zu komponieren, aber für denfinanziellen Lebenserwerb so gut wie nutzlos, weshalbich seit zwanzig Jahren – auch mit Leidenschaft – imKulturmanagement tätig bin.

Haben Sie eine bestimmte Muse oder woher holen Sie dieInspiration für das Komponieren von neuen Stücken?

Schneider: Ich schreibe vor allem auf Aufträge res-pektive auf Anfragen bestimmter Musiker, so dass Be-setzung, Länge und Kontext eines Stückes meist schongegeben sind. Die Musik selber erfindet sich dann indiesem Rahmen, wobei für mich meist aussermusikali-sche Bezüge, Inhalte und Texte eine Rolle spielen. 2011,zum Beispiel, haben mich die Bläsersolisten Aargau ge-beten, ein grösseres Ensemblestück zu schreiben: fi-nanzierbar für die geplante Tournee der Musiker warenmaximal sieben Blasinstrumente, und dem Stück habeich die Kurzgeschichte ‹Gran Partita› des Aargauer Au-tors Andreas Neeser zugrunde gelegt. Die Geschichtehandelt von Natur und Mythen der Bretagne. Und dasmusikalische Material selber habe ich dann wiederumdirekt aus der Struktur der Geschichte, aber auch mitBezügen zu Stein, Meer und Vögeln entwickelt.

Wie stellen Sie die Bezüge zu diesen Elementen wie Stein,Meer und Vögel her?

Schneider: Bei den Vögeln sind es Imitationen derMöwenschreie in der Bretagne, beim Granit hingegeneine Granitskala, das heisst, eine Auswahl von Tönen,die ich aus den Eigenschaften von Bestandteilen wieQuarz und Glimmer ableite – so dass die entsprechen-den Passagen im Stück (ohne dass dies den Hörern be-wusst sein muss) quasi einen spezifischen Bezug erhal-ten. Dies ist natürlich noch keine Musik – sondern nurdas Grundmaterial, um damit zu komponieren!

Sie sind auf der Welt viel herumgekommen, glauben Sie,dieses Wandern ist für die eigene künstlerische Entwick-lung wichtig?

Schneider: Die Auseinandersetzung mit anderen Kul-turen und Regionen empfinde ich für mich persönlichals äusserst bereichernd, trotz Verwurzelung im Aargau

und im Bewusstsein, dass wir alle hier in der Schweizextrem privilegiert leben, was uns diese Auseinander-setzung ja überhaupt erst ermöglicht. Ein Auslandjahrmit meiner Familie in Sydney vor 15 Jahren war in die-ser Hinsicht extrem beeindruckend. Die direkte Ausei-nandersetzung und Erfahrung finde ich wichtig – ge-rade heute, wo alles jederzeit abrufbar und verfügbarscheint.

Was genau hat Sie nach Boswil verschlagen? Gerade fürSie, als ‹Mann von Welt›, scheint das Künstlerhaus dochziemlich abgelegen zu sein.

Schneider: Ich empfinde mich keineswegs als ‹Mannvon Welt›, das tönt doch etwas abgehoben! Im Gegenteil– ich habe mich seit meiner Kantizeit extrem stark fürverschiedenste Aargauer Kultur eingesetzt, gerade dasmusikalische Erbe des Kantons liegt mir wirklich amHerzen. Und abgelegen ist das Künstlerhaus nur schein-bar und nur geographisch – aber sonst kommt die Welteben gerade nach Boswil! Die Verbindung von ländli-cher Idylle mit fantastischer Musik macht die StärkeBoswils als einer der neun Aargauer Kulturleuchttürmeaus. Und die Begegnung mit Musikern aus dreissig Na-tionen gehört immer von neuem zu den Highlights inmeinem Job! – Insofern hat es mich nicht nach Boswil‹verschlagen›, sondern Boswil ist ein Glücksfall undeine logische Fortsetzung meiner früheren Tätigkeiten:Ich war unter anderem während je fünf Jahren Projekt-leiter am Stapferhaus Lenzburg und Leiter der Öffent-lichkeitsarbeit am grössten Schweizer Völkerkundemu-seum, des Museums der Kulturen Basel.

Sie liessen schon mal ein Quartett mit vier Helikopter überdem Künstlerhaus kreisen oder organisierten den Weltre-kord des grössten Kuhglockenorchesters (640 Stück) – istdas manchmal nicht ein bisschen zu viel für das doch sehrländliche Boswil?

Schneider: Manchmal wünschen wir uns zwar etwasmehr urbanes Publikum. Doch der Standort auf demLandort hat seine besonderen Qualitäten der Ruhe undKonzentration. Und ein bisschen von der Tradition des‹Think Tanks›, welches das Künstlerhaus früher aus-zeichnete, vom Innovationsgeist, soll auch heute immerwieder aufscheinen. Gerade weil wir klein und flexibel

sage&schreibe // Nr.19 // 5.2014 1918

sind, ist dieser kreative Spirit möglich und sind solcheProjekte – dank Erfahrung, genügend Power und auchetwas Glück – realisierbar.

Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen dem Komponie-ren und dem Leiten des Künstlerhauses?

Schneider: Es geht sicherlich in beiden Fällen darum,komplexe Prozesse für mich optimal zu organisieren,und zwar so, dass in beiden Fällen ein Resultat heraus-schaut, welches das Umfeld bereichert und – so hoffeich – glücklich macht.

Würden Sie den gleichen Weg nochmals einschlagen oderwürden Sie grundsätzlich etwas anderes machen?

Schneider: Die Frage stelle ich mir eigentlich nicht– ich durfte bisher einen tollen Weg gehen, der michsehr erfüllt hat.

Aus Ihrer Sicht, welche Anforderungen muss eine Kantons-schule erfüllen? Wo sehen Sie Verbesserungspotential?

Schneider: Während der Kanti gab es natürlich im-mer wieder den Frust darüber, was alles gebüffelt wer-den musste. Und fast alles davon ist heute schon langewieder vergessen … Dennoch glaube ich, dass diesesWissen und diese Erfahrung quasi unbewusst da ist alsfruchtbarer Boden, auf dem man selber wachsen kann.Diesen breiten Horizont mit auf den Weg zu geben –dies scheint mir früher wie heute die Hauptaufgabe ei-ner Kantonsschule.

Aus Ihrer Sicht, welche Anforderungen muss eine Kantons-schule erfüllen? Wo sehen Sie Verbesserungspotential?

Schneider: Während der Kanti gab es natürlich im-mer wieder den Frust darüber, was alles gebüffelt wer-den musste. Und fast alles davon ist heute schon langewieder vergessen … Dennoch glaube ich, dass diesesWissen und diese Erfahrung quasi unbewusst da ist alsfruchtbarer Boden, auf dem man selber wachsen kann.Diesen breiten Horizont mit auf den Weg zu geben –dies scheint mir früher wie heute die Hauptaufgabe ei-ner Kantonsschule.

Wenn wir einen Blick in die Zukunft werfen, was kommtals nächstes – das Zürcher Opernhaus?

Schneider: In Tübingen las ich vor kurzen an einerHauswand den Spruch: ‹Ein Hamsterrad sieht von innenaus wie eine Karriereleiter.› Das Opernhaus wäre des-halb garantiert keine Option! Das Künstlerhaus Boswilist hektisch genug, gleichzeitig anspruchsvoll und be-friedigend, gilt es doch, mit dem Bauern von nebenanwie mit dem Weltstar klar zu kommen und sich umMusikprojekte, Finanzen, Liegenschaften mit Hotelbe-trieb und ein zwölfköpfiges Team zu kümmern … Diesist auch weiterhin meine Perspektive!

Das Gespräch führte Florian Sommer, G3I

‹ Das Freifach Latein hat mir in anderen Sprachen, wie zum Beispiel Französisch oder Spanisch, geholfen. Ausserdem bringt es mir bei, wie man sich am besten viele Wörter in den Kopf quetscht.›

Vanessa Bibic, G3M

BIOGRAFIE

Michael Schneider, geboren 1964 in Göttingen, lebt heute inAarau. Wichtige kompositorische Anregungen während des Gym-nasiums durch János Tamás; Klavier-, Cembalo- und Ensemble-unterricht. Nach der Matur an der Alten Kantonsschule AarauStudium der Musikwissenschaft, Neuen Geschichte und Kunstge-schichte an der Universität Zürich (1985 bis 1993); parallel dazuKompositionsstudium am Konservatorium für Musik und TheaterBern bei Dimitri Terzakis. 1991 und 1993 Meisterkurse für Kom-position bei Edison Denissow an den Internationalen Musikfest-wochen Luzern. Mitglied der Komponistengruppe ‹GroupeLacroix› mit gemeinsamen Projekten in Moskau, Dublin und Leip-zig. Kompositionsaufträge unter anderem der Schweizer Kultur-stiftung Pro Helvetia, des Mitteldeutschen Rundfunks, desVokalensembles Musica Vocalis Rara, der Bläsersolisten Aargauund des Baritons Kurt Widmer. 2005 Uraufführung der Kammer-oper ‹A Dictionary of Maladies›.

Vielfältige Tätigkeit im Bereich der Kulturvermittlung,zunächst als Musikkritiker und Kulturjournalist; 1993 bis 1998 Pro-jektleiter im Stapferhaus Lenzburg, 1999 bis 2001 VerlagsleiterPan Musikverlag Zürich, 2001 bis 2006 Leitung Abteilung Öffent-lichkeitsarbeit Museum der Kulturen Basel. Seit September 2006ist Michael Schneider Geschäftsführer des Künstlerhauses Bos-wil.

Brigitte Graf–Herde

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[Fotos: Florian Sommer]

Abbildung auf der Panoramaseite › Luminogramm vonAleksandra Lazic, 2014

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KOLUMNE

Ständiger BegleiterKugelschreiber, diese praktischen kleinenDinger. Man muss sie weder spitzen, wiees bei einem Bleistift andauernd nötig ist,noch muss man die Patronen die ganzeZeit wechseln, wie bei einer Füllfeder. Inden Läden sind sie meistens fast gratis,und sonst gibt es immer noch zahlreicheGeschäfte, Organisationen und Hochschu-len, die gerne Kugelschreiber als Werbe-geschenk an uns Bedürftige verteilen. Michzum Beispiel begleitet momentan ein Stiftdurch den Schulalltag, den ich an einemBesuchstag an der Universität Bern be-kommen habe. Diese Kugelschreiber habenjedoch auch ihre Tücken und Nachteile, üb-licherweise sind sie schon nach zwei, dreiWochen kaputt oder funktionieren nur nochschlecht. Ich versuche dann immer hoff-nungsvoll, auf ein Arbeitsblatt, in dieAgenda oder sonst wo hinzukritzeln, mitErleichterung stelle ich dann fest, dass tat-sächlich dunkelblaue Farbe auf dem weis-sen Blatt zu sehen ist, nur um dann einigeMinuten später die Hoffnung ganz aufge-ben zu müssen. Zudem verschwinden Ku-gelschreiber plötzlich ganz rätselhaft undohne jede Spur. Nachdem ich mein Etui,meine Schultasche und das ganze Schul-zimmer mindestens drei Mal durchsuchthabe, gebe ich die Hoffnung auf. MeinenKugelschreiber sehe ich erst ein paar Wo-chen später in der Hand meines Banknach-barn wieder, der dann natürlich felsenfestbehauptet, es sei seiner. Tja, vielleichtsteige ich doch wieder auf Bleistift oderFüllfeder um.

Jonas Bucher, G3I

sage&schreibe // Nr.19 // 5.2014 2322

lles begann in einem Schul-zimmer an der Alten Kantons-

schule in Aarau: Die sechs Schüle-rinnen Noemi Kretschmer, KathrinFurrer, Selina Hauri, Nergis Sazpi-nar, Laura Merz und Jasmin Inei-chen beschliessen, ein Miniunter-nehmen zu gründen. Nach einigemBrainstorming einigten sie sich aufden Verkauf von Seidenarmbän-dern. Der Name ist schnell gefun-den: Da der Schmuck edel ist, sollder Name französisch sein. Die Bän-der, waren sie überzeugt, würdeneine Frau noch schöner machen. Da-raus ergibt sich Belle Elle.

Die Armbänder kommen gut an,und mittlerweile darf sich das Mi-niunternehmen auch als ‹Regional-sieger Nordschweiz› bezeichnen(das erste Miniunternehmen der Al-ten Kantonsschule Aarau, das die-sen Titel verliehen bekommen hat).Mit diesem Erfolg hatten die sechsnoch nicht gerechnet, als sie am An-fang standen und dabei waren, dasUnternehmen aufzubauen. Nichtzuletzt dank der guten Chemie zwi-schen den Schülerinnen und demausgeklügeltem Produkt ist dieserErfolg zustande gekommen. DieArmbänder sind aus hochwertigerSeide gefertigt und können auch alsHalskette getragen werden – und

dies zu einem fairen Preis. In denWorten der Schülerinnen: ‹Die Bän-der sind auf ihre Weise einzigartig.›Unterstützt werden die sechs Unter-nehmerinnen sowohl von der Fami-lie und Freunden als auch vonYoung Enterprise Switzerland (YES),den Lehrpersonen und Partizipan-ten, welche eine ähnliche Funktionwie Aktieninhaber einnehmen.Steuern muss das Miniunterneh-men nicht an den Staat zahlen,dazu wäre auch der Profit zu klein,stattdessen wird ein festgesetzterBetrag an YES bezahlt. Somit stehtdas Unternehmen in einem ge-schützten Rahmen.

Um die Seidenarmbänder her-zustellen, setzen sich die sechs Da-men immer wieder zusammen undfertigen die Produkte in Handarbeitan. Dabei hat jede ihren Arbeits-schritt, den sie perfektioniert hat.Durch die individuelle Anfertigungkann ein Armband auch aufWunsch angepasst werden. DieSchülerinnen stecken viel Herzblutin ihre Armbänder. Das ist einer derGründe, welchen die sechs für ihrenErfolg sehen. Ihre Begeisterung istdeutlich spürbar, wenn die Unter-nehmerinnen von Belle Elle spre-chen. Der Erfolg, den sie mit BelleElle erfahren dürfen, kostet aber

auch seinen Preis: ‹Freizeit ist einFremdwort geworden. Man musssehr viel Zeit in dieses Projekt in-vestieren. Es steckt sehr viel Arbeitdahinter, viele Wochenenden gehendrauf.› Dies macht sich vor allembemerkbar, wenn sie ihr Produktan Messen vertreten. Doch sie en-gagieren sich gern. Die positiven As-pekte überwiegen die negativen ein-deutig. ‹Es ist ein Jahr, in dem wirviel erreichen können mit dem Mi-niunternehmen. Es ist eine einma-lige Chance›, sagen sie übereinstim-mend. Die Freude der Kunden amProdukt ist jedes Mal ein neuerli-cher Motivationsschub.

Die Frage, wie es in Zukunft wei-tergehen wird, stellt sich in letzterZeit immer öfter, da die Wettbe-werbsphase im Sommer ausläuft.Derzeit überlegen sich die sechs, obsie das Unternehmen weiterführenwollen, denn ‹es wäre schön, weiterzu machen.›

Von Vanessa Baumann und Jehona Ramadani, G3I

Weitere Infos: www.belle-elle.ch

Es wäre schön, weiter zu machenBelle Elle – Ein Miniunternehmen auf Erfolgskurs

Das (UN-)DING

A

[ Foto: zvg]

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Vor knapp 120 Jahren ermächtigteder Grosse Rat auf Druck des Aar-gauischen Handels- und Industrie-vereins die Regierung, eine Handels-abteilung an der damals einzigenKantonsschule in Aarau zu errichten‹für gut qualifizierte Anwärter fürgehobene Stellungen im Handels-und Verkehrswesen›. Dafür solltendie Lehrer den Schülern nicht nurdie nötigen fachlichen, sondernauch ein ‹gediegenes Allgemeinwis-sen› vermitteln.

Die Handelsschule wurde imFrühling 1896 gegründet. In derüber hundertjährigen Geschichtehat sie sich als eigenständiger Wegzwischen dem Gymnasium und derBerufslehre etabliert, mit allen An-passungen an die veränderten Rah-menbedingungen, als Schule mitdem Anspruch auf eine Ausbildungmit breitem Allgemeinwissen. Fürdie Schüler und die Schülerinnen(die nachträglich dank der besonde-ren Ermächtigung des Grossen Rates1895 auch zur Handelsschule zuge-lassen wurden) ist der schulischeWeg, die Anbindung an die Kantons-schule und die breite Allgemeinbil-dung bei der Wahl des Ausbildungs-weges entscheidend, nach wie vor.Seit fünf Jahren führen wir an derAlten Kantonsschule Aarau eine In-formatikmittelschule, die aufgrunddes exorbitanten ungedeckten Be-darfs an Fachkräften im Bereich In-formatik eingerichtet wurde. Mitdem Lehrabschluss Informatiker(Applikationsentwicklung) und der

Berufsmaturität kaufmännischerRichtung verfügen die Absolventin-nen und Absolventen über einehöchst attraktive Doppelqualifika-tion. Die Breite der Allgemeinbil-dung spielt auch hier wieder einebesondere Rolle.

Mit dem Standort- und Raum-konzept Sekundarstufe II zielt dasDepartement Bildung, Kultur undSport darauf ab, freie Räume in Be-rufsschulen an der Peripherie mitSchülerinnen und Schülern aus denZentren zu füllen. Um der Raum-knappheit an den Kantonsschulenzu begegnen, steht unter anderemdie Verschiebung der WMS und IMSan die Berufsschulen Aarau und Ba-den zur Diskussion. Da diese eben-falls keine freien Plätze haben, wä-ren weitere Rochaden notwendig.Die Schulleitung der Alten Kantons-schule Aarau hat sich wie die Rekto-renkonferenz der Kantonsschulenvehement dafür eingesetzt, dassnicht nur die Frage des Schulraumsbei der Anbindung eines Lehrgangsberücksichtigt werden kann und ausder gesamtheitlichen Betrachtungdie WMS und die IMS an den Kan-tonsschulen verbleiben müssen.

Ich beschränke mich bei der Il-lustration exemplarisch auf die fol-genden beiden Aspekte:

Synergien mit GymnasiumDer schulische Weg der WMS undIMS profiliert sich durch die tradi-tionelle Nähe zum Gymnasium mitden vielfältigen Angeboten. So ha-

ben sich zum Beispiel Schüler derIMS besonders dafür bedankt, dasssie mit dem Unterricht in Japanischund dem Sprachaufenthalt in Japaneinen vertieften Einblick in dieseSprache erhalten konnten.

Vollzeitausbildung als KerngeschäftDie Schülerinnen und Schüler sindwährend der ganzen Woche mit denLehrpersonen im Kontakt, dieSchule ist ihr Lebensmittelpunkt.Klassenkonferenzen, Gespräche mitSchülerinnen und Schülern, Abtei-lungslehrpersonen, Eltern und ex-ternen Fachstellen zur Klärung vonProblemen nehmen zu, gefragt sindGesamtbeurteilung und Zusammen-arbeit.

Die Kantonsschulen verfügenwie die Berufsschulen über spezifi-sche Kompetenzen, mit langer Tra-dition. Die Wirtschafts- und die In-formatikmittelschulen passen zuden Kantonsschulen. Diese Anbin-dung ist fast in der ganzen Schweizder Fall, und das kommt nicht vonungefähr.

Ich freue mich, dass in der kom-menden Vernehmlassung die ganzeBreite der Argumentation Platz fin-den soll. Das stimmt mich zuver-sichtlich.

sage&schreibe // Nr.18 // 12.2013 23

Schuster, bleib bei deinen Leisten!Prorektor Ulrich Salm über die WMS und die IMS

‹ Im Freifach Bildnerisches Gestalten habe ich die Möglichkeit, meine kreativen Fähigkeiten voll auszuleben und meine Ideenfrei umzusetzen, was für mich

ein optimaler Ausgleich zum Schullalltag ist.›

Chantal Mayr, W3A

sage&schreibe // Nr.19 // 5.2014 2524

PS. In Zeiten des erhöhten Kosten-bewusstseins (vgl. Leistungsanalysedes Kantons Aargau) darf auch derAspekt ‹Gesamtheitliche Kostenbe-trachtung› nicht ausser Acht gelas-sen werden. Sollte die WMS/IMS anden Berufsschulen geführt werden,werden sich einige Schüler neu fürdie FMS oder das Gymnasium ent-scheiden, was zu insgesamt höhe-ren Kosten führt.

DIE SCHULLEITUNG HAT DAS WORT

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sage&schreibe // Nr.19 // 5.2014 2726

Im vierten Stock des Einsteingebäudes befindet sicheine Nische der Alten Kantonsschule Aarau, wo sichaufgrund der Konstruktion des Hauses nur 49 Personenaufhalten dürfen. In diesem Raum trifft sich jeden Mon-tagabend für eineinhalbstunden eine bunte Truppe jun-ger, theaterbegeisterter Leute.

Gemeinsam vergehen die Stunden wie im Flug.Durch ein gemütliches Aufwärmen, gefolgt von einigenImprovisationen und spezifischen Übungen wird lang-fristig ein Stück erarbeitet. Insgesamt sind es derzeitzehn Schülerinnen und zwei Schüler, von den über1600 an der AKSA, die im Theater ihr Können präsen-tieren.

‹Im Grunde gefällt mir der ganze Ablauf dieser zweiLektionen. Ich kann einfach einmal mich selbst seinund vom stressigen Schulalltag abschalten›, meint eineSchauspielerin auf die Frage, warum sie hier dabei ist.‹Das Freifach Theater an der AKSA hat eine langjährigeTradition und bietet allen die Möglichkeit, sich kreativzu auszuleben›, erzählt Heinz Schmid, der seit dreissigJahren alle eineinhalb Jahre ein Stück mit den begeis-terten Schülerinnen und Schülern einübt. Heinz Schmidist auch neben der AKSA noch sehr aktiv, er unterstütztweitere Theatergruppen bei ihrer Arbeit und steht auchregelmässig selbst auf der Bühne.

Abgefahren und stillgelegt heisst das diesjährige Stück. Eswurde von zwei Schülerinnen der Gruppe verfasst undwird laufend durch die anderen Beteiligten ergänzt undverändert. Die Geschichte handelt von zwei alten, aus-rangierten Furka-Zugwagons, die von der Sehnsuchtnach Freiheit gepackt werden, und mit Hilfe einiger et-was bizarrer Seelen finden sie einen Weg, diese wiederzu erlangen. Das Stück wird an den ersten beiden Wo-chenenden nach den Sommerferien jeweils um 20 Uhrim Alten Schlachthof von Aarau aufgeführt.

‹Es ist ein sehr zeitaufwendiges Hobby, doch es lohntsich für jeden, der sich selbst und die Theaterwelt etwasgenauer erkunden möchte›, fügte eine Mitwirkendehinzu mit der Hoffnung, nach den Sommerferien wei-tere Talente in der Theatergruppe willkommen zu heis-sen.

Melanie Decher und Anna von Wyl, G3I

Ausrangierte Wagons machen sich selbständigTheaterraum 49 – Ein neues Stück ist im Anrollen!

Dank dem spannenden Job bei der Securitas, geht das Forschen und Lernen viel ringer.

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sage&schreibe // Nr.19 // 5.2014 2928

Freitag, 11 Uhr, Haupteingang BaselSBB. 22 Schülerinnen und Schülerwarten ungeduldig vor dem Bahn-hof. Aufgeregte Gespräche, Lachenund Tatendrang füllen die Luft umsie herum. Doch etwas fehlt. 22Schüler, 22 Koffer, alles da. Alles,ausser den Begleitpersonen. Je mehrZeit verstreicht, desto mehr mischtsich Unruhe unter die Gruppe. Istdies wirklich der Treffpunkt? Sindwir falsch? Kann diese Woche dennschon mit einem Missverständnisstarten?

Eine halbe Stunde später undmit typisch spanischer Verspätungerreichen die Lehrpersonen Basel,und es wird zum Flughafen geeilt.Die Vorfreude wächst mit jeder Mi-nute, die im Duty-free-Dschungelverstreicht, und ehe man sich ver-sieht, hört man schon den Anwei-sungen der Stewardess im Falle ei-ner Notsituation zu.

Gut zwei Stundenspäter lacht uns dieSonne vom spani-schen Himmel an,ihre warmen Strah-len empfangen unsherzlich und sindgleichzeitig Vorbo-ten für die bevor-stehende Woche.

Gute Laune macht sich breit, undauch die dunkeln Gänge der Metrokönnen diese nicht vertreiben. Einegute Viertelstunde später kommtder Moment, der mit Ungeduld her-beigesehnt wurde: Einzug in das Ho-tel in Madrid. Doch schon baldkommt ein erster Dämpfer. Obwohlwir ausdrücklich vorgewarnt wur-den, in Madrid keinen Luxus zu er-warten, haben wir nicht mit Zim-mern gerechnet, in denen sichgenau drei Betten, ein Waschbeckenund eine ein Quadratmeter grosseFläche zum Stehen befinden. Auchdie Toilette ist eher rudimentär undeine Dusche, die einen Meter vomBett entfernt steht, haben zuvorwohl nur die wenigsten gesehen.Trotz dieser Umstände schmälertsich unsere gute Laune nicht, denndie Lage des Hotels macht den Man-gel an Komfort wieder wett.

Kurze Zeit später finden wir uns imGetümmel Madrids wieder, ausge-rüstet mit Kameras, unserem Geldund viel Hunger. Aus dem Staunenherauszukommen, daran ist vorerstnicht zu denken, denn das Leben inSpanien ist so anders, wie es andersnur sein könnte. Nachdem wir demHungergefühl etwas entgegenge-wirkt haben, bleibt uns noch genü-gend Zeit, die nahe gelegenen Lädenunsicher zu machen, was wir auchfleissig tun. Wobei der Begriff Ladeneher untertrieben ist, denn was wirvorfinden, kommt einem Einkaufs-paradies gleich (zumindest aus Frau-ensicht).

Ochsensteaks und Speed-SightseeingNeun Uhr abends, Madrid. DieGruppe befindet sich vor einemkleinen, unscheinbaren Lokal. Ausdem Fenster grinsen uns unter an-derem Schweineköpfe an. Der Ap-petit hat sich wieder verflüchtigt.Unsicherheit macht sich breit. Den-noch treten wir ein, denn Hungerhaben noch immer alle. Langsamfolgen wir dem Kellner, vorbei aneinem Spanferkel und unzähligenGästen, die uns bestaunen, alswürde eine Parade Zirkuselefantenan unserer Stelle durch das Restau-

Nach Madrid ist nur der Himmel schöner!Spanien. Das klingt für viele nach erholsamenFerien am Strand, sich von der Sonne bräunenlassen, umgeben von typisch spanischer Musikund Menschen, die dazu tanzen. Doch in derProjektwoche Madrid und Salamanca durftenwir auch eine Seite Spaniens kennenlernen,die wir unter anderen Umständen nur bedingtwahrgenommen hätten.

Leichen im KellerDunkel und verborgen ruht es im Keller des Aquariums derAlten Kanti. Ein Ort, umwoben von Sagen und Mythen wiekein anderer an dieser Schule. Die Schüler meiden ihn, zu-cken zusammen beim blossen Anblick der Treppe, die di-rekt in die Kammer des Schreckens führt. Das Unheil trägteinen Namen: Unisex WC.

Richtig, das Piktogramm auf der Kammertür zeigt einenMann UND eine Frau. Ein Versuch der Schule, Schülerinnenund Schüler zu emanzipieren? Leider sorgte diese Vorkeh-rung in der Vergangenheit für einige Verwirrung. Da hilftauch nicht der Balken, der die beiden Figuren voneinandertrennt. Denn hier werden Schranken durchbrochen und dieHüllen im Schutz der Dunkelheit fallen gelassen. Richtiggehört, die Unschuld ist im unheilvollen Unisex WC einFremdwort, stattdessen ist Unzucht an der Tagesordnung,fern von allem Intellekt und Anstand! Die Betroffenen wähn-ten sich lange in Sicherheit und gingen guter Dinge demSchulalltag nach. Doch jedes schmutzige Geheimnis ge-langt früher oder später an die Oberfläche, und sei es nochso tief unter der Erde.

Ein waschechter Skandal, und als wäre einer nicht ge-nug, ereignete sich ein solcher Zwischenfall gleich noch-mals. Beweise liegen keine vor, da sich niemand in diesenAbgrund hinunter wagt. Man will sich ja nichts einfangen!Die Schamesröte der Betroffenen, welchen Ursprungs auchimmer, ist verflogen. Allerdings verjährt ein solches Ereignisnicht so einfach. Die Namen kursieren immer noch, unddie Gerüchteküche wird derart eingeheizt, bis wieder neu-gieriges Gesindel auf Erkundungstour geht und im Dunkelsein verruchtes Unwesen treibt.

Das kratzt natürlich beträchtlich am aalglatten Imageder Alten Kanti. Aber wie man so schön sagt: ‹Jeder hatLeichen im Keller.› Was wäre also die AKSA ohne ihr Uni-Sex WC!

Lyne Schuppisser, G4K

PausengeflüsterKOLUMNE

[ Fotos: Vanessa Baumann]

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KOLUMNE

Elternbrief--------------------------Ein Plädoyer für Face, Whats, Touch und Cloud

Liebe ElternAls Physiklehrer an der Alten Kanti habe ich häufig mit Sensoren, Messge-räten und Daten zu tun. Als Person bin ich – wie Sie – in ein vielfältigesBeziehungsnetz eingebettet; es gibt Eltern, es gibt uns, und es gibt Kinder.Als Beobachter stelle ich fest, dass Kommunikation zunehmend mittelselektronischer Hilfsmittel erfolgt. In gewissen Fällen, beispielsweise beiBehinderungen, leuchtet mir das durchaus ein. In andern Fällen frage ichmich aber:

Ist unsere Umwelt so feindlich oder unattraktiv geworden, dass derdirekte, unverfälschte Kontakt mit ihr nicht mehr auszuhalten ist? Lebenwir noch im Hier und Jetzt, oder weist der starre Blick in den Bildschirmbereits ins Anderswo?

In der unverständlichen Physik der Quanten ist eine der möglichenInterpretationen die ‹Viele Welten›-Theorie1: Bei jeder zu treffenden Ent-scheidung teilt sich das Universum so auf, dass jede Möglichkeit in einemder neuen Universen real wird. Ist diese Interpretation vielleicht die rich-tige? Sind die Welten, in denen die display-fixierten digital natives verkeh-ren, lauter Individual-Universen?

Wenn man sich als interessierter Laie oder als Astrophysiker mit derEntwicklung des Universums beschäftigt, dann staunt man über das sub-tile Zusammenspiel aller Teile. Man kann zum Schluss kommen, dass wirTeil eines Experiments sind, von dem wir persönlich weder den Anfangnoch das Ende wirklich kennen. Wir tragen aber vermutlich eine gewisseVerantwortung für die Fortsetzung dieses Experiments.2 Im Laufe der Zeitsind verschiedene Lebensformen aufgetaucht, haben sich angepasst; nichtbenutzte Organe sind oft verkümmert oder ganz abgestorben. Nehmenwir einmal an (das ist eine sehr beliebte Formulierung für einen Natur-wissenschaftler), unsere Augen und Ohren entwickeln sich so weiter, dasssie bloss noch optimale Interfaces zwischen Headset bzw. Google Glass sind:Wie sehen wir dann aus? Hören, sehen, reden wir noch? Oder gibt esKontakt, Kommunikation, Wechselwirkung nur noch via raffinierte, aberseelenlose technische Sensoren, Netzwerke, Datenwolken? Ist das die Zu-kunft?

Meine wird es jedenfalls kaum sein; ich möchte meine Sinne nichtverkümmern lassen. Face ist nicht Facebook, Whats ist nicht WhatsApp,Touch ist nicht Touch Screen, und Cloud ist nicht iCloud. Deshalb nehmeich mir vor:

Ich frage mein Kind, was es macht (‹what's … ?›), ich schaue demKind ins Gesicht («Face … »!), ich umarme mein Kind am Morgen zumAbschied (‹touch … !), und auch die Wolke am Himmel 3 («Cloud») be-trachten wir ohne die modernen und scheinbar so unentbehrlichen gad-gets und apps.

Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit,Martin Jordi

1 Viele Welten-Theorie: Hugh Everett III, 19572 Das Universumsexperiment: Hubert Reeves, in ‹Wunder Universum›3 Bertolt Brecht, ‹Erinnerung an die Marie A.›

sage&schreibe // Nr.19 // 5.2014 3130

rant gehen. Trotz der anfänglichenZimperlichkeit stellt sich schnell he-raus, dass das typisch spanische Es-sen köstlich ist. Besonders beliebtsind Ochsensteaks, die gleich aufdem Tisch selbst angebraten wer-den. Bald schon ist die Luft von de-ren Duft erfüllt, und die Launesteigt ins Unermessliche.

Nach einer mehr oder wenigererholsamen Nacht in Betten, die beider kleinsten Bewegung ein mitt-leiderregendes Klagelied von sichgeben, geht es auf eine Entde-ckungstour durch Madrid. Oder inanderen Worten: Speed-Sightseeing.Innerhalb von einem Tag werdendie wichtigsten Punkte besucht,und es folgen wichtige Inputs. An-schliessend gibt es eine dafür umsoerholsamere Siesta im Parque delRetiro. Wenn man in Madrid dieIdylle sucht, die im Kontrast mitdem Stadtleben steht, gibt es dafürkeinen besseren Ort als diesen Park.Grünflächen, wohin das Augereicht, ein See, den man mit Ruder-booten befahren kann und stilvolleGebäude. Doch während wir späterden Park verlassen, ziehen hinteruns dunkle Wolken auf und tau-chen die Umgebung in eine Szene,die einer Hollywoodversion derApokalypse gleicht.

Nach kurzem Schlaf und einergelungenen Nacht, in der wir freidurch Madrid ziehen durften, ste-hen wir morgens um neun Uhr vorder Theke, um typisch spanischeChurros zu essen. Denn auf uns war-

tet eine zweistündige Busfahrt nachSalamanca. Dem verpassten Schlaftrauern wir nicht nach, immerhinkönnen wir den während der Fahrtnachholen. Als wir das Hostal ver-lassen, gibt es kaum traurige Ge-sichter. Die Aussicht auf Duschenund bequeme Betten für alle zau-bert auch den Morgenmuffeln unteruns ein Lächeln ins Gesicht. Dochbevor wir Salamanca überhaupt er-reichen können, kommt bereits dererste Schock: Schon im Bus werdenwir regelrecht mit Luxus überschüt-tet, von gratis WLAN, das zudemauch noch funktioniert, bis zu Ses-seln, die so bequem sind, dass manin ihnen um Längen besser schlafenkann als in den Betten des Hotels.Unter diesen Umständen vergehtdie Zeit wie im Flug.

Seifenblasen in SalamancaAusgeruht und motiviert treffen wirim Hotel in Salamanca ein. Schonbeim Eingang ist klar, dass unbe-queme Betten nun der Geschichteangehören, und nach einem kurzenTrip zum Plaza Mayor werden beimBezug der Zimmer allfällige Zweifeldaran definitiv beseitigt. Doch aus-ruhen können wir uns nicht lange,denn bald schon ist es an der Zeit,wieder aufzubrechen und Sala-manca unsicher zu machen. EineSchnitzeljagd mit Fotowettbewerbsteht an.

Der Rest der Woche verbringenwir mit unterschiedlichsten Aktivi-täten, unter anderen Besichtigun-

gen von Klöstern, der Universitätund Kathedralen; viel Essen, Sonneund Spass. Dabei lernen wir nocheiniges über Spanien und erfahrenam eigenen Leib, wie sehr das Landnoch von der Wirtschaftskrise be-troffen ist. Denn wohin man geht,überall stehen Menschen, die aufdie unterschiedlichste Weise ihrGeld verdienen wollen. Von Verklei-deten, die Bilder mit Touristen ma-chen, über Menschen, die giganti-sche Seifenblasen produzieren, bishin zu Bettlern, die herzzerreissendum eine kleine Unterstützung bit-ten, findet sich alles, sowohl in Ma-drid als auch in Salamanca.

Donnerstag, zwei Uhr nachmit-tags, Flughafen Madrid. Die Stim-mung ist im Eimer. Nach einer vielzu kurzen, dafür umso gelungene-ren Abschlussnacht will keinerwirklich nach Hause gehen. Viel zuschön war es, am spanischen Lebenteilzunehmen und das Wetter zu ge-niessen. Unzählige Eindrücke war-teten an jeder Ecke, neue Freund-schaften wurden geschlossen unddie Sonne hat uns gut getan. DerGedanke daran, die Gruppe zu ver-lassen und wieder zurück in den All-tag zu müssen, bereitet hier nie-mandem grosse Freude. Doch wiesagt man so schön? – Man soll dannaufhören, wenn es am Schönstenist.

Jehona Ramadani und Vanessa Baumann, G3I

laSpeziaristorante & pizzeriabahnhofstrasse 88 in aarau

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sage&schreibe // Nr.19 // 5.2014 3332

Seit letztem Sommer besuchen die Karatekas MayaSchärer (*1998) und Sarah Keller (*1997) die erste Klasseder Sportkanti hier an unserer Schule. Beide sind Mit-glieder des Karateclubs Brugg und sind zudem im Kaderder U18-Nationalmannschaft. Sowohl Maya als auch Sa-rah tragen den Schwarzen Gürtel (1. Dan).

Maya und Sarah kamen über ihre Familien zum Ka-rate. Maya begann im Alter von sechs Jahren. Ihre Mut-ter wollte, dass sie mit einer Sportart beginnt. Alsoschlug sie ihrer Tochter mehrere Sportarten vor. Dochschon der erste Vorschlag ‹schlug› ein, und Maya beganndaraufhin mit dem Karate. Sarah ihrerseits eiferte ihremvier Jahre älteren Bruder nach und begann mit Karate,als sie sieben war. Maya konnte ihre ganze Familie fürdas Karate begeistern, Sarah ist jedoch mittlerweile dieEinzige in ihrer Familie, die den Sport noch ausübt.

Mittlerweile gehören sie zur Schweizer Elite ihrerAlters- und Gewichtsklasse und nehmen regelmässigan internationalen Turnieren, Europameisterschaftenund sogar Weltmeisterschaften teil. Dies ist nur dankintensivem Training möglich. Maya und Sarah trainie-ren jede Woche 15 Stunden, auf sechs Tage verteilt.Dazu kommen zahlreiche Wettkämpfe, für welche sieoft weit reisen müssen. Die Turniere dauern meistenszwei Tage, bei Europa- und Weltmeisterschaften bleibendie Karatekas sogar bis zu einer Woche weg. Diese Fo-kussierung auf den Sport, sagen beide übereinstim-mend, ist nur dank der Unterstützung der Alten Kan-tonsschule Aarau möglich. Denn dank der Sportkantihaben sie nur 25 Lektionen pro Woche (im Vergleichdazu haben andere Erstklässler 32 Lektionen). Zudemsind die Lehrpersonen und die Schulleitung relativ ku-lant bei Absenzen oder kurzfristigen Urlauben für Wett-kämpfe oder Trainingslager.

Da man vom Karate in der Schweiz nicht lebenkann, wollen beide neben dem Sport ein Studium, mitnoch unbekannter Richtung, abschliessen. Selbst Welt-

meister in Karate müssen noch einem anderen Broter-werb nachgehen. Momentan wird zwar ein Teil der Kos-ten, die für Maya und Sarah anfallen, von Club undVerband getragen, doch ein grosser Teil muss privat fi-nanziert werden. Karate bringt beiden sehr viele schöne Momente. Mayabeispielsweise nennt ihren fünften Platz an den Welt-meisterschaften im vergangenen Jahr als ihr bisherigesKarriere-Highlight. Währenddessen Sarah ihren erstenPlatz bei den Swiss Open als Höhepunkt nennt. Um aneinem internationalen Turnier in einer solchen Manierzu brillieren, benötigt es in der Vorbereitung viel Ge-duld, Disziplin und Ehrgeiz. Über diese Charakterei-genschaften verfügen beide, wie die Schreibenden aufTrainingsbesuch auf eindrückliche Weise festgestellthaben.

Die Klassenkameradinnen beschreiben sich selbstals sehr ehrgeizige Personen. Sie schonen einander auchim Training nicht, geschweige denn in einem Wett-kampf. Sie bezeichnen den Konkurrenzkampf unterei-nander als gesunde Rivalität. Streit hatten die beidenwegen des Sports noch nie. Auch abseits des Sports sindsie gute Freundinnen.

Maya und Sarah wollen Karate noch möglichst langebetreiben, solange der Körper mitmacht. Danach wollenbeide dem Sport in irgendeiner Funktion erhalten blei-ben. Für die Zukunft haben beide grosse Ambitionen:Maya will sich an den nächsten Weltmeisterschaftenin der Rangierung verbessern, Sarah will eine Europa-oder Weltmeisterschaft bestreiten. Darüber hinaus hof-fen sie, einmal für die Schweiz an olympischen Spielenteilzunehmen. Noch ist Karate keine olympische Dis-ziplin, was sich jedoch in näherer Zukunft ändernkönnte. Andere Kampfsportarten wie Judo oder Tae-kwondo sind seit Jahrzehnten schon olympisch.

Jonas Plüss, Jonas Bucher und Lukas Heuscher, G3I

Olympische Spiele als TraumMaya Schärer und Sarah Keller tragen beide den Schwarzen Gürtel im Karate

Sarah Keller (links) und Maya Schärer (rechts) machen sich zum Training bereit.

[ Foto: Andreas Wiemeyer ]

Mit zwanzig Jahren steht die Gymnasiastin Ani Woll-stein am Ende ihrer Zeit an der Alten KantonsschuleAarau, wo sie nun bereits mehrere Jahre am Spitzen-förderungsprogramm Musik teilnimmt. In dieses Pro-gramm schaffen es nur die besten jungen Musiker desAargaus.

Anis Talent ist das Klavierspiel, das sie mit siebenJahren begonnen hat. Der Anstoss kam von ihrer Mut-ter, die schon früh Anis Begabung erkannt hat und för-derte. Bald kamen erste kleinere Wettbewerbe und Auf-tritte, welche mit der Zeit immer wichtiger und grösserwurden. Der erste Platz beim ‹Aargauer Musikwettbe-werb 2012› macht Ani besonders stolz.

Bevor Ani Wollstein vor drei Jahren den Jazz fürsich entdeckte, spielte sie vor allem klassische Werke.Heute ist sie Mitglied des ‹Jazz Orchestra Kanti Aarau›unter der Leitung von Fritz Renold, einem renommier-ten Schweizer Jazz-Musiker. Darüber hinaus nimmt siean grossen Veranstaltungen wie dem ‹Jazzaar Festival›in Aarau teil.

Intensives VorbereitenSich zugleich auf die Maturaprüfungen vorzubereitenund weiterhin auf hohem Niveau Klavier zu spielen,verlangt der Schülerin sehr viel Zeit ab. Mehrere Stun-den am Tag zu üben ist ein Muss. Die Balance zu haltenzwischen Schule, Klavierspiel und Freizeit schafft siedennoch. Sie nimmt sich Zeit sowohl fürs Handball alsauch für ihre Freunde.

Besonders Auftritte, des Öfteren auch vor grossemPublikum, sind stets eine Herausforderung, denn dasLampenfieber packt auch sie vor jeder Aufführung.Trotz mehrerer Jahre Erfahrung hat sie noch keine Me-

thode gefunden, sich vorher komplett zu beruhigen.Besonders kalte Hände, kurz bevor man auftritt, könnenals Pianistin lästig sein. Ist ein Auftritt dann aber vorü-ber und dem Publikum gefiel, was sie gespielt hat,macht der Applaus alles wieder gut.

Highlight CD-AufnahmeNeue Klavierstücke einzuüben, benötigt viel Vorberei-tung, die teilweise über Monate hinweg dauern kann.Anstrengung und Ausdauer lohnen sich allerdings. Aniwirkte innerhalb des Spitzenförderungsprogrammesund des Jazzaar Festivals auch schon bei CD- und DVD-Aufnahmen mit. Das – wie auch die Zusammenarbeitmit professionellen und angesehenen Musikern – mo-tiviert sie, ihre Leidenschaft in der Freizeit weiterhinauszuüben.

Das Klavierspielen als Bestandteil ihres zukünftigenLebens zu erhalten, ist Anis Ziel nach dem Kantons-schulabschluss. Ihre Passion mit einem Beruf zu ver-einbaren das Ideal. Das Klavierspiel ist für Ani Wollsteinlaut eigener Aussage auch nicht bloss ein Hobby; fürsie ist und bleibt es eine Leidenschaft.

Von Dominik Dürst und Besnik Mehmeti, G3I

Üben, auftreten, Applaus geniessenAni Wollstein und ihr Talent als Pianistin [ Foto: Dominik Dürst]

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sage&schreibe // Nr.19 // 5.2014 3534

Unterricht braucht Zeit, und Zeit ist bekanntlich Geld.In besonderem Masse gilt dies für den Instrumentalun-terricht, da die Musik für ihren blossen Vollzug leiderschon arg viel Zeit beansprucht. Erschwerend kommthinzu, dass es zum teuren Einzelunterricht keine ver-nünftige Alternative gibt – und dies nicht allein ausGründen der Lärmbelastung.

Diese Feststellungen sind natürlich keineswegs neu.In Sparzeiten müssen der Einsicht allerdings Taten fol-gen. Konsequenterweise haben einige Politiker bereitsvor bald zwanzig Jahren den Instrumentalunterrichtan den Aargauer Mittelschulen als beinahe unbegrenz-tes Sparpotenzial entdeckt. Sage und schreibe sechsMassnahmen mit erheblicher Sparwirkung wurden seit1995 allein in diesem Fachbereich umgesetzt. Die drei-malige Reduktion der Lehrerlöhne lassen wir einmalbeiseite – der Unterricht wurde dadurch ja nichtschlechter, wie man heute weiss. Dabei konnte es abernicht sein Bewenden haben. Weil Zeit Geld ist, drängtesich ein anderer Ansatz geradezu auf: Effizienzsteige-rung durch Reduktion der Unterrichtszeit.

Nachdem bis in die 1990er-Jahre hinein immerhinein Fünftel aller musizierenden KantischülerInnen dasAnrecht auf eine ganze Lektion Unterricht hatten, wur-den im Jahr 1995 alle SchülerInnen ohne Grundlagen-fach Musik konsequent auf eine Halblektion gesetzt.22.5 Minuten wöchentlich müssen seither auch für dieFortgeschrittensten unter ihnen ausreichen – sollen siedoch etwas schneller spielen! Einsparung: über dasganze Freifach hinweg immerhin 17% der Unterrichts-zeit. Im Jahr 2004 wurde der gleichen Klientel sodanndas letzte Schuljahr weggestrichen. Mit dieser zusätzli-chen Reduktion der Unterrichtszeit um 25% am Gym-nasium und um 33% an der WMS und FMS konnte dieSparquote schon deutlich verbessert werden. Wesent-lich überzeugender wurde der Ansatz dann acht Jahrespäter an der Kantonalen Schule für Berufsbildung um-gesetzt: Indem die Unterrichtsdauer für diese Schüle-rinnen und Schüler auf null reduziert wurde, erreichteder Sparerfolg die Traumquote von 100%.

Im Freifach an unseren Kantonsschulen wird alsoseit 2004 grundsätzlich in wöchentlichen Minilektionenvon 22.5 Minuten gearbeitet. Nun kommt bei einer fort-geschrittenen Schülerin schnell einmal eine reine Spiel-dauer von 15 Minuten zusammen, bis sie dem Lehrernur schon vorgespielt hat, was sie vergangene Wochegeübt hat. Dann beginnt die Arbeit: die Korrekturen,

die Einführung oder Konsolidierung neuer Techniken,das Ausprobieren musikalischer Ideen – bis Minute 22.5.Wer als Lehrperson nicht zaubern kann, möge sich bittemit taktweisen Stichproben begnügen oder – für alledie angenehmste Lösung – mit dem Vorgespielten zu-frieden sein.

Eine regierungsrätliche Leistungsanalyse hat nunergeben, dass dieser Freifachunterricht eigentlich kos-tenpflichtig sein sollte. Geplante Einsparung: 1.7 Mio.Franken, davon weit mehr als die Hälfte aufgrund er-warteter Unterrichtsabbrüche von jährlich rund 90Schülerinnen und Schülern. Vielleicht trägt die Kosten-beteiligung so zu einer Verwesentlichung des Unter-richts bei, wie den Lehrpersonen bei der Ankündigungin Aussicht gestellt wurde. Mit Finanzpolitik allein istdem Problem der ungenügenden Lektionsdauer abernicht vollständig beizukommen; mit herkömmlicherDidaktik leider ebenso wenig. Da ist nun echte Innova-tion gefragt.

Während die Lehrpersonen der wissenschaftlichenFächer im Fall eines zeitlichen Engpasses auf den be-währten Nürnberger Trichter zurückgreifen können,muss für die Kunstfächer nach einem etwas sensiblerendidaktischen Werkzeug gesucht werden. Eintrichterngeht hier nicht – der Schüler soll ja spielen, nicht dieLehrerin.

Gefragt ist vielmehr Inspiration – und damit kom-men wir begrifflich auf den rechten Weg: In-Spiration,Einhauchung lautet die adäquate didaktische Antwortauf die Herausforderungen der Gegenwart.

Nun kann man die Einhauchung natürlich nichtguten Gewissens den Lehrerinnen und Lehrern über-lassen. Wem aber sonst? Sie halten die Lösung in derHand, liebe Leserin, lieber Leser, der Kuss der Muse istdie didaktische Antwort auf die Aargauer Minilektionim Instrumentalunterricht, er ist der musikpädagogi-sche Königsweg des finanzbewussten 21. Jahrhunderts.Eine echte win-win-Situation: Die Inspiration kommtfortan direkt aus erster Hand, und die Lehrpersonenkönnen von ihrer Unterrichtsverpflichtung entlastetwerden und sich volkswirtschaftlich produktiveren Tä-tigkeiten zuwenden.

Bei näherer Betrachtung sollte man die Musen al-lerdings bitten, sich mit der Inspiration etwas zurück-zuhalten. Wenn unsere Politiker feststellen, dass da zuviel Luft drin ist, geht das Sparen womöglich vonNeuem los.

BRENNPUNKT

Stefan Läderach, Violinlehrer, Orchesterleiter und IAM-Präsident

Inspiration auf Sparflamme

Chemielehrererin

Elvira AmmannWer im 5. Stock des Glashauses den Lift verlässt undsich auf die linke Seite des Ganges begibt, findet sichbald schon in einer Art Institution wieder: Ein Labor,in welchem Schülerinnen und Schüler die unterschied-lichsten Versuche am Laufen haben, wo gepröbelt undstudiert wird, wo neue Fragen Aha Erlebnisse jagenoder umgekehrt, wo es blubbert und raucht, wo ge-messen und analysiert wird.

Und mittendrin in diesem Gewusel das Herz desBetriebes: Elvira Ammann! Diese Lehrerin lebt die Che-mie, dessen werden sich die Schülerinnen und Schülerimmer wieder aufs Neue bewusst. Mit ihrem grenzen-losen Fachwissen, einem beinahe unerschöpflichenFundus an Experimentideen, gesammelt an den zahl-reichen Veranstaltungen im In- und Ausland, die sieimmer wieder besuchte. Mit viel Herzblut vermag siebei ihren Schützlingen das Interesse am Fach zu we-cken und deren Verständnis für die Chemie zu schärfen.

Elvira Ammann ist vor fast einem Vierteljahrhun-dert, nämlich 1991, an die Alte Kanti gekommen – al-lerdings vorerst als Lehrbeauftragte für Biologie. Späterübernahm sie dann Lektionen im Fach Chemie undnahm damit Einsitz in einer damals noch von Männern

dominierten Fachschaft. Schliesslich siedelte sie dannganz von der Biologie zur Chemie über, war dann ab1997 Hauptlehrerin für Chemie und übernahm baldschon die Leitung der Fachschaft, welcher sie bis 2009vorstand.

Nun – Elvira Ammann wird sich bald aus ihremLehrerinnendasein zurückziehen. Wer sie kennt, kannsich allerdings kaum vorstellen, dass sie sich zur Ruhesetzen wird, haben wir sie doch als an Kulturellemsehr interessierte und als reiselustige Kollegin kennen-gelernt. Bestimmt wird sich ihre Agenda für die Zeitnach der Pensionierung im Nu mit viel Interessantemfüllen, und dies mögen wir ihr von Herzen gönnen.Umso mehr stellt sich für uns natürlich die Frage: Werwird von jetzt an fächerübergreifend Englischliteraturmit der Chemie verschmelzen? Wer wird für die Kri-minalistik- Projektwoche mit derartiger Inbrunst einenTatort nachstellen? Wer wird mit so viel Engagementdie Kandidaten der Chemieolympiade trainieren undso viele von ihnen zwei Runden weiter oder gar in denFinal bringen? Elvira Ammann wird eine Lücke hinter-lassen!

[Markus Suter, Chemielehrer]

[ Foto: Carla Meier]

VERABSCHIEDUNGEN

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sage&schreibe // Nr.19 // 5.2014 3736

Klavierlehrerin

Christine Sigg 1977, eine Fahrt im Wiener Walzer, dem Nachtzug vonZürich nach Wien, mit wildfremden Leuten im preis-günstigen Sechser-Couchette-Abteil. Es ist heiss, dieWolldecken genau so schmutzig wie letztes Mal. AmMorgen der Blick in ein freundliches, frisches, intelli-gentes Gesicht. Das war meine erste Begegnung mitChristine Sigg. Drei Jahre später kam sie ebenfalls andie Alte Kanti, als Klavierlehrerin. Sie ist in Aarau auf-gewachsen, machte an der Alten Kanti die Matura TypusB. Darauf folgte die Ausbildung zur Pianistin in Win-terthur und an der Hochschule für Musik in Wien.Auch ein Flötendiplom hat Christine Sigg gemacht,und noch vieles mehr, was sie in ihrer bescheidenenArt nicht an die grosse Glocke gehängt haben will. Jah-relang hiess es etwa am Donnerstag: ‹Ich muss eilen,gehe heute noch ins Englisch.› Begeistert erzählte dieengagierte Klavierlehrerin jeweils vom ‹Klavier-Club›;Aargauer Pianisten, die sich regelmässig treffen undinspirieren. Im Moment lässt Christine Sigg sich zurOrganistin ausbilden. Mehrmals fuhr sie während derSommerferien nach Afrika, wo sie mitten im BuschKlavier unterrichtete unter einfachsten Bedingungen.Es stehen da lediglich Plastikklaviere (Keyboards) zurVerfügung, und das Essen ist einfach; die schlanke Mu-sikerin kam jeweils noch schlanker zurück.

Im Laufe unserer gemeinsamen Zeit an der Kanti durfteich mehrmals mit Christine Sigg konzertieren im Rah-men von Aula-Konzerten, was mir eine Riesenfreudewar. Das ehrgeizigste Projekt darunter war für michim Jahr 1999 der Liederzyklus ‹Letztes› von Ernst Wid-mer. Die Proben mit Christine Sigg sind effizient, er-giebig, unaufgeregt. Ihre Blattspielkünste legendär. Dasist natürlich auch anderen Leuten schon aufgefallen:Sie ist eine gefragte Korrepetitorin. Vielen Ehemaligender Alten Kanti hat sie mittels wunderbarer Klavierbe-gleitung den Weg geebnet für eine erfolgreiche Auf-nahmeprüfung an eine Musikhochschule. Den Studie-renden begegnet Christine Sigg mit Respekt, ist ihneneine kompetente, freundliche Lehrerin mit klarer Linie.In der Fachschaft Musik war Christine Sigg jederzeitpräsent, stand für alle Arten Aufgaben selbstverständ-lich zur Verfügung. Das Auftrittswesen, also Musizier-stunden und musikalische Umrahmungen von Anläs-sen, standen unter ihrer sorgfältigen Obhut.

[Sabine Kaipainen, Lehrerin für Sologesang]

[ Foto: Katharina Gros]

Englisch- und Russischlehrer

Walter Maurer‹Sobald man in einer Sache Meister geworden ist, sollman in einer neuen Schüler werden.› Dieses Zitat, dasGerhart Hauptmann zugeschrieben wird, passt hervor-ragend zu Walter Maurers Leidenschaft für Sprachen.Nebst Englisch hat Walter Maurer auch Russisch un-terrichtet und lernt nebenbei Ungarisch, hat sich in-tensiv mit Finnisch beschäftigt und spricht Polnisch.Wie alle Sprachen, die Walter in den Mund nimmt,spricht er auch Italienisch so fliessend, dass ich alsMuttersprachler dabei oft vergesse, dass wir eigentlichEnglischkollegen sind.

Als Sprachvirtuose kann Walter nebst den Stan-dardsprachen auch Dialekte täuschend echt nachma-chen. Beispiele für seine Sprachakrobatik sind seineÜbersetzungen von Franz Hohlers phantasieberndeut-schem ‹Ds Totemügerli› ins Russische und Polnischeund seine berühmten Kreuzworträtsel, die er neunJahre lang für die NZZ geschrieben hat. Wissen Sie dieAntwort zu ‹Des einen Hund ist des andern Stecken?›

Wen wundert es, wenn mit einem derart ausge-prägten Sprachgehöhr an Walter Maurer ein Berufs-musiker verloren gegangen ist. In jungen Jahren hatteer sich mit dem Gedanken getragen, Musiklehrer zu

werden. Er hat Klavier gespielt, aber Probleme mit demEllbogen haben seiner professionellen Musikkarriereein frühes Ende gesetzt. Trotzdem ist er der Musik treugeblieben. Das Klavier hat er gegen die Posaune ge-tauscht und einige Jahre in der Big Band unseres Kolle-gen Fritz Renold und dem Bläserensemble von AndréWey gespielt. Übrigens, Gitarre spielt er auch, obwohler behauptet, er klimpere nur vor sich hin.

Bekanntlich gründen stille Wasser tief, und so er-staunt an dieser Stelle nicht einmal mehr die Tatsache,dass der ruhige Walter Maurer sich im privaten Umfeldund im Freundeskreis als Stand-up Comedian versucht.Wer am Herbstfest teilgenommen hat, hat schon einpaar Kostproben aus seinem Repertoire erhalten.

Ich habe viel mit Walter gelacht und werde seinenWortwitz und seinen verschmitzten Charme vermissen. Von wegen Ruhestand. Leidenschaft beschäftigt: ‹A rol-ling stone gathers no moss.› ALLES GUTE, Walter!

[Armando Colombo, Englischlehrer]

[ Foto: Nicolas Tschudi]

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sage&schreibe // Nr.19 // 5.2014 3938

Biologielehrer

Michael StorzMit Michael Storz geht eine Lehrperson in Pension, wel-che die Fachschaft Biologie wie auch die Alte Kantons-schule nachhaltig geprägt hat. Während über zwanzigJahren hat Michael an der Alten Kanti Biologie, Schwer-punkt- und Ergänzungsfach sowie Projektunterricht er-teilt und zahlreiche Matura-Arbeiten betreut.

Michael Storz ist 1991 nach seiner Tätigkeit beimdamaligen Baudepartement des Kantons Aargau an dieAKSA gekommen. Die Beziehungen zu seinen früherenArbeitskollegen und zu den Amtsstellen des Kantonssind für die Fachschaft Biologie bis heute von unschätz-barem Wert. Verschiedentlich konnten Projekte, wiezum Beispiel Auen-Renaturierungen, mit den Schüle-rinnen und Schülern von der Planung bis zur konkretenRealisierung umgesetzt werden.

Michael ist in der Ökologie zuhause. Seine Begeis-terung für die praktische Biologie draussen in der Naturhat seinen Unterricht geprägt und auch den Unterrichtvon uns Kolleginnen und Kollegen beeinflusst. SeineErfahrungen als Feldforscher – seien es die Forschungs-tätigkeiten in den Regenwäldern Ruandas während sei-ner Studienzeit, seien es die ornithologischen Daten-aufnahmen in der Schweiz – und seine Begeisterungfür den aktiven Naturschutz haben dazu beigetragen,dass er viele Schülergenerationen für die Feldbiologiemotivieren und seine Kolleginnen und Kollegen dies-bezüglich viel Wertvolles lehren konnte.

Für die Aargauische Mittelschule hat er sich als Vor-standsmitglied des AMV unermüdlich für die Stärkung

der Naturwissenschaften eingesetzt und ist für die In-teressen der Lehrpersonen eingetreten. An der AKSAhat er ebendiese Anliegen auch als Mitglied des schul-internen Konferenzausschusses vertreten. Schliesslichgilt es Michael Sorz‘ vorausschauende Art und seinenPioniergeist zu würdigen: Früh hat er erkannt, dass esin der Industrie und der Forschung an fähigen Wissen-schaftlern und Ingenieuren fehlt, und dass grundsätz-lich die naturwissenschaftlich-technischen Disziplinen(die sogenannten MINT-Fächer) in den Bildungsbiogra-fien der Studierenden zu kurz kommen. Es war seineIdee, die bewährten mathematisch-naturwissenschaft-lichen Stärken der AKSA zu nutzen und weiter auszu-bauen. Bei der Schulleitung stiess er auf offene Ohren,und so stand der Realisierung des NAWIMAT-Lehrgangs,an dessen Entwicklung er massgeblich mitgearbeitethat, nichts mehr im Weg. Das erfolgreiche NAWIMAT-Profil der AKSA hat landesweit Vorbildwirkung und hatbei der Realisierung von so manchen MINT-Lehrgängenan verschiedenen Schulen in diversen Kantonen Pategestanden.

Als Vorstandsmitglied von Birdlife Aargau wird Mi-chael sein Wissen weiterhin aktiv in den Dienst desNaturschutzes stellen. Wir wünschen dir, lieber Mi-chael, viel Freude bei all deinen Tätigkeiten! Du wirstimmer ein gern gesehener Gast an unserer Schule undin der Abteilung Biologie sein!

[Stephan Girod, Biologielehrer]

Sparen in der Bildung?Nein, danke!› www.a-m-v.ch

VERABSCHIEDUNGEN[ Foto: Katharina Gros]

[ Foto: Andreas Wiemeyer]

Lehrerin für Sologesang

Sabine KaipainenSabine Kaipainen stammt aus dem Freiamt, wo sie aufdem grössten Gutshof des Kantons, dem Sentenhof,aufgewachsen ist. Bereits während des Seminars inAarau besuchte sie verschiedene Meisterkurse fürBlockflöte. Nach Abschluss des Studiums an der Mu-sikhochschule Wien kam sie 1977 als Lehrerin fürBlock- und Traversflöte an die AKSA. Als das Fach Solo-gesang eingeführt wurde – anfänglich nur als Freifach– und die Anzahl der Blockflötenschüler stetig sank,hat sie sich entschieden, ein Gesangsstudium in Angriffzu nehmen, das sie 1997 mit dem Diplom abschloss.So unterrichtet sie seit 1998 das Fach Sologesang. IhrUnterricht umfasst nicht nur die Arbeit am Musikstück,sondern ist eine eigentliche Lebensschule. Der persön-liche Kontakt und Austausch mit den Studierenden istihr sehr wichtig. Seit 2003 leitet sie das Vokalensemble,mit dem sie an unzähligen schulischen und externenVeranstaltungen aufgetreten ist. Höhepunkte im Jah-resprogramm sind jeweils die Aufführungen beim Ad-ventskonzert und am Maienzugvorabend im KUK. Dasganze Lehrerkollegium hat Sabine als virtuose Verfas-serin der Protokolle der Gesamtkonferenzen kennen-gelernt.

Seit mehr als 34 Jahren sind wir Kolleginnen in derFachschaft Instrumentalmusik. Wir haben öfter zusam-men musiziert, sei es bei den Aulakonzerten oder an

anderen Veranstaltungen in und um Aarau. Ich erin-nere mich gerne an die immer intensiven, aber kurz-weiligen Proben, zum Beispiel mit dem Zyklus ‹Letztes›von Ernst Widmer, den Zigeunerliedern von Brahmsoder denen von Dvořák.

Neben dem Unterrichten hat Sabine immer Zeit ge-funden für ihr grosses Hobby, das Entwerfen und Nähenvon Kleidern. Mit grossem Vergnügen fährt sie jeweilsnach Paris, um Stoffe einzukaufen. Sie gestaltet nichtnur ihre persönliche Garderobe, sie hat auch für Auf-führungen des Kantitheaters grossartige Kostüme ent-worfen und selber genäht. Als Spezialistin für Alte Mu-sik tritt sie zusammen mit ihrem Mann Tuomas anFestivals im In- und Ausland auf. Auch organisiert sieeine erfolgreiche eigene Konzertreihe an ihrem Wohn-ort Thun. Der Entscheid, die Schule frühzeitig zu ver-lassen, ist ihr nicht leicht gefallen. Aber auch ohne dasUnterrichten wird ihr Leben von der Leidenschaft fürdie Künste weiterhin erfüllt sein, vielleicht auch vonetwas mehr Zeit und Musse für ihre drei Kinder unddie drei Enkelkinder.

[Christine Sigg, Klavierlehrerin]

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MEISTERHAFT!

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Die Alte Kanti feiert Erfolge auf nationalenSportbühnenSchweizer Meister der Mittelschulen im Volleyball Schülerinnen!Schweizer Meister der Mittelschulen im Volleyball Schüler!Sieger im interkantonalen Schooldance Award!

Denn es zahlt sich aus, dass der Sport an der AKSA einenhohen Stellenwert hat – im Sportunterricht, im freiwilli-gen Schulsport und in Projektwochen. Wir also über eineFachschaft Sport verfügen, die über das Pflichtprogrammhinaus engagiert und mit Leidenschaft und Akribie imund neben dem Unterricht arbeitet. Privileg und Freudein einem: Im Sportgymnasium der Alten Kanti werdenregionale und nationale Sporttalente gefördert, die ihrKönnen auch im Namen der Schule einsetzen. Kontinuitätzahlt sich aus, und ein bisschen stolz darauf sind wirauch: Wir gratulieren allen Schülerinnen und Schülernherzlich zum Erfolg!

Schooldance Team: Benedicto Aquino, Fabiola Cappiello, Aysel Coskun, Anouk Eichenberger, Fabian Fischer, Nadine Fricker,Janik Hasler, Bettina Hänny, Merima Kestic, Nicola Lazzeri, Carla Meier, Daria Meier, Rahel Merkhofer, Katharina Nägeli, David Raso, Eva Roeren, Lorena Roth, Fabienne Wehrli, Leona Wetzlinger. – Leitung: Geneviève Schüepp.

DAMENh.v.l.: Alina Wick, Raxana Wenger, Laura Künzler, Nadja Weber, Selina Wehrli, Isabella Stadler, Dominik Senn (Coach) v.v.l.: Melina Carellis, Fabienne Geiger (Captain), Marisa Fruci

HERREN

h.v.l.: Ramón Wieser (Coach), Tim Köpfli,

Leon Dervisaj, Lorenz Eichhorn (Captain),

Louis Leuthard, Peer Harksen, Yves Roth,

Irian Mika, Erik Harksen v.v.l.: Julian Fischer

(Libero), Julian Moser, Roger Haldimann

Austauschjahr / Semester USA, Kanada, Australien, Neuseeland, England, Italien, Frankreich, Spanien, Argentinien, Südafrika, Belgien

„Lerne eine neue Kultur kennen, verbessere Deine Fremd-sprachenkenntnisse und pro!tiere von ausgezeichneten Sport- und Musikangeboten an Deiner Gastschule.“

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Kevin studiert an der Hochschule für Wirtschaft FHNW. Erfahre mehr über sein praxisbezogenes Studium.

www.fhnw.ch/zusammenbilden