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Von der Erkenntnis und dem ewigen Leben – die Macht der BäumePredigt zu Gen 2-3 und dem BAUM IM RAUM von Victorine Müller 28.4.2010

Gen 2 8 Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. 9 Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. 10 Und es ging aus von Eden ein Strom, den Garten zu bewässern, und teilte sich von da in vier Hauptarme. 11 Der erste heißt Pischon, der fließt um das ganze Land Hawila und dort findet man Gold; 13 Der zweite Strom heißt Gihon, (das ist der Nil) der fließt um das ganze Land Kusch. (das ist Ägypten) 14 Der dritte Strom heißt Tigris, der fließt östlich von Assyrien. Der vierte Strom ist der Euphrat. 15 Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte. 16 Und Gott der HERR gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, 17 aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben. 18 Und Gott der HERR sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei. 9 Und Gott der HERR machte aus Erde alle die Tiere auf dem Felde und alle die Vögel unter dem Himmel und brachte sie zu dem Menschen, dass er sähe, wie er sie nennte; denn wie der Mensch jedes Tier nennen würde, so sollte es heißen. 20 Und der Mensch gab einem jeden Vieh und Vogel unter dem Himmel und Tier auf dem Felde seinen Namen; aber für den Menschen ward keine Gehilfin gefunden, die um ihn wäre. 21 Da ließ Gott der HERR einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen, und er schlief ein. Und er nahm eine seiner Rippen und schloss die Stelle mit Fleisch. 22 Und Gott der HERR baute eine Frau aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm. 23 Da sprach der Mensch: Das ist doch Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch; man wird sie Männin nennen, weil sie vom Manne genommen ist. 24 Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter erlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden sein ein Fleisch. 25 Und sie waren beide nackt, der Mensch und seine Frau, und schämten sich nicht.

3 1 Aber die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott der HERR gemacht hatte, und sprach zu der Frau: Ja, sollte Gott gesagt haben: Ihr sollt nicht essen von allen Bäumen im Garten? 2 Da sprach die Frau zu der

Schlange: Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten; 3 aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: Esset nicht davon, rühret sie auch nicht an, dass ihr nicht sterbet! 4 Da sprach die Schlange zur Frau: Ihr werdet keineswegs des Todes sterben, 5 sondern Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. 6 Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon und er aß. 7 Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze. 8 Und sie hörten Gott den HERRN, wie er im Garten ging, als der Tag kühl geworden war. Und Adam versteckte sich mit seiner Frau vor dem Angesicht Gottes des HERRN unter den Bäumen im Garten. 9 Und Gott der HERR rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du? 10 Und er sprach: Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt, darum versteckte ich mich. 11 Und er sprach: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du nicht gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot, du solltest nicht davon essen? 12 Da sprach Adam: Die Frau, die du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum und ich aß. 13 Da sprach Gott der HERR zur Frau: Warum hast du das getan? Die Frau sprach: Die Schlange betrog mich, sodass ich aß. 14 Da sprach Gott der HERR zu der Schlange: Weil du das getan hast, seist du verflucht, verstoßen aus allem Vieh und allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauche sollst du kriechen und Erde fressen dein Leben lang. 15 Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und der Frau und zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen; der soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen. 16 Und zur Frau sprach er: Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder gebären. Und dein Verlangen soll nach deinem Mann sein, aber er soll dein Herr sein. 17 Und zum Mann sprach er: Weil du gehorcht hast der Stimme deiner Frau und gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen –, verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. 8 Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen. 19 Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden. 20 Und Adam nannte seine Frau Eva; denn sie wurde die Mutter aller, die da leben.

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21 Und Gott der HERR machte Adam und seiner Frau Röcke von Fellen und zog sie ihnen an. 22 Und Gott der HERR sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist. Nun aber, dass er nur nicht ausstrecke seine Hand und breche auch von dem Baum des Lebens und esse und lebe ewiglich! 23 Da wies ihn Gott der HERR aus dem Garten Eden, dass er die Erde bebaute, von der er genommen war. 24 Und er trieb den Menschen hinaus und ließ lagern vor dem Garten Eden die Cherubim mit dem flammenden, blitzenden Schwert, zu bewachen den Weg zu dem Baum des Lebens.

Ihr Lieben, ein schönes Wortspiel gelingt, wenn frau oder man in den hebräischen Urtext der Bibel schaut, um noch mal zu nachzulesen, wer da nun tatsächlich Adam und Eva sind: Die Bezeichnungen für Mann und Frau sind im Hebräischen an dieser Stelle ISCH für den Mann oder auch den Menschen, und ISCHA für die Frau oder die Menschin. Luther übersetzte das mit Mann und Männin, um dem Wortspiel besser zu entsprechen. Würde man das ganze nun auf kurpfälzisch wiedergeben wäre der Mann einfach ein „Isch“ also ein „Ich“, und die Frau eine „Isch ah“ – also eine „Ich auch“.

Und so sieht die Frau doch aus, die von Victorine Müller schwebend vor den Baum des Lebens in die Mitte unserer Kirche gemalt und gehängt ist. Eine die einfach nur so da ist – „hier stehe ich, ich kann auch anders“, würde sie sagen könnte sie sprechen. Ich bin auch da - isch ah. Und ist auch damit schon wieder ein Gegenüber zu dem männlichen Luther der eben nicht anders konnte als zu stehen wo er stand. Aber Eva kann anders. Anders ist auch dieses Paradies, als das später beschriebene, das in der Bibel jedoch an erste Stelle gerutscht ist mit gutem Grund - Da nämlich wurden Mann und Frau zugleich von Gott geschaffen: „Schuf sie als Mann und Frau nach seinem Angesicht“, als wenn eben im Angesicht Gottes beides oder noch mehr zu finden sei. Hier nun in diesem jetzt zweiten Schöpfungsbericht muss Gott lange üben, bis ihm die Frau gelingt. Übt ja schon bei Adam, er versucht es mit vielen Tieren, aber keines passt als Gegenüber zu Adam, so konnte die Frauenbewegung in den 60ern erklären: „als Gott den Mann erschuf übte sie nur…“

Victorine Müller ist aber gar nicht so despektierlich, sie sucht nur die Ergänzung, das Gegenüber. Und da geht es um beides: um Baum und Kreuz und um Mann und Frau, um das Holz des Kreuzes, totes Holz, gerade Linien, das sie dennoch als Symbol der Auferstehung

versteht und dem nun dieser Baum entgegentritt, oder vielmehr entgegenschwebt.

Gestern haben unsere Konfirmandinnen und Konfirmanden einen Tag mit dem Kunstwerk und dem Kirchenraum zugebracht. Eine hat genau das entdeckt, dieses Gegenüber von Baum und Kreuz und hat beides zusammengemalt. In ihrer Darstellung schiebt der Baum sich so halb vor das Kreuz, dass im Kreuz auf einmal Wurzeln ausgeschnitten sind. Die luftige Transparenz schafft sich Raum. Und das Kreuz wird von diesem stark und transparent umhüllten Nichts ein wenig verdeckt. Der Baum des Lebens schiebt sich vor das Holz des Todes, die geschwungenen weichen Linien zeichnen sich in das starre Gerade ein. Ein Gegenüber das verändert. Das Kreuz bleibt nicht unberührt vom Baum, es wird selbst lebendiger und durch den Baum hindurch ist das Kreuz immer zu sehen. Baum und Kreuz sind in einer Spannung zueinander oder in einem Gespräch miteinander. Je nachdem wo ich gerade stehe habe ich einen im Rücken und einen vor mir oder eben den Baum vor dem Kreuz. Soviel Tod ist oft in unseren Kirchen und der Blick auf das Kreuz ist nicht immer der Blick auf die Auferstehung. Kein Bild, kein Symbol das hier nur oder zuerst von der Auferstehung spräche, von dem neuen Leben. Viel Leid und viel Tod, viel Kreuz und viel Sterben ist hier. Wie gut dass der Baum so deutlich auf das Leben schaut. Auch wenn die Zeit der Passion den Blick auf das Kreuz wendet, schaun’ wir ja doch selbst an Karfreitag mit dem Wissen um die Auferstehung auf das Holz des Todes. Und das Kreuz gelingt eben nur dann zum Symbol der Auferstehung, wenn dieses dürre Holz auch ein Baum der Erkenntnis ist. Im übrigen ist unser Kreuz hier vorne auch noch hohl. Da ist also Luft drin wie in dem transparenten Baum…

Eva isst vom Baum der Erkenntnis. Sie kann auch anders, kann paradiesische Zustände genießen, ist dann aber doch stärker interessiert an allen möglichen Erkenntnissen, Neugier macht sie aus. Wie gut, dass die Frau, die Victorine Müller vor ihrem Baum schweben lässt genauso wenig ein Gesicht hat, wie der Christus hier vorne. Denn so wie sich an die Stelle seines Antlitzes immer wieder neu die Gesichter so vieler Leidender schieben, so lässt diese Frau Gelegenheit viele Frauen da zu sehen. Alte und Junge, traurige und fröhliche, kindliche und schwangere und alte, starke und zarte, neugierige und ängstliche. Ein jeder und eine jede sieht sie von vorn und von hinten immer wieder anders, immer wieder neu. Die Künstlerin selbst war überrascht, was im Licht der Scheinwerfer nun auf einmal alles zu entdecken ist Gesichter im Bauch der Frau, ein Gesicht im

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Schrei oder das gesenkte Haupt einer Madonna. Ein Gegenüber ist diese Frau auch zu den Jungs und Männern hier im Altarraum. Leicht verschoben und verzerrt stellt sie sich, wie tanzend hier vorne hinter die Kanzel. Vielleicht schmiegt sie sich auch vorsichtig ein. Aber sie steht da. Isch ah. Lichtes Bild neben Kreuz und Christustorso und den frechen Konfirmanden auf dem kleinen Bild. Eine Frau, sie steht einfach daneben und tritt so auch unter das Kreuz. Die Eva aus dem Alten Testament, die vom Baum der Erkenntnis isst und sich mit der Schlange einlässt wird zur Maria, erhobenes Haupt und doch im Schmerz gekrümmter Leib? Die Mutter des Gekreuzigten. Ineinander verwinden und verbinden sich die Bilder von Tod und Leben, von Baum und Kreuz, von Männern und Frauen. Die Rollen sind nicht mehr eindeutig. Die Helden sind geflohen. Nur die Frauen bleiben dabei, sind treu und der eine der Lieblingsjünger, Johannes.

In Rom gibt es ein Bild in dem das, was wir hier sehen in diesem Gegenüber, das sich durch Licht und Schatten so ineinander hinein verspricht, ineinander hineinverwoben dargestellt ist. In dem Apsismosaik von San Clemente wenige Schritte vom Colosseum entfernt ist in der Mitte ein Kreuz mit einem Gekreuzigten zu sehen. Aber ihn umgeben ins Kreuz hineingezeichnet Seelentauben, nur dieses einzige Mal gibt es das in der Kunstgeschichte. Das Kreuz steht auf dem Hügel des Paradieses. Zu Füßen dieses Paradieshügels brechen die vier Paradiesströme hervor und das Kreuz ist ganz umrankt von wild wuchernden Ästen. In den Ästen leben Tiere und Menschen, Mönche, Nonnen, Handwerker, Frauen und Männer. Da wird Wein gekeltert und Brot gebacken Und vieles vieles mehr, ein wahrer Lebensbaum. Neben dem Stamm des Kreuzes stehen Maria die Mutter und Johannes der Freund, der liebste. Direkt unter dem Stamm des Kreuzes, aus dem all das Leben hervorbricht ist ein Hirsch auf dem Hügel des Paradieses, Symbol für Christus und das neue Leben. Er zertritt die Schlange. Er setzt den Todesmächten ein Ende. Denn allein das Wissen um Gut und Böse reicht nicht, solange der Tod seine Macht behält. In Christus nun sind die Erkenntnis von Gut und Böse und die Überwindung des Todes eins geworden. In seinem Sohn richtet Gott also ein neues Bild des Mannes auf. Der in Adam noch so lächerlich die Schuld von sich wies, nimmt die Schuld auf sich, leidet und stirbt um der Liebe willen. Gibt sich hin und gewinnt das neue Leben für Männer und für Frauen.

Eva und Maria stehen voreinander, Adam und Jesus, der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis verbinden sich im Kreuz. Von oben her reicht eine Hand aus den Wolken:

Gottes Hand, sie reicht eine Krone nach unten, die Krone derer die überwinden, so heißen sie in der Offenbarung des Johannes, die werden das ewige Leben haben. Da heißt es im letzten Kapitel (Offb 22):

Und er zeigte mir einen Strom lebendigen Wassers, klar wie Kristall, der ausgeht von dem Thron Gottes und des Lammes mitten auf dem Platz und auf beiden Seiten des Stromes Bäume des Lebens, die tragen zwölfmal Früchte, jeden Monat bringen sie ihre Frucht und die Blätter der Bäume dienen zur Heilung der Völker. Und es wird nichts Verfluchtes mehr sein. Und der Thron Gottes und des Lammes wird in der Stadt sein und seine Knechte werden ihm dienen und sein Angesicht sehen und sein Name wird an ihren Stirnen sein und es wird keine Nacht mehr sein und sie bedürfen keiner Leuchte und nicht des Lichts der Sonne, denn Gott der Herr wird sie erleuchten und sie werden regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und dann: Selig sind die ihre Kleider waschen, dass sie teilhaben an dem Baum des Lebens. Ich Jesus habe meinen Engel gesandt euch dies zu bezeugen für die Gemeinden. Ich bin die Wurzel und der helle Morgenstern.

Amen

Ilka Sobottke