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Von der regionalen zur funktionalen BörseVon der regionalen Von der regionalen Von der regionalen zur funktionalen Börse zur funktionalen Börse

450 Jahre Hamburger Börse

Börse Hamburg

Kleine Johannisstraße 420457 Hamburg

Tel.: 040 | 36 13 02 - 0Fax: 040 | 36 13 02 - 23

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Von der regionalen zur funktionalen Börse

450 Jahre Hamburger Börse

Inhaltsverzeichnis

I Einleitung 7

II Geschichte der Hamburger Börse 9

Teil A: Entwicklungsprägende Wirtschaftsbereiche für Hamburg und Norddeutschland 13

1 Standortattraktivität, demografische Entwicklung und Wohnimmobilien 13

1.1 Hamburg: Ein attraktiver Standort mit Potenzialen 13

1.2 Bevölkerungsprognosen 18

1.3 Demografische Veränderungen und Wohnimmobilien 21

1.4 Ausblick 24

2 Verkehr, Infrastruktur und Logistik 25

2.1 Entwicklung der Weltwirtschaft und des Warenhandels 25

2.2 Seehandel und Hafenwirtschaft 27

2.3 Hafenstandort Hamburg 28

2.4 Modal Split und Hinterlandanbindung 30

2.5 Herausforderungen für den Logistiksektor in Norddeutschland 31

3 Potenziale der erneuerbaren Energien: Stromerzeugung, Beschäftigung und Investitionen 34

3.1 Zunehmende Bedeutung erneuerbarer Energien für die Stromversorgung 34

3.2 Windenergie 35

3.3 Biomasse 41

3.4 Fotovoltaik 44

3.5 Entwicklungsaussichten für erneuerbare Energien in Norddeutschland 47

4 Wachstumsmarkt Gesundheitswirtschaft 48

4.1 Globale Wachstumsperspektiven der Gesundheitswirtschaft 48

4.2 Der Gesundheitsstandort Norddeutschland 52

4.3 Chancen und Perspektiven für Hamburg und Norddeutschland 62

Teil B: Börsen AG Hamburg-Hannover: Zukunft hat bei uns Tradition 63

1 Überblick 63

2 Vom amtlichen Kursmakler zur Wertpapierhandelsbank 68

2.1 Der traditionelle Parketthandel 69

2.2 Die Einführung von elektronischen Informations- und Handelsystemen 70

2.3. Die Bildung von Kursmaklergesellschaften 71

3 Zweitmarkt.de – Handel mit geschlossenen Fonds an der Fondsbörse Deutschland 73

3.1 Der Markt für geschlossene Fonds im Wandel 73

3.2 Unterschiedliche Zweitmarktvarianten 75

3.3 Zweitmarkt.de unter dem Dach der Börsen AG Hamburg-Hannover 76

3.4 Wie geht es weiter am Zweitmarkt.de? 79

4 Fondshandel an der Börse Hamburg 79

4.1 Die Entwicklung des Fondhandels an der Börse 79

4.2 Der Weg der Order an die Börse 81

5 CFD-Börse Deutschland 82

5.1 Historie und Funktionsweise von CFDs 83

5.2 Vorteile von CFDs gegenüber anderen Produkten 85

5.3 Die Organisation der CFD-Börse Deutschland 86

6 Policenbörse Deutschland 86

6.1 Der deutsche Zweitmarkt für Kapitallebensversicherungen 86

6.2 Die Organisation der Policenbörse Deutschland 88

6.3 Ausblick 90

7 Bewusster Blick in die Zukunft mit dem Global Challenges Index 91

7.1 Zielsetzung für einen Nachhaltigkeitsindex 91

7.2 Die Ausgestaltung des Nachhaltigkeitsindex 92

7.3 Verbreitung des Nachhaltigkeitsindex 93

8 Beteiligung an WTB und RMX 93

8.1 Die Warenterminbörse Hannover 94

8.2 Der Zusammenschluß der WTB mit der Dekrebo zur RMX 96

9 Investment – Portale 98

9.1 Portal „Maritime Investments“ 99

9.2 Portal „Immobilieninvestments“ 99

9.3 Portal „Nachhaltige Investments“ 100

10 Börsen als Index-Provider 100

Literatur- und Quellenverzeichnis 105

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Hamburger Börse

I Einleitung

Die Hamburger Börse hat in ihrer 450jäh-rigen Geschichte einen intensiven Wandel durchgemacht. Begonnen hat sie ihre Tä-tigkeit im Jahr 1558 als Warenbörse. Spä-ter gewann der Handel mit Wertpapieren an Bedeutung – es entstand die Hanseatische Wertpapierbörse Hamburg. Dabei wurden zunächst Wertpapiere aus der Region für Kunden aus der Region gehandelt.

War der Wertpapierhandel anfänglich auf das Hamburger Gebiet beschränkt, kennt er heutzutage keine Grenzen. Neben der geografischen Ausdehnung des Handels hat sich aber auch die Produktvielfalt er-höht. So betreibt die Hamburger Wertpa-pierbörse – inzwischen über die gemein-same Trägergesellschaft BÖAG Börsen AG eng mit der Börse Hannover verbun-den – neben dem traditionellen Wertpa-pierhandel seit einigen Jahren erfolgreich auch Handelsplätze für Spezialprodukte. Anlässlich des Jubiläums der Börse Ham-burg im Jahr 2008 zeigt die vorliegende Studie diese Entwicklungen am Beispiel der Metropolregion Hamburg auf und ana-lysiert Themenfelder, die Ansatzpunkte für eine weitere Spezialisierung der Börsen Hamburg und Hannover bieten könnten.

Im ersten Teil der Studie werden die möglichen Zukunftsfelder für die Wert-papierbörsen Hamburg und Hannover analysiert. Ein Kriterium für die Auswahl der Themengebiete war deren Bedeu-tung für die nationale und globale wirt-schaftliche Entwicklung. Dabei geht es um realwirtschaftliche Prozesse, die die

Grundlage für neue innovative Finanz- produkte sein könnten. Ein zweites Krite-rium für die Auswahl der Themengebiete war deren Relevanz für die regionale Wirt-schaft im norddeutschen Raum. Im zwei- ten Teil der Studie werden neue und inno-vative Entwicklungen der Börsen AG dar-gestellt.

Als erstes zentrales Themengebiet für die ökonomische Entwicklung Hamburgs und Norddeutschlands wurden anstehende de-mografische Veränderungen identifiziert. Die alternde und schrumpfende Bevölkerung wird zu Änderungen der Nachfrage nach Wohnraum führen. Von dieser Entwicklung werden die Regionen höchst unterschiedlich betroffen sein. So können einige Zentren wie Hamburg weiter wachsen, während andere Regionen schrumpfen. Die Börsen AG hat bereits innovative Produkte entwickelt, mit denen von Seiten der Finanzmärkte die Flexi-bilität der Wohnungsmärkte vergrößert wird. Im Kapitel Zweitmarkt.de wird der Handel mit geschlossenen Immobilienfonds darge-stellt. Eine erhöhte Flexibilität der Altersvor-sorge wird durch den Handel mit Lebensver- sicherungspolicen erreicht.

Mit weiter fortschreitender Globalisierung wird dem Handel und damit dem Bereich Verkehr und Infrastruktur eine zunehmende Bedeutung zukommen. Hamburg profi-tiert von dieser Entwicklung im besonderen Maße. Auch auf diese Entwicklung hat die Börsen AG Hamburg und Hannover zu-nächst mit einem maritimen Investmentpor-tal reagiert.

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Eine der zentralen Zukunftsherausforde- rungen liegt im Wandel zu einer nachhal-tigen Energieversorgung. Erhebliche Inve-stitionen sind für den Übergang zu erneuer-baren Energien notwendig. Damit sind aber auch Beschäftigungspotenziale verbunden, die auch im Norden Deutschlands genutzt werden können. Um die Finanzierung nach-haltiger Investments transparent zu machen hat die Börse Hannover den Global Challen-ges Index entwickelt.

Mit steigender Wohlfahrt erhält Gesundheit eine immer größere Bedeutung. Die Bedeu-tung der Gesundheitswirtschaft wird durch die alternde Bevölkerung zudem verstärkt. Von der Angebotsseite erlauben neue me-dizintechnische und pharmazeutische Pro-dukte eine Verbesserung der Gesundheit. Dabei wird sich zukünftig immer mehr die Frage stellen, wie Innovationen und Inve-stitionen im Gesundheitsbereich finanziert werden. So könnten sich auch hier Anknüp-fungspunkte für die Börsen Hamburg und Hannover ergeben.

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Hamburger Börse

Börsen in ihrer ursprünglichen Form als Kaufmannszusammenkünfte etablierten sich bereits im frühen Mittelalter in Italien, von wo aus diese Form der Kommunikation und der Abwicklung von Geld- und Wech-selgeschäften zunächst im 15. Jahrhundert ins flandrische Brügge, später auch nach Antwerpen weitergetragen wurde. Deutsch-lands erste Börse gab es ab 1540 in dem von den Handelsgeschlechtern der Fugger und Welser dominierten Augsburg. In Ham-burg wurde die Börse von den Flandern-, England- und Schonen-Fahrern gegründet und die hauptsächlich gehandelte Ware war zunächst englisches Tuch. Später wurden dann neben Waren auch Finanz-, Versiche-rungs- und Frachtgeschäfte und, ab dem 19. Jahrhundert, auch Wertpapiergeschäfte abgeschlossen.

Die Hamburger Börse zählt zusammen mit der Augsburger und der Kölner Börse (1553 gegründet) zu den ältesten Börsen Deutsch-lands. Die lange Tradition besteht seit 1558, seitdem sich Kaufleute in Hamburg organi-siert treffen, um Waren und Informationen auszutauschen. Damals wurde ein ge-pflasterter Platz neben der Trostbrücke zur ersten Schaubühne für den Warenhandel, nachdem der Rat der Stadt Hamburg seine Erlaubnis dazu ausgesprochen hatte.

Im Zuge des zunehmenden Kolonialwaren-handels wichen die täglichen, laienhaften Treffen der Professionalität und Organisiert-heit, wodurch schon 25 Jahre nach der ers-ten Zusammenkunft der Kaufmannschaft unter freiem Himmel das erste Börsenge-

bäude fertig gestellt und bezugsfertig wurde, welches im Stile der Renaissance entstand.

Aufgrund des zunehmenden Einflusses der Gewandschneider, welche das Gebäude auch bezahlten, hieß dieses „Lakenhändler-börse“ und der davor liegende Platz „Kauf-mannsbörse“. Um 1570 gründete sich ein Kaufmannsrat – hervorgegangen aus der Organisation „Der gemeine Kaufmann“, die bereits seit dem 14. Jahrhundert in Ham-burg bestand und aus sechs Kaufmanns-Älterleuten zusammengesetzt war, die so-mit praktisch den Vorstand der Hamburger Börse bildeten. Aufgrund der Strukturen des Rates kam es gegen Mitte des 17. Jahr-hunderts zu einer Erstarrung des „Manage-ments“. Eine Folge dieser Entwicklung war die Gründung der Commerzdeputation, die als Vorläufer der Handelskammer als Vertre-tung der Kaufleute fungierte.

Aufgrund der immer weiter zunehmenden Nachfrage nach einem organisierten Han-delsplatz wurde es in der Zeit bis 1767 mehrfach notwendig, die Kapazitäten zu erweitern. Da jedoch der Standort an der Trostbrücke sich bald als nicht mehr ausbau-fähig erwies, beschloss man Anfang des 19. Jahrhunderts einen kompletten Neubau. Die Realisierung zog sich enorm in die Länge, da über Ort, Finanzierung und architektoni-sche Ausgestaltung des neuen Gebäudes keine Einigkeit bestand. Zudem hatte Ham-burg unter den Nachwirkungen der von Na-poleon verhängten Kontinentalsperre gegen England und der französischen Besetzung Hamburgs zu leiden; die Kontinentalsperre

II Geschichte der Hamburger Börse

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unterband jeglichen Handel mit England, einem der wichtigsten Handelspartner, und führte zum Ruin vieler Hamburger Kaufleute. Trotz der endgültigen Niederlage Napoleons im Jahre 1815 und der Aufhebung der Kon-tinentalsperre wirkte die Durchtrennung alter Handelsbeziehungen noch lange nach, und Börse wie wirtschaftliches Geschehen lagen auch nach 1815 für einige Jahre darnieder. Neue Märkte und damit neue Gewinnchan-cen fielen der Hamburger Wirtschaft durch die nach Unabhängigkeit strebenden Staa-ten in Südamerika zu. Nachdem Argentinien 1816, Mexiko und Peru 1821 sowie Brasi-lien 1822 von Spanien respektive Portugal unabhängig wurden, verloren die ehemali-gen Kolonialmächte das Monopol auf den Handel mit Waren aus diesen Ländern. Dies nutzten zahlreiche Hamburger Kauf-leute zum sehr profitablen Aufbau eigener Handelsbeziehungen, und der Südamerika-Handel verlieh der Hamburger Wirtschaft und dem Börsengeschehen enorme Impul-se. Einen Rückschlag brachte eine Spekula-tionskrise um 1825/1826, die eine Folge der sich ausbreitenden fieberhaften Gewinner-wartungen in Bezug auf Investitionsprojek-te in Südamerika war. Die Tatsache, dass südamerikanische Wertpapiere wertmäßig zu hoch gehandelt waren, wurde schließlich offenbar, und im April 1825 kam es zu kol-lapsartigen Erscheinungen an der Londoner Börse, die bald auf Hamburg übergriffen. Allerdings war diese Krise nur temporärer Natur und zeitigte keine nachhaltigen Wir-kungen.

Im Jahr 1841 konnte die bis zu 5.000 Be-sucher fassende Neuerrichtung im spät-klassizistischen Stil – diese war dem ersten Hamburger Stadtbaumeister Carl Ludwig

Wimmel (1786 – 1845) und Franz Gustav Forsmann (1795 – 1878) vorbehalten – dann schlussendlich auf dem Areal des abgebro-chenen Maria-Magdalenen-Klosters voll-endet werden. Gerade einmal fünf Monate danach wurden die Bauten an der Trost-brücke von einem heimtückischen Brand heimgesucht, der nicht nur das alte Börsen-gebäude, sondern auch das Rathaus völlig zerstörte. Durch die riesigen Ausmaße war sogar das neue Börsengebäude bedroht, doch beherzt agierende Bürger konnten ein Übergreifen der Flammen verhindern. So kam es, dass das neue Rathaus seine Hei-mat an der Rückseite des Börsengebäudes am Adolphsplatz bekam. Somit ist selbst die Amtei nur ein Anbau an den Tempel der Kaufleute, was deren Bedeutung nochmals unterstreicht.

Im frühen Börsenhandel kannten sich die Händler untereinander und fanden ihre Han-delspartner auf einem mehr oder weniger in-formellen Weg. Mit zunehmendem Wachs-tum der Börse erhielten jedoch Makler eine immer größere Bedeutung. Sie übernahmen die Vermittlung von Geschäften. Der eige-ne Handel war ihnen untersagt. Ihr obers-tes Gebot war die Verschwiegenheit. Ab 1735 waren die Makler verpflichtet, offizielle Preislisten herauszugeben, die jeden Freitag bekanntgemacht wurden. Parallel zur Ein-führung der Makler wurde eine „Börsenhal-le“ eingerichtet, in der man kommunizieren, Getränke einnehmen und Nachrichten er-halten konnte. Der Handel blieb jedoch der eigentlichen Börse vorbehalten.

In den Folgejahren kam es bis 1884 aufgrund von Kapazitätsengpässen immer wieder zu einer weiteren Hinzunahme von Gebäuden,

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Hamburger Börse

so dass das gesamte Börsengebäude durch die in verschiedenen Bauperioden entstan-denen Trakte einen eklektischen Stil aufwies. Weitere Bau- und Angleichmaßnahmen an das Rathaus sorgten aber dafür, dass der gesamte Börsen-Rathaus-Komplex Anfang des 20. Jahrhunderts mit einem einheitli-chen Erscheinungsbild aufwartete.

Im Inneren wurde die Börse ebenfalls um-strukturiert, statt einer allgemeinen Börse wurden nun für verschiedene Branchen Abteilungen eingerichtet, zum Beispiel die Kaffee- und Zuckerbörse (bis 1956 bzw. 1960) sowie später die bis heute bestehen-de Getreidebörse. Zutritt zu der täglich au-ßer an Sonn- und Feiertagen stattfindenden Börse hatten bis 1920 nur Männer. Im zwei-ten Weltkrieg musste die Börse erhebliche Schäden hinnehmen. Lediglich der östliche Börsensaal konnte damals noch für das tägliche Börsengeschehen genutzt werden. Der Wiederaufbau dauerte von 1949 bis 1957, jedoch bereits 1952 wurde das Bör-sengebäude unter Denkmalschutz gestellt, wodurch die stadtgeschichtliche Bedeut-samkeit nochmals zunehmend in den Fokus gerückt wurde.

Die sogenannte „Kreidezeit“, in welcher die Makler die Preise mit Kreide auf schwar-ze Holztafeln schrieben, wich langsam der Computerisierung. Auch das Jackett- und Krawattengebot wurde gelockert. Mit der Einführung des elektronischen Handels XE-TRA endete dann der Präsenzhandel an der Hamburger Börse.

Im heutigen Zeitalter immer geringer wer-dender Transaktionskosten versucht die Börse Hamburg zusätzlich zu dem traditio-

nellen Geschäft Handelsplätze für spezielle Produkte aufzubauen, um im Schatten von New York, London, Frankfurt und Tokio wett-bewerbsfähig zu bleiben. So wurde im Jahre 1999 eine entscheidende Weiche durch eine strategische Allianz mit der Börse Hannover gestellt. Darüber hinaus wurden verschiede-ne neue Produkte entwickelt, die im zweiten Teil dieser Studie näher vorgestellt werden.

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1 Standortattraktivität, demografische Entwicklung und Wohnimmobilien

1.1 Hamburg: Ein attraktiver Standort mit Potenzialen

Wichtigen Einfluss auf die zukünftige ökono-mische Entwicklung Hamburgs und Nord-deutschlands nimmt die demografische Entwicklung dieser Regionen. Dafür sind ver-schiedene Aspekte ausschlaggebend. Das Bevölkerungswachstum und die Altersstruk-tur der Bevölkerung beeinflussen die Ökono-mie unter anderem über die regionale Nach-frage nach Gütern und Dienstleistungen, die Bedingungen für die Bereitstellung von Infra-struktur (Schulen, kulturelle Einrichtungen, ÖPNV etc.) und die Immobilienmärkte. Weil die Bevölkerungsgröße und ihre Struktur relevant für das qualitative und quantitative Arbeitsan-gebot sind, haben die demografischen Be-dingungen zudem erhebliche Bedeutung für den Arbeitsmarkt, die Deckung des Fachkräf-tebedarfs und damit für die regionalen Pro-duktionsmöglichkeiten. Hierbei ist zu berück-sichtigen, dass die zukünftige Entwicklung von Städten und Regionen unter den Bedin-gungen des fortschreitenden Strukturwandels hin zur Wissenswirtschaft, insbesondere des Dienstleistungssektors, stattfindet. Dies zeigt die Entwicklung der jüngeren Vergangen-heit deutlich: Der Beschäftigungszuwachs in den wissensintensiven Dienstleistungs-bereichen betrug im Zeitraum von 1996 bis 2006 in Deutschland 28 % (vgl. Leßmann et al. 2008).

Insbesondere Städte haben ideale Voraus-setzungen, um von den Wachstumspotenzi-alen des wissensbasierten Strukturwandels zu profitieren: Sie sind Bildungsstandorte und bieten Agglomerationsvorteile, wie bei-spielsweise einen diversifizierten Arbeits-marktpool und eine vielfältige Dienstlei-stungslandschaft. Zentralen Einfluss auf das zukünftige wissensbasierte Wachstum von Städten hat deren Attraktivität als Arbeits-ort für (hoch) qualifizierte Beschäftigte, die benötigt werden, um den Fachkräftebedarf in den expandierenden wissensintensiven Dienstleistungsbereichen und Industrien zu erfüllen. Von zunehmender Bedeutung für die Deckung des zukünftigen Arbeitskräf-tebedarfs in Städten werden deshalb Ar-beitskräfte mit akademischem Abschluss sein. Insgesamt dürften also jene Städte am besten für die Erfüllung des Arbeitskräfte-bedarfs der Zukunft gerüstet sein, die über eine gut ausgebildete Bevölkerung verfü-gen, ein leistungsfähiges Bildungssystem haben und aus ökonomischer Perspektive günstige demografische Voraussetzungen – gegebenenfalls über Zuwanderung - bieten. Hamburg wird deshalb zukünftig eine öko-nomisch wachsende Stadt mit steigenden Bevölkerungszahlen sein, wenn sie ein at-traktiver Wohnort für Familien, ein vielsei-tiger Bildungsstandort und Arbeitsort für (hoch) qualifizierte Arbeitskräfte ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich die Wan-derungsentscheidungen – insbesondere der hoch qualifizierten Arbeitskräfte - zuneh-

Teil A: Entwicklungsprägende Wirtschaftsbereiche für Hamburg und Norddeutschland

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mend an sogenannten weichen Standort-faktoren orientieren, wie der Lebensqualität, der Familienfreundlichkeit und der Attraktivi-tät der Immobilienangebote. Darüber hinaus haben die harten Standortfaktoren, wie bei-spielsweise die internationale Erreichbarkeit, welche aus der Anbindung an überregionale Verkehrsinfrastruktur resultiert, weiterhin Einfluss auf die ökonomische Stadtentwick-lung (vgl. Niebuhr / Stiller 2004). Dies trifft insbesondere auch auf Hamburg zu, das als Hafenstandort und Handelsplatz intensiv in die Weltwirtschaft integriert ist.

Aufgrund regional unterschiedlich ausge-prägter Qualitäten, beispielsweise im Hin- blick auf die Lebensqualität, die Familien-freundlichkeit, die ökonomischen Be-dingungen, das Angebot an attraktiven Arbeitsplätzen und die Qualität des Bil-dungssektors, stellt sich die Standort-attraktivität der deutschen Städte sehr unterschiedlich dar. Gleichzeitig sind die relative Attraktivität einer Stadt und ihre An-ziehungskraft für Menschen entscheidend für ihre demografische und ökonomische Zukunft. Hamburg weist hinsichtlich seiner Standortbedingungen in Teilbereichen be-reits sehr positive Ausprägungen, in anderen Bereichen hingegen Entwicklungspotenziale auf. Die Standortbedingungen in den Be-reichen „Bildung und Innovationsfähigkeit“, „Internationalität“ und „Erreichbarkeit“ sind im HWWI / Berenberg-Städteranking – ge-meinsam mit der Positionierung im Hinblick auf die wirtschaftliche Dynamik und die de-mografischen Trends – bewertet worden (vgl. Bräuninger / Stiller 2008). Insgesamt zählt Hamburg in diesem Städtevergleich zu den Städten mit guten Zukunftsaussichten und belegt gleichauf mit Köln Platz sieben. Den-

noch bestehen im Hinblick auf die Stand-ortbedingungen noch Möglichkeiten zur Verbesserung der Zukunftsaussichten, ins-besondere angesichts des fortschreitenden Strukturwandels hin zu wissensintensiven Wirtschaftsbereichen, für welche hoch qua-lifizierte Arbeitskräfte die Schlüsselressource darstellen. So zeigen sich in Hamburg hin-sichtlich der Standortfaktoren „Bildung“ und „Innovationsfähigkeit“ im Vergleich zu den führenden Städten Defizite. Während bei-spielsweise in München und Stuttgart etwa 19 % sowie in Frankfurt 17 % der Beschäf-tigten einen Fachhoch- oder Hochschulab-schluss haben, sind es in Hamburg etwa 12 % (vgl. Statistisches Bundesamt 2008). Hiermit und mit den Unterschieden in der Wirtschaftsstruktur zwischen Stuttgart und München auf der einen Seite und Hamburg auf der anderen Seite lassen sich auch die Unterschiede hinsichtlich der Innovationser-folge erklären, bei denen die süddeutschen Städte deutlich besser abschneiden.

Dennoch hat Hamburg günstige Vorausset-zungen für die Weiterentwicklung wissens-basierter Wirtschaftbereiche – insbesondere im Dienstleistungsbereich - hinsichtlich de-rer die Freie und Hansestadt bereits Spe-zialisierungsvorteile, unter anderem in den Bereichen Gesundheitswirtschaft, Bildung und Medien aufweist. Im Jahr 2007 waren in Hamburg 37,6 % aller Beschäftigten in der Wissenswirtschaft, 9,2 % in forschungsin-tensiven Industrien (beispielsweise Schiff-, Luft- und Raumfahrzeugbau) und 28,4 % in wissensintensiven Dienstleistungsbe-reichen (beispielsweise Finanzwesen, Versi-cherungsgewerbe, Gesundheitswesen und Softwarebranche) tätig. Damit ist die Spe-zialisierung auf die Wissenswirtschaft in

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Hamburger Börse

Hamburg zwar bereits in etwa so weit fort-geschritten wie in Frankfurt und in Köln, aber nicht so ausgeprägt wie in München und Stuttgart. In puncto Internationalität, beispielsweise gemessen am Anteil von Ausländern an den Studierenden und an der kulturell-ethnischen Vielfalt der Bevölke-rung, liegt Hamburg ebenfalls hinter Frank-furt, München und Stuttgart (vgl. Damelang et al. 2008). Dies trifft ebenso auf die in Rei-sezeiten gemessene „Erreichbarkeit europä-ischer Zentren“ zu. Die Internationalität der Stadtbevölkerung und eine gute internatio-nale Erreichbarkeit sind für die EntwicklungHamburgs von erheblicher Relevanz, weil die Bedeutung des gesamten europäischen Marktes gegenüber den nationalen Märk-ten im Zuge der zunehmenden Internatio- nalisierung von wirtschaftlichen Aktivitäten gestiegen ist (vgl. Niebuhr / Stiller 2004). Besondere Bedeutung wird dabei auch der innerstädtischen Erreichbarkeit von Flug-

häfen beigemessen, die beispielsweise für Unternehmenszentralen ein Standortaspekt von höchster Priorität ist. Die Entwicklung der Infrastruktur – sowohl der überregionalen als auch der innerstädtischen – ist deshalb weiterhin ein wichtiger Politikbereich zur Ver-besserung der Standortbedingungen.

Für die Ansiedlungsentscheidung von Ar-beitskräften und ihren Familien sind neben den ökonomischen Möglichkeiten – der Ver-fügbarkeit von Arbeitsplätzen - die Attrakti-vität einer Stadt als Lebens- und Wohnort relevant. Positiv im Hinblick auf diesen As-pekt ist es zu bewerten, dass Hamburg sich zunehmend als Kultur- sowie Sportstadt etabliert und die Familienfreundlichkeit von Seiten der Politik gefördert wird. Im HWWI-Sportstädte-Ranking belegt Hamburg nach München und Stuttgart Platz drei (vgl. Stein-hardt / Vöpel 2007). Die Entwicklung der Übernachtungszahlen in Hamburg zeigt,

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Abbildung 1: Anteil der Wissenswirtschaft an der Beschäftigung, 2007

Quellen: Berechnungen HWWI auf Basis von Frietsch / Legler (2007) und Bundesagentur für Arbeit (2007)

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dass die Stadt an Attraktivität für Touristen gewinnt. Für diese Entwicklung spielt das kulturelle Angebot Hamburgs eine zuneh-mend wichtige Rolle (vgl. Hamburg Touris-mus Monitor 2008). Nach Frankfurt hatte Hamburg unter den deutschen Großstädten mit 11,5 % den größten Zuwachs an Über-nachtungsgästen zwischen 2005 und 2006 zu verzeichnen (vgl. Statistisches Bundes-amt 2008). Auch bei der Umweltqualität, die ihrerseits Rückwirkungen auf die Lebens-qualität hat, liegt Hamburg im Vergleich der Verschmutzungswerte der sechs größten deutschen Städte im unteren Bereich. So ist Hamburg hinsichtlich der Ozon- und Fein-staubbelastung im Jahr 2007 deutlich unter der maximal zulässigen Anzahl an Grenz-wertüberschreitungen p. a. geblieben (vgl. Umweltbundesamt 2008).

Im Hinblick auf die Attraktivität als Standort für Familien gibt es – gemessen an der Fer-tilitätsrate – Verbesserungspotenziale. Im Großstädtevergleich gehört Hamburg zu den Städten mit vergleichsweise geringen Fertilitätsraten: Während die durchschnitt-liche Fertilitätsrate der Jahre 2003 bis 2005 in Hamburg 1,2 betrug, lag sie beispiels-weise in Frankfurt und München bei 1,3, in Wiesbaden sogar bei 1,4 (vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung 2006). Im Prognos-Familienatlas 2007 (vgl. Prognos 2007) werden für Hamburg in den Hand-lungsfeldern „Vereinbarkeit von Familien und Beruf“, „Wohnsituation und Wohnumfeld“, „Bildung und Ausbildung“ sowie „Freizeitan-gebote für Kinder und Jugendliche“ Verbes-serungsmöglichkeiten identifiziert. Das Ziel, die Standortattraktivität zu erhöhen sowie den Familienzuzug zu fördern, wird seitens der Hamburger Politik durch diverse Pro-

jekte unterstützt, wie dem im Jahre 2005 in Kraft getretenen Rechtsanspruch auf eine bedarfsgerechte Kindertagesbetreuung, der den Versorgungsgrad der Kindertagesbe-treuung in den letzten Jahren deutlich er-höht hat. Insgesamt wird die Lebensqualität im Hinblick auf Kultur, Umwelt, Freizeit- und Wohnmöglichkeiten von den Bürgern Ham-burgs positiv bewertet. Die hohe Lebens-qualität bestätigt eine Umfrage der EU aus dem Jahr 2006. Bei der Zufriedenheit, in der jeweiligen Stadt zu wohnen, erreicht Hamburg den sechsten Platz unter 75 eu-ropäischen Städten und damit die höchste deutsche Platzierung (vgl. Europäische Kommission 2007).

Viele der Potenziale Hamburgs sollen im Rahmen der Initiative „Metropole Hamburg - Wachsende Stadt“ weiterentwickelt wer-den (vgl. Senat der Freien und Hansestadt Hamburg 2007). Das Leitbild „Wachsende Stadt“ wurde im Jahr 2002 von dem da-maligen Senat beschlossen. Neben Wirt-schaft und Handel sollen auch die weichen Standortfaktoren gefördert werden. Diese Strategie strebt eine gezielte Förderung des Wirtschaftswachstums, die Erhöhung der Einwohnerzahl, der Internationalität sowie der Lebensqualität und Zukunftsfähigkeit Hamburgs an. Um diese Ziele erreichen zu können, wurden diverse Projekte und Maß-nahmen mit den Schwerpunkten Hochschul- und Wissenschaftsstandort, Familienförde-rung, Verkehrsinfrastruktur, Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum sowie Expansion des Flächenangebotes initiiert. Kernstück der Umsetzung des Leitbildes „Wachsen-de Stadt“ ist die HafenCity, in der bis zum Jahr 2020 rund 40 000 Arbeitsplätze entstehen sol-len. Auf einer Gesamtfläche von 155 ha wird

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in einem Planungszeitraum von 25 Jahren die hanseatische Innenstadt um etwa 40 % erweitert. Auf 60 ha reinem Nettobauland sollen in 13 Teilquartieren ca. 5.500 neue Wohnungen für etwa 12.000 Einwohner entstehen, sowie Parks, Promenaden und diverse Areale für Freizeitangebote angelegt werden. Mit der geplanten Fertigstellung der neuen U-Bahn-Linie U4 im Jahr 2011 wird die Infrastrukturanbindung der HafenCity im öffentlichen Nahverkehr weiter verbessert. Mit dem Leitbild „Wachsende Stadt“ ist die HafenCity im Jahr 2008 die größte inner- städtische Baustelle Europas, auf der 1 500 Erwerbstätige arbeiten.

Das Leitbild „Wachsende Stadt“ integriert Aspekte des Bevölkerungs- und Wirtschafts-wachstums. Hamburg gehört gegenwärtig zu den deutschen Städten, die Bevölke-rungszuwächse und überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum zu verzeichnen ha-ben. Die Bevölkerung hat im Zeitraum von 2000 bis 2006 um 2,2 % zugenommen (vgl. Abbildung 2). Die Anziehungskraft Ham-burgs ist auch im Zusammenhang mit den ökonomischen Entwicklungstendenzen und

der steigenden Zahl von Arbeitsplätzen in der Region als günstig einzustufen. Die Ar-beitslosenquote (bezogen auf alle Erwerbs-personen) ist im Zeitraum von Mai 2005 bis Mai 2008 von 11,7 % auf 8,2 % zurück-gegangen (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2008). Hamburg war im Vergleich der sechs größten deutschen Städte zwischen 2000 und 2006 die Stadt mit den höchsten Zu-wachsraten bei den Erwerbstätigenzahlen (vgl. Abbildung 2).

Die Bevölkerungsentwicklung Hamburgs ist auf den positiven Wanderungssaldo zurück-zuführen. Im Zeitraum von 2000 bis 2006 sind 63 515 mehr Menschen in die Stadt gezogen, als sie verlassen haben (vgl. Abbil-dung 3). Damit liegt Hamburg im Vergleich der sechs größten deutschen Städte hinter München auf Platz zwei hinsichtlich der At-traktivität für Zuwanderer. Der natürliche Be-völkerungssaldo, welcher sich aus der Dif-ferenz zwischen Geburten und Sterbefällen ergibt, fiel hingegen in diesem Zeitraum mit 12 673 negativ aus. Die Zuwanderung nach Hamburg ist damit entscheidend dafür, dass Hamburg Bevölkerungswachstum aufweist.

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Abbildung 2: Entwicklung der Bevölkerung und der Erwerbstätigen, 2000 bis 2006, in %

Quelle: Statistisches Bundesamt (2008a)

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1.2 Bevölkerungsprognosen In der 11. koordinierten Bevölkerungsvo-rausschätzung prognostiziert das Stati-stische Bundesamt für Deutschland eine Abnahme der Bevölkerungszahlen um 2,4 Mio. bis zum Jahr 2020 (vgl. Statistisches Bundesamt 2006; mittlere Variante / Unter- grenze). Gleichzeitig wird das durch-schnittliche Alter der in Deutschland le-benden Bevölkerung in den kommenden Jahrzehnten steigen. Während die durch-schnittliche Lebenserwartung eines Jun-gen bei der Geburt im Jahr 2003 bei 75,9 Jahren lag, können Männer bei der Ge-burt im Jahr 2050 mit 83,5 Jahren rech-nen (vgl. Statistisches Bundesamt 2006). Die durch niedrige Geburten-raten und die steigende Lebenserwartung bedingten demografischen Entwicklungstendenzen sind für einzelne Regionen und Städte allerdings keineswegs unausweichlich. Wanderungen können die Tendenzen der natürlichen Bevölkerungsentwicklung in einzelnen Regionen erheblich verstärken oder auch umkehren. Die Einwohnerzahl einer Stadt nimmt in einem bestimmten

Wanderungssaldo, 2000 bis 2006

Quelle: Statistisches Bundesamt (2008a)

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0 10.000 20.000 30.000 40.000 50.000 60.000 70.000 80.000 90.000

Frankfurt

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Berlin

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Zeitabschnitt zu, wenn die Summe aus na- türlichem Bevölkerungssaldo (Geburten abzüglich Sterbefälle) und Wanderungs-bilanz (Zuwanderung abzüglich Abwan-derung) positiv ausfällt. In Deutschland wird die Zahl der Sterbefälle Prognosen zufolge zukünftig steigen, weshalb in den kommenden Jahrzehnten kontinuierlich zunehmende Geburtenzahlen erforderlich wären, um einen ausgeglichenen natür-lichen Bevölkerungssaldo zu erreichen. Dies ist angesichts der gegenwärtig relativ niedrigen Fertilitätsraten in allen Regionen Deutschlands unwahrscheinlich. Unter die-sen Bedingungen sind für viele Regionen in Deutschland ein Rückgang und Alte-rung der Bevölkerung vorprogrammiert. Wie sich die demografische Entwicklung in den einzelnen Städten zukünftig darstellen wird, hängt deshalb entscheidend davon ab, wie viele Menschen aus anderen Teilen Deutschlands und aus dem Ausland zuzie-hen beziehungsweise aus der jeweiligen Stadt abwandern. Die Wanderungsbilanz einer Stadt ist ihrerseits das Ergebnis ihrer Standortattraktivität.

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Hamburger Börse

Abbildung 4 stellt die Ergebnisse der re-gionalisierten Bevölkerungsprognose des Bundesamtes für Bauwesen und Raumord-nung (BBR) exemplarisch für Norddeutsch-land dar und illustriert die zu erwartenden regional differierenden Auswirkungen der zukünftigen Bevölkerungsentwicklung. Ent-sprechend der BBR-Prognose wird sich die zukünftige Entwicklung der Bevölkerung – und damit die regionale Ausstattung mit Arbeitskräften – zwischen den Regionen in Norddeutschland erheblich unterscheiden (vgl. Abbildung 4). Diese Differenzierung betrifft insbesondere die Unterschiede zwi-schen dem westlichen Teil des norddeut-schen Wirtschaftsraums einerseits sowie

den östlichen und südlichen Teilen ande- rerseits. Während einige Kreise deutliche Bevölkerungszuwächse erwarten können, insbesondere in Niedersachsen, könnten Kreise in Mecklenburg-Vorpommern bis zum Jahr 2020 deutliche Bevölkerungsver-luste – bis zu einem Fünftel – betreffen. Für Lüneburg, Oldenburg und Vechta ergibt die BBR-Prognose bis zum Jahr 2020 Bevölke-rungszuwächse von + 11 %. Die räumlich variierenden regionalen Entwicklungen zie-hen regional differierende Handlungserfor-dernisse nach sich. Beispielsweise ist für schrumpfende Regionen ein rückläufiges öffentliches Infrastrukturangebot zu erwar-ten, während in expandierenden Regionen

Abbildung 4: Prognose des Bevölkerungswachstums, 2002 bis 2020, in %, Norddeutschland

Quelle: BBR (2006); Darstellung HWWI

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450 Jahre

der Infrastrukturbedarf zunimmt. Darüber hi-naus gibt es Veränderungen im Infrastruktur-bedarf aufgrund der altersstrukturellen Ver-änderungen. Im Zuge des demografischen Wandels werden sich die Inanspruchnahme öffentlicher Infrastruktur insgesamt und die Nachfragestruktur in diesem Bereich ver-ändern. Während jüngere Bevölkerungs-gruppen einen hohen Bedarf an öffentlichen Ausbildungs- und Erziehungseinrichtungen haben, benötigen ältere Bevölkerungsgrup-pen eine relativ höhere Ausstattung mit Gesundheits-, Pflege- und Sozialeinrich-tungen.

Generell basieren Bevölkerungs- und Haus-haltsprognosen auf einer Reihe von Annah-men zur Entwicklung der Sterblichkeit, der

Abbildung 5: Prognose der Bevölkerungsentwicklung 2003 bis 2020, in %

Quellen: Bertelsmann-Stiftung (2008), Bomsdorf/Babel (BiB) (2005), BBR (2006), Statistische

Ämter der Länder (2008); Darstellung HWWI

Geburten- und Wanderungszahlen. Wäh-rend die Entwicklungen der Sterblichkeit und der Geburten bis zum Jahr 2020 noch relativ gut prognostizierbar sind, sind die Annahmen zur Entwicklung von Wander-ungen, insbesondere interregionaler, relativ unsicher. Denn Wanderungszahlen können im Zeitablauf stark schwanken. Gleichwohl können sie einen starken Einfluss auf die räumliche Bevölkerungsentwicklung neh-men. Dies sollte bei der Bewertung der Ergebnisse von Bevölkerungsprognosen berücksichtigt werden. Unterschiedliche Annahmen hinsichtlich der regionalen Zu-wanderungssalden sind die Hauptursache dafür, dass demografische Prognosen teil-weise erhebliche Ergebnisdifferenzen auf-weisen. Abbildung 5 zeigt die Ergebnisse

-4% -2% 0% 2% 4% 6% 8% 10%

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Statistische Landesämter Bertelsmann Stiftung BBR BiB

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verschiedener Bevölkerungsprognosen für die sechs größten deutschen Städte. Die Annahmen zur Nettozuwanderung im Zeit-raum von 2003 bis 2020 für Hamburg liegen bei 104 000 (BBR), 130 760 (Statistikamt Nord) und 160 000 (Bundesinstitut für Be-völkerungsforschung (BiB)).

Die in Abbildung 5 dargestellten Prognosen kommen für Hamburg einheitlich zu dem Er-gebnis, dass die Bevölkerung bis zum Jahr 2020 wachsen wird. Die Prognosewerte lie-gen zwischen + 2,1 % (BBR) und + 6,8 % (BiB). Insgesamt stellen sich somit die de-mografischen Perspektiven für Hamburg in allen Prognosen positiv dar. Trotz hoher Zu-wanderung wird es aber auch in Hamburg

bereits bis zum Jahr 2020 Veränderungen in der Altersstruktur geben: Die Bevölkerung der unter 20-Jährigen wird bis zum Jahr 2020 abnehmen, während die Zahl der über 60-Jährigen zunehmen wird. Entsprechend der Prognose des Statistikamtes Nord er-gibt sich bis zum Jahr 2020 ein Rückgang der unter 20-Jährigen um 16 180, eine Zu-nahme der 20- bis 60-Jährigen um 48 560 und ein Zuwachs bei den über 60jährigen um 28 350 Personen.

1.3 Demografische Veränderungen und Wohnimmobilien

Immobilienmärkte sind regional gebundene Märkte. Weil das Angebot langlebig ist und

Abbildung 6: Prognose der Haushaltszahlen, Wachstum 2002 bis 2020, in %, Norddeutschland

Quelle: BBR (2006); Darstellung HWWI

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erst mit Verzögerung auf neue Marktsituati-onen reagieren kann, ist es kurz- bis mittel-fristig unelastisch. Somit bestimmt vor allem die Nachfrage nach Wohnraum die Entwick-lung der regionalen Immobilienmärkte. Die demografische Entwicklung ist ein zentraler Faktor für die regionale Wohnraumnachfrage und somit eine bestimmende Größe für die Entwicklung der regionalen Immobilienmär-kte. Zum einen spielt hierbei die Entwicklung der Bevölkerungszahl eine wichtige Rolle,

die eng mit der Zahl der Wohnraum nach-fragenden Haushalte verknüpft ist. Zum an-deren wird die Nachfrage nach Wohnraum auch durch den Altersaufbau der Bevöl-kerung geprägt, weil sie im Lebenszyklus einem Muster folgt. Typischerweise fragen junge Erwachsene nach Auszug aus dem Elternhaus kleinere Wohnungen nach. Bei Partnerschaft und Familiengründung in spä-teren Jahren nimmt die Wohnungsgröße zu, bleibt aber nach Auszug der eigenen Kinder

Abbildung 7: Prognose der Entwicklung der Haushaltszahlen (>=4 Personen), 2002 bis 2020, in %,

Norddeutschland

Quelle: BBR (2006); Darstellung HWWI

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Hamburger Börse

für geraume Zeit gleich (Remanenzeffekt). Neben der Zahl der Haushalte kommt alsoauch der Größe der Haushalte beziehungs-weise der regionalen Haushaltsstruktur eine große Bedeutung zu. Zwischen den Regionen in Norddeutschland wird die Entwicklung der Haushaltszahlen ebenso wie die der Bevölkerungszahlen stark differenziert ausfallen (vgl. Abbildung 6), wobei die Entwicklung der Haushalts-zahlen eng an die Entwicklung der Bevölke-rungszahlen gekoppelt ist. Die BBR-Progno-se impliziert für den östlichen und südlichen Teil Norddeutschlands einen Rückgang der Haushaltszahlen, während sie in anderen Regionen Norddeutschlands – insbeson-dere im Emsland und im südlichen Teil der Metropolregion - deutlich zunehmen.

Neben den absoluten Haushaltszahlen be-einflussen die demografischen Verände-rungen die Häufigkeit einzelner Haushalts-größen. Im Zuge dieser Entwicklung wird die Zahl der Ein- und Zweipersonenhaushalte zunehmen. Im Gegensatz dazu wird sich die Zahl der größeren Haushalte deutlich reduzieren, was Abbildung 7 für die Haus-halte mit mehr als vier Haushaltsmitgliedern verdeutlicht.

Aufgrund der regional differierenden Bevöl-kerungsentwicklungen wird sich auch die Entwicklung der Anzahl einzelner Haus-haltstypen regional stark unterscheiden. Für die Wohnungsmärkte sind zwei gegen-läufige Trends von Bedeutung, Der Rück-gang der Haushaltszahlen führt tendenziell zu einem Rückgang der Nachfrage nach Wohnraum. Die Zunahme des Anteils der Ein- und Zweipersonenhaushalte bewirkt hingegen tendenziell eine Zunahme der Aus-

gaben für Wohnen, weil kleinere Haushalte einen größeren Anteil ihres Einkommens für Wohnausgaben aufwenden. Dieser Anteil beträgt bei Single-Haushalten 22,7 %, wäh-rend er bei Haushalten mit mehr als zwei Haushaltsmitgliedern in etwa 16 % beträgt (vgl. Statistisches Bundesamt 2005). Je nach der regionalen Ausprägung der Trends wird die Wohnungsnachfrage regional sin-ken oder steigen.

In Hamburg könnte die Zahl der Haushalte insgesamt entsprechend der BBR-Pro-gnose und der Prognose der Statistischen Ämter der Länder und des Bundes bis zum Jahr 2020 um + 3,7 % beziehungsweise + 8,1 % zunehmen (vgl. Abbildung 8). Hamburg gehört damit zu den Städten, in denen in den kommenden Jahren starke Nachfrageimpulse in Teilsegmenten des Wohnungsmarktes auftreten werden. Diese Entwicklung wird getragen von der deut-lichen Expansion der Ein- und Zweiperso-nenhaushalte. Die Abweichungen zwischen der BBR-Haushaltsprognose und den Pro-gnosezahlen der Statistischen Landesämter resultiert aus den unterschiedlichen An-nahmen bezüglich der Wanderungsbilanz. Von Interesse ist dabei auch, über welches Einkommen die Zuwanderer verfügen, weil ein höheres Einkommen zu einer höheren Nachfrage nach Wohnraum führt. Darüber hinaus beeinflussen auch die Kauf- bzw. Mietpreise für Wohnraum die Nachfrage. Ob die zu erwartende Zunahme der Nachfrage nach Wohnraum gesättigt wird, hängt von der Reaktion des Wohnungsangebots ab. Reagiert das Wohnungsangebot in nur ge-ringem Ausmaß, d.h. relativ unelastisch auf die Nachfragesteigerung, so ist mit einem dauerhaften Anstieg der Preise und Mie-

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450 Jahre

ten zu rechnen. Die Entwicklung des An-gebots hängt dabei nicht zuletzt von der Gestaltung der Stadtentwicklungspolitik ab. Auf Grundlage der Haushaltszahlpro-gnosen des BBR, der Fortschreibung des Einkommenswachstums und Modellierung der Bautätigkeit kann die Nachfrage- und Angebots- und damit auch Mietpreis-entwicklung bis zum Jahr 2020 simuliert werden. Dabei liefert das HWWI-Modell jährliche Mietpreissteigerungen von real 2 % per anno für Hamburg (vgl. Otto 2008). Der Wohnraum pro Kopf ist seinerseits das Resultat der verfügbaren Wohnflächen und der Kaufpreise für Immobilien beziehungs-weise dem Mietniveau.

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1-Personen-Haushalte

2-Personen-Haushalte

3-Personen-Haushalte

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Haushalte

Haushalte insgesamt

BBR Statistische Ämter des Bundes und der Länder

Abbildung 8: Prognose der Entwicklung unterschiedlicher Haushaltstypen, 2005 bis 2020, in %, Hamburg

Quellen: BBR (2006), Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2007)

1.4 AusblickVon den bevorstehenden demografischen Veränderungen werden einzelne Regionen ganz unterschiedlich betroffen sein und es wird in Deutschland wachsende und schrumpfende Regionen geben. Wie sich die demografische Lage einzelner Regi-onen in Norddeutschland zukünftig darstel-len wird, hängt entscheidend davon ab, ob sie ein attraktives Ziel für Zuwanderer aus anderen Regionen Deutschlands und der Welt sind und ob sie die Bevölkerung an sich binden können. Gleichzeitig wird die demografische Entwicklung regional sehr unterschiedliche Rückwirkungen haben und zu einer regional differenzierten Entwicklung

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Hamburger Börse

der Nachfrage nach und des Angebotes an Wohnimmobilien sowie des Infra-strukturbedarfs führen. Aufgrund seiner Standortbedingungen hat Hamburg gute Möglichkei-ten auch zukünftig für Zuwan-derer attraktiv zu bleiben und Bevölke-rungsverluste aufgrund der zunehmenden Sterbeüberschüsse durch Zuwanderung zu kompensieren.

Die günstige Bevölkerungsbilanz Ham-burgs in der jüngeren Vergangenheit illus-triert ihre Anziehungskraft und gegenwär-tigen Standortvorteile gegenüber anderen Regionen, die (hohe) Bevölkerungsver-luste aufgrund von Abwanderungen zu verzeichnen haben. Für die zukünftige Entwicklung Hamburgs – insbesondere auch als Wissensstandort - ist es von zen-traler Bedeutung, dass weiterhin (hoch) qualifizierte Arbeitskräfte (gegebenenfalls mit ihren Familien) die Hansestadt als Ar-beits- und Lebensort wählen. Einfluss auf die Standortattraktivität in diesem Zusam-menhang nehmen auch der Umfang und die Qualität der Wohnimmobilien. Es ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach Wohnimmobilien in Hamburg steigt, wenn weiterhin mehr Menschen in die Stadt zuwandern als sie verlassen. Dies dürfte insbesondere die Wohnungsmarkt-segmente der Ein- und Zwei-Zimmerwoh-nungen betreffen. In diesem Zusammen-hang sind in bestimmten Segmenten des Wohnungsmarktes Anstiege der Immobi-lienpreise zu erwarten (Bräuninger et al. 2006). Wie stark diese ausfallen, hängt zu einem wesentlichen Teil davon ab, wie schnell das Angebot an Wohnimmobilien auf die steigende Nachfrage nach Wohn-immobilien reagiert.

2 Verkehr, Infrastruktur und Logistik

2.1 Entwicklung der Weltwirtschaft und des Warenhandels

Der Logistik- und Transportsektor in Nord-deutschland wird zuvorderst von den See-häfen geprägt. Angetrieben durch den in den vergangenen Jahrzehnten stark expandie-renden Welthandel, haben auch Reedereien, Speditionen sowie Hafen- und Lagerbetriebe ihre Leistungen kräftig ausweiten können. Dabei ist der Logistikstandort Hamburg, in dessen Hafen im Jahr 2007 rund 41 % der gesamtdeutschen Umschläge und 66 % der deutschen Containerumschläge getätigt wurden, als Tor zur Welt nicht nur für die ex-portstarke deutsche Wirtschaft von beson-derer Bedeutung. Als achtgrößter Contai-nerhafen der Welt und wichtiges Drehkreuz hat der Hafen für die Abwicklung der Waren-ströme der Nord- und Ostseeregion sowie für das angeschlossene Hinterland zudem eine wichtige überregionale Funktion. Auch zukünftig dürfte die Transport- und Logistik-branche bei fortschreitender Globalisierung zu den Wachstumsmärkten Norddeutsch-lands zählen.

Die Entwicklung des weltweiten Waren-handels ist eng mit der Entwicklung der Weltwirtschaft verknüpft. So wirkt sich eine Zunahme des weltwirtschaftlichen Wachs-tums positiv auf den internationalen Waren-austausch aus. Abbildung 9 zeigt die Ent-wicklung des Weltsozialprodukts seit 1960 für einzelne Wirtschaftsräume. Dabei ist die Weltwirtschaft im Schnitt mit jährlich knapp 4 % gewachsen. Besonders auffällig – und für Hamburg nicht unwesentlich – ist dabei das deutlich sichtbare, starke Wirtschafts-wachstum Asiens.

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450 Jahre

Abbildung 10 zeigt darüber hinaus, dass der Warenhandel überproportional zum Welt-einkommen gestiegen ist. Damit haben die Exportsektoren weltweit an Bedeutung für die Einkommensentstehung gewonnen. Als Ursache der zunehmenden Bedeutung des internationalen Warenhandels sind als Er-stes die Lockerungen staatlicher Handelsbe-schränkungen in Form von Zöllen zu nennen. Seit den Fünfzigerjahren konnten die Zölle für industriell gefertigte Waren im Rahmen des GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) von durchschnittlich fast 50 % auf unter 5 % gesenkt werden. Mit der aus der Uruguay-Runde des GATT hervorgegangenen Grün-dung der World Trade Organization (WTO) im Jahr 1995 wurde die Liberalisierung des Han-dels fortgeführt (vgl. Großmann et al. 2006).

Wenngleich der Abbau der Zölle die Auswei-tung des Handels stark begünstigte, ist der Prozess der Handelsausweitung nicht frei von Phasen der Stagnation. Deutlich zu er-

kennen sind Rückschläge in den Siebziger-jahren und zu Beginn der Achtzigerjahre, die den Ölkrisen geschuldet sind. Diese sorgten nicht nur für eine Verlangsamung des welt-wirtschaftlichen Wachstums, sie verteuerten auch die Transporte. Zu Beginn des neuen Jahrtausends waren Rückgänge als Folge der Dotcom-Blase und der Anschläge vom 11. September zu verzeichnen. Angesichts hoher Ölpreise und eines im Vergleich zu vergangenen Jahren schwächer ausfal-lenden weltwirtschaftlichen Wachstums sind für 2008 und 2009 etwas geringere Zu-wachsraten beim Welthandel zu erwarten. Mittel- bis langfristig dürfte der Welthandel jedoch weiterhin stark wachsen, wenngleich in jüngster Vergangenheit die Verhandlungen eines neuen WTO-Handelsabkommens auf-grund von unterschiedlichen Interessen der Industrie- und Schwellenländer wiederholt gescheitert und somit einige Fragezeichen bezüglich neuer Handelsvereinbarungen auf- getaucht sind.

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Abbildung 9: Wachstum der Weltwirtschaft

Quelle: Heston / Summers et al. (2006)

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Abbildung 10: Index des Anteils der Exporte an der Weltproduktion

Quelle: World Trade Organization (2007)

2.2 Seehandel und HafenwirtschaftDie rasante Zunahme des internationalen Warenhandels wäre nicht möglich gewe-sen, wenn nicht parallel zum Wirtschafts-wachstum und zum Abbau der Zölle auch die Kapazitäten im Transportsektor kräftig ausgeweitet worden wären. Grundsätz-lich sind die Kosten, die für den Transport von Gütern zwischen zwei Handelsplät-zen anfallen, in ihrer handelsmindernden Wirkung mit staatlichen Handelshemm-nissen vergleichbar. Durch die Auswei-tung der Kapazitäten in den vergangenen 20 Jahren konnte das Transportangebot mit dem starken Anstieg der Nachfrage Schritt halten, so dass der Frachtkosten-anteil am Handelswert konstant blieb und einer Ausweitung des Handels nicht im Wege stand. Insbesondere die Innovation des Containers, die zu enormen Kosten-senkungen im Transportwesen infolge von

Standardisierungsvorteilen führte, und die rasante Entwicklung der Schiffsgrößen spielen in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle.

Der Siegeszug des Containers und der Containerschiffe hat auch für die Struk-tur der Logistikbranche und das System der Hafenwirtschaften weitreichende Kon-sequenzen gehabt. Immer größere Con-tainerschiffe erfordern auch eine stetige und kostenträchtige Erneuerung bezie-hungsweise Anpassung der Kai- und Ha-fenanlagen, die nur vor dem Hintergrund größerer Umschlagszahlen und eines damit verbundenen hohen Rationalisie-rungspotenzials in Form sinkender Durch-schnittskosten lukrativ sind. In der Folge haben sich in allen Schifffahrtsgebieten daher wenige Häfen als Haupthäfen he-rausgebildet, die die Infrastruktur und

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450 Jahre

Abbildung 11: Weltweiter Seehandel in Mio. Tonnen

Quelle: UNCTAD; Review of Maritime Transport, verschiedene Jahrgänge

Kapazitäten für große Schiffe vorhalten. Diese fungieren nun als Drehkreuze, die ins- besondere die interkontinentalen Wa-renströme bündeln und gleichzeitig die kleineren Häfen des Fahrtgebietes interna-tional anbinden (Hub- and Spoke-Prinzip).

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2.3 Hafenstandort HamburgDie Containerisierung der Stückgutum-schläge ist dem Hafen Hamburg besonders zugute gekommen. Dabei spielte eine Rei-he von Faktoren eine wichtige Rolle. Zum einen wurde bereits Ende der Sechziger-jahre, als der Containertransport noch in den Kinderschuhen steckte, frühzeitig auf diese Technologie gesetzt. Zum anderen hilft dem Hafen Hamburg die Größe und wirtschaftliche Aktivität der Metropolregion Hamburg, für die der Hafen den natürlichen Ausgangs- bzw. Endpunkt für die Waren

im Seehandel darstellt. Die Metropolregion garantiert ein verlässliches Umschlagsauf-kommen, das für die Reedereien im Contai-nerbereich angesichts ihrer zumeist festen Linienfahrpläne attraktiv ist. Nicht zuletzt profitiert der Hamburger Hafen auch von seiner Lage als östlichster Nordseehafen. Zwar erfordert das Anlaufen eine gut 100 Kilometer lange Revierfahrt durch die Elbe, die den Nachteil einer tideabhängigen Er-reichbarkeit des Hafens für größere Schiffe mit sich bringt. Gleichwohl sind die Kosten-vorteile des Transportträgers Schiff gegen-über Transportmitteln zu Land und Luft so groß, dass die Lage des Hafens für Waren, die in Verbindung zu nord- und osteuropä-ischen Regionen stehen, von großem Vorteil ist. Somit ist es nicht verwunderlich, dass vor allem der Hamburger Hafen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und infolge der anschließenden wirtschaftlichen Aufholpro-

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Hamburger Börse

zesse der osteuropäischen Länder enorme Umschlagszuwächse generieren konnte.

Das in Abbildung 12 illustrierte exponenti-elle Wachstum bei den Containerumschlä-gen ist aber nicht nur der Erweiterung des Hinterlandes nach Osteuropa zu verdanken. Ebenso hilfreich waren auch die traditio-nell engen Verbindungen der Hansestadt mit Ostasien – insbesondere China, das in den vergangenen Jahrzehnten, gestützt auf eine starke Exportwirtschaft, enorme Wachstumsraten bei der Produktion und Anteile am Welthandel erzielen konnte. Von den 9,8 Mio. TEU (Twenty Foot Equivalent Unit) im Jahr 2007 im Hamburger Hafen umgeschlagenen Containern standen al-lein rund ein Drittel in Verbindung zu China. Auf die süd- und ostasiatischen Staaten Südkorea, Singapur und Malaysia entfielen weitere 12 %.

Abbildung 12: Umschlagsentwicklung im Hamburger Hafen 1960 bis 2007

Quelle: http://www.hafen-hamburg.de (08 / 2008)

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Massengut Container konventionelles Stückgut

Hamburgs größte Konkurrenten in der Nordseeregion (Nordrange) sind die Häfen von Rotterdam und Antwerpen mit Contai-nerumschlägen von zuletzt 10,8 Mio. TEU beziehungsweise 8,2 Mio. TEU sowie die Bremischen Häfen mit 4,9 Mio. TEU. Mit dem Bau des JadeWeserPorts in Wilhelms-haven soll 2011 ein weiterer Konkurrent seinen Dienst aufnehmen. Wie der Hafen Hamburg konnten auch die anderen Con-tainerdrehkreuze der Nordrange erhebliche Umschlagszuwächse in den vergangenen Jahrzehnten verzeichnen (vgl. Abbildung 13). Seit dem Jahr 2000 weist Hamburg un-ter den Häfen das kontinuierlichste und dy-namischste Wachstum auf. Im Zeitraum von 2000 bis 2007 betrug die Steigerung des Containerumschlags 133 %. In Rotterdam waren es in der gleichen Zeitspanne 71 %, in Antwerpen 100 % und in den Bremischen Häfen 80 %.

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450 Jahre

Abbildung 13: Containerumschlage (TEU) der Haupthäfen in der Nordrange

Quellen: Statistikamt Nord, Port of Rotterdam, Port of Antwerp, Bremenports (2008)

Neben Containern und konventionellem Stückgut werden im Universalhafen Ham-burg auch Flüssig- und Massengüter um-geschlagen. Der Massen- und Flüssig-güterumschlag ist über die vergangenen Jahrzehnte im Wesentlichen konstant ge-blieben. Damit haben diese Güter in der Vergangenheit angesichts der rasanten Entwicklung im Containerbereich für den Gesamtumschlag an Bedeutung verloren. Traditionell haben bei den Massengütern andere Standorte, wie zum Beispiel Rot-terdam, das an der Rheinmündung gele-gen eine Anbindung via Binnenschiff an die ehemals bedeutsamen Montanindustrien des Ruhrgebietes und die Industriestand-orte im Süden des Landes bietet, oder der Ölhafen Wilhelmshaven, eine größere Be-deutung als Hamburg.

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2.4 Modal Split und HinterlandanbindungDie Funktion des Hamburger Hafens als in-ternationales Drehkreuz für Waren bringt es mit sich, dass 40 bis 45 % der Hamburg über See erreichenden Container den Hafen auch wieder seeseitig verlassen (Transship-ment). Die hiermit in Verbindung stehenden sogenannten Feederverkehre vernetzen kleinere Häfen der Regionen in Nord- und Ostsee mit anderen Regionen in der Welt. Für die Verkehre in Häfen der Ostseeanrai-ner bietet der Nord-Ostsee-Kanal, der ei-nen im Vergleich zu einer Fahrt um Skagen schnellen Zugang Hamburgs an die Ostsee bietet, einen wichtigen Wettbewerbsvorteil. Die verbleibenden 55 bis 60 % der Contai-ner verursachen Hinterlandverkehre. Abbil-dung 14 zeigt den Modal Split des Hambur-ger Hafens für die Containerverkehre. Dabei

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zeichnet sich der Hamburger Hafen insbe-sondere im Vergleich zu den westlicheren Häfen Rotterdam und Antwerpen durch einen ausgesprochen hohen Anteil bei den LKW-Verkehren aus. Zum einen ermöglicht die Schiffbarkeit des Rheins einen Weiter-transport mit dem Binnenschiff, sodass al-leine daher schon ein geringerer Anteil der Umschläge in Rotterdam und Antwerpen mit Straßentransporten assoziiert ist. Hin-gegen spielt die Binnenschifffahrt für den Hamburger Hafen aufgrund der begrenzten Schiffbarkeit der Elbe eine untergeordnete Rolle. Zum anderen rührt der hohe LKW-Anteil daher, dass aufgrund der hohen Lo-co-Quote ein Großteil der Transporte vom und zum Hafen innerhalb der Metropolre-gion – und damit natürlicherweise per LKW – abgewickelt werden. Neben dem LKW kommt auch der Bahn eine wichtige Rolle

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Eisenbahn30%

Binnenschiff2%

Abbildung 14: Modal Split der Containerhinterlandver-

kehre am Hamburger Hafen 2005

Quelle: Bundesamt für Güterverkehr (BAG) (2007)

als Verkehrsträger zu – insbesondere für Transporte in den Süden des Landes und zu den östlichen Nachbarn der Bundesre-publik, Polen und die Tschechische Repu-blik. So verwundert es nicht, dass parallel zur starken Entwicklung der Containerum-schläge auch die Umschläge der Bahn seit dem Jahr 2000 mit fast 100 % in Hamburg gegenüber 20 % im Bundesgebiet deutlich zugenommen haben (vgl. Abb. 15).

2.5 Herausforderungen für den Logistik-sektor in Norddeutschland

Um mit dem rapiden Wachstum der Contai-nerumschläge in den vergangenen Jahren Schritt zu halten, waren erhebliche Investi-tionen notwendig. Allein die Umschlagszu-wächse seit der Jahrtausendwende haben die beiden Terminalbetreiber im Hafen Ham-burg, die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und Eurogate, ein Konsortium aus der hamburgischen Eurokai und der bremischen BLG Logistics Group, zu er-heblichen Kapazitätserweiterungen der Kai- und Terminalanlagen bewegt. Angesichts der von Forschungsinstituten und Markt-teilnehmern als weiterhin rasant prognosti-zierten Entwicklung der Containerumschlä-ge von 7 bis 8 % p.a. in den kommenden zwei Jahrzehnten dürfte auch weiterhin ein Investitionsbedarf in Milliardenhöhe in die bestehenden Hafenanlagen nötig sein (vgl. Großmann et al. 2006, Planco 2007). Zu-dem soll mit dem Containerterminal Stein-werder im Mittleren Freihafen mittelfristig ein komplett neuer Terminal errichtet werden. Der mit diesen Erweiterungsmaßnahmen verbundene enorme Finanzierungsbedarf führte bereits 2007 zur Teilprivatisierung der einst rein städtischen HHLA. 30 % des Un-

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Niedersachsen Deutschland

Abbildung 15: Wachstum des Bahnumschlags (volle Waggonladung) 2000 bis 2007

Quelle: Statistisches Bundesamt (2008b)

ternehmens wurden am 2. November 2007 in Form von Aktien an den Markt gebracht und werden seitdem – unter anderem auch an der Börse Hamburg – gehandelt.

Die Dienstleistungen der Hafenbetriebe ste-hen in einem komplementären Verhältnis zu den Hinterlandtransporten, das heißt sie bedingen einander. Stockt der Transport der Güter zum Hafen oder vom Hafen ins Hinterland, so beeinträchtigt dieses in kür-zester Zeit die Arbeit der Hafenbetriebe. In der gegenwärtigen Lage stellen die vieler-orts an die Kapazitätsgrenzen stoßenden Hinterlandanbindungen des Hamburger Ha-fens daher die größte Herausforderung für die kommenden Jahre dar. In Verbindung mit den ohnehin intensiven regionalen Per-sonen- und Güterverkehren innerhalb der Metropolregion hat die rapide Entwicklung

bei den Containerumschlägen für eine er-hebliche Belastung der Straßen- und Schie-nennetze geführt. Besonders betroffen von dieser Entwicklung sind die Hafenbahn sowie die Schienennetze und Autobahnen gen Süden. Angesichts der prognostizierten hohen Wachstumsraten für die kommen-den Jahre besteht daher dringender Hand-lungsbedarf, wenn der drohende Verkehrs-kollaps verhindert werden soll. Neben der Ertüchtigung der Hafenbahn und dem Bau der Y-Trasse wird seitens der Logistikunter-nehmen auch eine Verbindung der A1 und der A7 (Hafenquerspange) und der sechs-spurige Ausbau der A1 nach Bremen ge-fordert. Dabei erscheint jedoch fraglich, ob diese Maßnahmen rechtzeitig realisiert wer-den können. Gleichzeitig wachsen auch die Zweifel, inwieweit die oben genannten Maß-nahmen zukünftig ausreichend sein werden,

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Hamburger Börse

um die zunehmenden Transportmengen zu bewältigen. Beispielsweise dürfte der Bau der Y-Trasse, der vor allem den Personen-verkehren zugute kommt, lediglich über die Entlastung der bisherigen Trassen für Lin-derung bei den Güterverkehren sorgen (vgl. Bundesamt für Güterverkehr 2007). Auch bei den Verkehrsprojekten im Hinterland zeichnet sich damit ab, dass Investitionen in Milliardenhöhe auf den Staat zukommen dürften. In Anbetracht knapper Kassen und des raschen Handlungsbedarfs ist daher zu überlegen, inwieweit die Beteiligung privater Investoren im Rahmen von Public-Private-Partnership-Projekten eine Lösung darstel-len könnte.

Für die Rentabilität von Investitionen in Ha-fen und Hinterland ist die langfristige Wett-bewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens und damit seine Beteiligung am zukünftigen Umschlagswachstum – vor allem im Con-tainerbereich – bedeutsam. Der technische Fortschritt hat in den vergangenen Jahren den Bau immer größerer Containerschiffe ermöglicht. Seit wenigen Jahren werden Schiffstypen eingesetzt, die den Hamburger Hafen voll beladen aufgrund des zu gerin-gen Tiefgangs der Elbe nicht anlaufen kön-nen. Dies schürt Befürchtungen, dass sich Hamburgs Vorteil der geografischen Lage im Inneren des Landes in einen Nachteil ver-kehren könnte. Mit dem derzeit im Bau be-findlichen JadeWeserPort in Wilhelmshaven erscheint nun ein Tiefwasserhafen auf der Bildfläche, den viele angesichts der neuen Megacarrier, womit Schiffe mit einer Tragfä-higkeit von mehr als 10 000 TEU bezeichnet werden, als bedrohlich für den Hafen Ham-burg erachten. Wenngleich eine Gefähr-dung der Stellung des Hamburger Hafens

als bedeutendes Containerdrehkreuz nicht ausgeschlossen werden kann, spricht eine Vielzahl von Gründen dafür, dass diese Ent-wicklung – wenn überhaupt – erst langfristig eintritt.

Zum einen wird der JadeWeserPort bei In-betriebnahme zunächst lediglich 2,7 Mio. TEU Umschlagskapazität p.a. bieten. Um zu den Drehkreuzen Antwerpen, Rotterdam und Hamburg aufzuschließen, die zu die-sem Zeitpunkt bereits jeweils zwischen 10 und 15 Mio. TEU umschlagen dürften, sind dann erhebliche weitere Investitionen in die Hafenanlagen und Infrastruktur erforderlich, die zunächst politisch beschlossen, finan-ziert und dann baulich umgesetzt werden müssen. Gleichwohl wird die Flotte der Me-gacarrier in den kommenden fünf Jahren ra-sant wachsen. Nach derzeitigem Stand der Orderbücher sind bis 2013 rund 170 Con-tainerschiffe mit einer Kapazität von mehr als 10 000 TEU zu erwarten (vgl. Tabelle 1). Dies entspräche einer Ladungskapazität von etwa 12 % der gesamten Container-flotte. Hinzu kommt, dass ein Großteil der Schiffe für die Containerverkehre zwischen Europa und Asien eingesetzt werden dürfte, einer Verbindung, die bisher zu Hamburgs Stärken zählte und das rasante Wachstum des Hafens begründete. Je nach Konstruk-tion können aber die kleineren Megacarri-er nach erfolgter Anpassung der Fahrrinne Hamburg problemlos anlaufen. Und auch größere Schiffe dürften in Hamburg – wenn auch nicht voll beladen – zukünftig festma-chen. Für die eingehenden Asienverkehre würde dies bedeuten, dass Hamburg von diesen Megacarriern erst als zweiter oder dritter Hafen angelaufen werden könnte. Darüber hinaus gewähren derzeit nur fünf

34

450 Jahre

Häfen in Europa voll beladenen Megacar-riern mit bis zu 16 Metern Tiefgang den Zugang, weltweit sind es nur neun (vgl. Flecks 2008). Wie schnell die Reedereien den Bestand der Megacarrier nach 2013 erweitern werden, hängt neben der Ex-pansion des Welthandels auch von der Reaktion der anderen Hafenbetriebe ab. Da Schiffsgrößen und Hafenanlagen in einem komplementären Verhältnis zuei-nander stehen, dürfte der schnelle Ausbau der Megacarrier-Flotte nur dann weiterhin wirtschaftlich sinnvoll sein, wenn auch eine hinreichende Zahl von Häfen die notwen-dige Tiefe der Hafenbecken und Wasser-wege und die benötigten Kapazitäten bei den Hafenanlagen und Hinterlandanbin-dungen bereitstellen. Hinzu kommt, dass die zuletzt in Dienst gestellten Schiffe von 6 000 bis 10 000 TEU, die den Hambur-ger Hafen bereits heute anlaufen können, weitere 20 Jahre im Dienst bleiben dürften und auch hier in den kommenden Jahren eine erhebliche Ausweitung der Flotte zu erwarten ist.

2008 2013

Schiffsgröße TEU

TEU Anzahl Anteil TEU Anzahl Anteil

100-1 999 2 352 495 2 389 21.9 % 2 925 001 2 850 16.9 %

2 000-3 999 2 840 175 1 007 26.5 % 3 721 543 1 253 21.6 %

4 000-5 999 3 056 303 637 28.5 % 4 306 630 913 24.9 %

6 000-7 999 1 163 819 173 10.8 % 1 967 221 296 11.4 %

8 000-9 999 1 228 723 144 11.4 % 2 303 143 269 13.3 %

10 000+ 94 500 9 0.9 % 2 045 624 173 11.8 %

Gesamt 10 736 015 100.0 % 17 269 162 100.0 %

Tabelle 1: Containerschiffe, Zahl und Kapazität 2008 und 2013 (ohne Berücksichtigung anstehender

Verschrottungen)

Quelle: Clarkson, zitiert nach Flecks (2008)

3 Potenziale der erneuerbaren Energien in Norddeutschland: Stromerzeugung, Beschäftigung und Investitionen

3.1 Zunehmende Bedeutung erneuer-barer Energien für die Stromversor-gung

Die EU-Kommission hat im Januar 2008 ein Energie- und Klimapaket beschlossen, das von Deutschland verlangt, bis 2020 gut 40 % (gegenüber dem Jahr 1990) an Treibhaus-gasen einzusparen. Um dieses Ziel zu errei-chen, hat die EU-Kommission Deutschland empfohlen, bis zum Jahr 2020 den Anteil er-neuerbarer Energien am Primärenergiever-brauch von 6,6 % auf 18 % zu erhöhen. Im Stromsektor ist der Anteil hierzulande mit 14 % schon jetzt relativ hoch und dürfte in den nächsten Jahren weiter steigen. Hierzu wird vor allem der technische Fortschritt beitra-gen, der es erlaubt, neue Zweige der rege-nerativen Energien wie etwa die Geothermie besser auszuschöpfen und zur Marktreife zu bringen. Zudem sind die politischen Rah-menbedingungen für einen weiteren Ausbau

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Hamburger Börse

2008 2013

Schiffsgröße TEU

TEU Anzahl Anteil TEU Anzahl Anteil

100-1 999 2 352 495 2 389 21.9 % 2 925 001 2 850 16.9 %

2 000-3 999 2 840 175 1 007 26.5 % 3 721 543 1 253 21.6 %

4 000-5 999 3 056 303 637 28.5 % 4 306 630 913 24.9 %

6 000-7 999 1 163 819 173 10.8 % 1 967 221 296 11.4 %

8 000-9 999 1 228 723 144 11.4 % 2 303 143 269 13.3 %

10 000+ 94 500 9 0.9 % 2 045 624 173 11.8 %

Gesamt 10 736 015 100.0 % 17 269 162 100.0 %

der erneuerbaren Energien in Deutschland als sehr gut zu bezeichnen. Das Erneu-erbare-Energien-Gesetz, das in diesem Jahr vom Gesetzgeber in novellierter Form weitergeführt wurde, hat sich im interna-tionalen Vergleich als ein sehr effektives Instrument zur Ausbreitung regenerativer Energien erwiesen. Dadurch, dass es kon-stant hohe Vergütungssummen innerhalb der Laufzeit einzelner Anlagen garantiert, wird es einer wesentlichen Voraussetzung für den zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, nämlich Planungssicherheit auf Seiten der Investoren, gerecht. Gleichzei-tig berücksichtigt es jedoch Kostende-gressionseffekte durch technischen Fort-schritt, indem es die Vergütung für neue Anlagen niedriger ansetzt als für ältere Anlagen. Durch diese Berücksichtigung von Degressionseffekten stimuliert es den weiteren technologischen Fortschritt und erhöht damit den Wirkungsgrad und letzt-lich den Beitrag zur Stromversorgung der erneuerbaren Energien.

In den „klassischen“ Bereichen der erneu-erbaren Energien wie der Windenergie ist aufgrund des Einstiegs in die Windnut-zung auf See ein neuer Wachstumsschub zu erwarten. Im Zusammenhang mit der steigenden Bedeutung der erneuerbaren Energien ergeben sich Wachstumspoten-ziale für die hiermit verbundenen Bereiche Wertschöpfung und Beschäftigung, wel-che sich auch auf die norddeutsche Wirtschaft auswirken. Die größten öko-nomischen Effekte der erneuerbaren En-ergien sind für Norddeutschland im Be-reich Windenergie zu erwarten. Biomasse und Fotovoltaik sind von ihrer Bedeutung als geringer einzustufen, was vor allem an

den vergleichsweise ungünstigen natür-lichen Gegebenheiten liegt. Aber auch die Geothermie dürfte, wenn sie technolo-gisch einen ausreichenden Grad an Reife erreicht haben wird, in Norddeutschland zur Stromerzeugung wie zur Wertschöp-fung und Beschäftigung beitragen. Der Grund hierfür ist die Tatsache, dass das norddeutsche Becken – neben dem Ober-rheingraben und dem südbayerischen Molassebecken – zu den drei Regionen in Deutschland gehört, in denen aus ge-ologischer Sicht gute Bedingungen für geothermische Bohrungen vorherrschen. Derzeit gibt es allerdings erst drei Geo-thermiekraftwerke in Deutschland, wovon eines in Mecklenburg-Vorpommern liegt, sodass sich derartige ökonomische Ef-fekte zum jetzigen Zeitpunkt noch kaum abschätzen lassen und in starkem Maße von der weiteren technologischen Ent-wicklung abhängen.

3.2 WindenergieDie Windenergie spielt in den norddeut-schen Bundesländern aufgrund der Tat-sache, dass küstennahe und waldarme Gebiete relativ windreich sind, eine über-durchschnittliche Rolle. So machte etwa in Schleswig-Holstein der mittels Windener-gie erzeugte Strom im Jahr 2007 bereits einen Anteil von rund 36 % am gesamten Stromverbrauch aus, was ein rund sechs-mal so hoher Anteil wie auf Bundesebe-ne ist (vgl. Bundesverband Windenergie 2008). Ähnlich hoch ist dieser in Meck-lenburg-Vorpommern mit 35 %, in Nie-dersachsen liegt er bei rund 20 %. Der Neubau von Windanlagen ist allerdings in Deutschland wie in den norddeutschen

36

450 Jahre

Bundesländern seit einiger Zeit rückläufig (vgl. Abbildungen 17 und 18). Hierfür gibt es mehrere Gründe. Zum einen sind die für die Windnutzung rentablen Standorte an Land inzwischen fast vollständig be-setzt. Zweitens befindet sich der Bau von Windanlagen auf offener See (Offshore) immer noch im Stadium der Planung. Drit-tens wird der weitere Ausbau der Wind-energie auch durch die Überlastung der Stromnetze blockiert. Das im Juni 2008 beschlossene Energieleitungsausbauge-setz der Bundesregierung soll daher den Netzausbau vorantreiben, insbesondere durch einfachere Planungs- und Geneh-migungsverfahren für den Bau von Tras-sen für Erdkabel und Freileitungen.

Obwohl der Offshore-Windenergie ein er-hebliches Potenzial zugeschrieben wird, gestaltet sich die Realisierung von Wind-parks auf offener See relativ problema-tisch. Hohe Investitionsrisiken ergeben sich zum einen aus der Tatsache, dass der Abtransport des Stroms über Hoch-seekabel teuer und schadensanfällig ist. Auch zahlreiche Naturschutzrichtlinien (zum Beispiel für das Wattenmeer) wirken sich bremsend auf die Realisierung von Projekten aus, und schließlich fehlen häu-fig geeignete Versicherungskonzepte, um Unsicherheiten und Risiken abzufedern. Immerhin waren bis zur Mitte des Jahres 2007 insgesamt 19 Offshore-Windparks vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie genehmigt worden, davon 16 in der Nordsee und drei in der Ostsee. Mit der Novellierung des Erneuerbare-En-ergien-Gesetzes (EEG) im Juli 2008, die eine Erhöhung der Einspeisevergütung für Windstrom mit sich brachte, haben sich

aber die Anreize für den Bau von Offshore-Parks deutlich erhöht.

Das weitere Potenzial der Windenergie be- ruht neben der Offshore-Technologie auch auf dem „Repowering“, also dem Ersatz äl-terer Anlagen durch leistungsstärkere neu-ere. Das Repowering steigert wegen der höheren Leistung der neuen Windräder die gesamte Stromerzeugungskapazität. So wurden im Jahr 2007 in Deutschland 108 äl-tere Windenergieanlagen mit einer Gesamt-leistung von etwa 41 Megawatt (MW) durch 45 Windenergieanlagen mit einer Gesamt-leistung von etwa 103 MW ersetzt. Somit hat sich die Leistung an diesen Standorten um den Faktor 2,5 erhöht, bei gleichzeitiger Reduzierung der Anlagenzahl um den Fak-tor 2,4 (vgl. DEWI GmbH 2008). Es müssen also bei gesteigerter Leistungskapazität pro Anlage insgesamt weniger Windräder er-richtet werden, was positive Auswirkungen auf das Landschaftsbild und die Akzeptanz der Windenergie in der Gesellschaft hat. In den letzten Jahren fand der größte Teil des in Deutschland durchgeführten Repowerings in Schleswig-Holstein statt.

Insgesamt entspricht die Entwicklung beim Neubau von Windanlagen im Falle Nie-dersachsens dem Trend auf Bundesebene (vgl. Abbildung 18): Auf das Jahr mit der höchsten Neubaurate (2002) folgen Jahre mit rückläufigen Zuwächsen. Für Schles-wig-Holstein ist hingegen im Gegensatz zum Bundestrend ein leichtes Ansteigen der jährlichen Zuwächse (Neubaurate) fest-zustellen. Für Mecklenburg-Vorpommern ergibt sich keine eindeutige Tendenz: Jahre ansteigender Tendenz wechseln mit Jahren schwächerer Ausbaudynamik.

37

Hamburger Börse

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40%

Niedersachsen

Schleswig-Holstein

Mecklenburg-

Vorpommern

Deutschland

Anteil Stromerzeugung Anteil Stromverbrauch

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40%

Niedersachsen

Schleswig-Holstein

Mecklenburg-

Vorpommern

Deutschland

Anteil Stromerzeugung Anteil Stromverbrauch

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40%

Niedersachsen

Schleswig-Holstein

Mecklenburg-

Vorpommern

Deutschland

Anteil Stromerzeugung Anteil Stromverbrauch

Abbildung 16: Anteil des mit Windenergie erzeugten Stroms am Stromverbrauch und an der Stromerzeugung,

2004 bis 2007, in %

Quellen: Bundesverband Windenergie (2008); Energiebilanzen der Länder (2004 bis 2008); Bundesverband der

Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) (2007, 2008); Berechnungen HWWI

0

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

6.000

1994 1999 2004

Niedersachsen

Mecklenburg-Vorpommern

Schleswig-Holstein

Abbildung 17: Bestand bei Windenergieanlagen in den norddeutschen Flächenländern in MW

Quelle: Bundesverband Windenergie (2008)

38

450 Jahre

Abbildung 18: Neubau von Windenergieanlagen in den norddeutschen Flächenländern in MW

Quelle: Bundesverband Windenergie (2008)

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1.000

1994 1998 2002 2006

Niedersachsen

Schleswig-HolsteinMecklenburg-Vorpommern

Abbildung 19: Anlagendichte bei Windanlagen in deutschen Bundesländern, 2007, Megawatt je km2

Quelle: Bundesverband Windenergie (2008); Berechnungen HWWI

0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200

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rn

39

Hamburger Börse

Im Bereich Windenergie fand in den letzten Jahren ein nicht unbedeutendes Beschäf-tigungswachstum statt. Ende des Jahres 2007 waren in der deutschen Windenergieb-ranche rund 84 000 Personen beschäftigt, die in Herstellerfirmen, Zulieferbetrieben, Pla-nungsbüros sowie in Serviceunternehmen angestellt waren (vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-heit 2008). Gemäß einer HWWI-Prognose dürfte sich die Zahl der Beschäftigten in Deutschland in dieser Branche bis zum Jahr 2020 auf knapp 180 000 Personen erhöhen (vgl. Bräuninger et al. 2008). Für die Regi-on Hamburg (Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein) wird sich nach HWWI-Schätzungen die Beschäftigung im Bereich Windenergie von knapp 10 000 Personen im Jahr 2007 auf rund 15 000 Personen im Jahr 2020 erhöhen (vgl. auch Kriedel 2008). Der für 2020 prognostizierte Anteil des mit Windenergie erzeugten Stroms am Strom-verbrauch beträgt für Hamburg und Schles-wig-Holstein rund 76 % (vgl. Tabelle 2).

Der vom HWWI geschätzte Investitionsbe-darf im Bereich Windenergie in Deutschland beträgt bis 2020 insgesamt rund 35 Mrd. Euro (vgl. Bräuninger et al. 2008). Der größ-te Teil, etwa 25 Mrd. Euro, entfällt auf den

Aufbau von Offshore-Anlagen. Diese Sum-me lässt sich jedoch nicht einzelnen Bun-desländern zuordnen, da sich aus Gründen des Naturschutzes und des Tourismus fast alle in Deutschland genehmigten Offshore-Projekte weit draußen vor der Küste, in der sogenannten Ausschließlichen Wirtschafts-zone (AWZ), befinden. Die AWZ beginnt seewärts der Zwölf-Seemeilen-Zone und weist Wassertiefen von 20 bis 40 Meter auf. Völkerrechtlich bildet die AWZ ein Gebiet, das der angrenzende Staat wirtschaftlich nutzen darf. Allerdings lässt sich kein Be-zug zu einzelnen Bundesländern und somit keine wie auch immer geartete Aufteilung der Investitionssumme zwischen einzelnen Bundesländern vornehmen.

Von den rund 10 Mrd. Euro für den Onshore-Bereich müssten etwa 1,1 Mrd. Euro in den Ausbau der Stromnetze fließen, welcher notwendig ist, um die steigende Windein-speisung aufzunehmen und weiterzuleiten. Der Ausbau der Stromnetze stellt somit eine notwendige Investition dar, ohne die es nicht möglich sein wird, die sich durch Repowe-ring und Offshore-Technik ergebende Stei-gerung bei der Stromerzeugung aus Wind zu nutzen. Knapp 9 Mrd. Euro an Investi-tionen sind für das Repowering von Anla-

2007 2010 2015 2020

Beschäftigte 9 700 11 000 12 800 15 000

Anteil Erzeugung am Strom-verbrauch (in %)

36,0 42,6 58,0 76,5

Tabelle 2: HWWI-Prognose der Beschäftigung und des Anteils der Stromerzeugung am Stromverbrauch im

Bereich Windenergie für Hamburg und Schleswig-Holstein*

Quelle Anteil am Stromverbrauch 2007: Bundesverband Windenergie (2008); Quelle Beschäftigung 2007: Schät-

zungen des Bundesverband Windenergie (2008); * die Zahlen beziehen sich auf die Gesamtheit der beiden

Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein; Berechnungen HWWI

40

450 Jahre

gen an Land zu erwarten. Um zu regionalen Investitionsprognosen (im Bereich Onshore) zu gelangen, wurde aus den Investitionen und der Erhöhung der Kapazität im Jahr 2007 vom HWWI ein Investitionsmultiplika-tor ermittelt, der mit dem voraussichtlichen Ausbau der Kapazität bis 2020 multipliziert wurde. Zusätzlich wurden Kostensenkungs-effekte unterstellt, die sich mit Lernraten, Ef-fizienzsteigerungen und Skaleneffekten be-gründen und empirisch belegen lassen. So reduzierten sich die Kosten für die Erstellung von Anlagen in den letzten 16 Jahren merk-lich. Sie sanken zwischen 1988 und 2005 von 1,5 Mio. Euro auf 0,8 Mio. Euro je MW Kapazität.

Für den Investitionsmultiplikator wurden in den Berechnungen des HWWI jeweils zwei Szenarien entwickelt, die sich in Bezug auf die weitere Kostensenkungsdynamik un-terscheiden. Diese beiden Szenarien spie-geln jeweils unterschiedliche Annahmen zur Schnelligkeit des technischen Fortschritts wider beziehungsweise Unterschiede bei der Berechnung der Kostensenkung. Die Investitionsprognosen wurden zunächst für Deutschland insgesamt erstellt. Aus dem Anteil der Kapazität in der Region Hamburg (= Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein) an der gesamten Kapazität in Deutschland wurde ein Anteilswert errech-net, der zeitvariabel modelliert wurde. Aus dem genannten zeitvariablen Anteilswert und den Investitionsprognosen für Deutsch-land lassen sich schließlich die Investiti-onsprognosen für die Region Hamburg errechnen. Die aus diesen Berechnungen resultierenden Werte sind naturgemäß mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Dies liegt vor allem daran, dass Ausmaß und

Richtung des technischen Fortschritts, der zu einem erheblichen Teil die Kostensen-kungsdynamik bestimmt, nur schwer zu prognostizieren sein dürften. Folgende zwei Szenarien, deren Ergebnisse in Tabelle 3 enthalten sind, wurden unterstellt.

Szenario 1: Spezifische Investitionskosten (Investitionen je MW Kapazität) sinken um 3,3 % per annum (entspricht mittlerer Ent-wicklung 1988 bis 2005)Szenario 2: Spezifische Investitionskosten sinken im ersten Jahr um 3,3 % per annum, danach nimmt die Kostendegression um 0,1 Prozentpunkte per annum ab

In Deutschland gab es im Jahr 2007 nach Branchenverbandsangaben rund 20 Unter-nehmen, die Windenergieanlagen herstellen. Rund die Hälfte der Unternehmen befindet sich in Norddeutschland. Marktführer von Windenergieanlagen in Deutschland ist die im niedersächsischen Aurich beheimatete Firma Enercon GmbH. Rund 50 Prozent der im Jahr 2007 in Deutschland installierten Anlagen stammt von diesem Anbieter. Ein weiterer wichtiger Anbieter ist die Repower Systems AG, die ihren Hauptsitz in Hamburg hat. In Schleswig-Holstein befinden sich

Wind- energie

Onshore Offshore*

Szenario 1 580 Mio. Euro

25 Mrd. Euro

Szenario 2 600 Mio. Euro

25 Mrd. Euro

Tabelle 3: Regionale (Onshore) und nationale (Offshore) In-

vestitionsprognosen für Windenergie bis 2020

* in der AWZ, also in Nord- und Ostsee seewärts der

Zwölf-Seemeilen-Zone in deutschen Hoheitsgewässern

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Hamburger Börse

Wind- energie

Onshore Offshore*

Szenario 1 580 Mio. Euro

25 Mrd. Euro

Szenario 2 600 Mio. Euro

25 Mrd. Euro

Entwicklungs- und Produktionsstandorte. Das Unternehmen ist seit dem Jahr 2001 an der Börse und sowohl im TecDAX® als auch im regionalen HASPAX® notiert. Der Marktan-teil von Repower Systems bei Windanlagen in Deutschland lag im Jahr 2007 bei 11 %. Die Nordex AG mit Standorten in Norderstedt bei Hamburg und Rostock stellt Windräder so-wohl für den Onshore-Bereich (an Land), als auch für den Offshore-Bereich (auf See) her. Der Anteil des Unternehmens am deutschen Markt betrug im Jahr 2007 rund 5 %. Die Nor-dex AG ist im TecDAX® sowie im regionalen Aktienindex HASPAX® gelistet.

Ein weiterer bedeutender Standort für Wind-anlagenhersteller in Norddeutschland ist die Region Bremen / Bremerhaven. Dort finden sich mit der Siemens Wind Power GmbH, der Marc Power Systems GmbH, der Inno-vative Windpower GmbH und der Multibrid Entwicklungsgesellschaft mbH vier Unter-nehmen. In Niedersachsen existieren neben dem Marktführer Enercon (Aurich) noch die Anbieter Aircon GmbH & Co KG (Leer) so- wie die Bard Engineering GmbH (Emden). Schleswig-Holstein weist neben dem in Nor-derstedt ansässigen Unternehmen Nordex noch einen Anbieter kleinerer Windenergiean-lagen (2,5 bis 6 Kilowatt) auf.

3.3 BiomasseIn Deutschland hat die Biomasse bei der Stromerzeugung aus regenerativen Energien einen Anteil von rund 23 % und steht damit hinter der Windenergie und der Wasserkraft an dritter Stelle (vgl. BMU 2008). Unter Bio-masse werden zum einen biogene Fest- und Flüssigbrennstoffe, zum anderen Biogase und Biomüll verstanden. Der wichtigste biogene

Festbrennstoff ist Holz, während flüssige Bio-energieträger vor allem Pflanzenöle auf Raps-basis sowie Palm- und Sojaöle sind. Biogase werden über eine biochemische Umwandlung landwirtschaftlicher Rohstoffe wie Gülle und Energiepflanzen hergestellt. Daher profitiert von der steigenden Bedeutung der Biomasse als Energielieferant auch die Landwirtschaft. Ende 2007 gab es in Deutschland 3 750 Bi-ogasanlagen mit einer gesamten Leistung von 1 250 MW. Das geschätzte Potenzial für Biogasanlagen in Deutschland liegt etwa bei 200 000 Anlagen. Zwischen den einzelnen Regionen bestehen deutliche Unterschiede in Bezug auf die Anlagengröße. So sind in den südlichen Bundesländern vor allem kleinere Anlagen anzutreffen, was mit den dortigen kleinteiligen landwirtschaftlichen Strukturen verbunden ist. Im Unterschied dazu kommen in Ost- und Norddeutschland größere Biogas-anlagen zum Einsatz, da hier die Agrarstruktur durch größere landwirtschaftliche Einheiten geprägt ist. Diese strukturellen Unterschiede sind der Grund, weshalb Niedersachsen bei Bi-ogasanlagen den zweithöchsten Anteil an der gesamten installierten elektrischen Leistung aufweist (vgl. Abbildung 20), obwohl die Zahl der Anlagen deutlich geringer als in Bayern ist. In Niedersachsen entfielen im Jahr 2004 530 Gigawattstunden (GWh) und damit rund 44 % des aus Biomasse erzeugten Stroms von rund 1 200 GWh auf die Verwertung von Biogasen. In Mecklenburg-Vorpommern be-lief sich die Stromerzeugung aus Biomasse inklusive Biogase im Jahr 2003 nur auf 170 GWh. Einen ähnlich kleinen Beitrag leistet die Biomasse derzeit noch in Schleswig-Holstein.

Eine größere Bedeutung hat die Biomasse schon heute für die regenerative Wärmeer-zeugung. So stammen in Deutschland 94 %

42

450 Jahre

Abbildung 20: Anteile an der installierten elektrischen Leistung von Biogasanlagen 2007

Quelle: Institut für Energetik und Umwelt gGmbH Leipzig

Abbildung 21: Regionale Verteilung der in Betrieb befindlichen Biomasseheizkraftwerke 2007* (* absolute Anzahl)

Quelle: Institut für Energetik und Umwelt gGmbH Leipzig

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30%

Hamburg

Saarland

Hessen

Rheinland-Pfalz

Sachsen

Thüringen

Brandenburg

Sachsen-Anhalt

Mecklenburg-Vorpommern

Schleswig-Holstein

Nordrhein-Westfalen

Baden-Württemberg

Niedersachsen

Bayern

0 10 20 30 40 50 60

Berlin

Hamburg

Saarland

Schleswig-Holstein

Sachsen-Anhalt

Hessen

Mecklenburg-Vorpommern

Sachsen

Niedersachsen

Thüringen

Rheinland-Pfalz

Brandenburg

Nordrhein-Westfalen

Baden-Württemberg

Bayern

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Hamburger Börse

der regenerativ erzeugten Wärme aus Bi-omasse, hier vor allem aus Biomasseheiz-kraftwerken (vgl. BMU 2008). Letztere ar-beiten häufig mit Kraft-Wärme-Kopplung, es werden also gleichzeitig elektrischer Strom und Wärme erzeugt. In der Regel werden als Brennstoffe verschiedene Varianten von Holz (Altholz, Holzschnitzel, Holzpellets) verwen-det, sodass die Errichtung dieser Anlagen in der Nähe waldreicher Gegenden sinnvoll erscheint. Daher befinden sich die meisten Biomasseheizkraftwerke in den waldreichen süddeutschen Bundesländern (vgl. Abbildung 21). Die norddeutschen Bundesländer zählen aufgrund ihrer relativen Waldarmut eher nicht zu den bevorzugten Gebieten für die Errich-tung von Biomasseheizkraftwerken.

In Bezug auf die spezifische installierte Lei-stung (gesamte elektrische Leistung bezo-gen auf Bundeslandfläche) rangiert Nord- rhein-Westfalen an erster Stelle, gefolgt von Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Von den norddeutschen Bundesländern steht Mecklenburg-Vorpommern an sechster Stelle, gefolgt von Niedersachsen. Schles-wig-Holstein weist sowohl absolut als auch bezogen auf seine Fläche einen sehr klei-nen Bestand auf. In Hamburg ist derzeit ein Biomasseheizkraftwerk in Betrieb, das eine Leistung von 20 MW hat. In Bremen gibt es bisher keine Anlage.

Die Biomassebranche ist mit derzeit rund 96 000 Personen in Deutschland der be-schäftigungsstärkste Wirtschaftsbereich auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien (vgl. BMU 2008). Nach HWWI-Schätzungen dürfte sich diese Zahl bis zum Jahr 2020 auf etwa 170 000 Personen erhöhen (vgl. Bräuninger et al. 2008). Aufgrund der oben erwähnten Struk-turmerkmale (Waldarmut) ist nicht zu erwar-ten, dass die norddeutschen Flächenländer ein bevorzugter Standort für Biomasseheiz-kraftwerke werden. Eine größere Bedeutung dürften einzelne norddeutsche Bundesländer wie Niedersachsen allerdings bei der Strom-erzeugung aus Biogasanlagen erlangen. Für die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein ergibt sich jedoch, was den künftigen Beitrag der Biomasse zur Stromerzeugung sowie die Beschäftigung in diesem Bereich betrifft, eine recht verhaltene Prognose (vgl. Tabelle 4).

Das bis zum Jahr 2020 zu erwartende Inve-stitionsvolumen der Biomasse-Branche dürf-te für Deutschland insgesamt nach HWWI-Schätzungen bei rund 20 Mrd. Euro liegen (vgl. Bräuninger et al. 2008). Für die Prognose der Investitionen in Hamburg und Schleswig-Holstein wurde zunächst der Anteil der Anla-genkapazität dieser Bundesländer an der ge-samten Kapazität in Deutschland geschätzt. Hierbei wurden die vorhandenen Kapazitäten

2007 2010 2015 2020

Beschäftigte 2 900 4 000 5 300 7 000

Anteil Erzeugung am Strom-verbrauch (in %)

0,5* 1,2 2,0 3,0

Tabelle 4: HWWI-Prognose der Beschäftigung und des Anteils der Stromerzeugung am Stromverbrauch im

Bereich Biomasse für Hamburg und Schleswig-Holstein

* Es handelt sich um den Wert für 2004. Quelle Anteil am Stromverbrauch: Ministerium für Wissenschaft, Wirtschaft

und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein (2007); Quelle Beschäftigung 2007: Schätzung

44

450 Jahre

von Biomasseheizkraftwerken und Biogasan-lagen zugrunde gelegt. Wie bei der Winde-nergie wurden die weiteren Investitionen aus der Prognose für Deutschland und dem vo-raussichtlichen regionalen Anteil an der Ge-samtkapazität in Deutschland errechnet.

Im Gegensatz zur Fotovoltaik und zur Winde-nergie sind für Anlagen im Bereich Biomasse keine Kostensenkungseffekte in den letzten Jahren zu beobachten. Im Gegenteil: Seit dem Jahr 2001 haben sich die spezifischen Investitionskosten, gemessen in Mio. Euro je MW Kapazität, von 4,4 Mio. Euro MW in 2001 auf 4,8 Mio. Euro MWin 2006 erhöht (Berechnungen HWWI basierend auf BMU 2007). Diese Kostensteigerungen sind zum einen das Resultat von Preiserhöhungen am Stahlmarkt. Zum anderen spielen Konzentra-tionseffekte auf dem Markt für Kraftwerks-komponenten eine Rolle, welche sich eben-falls preiserhöhend auswirken. Somit wurde in einem ersten Szenario unterstellt, dass die spezifischen Investitionskosten bis zum Jahr 2020 bei dem Wert des Jahres 2006 verbleiben, sich somit kostensteigernde und kostensenkende Effekte gerade ausgleichen. In einem zweiten Szenario wurde eine leichte Absenkung der spezifischen Investitionsko-sten angenommen, um 0,5 % pro Jahr. Das Ergebnis der Prognose findet sich in folgender Tabelle 5.

Biomasse

Szenario 1 440 Mio. Euro

Szenario 2 400 Mio. Euro

Tabelle 5: HWWI-Prognose der Investitionen im Bereich

Biomasse in den Bundesländern Hamburg

und Schleswig-Holstein bis 2020

3.4 FotovoltaikDie Fotovoltaik hatte im Jahr 2007 bun-desweit einen Anteil von nur 0,5 % am Stromverbrauch (vgl. BMU 2008). Bei re-gionaler Betrachtung des Bestands von Fotovoltaikanlagen zeigt sich ein deutliches Übergewicht der süd- und südwestdeut-schen Bundesländer (siehe Abbildung 22). Die norddeutschen Bundesländer ha-ben aufgrund einer niedrigeren Anzahl an Sonnenstunden einen noch stärkeren Standortnachteil bei Fotovoltaikanlagen, als Deutschland ihn im internationalen Vergleich ohnehin bereits hat.

Ungeachtet des national wie regional sehr kleinen Beitrags zur Stromversorgung spielt die Fotovoltaikindustrie eine wesent-liche Rolle als Arbeitgeber. So ist die Zahl der Beschäftigten im Jahr 2007 fast halb so hoch wie in der Windenergiebranche. Nach HWWI-Schätzungen dürfte sich diese Zahl bis 2020 auf rund 120 000 Personen erhöhen (vgl. HypoVereinsbank 2008). Die regionalen Beschäftigungsprognosen sowie der voraussichtliche Beitrag der Fotovolta-ik zur Stromversorgung für Hamburg und Schleswig-Holstein finden sich in Tabelle 6 (vgl. auch Kriedel 2008).

Die bis 2020 zu erwartenden Investitionen in der Fotovoltaikbranche werden für Deutsch-land auf etwa 32 Mrd. Euro geschätzt, ein Betrag, der kaum geringer ist als das vo-raussichtliche Investitionsvolumen im Be-reich Windenergie. Allerdings ist diese Zahl mit Unsicherheit behaftet, da die durch technologischen Fortschritt entstehende Kostenreduktion gerade in der Fotovoltaik-branche nur schwer vorauszusehen ist. In der jüngeren Vergangenheit hat es bei Foto-

45

Hamburger Börse

voltaikanlagen erhebliche Kostensenkungen gegeben. Während die Investitionskosten zur Errichtung von einem MW Kapazität im Jahre 2001 noch bei rund 6 Mio. Euro lagen, waren sie bis zum Jahr 2006 auf 4,25 Mio. Euro gesunken (vgl. BMU 2007). Folgende zwei Szenarien werden betrachtet:

Szenario 1: Spezifische Investitionskosten sinken um 5,2 % per annum (entspricht

Entwicklung 1994 bis 2007 laut Bundesver-band Solarwirtschaft, 2008)Szenario 2: Spezifische Investitionskosten sinken um 6,9 % per annum (HWWI-Be-rechnungen nach Angaben BMU)

Die sich für diese Szenarien ergebenden Investitionssummen wurden – in ähnlicher Weise, wie dies für die Windenergie und die Biomasse erfolgte – in Prognosen für

0

2

4

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8

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18

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Abbildung 22: Anlagendichte im Bereich Fotovoltaik in Deutschland 2006 in 1 000 MW je km2

Quelle: Photon (2007); Berechnungen HWWI

2007 2010 2015 2020

Beschäftigte 2 000 5 700 7 300 9 000

Anteil Erzeugung am Stromver-brauch (in %)

0,3 0,5 0,7 1,0

Tabelle 6: HWWI-Prognose der Beschäftigung und des Anteils der Stromerzeugung am Stromverbrauch im Be-

reich Fotovoltaik für Hamburg und Schleswig-Holstein

Quelle Anteil am Stromverbrauch 2007: Schätzung HWWI auf Basis von EuPD Research (2007); Quelle Beschäfti-

gung 2007: EuPD Research (2007)

46

450 Jahre

die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein umgerechnet. Die Ergebnisse fin-den sich in folgender Tabelle 7.

Die Fotovoltaikbranche umfasst in Deutsch-land rund 20 Herstellerfirmen. Mehrere Un-ternehmen haben ihren Sitz in Hamburg. Eines davon, die seit März 2005 börsenno-tierte Conergy AG, ist weltweit mit Produk-tions- und Vertriebsstandorten vertreten. Am Standort Hamburg werden auch Foto-voltaikmodule hergestellt. Die 1998 als Volt-werk gegründete Epuron GmbH ist eben-falls in Hamburg ansässig und im Bereich Projektentwicklung und Finanzierung tätig. Epuron entwickelt, finanziert und betreibt Großprojekte in den Bereichen Fotovoltaik, Windenergie, Bioenergie und Solarthermie. Die Centrosolar AG mit Unternehmenssitz in Hamburg ist im Jahr 2007 aus dem Zusam-menschluss mehrerer Fotovoltaikunterneh-men entstanden. Das Produktprogramm umfasst netzungebundene, netzgebundene sowie gebäudeintegrierte Fotovoltaiksy-steme und Fotovoltaikmodule. Die im Jahr 2001 gegründete SunEnergy Europe GmbH hat ihren Sitz ebenfalls in Hamburg. Sie plant und projektiert Fotovoltaikanlagen vor allem im norddeutschen Raum. Das eng mit der Norddeutschen Affinerie AG verzahnte Unternehmen Cis Solartechnik GmbH & Co. KG setzt auf die Entwicklung von Dünn-schichtsolarzellen auf Basis von Kupfer, In-

dium und Selen. Diese neuartigen Solarzel-len vermeiden eine Abhängigkeit vom teuren Rohstoff Silizium und sind darüber hinaus weniger energieintensiv in der Herstellung. Das Energieunternehmen Deutsche BP AG sowie das Elektronikunternehmen Sharp Electronics GmbH haben in Hamburg Toch-terunternehmen, die im Wesentlichen bei der Steuerung des Vertriebs für Deutschland beziehungsweise Nordeuropa mitwirken.

Die im niedersächsischen Oldenburg be- heimatete Aleo Solar AG produziert Solar-module auf Siliziumbasis und ist Systeman-bieter für den weltweiten Fotovoltaikmarkt. Das im Jahr 2001 gegründete Unterneh-men ist seit Mitte des Jahres 2006 börsen-notiert. Die EWS GmbH aus Handewitt bei Flensburg ist auf Planungen, Produkte und Dienstleistungen rund um die erneuerbaren Energien spezialisiert. Neben den Fachbe-reichen Biomasse, Windkraft und Solar-thermie entwickelte sich der Solarstrom-großhandel zum wichtigsten Standbein. Das Unternehmen unterstützt Installateure bei der Projektierung, Ertragssimulation und Wirtschaftlichkeitsberechnung. Das im Kreis Pinneberg an der Elbe gelegene Wedel beheimatet die Solarnova Produk-tions- und Vertriebsgesellschaft mbH. Die Firma besteht seit 1996 und ging aus der Firma AEG-Solartechnik hervor, die ab dem Ende der Fünfzigerjahre im Bereich Foto-voltaik aktiv gewesen war. Die gefertigten Solarmodule werden vor allem für Fassaden und Lichtdächer verwendet. Hierbei hat das Unternehmen spezielle Fertigungsverfahren entwickelt, bei denen Solarzellen zwischen Glasscheiben angebracht und mit speziellen Klebeverfahren fixiert werden. Dies ermögli-cht auch den Einsatz der Solarmodule unter

Fotovoltaik

Szenario 1 450 Mio. Euro

Szenario 2 400 Mio. Euro

Tabelle 7: HWWI-Prognose der Investitionen im Bereich

Fotovoltaik in den Bundesländern Hamburg

und Schleswig-Holstein bis 2020

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besonders widrigen Bedingungen. So wer-den Solarnova-Solarzellen auf Leuchtfeuer-Türmen in der Nordsee installiert, wo es ohne den Einsatz dieses Verfahrens durch den schädigenden Einfluss von Salzwasser und Wind zum frühzeitigen Ausfall der Anla-gen kommen würde. Auch für den Einsatz auf Rettungsbooten erweisen sich diese Spezialanfertigungen als nützlich.

3.5 Entwicklungsaussichten für erneuer-bare Energien in Norddeutschland

Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich die geografischen Strukturmerkmale auf den Ausbau der Windenergie in Nord-deutschland sehr günstig auswirken. Die Gegebenheiten für die Biomasse können insgesamt als durchschnittlich beschrieben werden, während für die Fotovoltaik ungün-stige Bedingungen vorherrschen. Hierbei ist ergänzend hinzuzufügen, dass das Urteil im Falle der Biomasse deutlich positiver aus-fällt, wenn allein die Stromerzeugung aus Biogasen betrachtet wird. Hier zeigt das Beispiel Niedersachsen, dass diese auch in norddeutschen Bundesländern eine erheb-liche Rolle spielen kann. Lediglich im Fall der gekoppelten Wärme- und Stromgewin-nung über Biomasseheizkraftwerke fallen die norddeutschen Bundesländer gegenü-ber den süddeutschen aufgrund der rela-tiven Knappheit an geeigneten Rohstoffen (Holz) zurück. Das eher geringe Entwick-lungspotenzial der Fotovoltaik resultiert aus dem geringen physikalischen Strah-lungspotenzial der Sonne in den nördlichen Breitengraden. Dementsprechend weisen die genannten drei erneuerbaren Energien ein höchst unterschiedliches Leistungsver-mögen auf.

Gemessen am Beitrag zur Stromversor-gung könnte die Windenergie mit etwa 75 % im Jahr 2020 eine unverzichtbare Rolle für die Energieversorgung in Hamburg und Schleswig-Holstein spielen. Die anderen er-neuerbaren Energien haben in diesem Ver-gleich mit 1 beziehungsweise 3 % eine sehr geringe Bedeutung. Anders sieht es beim künftigen Beschäftigungspotenzial aus, das auf 15 000 (Windenergie), 7 000 (Bi-omasse) und 9 000 (Fotovoltaik) Personen im Jahr 2020 geschätzt wird. Damit weisen neben der Windenergie auch die Bereiche Biomasse und Fotovoltaik ein verhältnismä-ßig großes Beschäftigungspotenzial auf.

Bezüglich des Investitionsvolumens liegt die Windenergie vor den beiden anderen erneu-erbaren Energien. Würde man die geplanten Offshore-Windparks als der norddeutschen Küste vorgelagerte Investitionsprojekte zu den Bundesländern Schleswig-Holstein und Hamburg hinzurechnen, so überstiegen die bis 2020 geschätzten Investitionen in der Windbranche mit rund 26 Mrd. Euro diejeni-gen in der Biomasse- und Fotovoltaikbran-che (jeweils 400 bis rund 450 Mio. Euro) um ein Vielfaches. Die im Vergleich zur Windenergie recht schwach erscheinenden Entwicklungspo-tenziale der Fotovoltaik und der Biomasse sollten jedoch nicht darüber hinwegtäu-schen, dass ein alleiniger Ausbau der Wind-energie trotz naturräumlicher Vorteile auch in Norddeutschland nicht sinnvoll ist. Die Windenergie bedarf als eine von Wetterver-hältnissen abhängige Energieform der Un-terstützung durch grundlastfähige Stromer-zeugungstechniken, wie sie die Biomasse oder auch die Wasserkraft darstellen. Da für letztere die naturräumlichen Bedingungen

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450 Jahre

4 Wachstumsmarkt Gesundheitswirtschaft

4.1 Globale Wachstumsperspektiven der Gesundheitswirtschaft

Die weltweiten Gesundheitsausgaben be-trugen im Jahr 2005 rund 5 Billionen US-Dollar; dies entspricht durchschnittlich 790 US-Dollar pro Kopf. Damit sind die Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit seit dem Jahr 2000 jährlich um 7 % gestiegen. Die weltweit höchsten Pro-Kopf-Ausgaben haben die USA mit 6 350 US-Dollar, in Deutschland sind es 3 250 US-Dollar, in China 315 US-Dollar und in Indien 100 US-Dollar (vgl. World Health Organization WHO 2008 a). Die Gesundheitsausgaben sind damit in den letzten Jahren deutlich stär-ker angestiegen als die Einkommen. Dies zeigen die Gesundheitsausgaben als Anteil am Bruttoinlandsprodukt, der weltweit von 8,0 % im Jahr 2000 auf 8,6 % im Jahr 2006 zugenommen hat. Für einige OECD-Länder fällt der Anstieg in den letzten Jahren sogar noch deutlicher aus (vgl. Abbildung 23).

Der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP wird in den OECD-Ländern auch in Zukunft weiter steigen. Bis 2020 ist in den USA mit einem Anstieg von derzeit rund 16 % auf über 20 % und in den übrigen OECD-Ländern von durchschnittlich rund 9 % auf ca. 15 % zu rechnen (vgl. Price-waterhouseCoopers PwC 2007). Steigende

Einkommen und steigende Anteile sorgen also für einen doppelten expansiven Effekt bei der Gesundheitsnachfrage. Die globalen Wachstumsperspektiven der Gesundheits-wirtschaft werden daher auch in den kom-menden Jahren und Jahrzehnten sehr gün-stig bleiben. Weltweit wird insbesondere die Nachfrage nach Pharmaprodukten und Me-dizintechnik deutlich zunehmen. Vor allem in den schnell wachsenden und bevölke-rungsreichen Entwicklungs- und Schwellen-ländern wie China und Indien werden neue Absatzmärkte entstehen. Gerade in den un-teren Einkommensbereichen nehmen die Gesundheitsausgaben mit steigendem Ein-kommen überproportional stark zu. Für Ent-wicklungsländer ist eine Verbesserung der Situation im Hinblick auf Gesundheit neben Bildung eine der zentralen Schlüsselgrößen für die wirtschaftliche Entwicklung.

Doch nicht nur in den Entwicklungs- und Schwellenländern, sondern auch in den ent-wickelten Industrieländern wird die Nachfra-ge steigen. Dort spielt jedoch weniger eine mengenmäßige Ausweitung der Nachfrage eine Rolle als vielmehr eine stärker qualitäts-orientierte Nachfrage, die neue Verfahren und eine höhere Produktdifferenzierung ein-schließt. Darüber hinaus wird auch die Zu-nahme der Lebenserwartung zu einer weiter steigenden Gesundheitsnachfrage führen. In den westlichen Industrieländern wird vor allem die demografische Alterung einen Wachstumsschub in der Gesundheitswirt-schaft nach sich ziehen. In Abbildung 24 ist eine Prognose der demografischen Ent-wicklung der deutschen Bevölkerung darge-stellt. Offensichtlich wird bis zum Jahr 2037 eine deutliche Alterung der Gesellschaft ein-treten. Dafür gibt es mehrere Gründe: Die

(Mangel an Gefällen) in Norddeutschland eher schlecht sind, kommt von den er-neuerbaren Energien im Wesentlichen die Biomasse als unterstützende Energieform infrage, deren Ausbau daher nicht vernach-lässigt werden sollte.

49

Hamburger Börse

Bevölkerungsanteile älterer Jahrgänge wer-den größer, was zunächst auf die niedrige Fertilitätsrate, die in Deutschland derzeit bei 1,2 Kindern pro Frau liegt, zurückzuführen ist. Damit wird die Anzahl der jungen Men-schen immer geringer, der Demografiebaum unten immer schmaler. Darüber hinaus war die durchschnittliche Kinderzahl je Frau Mit-te der Sechziger Jahre relativ hoch, weshalb es 2037 überproportional viele alte Men-schen geben wird.

Zudem steigt die Lebenserwartung weiter an. Die beiden letztgenannten Effekte tragen dazu bei, dass die Spitze des Demografie-baumes für 2037 deutlich breiter und höher ist als in dem für 2007. Bis 2037 wird sich das Durchschnittsalter (entsprechend der mittleren Variante der Bevölkerungsvoraus-schätzung des Statistischen Bundesamtes, vgl. Statistisches Bundesamt 2008) somit

Abbildung 23: Gesundheitsausgaben in % des BIPs

Quelle: OECD (2008)

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1970 1980 1990 2000

USA

Japan

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England

Frankreich

von 42,6 auf 48,4 Jahre erhöhen. Legt man weiterhin zugrunde, dass die Krankheits-kosten mit dem Lebensalter exponentiell ansteigen (vgl. Abbildung 25), dann wer-den nach einer HWWI-Projektion die realen Gesundheitsausgaben von derzeit 230 Mrd. Euro bis 2037 auf rund 280 Mrd. Euro an-steigen (vgl. Abbildung 26).

Darüber hinaus wird sich in Zukunft der Gesundheitsbegriff in modernen Gesell-schaften nachhaltig verändern. Gesundheit ist dabei nicht bloß als Abwesenheit von Krankheit zu definieren, sondern umfas-sender als ein Lebenskonzept im Sinne der Definition der World Health Organization (WHO): „Health is the state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmi-ty.“ Diese Definition ist 1986 in der „Ottawa Charter for Health Promotion“ der WHO er-

50

450 Jahre

gänzt worden um den Passus: „Health is a resource for everyday life, not the objective of living” und „Health is a positive concept emphasizing social and personal resources, as well as physical capacities.“ Folgt man dieser breiteren Definition von Gesundheit und dem Trend eines steigenden Gesund-heitsbewusstseins, dann ist insbesondere ein weiterer Anstieg der privaten Gesund-heitsausgaben zu erwarten. Gerade diese frei finanzierten Gesundheitsausgaben un-terstreichen den Nutzen von Gesundheit im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung als Kostenfaktor. Der steigenden Nachfrage auf den weltweiten, sich öffnenden Absatz-märkten stehen neue Technologien gegen-über, die in Zukunft von der Angebotsseite her einen starken Wachstumsimpuls auslö-

Abbildung 24: Demografische Struktur 2007 und 2037 in Deutschland

Quelle: Statistisches Bundesamt (2008c)

sen werden. Basisinnovationen in den Bio-, Gen- und Nanotechnologien führen zu neu-en Verfahren und Produkten. Dadurch wird sich der Qualitäts- und Innovationswettbe-werb in der Gesundheitswirtschaft weiter verschärfen. Zusammenfassend gehört die Gesundheits-wirtschaft zu den globalen Wachstumsmär-kten der Zukunft. Sowohl von der Nachfra-geseite als auch der Angebotsseite gehen – wie dargestellt – expansive Impulse aus. Auf der Nachfrageseite sind dies eine wach-sende Weltbevölkerung, steigende Einkom-men in den Entwicklungs- und Schwellen-ländern, die demografische Alterung in den westlichen Gesellschaften und eine zuneh-mende Gesundheitspräferenz. Auf der An-gebotsseite werden neue Technologien wie

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Hamburger Börse

Abbildung 25: Krankheitskosten in Euro pro Kopf und Jahr, 2004

Quelle: Gesundheitsberichterstattung des Bundes (2007)

Abbildung 26: Prognose der Gesundheitsausgaben (in Mrd. Euro)

Quellen: Bräuninger et al. (2007); Statisches Bundesamt (2004)

0

2.000

4.000

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10.000

12.000

14.000

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< 15 Jahre 15-30 Jahre 30-45 Jahre 45-65 Jahre 65-85 Jahre >85 Jahre

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2006 2011 2016 2021 2026 2031

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die Bio- und Nanotechnologie, Basisinnova-tionen in Pharmazie und Medizintechnik so-wie neue Verfahren in Diagnostik, Therapie und Rehabilitation für Wachstumsschübe sorgen.

4.2 Der Gesundheitsstandort Norddeutsch-land

Angesichts der günstigen globalen Wachs-tumsperspektiven der Gesundheitswirt-schaft stellt sich für regionale Standorte die Frage, ob und inwieweit man an die-sen Wachstumsmöglichkeiten partizipieren kann. Um ein größeres Bewusstsein für die Bedeutung und das Innovationspotenzial der Gesundheitswirtschaft zu schaffen, hat das Bundesministerium für Bildung und For-schung (BMBF) einen Wettbewerb gestartet, bei dem in der Endphase fünf sogenann-te Gesundheitsregionen ab dem 1.1.2009 über einen Zeitraum von vier Jahren eine Förderung von insgesamt 40 Mio. Euro er-halten sollen. Die von Vereinen, Hochschu-len und Landkreisen eingereichten Themen umfassen alle Bereiche der Gesundheits-wirtschaft, von der Medizintechnik bis zum Gesundheitstourismus (vgl. BMBF 2008).

Inwieweit der Wirtschaftsstandort Hamburg bzw. Norddeutschland vom globalen, aber auch vom regionalen Wachstumspoten-zial der Gesundheitswirtschaft profitieren kann, hängt zum einen von den Stärken und Schwächen des Gesundheitsstandorts Hamburg sowie den Chancen und Risiken ab, die sich aus dem internationalen Stand-ortwettbewerb ergeben. Dieser hat im Zuge der Globalisierung angesichts der sehr gu-ten Wachstumsperspektiven in der Gesund-heitswirtschaft stark zugenommen. Seitens

des Hamburger Senats wird überlegt, einen „Cluster Gesundheitswirtschaft“ zu initiie-ren. Um mögliche Clustereffekte und eine strategische Clusterpolitik zu identifizieren, ist es sinnvoll, die Wertschöpfungskette der Gesundheitswirtschaft in stilisierter Form zu analysieren (vgl. Abbildung 27).

Globalisierung macht durch Spezialisierung und Arbeitsteilung typischerweise die räum-liche Trennung von Wertschöpfungsketten effizient. Durch die Optimierung von Schnitt-stellen zwischen verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette kann es allerdings aufgrund von Komplementaritäten, Spill-overs sowie Größen- und Verbundvorteilen zu positiven Clustereffekten kommen. Aus einer räumlichen Konzentration von Un-ternehmen gleicher Branche ergeben sich demnach ökonomische Vorteile. Die Wert-schöpfungskette der Gesundheitswirtschaft lässt sich in zwei größere Segmente zusam-menfassen, innerhalb derer es zu positiven Clustereffekten kommen kann (vgl. Abbil-dung 27).

Hohe Investitionen werden vor allem im Be-reich „Forschung und Produktion“ getäti-gt. In diesem Bereich ist der internationale Standortwettbewerb jedoch außerordent-lich scharf. Neben den traditionellen Stand-orten wie den USA, Japan, Frankreich, Eng-land und auch Deutschland kommen neue Länder hinzu. Dies sind vor allem China und Indien, aber auch Dänemark, Irland und Is-rael. Im Bereich der Gesundheitsversorgung ist der Wettbewerb stärker regional begrenzt, da gesundheitsbezogene Dienstleistungen nicht oder nur bedingt handelbar sind. Al-lerdings sind hier das Wachstumspotenzial

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Forschung undEntwicklung

Pharma undMedizintechnik

Diagnostik undTherapie

Rehabilitation und Prävention

Forschung und Produktion- sehr hohes Wachstumspotenzial- hoher Anteil an Hochqualifizierten- hohe F&E-Intensität- hohe internationale Kapitalmobilität- starker internationaler Wettbewerb

Gesundheitsversorgung und Absatz- hohes Wachstumspotenzial- hohes Beschäftigungspotenzial- hohe Arbeitsintensität- regionale Dienstleistungen- eher geringer Wettbewerb

Abbildung 27: Ansätze zur Clusterbildung

Quelle: Darstellung HWWI

und der Wertschöpfungsbeitrag geringer als in Forschung und Produktion. Das Be-schäftigungspotenzial ist dagegen sehr hoch, wenngleich der Anteil an Hochquali-fizierten geringer ist. Eine strategische und nachhaltig angelegte Clusterpolitik besteht zunächst in der Stärkung und im Ausbau einer branchenspezifischen Infrastruktur. Dazu gehören vor allem die Bereitstellung und die Ausbildung von Fachkräften so-wie eine exzellente Forschung im Rahmen von Ausbildungs- und Studiengängen, wissenschaftlichen Einrichtungen und For-schungsinstituten. Im Folgenden werden schwerpunktmäßig einige Segmente der Gesundheitswirtschaft in ihrer Bedeutung und ihren Perspektiven für Norddeutschland näher betrachtet. Die Gesundheitswirtschaft umfasst die Medizintechnik, gesundheitsnahe Life Sci-ences, das Gesundheitswesen, den Ge-sundheitstourismus, sowie den Wellness- und Fitnesssektor. Das Gesundheitswesen – Ärzte, Apotheken und Krankenhäuser

– stellt den meist durch das Krankenkas-sensystem finanzierten Kernbereich der Ge-sundheitswirtschaft dar. Medizintechnik und Life Sciences können als Zulieferindustrien betrachtet werden, die jedoch neben den in-zwischen üblichen Selbstbeteiligungen teils auch privat finanzierte Nachfrage bedienen. Die Bereiche Wellness, Gesundheitstouris-mus und Fitness werden größtenteils durch rein private Ausgaben bestimmt. Die Gesundheitswirtschaft hat für alle nord-deutschen Flächenländer eine herausra-gende Bedeutung und bietet vielfältige Zu-kunftschancen. Genaue Schätzungen der Beschäftigtenzahlen in der Gesundheitswirt-schaft sind trotz der obigen Definition kaum möglich, da der Sektor besonders innerhalb der letzten drei Bereiche fließend in andere Wirtschaftszweige übergeht.

Der Anteil der Beschäftigten im Gesund-heitssektor an der Gesamtzahl der Beschäf-tigten weist in Schleswig-Holstein (12,4 %), Mecklenburg-Vorpommern (12,3 %) und

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450 Jahre

Niedersachsen (11,8 %) bundesweite Spit-zenwerte auf, die weit über dem Bundes-durchschnitt von 10,5 % liegen. In den norddeutschen Stadtstaaten sind die Werte jedoch geringer. Bremen liegt mit 10,5 % im Bundesschnitt, während Hamburg den bundesweit geringsten Anteil von 9,1 % auf-weist (vgl. Abbildung 28).

Die regionale Verteilung der Beschäftigung in der Gesundheitswirtschaft zeigt, dass Hamburg im Verhältnis zur Bevölkerung we-niger stark von der Gesundheitswirtschaft profitiert (vgl. Abbildung 29). Es darf aber

nicht übersehen werden, dass Hamburg in der Wertschöpfungskette einer Reihe von räumlich und zeitlich eng verbundenen Dienstleistungen – von der Gesundheitsver-sorgung (Diagnostik und Therapie) bis hin zu Prävention und Rehabilitation – im Verbund mit den umliegenden Flächenländern eine wichtige Infrastrukturfunktion ausübt.

Ein Segment, das innerhalb der Gesund-heitswirtschaft überdurchschnittlich wächst, ist die Pharma- und die Biotechbranche, die zu den Biowissenschaften (Life Sciences) gehört. Die deutsche Pharmabranche setzte

Abbildung 28: Anteil des Gesundheitssektors an der Gesamtbeschäftigung nach Bundesländern, 2007

Quellen: Bundesagentur für Arbeit (2007); Berechnung HWWI

Bremen

Schleswig-Holstein

Sachsen-Anhalt

Niedersachsen

Berlin

Nordrhein-Westfalen

Mecklenburg-Vorp.

Brandenburg

Rheinland-Pfalz

Hamburg

Sachsen

Thüringen

Saarland

Hessen

Baden-Württemberg

Bayern

0 % 2 % 4 % 6 % 8 % 10 % 12 % 14 %

55

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doch auch Schleswig-Holstein gehört zur deutschen Spitze. Hieran ist die erfolgreiche Spezialisierung der beiden Bundesländer auf den Bereich der Life Sciences zu erkennen, die durch zahlreiche Verbände und Initiati-ven privater und öffentlich-rechtlicher Trä-ger, wie beispielsweise der Norddeutschen Life Science Agentur norgenta, gefördert werden. Es gibt zahlreiche Produktions-, Forschungs- und Vertriebsstandorte in- und ausländischer Pharmaunternehmern, die insbesondere in Schleswig-Holstein zu den größten Arbeitgebern gehören. Die Stand-orte der internationalen Firmen haben lange

2006 29,4 Mrd. Euro um – davon 55 % im Ausland – und beschäftigte 113 200 Per-sonen (vgl. Verband Forschender Arzneimit-telhersteller VFA 2008). Die Investitionsquo-te der Pharmazeutischen Industrie ist mit 4,2 % (2005) am Umsatz höher als in vielen anderen Industriezweigen, der VFA gibt die F&E-Ausgaben mit 14,2 % des Bruttopro-duktionswerts und eine Beschäftigungs-quote im F&E-Bereich von 17,1 % an.

Im Vergleich der Bundesländer ist Hamburg pro Einwohner bei den Patentanmeldungen im Pharmabereich deutlicher Spitzenreiter,

Abbildung 29: Anteile des Gesundheitssektors an der Gesamtbeschäftigung nach Regionen, 2007

Quellen: Bundesagentur für Arbeit (2007), Berechnungen des HWWI

56

450 Jahre

Tradition. So sind zum Beispiel Glaxo Well-come (heute: GlaxoSmithKline GmbH & Co. KG) seit 1973 in Bad Oldesloe und die Philips GmbH seit 1927 in Hamburg ansäs-sig. Bei der internationalen und nationalen Standortwahl ist nach der Aussage von Branchenmitgliedern neben der hohen Qua-lifikation der Mitarbeiter und der Expertise in der Hightech-Produktion auch der direkte Marktzugang zu einem der größten Arznei-mittelmärkte der Welt relevant (Bräuninger et al. 2008). Erschwert werde die Entwick-lung jedoch durch die „hohe Regulierungs-dichte“ und eine mangelnde Ausstattung mit Wagniskapital. Die Finanzierungspro-bleme vor allem junger Unternehmen wer-den wegen der oben beschriebenen langen Entwicklungszeiträume nur unzureichend durch staatlich geförderte Programme, wie das Kreditvergabesystem der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), bekämpft, da die Laufzeiten noch immer zu kurz sind. Langfristig verspricht die in etwa zehn Jah-ren betriebsbereite Fehmarnbeltbrücke eine bessere Anbindung von Hamburgs und

Schleswig-Holsteins Life-Science-Branche an den europaweit nach London und Paris drittgrößten Biotech- und Pharmacluster Öresund und die Metropolregion Kopenha-gen/Malmö. Diese wird von der OECD als eine der fünf forschungsstärksten Regionen innerhalb Europas angesehen (vgl. Garlick et al. 2006). Für Norddeutschland bietet eine bessere Anbindung und eine stärkere Orientierung an die nördlichen Nachbarn interessante Möglichkeiten – auch für den Standortwettbewerb innerhalb Deutsch-lands. In Norddeutschland sind – neben den Universitätskliniken, die einen großen Teil der klinischen Studien durchführen – ei-nige bedeutende Forschungseinrichtungen ansässig (vgl. Tabelle 8), die gute Start- und Standortbedingungen für den Bereich der Life Sciences bieten. Die Medizintechnik ist in Schleswig-Holstein und Hamburg überdurchschnittlich stark vertreten. Während fast zwei Drittel des bundesweiten Umsatzes der Medizintech-nik in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen erwirtschaftet werden, haben auch

Schwerpunkt Kürzel Ort

Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V.

Marine Biotechnologie EMB Lübeck

Toxikologie und Experimentelle Medizin TEM Hannover

Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e. V.

Infektionsforschung HZI Braunschweig

Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V.

Experimentelle Medizin MPI Göttingen

Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e. V.

Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen DSMZ Braunschweig

Experimentelle Virologie und Immunologie HPI Hamburg

Medizin und Biowissenschaften FZB Borstel

Tropenmedizin BNI Hamburg

Tabelle 8: Ausgewählte Forschungseinrichtungen für Gesundheit in Norddeutschland

Quelle: Zusammenstellung des HWWI

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Schwerpunkt Kürzel Ort

Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V.

Marine Biotechnologie EMB Lübeck

Toxikologie und Experimentelle Medizin TEM Hannover

Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren e. V.

Infektionsforschung HZI Braunschweig

Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V.

Experimentelle Medizin MPI Göttingen

Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e. V.

Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen DSMZ Braunschweig

Experimentelle Virologie und Immunologie HPI Hamburg

Medizin und Biowissenschaften FZB Borstel

Tropenmedizin BNI Hamburg

Der Kapitalbedarf in der Medizintechnik, ins-besondere junger Unternehmen, ist höher als im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt. Die Investitionen in Forschung und Entwicklung waren mit rund 8 % des Umsatzes doppelt so hoch wie im Rest der Industrie. Die höch-sten FuE-Ausgaben besitzen die Bereiche Zell- und Gewebetechnik sowie Therapiesy-steme. In ersterem wurde im Zeitraum von 2001 bis 2005 trotz des Abschwungs jedes vierte Start-up mit Wagniskapital (Venture Capital) finanziert. Größeren Einfluss auf den Erfolg als die VC-Finanzierung eines Unter-nehmens hat die Bonitätseinstufung (vgl. BMBF 2005). Der Großteil (ca. 97,8 %) der Forschungsausgaben wird von etablierten Unternehmen geleistet, die mehr als fünf Jahre am Markt bestehen. Neben einem positiven Wachstumseffekt der Qualifikation der Gründer und der Gründungsgröße lässt sich beobachten, dass insbesondere F&E-intensive Unternehmen schneller wachsen, sich aber nicht besser am Markt behaup-ten. Dies muss im Zusammenhang mit dem deutschen Gesundheitssystem gesehen werden. Es lässt sich folgern, dass besonders im Ausland zukünftig Chancen für die norddeut-sche Medizintechnik liegen, da der Erfolg von Medizintechnik innerhalb Deutschlands in hohem Maße von der Aufnahme der vom Gerät erbrachten Leistung in den Leistungs-katalog der Gesetzlichen Krankenkassen abhängt. So ist es möglich, dass innovative Technologien innerhalb Deutschlands we-gen des Kostendrucks der Krankenkassen nicht umgesetzt werden und somit großen Teilen der Bevölkerung verschlossen blei-ben. Eine starke Exportorientierung der Me-dizintechnik ist daher zu begrüßen, damit sich neu entwickelte Produkte auf freien,

die beiden norddeutschen Länder mit 9,5 % und 6 % des Umsatzes großen Anteil. Auch was die Umsatzentwicklung betrifft, ist in Norddeutschland ein positiver Trend zu ver-zeichnen (vgl. Tabelle X). Die Medizintech-niksparte besitzt eine deutlich überdurch-schnittliche Gründungsdynamik und wird in Deutschland von kleinen und mittelstän-dischen Unternehmen geprägt. Etwa neun von zehn Unternehmen in diesem Sektor beschäftigen weniger als 20 Mitarbeiter. In Hamburg und Schleswig-Holstein sind me-dizintechnische Unternehmen tendenziell größer als im Bundesdurchschnitt, was un-ter anderem durch einige Niederlassungen international präsenter Großkonzerne erklärt werden kann. Bundesweit sind Konzentra-tionstendenzen zu beobachten, die beson-ders mit der Übernahme junger Unterneh-men durch größere Kooperationspartner erklärt werden können. Die starke Position Schleswig-Holsteins entsteht jedoch nicht allein durch große Unternehmen wie die Dräger Medical Deutschland GmbH oder die Johnson & Johnson Medical GmbH, sondern wird durch viele mittelständische Unternehmen und mehrere Institute getra-gen (vgl. Life Science Nord 2008). Die nord-deutsche Medizintechnik weist gegenüber dem Bundesdurchschnitt ferner eine hohe Exportquote auf (vgl. Tabelle 9). In inlands-orientierten Bereichen wie der Zahntechnik sind dagegen Umsatz- und Beschäftigungs-rückgänge festzustellen. Hier haben die ge-sundheitspolitischen Maßnahmen zur Ko-stenreduktion wie etwa Leistungskürzungen bei Zahnersatz einen dämpfenden Einfluss gehabt. Insgesamt ist zu beobachten, dass größere Unternehmen mit stärkerer interna-tionaler Ausrichtung kräftiger expandieren als kleinere, inlandsbezogene Betriebe.

58

450 Jahre

Jahr Be-triebe

1

Beschäf-tigte

Umsatz insg.

Inland Ausland Umsatz je

Beschäf-tigten

Export-quote

Anzahl Anzahl TEUR TEUR TEUR Euro Prozent

Hamburg

2000 26 2.822 486.163 210.463 275.700 172.276 56,7

2001 23 2.863 492.988 176.380 316.608 172.193 64,2

2002 24 3.042 560.764 197.372 363.392 184.341 64,8

2003 24 3.010 547.642 200.026 347.616 181.941 63,5

2004 30 3.202 643.541 209.768 433.773 200.981 67,4

2005 30 3.178 685.755 200.469 485.286 215.782 70,8

2006 29 3.745 1.041.443 492.263 549.180 278.089 52,7

Schleswig-Holstein

2000 62 5.674 849.235 504.508 344.727 149.671 40,6

2001 64 5.694 911.797 462.825 448.972 160.133 49,2

2002 66 5.779 931.664 469.747 461.917 161.215 49,6

2003 68 5.517 988.750 432.524 556.226 179.219 56,3

2004 66 5.519 1.428.958 356.276 1.072.682 258.916 75,1

2005 67 5.519 1.614.255 355.269 1.258.986 292.490 78

2006 60 5.358 1.646.057 337.599 1.308.458 307.215 79,5

Norddeutschland

2000 88 8.496 1.335.398 714.971 620.427 157.180 46,5

2001 87 8.557 1.404.785 639.205 765.580 164.168 54,5

2002 90 8.821 1.492.428 667.119 825.309 169.190 55,3

2003 92 8.527 1.536.392 632.550 903.842 180.180 58,8

2004 96 8.721 2.072.499 566.044 1.506.455 237.645 72,7

2005 97 8.697 2.300.010 555.738 1.744.272 264.460 75,8

2006 89 9.103 2.687.500 829.862 1.857.638 295.232 69,1

Deutschland insgesamt

2000 1.057 78.984 10.589.362 5.572.532 5.016.830 134.070 47,4

2001 1.058 82.215 11.935.596 5.980.522 5.955.074 145.175 49,9

2002 1.063 84.235 12.722.904 5.964.671 6.758.233 151.041 53,1

2003 1.094 88.546 13.556.711 6.313.950 7.242.761 153.104 53,4

2004 1.140 91.827 14.563.508 6.107.734 8.455.774 158.597 58,1

2005 1.158 90.465 15.538.391 5.947.167 9.591.224 171.761 61,7

2006 1.122 91.856 17.268.107 6.460.893 10.807.214 187.991 62,6

Tabelle 9: Medizintechnik in Norddeutschland – Zahlen und Fakten

Quellen: Statistisches Bundesamt (2008), Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein (2008),

zitiert nach Bräuninger/Wohlers (2008)

59

Hamburger Börse

nicht durch die Gesundheitspolitik regu-lierten Absatzmärkten durchzusetzen kön-nen (vgl. Sachverständigenrat zur Begutach-tung der Entwicklung im Gesundheitswesen SVRiG 2005). Das Bundesministerium für Bildung und Forschung schätzt das un-ternehmerische Risiko für Innovationen in der Medizintechnik in den USA dazu pas-send geringer als in Deutschland ein, da ein Produkt dort, sofern es durch die rigideren Zulassungsprozesse gelangt, viel eher als in Deutschland kostendeckend verwendet werden kann (vgl. BMBF 2005). Die USA werden somit als attraktiverer Absatzmarkt betrachtet, zu erwarten ist allerdings, dass die zunehmende Bereitschaft zur Selbstbe-teiligung an den Kosten von Gesundheitslei-stungen oder zu gänzlich eigenfinanzierten Vorsorgemaßnahmen den deutschen Markt langfristig attraktiver machen wird.Durch die weltweite Orientierung der nord-deutschen Medizintechnik erklärt sich, dass der Leistungsaustausch mit dem Welt-marktführer USA in den letzten Jahren stark intensiviert wurde und zugleich Wachstum-schancen, vor allem durch verstärkten Ex-port nach Asien, genutzt werden konnten. Diese Entwicklung wird sich weiter fortset-zen und verstärken. Die Medizintechnik wird sich in Zukunft vor allem in den Bereichen Computerisierung, Miniaturisierung und Molekularisierung entwickeln. Als Schlüs-seltechnologien werden Informations- und Kommunikationstechnik, Mikrosystemtech-nik und Mikroelektronik, Laser und Optik, Nanotechnologie, neue Werkstoffe und Bi-omaterialien sowie Zell- und Biotechnologie bezeichnet.Die Gesundheitsversorgung und insbeson-dere die Krankenhauswirtschaft befinden sich im Umbruch. Die Gesundheitsreformen

von 2003, 2004 und 2007 zogen deutliche Veränderungen nach sich. Die Einführung von Praxisgebühren und Zuzahlungen bei Arzneimitteln, aber auch die offensichtliche Reformbedürftigkeit haben dazu geführt, dass in der Öffentlichkeit das deutsche Ge-sundheitssystem immer noch als Kostenfak-tor und als ineffizient wahrgenommen wird. Mit dem Druck zur Konsolidierung des defi-zitären Gesundheitswesens stieg der Druck, wirtschaftlicher zu agieren. Kühn und Klinke (2006) sprechen von einem Paradigmen-wechsel im Krankenhaussystem. Während früher das Kostendeckungsprinzip gegol-ten habe, bei dem Krankenhäusern ex-post Ausgaben für erbrachte Leistungen erstattet worden seien, stehe Deutschland nun vor dem Übergang zu einem „prospektiven Fi-nanzsystem“ im Gesundheitswesen.In den letzten Jahren sei der Trend zu Stel-lenabbau und Veränderung der Beschäfti-gungsstruktur in der Gesundheitswirtschaft zu erkennen. Stellen für Hochqualifizierte (zum Beispiel für Ärzte) würden neu geschaf-fen, die Beschäftigung im Pflegebereich werde auf leicht sinkendem Niveau intensi-viert und einfache Tätigkeiten (zum Beispiel Hygiene) würden an private Dienstleistungs-unternehmen ausgelagert. Ein deutlicher Abbau von Arbeitsplätzen ist im Saldo in der Vergangenheit dabei nicht zu beobachten gewesen. Vielmehr war das Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen netto ein großer Bereitsteller neu geschaffener Stellen. Nord-deutschland profitierte stärker als der Bun-desdurchschnitt vom Wachstum in diesem Sektor, insbesondere Niedersachsen (24,1 %) und Schleswig-Holstein (22,0 %) sta-chen hervor, doch auch für Mecklenburg-Vorpommern, dessen Gesamtbeschäftig-tenzahl im betrachteten Zeitraum um 8,9 %

60

450 Jahre

gehören Klinik-Trägergesellschaften zu den größten privatwirtschaftlichen Arbeitgebern der beiden Länder. Privat getragene Kliniken sind im Schnitt größer als freigemeinnüt-zige, jedoch kleiner als öffentlich-rechtliche, zu denen noch immer die meisten Univer-sitätskliniken zählen. Die Gesamtzahl der Kliniken sank seit der Wende um knapp 13 %, und eine Prognose geht davon aus, dass bis zum Jahr 2020 weitere 25 % der Krankenhäuser aufgeben und zwei Drittel der öffentlich-rechtlich getragenen Kliniken geschlossen oder privatisiert werden müs-sen, womit der Anteil der privaten Träger bundesweit auf 39 % anwachsen würde (vgl. Ernst & Young 2005). Dies gilt aufsei-ten der Wettbewerbshüter als Problem, da Gebietskörperschaften durch Fusionen öffentlich-rechtlich getragener Kliniken regi-onale monopolistische Strukturen schaffen, die der weitgehend immobilen Gesund-heitsnachfrage gegenüberstehen (vgl. Mo-nopolkommission 2008). Auf diese Weise können bei einer späteren Privatisierung der Kliniken höhere Erlöse als im Falle mit-einander im Wettbewerb stehender Kran-kenhäuser erzielt werden. Um für Patienten eine effiziente Gesundheitsversorgung zu gewährleisten und das Wachstumspoten-zial auszuschöpfen, ist zunächst ein funkti-onierender Wettbewerb sicherzustellen. Die derzeitige Praxis, von der öffentlichen Hand geschaffene Monopole im Gesundheitswe-sen zu privatisieren, führt dagegen nicht zu Kosteneffizienz und einer besseren Gesund-heitsversorgung. Ein weiterer Wachstumsmarkt der Gesund-heitswirtschaft ist der Gesundheitstourismus. Der Fremdenverkehr hat für die Wirtschaft in Norddeutschland überdurchschnittliche Bedeutung. In Niedersachsen gibt es jähr-

sank, bedeutet das Wachstum im Gesund-heitssektor eine Chance. Die positive Wir-kung auf die Beschäftigungsentwicklung hat dazu geführt, dass sich die Sichtweise des Gesundheitswesens als Kostenverursa-cher langsam in Richtung der eines „Wachs-tumsmotors“ verschiebt. Angesichts der Verluste im Gesundheits-wesen haben in den letzten Jahren in fast allen Bundesländern Kreise und Kommunen die Privatisierung von Kliniken ausgeweitet. Dabei ist das übliche Verfahren die Vollpri-vatisierung des Klinikums. Der neue Träger verwaltet die Krankenhäuser in Form einer Holding. Meistens steht nach der Privati-sierung eine Aktiengesellschaft als Dach-verband über den einzelnen Kliniken, die in Gesellschaften mit beschränkter Haftung umgewandelt werden. Für den Fall der In-solvenz des privaten Betreibers wird häufig eine Rückführungsklausel der Klinik in den Besitz der Gebietskörperschaft vereinbart, um die Versorgung zu gewährleisten.In Deutschland befanden sich im Juni 2007 24,8 % der Kliniken in privater Trägerschaft, 39 % in freigemeinnütziger (Diakonie, Cari-tas etc.) und 36 % in öffentlich-rechtlicher. Der Prozess der Privatisierung von Kliniken ist in Schleswig-Holstein (39 % private Trä-gerschaft) und Mecklenburg-Vorpommern (50,7 %) bereits weiter vorangeschritten als in anderen Bundesländern. Seit 2004 hat der bundesweite Anteil der privat getra-genen Kliniken um 0,8 % zugenommen, in Hamburg jedoch um 39,8 % (vgl. Abbildung 30).

Da die Wirtschaft in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern anders als in Niedersachsen vor allem von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägt ist,

61

Hamburger Börse

lich knapp 36 Mio. Übernachtungen, in Mecklenburg-Vorpommern 26,3 Mio. und in Schleswig-Holstein 23,6 Mio. (vgl. Deut-scher Tourismusverband 2008). Allein auf die See- und Seeheilbäder an den Küsten entfallen jährlich 36,2 Mio. Übernachtungen von 6,3 Mio. Gästen und damit 10 % des Tourismusaufkommens in Deutschland-. Die Gästezahl an der Küste stieg seit 1999 um 32,7 %. Die Zahl der Übernachtungen ent-wickelte sich wegen des Trends zu kürzeren Reisen langsamer, dennoch stieg sie um 15,5 % (vgl. Deutscher Heilbäderverband 2008). Die Seebäder sind jedoch fast aus-schließlich für Inländer interessant – 97 % der Gäste im Jahr 2006 waren Deutsche.

Rund 8,0 % der Urlaubsreisen ins Ausland und 12,0 % der Urlaubsreisen innerhalb Deutschlands sind vorrangig durch das In-teresse an der Verbesserung des Gesund-heitszustandes motiviert (vgl. ADAC Reise-monitor 2008). Dieser Wert schwankte in den letzten Jahren in Abhängigkeit der kon-

junkturellen Lage zwischen 8 % und 12 %. Die Werte decken sich mit anderen Studi-en, die Gesundheitsreisen einen Marktan-teil von 8,8 % beziehungsweise 9 bis 10 % allein bei längeren Aufenthalten (mehr als vier Tage) einräumen und besonders auf die große Bedeutung von Kurzaufenthalten hinweist (vgl. Ostdeutscher Sparkassenver-band OSV 2005). Eine Studie des Instituts für Freizeitwirtschaft befragte Urlauber nach ihrem Interesse an Gesundheitstourismus (vgl. FF 2008). Hochgerechnet knapp sechs Mio. Menschen zeigten sich an Health-Care- und Wellnesstourismus interessiert, mehr als vier Mio. an Urlaub mit „konsequenten Prophylaxeprogrammen“ zur Verbesserung der Gesundheit, der sich als aktiver Ge-sundheitstourismus bezeichnen lässt. Die Zahl der Interessenten an derartigen Touris-musformen wird sich wegen der demogra-fischen Entwicklung und des wachsenden Bewusstseins für Gesundheit nach gängigen Einschätzungen bis 2020 etwa verdoppeln. Insgesamt zeigt die Hälfte der Touristen bei

Januar 2001

37,9%

55,2%

6,9%

öffentlich freigemeinnützig privat

Mai 2007

6,7%

46,7%

46,7%

öffentlich freigemeinnützig privat

Abbildung 30: Struktur der Trägerschaft Hamburger Kliniken

Quelle: Darstellung HWWI auf Basis des Krankenhausplans 2010 der Freien und Hansestadt Hamburg

62

450 Jahre

Befragungen ein Interesse an Gesundheits-tourismus. In diesem Bereich entwickelt sich ein großer Markt, auf dem die norddeut-schen Länder wegen der Seenähe und ih-rer dünnen Besiedelung Vorteile gegenüber anderen Regionen Deutschlands haben, die weiterhin vermarktet werden sollten. Fast 90 % der Gesundheitsurlaube finden im In-land statt, wobei Urlaub in Deutschland vor allem bei Älteren und wohlhabenden Bevöl-kerungsschichten attraktiv ist (vgl. FF 2008 und ADAC Reisemonitor 2007).

4.3 Chancen und Perspektiven für Ham-burg und Norddeutschland

Hamburg und Norddeutschland weisen ins-gesamt günstige Start- und Standortbedin-gungen für die Gesundheitswirtschaft auf. In der forschungsintensiven und innovations-starken Pharma- und Biotechbranche ist die internationale Konkurrenz jedoch sehr groß. Die Globalisierung schafft zwar neue Absatzmärkte, gleichzeitig hat sich aber auch der regionale Standortwettbewerb deutlich verschärft. Insbesondere China, Indien, Dänemark sowie Irland und Israel holen gegenüber den etablierten Standor-ten wie den USA, Frankreich, Japan oder England stark auf. In diesem Bereich wird es für Deutschland schwierig, die internati-onal „mobilen“ Forschungsinvestitionen zu akquirieren. Günstig sieht es dagegen in der Medizintechnik und der klinischen For-schung aus. Hier haben sich auch Hamburg und Schleswig-Holstein einen guten Ruf er-worben. In diesen Bereichen ist es sinnvoll, auf bestehenden Strukturen aufzusetzen und diese weiter auszubauen. Ähnliches gilt für die Bereiche Wellness und Gesundheit-stourismus. Hier profitiert Norddeutschland

von der Nähe zu Nord- und Ostsee, die hervorragende Möglichkeiten bietet, Wert-schöpfungsketten von der Gesundheitsver-sorgung bis hin zu Prävention und Rehabili-tation räumlich zu integrieren. Inwieweit sich die Gesundheitswirtschaft in Zukunft tatsächlich zu einem Wachstums-markt entwickelt, hängt maßgeblich von der Gesundheitspolitik ab. Bislang haben Regulierungen der Nachfrage- und Ange-botsseite zu Kostendämpfungsmaßnahmen geführt, die helfen sollen, die chronischen Finanzierungsprobleme des Gesundheits-wesens zu lösen. Eine „Null-Preis-Illusion“, die den Versicherten und Patienten den Eindruck verschafft, Gesundheitsleistungen seien eine Art „öffentliches Gut“ und daher kostenlos, hat zu einer Überbeanspruchung des Gesundheitswesens geführt. Eine zu-nehmende Deregulierung dürfte zu einer stärkeren Umschichtung von öffentlichen zu privaten Gesundheitsausgaben führen und der Gesundheitswirtschaft einen weiteren Wachstumsschub verleihen (vgl. Straubhaar et al. 2006). In der Folge wird es in der Ge-sundheitswirtschaft zu einem Strukturwan-del kommen, in dem sich im Wettbewerb neue Geschäftsmodelle, Organisations- und Finanzierungsformen herausbilden werden.

63

Hamburger Börse

1. ÜberblickDie Wertpapierbörsen in Hamburg und Hannover gehören zu den ältesten Börsen in Europa; die Hamburger Börse ist die äl-teste in Deutschland. Die Börsen bilden die merkantilen Zentren der jeweiligen Städte. Ihre lange Geschichte ist Beleg dafür, dass sie es geschafft haben, sich auf veränderte Markt- und Wettbewerbsgegebenheiten einzustellen und die jeweiligen Aufgaben der verschiedenen Epochen mit Erfolg zu meistern.

Die Börsenstruktur in der Bundesrepublik Deutschland war und ist durch das föde-rative System geprägt. So gibt es keine nationale deutsche Börse, sondern viel-mehr sieben voneinander unabhängige Wertpapierbörsen (neben denen in Ham-burg und Hannover gibt es weitere in Ber-lin, Düsseldorf, Frankfurt, München und Stuttgart). Die Börsen unterliegen der Auf-sicht des jeweiligen Bundeslandes. Dieses System wurde immer wieder kritisch hin-terfragt. Allerdings hat sich in der Vergan-genheit jede einzelne Börse als wichtiger Wettbewerbsfaktor erwiesen: So gehen die Abschaffung des Mindestschlusses, die Ausdehnung der Handelszeiten sowie die Etablierung neuer Handelsplattformen, wie etwa der börsliche Fondshandel, auf Initiativen der Regionalbörsen zurück.

Rechtlich betrachtet sind Börsen teilrechts-fähige Anstalten des öffentlichen Rechts.

Errichtung und Betrieb bedürfen einer Ge-nehmigung durch die Aufsichtsbehörde des Bundeslandes, in dem die Börse ihren Sitz hat. Kennzeichnend für das deutsche Börsensystem ist ferner das Auseinander-fallen von Börse als ein Marktplatz auf der einen und dem Träger der Börse auf der an-deren Seite. Letzterer stellt die materiellen Ressourcen für den Börsenbetrieb bereit – unterhält also ein Börsengebäude sowie die für den Handel erforderliche Technik. Außerdem nimmt er die Geschäftsleitung sowie die Mitarbeiter der Börse unter Ver-trag. Die Aufgabe des Trägers wurde zu-nächst überwiegend von privatrechtlichen Vereinen wahrgenommen. Dabei waren die Vereinsmitglieder in der Regel die Han-delsteilnehmer der jeweiligen Börse. Ende des vergangenen Jahrhunderts erfolgte bei allen deutschen Börsen eine Übertra-gung der Trägerschaft auf privatrechtliche Aktiengesellschaften. Hintergrund waren die gestiegenen Anforderungen an die Trä-ger sowie die sich abzeichnenden Verän-derungen im Marktumfeld. Hierfür zeigten sich die Vereinsstrukturen als nicht mehr zeitgemäß und nicht flexibel genug.

Die Hanseatische Wertpapierbörse Ham-burg und die Niedersächsische Börse zu Hannover gründeten 1999 mit der BÖAG Börsen AG eine gemeinsame Gesell-schaft, die an beiden Börsenplätzen die Trägerfunktion von den bisherigen Trä-gervereinen übernahm. Letztere sind mit

Teil B: Börsen AG Hamburg-Hannover: Zukunft hat bei uns Tradition

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450 Jahre

jeweils 50 % an der Börsen AG beteili-gt. Geschaffen wurde damit nicht nur erstmals ein gemeinsames Dach für zwei verschiedene deutsche Kassa-Börsen, sondern es handelt sich auch um den er-sten freiwilligen Zusammenschluss zweier deutscher Börsen. Die privatrechtlich ba-sierte Partnerschaft war von Anfang an darauf ausgelegt, offen für weitere Interes-senten zu sein. Die Vorzüge zweier Plätze wurden kombiniert und die Kompetenzen gebündelt.

Ein Zusammenlegen der Handelsplätze war mit dieser Maßnahme nicht verbun-den, die öffentlich-rechtlichen Börsen an Elbe und Leine blieben bestehen. Dadurch konnte die partnerschaftliche Zusammen-arbeit mit den Handelsteilnehmern an den jeweiligen Plätzen übergangslos fortge-setzt werden. Die gegenseitige Anerken-nung der Börsenmitgliedschaften schuf einen zusätzlichen Mehrwert für die Markt-teilnehmer. Die Nähe zu den Emittenten aus der Region des jeweiligen Börsen-platzes blieb ebenfalls gewahrt.

Für die neu gegründete Börsen AG Hamburg-Hannover liegen die Vor-teile der Allianz auf der Hand: Es eröff-nen sich neue finanzielle Möglichkeiten, in die Modernisierung der technischen Systeme zu investieren. Die stetig stei-genden personellen Herausforderungen, verursacht nicht zuletzt durch die verlän-gerten Handelszeiten, können gemein-sam wesentlich besser bewältigt werden. Darüber hinaus ist durch die Vereinigung der beiden Häuser das politische Ge-wicht im Wettbewerb der Finanzplätze in Deutschland und Europa erhöht worden.

Mit der Börsen AG Hamburg-Hannover konnte das Fundament gelegt werden, um die beiden Börsen im Wettbewerb bestmög-lich zu positionieren und für die künftigen Herausforderungen optimal auszustatten. Die Neustrukturierung erfolgte seinerzeit in der sicheren Erwartung, dass tief greifende Veränderungen auf die Finanz- und Kapi-talmärkte zukommen würden. Die Börsen-landschaft war und ist seit einigen Jahren weltweit in Bewegung. Ähnlich wie in der In-dustrie werden die Unternehmenseinheiten größer. Der Zwang zur Bildung größerer Un-ternehmenseinheiten hat zugenommen, da nicht zuletzt infolge der politischen Entwick-lungen der vergangenen Jahre nicht nur in Europa die Märkte immer stärker zusam-menwachsen. Der Wandel des Umfeldes ist heute keineswegs abgeschlossen, sondern setzt sich mit hoher Geschwindigkeit fort. Dabei sind unterschiedliche Faktoren für die Veränderungen verantwortlich, die selbst-verständlich maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsausrichtung der Börsen AG ha-ben.

Mitverantwortlich für den Strukturwandel auf den organisierten Kapitalmärkten war und ist der rasante Fortschritt auf dem Gebiet der Kommunikations- und Informations-technologie. Die elektronische Revolution im Wertpapierhandel macht auch eine Neuaus-richtung der Börsen erforderlich. Die tech-nischen Möglichkeiten des jederzeitigen, weltweiten Informationsaustausches haben das jahrhundertelang prägende Bild einer Börse weitgehend obsolet werden lassen. In diesem wurde die Börse als Ort gesehen, an dem Makler und Händler per Zuruf Kauf- und Verkaufaufträge über Waren und Wert-papiere zusammenführten, wobei die Han-

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Hamburger Börse

delsgegenstände typischerweise nicht vor Ort sein mussten. Im heutigen Zeitalter kann auf die Präsenz der Marktakteure verzichtet werden, die räumliche Dimension der Bör-se entfällt. Die moderne Informations- und Kommunikationstechnologie eröffnet zu-dem die Chance des Zusammenschlusses von Börsen durch Vernetzung oder Grün-dung gemeinsamer Handelsplattformen. Zwangsläufig kam es in der Folge zu einigen großen Fusionen in der internationalen Bör-senlandschaft. Das Ergebnis der Merger-Welle sind vier übergreifende Blöcke aus Deutsche Börse und International Securities Exchange, den Börsen in London, Mailand und Katar, der Nasdaq, der OMX und der Börse in Dubai, der New York Stock Ex-change mit der Mehrländerbörse Euronext.

Die heutigen Möglichkeiten der Informa-tions- und Kommunikationstechnologie füh-ren aber auch zu der Entstehung von Han-delsplätzen jenseits der klassischen Börsen. So gab und gibt es bei einigen großen, in-ternational operierenden Marktteilnehmern Bestrebungen, eigene außerbörsliche Han-delsplattformen nach dem Beispiel der USA auch in Deutschland beziehungsweise Eur-opa aufzubauen.

Diese sogenannten alternativen Handelssy-steme (ATS) oder Multilateral Trading Faci-lities (MTF), entstanden in den USA in den Siebzigerjahren aus dem außerbörslichen Handel großer Ordervolumen von vor allem institutionellen Investoren (Blockhandel). Die ATS haben sich in den USA längst als be-deutende Wettbewerber der traditionellen Börsen und Intermediäre etabliert. Begün-stigt wird der Erfolg dieser Handelssysteme durch den Boom des Aktienhandels über

das Internet, also das auch in Deutschland heute fest verankerte Online-Broking. Die Vorteile der alternativen Handelssysteme im Wettbewerb mit den etablierten US-Börsen liegen insbesondere in den niedrigeren Ko-sten sowie der höheren Flexibilität im Hin-blick auf die Umsetzung der Möglichkeit, Datenverarbeitungssysteme leistungsfähi-ger und kosteneffizienter zu gestalten. Da-rüber hinaus praktizieren einige Anbieter ei-nen 24-Stunden-Handel und haben auch in dieser Hinsicht gegenüber den etablierten Börsen die Nase vorn.

In Europa waren vergleichbare Systeme bisher kaum von Bedeutung, nicht zuletzt wegen der geringeren Kostenvorteile ge-genüber etablierten Börsen. Dies könnte sich allerdings in naher Zukunft ändern. Mit Inkrafttreten der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) im Novem-ber 2007 ist der Boden für die Etablierung außerbörslicher Systeme bereitet worden. So entfällt der in einigen europäischen Län-dern noch vorhandene Zwang, Aktienor-ders über Börsen abzuwickeln. Und auch in Deutschland existiert seitdem der gesetz-lich verankerte Börsenvorrang nicht mehr. Ferner wurden Börsen und außerbörsliche Plattformen aufsichtsrechtlich gleichge-stellt. Da zudem die Technologie zum Bau einer Handelsplattform längst nicht mehr so teuer ist wie einst, sind die wichtigsten Ein-trittsbarrieren für neue Anbieter entfallen.

Mittlerweile sind erste Anbieter im Markt tätig, andere Initiativen werden voraussicht-lich noch in diesem Jahr starten. Hinter der im April 2007 gegründeten Chi-X stehen der japanische Broker Nomura sowie einige Großbanken und Investmenthäuser. In den

66

450 Jahre

Startlöchern dürfte ferner das schon mehr-fach verschobene Projekt Turquoise ste-hen, das 2006 von großen Investment-banken aus der Taufe gehoben wurde. Schätzungen gehen davon aus, dass die beteiligten Investmentbanken 50 % des europäischen Orderflows ausmachen. Es bleibt abzuwarten, wie viel Orderflow tatsächlich über diese Plattformen abge-wickelt wird. Eines wird aber heute schon nach dem Handelsstart von Chi-X deutlich: Die neuen Wettbewerber sind ernst zu neh-men und werden nennenswerte Umsatz-anteile auf sich vereinigen. Insofern stehen die etablierten Börsen erneut vor großen Herausforderungen.

Für die Regionalbörsen in Deutschland bie-ten diese Entwicklungen auch Chancen. Damit sie genutzt werden können, müssen sich diese Börsen eindeutig positionieren und ihrerseits die Kräfte bündeln. Denn gerade wegen des Trends zur Größe wird das Betätigungsfeld für spezialisierte Bör-sen größer. Den Regionalbörsen bietet sich die Möglichkeit, mit einem ausgewogenen Dienstleistungsangebot für die kleineren Marktteilnehmer, Emittenten sowie Pri-vatanleger ihre bisherige Position nicht nur zu behaupten, sondern auszubauen.

Entsprechend dieser Einschätzung verfol-gen die Börsen Hamburg und Hannover eine klare Strategie, die durch zwei zentrale Schwerpunkte geprägt ist: zum einen den Ausbau des traditionellen Wertpapierge-schäfts verbunden mit der Bereitstellung eines optimalen Service für den Privatan-leger, zum anderen die Erschließung neuer Geschäftsfelder jenseits der traditionellen Aktivitäten.

Im Bereich des traditionellen Wertpapierge-schäftes setzen die Börsen Hamburg und Hannover auf ein breites Angebot an handelbaren Wertpapieren aller Gattungen sowie auf die Vermittlung der Geschäfte durch preisfeststellende Makler (sogenann-te Skontroführer). Auch weiterhin wird die Maklerbörse nach unserer festen Überzeu-gung die wichtigste Plattform für private Anleger sein. In Größenordnungen, wie sie von privaten Anlegern geordert werden, hat sich die Maklerbörse als sehr viel effektiver erwiesen als vollelektronische Handelssy-steme. Gerade im Bereich der weniger li-quiden Werte, und das sind bis auf die 10 bis 15 liquidesten DAX®-Titel alle übrigen Aktienwerte, ist ein funktionsfähiger Handel auf Intermediäre als Liquiditätsspender an-gewiesen. Sollte bei weniger liquiden Titeln einmal kein Kontrahent gegenüberstehen, tritt der Skontroführer ein und sorgt damit für permanente Liquidität. Ein weiterer Vor-teil gegenüber vollelektronischen Handels-systemen besteht darin, dass die Kosten für Privatanleger minimiert werden, weil Teilausführungen grundsätzlich vermieden werden.

Seit Einführung der Best-Execution-Rege-lungen der MiFID im November 2007 sind Wertpapierhäuser zu einer bestmöglichen Ausführung der Kundenaufträge verpflich-tet. Investoren werden zudem nur dann an eine Börse zu binden sein, wenn die Aus-führung der Aufträge deren Ansprüchen dauerhaft gerecht wird. In diesem Zusam-menhang kommt den Börsen Hamburg und Hannover die hohe Ausführungsqua-lität zugute, die die Skontroführer an bei-den Plätzen gewährleisten. So garantieren sie beispielsweise für alle an den Börsen

67

Hamburger Börse

Hamburg und Hannover gelisteten Aktien eine Ausführung zum gleichen Preis wie oder sogar zu einem besseren Preis als an den wichtigen Referenz-Handelsplätzen. Im Bereich der DAX®-30-Werte wird zudem spreadlos innerhalb der Xetra-Spanne ge-handelt. Das heißt, Anleger können ihre Ak-tien im selben Moment zum gleichen Preis kaufen beziehungsweise verkaufen. Zudem verzichten die Makler bei sämtlichen Akti-enorders bis zu einem Kurswert von 5000 Euro auf die Courtage. Für Orders darüber erhalten die Makler eine Courtage in Höhe von 0,04 % bei DAX®-30-Aktien und 0,08 % bei den übrigen Aktien – nach oben gibt es zudem einen Cap: Anleger zahlen für die Ausführung unabhängig von der Ordergrö-ße maximal 8 Euro.

Im Bereich des traditionellen Wertpapier-geschäftes ist ein weiteres Zukunftssignal durch die Etablierung des Premium Capital Port gesetzt worden. Mit diesem Handels-segment soll insbesondere mittleren und kleinen Unternehmen die Möglichkeit zum Börsengang gegeben werden. Diese Unter-nehmen haben häufig nicht die Möglichkeit, einen Börsengang im regulierten Markt zu realisieren, da sie die Zulassungsvoraus-setzungen und Folgepflichten nicht erfüllen können. Für diese Unternehmen ist es von entscheidender Bedeutung, an anderen Börsenplätzen außerhalb Frankfurts in den Fokus der Anleger zu gelangen. Andernfalls könnten sie zu den Verlierern der zuneh-menden Internationalisierung gehören, da es dadurch immer schwieriger sein wird, das Anlegerinteresse zu wecken. Der Pre-mium Capital Port bietet eine ausgezeich-nete Möglichkeit, die erforderliche Aufmerk-samkeit der Anleger zu gewinnen.

Abgerundet werden die Handelsangebote durch die Bereitstellung und Berechnung von Indizes. Speziell für die norddeutsche Wirtschaft wurden im Rahmen der Markt-transparenz zwei Indizes geschaffen, wel-che über die Kursentwicklung die Wirt-schaftskraft des Nordens widerspiegeln. Der 1996 aufgelegte HASPAX® enthält die 25 wichtigsten Unternehmen des Hambur-ger Wirtschaftsraums und berechnet sich auf Grundlage von Kursen der Börse Ham-burg. Das Pendant für Niedersachsen ist der NISAX®, der seit 2002 die Kursentwicklung der 20 größten Unternehmen des Bundes-landes abbildet und so bei Anlegern das In-teresse an Investmentchancen im norddeut-schen Bundesland weckt. Ergänzt wird das Angebot an Indizes durch den im Jahr 2007 auf Initiative der Börse Hannover ins Leben gerufenen Global Challenges Index (GCX). Mit diesem Index gelingt es erstmals, konse-quent und nachvollziehbar globale Chancen mit dem Leitbild „Nachhaltige Entwicklung“ zu verbinden. Abgebildet werden 50 Unter-nehmen verschiedener Branchen aus den G7-Staaten.

Neben dem Ausbau des traditionellen Han-dels mit Aktien und festverzinslichen Wertpa-pieren ist es erklärtes Ziel, neue Geschäfts-felder zu erschließen. Begonnen wurde diese Strategie bereits im Jahre 1996, als sich bei-de Börsen an der in Hannover gegründeten Warenterminbörse, der heutigen Risk Ma-nagement Exchange (RMX), beteilig ten. Ge-handelt wurden hier zunächst ausschließlich Agrarprodukte. Heute ermöglicht die RMX auch den Transfer von Einzelkrediten.

Die Besetzung neuer Geschäftsfelder ist zu-letzt mit der Etablierung des Fondshandels

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gelungen. Die Börsen AG startete bereits Ende der Neunzigerjahre einen anbieter-unabhängigen Handel mit geschlossenen Fonds. Im August 2002 kam der Handel mit offenen Fonds hinzu. Damit wurde ein Han-delsweg geschaffen, der erstmals die Vor-teile einer Fondsanlage mit den besonderen Ordermöglichkeiten beim Börsenhandel ver-bindet. Auf der Handelsplattform der Bör-sen AG „Fondsbörse Deutschland“ können heute rund 7500 offene und geschlossene Fonds gehandelt werden. Mit ihrem um-fangreichen Angebot bei diesen Produkten sowie den hohen Qualitätsansprüchen ist die Börse Hamburg mittlerweile zum bör-slichen Fondshandelsplatz Nummer eins geworden. Ergänzend wurden auch in die-sem Bereich Indizes (Foxx20® Europa und Foxx20® Welt) aufgelegt, die Anlegern und Fondsmanagern erstmalig eine auf die je-weilige Fondskategorie basierende Bench-mark zur Verfügung stellen.

Die Börsen AG ist bestrebt, in Zukunft ähnlich wie im Fondsbereich weitere Fi-nanzprodukte handelbar zu machen. In der zweiten Jahreshälfte 2008 soll gemeinsam mit einem Unternehmen aus der Versiche-rungsbranche eine Plattform für den Handel mit Lebensversicherungspolicen gestartet werden. Ermöglicht werden soll ein Handel von Kapitallebens- und Rentenversiche-rungen über das Internet, der festen Re-geln unterliegt und von einer unabhängigen Stelle überwacht wird. Ebenfalls mit Partne-runternehmen soll ferner ein Modell für den Handel von Contracts for Difference (CFD) realisiert werden.

Mit den geschilderten Angeboten hat sich die Börsen AG als attraktive Alternative im

Wettbewerb der Börsen etabliert. Ein wich-tiges Anliegen war und ist ihr dabei aber auch die Förderung der Aktienkultur. So wurden in Hamburg und Hannover die Börsentage ins Leben gerufen, die nicht nur bei Privatanle-gern guten Anklang finden. Die regelmäßig im Herbst stattfindenden Finanzmessen er-freuen sich höchster Beliebtheit und stetig steigender Besucherzahlen. Zusätzlich bie-tet die Börsen AG an beiden Standorten Seminare an. Das breit gefächerte Angebot reicht von einführenden Seminaren bis hin zu speziellen Fragestellungen des Wertpa-piergeschäfts. Darüber hinaus können sich Anleger die aktuellen Informationen rund um den Handel regelmäßig ins Haus kommen lassen. Finanzinteressierte erhalten mit dem Newsletter „Börse aktuell“ und dem Maga-zin „Geld&Brief“ kostenlos unabhängige In-formationen rund um die Themen Geldanla-ge, Börse und Finanzmärkte.

Die Börsen AG hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich ihre Leistungen ausge-baut und ihre Konditionen für Anleger ver-bessert – mit Erfolg. Sie behauptet sich be-reits seit Jahren erfolgreich als Nummer drei unter den deutschen Börsen. Die Börsen AG setzt auch in Zukunft darauf, Beständig-keit und bewährte Konzepte mit Innovation zu verbinden. Trotz oder gerade wegen der zunehmenden Globalisierung im internatio-nalen Börsenwesen bieten sich für die Bör-sen Hamburg und Hannover gute Chan-cen, im Wettbewerb erfolgreich zu sein.

2. Vom amtlichen Kursmakler zur Wert-papierhandelsbank

Im 450sten Jahr des Bestehens der Hanse-atischen Wertpapierbörse Hamburg stehen

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Börsen und Maklerfirmen im Wettbewerb mit anderen Börsen, Finanzdienstleistern und Handelsplattformen. Am Beispiel der FAIRTRADE FINANCE AG soll hier der im engen Schulterschluss mit der Börse Hamburg vollzogene Wandel vom amt-lichen Makler in Form einer Einzelfirma hin zu einer modernen Wertpapierhandels-bank in der Rechtsform einer Aktienge-sellschaft in der vergleichsweise jüngsten Vergangenheit aufgezeigt werden.

2.1 Der traditionelle ParketthandelIn den Achtzigerjahren zeigte sich an der Börse Hamburg, damals noch Han-seatische Wertpapierbörse Hamburg genannt, das für damalige Verhältnisse typische Parkettbild. Die Maklerschaft versah ihren Dienst von den sogenann-ten Maklerschranken aus. Der amtliche Kursmakler wurde durch die Wirtschafts-behörde bestellt und vereidigt. Die Mak-ler firmierten als Einzelfirmen. Einzig die Preisfeststellung in den Werten des Frei-verkehrs durfte durch sogenannte Frei-makler, auch damals zum Teil schon als Kapitalgesellschaften organisiert, betreut werden. Neben dem amtlichen Aktien-markt (betreut durch 11! amtliche Aktien-kursmakler) und dem Freiverkehr wurden die Werte des amtlichen Rentenmarktes von fünf amtlichen Rentenmaklern be-treut. Alle amtlichen Makler (Anfang der Achtzigerjahre noch 26) waren in der Kursmaklerkammer, einer Einrichtung öffentlichen Rechts, organisiert. Hier waren auch die rund sechs Mitarbeite-rinnen angestellt, die für die Erfassung der täglich geschlossenen Wertpapierge-schäfte zuständig waren.

Die Wertpapiergeschäfte wurden damals aus-schließlich mündlich durch Zuruf und / oder Handzeichen oder telefonisch abgewickelt. Die Orderbücher der Makler wurden hand-schriftlich mit Bleistift geführt. Ausgeführte Limitorders wurden mittels eines Radiergum-mis aus dem Orderbuch wieder gestrichen. Das wäre unter heutigen aufsichtsrechtlichen Maßstäben ein undenkbarer Zustand. Die ausgeführten Geschäfte wurden auf kleinen Orderzetteln notiert und zur Erfassung den im hinteren Bereich der Maklerschranken sit-zenden Mitarbeiterinnen übergeben. Die Er-fassung erfolgte über IBM-Eingabeterminals. Die Abwicklung und Verrechnung wurde in Hamburg über die Liquidationskasse, einem Bankinstitut, welches ausschließlich auf die Abwicklung der Börsengeschäfte speziali-siert war, vorgenommen.

Für den Handel mit Aktien und Renten war ein sogenannter Mindestschluss festgelegt. Dieser gab die kleinste handelbare Einheit vor. In der Regel waren dies im Aktienhan-del 50 Aktien, im Rentenbereich 1000 DM. Beträge beziehungsweise Stückzahlen un-terhalb dieser Größen wurden nur einmal am Tag zur Kassennotiz, die Kassen wurden ab 12.00 Uhr gerechnet, festgestellt.

Handelstechnisch unterschied man damals zwischen der Einheitskursfeststellung und der fortlaufenden Notiz. Für Werte, die der Einheitskursfeststellung unterlagen, in der Regel die Werte kleiner Aktiengesellschaften, wurde pro Tag einmal mittags ein Kurs fest-gestellt. Für Werte, die der fortlaufenden Kursfeststellung unterlagen, wurden für den Mindestschluss oder ein Vielfaches davon durchgehend von 10.30 Uhr bis 13.30 Uhr Kurse festgestellt.

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Neben den Maklern nahmen damals nahe-zu alle anderen Marktteilnehmer, Banken und freie Makler direkt auf dem Parkett am Handel teil und unterhielten in der Mehr-zahl auch eigene Büros dort. Während der täglichen Börsensitzung kamen, neben den rund 50 Maklern, Freimaklern und de-ren Mitarbeitern noch ca. 60 bis 80 Händ-ler von Banken, also rund 130 Personen in das historische Gebäude am Adolphsplatz zusammen. Ein lautes, für Außenstehende hektisches und unübersichtliches Han-delstreiben, beherrschte den Handelssaal für drei Stunden. Um 13.30 Uhr wurde die Handelssitzung geschlossen.

2.2 Die Einführung von elektronischen Informations- und Handelssyste-men

So oder so ähnlich lief der Börsenhandel viele Jahre. Ende der Achtzigerjahre aber begann ein Prozess, der zu einer bahn-brechenden Wandlung des Börsenge-schehens führte. Die Auswirkungen dieses Innovations- und Verdrängungswettbe-werbs hatten sowohl auf Makler, Börsen, Geschäftsabwicklung und Handelstechnik als auch auf die Kunden selber großen Ein-fluss. Initiale Wirkung hatte wohl vor allem die rasante Fortentwicklung der Informati-onstechnologie. Im Oktober 1988 startete KISS, ein Kursinformationsservicesystem, welches die Anzeigentafeln auf dem Par-kett ansteuerte. Die Reuters AG, einer der weltgrößten Nachrichtenkonzerne, ent-wickelte ein System, mit welchem man in Echtzeit Kurse und Marktindikationen aller Börsen über den ganzen Globus einsehen konnte. Mit einem Schlag war ein Groß-teil des Arbitragehandels, also das Aus-

nutzen von Preisunterschieden gleicher Werte an verschiedenen Börsenplätzen hinfällig geworden. Gleichzeitig führte di-ese Preistransparenz zu einer Verengung der Handelsspreads, also dem Abstand zwischen An- und Verkaufspreis in einem Wertpapier, wodurch es erstmals zu einem sichtbaren Wettbewerb unter den Markt-platzanbietern und deren Maklern kam. Das führte bei den Maklern an den Börsen-plätzen zu dem Zwang, sich zunehmend mit den dort ansässigen Maklern messen zu müssen. Das Risiko wegen Unkenntnis der Marktlage an anderen Börsenplätzen Preise zu stellen, die für den Makler (Eigen-geschäft) oder seinen Kunden nachteilig waren, wurde mit der steigenden Transpa-renz von dem Risiko abgelöst, fortschrei-tend höhere Handelsvolumina und Preise auf Referenzmarktniveau für Werte garan-tieren zu müssen, zu denen im eigenen Orderbuch keine ausführbaren Orders vor-lagen.

Im Dezember 1989 startete IBIS I, der Vor-vorläufer des heutigen XETRA-Systems, als Interbanken-Informationssystem mit 14 DAX®-Werten. Die Börsen außerhalb Frankfurts nahmen diese Entwicklung, die eine zunehmende Konzentration der Um-sätze auf den Frankfurter Börsenplatz zur Folge hatte, zum Anlass, ihr Angebot nach-haltig zu verbessern. Als erste Maßnahmen sind hier der Verzicht auf den Mindest-schluss im variablen Handel (fortlaufende Notierung auch für 1 Stück) mit Aktien und die Verlängerung der Handelszeit zu nennen. Gleichzeitig wurde auch der Han-del außerhalb der offiziellen Börsenzeiten professionalisiert. Hier machte man sich die Kommunikationsmöglichkeit über das

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Reuters-Nachrichtensystem zunutze und veröffentlichte so einem interessierten Nutzerkreis praktisch ganztägig handel-bare Preise in Werten, die überwiegend im DAX® notiert waren.

Für die amtlichen Kursmakler war diese Phase aus wettbewerbstechnischer Sicht äußerst gefährlich. Freimaklerfir-men nutzten die Möglichkeit auch damals schon in der Rechtsform der Kapitalgesell-schaft aufzutreten und wuchsen rasant zu großen Handelshäusern heran. Der stei-gende Kapitalbedarf, ausgelöst durch den Zwang, größere Handelspositionen bei zunehmender Volatilität eingehen zu müs-sen, und die steigenden Kosten im Bereich der Handels- und Informationstechnik bei deutlich verschärften aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen, benachteiligte hier die Kursmakler im Status einer Einzelfirma gegenüber den Kapitalgesellschaften deut-lich.

Am 26. Januar 1990 brach für die deut-schen Börsen dann endgültig ein neues Zeitalter an. Die Deutsche Terminbörse (DTB) startete den vollelektronischen Han-del. Dies hatte maßgeblichen Einfluss auf die allgemeinen Wertpapierumsätze und die Preisschwankungen (Volatilität) in den einzelnen Werten. Die Konzentration auf den Börsenplatz Frankfurt schritt weiter fort.

Am 5. April 1991 nahm IBIS II, ein inte-griertes Börsenhandels- und Informati-onssystem, seine Tätigkeit auf. Das erste automatische Handelssystem in Deutsch-land – Betreiber ist die Deutsche Börse AG – startete seinen beeindruckenden Erfolgs-

lauf. Und nun ging es den etablierten Kräf-ten, der Kursmaklerschaft, an den Kragen. Gerade in den DAX®-Titeln, der Umsatz-domäne der amtlichen Kursmakler, brach, im ersten Schritt vor allem an den Parkett-börsen außerhalb Frankfurts, der Umsatz weg.

2.3 Die Bildung von Kursmaklergesell-schaften

Die nachrückende Gruppe junger Kurs-maklerstellverteter, seit Jahren auf ihre Vereidigung wartend, bemühte sich mehr-fach, bei den etablierten Kursmaklern Ge-hör für ein groß angelegtes Kooperations-konzept zu finden. Ein Zusammenschluss, fürs Erste zumindest auf technischer und räumlicher Ebene, schien unumgänglich. Die Geschäftsführung der Hanseatischen Wertpapierbörse Hamburg (hier hatte es Anfang 1990 einen Wechsel gegeben) war konstruktiver Diskussionspartner der Stell-vertreter und unterstützte deren Vorhaben. Leider blieben die Vorstöße ohne Erfolg. So kam es, dass gerade in Frankfurt, wo die Auswirkungen des elektronischen Handels noch verhältnismäßig gering waren, ein Zusammenschluss von elf Kursmaklern in einer Servicegesellschaft (ein Zusammen-schluss der Kursmaklergesellschaften war rechtlich noch nicht zulässig) der Start-schuss für den Wandel innerhalb der Kurs-maklerschaft gegeben wurde.

Im Jahr 1995 wurden die Stellvertreter zu amtlichen Kursmaklern bestellt. Das zweite Finanzmarktförderungsgesetz ermöglichte Kursmaklern erstmals, sich in Form einer Kapitalgesellschaft zuzulassen. Gemein-sam mit anderen amtlichen Kursmaklern

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wurde dann die erste deutsche Kursmak-lergesellschaft in Form einer GmbH ge-gründet. Die Hanseatische Wertpapierbörse Hamburg unterstützte das junge Team in Bezug auf die rechtliche Umsetzung nach Kräften und so konnte am 1. September 1995 der Handel in der neuen Gesellschaft aufgenommen werden. Das neue Projekt fand sehr schnell große Unterstützung im Kundenkreis und bestätigte das Team, den richtigen Weg gegangen zu sein. Ständige Verfügbarkeit, kontinuierliche Verbesserung der technischen Umgebung, Handel in allen Gattungen und eine insgesamt neue Ser-vicequalität setzten am Standort Hamburg neue Maßstäbe. In den Folgejahren wurden weitere Kursmakler in die Gesellschaft in-tegriert, die 1998 in Hamburger Kurs- und Freimaklergesellschaft (HKM) umbenannt wurde. Im Jahr 2001 war der gesamte amt-liche Markt in der Hand der HKM. 2002 wurde dann der Freiverkehr übernommen, sodass von da an sämtliche Aktien, Renten, Genussscheine und Zertifikate, die an der Börse Hamburg gelistet waren, von der HKM beziehungsweise deren Rechtsnachfolgerin betreut wurden. Im Januar 2007 wurde der gesamte Markt der Börse Hannover in den Handel der Gesellschaft aufgenommen.

Glaubte man noch im Jahr der Gründung der HKM, dass die Innovationsschübe und der Wettbewerbsdruck in der Zukunft et-was abnehmen könnten, so wurde man schnell eines Besseren belehrt. Das Wettbe-werbsumfeld erstreckte sich von der Breite des Spreads, den Ausführungskosten, der Ausführungsgeschwindigkeit, den Ausfüh-rungsbedingungen über neue gehandelte Assetklassen bis hin zur Übernahme des Orderroutings.

Die Kapitalanforderungen für Finanzdienst-leister, die sich im Bereich Skontroführung bewegten, stiegen kontinuierlich. Das er-kannten auch die Aufsichtsbehörden und verlangten ein Mindestkapital in Höhe von 750.000 Euro. Dieser Umstand, in Verbin-dung mit den ständig steigenden tech-nischen Anforderungen bei abnehmenden Provisionseinnahmen, sorgte für eine bei-spiellose Konsolidierungsphase. Der Zwang zum Zusammenschluss, der sich Mitte der Neunzigerjahre aus strategischer Sicht ab-gezeichnet hatte, wurde nun durch die fest-geschriebene Mindestkapitalanforderung rechtlich unterstützt. Die Gesellschafter der HKM manifestierten ihre guten Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit der Börsenge-schäftsführung und den Börsengremien in einer festen Partnerschaft. Im Rahmen einer Abspaltung zur Neugründung aus der HKM entstand zum 1. Januar 2001 rückwirkend die FAIRTRADE FINANCE AG, an der neben den Altgesellschaftern Schulz, Lübbe, Rade-ke und Kalischer die BÖAG Finanzdienstlei-stungs AG, eine Tochter der BÖAG Börsen AG, mit knapp über 50 % beteiligt war.

Was am 1. September 1995 mit drei Kurs-maklern begann, ist heute zu einer Wert-papierhandelsbank angewachsen, die 30 Mitarbeiter beschäftigt. Neben dem Schwerpunkt Skontroführung, in dem die FAIRTRADE rund. 1500 offene Investment-fonds, 4500 Renten, 700 Zertifikate und 1500 In- und ausländische Aktien betreut, steht die Gesellschaft heute mit ihrem drei-köpfigen Salestrading und Execution Team mit Fondsmanagern, Investmentbanken und Handelsabteilungen großer und kleiner Banken in Kontakt und führt deren Großor-ders interessewahrend aus. Handelszulas-

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sungen besitzt die Gesellschaft heute an allen Parkettbörsen, auf den XETRA-Platt-formen Frankfurt und Wien und dem außer-börslichen Handelssystem Quotrix. Darüber hinaus kann die FAIRTRADE für Kunden über Vertragspartner auch an allen wich-tigen ausländischen Weltbörsen handeln.

Gemeinsam mit der Börse Hamburg wur-den in den vergangenen Jahren diverse Maßnahmen ergriffen, die dafür gesorgt ha-ben, dass die BÖAG Börsen heute hinter den Börsen aus Frankfurt und Stuttgart den dritten Platz in der Umsatzstatistik inneha-ben. Beispielhaft sind hier neben dem Han-del in offenen Investmentfonds die „Besser als XETRA-Garantie“ für Aktien, die Courta-gefreiheit für Aktienorders bis 5.000 Euro, der spreadlose Handel für DAX® 30 Titel bis zu einem Handelvolumen von 25.000 Euro und das Courtage Cap in Höhe von 8 Euro für alle Aktienorders zu nennen. Betrachtet man oben stehende Maßnahmen und die Tatsache, dass sich als Beispiel die Cour-tage (Umsatzprovision) für Aktiengeschäfte von 0,1 % Anfang der Achtzigerjahre auf 0,04 % für DAX®-Titel und 0,08 % für alle anderen Aktientitel reduziert hat und sich die Fixkosten für Finanzdienstleister eines Zuschnitts der FAIRTRADE in den letzten 15 Jahren in etwa verzehnfacht haben, gewinnt man einen kleinen Eindruck des enormen Wettbewerbsdrucks, der heute vorherrscht.

Die Börsenhandelszeit (1982: drei Stunden) ist inzwischen auf elf Stunden, von 9.00 bis 20.00 Uhr ausgedehnt worden. Ein Ende scheint hier noch nicht in Sicht. Das Arbeits-material des alten amtlichen Kursmaklers wie Ringbuch, Bleistift und Radiergummi ist heute einem Arbeitsplatz gewichen, der

den Makler hochtechnisiert in Millisekunden Schritten protokollierend, unterstützt, Ge-schäfte in wenigen Sekunden abzuwickeln. Die komplizierten und risikoreichen Ausfüh-rungskriterien lauten heute zum Beispiel. Drittelorder (die gehandelten Stücke dürfen ein Drittel des Gesamtumsatzes an einem Platz oder in einem Handelssystem nicht überschreiten), VWAP (Volume Weighted Avarage Price, gewichteter Schnitt eines vorgegebenen Referenzmarktes) oder ein-fach nur noch Netto, was in diesem Zusam-menhang courtagefreie Orderausführung bedeutet. Fazit: abnehmende Erträge bei deutlich gestiegenem Risiko und hohen Ko-sten.

Der steigende Wettbewerb hat zu Zusam-menschlüssen unter Dienstleistern geführt. Die ehemalige FAIRTRADE FINANCE AG hat ihre Aktivitäten im Sommer 2008 mit der mwb Wertpapierhandelbank in der AG, München gebündelt. Hier ist eine neue Nord-Süd-Achse entstanden mit dem Ziel, einer optimalen Betriebsgröße näher zu kommen und so den ständig steigenden Anforde-rungen des Marktes gerecht werden zu können. Die Geschäftsfelder ergänzen sich ideal. Es ist ein Dienstleister entstanden, der an allen Börsen zugelassen ist und an fünf von sieben Börsen Skontroführung betreibt.

3. Zweitmarkt.de – Handel mit geschlossenen Fonds an der Fondsbörse Deutschland

3.1 Der Markt für geschlossene Fonds im Wandel

Im Jahre 1998 wurde am Finanzplatz Ham-burg eine Handelsplattform für geschlos-

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sene gegründet. Zu dieser Zeit galt die An-lageklasse der geschlossenen Fonds noch als wenig fungibel. Beteiligungen wurden in der Regel bis zum Ende ihrer Laufzeit, in der Regel 15 oder 20 Jahre und manchmal so-gar noch länger, gehalten. Anleger, die ihre Beteiligung veräußern wollten, mussten sich entweder privat um einen Käufer bemühen oder sich an den Initiator wenden. Dieser kaufte den Anteil entweder zurück oder ver-mittelte ihn an einen interessierten Käufer. In beiden Fällen war das Verfahren mit Nach-teilen für den Verkäufer verbunden. Er hatte kaum eine andere Wahl, als den vom Initiator vorgegebenen Preis zu akzeptieren. Denn ein Großteil der Rückgaben erfolgte damals nicht aus Renditegründen, sondern vielmehr aus einer Zwangslage wie Scheidung, Tod oder Erbschaft. Für einen geregelten Handel gab es keinen Bedarf.

Anleger konnten nicht wie bei anderen Kapi-talanlagen einfach Gewinne mitnehmen, ihre Depotstruktur an geänderte Lebens- oder Vermögensverhältnisse anpassen oder auch nur ihre Anlageziele ändern. Zudem waren interessante Geldanlagen in geschlossenen Fonds oft nicht mehr zu erhalten, nachdem das Volumen einmal platziert und der Fonds für neue Anleger geschlossen war. Beson-ders bei sehr erfolgreichen Fonds war das für viele potenzielle Käufer eine Enttäuschung.

Seit der Einführung des Zweitmarkts an der Fondsbörse Deutschland vor zehn Jahren hat sich diese Situation grundlegend ge-ändert. Das damalige Credo, eine Ehe zu scheiden sei einfacher, als einen geschlos-senen Fonds zu verkaufen, gilt heute nicht mehr. Unter der Dachmarke Zweitmarkt.de betreut die Fondsbörse Deutschland Beteili-

gungsmakler AG als Pionier und Marktführer erfolgreich den Handel mit geschlossenen Fonds an der Fondsbörse Deutschland.

Zum Handel stehen Anteile von rund 4.000 Fonds bereit. Die Bandbreite reicht dabei von den klassischen Segmenten der Schiffe und Immobilien über Private-Equity-, Lebensver-sicherungs-, Windkraft- und Solarfonds bis hin zu Spezialfonds. Der Handel vollzieht sich an der Fondsbörse Deutschland transparent auf Basis einer Marktordnung und wird von Mitarbeitern der Handelsüberwachungs-stelle der Börse Hamburg überwacht. Das bedeutet für Anleger eine besonders hohe Transparenz, die ihnen faire und marktge-rechte Preise zusichert.

Durch veränderte gesetzliche und steuer-liche Rahmenbedingungen, hohe Ertrags-chancen und verringerte Mindestzeich- nungssummen konkurrieren geschlossene Fonds inzwischen recht unmittelbar mit ih-rem offenen Pendant. Das zeigen die Mit-telabflüsse aus offenen Immobilienfonds – Gelder, die oft in geschlossenen Immobili-enbeteiligungen reinvestiert wurden.

Besonders in den vergangenen vier Jah-ren haben Emissionshäuser, Treuhänder und Börsen eine Vielzahl von hausinternen und initiatorenübergreifenden Zweitmarkt-lösungen ins Leben gerufen. Einige dieser Zweitmärkte sind zwischenzeitlich in um-fassenderen Modellen aufgegangen, andere wurden vom Markt nicht angenommen und geschlossen.

Anders als noch vor wenigen Jahren existiert heute ein Zweitmarkt für gebrauchte Betei-ligungen. Hohe Umsätze verzeichnen dabei

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vor allem hausinterne Online-Plattformen der Initiatoren und der Zweitmarkt der Fondsbörse Deutschland. Die Zuwachsra-ten sind bei nahezu allen Modellen zweistel-lig. In der Gesamtbetrachtung stellt sich der Zweitmarkt aber sehr uneinheitlich dar, mit zum Teil großen Unterschieden bei Fonds-listing, Zugang für Käufer und Verkäufer, Handelsverfahren und Preisfeststellung.

3.2 Unterschiedliche ZweitmarktvariantenTraditionell konnten Anleger nur über die persönliche Vermittlung durch den Emit-tenten oder Treuhänder aus ihrer geschlos-senen Beteiligung aussteigen. Zu Zeiten, als Insolvenz, Scheidung oder Erbschaft noch die Hauptgründe für den Ausstieg waren und die zu vermittelnden Volumina entspre-chend gering ausfeilen, schien dies eine nahe liegende Lösung zu sein. Trotz der ver-änderten Ausgangslage gehen auch heute noch einige Emissionshäuser diesen Weg und verzichten vollständig auf eine Internet-plattform oder einen anderen öffentlichen Marktplatz. Der Vorteil für die Anleger ist, dass die Initiatoren ihre Fonds sehr genau kennen und bei Findung eines angemes-senen Verkaufspreises beraten können. Wie jedoch dieser Preis festgestellt wird oder wie genau der Handel abläuft, bleibt für Anleger zwangsläufig recht intransparent.

Eine Erweiterung des traditionellen Fonds-ausstiegs über den Initiator bieten die Internetplattformen einiger Emissions-häuser. Registrierte Anleger können hier gebrauchte Beteiligungen ver- oder er-steigern. Dieser Markt ist prinzipiell für alle Käufer und Verkäufer, ob privat oder institutionell, offen. In der Regel stehen

umfassende Informationen über die an-gebotenen Fonds zum Download bereit. Kaufinteressenten können kursrelevante Daten abrufen und den Kursverlauf einer Beteiligung einsehen. Verkäufer profitie-ren wie bei der nichtöffentlichen Lösung vom Informationsvorsprung des Initiators, der bei Wahl der Mindestgebotssumme unterstützen kann. Jedoch müssen sich Kaufinteressenten vorher auf mehreren Marktplätzen informieren, da das Fondsli-sting auf hauseigene Beteiligungen des je- weiligen Plattformbetreibers einge-schränkt ist. Die Kursfeststellung erfolgt im Auktionsverfahren. Der Anleger legt ein Mindestgebot fest, der Zuschlag er- folgt für den Käufer mit dem Höchstgebot am Auktionsende. Einige Anbieter grei-fen auf ein dynamisches Bietende zurück: Wenn ein Gebot kurz vor Ablauf der Auktion eingeht, verlängert sich diese automatisch um einige Minuten. Im Internet veröffentli-cht wird stets der aktuelle Kurs, das heißt das zweithöchste Gebot plus eine Bietstufe, nicht das Höchstgebot.

Ein Beispiel: Der Verkäufer legt 80 % der Einlagesumme als Mindestgebot fest. Vari-ante 1: Der einzige Interessent ist bereit ma-ximal 90 % zu zahlen, erhält den Zuschlag aber beim Mindestgebot, da Mitbieter feh-len. Variante 2: Zwei Interessenten bieten für die Beteiligung, der eine gibt 90 %, der andere 95 % als Höchstgebot ein. Der Zu-schlag erfolgt zu 90 % plus einer Bietstufe von einem Prozent, dass heißt. 91 Prozent des Nominalkapitals.

Für den Anleger ist zu beachten, dass sich beim Auktionsverfahren Kurschan-ce und Kursrisiko die Waage halten. Für

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den Verkäufer steigt bei großer Nachfra-ge die Chance auf einen Verkaufspreis über dem Marktwert der Beteiligung. Liegt das Mindestgebot niedrig und ist das In-teresse gering, kann der Zuschlag aber auch unter Wert erfolgen. Dem Käufer fällt dagegen ein eventueller Kursvorteil überproportional zu. Durch die Dynamik der Auktion können Anleger aber dazu verführt werden, mehr zu bezahlen als sie ursprünglich geplant haben. Schließ-lich möchte keiner in letzter Sekunde überboten werden.

Um die Bandbreite der angebotenen Fonds zu erhöhen, haben mittlerweile erste In-itiatoren ihren hauseigenen Zweitmarkt auch für Fremdfonds geöffnet. Aus Anle- gersicht ein wichtiger Schritt, wird so doch die Vergleichbarkeit mit den Beteiligungen anderer Häuser erhöht. Für die hausei-genen Fonds liegen wie bei den anderen internen Plattformen umfassende Informa-tionen vor.

Der direkte Verkauf an einen institutionellen Anleger in Form eines Zweitmarktfonds ist eine weitere Option, die sich ausstiegswil-ligen Anlegern im Beteiligungsmarkt bie-tet. Prinzipiell steht diese Möglichkeit allen Fondsbesitzern unabhängig von Emittent und Investitionsobjekt offen. Jedoch ist nicht jeder Zweitmarktfonds genau an deren Beteiligung interessiert. Denn nur bestimmte Fonds finden Aufnahme in die vorhandenen und geplanten Zweitmarkt-fonds für Schiffe und Immobilien.

Eine Konkurrenz unter Bietern gibt es nicht, da es jeweils nur einen Käufer gibt. Die Kaufpreise werden auf Nachfrage der

Anleger oder Initiative des Emittenten ge-stellt, sozusagen eine Wunschliste von Beteiligungen, die den Investitionskrite-rien entsprechen. Nimmt der Käufer den Kurs an, findet die Transaktion zu vorge-gebenem Kurs statt, sonst nicht. Für die Beteiligungen auf der Wunschliste besteht in der Regel eine zeitlich befristete Aus-führungsgarantie zu einem verbindlichen Kurs. Die Bewertung der Fonds und die Preisfindung erfolgen intern. Der Anle-ger kann bei dieser Zweitmarktvariante sicher berechnen, welchen Preis er für seinen Anteil bekommt, und kann seine Beteiligungen bei Bedarf zügig veräußern. Jedoch kaufen Zweitmarktfonds bei Wei- tem nicht jeden Fonds. Die Preisfindung ist wenig transparent. Und bei den er- worbenen Beteiligungen sind Zweitmarkt- fonds-Initiatoren im Sinne ihrer Anleger auf günstige Preise angewiesen, um die Ren-tabilität ihrer Fonds zu sichern.

Am flexibelsten sind initiatorenübergrei-fende Handelsplattformen – wie etwa Zweitmarkt.de ausgerichtet. Es gibt keine Beschränkung auf bestimmte Marktteil-nehmer oder Beteiligungen. Jeder Fonds kann gelistet werden, jedes Emissionshaus kann seine Beteiligungen listen lassen, so-fern bestimmte formale Voraussetzungen wie beispielsweise Informationspflichten erfüllt sind. Jeder Anleger kann als Käufer oder Verkäufer auftreten.

3.3 Zweitmarkt.de unter dem Dach der Börsen AG Hamburg-Hannover

Eine Vorreiterrolle bei den neutralen Han- delsplattformen hat die Fondsbörse Deutschland unter dem Dach der Börsen

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AG Hamburg-Hannover übernommen. Dort sind rund 4.000 Fonds aller Fonds-arten gelistet. Der Handel ist börsenseitig überwacht und basiert auf einer Marktord-nung. Die Fondsbörse Deutschland Beteili-gungsmakler AG bringt dabei als neutraler Makler Käufer und Verkäufer zusammen.

Abbildung 1: Die Struktur von Zweitmarkt.de

Auf der Internetseite Zweitmarkt.de ste-hen standardisierte Fondsinformationen zum Download zur Verfügung. Für kursre-levante Daten gibt es eine Meldepflicht der Initiatoren. Der Kursverlauf einzelner Beteili-gungen, soweit vorhanden, ist ebenfalls für jedermann abrufbar. Damit ist der Handels-ablauf bei Zweitmarkt.de einfach und trans-parent.

Will ein Anleger eine Beteiligung veräußern, wird das Angebot im Internet veröffentlicht und an derzeit 1100 registrierte Kaufinte-ressenten verschickt. Handelstäglich um 14.00 Uhr gleichen die Händler der Fonds-börse Deutschland Beteiligungsmakler AG alle Aufträge ab. Um einen für Käufer und Verkäufer gleichermaßen vertretbaren Preis zu ermitteln, räumen sie den höchsten Kauf-aufträgen und den niedrigsten Verkaufsauf-trägen Priorität ein. Sind die Aufträge gleich hoch, entscheidet die Reihenfolge des Ein-

gangs. Zu jedem Fonds wird täglich nur ein Vermittlungskurs ermittelt. Dieser gilt dann für alle vermittelbaren Aufträge dieses Fonds (Einheitskursverfahren).

Ein Beispiel: Der Verkäufer legt 80 % der Einlagesumme als Mindestgebot fest. Va-riante 1: Der einzige Interessent ist bereit, maximal 90 % zu zahlen. Der Handel findet zum arithmetischen Mittel von 85 % des Nominalkapitals statt. Variante 2: Mehrere Interessenten bieten für die Beteiligung. Die beiden höchsten Gebote liegen bei 90 und 95 %. Der Zuschlag erfolgt zum Mittelwert der Höchstgebote, also 92,5 %.

Der Vorteil des Einheitskursverfahrens, das bisher nur an der Fondsbörse Deutschland angewendet wird: Es findet ein Interessen-ausgleich zwischen den beiden Handelspar-teien statt. Käufer wie Verkäufer profitieren paritätisch von eventuellen Kursvorteilen. Zusätzlich minimiert die Verwendung des Mittelwerts der beiden besten ausführbaren Gebote die Gefahr überhöhter Kurse in überhitzten Märkten.

Ist ein passender Käufer für eine Beteiligung gefunden und der Preis festgestellt, erhält der Käufer eine Rechnung über Kaufpreis und Provision. Diese liegt für Käufer und Ver-käufer jeweils 2,5 % des Kaufpreises, min-destens jedoch bei 250 Euro. Nach Eingang der Zahlung durch den Käufer sendet der Makler den Kauf- und Übertragungsvertrag an die Fondsgesellschaft beziehungsweise den Treuhänder, damit die Beteiligung auf den Käufer umgeschrieben werden kann. Der Handel ist vollständig, sobald der Ver-käufer das Geld auf seinem Konto verbucht bekommt.

Börse Hamburg

Börsen AG

Marktgerechter Kurs als Ergebnis von Angebot und Nachfrage

Börse Hannover

Marktordnung der Börsen AG Hamburg-Hannover

OrderOrder

Zweitmarkt.de FONDSBÖRSEDEUTSCHLANDKäufer Verkäuferinitiiert durch die Börsen AG Hamburg-Hannover

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Im November 2004 erweiterte die Fonds-börse Deutschland ihre Handelsplattform für geschlossene Fonds um das sogenann-te Premium-Segment. Aktuell sind in diesem Segment 381 Fonds von 15 Premium-Part-nern gelistet. Das Segment zeichnet sich durch besondere Transparenzvorgaben und Informationspflichten aus. Initiatoren, die ihre Fonds listen lassen möchten, müssen diese erhöhten Informationspflichten erfül-len. Anhand der eingereichten Unterlagen, wie Emissionsprospekte und aktuelle Ge-schäftsberichte sowie ergänzende Angaben über die Gesellschaft, entscheidet der Bei-rat über ein Listing im Premium-Segment. Darüber hinaus müssen kontinuierlich alle kursrelevanten Meldungen und Fondsdaten offengelegt werden.Eine zweite Besonderheit des Premium-Segments ist eine Ausführungsgarantie für Verkaufsaufträge. Die Fondsbörse Deutsch-land Beteiligungsmakler AG veröffentlicht je-derzeit verbindliche Kaufgebote, die Anleger zu einem Gegenwert von bis zu 50.000 Euro – nach Absprache auch mehr – annehmen können. So müssen Verkäufer nicht erst warten, bis ein passender Käufer gefunden ist. Diese Option ist besonders interessant, wenn die Beteiligung dringend verkauft wer-den muss.

Seit Sommer 2007 bietet die Fondsbörse Deutschland Beteiligungsmakler AG unver-bindliche Preisindikationen zu den im Premi-um-Segment gelisteten Fonds. Diese Indi-kationen sind das Ergebnis eines komplexen Analyseverfahrens und dienen dem Anleger als Orientierungshilfe, was eine Beteiligung am aktuellen Markt wert sein könnte. Be-sonders Verkäufer wissen oft nicht, wie hoch der Wert ihrer Beteiligung wirklich ist. Ganz

im Gegensatz zu vielen Käufern, die Profis im Geschäft sind und gern weniger für einen Anteil zahlen möchten, als dieser tatsächlich wert ist. Um diesem Ungleichgewicht am Markt entgegenzuwirken und Verkäufern eine Chance zu geben, einen guten Preis für ihre Beteiligung zu erzielen, veröffentlicht Zweitmarkt.de die Preisindikationen.

Für das Erstellen einer Preisindikation wer-den die jeweiligen Fonds detailliert analy-siert. Dabei berücksichtigen die Analysen bei Immobilienfonds unter anderem Pro-gnosen über die weitere Entwicklung der Mietpreise und der Leerstandsquoten. Zu-dem werden Annahmen über zukünftige Fremdkapitalzinssätze, die Inflation und den Verkaufsfaktor der Immobilie getroffen. Bei Schiffsfonds fließen Annahmen über die Entwicklung der Charterraten, den Wech-selkurs und die Schiffsbetriebskostenent-wicklung in die Analyse ein. Und auch hier kommen Einschätzungen zu Fremdkapital-zinssätzen und Wiederverkaufswerten der Schiffe zu den Berechnungen hinzu. Auf der Grundlage dieser Analyse werden die zukünftigen Auszahlungen berechnet und unter Verwendung eines risikoadäquaten Diskontierungsfaktors abgezinst. Ihr Bar-wert wird schließlich in Relation zum Kom-manditkapital gesetzt und das Ergebnis bildet den Ausgangspunkt für die Preisin-dikationen.

Die Bemühungen der Fondsbörse Deutsch-land, ihre Zweitmarktplattform klar und of-fen zu gestalten, wurden im Herbst 2007 mit dem Scope Award für Transparenz be-lohnt. Die Scope Group bewertet Fonds-manager und Unternehmen zum einen nach Umsatz, Renditen und Bilanzen, zum

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Hamburger Börse

anderen aber auch nach Qualität, Transpa-renz und Innovationskraft. Die Fondsbörse Deutschland Beteiligungsmakler AG schuf mit ihren Preisindikationen erstmals einen Orientierungspunkt und eine Vergleichsba-sis für Tausende von Anlegern in dem nach wie vor wenig transparenten Markt der ge-schlossenen Fonds.

Im Mai 2008 erhielt der Handel geschlos-sener Fonds an der Fondsbörse Deutsch-land eine Zertifizierung für ausgezeich-nete Dienstleistung durch die Dekra. Das Dekra-Siegel steht für Leistung, Qualität und Sicherheit von Produkten beziehungs-weise Dienstleistungen. Die Fondsbörse Deutschland wurde als Handelsplattform für geschlossene Fonds mit den Schlag-wörtern überwacht, neutral und transpa-rent ausgezeichnet.

3.4 Wie geht es weiter mit Zweitmarkt.de?Besonders in den vergangenen vier Jahren ist der Zweitmarkt für geschlossene Fonds stark gewachsen. Das Jahr 2007 jedoch war bislang das umsatzstärkste Jahr. Da-bei ist nicht nur die Zahl der Zweitmarkt-plattformen stark angestiegen, sondern vor allem das Interesse der Anleger am Zweitmarkt an sich. Das belegen die hohen Umsatzzuwächse auf allen Plattformen: In 2007 wurde die 1-Milliarde-Euro-Marke überschritten – ein Meilenstein für den noch jungen Markt. Und er wird weiter wachsen. Allein schon aufgrund der anhaltend ho-hen Platzierungsvolumina im Erstmarkt. Im Jahr 2007 sind im Erstmarkt rund 150 Mrd. Euro umgesetzt worden. Ist davon aus-zugehen, dass am Zweitmarkt etwa 2 % des Gesamtmarktumsatzes handelbar sein

sollten, würde dies einem Potenzial von 1,6 Mrd. Euro entsprechen.

Am Zweitmarkt der Fondsbörse Deutsch-land wurde im Jahr 2007 ebenfalls eine wichtige Marke überschritten: Anfang De-zember erreichte die Handelsplattform ei-nen Handelsumsatz von 150 Mio. Euro. Den meisten Umsatz generieren – anders als man in Hamburg erwarten würde – Im-mobilien. Und das Potenzial ist weiterhin groß.

4. Fondshandel an der Börse Hamburg

4.1 Die Entwicklung des Fondshandels an der Börse

Der Kauf von Investmentfonds bietet ge-genüber anderen Direktanlagen durchaus Vorteile: Die Kapitalanlagegesellschaften bündeln das Geld vieler Anleger und inve-stieren es in Aktien, Anleihen und anderen Wertpapierarten. Hierdurch kann man sich auch mit relativ geringen Beträgen in unter-schiedlichen Anlageformen engagieren und gleichzeitig das Risiko für Verluste mindern.

Somit stellen Fonds eine attraktive Anlage-form da. Diese Attraktivität wird allerdings durch den Ausgabeaufschlag, der von den Kapitalanlagegesellschaften erhoben wird und oftmals über 5 % beträgt, vermindert. Bevor der Fonds in einen rentablen Bereich kommt, muss seine Wertentwicklung die Höhe des Ausgabeaufschlages kompen-sieren. Da dies oft erst nach einer gewissen Zeitspanne der Fall ist, sind Fonds häufig nur für langfristig orientierte Anleger attrak-tiv. Zudem gestaltete sich die Ordererteilung nicht einfach: Da der Kurs nur einmal am

80

450 Jahre

Tag festgestellt wurde und eine Limitierung nicht möglich war, geriet das Investment für den Anleger bisweilen zu einem Blindflug. Die Möglichkeit, Fonds an der Börse handel- bar zu machen, wurde in der Fachwelt zwar als ein innovatives Projekt angesehen. Häu-fig wurde aber unterstellt, dass dieses nicht durchführbar sei. Diese Herausforderung nahm die Börse Hamburg an und führte im August 2002 mit zunächst 31 Fonds den börslichen Fondshandel in Deutschland ein. Nach einer zunächst zögerlichen Betei-ligung – der neue Weg, Fonds zu ordern, musste zunächst der Anlegerschaft be-kannt gemacht werden – gelang es durch eine hohe Ausführungsqualität und massive Marketingmaßnahmen, diese Plattform zu etablieren. Der Umsatz, der im ersten voll-ständigen Geschäftsjahr 2003 noch 168 Mio. betrug, stieg bis auf 5,6 Mrd. im Jahr 2007. Mit diesen Zahlen ist die Fondsbörse

der Börse Hamburg bis heute Marktführer in Deutschland, obwohl Mitbewerber nach Abwarten der Anfangsschwierigkeiten die Idee kopierten und sich ebenfalls in diesem Handelssegment positionierten. Die aner-kannt führende Rolle der Börse Hamburg zeigt sich aber nicht allein in den Umsatz-zahlen, sondern auch darin, dass andere deutsche Börsen auf die Preise, die von der Fondsbörse veröffentlicht werden, referen-zieren.

Die Anzahl der handelbaren Fonds stieg rasant bis auf nunmehr rund 3600 Fonds. Diese werden von zwei kompetenten Part-nern der Börse Hamburg, der mwb Fair-trade Wertpapierhandelsbank AG und der Schnigge Wertpapierhandelsbank AG, als Skontroführer betreut.

Die 3600 Fonds können fortlaufend zwi-schen 9.00 und 20.00 Uhr gehandelt wer-

17 22,331,5

56,5

131,1

10,9

18,1

21,6

1,6

1,2

1,4

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

110

120

130

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150

160

2003 2004 2005 2006 2007

Immobilienfonds Schiffsbeteiligungen Sonstige

Umsatz nominal in Mio. EURO

Abbildung 2: Umsatzwachstum von Zweitmarkt.de

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Hamburger Börse

den. Der Anleger wählt aus den Bereichen Aktienfonds, Rentenfonds, Geldmarktfonds, offenen Immobilienfonds, Dachfonds und diversen Spezialfonds. Auch Investoren, die neben den klassischen Gesichtspunkten wie Rendite und Sicherheit achten, sondern ihre Auswahl unter ethischen, sozialen oder ökologischen Gesichtspunkten treffen, fin-den in Hamburg eine große Anzahl gelisteter Nachhaltigkeitsfonds.

Der Index enthält 50 Titel weltweit tätiger Großunternehmen sowie kleiner und mitt-lerer Unternehmen, die durch ihre Produkt- und Dienstleistungspalette eine nachhaltige Entwicklung fördern und sich gleichzeitig Chancen für die zukünftige Geschäftsent-wicklung erschließen.

4.2 Der Weg der Order an die BörseNachdem der Investor seine Auswahl ge-troffen hat, wendet er sich an seine Bank, bei der er ein Wertpapierdepot unterhält. Dies ist ein weiterer Vorteil, da keine zu-sätzlichen Konten notwendig sind. Die Wahl des Ausführungsplatzes obliegt allei-ne dem Kunden.

Zusätzlich zu den bereits genannten Vortei-len kommt hinzu, dass der Anleger bei dem Orderweg über die Börse die Möglichkeiten hat, Limite zu setzen und den Auftrag auch zeitlich zu begrenzen. Eventuelle Risiken können durch die Option, Stop-Loss Or- ders erteilen zu können, minimiert. Diese verhindert, dass sich mögliche Verluste immer stärker ausweiten. Gerade in unru-higen Marktphasen sind diese Instrumente zur aktiven Depotsteuerung besonders wichtig.

Die hohe Kostentransparenz sowie der Handel zu Realtime-Fondspreisen und nicht zuletzt die Überprüfung der Kursfeststel-lungen durch eine unabhängige Handelsü-berwachung garantieren dem Kunden eine faire und sichere Abwicklung.

Um dem Anleger schon bei der Order- aufgabe eine hohe Transparenz und Sicher-heit zu bieten, haben sich die Schnigge Wertpapierhandelsbank AG und die mwb Fairtrade Wertpapierhandelsbank AG als skontroführende Makler bei der Aus-führung von Aufträgen zu folgenden Preisfeststellungsvorgaben – dass heisst der Einhaltung folgender Maximalspreads (Spanne zwischen Geld- und Briefkurs) und garantiert handelbarer Volumen bei unlimitierten Orders – verpflichtet:

• Aktienfonds mit Anlageschwerpunkt im DAX® und EUROSTOXX®: Spread ma-ximal 1,0 % auf den aktuellen Geldkurs, garantiert handelbares Volumen 200.000 Euro

• Rentenfonds mit Anlageschwerpunkt Deutschland und Westeuropa: Spread maximal 1,0 % auf den aktuellen Geld-kurs, garantiert handelbares Volumen 100.000 Euro

• Übrige Aktien- und Rentenfonds und ge-mischte Fonds: Spread maximal 1,5 % auf den aktuellen Geldkurs, garantiert handelbares Volumen 30.000 Euro

• Immobilienfonds: Spread maximal 1,5 % auf den aktuellen Geldkurs, garantiert handelbares Volumen 100.000 Euro

• Geldmarktfonds: generell ohne Spread, bei wenigen Ausnahmen Spread maximal 0,5 % auf den aktuellen Geldkurs, garan- tiert handelbares Volumen 200.000 Euro

82

450 Jahre

0

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

6.000

2002 2003 2004 2005 2006 2007

Abbildung 3: Umsatz der Fondbörse

• ETFs / Indexfonds: Quotierung (Spread und handelbares Volumen) erfolgt in An-lehnung an die jeweilige Markt- und Or-derlage

• Selbstverständlich können auch über die garantierten Handelsvolumina hinausge-hende Beträge gehandelt werden. Vor Or-dererteilung über die Bank empfiehlt sich in diesen Fällen eine vorherige Kontaktauf-nahme mit dem zuständigen Skontrofüh-rer.

Fazit: Mit dem Fondshandel über die Börse Hamburg wurde ein gänzlich neuer Order-weg etabliert und dadurch der gesamten Investmentbranche ein wichtiger Impuls ge-geben. Fonds lassen sich heute so einfach, schnell und direkt handeln wie Aktien. Die niedrigen Kosten und die Sicherheitsmecha- nismen sprechen für den börslichen Fonds-

handel. Aufgrund dieser Vorteile verzeichnet die Börse Hamburg eine wachsende Zahl von Anlegern, die genau diesen Weg bei ihrer Ordervergabe wählen, der verdiente Lohn für die erfolgreiche Umsetzung einer innovativen Idee.

5. CFD-Börse DeutschlandUnter der Bezeichnung „CFD-Börse Deutsch-land“ wurde eine neue Initiative ins Leben gerufen, bei der spezielle Differenzgeschäfte - sogenannte Contracts for Difference (CFD)- über eine Handelsplattform getätigt werden können.

Die BÖAG Börsen AG geht bei ihrem Modell Produktpartnerschaften ein. Vertragspartner werden üblicherweise die Market Maker, die auf der Plattform die Preise stellen sowie so-

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Hamburger Börse

Abbildung 4: Der Weg der Order an die Börse

Hausbank

Direktbank

Auswahl desFonds

Auswahl desFührungs-weges

KAG

• bis zu 5 % Aufgabeaufschlag

feste Annahmezeiten

i.d.R. längereAbwicklung

Börse Hamburg

Ausschließliche Entscheidungen des Anlegers

Investitions-williger Anleger

kein Aufgabeaufschlag

Handel von 09:00 bis20:00 Uhr

zügige Abwicklung

genannte Introducing Broker. Das Beson-dere an dieser Plattform ist, dass der hierauf stattfindende Handel einer Überwachung durch in der Handelsüberwachungsstelle der Börse Hamburg tätiges Personal unter-worfen ist.

5.1 Historie und Funktionsweise von CFDsErfunden wurde der Contract for Difference bereits vor mehr als 20 Jahren in Großbri-tannien. Hier kam das Produkt vor allem im Interbankenmarkt zum Einsatz, teilweise unter dem Begriff Equity Swap. CFDs wur-den auch in Kanada, Australien und Südo-stasien eingeführt. In Deutschland gibt es CFDs seit ungefähr 3 Jahren. Ein CFD ist kein Wertpapier und wird auch nicht an der Börse gehandelt. Der CFD ist vielmehr eine privatrechtliche Vereinbarung („Contract“) zwischen zwei Parteien, die die Zahlung der Differenz zwischen dem Kauf- und Ver-kaufskurs bei Glattstellung des Kontraktes zum Inhalt hat.

CFDs gibt es auf Aktien, Anleihen, Indices, Währungen und Commodities. Das Ange-bot richtet sich an erfahrene und risikobe-wusste Anleger, die sowohl auf steigende und fallende Kurse spekulieren können. Mit einem CFD tätigt der Anleger kein Di-rektinvestment, sondern spekuliert auf die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufskurs eines bestimmten Basiswertes.

Der CFD steigt und fällt genauso wie der Basiswert. Im Unterschied zum Direkter-werb des Basiswerts ist für den Erwerb eines CFD nur ein deutlich niedrigerer Ka-pitaleinsatz erforderlich. Dadurch, dass nur ein bestimmter (verhältnismäßig geringer) Prozentsatz des tatsächlichen Handels-preises des zugrunde liegenden Werts als Sicherheit - die sogenannte margin - hin-terlegt wird, entsteht eine Hebelwirkung. Kursänderungen beim Basiswert verursa-chen damit - bezogen auf diese hinterlegte Sicherheit - prozentual hohe Schwan-kungen.

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450 Jahre

KeineAnnahme-

zeiten / keinneues Depoterforderlich

Börsenhandelvon

09:00 Uhr bis20:00 Uhr

FortlaufendePreiser-mittlung

SofortigeAusführunginnerhalbweniger

Sekunden

Geschäfts-abschlüsse

realtimeeinsehbar

(times & sales)

Vermeidung von

Teilausführungen

Handelsüberwachungsstelle als unabhängiges

Kontrollgremium

Abbildung 5: Die Vorteile des börslichen Fondhandels auf einen Blick

Das Handelsergebnis wird beim CFD von der Kursentwicklung des Basiswerts be-stimmt - aufgrund eines Hebels können Gewinne, aber auch Verluste, entsprechend größer ausfallen als bei einem Direktinvest-ment.

Beispiel der Hebelwirkung bei Kauf eines CFD und steigenden Kursen:

Der Kurs einer Aktie sei 100 Euro. Bei einem Direktinvestment in die Aktie müsste ein An-leger bei einem Erwerb von 100 Aktien zu einem Preis von 100 Euro einen Kaufpreis von 10.000 Euro entrichten.

Anstelle eines Direktinvestments kann der Anleger jedoch auch 100 CFDs auf die Aktie zu 100 Euro erwerben. Hierfür muss er eine Sicherheit in Höhe von 5 % auf die Gesamt-position von 10.000 Euro hinterlegen, also 500 Euro.

Steigt der Kurs der Aktie um fünf Prozent auf 105 Euro, erzielt der Verkäufer des Di-rektinvestments einen Verkaufserlös in Höhe

von 10.500 Euro, sein Gewinn beträgt 500 Euro. Die Rendite auf sein eingesetztes Ka-pital beträgt 5 %.

Auch der CFD-Anleger erzielt einen Gewinn in Höhe von 500 Euro. Das entspricht nomi-nal dem Gewinn eines direkten Aktieninvest-ments, der Kapitaleinsatz fällt mit 500 Euro jedoch deutlich geringer aus. Das einge-setzte Kapital verdoppelt sich, die Rendite beträgt 100 %.

Beispiel der Hebelwirkung bei Kauf eines CFD und fallenden Kursen: Der Kurs einer Aktie sei wieder 100 Euro und ein Anleger müsste bei einem Direkterwerb von 100 Aktien wiederum einen Kaufpreis von 10.000 Euro entrichten. Fällt die Aktie auf 95 Euro, würde der Aktienanleger einen Verlust in Höhe von 500 Euro bzw. von 5 % auf das eingesetzte Kapital realisieren.

Der CFD-Anleger würde auch einen Verlust in Höhe von 500 Euro realisieren. Dies ent-spricht genau der Höhe der von ihm hinter-legten Sicherheit von 500 Euro. Aufgrund

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Hamburger Börse

der Hebelwirkung führt hier also bereits ein Kursrückgang um 5 % im Basiswert beim CFD-Anleger zu einem Totalverlust.

Aufgrund dieser Wirkungsweise des Hebels sind CFDs nur für erfahrene Anleger geeig-net. Bei ungünstiger Marktentwicklung kann es entsprechend zu Nachschusspflichten (so genannte margin call) kommen, wenn die hinterlegte Sicherheit nicht mehr ausreicht.

Es besteht für Anleger allerdings die Mög-lichkeit, Konten mit einer Risikobegrenzung einzurichten (unter Umständen wird dies durch das Kreditinstitut, bei dem der Kun-de sein Konto führt, auch vorgegeben): die Kontrakte werden dann mit einem garan-tierten Stop-Loss-Limit eröffnet und bei ungünstiger Marktenwicklung automatisch glattgestellt. Das Risiko ist damit auf das eingesetzte Kapital beschränkt und es be-steht in diesen Fällen keine Nachschuss-pflicht.

5.2 Vorteile von CFDs gegenüber ande-ren Produkten

Auch Privatanleger haben durch den Einsatz von CFDs die Möglichkeit, auf fallende Kur-se des Basisinvestments zu setzen, indem der CFD verkauft wird. Die Spekulation auf fallende Kurse ist mit dem Basiswert direkt meistens nicht möglich. Hier müsste zu-nächst der Basiswert, den der Anleger ak-tuell überhaupt nicht besitzt, „leer“ verkauft werden, um ihn dann später bei gefallenen Kursen günstiger zurück zu kaufen. Ein sol-ches Short Selling ist Privatanlegern jedoch in der Regel nicht gestattet. Mit CFDs lassen sich auch Short-Strategien für Privatanleger auf einfache Weise umsetzen.

Interessant sind CFDs auch für institutio-nelle Investoren, die das Produkt zum Ab-sichern von Positionen verwenden können. Der Einsatz von CFDs kann insofern durch-aus als Alternative zu herkömmlichen He-belprodukten angesehen werden.

CFDs gehören zwar, wie etwa auch Futures und Optionen, zur Gruppe der Hebelpro-dukte, anders als bei diesen Produkten stellt der Kauf oder Verkauf eines CFD aber kein Termingeschäft dar. CFDs beinhalten nämlich keine Rechte oder Pflichten, den Basiswert in der Zukunft zu kaufen oder zu verkaufen, sondern sind selbst aus dem Basiswert unmittelbar abgeleitet.

Der Charme von CFDs liegt in der Einfach-heit des Produkts und ihrer hohen Trans-parenz.

CFDs können im Prinzip unbegrenzt lan-ge gehalten werden. Anders als etwa bei herkömmlichen Optionsscheinen spielen Restlaufzeiten oder die Volatilität des Ba-siswerts hier überhaupt keine Rolle. Der CFD steigt und fällt genauso wie der Basis-wert. Die Differenz zwischen Kauf- und Ver-kaufspreis ergibt den Gewinn oder Verlust des Anlegers.

Strukturierte Produkte sind im Vergleich zu CFDs dagegen häufig sehr komplex, ihre Preisbildung ist eher intransparent und für den Anleger oftmals nur schwer nachvoll-ziehbar.

Konstruktionsbedingt lassen sich bei struk-turierten Produkten auch hohe Gebühren „verstecken“ – dies ist bei CFDs ausge-schlossen.

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450 Jahre

Für den Emittenten sind die „Produktions-kosten“ für einen CFD deutlich geringer als etwa bei strukturierten Produkten, bei de-nen Zulassungsgebühren und Kosten für eine Prospekterstellung anfallen.

Sofern CFD-Positionen über Nacht gehal-ten werden, entstehen Finanzierungsko-sten. Zwar fallen für den Käufer eines CFDs nicht die Finanzierungskosten an, die für den Erwerb des Basisinstruments erforder-lich wären, da er anstelle des Kaufpreises nur die deutlich geringere Margin hinterlegt. Allerdings entstehen dem Broker Finanzie-

rungskosten, die dem Anleger – meistens mit einem kleinen Aufschlag - in Rechnung gestellt werden.

Bei Shortpositionen hingegen verhält es sich anders herum und der Anleger erhält Zinserträge. Der Verkauf von CFDs ent-spricht einem Leerverkauf des Basiswerts. Es entsteht ein Zufluss, der verzinslich an-gelegt werden kann. Dieser Zinsertrag wird – meistens mit einem kleinen Abschlag – an den Anleger weiter gereicht.

5.3 Die Organisation der CFD-Börse Deutschland

Die CFD-Börse Deutschland ist eine Initiati-ve der BÖAG Börsen AG, der Trägerin der Börsen Hamburg und Hannover. Idee ist es, den Handel von CFDs einer professionellen und unabhängigen Überwachung zu unter-stellen.

Die Überwachung wird bei der „CFD-Börse Deutschland“ wahrgenommen durch eine spezielle „Transaction Monitoring Unit“, be-

stehend aus Personal der Börse Hamburg, welches überwiegend in der Handelsüber-wachungsstelle der öffentlich rechtlichen Börse tätig ist. Überwacht werden die Preis-feststellungen sowie die Einhaltung von Ga-rantien im CFD-Handel.

Ein solchermaßen überwachter CFD-Handel ist bislang einzigartig.

Kreditinstitute erhalten durch die CFD-Börse Deutschland die Möglichkeit, ihr Produktan-gebot um den CFD-Handel zu erweitern, ohne dass der Kunde bei einem anderen In-stitut oder Broker ein Konto eröffnen müsste. Hierin liegt der Charme des Modells – das Kreditinstitut behält seine Kunden und erwei-tert auf einfache Art sein Produktangebot.

Die CFD-Börse Deutschland ist indes kein closed shop, d.h. es gibt keine Exklusivität in den vertraglichen Beziehungen. Die CFD-Börse Deutschland ist ausdrücklich offen für mehrere Partner, die sich mit einer Überwa-chung des CFD-Handels ein besonderes Qualitätsmerkmal verschaffen möchten.

Mit der Initiative CFD-Börse Deutschland ha-ben die Börsen Hamburg und Hannover über ihre Trägergesellschaft erneut eine zu-kunftsträchtige Nische besetzt und ihre In-novationsfreude unter Beweis gestellt.

6. Bewusster Blick in die Zukunft mit dem Global Challenges Index

6.1 Zielsetzung für einen Nachhaltigkeits-index

Aktuelle Diskussionen um den Klimawandel, hohe Öl- und Energiepreise, sinkende Roh-

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Hamburger Börse

stoffvorräte und eine zunehmende Bevölke-rungsarmut schärfen das Bewusstsein vie-ler Bürger für Fragen der Ökologie, der Ethik und des sozialen Engagements. Aktivitäten der Politik, der Wirtschaft sowie im privaten Haushalt werden hinterfragt. Viele Anleger übertragen ihre persönlichen Meinungen und Stimmungen auch auf die Geldanlage. So zeigt sich die Auseinandersetzung mit dem Thema in einem gestiegenen Interesse an den so genannten „Nachhaltigen Invest-ments“. Tatsächlich waren zum 31. März 2008 laut einer Analyse des Sustainable Business Institute 186 Nachhaltigkeitsfonds zum Vertrieb in Deutschland, Österreich und Schweiz zugelassen. Dahinter steht ein inve-stiertes Volumen von rund 27,5 Mrd. Euro. Ende 2006 waren es dagegen 137 Fonds mit einem Volumen von 18,2 Mrd. Euro. Im Jahr 2004 waren es noch 110 Investment-fonds mit nur 5 Mrd. Euro. Der Sprung al-lein in den letzten dreieinhalb Jahren war gewaltig und lässt die Vermutung zu, dass eine Abhängigkeit zwischen der allgemei-nen Mediendiskussion und der „bewussten“ Geldanlage besteht.

Die Börsen Hamburg und Hannover wa-ren und sind stets sensibel dafür, Bedürf-nisse der Kunden und Handelsteilnehmer wahrzunehmen, und gleichzeitig motiviert, diese Gedanken für neue Produktideen auf-zunehmen. Der Grundstein für den Handel mit nachhaltigen Investments wurde bereits vor rund sechs Jahren durch den Handel mit offenen Fonds an der Börse Hamburg gelegt. Nachhaltigkeitsfonds erfuhren lan-ge Zeit keine besondere Gruppierung oder Markierung innerhalb der Listing-Vielfalt von rund 3600 Fonds. Dies änderte sich mit der Nachfrage von Anlegern, die bewusst

in einen Nachhaltigkeitsfonds investieren wollten, dabei über diverse Quellen selbst in-formiert hatten, und von den günstigen Kon-ditionen sowie der schnellen Ausführung an der Börse Hamburg überzeugt waren. Die Umsatzzahlen bei den Nachhaltigkeitsfonds sprechen für sich – seit 2003 gewannen diese Investmentfonds an Bedeutung, was sich in der Anzahl der Trades, im Umsatz und in der Anzahl der Listings widerspiegelt. Aktuell sind 44 Nachhaltigkeitsfonds di-verser Kapitalanlagegesellschaften an der Börse Hamburg gelistet.

Nachhaltigkeit im Sinne von „langlebig, in die Zukunft gerichtet“ hatte für die Börsen Ham-burg und Hannover seinen Reiz entfacht, und der Wunsch, das Angebot in diesem Bereich auszubauen, wurde zum erklärten Ziel. Dabei bleibt der Begriff „Nachhaltigkeit“ ohne eine eindeutige und feste Definition. Unbestritten ist aber, dass die drei Bereiche Ökologie, Ethik und Soziales in unterschied-licher Gewichtung dem Begriff zugeordnet werden. Da es an einer allgemeingültigen Definition für nachhaltige Investments man-gelt, sind Emittenten als Produktanbieter frei in ihrer Entscheidung, welche Unterneh-men sie in einem Produktportfolio bündeln und welche Kriterien sie dem Auswahlpro-zess zugrunde legen. Gleichzeitig wird dem Anleger die Pflicht auferlegt, sich mit dem entsprechenden Produktangebot ausein-anderzusetzen, um selbst zu prüfen, ob die Inhalte des Angebots auch mit seinen indi-viduellen Vorstellungen von Nachhaltigkeit übereinstimmen. Der Unterschied zwischen einem puren Label „Nachhaltigkeit“ für ein Produkt und dem tatsächlich zukunftsge-richteten Engagement eines Unternehmens ist weit. Anleger sind wie bei allen Formen

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der Wertpapier- und Geldanlage aufgefor-dert, sich mit den Produkten zu befassen und nicht blauäugig einer guten Absicht hin-terherzulaufen.

Vor dem Hintergrund einer gewissen Orien-tierungslosigkeit im Dschungel der Anlage-produkte oder wegen der Definitionsvielfalt und der damit verbundenen unbegrenzten Freiheit für Anbieter, nahm die Börse Hanno-ver die Idee auf, einen Nachhaltigkeitsindex nach klar bestimmten Kriterien zu entwickeln. Ein Index bietet Orientierung und gewährt ein Höchstmaß an Transparenz. Zum einen stellt ein Aktienindex die Kursentwicklung der in ihm zusammengefassten börsen-notierten Aktiengesellschaften als Ganzes dar. Zum anderen sind die Struktur und die Zusammensetzung eines Index bei Aufle-gung festgeschrieben, wobei zu einem bestimmten Stichtag einzelne Werte, die wesentliche Kriterien des Index nicht mehr erfüllen, ausgetauscht werden können. Sowohl die zugrundeliegenden Konzepte als auch Unternehmenswechsel innerhalb des Index werden rechtzeitig veröffentlicht und sind allen Handelsteilnehmern zu-gänglich.

6.2 Die Ausgestaltung des Nachhaltig-keitsindex

Im September 2007 war das Projekt „Ent-wicklung eines Nachhaltigkeitsindex“ ab-geschlossen: Die Börse Hannover hat in Zusammenarbeit mit Oekom Research AG den Global Challenges Index (GCX) lan-ciert. Die Oekom Research AG ist eine un-abhängige Nachhaltigkeits-Ratingagentur mit erstklassiger Expertise und über 15-jähriger Erfahrung auf dem Gebiet des

Ratings. Der GCX greift die Schwerpunkte Ökologie, Ethik und Soziales umfänglich auf, denn er ist fokussiert auf die sieben globalen Herausforderungen unseres Jahrtausends, denen sich Politik, Gesell-schaft und Wirtschaft stellen müssen. Nachhaltigkeit im Sinne des GCX nimmt Bezug auf- die Bekämpfung des Klimawandels,- die Bekämpfung der Armut,- die Sicherstellung einer ausreichenden

Versorgung mit Trinkwasser,- die Förderung einer nachhaltigen Wald-

wirtschaft,- den Erhalt der Artenvielfalt,- den Umgang mit der Bevölkerungsent-

wicklung,- die Unterstützung verantwortungsvoller

Führungsstrukturen.

Die Festlegung der sieben globalen Heraus-forderungen gehen zurück auf unzählige Studien und Forschungsarbeiten diverser anerkannter Organisationen und Verbände wie zum Beispiel die United Nations (UN), die Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) oder die International Union for Conservation of Nature (IUCN). Aktuelle Zahlen belegen die Bedeutung die-ser sieben Bereiche und untermauern die Definition von Nachhaltigkeit, auf die der GCX beruht: Das Intergovernmental Panel of Climate Change (IPCC) prognostiziert einen Anstieg der globalen Durchschnitts-temperatur um 1,8 bis 4,0 Grad in den nächsten 90 Jahren. Die FAO ermittelte eine jährliche Entwaldungsrate von 13 Mio. Hektar. Weltweit leben rund 1,2 Mrd. Men-schen in extremer Armut und verfügen über weniger als einem US-Dollar pro Tag. Rund 150 Tier- und Pflanzenarten sterben täglich

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aus. Nach Schätzungen der UN haben rund 1,1 Mrd. Menschen keinen Zugang zu sau-berem Trinkwasser. Auch werden zu den heute lebenden 6,4 Mrd. Menschen in den nächsten 40 Jahren weitere drei Mrd. dazu-kommen.

Diese aufschreckenden und gleichzeitig nachdenklich stimmenden Zahlen müssen nicht als unausweichlich angesehen werden. Sie sind aber Anlass für das besondere Kon-zept und den hohen Qualitätsanspruch, der mit dem Global Challenges Index verbun-den ist. Zum einen leisten die Unternehmen schon jetzt einen ökologischen, ethischen und sozialen Beitrag, zum anderen sichern sie sich durch dieses bewusst in die Zukunft gerichtete Verhalten Chancen, mit denen sie Wettbewerbern vorauseilen können.

In den Index werden nur Unternehmen auf-genommen, die sich aktiv innerhalb ihrer Geschäftspolitik den globalen Herausfor-derungen stellen. Die Aktiengesellschaften müssen substanzielle, richtungsweisende Beiträge in Bezug auf die Herausforde-rungen leisten. Dies sind Beiträge1) zum Umgang mit den Ursachen und Fol-

gen des Klimawandels,2) zur Bereitstellung, Aufbereitung und Ver-

teilung von Trinkwasser,3) zu einem nachhaltigen Umgang mit Wäl-

dern und waldwirtschaftlichen Produkten wie Holz und Papier,

4) zum Schutz und Erhalt der Artenvielfalt,5) zum Umgang mit demografischem Wan-

del bzw. Bevölkerungsexplosion,6) zur Verringerung der Vulnerabilität, 7) zur Unterstützung der wirtschaftlichen

Unabhängigkeit sowie zur Verbesserung der Bildung und Informationsteilhabe,

8) zur Verhinderung von Korruption und Bestechung sowie zur Verbesserung der Corporate Governance in der Wirtschaft.

Das Research der für den Index relevanten Unternehmen und die Auswahl der „Be-sten“ erfolgt in drei Schritten. In einem er-sten Schritt sind Ausschlusskriterien de-finiert. Sofern eine Aktiengesellschaft in den Geschäftsfeldern der Atomenergie, der Herstellung von Bioziden oder chloror-ganischen Massenprodukten, der grünen Gentechnik oder der Rüstung tätig ist, bleibt dieses Unternehmen von vornherein für den Index ausgeschlossen. Das Gleiche gilt für Umweltverstöße (zum Beispiel die Übernut-zung oder Verschmutzung von Gewässern oder Umweltkontaminationen), Verstöße gegen fundamentale Menschenrechts- und Arbeitsnormen sowie für Korruption und Bi-lanzfälschung.

In einem zweiten Schritt werden von der Oekom Research AG im Rahmen ihres Corporate Responsibility Ratings diejenigen Unternehmen innerhalb des rund 900 Fir-men umfassenden Oekom-Gesamtuniver-sums identifiziert, die in besonderem Maße ökologische, ethische und soziale Kriterien in ihren Geschäftsprozessen berücksichti-gen. Ausgewählt wurden Unternehmen, die unter Verwendung des Best-in-Class-An-satzes den Oekom Prime-Status erreichen. Ergebnis dieses Ratings sind rund 250 Un-ternehmen, die sich grundsätzlich für den GCX eignen. In einer dritten Stufe erfolgt die Auswahl der Unternehmen, die im Rah-men ihres Kerngeschäfts einen aktiven und substanziellen Beitrag zum Umgang mit den globalen Herausforderungen leisten und sich damit von anderen Unternehmen

90

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durch ein „Mehr an Aktivität“ abgrenzen. Um die Fungibilität und die fortlaufende Handelbarkeit der Aktiengesellschaften zu gewährleisten, wird gleichwohl eine Min-destkapitalisierung von 100 Mio. Euro je Unternehmen zugrunde gelegt. Anderen-falls könnte es an einer permanenten fort-laufenden Indexberechnung mangeln. Das Ergebnis des umfangreichen Research sind 50 börsennotierte Aktiengesellschaften aus Europa und den G7-Staaten, die gleich-zeitig eine Mischung aus weltweit tätigen Großunternehmen, mittleren und kleinen Unternehmen darstellt. Die Aufnahme in den GCX wird so detail-liert wie möglich für Interessenten auf der Internetseite www.gc-index.com darge-stellt, um die Entscheidungen der Exper-ten nachvollziehbar zu machen. In dieser Offenheit wurde bislang kein Index publi-ziert. In Fragen der Bewertung und des Um-gangs mit den Indexkriterien werden die Initiatoren des GCX fachlich von einem unabhängigen Beirat unterstützt. Der Bei-rat brachte sich bei der Entwicklung der Definition und des Konzeptes des GCX ein, berät bei der Überwachung der zu-grunde liegenden Kriterien und bei der Auswahl geeigneter Unternehmen. Ihm gehören unter anderem Vertreter des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, der evangelischen und katholischen Kir-che, von Transparency International, der ILO und des WWF an.

6.3 Verbreitung des NachhaltigkeitsindexDie Börse Hannover und die Oekom Re-search AG haben mit dem GCX einen In-dex mit einem besonders tief greifenden

Verständnis für Nachhaltigkeit entwickelt. Un-eingeschränkt positives Votum für den Index kommt innerhalb des ersten Jahres nach der Lancierung aus zwei Lagern: Privatanleger begrüßen die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit, hinterfragen bei der Vielfalt an Nachhaltigkeitsprodukten die Inhalte der Angebote und sind oftmals überzeugt vom Konzept des GCX, sodass sie in Produkte auf den Index oder in die Einzelwerte investieren. Auch das Interesse von Seiten der Institutionellen am GCX ist geweckt. Schon im September 2007 brach-te die Nord/LB zwei GCX-Produkte für Pri-vatanleger auf den Markt und die Nordcon Investment AG legt einen GCX-Fonds für andere institutionelle Investoren auf. Ande-re Emittenten fragen zunehmend nach und lassen ihre Produktideen mit dem GCX in ih-ren jeweiligen Häusern reifen. Mit positivem Blick auf die stets steigende Nachfrage und das vielerlei bekundete Interesse wird sich die Zahl der Produkte auf den GCX und der Lizenznehmer sowie das investierte Volumen erhöhen.

Wesentlich für den Erfolg des GCX ist neben der hohen Qualität gerade die Transparenz. Transparenz ist ein Gütesiegel für den Index, aber auch ein Qualitätsanspruch der Börsen Hamburg und Hannover. In ihrem Portal für nachhaltige Investments finden sich all diese Aspekte und darüber hinaus die traditionell hohe Servicebereitschaft und Kundenorien-tierung wieder.

Das Portal ist eine Informationsplatt-form. Alle an den Börsen Hamburg und Hannover gelisteten Wertpapiere, die dem breiten Spektrum der nachhaltigen Investments zugeordnet werden können,

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werden dort mit ihren Kursen, Charts, Hin-tergrundinformationen und Angaben zu den Emittenten gezeigt. Dabei sind die Gruppen der Aktien, speziell hier die 50 Einzelwerte des GCX, der Anleihen, der Zertifikate und der Fonds zu unterscheiden. Bereichert wird das Portal mit aktuellen Unterneh-mensmeldungen, Pressemitteilungen und Veröffentlichungen von Verbänden oder Or-ganisationen mit Bezug zur Nachhaltigkeit.

7. Policenbörse Deutschland

7.1 Der deutsche Zweitmarkt für Kapital-lebensversicherungen

Statistisch gesehen hat jeder Bundesbürger mindestens eine kapitalbildende Lebensver-sicherung. Insgesamt bestehen derzeit mehr als 97 Mio. Verträge. Die durchschnittliche Laufzeit dieser beliebten Sparanlage mit Fa-milienschutz beträgt 27 Jahre. Allerdings wer-den die wenigsten Lebensversicherungen bis zum Ende durchgehalten, jede zweite wird vorzeitig storniert. Der Versicherer zieht da-bei vom Policenguthaben eine Stornogebühr ab und zahlt letztendlich nur den sogenann-ten Rückkaufswert aus. Ist der Vertrag noch keine zwölf Jahre alt, werden zudem Kapital-ertragsteuer und Solidaritätszuschlag fällig. Die Gründe für den vorzeitigen Abbruch sind vielfältig und reichen vom Wunsch Schulden und Kredite abzulösen über die Motivation, in eine andere Kapitalanlage zu wechseln bis hin zu Kapitalbedarf, um ein Haus zu bauen oder sich einen privaten Wunsch zu erfüllen. Seit 1999 gibt es eine lukrative Alternative zur Stornierung: den Policenverkauf.

Der Verkauf der Lebensversicherungspoli-ce hat für den Versicherungsnehmer immer

Vorteile gegenüber der Stornierung des Ver-trages. Bei Kündigung seiner Police erhält er lediglich den bereits um eine Stornogebühr reduzierten Rückkaufswert. Beim Policen-verkauf kann er mehr erlösen als beim Rück-kaufswert. Bei Kündigung erlischt der Todes-fallschutz, beim Policenverkauf bleibt er in der Regel in reduzierter Form bestehen, weil der Policenkäufer den Vertrag bis zum Lauf-zeitende weiterführt. Ist die Lebensversiche-rung bei Kündigung noch keine zwölf Jahre alt, fallen für die erzielten Erträge außerdem Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag an. Dies mindert den Erlös zusätzlich. Zwar wird die Police auch bei Verkauf grundsätz-lich steuerschädlich, die Steuerpflicht geht jedoch (bis zum 31. Dezember 2008) auf den Käufer über. Der Verkäufer hat dann den zusätzlichen Vorteil der Steuerersparnis, die bei Rückkauf der Police durch die Versiche-rungsgesellschaft zu entrichten wäre. Ab dem 1. Januar 2009 unterliegt der Policen-verkauf jedoch der Abgeltungssteuer.

Im Jahre 2007 startete die Börsen AG ein Projekt, das die Implementierung einer inter-netbasierten Handelsplattform für Lebens- und Rentenversicherungspolicen zum Ziel hatte. Der Beginn des Handels ist für den 1. September 2008 geplant.

Die Börsen AG Hamburg-Hannover ist seit einigen Jahren erfolgreich im Bereich von Zweitmärkten tätig. Die Fondsbörse Deutschland Beteiligungsmakler AG, ein Mitglied der Unternehmensgruppe Börsen AG, organisiert seit 2000 den Zweitmarkt mit geschlossenen Fondsanteilen auf ihrer Han-deslplattform, im Wesentlichen Schiffs- und Immobilienfonds, und ist in diesem Segment Marktführer in Deutschland. Seit 2002 wer-

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den offene Wertpapier- und Immobilienfonds an der Börse Hamburg notiert. Damit ist sie in diesem Segment Vorreiter und Marktfüh-rer unter allen deutschen Börsen.

Die Börsen AG ist daher dafür prädestiniert, auch einen Zweitmarkt für Versicherungspo-licen zu organisieren und zu betreiben. Hier-bei sieht sie sich ausschließlich in der Rolle des neutralen Marktbetreibers und -regulie-rers und tritt nicht selbst, zum Beispiel als Käufer von Policen, als Marktteilnehmer auf.

Aus Sicht der Börsen AG ist gerade der Zweitmarkt für Lebensversicherungen dafür geschaffen, in börsenähnlicher Weise orga-nisiert zu werden. In diesem Markt stehen einer Vielzahl von Anbietern eine Reihe mög-licher Käufer gegenüber. Benötigt wird daher eine Plattform, die Anbieter mit möglichst vielen Käufern zusammenführt, das beste Gebot ermittelt und auf diese Weise den op-timalen Preis für den Policeninhaber erzielt.

Die Börsen AG Hamburg-Hannover ist mit dieser Initiative die erste deutsche Börsen-organisation, die sich im Zweitmarkt für Lebensversicherungen engagiert. Sie stellt damit erneut ihre Innovationsfähigkeit unter Beweis.

7.2 Die Organisation der Policenbörse Deutschland

Die Handelsplattform zeichnet sich durch folgende wesentliche Merkmale aus:- Die Börsen AG Hamburg-Hannover

fungiert als Betreiber der Handelsplatt-form. Verkäufe werden von einem für die Handelsplattform zugelassenen Dienst-leistungsunternehmen abgewickelt.

- Die Transaktionen auf der Handelsplatt-form werden durch Mitarbeiter der Börse Hamburg qualitätsgesichert.

- Die Plattform ist internetgestützt, das heißt, der Zugang ist standortunabhängig ohne zusätzlichen technischen Aufwand möglich.

- Als Verkäufer können sowohl Inhaber von Lebensversicherungs- oder Rentenversi-cherungspolicen als auch Drittverkäufer, die für Policeninhaber tätig werden, auf-treten.

- Eingestellt werden können Lebens- und Rentenversicherungspolicen deutscher und ausländischer Versicherungsgesell-schaften, die auf Euro lauten.

- Als Käufer können institutionelle Investoren auftreten.

- Zum Kauf angebotene Policen können von allen auf der Handelsplattform täti-gen Investoren eingesehen werden. Der Verkäufer hat so die Chance, den derzeit höchsten am Markt erzielbaren Kaufpreis zu erhalten. In diesem Modell besteht ein erheblicher Vorteil gegenüber bilateralen Plattformen, bei denen der Betreiber als Käufer fungiert.

Ablauf des Handels:- Der Verkäufer erfasst die wesentlichen Da-

ten der angebotenen Police. Gleichzeitig wird das Versicherungsunternehmen er-mächtigt, weitere notwendige Daten über die Police an das Dienstleistungsunterneh-men zu übermitteln. Auf diese Weise wird zudem sichergestellt, dass nur tatsächlich existierende Versicherungen, über die der Inhaber verfügen kann, zum Kauf angebo-ten werden.

- Beschränkungen hinsichtlich einer Min-destlaufzeit bestehen nicht. Jedoch sollte

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der Rückkaufwert der Police mindestens 10.000 Euro betragen.

- Nach Eingang der Daten von der Versiche-rungsgesellschaft werden die Daten der Police vom Dienstleister auf Plausibilität geprüft und danach anonymisiert auf der Handelsplattform zur Abgabe von Gebo-ten freigeschaltet. Gebote können ganztä-gig während der Laufzeit der Auktion (fünf Arbeitstage) abgegeben werden.

- Käufer sind nach erfolgreicher Registrie-rung, Legitimationsprüfung und Freischal-tung zur Abgabe von anonymen Geboten auf eine unbegrenzte Menge von Policen berechtigt. Hierbei ist der festgelegte Min-destgebotsschritt zu beachten.

- Nach Ablauf der Auktion erhält der Höchstbietende den Zuschlag. Käufer und Verkäufer werden über das erfolgreiche Ende der Auktion informiert. Das Dienst-leistungsunternehmen veranlasst, dass die für den Verkauf der Police notwendigen Dokumente ausgetauscht werden.

- Die Transaktionsgebühr in Höhe von 0,8 % (zahlbar vom Käufer) ist nach dem erfolg-reichen Abschluss des Verkaufes fällig.

- Kommt es nicht zum Verkauf der Police, kann diese erneut zum Kauf angeboten werden.

Die Handelsaktivität auf der Policenbörse Deutschland wird durch eine Reihe von Ser-vicefunktionen unterstützt. Verkäufer und Käufer können sich jederzeit online über den Status von Auktionen und Geboten informieren. Käufer haben zudem die Mög-lichkeit, die Daten der aktuell verfügbaren Angebote über eine technische Schnittstelle in eigene EDV-Systeme zu importieren, um nach individuellen Kriterien die für sie inter-essanten Angebote herauszufiltern.

Die Handelsplattform wird von der Börsen AG Hamburg-Hannover unter Einhaltung hoher Sicherheitsstandards technisch be-trieben. Sie ist auf erhebliche Daten- und Nutzermengen ausgerichtet und ausfall-sicher organisiert.

7.3 AusblickDie Börsen AG Hamburg-Hannover und das von ihr beauftragte Unternemen Deut-scher Policenmakler Bewertungs- und Vermittlungs-GmbH werden in den er-sten Monaten des Betriebs der Policen-börse Deutschland das Nutzerverhalten genau beobachten und analysieren und mögliche funktionale Anpassungen und Ergänzungen vornehmen, falls diese von den Käufern und Verkäufern nachgefragt werden. Hierzu könnte zum Beispiel. die Aufnahme von Policen, die nicht auf Euro lauten, gehören.

8. Beteiligung an WTB und RMXNeben der Organisation des Wertpa-pierhandels als ihrem Ursprungsbereich haben die Börsen Hamburg und Han-nover Geschäftsabläufe anderer Börsen beobachtet und analysiert, um dadurch Anregungen für Verbesserungen zu erhal-ten. Im Folgenden wird die Beteiligung der BÖAG Börsen AG an der Risk Manage-ment Exchange AG (RMX) in Hannover dargestellt. Diese ist aus dem Zusammen-schluss der Wartenterminbörse Hannover (WTB) und der Deutschen Kreditbörse (Dekrebo) hervorgegangen. Entsprechend verfügt sie über ein Segment für den Wa-renterminhandel und ein Segment für den Kredithandel.

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8.1 Die Warenterminbörse HannoverEnde 1993 wurde erstmals der Gedanke diskutiert, in Hannover eine Warentermi-nbörse zu errichten. Auf dem deutschen Agrarmarkt hatten sich die Rahmenbe-dingungen verändert, deshalb plädierten landwirtschaftliche Erzeuger, Händler, La-gerhalter und Verarbeiter sowie Verbände und Institutionen für die Wiedereinführung eines organisierten Warenterminhandels. Dabei ging man davon aus, dass durch eine Warenterminbörse verschiedene Funktionen erfüllt werden könnten:- Informationsverbesserung (Preistrans-

parenz / -leitfunktion)- Risikominderung (Preis- und Kalkulati-

onssicherheit)- Kapitalbeschaffungshilfe (Verbesserung

der Bonität)- Anlagemöglichkeit (Spekulation)- Ausgleich von zeitlichen oder räumlichen

Ungleichgewichten.

Zunächst mussten die dafür notwen-digen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dieses war geschehen durch die Börsengesetznovelle 1989 und das 2. Finanzmarktfördergesetz. In diesem Zusammenhang wurde das seit 1897 geltende Handelsverbot für Getreide und Getreideprodukte an Terminbör-sen aufgehoben. Neben Vollkaufleuten dürfen seitdem auch Landwirte und Pri-vatpersonen verbindliche Warentermin- geschäfte im Inland tätigen.

Als Sitz der neuen Börse wurde Hanno-ver genommen, weil dort die niedersäch-sische Landesregierung, mehrere Kredi-tinstitute und die Wertpapierbörse selbst dieses Projekt unterstützten.

Bestimmte Überlegungen, den Handel mit Agrarterminprodukten der 1990 gegründe-ten Deutschen Terminbörse (DTB = heute Eurex) anzugliedern, scheiterten daran, dass eine Beteiligung der Agrarwirtschaft an der auf den Wertpapierterminhandel spezialisierten DTB nicht geeignet er-schien.Im Juli 1996 wurde die Warenterminbörse Hannover AG (WTB) gegründet, an ihrem Grundkapital von 9 Mio. DM beteiligte sich die Börse Hannover mit 2,5 Mio. DM und die Börse Hamburg mit 1 Mio. DM. Die gegenseitige, vertrauensvolle Abstimmung und schließlich die gemeinsame Beteili-gung der beiden Börsen war ein erster wichtiger Baustein für die spätere Grün-dung der BÖAG Börsen AG (dazu an an-derer Stelle dieser Publikation Näheres). Im Januar 1997 wurde vom zuständigen nie-dersächsischen Ministerium die Betriebs-erlaubnis erteilt, die offizielle Eröffnung fand am 27.2.1998 statt und nach einem mehr-wöchigen Probelauf konnte der öffentliche Handel am 17.4.1998 aufgenommen wer-den.

Die WTB war eine eigenständige, öffent-lich-rechtliche Organisation mit Selbstver-waltung, die der Aufsicht des niedersäch-sischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr unterlag. Oberstes Gremium war der Börsenrat, in dem die Markt- und Börsenteilnehmer vertreten waren. Die Handelsüberwachungsstelle (HÜST) wirkte als eigenständiges Organ an der Marktauf-sicht mit. Es gab drei Gruppen von Mark-teilnehmern- Eigenhändler (Commercials oder Locals)

sind Börsenhändler, die ausschließlich auf eigene Rechnung handeln,

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- Broker führen Börsengeschäfte ausschließ-lich im eigenen Namen und auf Rechnung ihrer Kunden aus oder vermitteln diese Geschäfte,

- Vollmitglieder führen Börsengeschäfte auf eigene Rechnung und für Kunden aus.

Die WTB war eine vollelektronische Börse, wobei ein für die Terminbörse Barcelona entwickeltes System Meff verwandt wurde. Anders als beim klassischen Wertpapierhan-del auf dem Börsenparkett fand der Handel nicht an einem zentralen Ort statt, sondern per Computer über ein standortunabhän-giges elektronisches Netwerk. Um Kunden in einem geographisch weit gefassten Ge-biet bedienen zu können, wurde die Form einer Computerbörse gewählt.

Der Handel an der WTB erfolgte anonym über Bildschirme bei den Marktteilnehmern. Diese stellen eigene Angebote (Quotes) bzw. Kundenaufträge (Orders) in das System ein. Damit wurden die Quotes und Orders für alle Marktteilnehmer sichtbar; es blieb aber anonym, woher beziehungsweise von wem die Orders oder. Quotes kamen. Alle ein-gegebenen Orders und Quotes wurden im elektronischen Orderbuch der WTB erfasst und automatisch nach den Kriterien Preis und Eingabezeit geordnet. Für die Abwicklung wurde von drei Ban-ken in bewusster Trennung von der Bör-se die Clearing Bank Hannover AG (CBH) gegründet. Die CBH war für die finanzielle Abwicklung, Besicherung und die geldmä-ßige Regulierung der an der WTB getätig-ten Geschäfte zuständig, dort wurden die Aufträge registriert, die Konten geführt und täglich ein Ausgleich der Margins (Sicher-

heitsleistungen) vorgenommen. Die CBH überwachte die Geschäfte und war bei je-dem Geschäft sowohl für Käufer als für Ver-käufer Kontraktpartner und damit Garant für die Erfüllung der Geschäfte. Die Sicher-heiten waren in Geld oder Wertpapieren zu hinterlegen und deckten nicht nur die auf der Basis aktueller Kurse errechneten poten-ziellen Verluste, sondern auch das mögliche zukünftige Preisrisiko ab. Nach der Schlie-ßung der CBH im Wege einer Umstruktu-rierung übernahm 2003 die WTB selbst die Aufgabe des Clearinghauses.

Bei ihrem Start sah sich die WTB drei großen europäischen Wettbewerbern ge-genüber: Dem Agrarische Terminmarkt Amsterdam (ATA), der London Commodity Exchange (LCE) und dem Marché à Terme Internationale de France (MATIF). Daneben gab es noch Terminbörsen in Budapest, Warschau und Valencia. Allen Beteiligten war klar, dass es für einen Erfolg der jun-gen Börse ganz wesentlich war, möglichst schnell eine ausreichende Anzahl von Marktteilnehmern zu gewinnen und damit ausreichend Liquidität zu erhalten. Dazu musste bei den Landwirten grundlegende Informations- und Aufklärungsarbeit gelei-stet werden.

Gegenstände des Handels an einer Wa-renterminbörse sind Warenterminkontrakte (Futures). Diese implizieren - rechtlich bindende Vereinbarungen,- genau definierte Leistungen- die zu einem festgelegten Zeitpunkt in der

Zukunft zu erbringen sind.Sowohl Käufer als auch Verkäufer können ihre Verpflichtungen vor dem Erfüllungs-termin durch einen entgegen gerichteten

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Terminkauf oder –verkauf glattstellen. Da-durch hebt sich die Verpflichtung zur Liefe-rung oder Annahme der Ware auf.

Bei dem Start der WTB im April 1998 wurden zunächst zwei Produkte gehan-delt. Dies waren Kontrakte auf Schlacht-schweine und auf Speisekartoffeln. Nach kurzer Zeit folgte ein Kontrakt auf Weizen. In den nächsten Jahren wurden Futures auf Altpapier, Raps, Heizöl und Braugerste ge-handelt. Diese konnten sich aber am Markt nicht durchsetzen. Die WTB-Produkte wa-ren auf Grund ihrer Neuartigkeit und Kom-plexität stark erklärungsbedürftig. So waren Marktteilnehmer kurzfristig nicht von den vorteilhaften Perspektiven des Warentermi-nhandels zu überzeugen. Deshalb wurden auch Pläne zum Einstieg in den Energie-handel wieder zurückgezogen.

8.2 Der Zusammenschluss der WTB mit der Dekrebo zur RMX

Entgegen den Prognosen entwickelte sich der Handel an der WTB nicht so positiv wie erwartet. Deshalb schloss sich die WTB im Dezember 2005 mit der in München ansäs-sigen Kreditbörse Deutschland (Dekrebo) zur RMX zusammen.

Die Dekrebo hatte am 13. Oktober 2004 ei-nen neuen privaten Marktplatz eröffnet, auf dem Banken und Institutionelle aus der Fi-nanzwirtschaft einzelne Kredite kaufen und verkaufen konnten. Durch diese Tätigkeit sah sich die Gesellschaft als das zu der Zeit fehlende Bindeglied zwischen Forderungs-käufern und –verkäufern. Aus passiven Risikoträgern sollten Risikohändler wer-den, die ihr Kreditportfolio aktiv gestalten.

In Zusammenarbeit mit der Ratingagentur Standard & Poors wurde für die Dekrebo exklusiv eine standardisierte Schuldner-bewertung in Form von 1-Jahres-Ausfall-wahrscheinlichkeiten für mittelständische Unternehmen entwickelt. Darüber hinaus wurden Datensätze für die standardisierte Datenerfassung von Krediten und die Han-delsabwicklung gesammelt.Die neu geschaffene RMX verfügt über zwei Segmente: Das von der WTB eingebrachte Segment für den Warenterminhandel, und der von der Dekrebo eingebrachte Bereich des Kredithandels. In Gesprächen mit den Spitzenverbänden des deutschen Kredit-gewerbes, der Bundesbank und der Bun-desanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) wurde das Modell der RMX, eines Bankengruppen übergreifenden, neutralen und unabhängigen Handels von Kreditan-teilen auf einer öffentlich-rechtlichen Platt-form, als zukunftsträchtig beurteilt.

Bei der RMX handelt es sich um eine öf-fentlich-rechtliche, Bankengruppen über-greifende Börsenplattform. Darüber hinaus ist eine vor– bzw. außerbörsliche Plattform für definierte Teilnehmerkreise des DSGV bzw. BVR möglich. An der RMX können besicherte und unbesicherte Einzelkredit-anteile unterschiedlicher Branchen und Ri-sikoklassen (true sale) gehandelt werden. Schuldner und Kredite werden jährlich qua-lifiziert durch ein neutrales vergleichfähiges Rating von Standard & Poors bewertet. Ebenfalls jährlich werden die Sicherheiten durch einen neutralen Dienstleister – Price-WaterhouseCoopers (PWC) – validiert. Die zentralisierte und standardisierte Abwick-lung erfolgt durch die neutrale Handels- und Clearingstelle der Börse, inklusive

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Reporting und Servicing. Die Hausbank ist mit einem Selbsterhalt in Höhe von 25 % am Einzelkredit Service-Meister (Stichwort: Moral-Hazzard) beteiligt.

Durch den Einsatz dieser Plattform werden notwendige Handlungsspielräume bei Ban-ken für Mittelstandfinanzierungen geschaf-fen und gefördert. Es handelt sich um ein kostengünstiges Instrument zum Abbau von Klumpenrisiken und Risikodiversifizie-rungen von Bankportfolien, das sich durch hohe Fungibilität, Qualität und Neutralität auszeichnet.

Der Handel mit Krediten erfolgt auf Ba-sis einer Kreditbeteiligung in Form eines Kreditbeteiligungsverhältnisses. Dabei ist Voraussetzung, dass ein voll ausgereichtes Darlehen mit einer festen Laufzeit und kla-rer Sicherheitszuordnung vertikal inklusive Sicherheiten in beliebige stille Beteiligungen teilbar ist. Die minimale Stücklung liegt bei 0,01 Euro. Mindestens 25 % des Kredits verbleiben bei der Kredit gebenden Bank, um den Anreiz für ein qualitativ hochwer-tiges Servicing zu erreichen. Die einzelnen Kreditbeteiligungen werden unter dem Be-griff “Creparts“ subsumiert.

Nach Abwahl der zum Verkauf stehenden Kredite durch die Kredit gebende Bank werden über das Rechenzentrum der Bank und die notwendigen Daten aus der Kreditakte in der Eingabemaske der RMX erfasst und anschließend an die RMX ver-sandt. Die RMX übernimmt die Daten in ihr Handelssystem und prüft die Daten auf Vollständigkeit und logische Fehler und vergibt die CIN (Credit Identification Number). Nach der Fehlerprüfung werden

die Daten der Kreditsicherheiten PWC, so- wie die Finanzdaten des Schuldners S&P zur Verfügung gestellt. Das Ergebnis der Sicherheitenvalidierung wird von PWC an S&P sowie an die RMX übermittelt. An-hand der Kredit- und Schuldnerdateien erstellt S&P ein Schuldnerrating und in Verbindung mit der Sicherheitenvalidie-rung von PWC ein Kreditrating auf Basis des LGD. Das Ergebnis des Schuldnerra

tings und des Kreditratings stellt S&P der RMX zur Verfügung. Die RMX pflegt die Ratingergebnisse in das Handelssystem und informiert die Kredit gebende Bank auf elektronischem Weg über das Ratin-gergebnis. Diese trifft daraufhin die Ent-scheidung, ob und welcher Anteil des Kredits auf der Handelsplattform der RMX emittiert werden soll. Im Fall der Emissi-onsentscheidung wird von der Börse der entsprechende Kreditanteil (Crepart) auf der Handelsplattform eingeführt und zum Handel freigegeben.

Verkäufer beziehungsweise Käufer eines Creparts geben nach ihrer Verkaufs- bzw. Kaufentscheidung ihren Handelsauftrag manuell in die Ordermaske ihres RMX-Ter-minals ein. Diese Handelsaufträge werden im Zentralrechner der RMX erfasst und auf der Handelsplattform in anonymisierter Form für alle Handelsteilnehmer sichtbar gemacht. Nach Eingabe des Handelsauf-trages erhält der Handelteilnehmer eine elektronische Orderbestätigung aus dem Zentralrechner der RMX. Im Falle eines Handelsabschlusses übermittelt die Han-delsplattform die Handelsdaten an das Clearingsystem und versendet eine Han-delsbestätigung an die beteiligten Handels-

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teilnehmer. Das Clearingsystem erstellt eine Abrechnung und versendet diese in elek-tronischer Form an Käufer und Verkäufer. Weiterhin wird im Clearingsystem die Bu-chung des Kaufbetrages, inklusive Ge-bühren und Stückzinsen automatisch über LZB-Konten veranlasst. Das Clearingsy-stem verwaltet und veranlasst ebenfalls regelmäßige Zins- und Tilgungszahlungen, zieht diese von der Kredit gebenden Bank ein und teilt sie den jeweiligen Inhabern der Creparts zu.

Im Zentralrechner der RMX werden außer-dem die Bestände der Handelsteilnehmer geführt und verwaltet. Über eine Online-Schnittstelle haben die Handelsteilnehmer jederzeit Zugriff auf ihre Bestände und können dort die Historie ihrer Geschäfts-abschlüsse sowie verschiedene Auswer-tungen abrufen.

Das Reporting erfolgt ebenfalls über den Zentralrechner der RMX. Die notwendigen Reportingverpflichtungen werden von der RMX beim Kredit gebenden Institut ein-gefordert und an die Inhaber der Creparts weitergeleitet. Die aktuellen Daten werden ebenfalls S&P- sowie PWC analog zur Kre-ditführung zur Verfügung gestellt. Diese erstellen ein aktualisiertes Rating, welches der Kredit gebenden Bank sowie allen Han-delsteilnehmern zugänglich gemacht wird.

Das gesamte Handelssystem wird entwi-ckelt mit einem hohen Sicherheitsstandard und einem Back-up-System den aufsichts-rechtlichen Anforderungen entsprechend. Nach verschiedenen Testläufen soll der Handel mit Creparts im zweiten Halbjahr 2008 beginnen.

9. Investment–PortaleDas Wort Portal entstammt dem latei-nischen Begriff „porta“ und steht in seiner ursprünglichen Bedeutung für Tor, Pfor-te, Eingang beziehungsweise Zugang. Lange Zeit verband man mit dem Begriff ausschließlich einen mehr oder weniger repräsentativen Eingang im architekto-nischen Sinne. Heute wird das Wort zu-nehmend im übertragenen Sinne benutzt. Spätestens seit dem Internetboom im Jahr 2000 und dem Entstehen unzähliger Web-Marktplätze steht es im allgemeinen

Sprachgebrauch weniger für ein physisches Bauwerk, als vielmehr für einen virtuellen Zugang, über den man zu speziellen In-formationen gelangt. In der Informatik bei-spielsweise steht Portal seit Jahrzehnten für einen Zugang, über den man auf sehr indi-viduell zugeschnittene Informationen bzw. Dienste zugreifen kann. Heute bezeichnet Portal die spezielle Form einer Homepage. Webportale sind Softwareangebote im In-ternet, welche zielgruppenorientierte An-gebote, Dienste und / oder Funktionen be-reitstellen. Eine genaue, allgemein gültige Definition von Portal existiert dabei nicht. Die Palette reicht vom einfachen Informa-tionsportal bis hin zu komplexen Transak-tionsportalen, wie sie beispielsweise in der Automobilindustrie zum Zwecke der Mate-rialbestellung zum Einsatz kommen.

Mit der Einrichtung spezieller Portale für im-mobile, maritime und nachhaltige Invest-ments haben die Börsen Hamburg und Hannover den Trend aufgenommen, um längerfristig einen umfassenden, auf spe-zielle Finanzthemen fokussierten Informa-tionsmarktplatz zu schaffen. Dem Anleger

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soll ein echter Mehrwert für seine Anlage-entscheidungen geboten werden. Gleich-zeitig möchten sich die Börsen Hamburg und Hannover auf diese Weise als kom-petente Handelsplätze empfehlen, auf de-nen Anleger nicht nur schnell und günstig ordern können, sondern auch im Vorwege gut informiert werden. Dabei ist es nicht das vorrangige Ziel, neue Produkte zu ent-wickeln. Vielmehr sollen attraktive Inhalte unterschiedlicher Anbieter zusammenge-tragen und dem Anleger in umfassender und übersichtlicher Form zur Verfügung gestellt werden.

9.1 Portal „Maritime Investments“Bei dem maritimen Hintergrund war es natürlich, dass die Börsen AG mit einem Portal für Maritime Investment begonnen hat. Schließlich besitzt die Stadt Hamburg nicht nur den größten deutschen Seeha-fen, sondern ist auch weltweites Zentrum für Schiffsfinanzierungen. Rund 75 % der Initiatoren von Schiffsbeteiligungen haben zudem ihren Sitz in Norddeutschland, vor-wiegend in Hamburg. Und last, but not least wird beispielsweise der überwiegende Teil der weltweiten Containerbefrachtung in Hamburg abgewickelt.

Mit dem Portal „Maritime Investments“ wird die herausragende Bedeutung Hamburgs als Schifffahrtsstandort auch an der Bör-se sichtbar. Außerdem bildet es die Basis, um Anlegern die Palette der Investments näherzubringen, welche sich mit der welt-weiten Schifffahrt beschäftigen; unabhän-gig davon, ob es sich um Schiffsaktien, Schiffspfandbriefe, offene oder geschlos-sene Schiffsfonds handelt.

Neben den weltweit wichtigsten börsenno-tierten Aktiengesellschaften (Reedereien, Betreiber von Containerterminals, Lager-hausunternehmen etc.) gehören auch fest-verzinsliche Wertpapiere von Emittenten dazu, ohne deren Finanzierungskonzepte kaum ein Schiff auf den Weltmeeren fahren würde. Mit der Globalisierung und dem damit verbundenem weltweiten Warenaus-tausch sind Investments in die Schifffahrt zunehmend in den Fokus der Anleger ge-rückt. Damit einhergehend kommen ne-ben den Basisinvestments auch Derivate zum Tragen, die man selbstverständlich ebenso auf unserem Portal findet. Neben den Kursdaten werden Charts von Schiff-sindizes auf Frachtraten veröffentlicht und verschiedenste Links aus der Schifffahrts-branche.

9.2 Portal „Immobilieninvestments“Die Zahl der sogenannten Immobilienpor-tale im Internet ist schier unübersehbar. Es handelt sich dabei meist um die bereits er-wähnten „Transaktionsportale“. Wer eine Immobilie physisch erwerben möchte, fin-det interessante Marktplätze, die die Suche nach Objekten und die Abwicklung von ent-sprechenden Transaktionen wesentlich ver-einfachen können.

Nun hat aber nicht jeder das notwendige Geld, um sich eine physische Immobilie lei-sten zu können. Abgesehen von ihrer Rolle für Wohnzwecke sind Immobilien zuneh-mend als Vermögensanlage bedeutsam. Dabei brauchen Anleger heutzutage keines-falls ein Objekt direkt erwerben, um in Im-mobilien investiert zu sein. Sucht man nach einem eher „virtuellen“ Immobilieninvest-

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ment, dann wird das Informationsangebot schon deutlich kleiner und intransparenter.

Eine Vielzahl von Anlageprodukten ermöglicht dem Anleger eine Diversifizierung seines Ver-mögens mit Immobilien schon mit vergleichs-weise kleinen Beträgen. Zudem benötigt der Anleger bei einer Investition in börsennotierte Immobilienprodukte nicht nur weniger Kapi-tal, sondern erhält aufgrund der Börsenno-tierung auch eine deutlich höhere Flexibilität. Das Immobilienportal soll dem Anleger künf-tig mit umfassenden Informationen bei seiner Anlageentscheidung zur Seite stehen.Mit dem Portal für Immobilien möchten die Börsen Hamburg und Hannover dem inter- essierten Anleger die breite Palette der Im-mobilieninvestments auf einen Blick ermög-lichen; also Immobilienaktien, Pfandbriefe, und offene oder geschlossene Immobilien-fonds.

9.3 Portal „Nachhaltige Investments“Als drittes Familienmitglied befindet sich ak-tuell ein Portal für nachhaltige Investments im Aufbau. Dazu wurde in einem ersten Schritt von der Börse Hannover in Zusammenarbeit mit der Oekom Research, ein weltweit auf-gestelltes Ratingunternehmen im Bereich der nachhaltigen Anlagen, der Global Challenges Index entwickelt. Nach der Online-Schaltung wird dieses Portal neben den Kursinforma-tionen für die 50 im Index enthaltenen Ak-tien auch die Kursdaten einer Vielzahl von nachhaltig anlegenden Fonds sowie ent-sprechenden Derivaten auflisten. Ergänzt um aktuelle Nachrichten zum Thema entsteht ein Anlaufpunkt für Anleger, denen neben einer guten Rendite auch ethische Aspekte der Geldanlage wichtig sind.

Unsere Portale sind ein Anfang, Anlegern bei der Auswahl des richtigen Investments eine schnelle und gute Übersicht über die Mög- lichkeiten bestimmter Assetklassen zu ge-ben. Um die Seiten auch langfristig interes-sant zu gestalten, sind Unternehmen bzw. In-stitutionen aus der Schiffs-, Immobilen- und Nachhaltigkeitsbranche eingeladen, uns bei dem weiteren Ausbau der Portale mit Kreati-vität und Engagement zu unterstützen.

10. Börsen als Index-ProviderDie Zahl der weltweit existierenden Indizes ist selbst für Fachleute schwer zu überblicken. Seit Charles Dow Mitte 1884 erstmalig den Vorläufer des heutigen Dow-Jones-Index in Form eines einfachen Marktbarometers veröf-fentlichte, hat sich nicht nur das Spektrum an Indizes deutlich ausgeweitet, sondern sind auch die Berechnungsmethoden sehr viel diffiziler geworden. Die Zusammensetzung des „Ur-Index“ beschränkte sich noch zu über 80 % auf die Auswahl bedeutender Eisen-bahngesellschaften; man würde heute wohl eher von einem Branchenindex sprechen.

Im Laufe der Jahre sind weltweit immer neue Gradmesser für ganz unterschiedliche Ent-wicklungen hinzugekommen. Schätzungen gehen davon aus, dass es mittlerweile deut-lich über 30.000 solcher Gradmesser gibt. Heutzutage werden Indizes nicht nur auf Aktien, sondern beispielsweise auch auf Rohstoffe, Immobilien, Frachtraten und so-gar auf Sportwetten entwickelt. Für nahezu jedes Gut und jede Region lässt sich heute ein Index finden. Ganze Indexfamilien sind entstanden und werden börsentäglich real-time berechnet. Egal, ob der jeweilige Index die gesamte Breite des Marktes erfasst oder

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nur bestimmte Teilsegmente, eines ist allen Indizes gemein: Sie spiegeln in prägnanter und übersichtlicher Form die Entwicklung eines Bereiches für einen bestimmten Zeit-raum wider.

Dabei ist Dow Jones nicht der einzige An-bieter. Längst sind andere bedeutende An-bieter hinzugekommen. So entwickelte bei-spielsweise Standard & Poor’s als einer der ganz großen Anbieter von Indizes bereits 1920 seinen ersten „Stock Market Indicator“. Aber auch J.P.Morgan oder Merrill Lynch spielen auf diesem Gebiet eine große Rol-le. Erscheint die Auflegung und die spätere Pflege eines Index – insbesondere wenn es um exotische Assets geht – auch relativ auf-wendig, so hat sich diese Dienstleistung in den vergangenen Jahren zu einer lukrativen Einnahmequelle entwickelt. Verdient wird wesentlich durch Lizenzgebühren, wenn ein Drittanbieter den Index beispielsweise für die Auflegung eigener Derivate nutzen möchte. Mit dem starken Anstieg der Anzahl von De-rivaten dürften auch die Lizenzeinnahmen deutlich gestiegen sein.

Das im Laufe der Jahre deutlich zugenom-mene Interesse von institutionellen, aber auch privaten Investoren an solchen Bench-marks, hat den traditionellen und etablierten Anbietern eine Reihe von Konkurrenten be-schert. Dazu gehören immer häufiger auch Börsen. Zu den bekanntesten Indizes dieser Anbietergruppe zählt zweifellos der Deutsche Aktienindex (DAX®) der Deutsche Börse AG.

Auch die Börsen Hamburg und Hannover haben sich schon früh auf diesem Gebiet betätigt. So hat die Börse Hamburg in Zu-sammenarbeit mit der Hamburger Sparkas-

se Anfang 1996 den HASPAX® entwickelt. Dieser auf Regionalwerte aus der Wirt-schaftsregion Hamburg spezialisierte Index wird seit April 1996 von der Börse Ham-burg berechnet und ist als kapitalgewichte-ter Performance-Index konzipiert. In seiner nunmehr über zwölfjährige Geschichte hat der Index bewiesen, dass auch oder ge-rade kleinere Aktiengesellschaften sehr er-folgreich agieren können. Die Performance des HASPAX® jedenfalls stand jener seines „großen Bruder“, des DAX®, in nichts nach; hat er doch in mehreren Jahren die DAX®-Performance deutlich geschlagen. Aktuell befinden sich so traditionelle Unternehmen wie Beiersdorf, Fielmann, Norddeutsche Affinerie oder Jungheinrich in dem Index.

Auf dieser Basis ist im Mai 2002 ein ver-gleichbarer Index für Regionalwerte mit Sitz in Niedersachen gestartet. Der von der Nord / LB in Kooperation mit der Börse Han-nover entwickelte NISAX® bildet die Kursent-wicklung der 20 wichtigsten börsennotierten Aktiengesellschaften aus dem Bundes-land Niedersachsen ab. Anders als der HASPAX® ist der NISAX® ein Kursindex. Kursindizes messen die Kursentwicklung der im Index enthaltenen Unternehmen und werden lediglich um die Erträge aus Bezugsrechten und Sonderzahlungen be-reinigt. Aktuell befinden sich neben den DAX®-Werten wie Continental und Volks-wagen auch so traditionelle Unternehmen wie beispielsweise Salzgitter KWS Saat oder Cewe Color in dem Index.

Mit dem erstmaligen Listing von aktiv ge-managten Fonds hat die Börse Hamburg im August 2002 Pionierarbeit geleistet. Fortan konnten unter dem Markennamen „Fonds-

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450 Jahre

börse Deutschland“ Investmentfonds an der Börse Hamburg ge- und verkauft wer-den wie Aktien. Während die Angebotsviel-falt im Bereich Aktien- und Rohstoffindizes ausreichend erscheint, gestaltete sich die Suche nach einer geeigneten, das neue Fonds-Handelssegment unterstützenden Benchmark schwierig. Einen auf den heu-te üblichen Berechnungsmethoden basie-renden anerkannten Fondsindex gab es nicht. Käufern von Investmentfonds fehlte damit eine wichtige Benchmark, also eine Messlatte, mit der sie die Entwicklung ihres Fonds zum Vergleichsmarkt einschätzen konnten.Unter der Marke Foxx20® hat die Börse Hamburg in Zusammenarbeit mit der Feri Rating & Research AG in Bad Homburg (Feri) Anfang 2006 zwei entsprechende Fondsindizes entwickelt.

Den Start machte der Foxx20® - Europa. Der Foxx20® - Europa ist ein ungewichte-ter Fondsindex, der auf der Grundlage der Indexkriterien 20 Fonds mit Anlageschwer-punkt Europa umfasst. Er ist als Perfor-manceindex konzipiert, d. h. sämtliche Ausschüttungen des Fonds werden am Tag nach der Ausschüttung in das Indexportfo-lio reinvestiert. Basiswert des Index ist die Zahl 1000. Die Indexberechung begann am 01.04.2006 und erfolgt börsentäglich aus den an der Börse Hamburg festge-stellten Preisen für offene Fonds, wobei die jeweils zuletzt festgestellten Preise verwen-det werden. Der Foxx20® - Europa wird fortlaufend berechnet und kann als Bench-mark für einen Performancevergleich für einen Fonds, z.B. einen Dachfonds, dienen oder auch für die Auflegung von Derivaten genutzt werden.

Aufbauend auf den Foxx20®-Europa hat die Börse Hamburg den Foxx20®-Welt entwickelt. Er ist identisch aufgebaut, ent-hält aber auf der Grundlage der Feri-Klassi-fizierung 20 Fonds mit Anlageschwerpunkt Welt. Der jüngste, von der Börse Hannover, entwi-ckelte Index trägt den Namen Global Chal-lenges Index und ist ebenfalls eine echte Innovation am Finanzmarkt. Der Global Challenges Index ist ausgerichtet auf sieben globale Herausforderungen dieses Jahrtau-sends, denen sich Politik, Gesellschaft und Wirtschaft stellen müssen.

Der Index umfasst Unternehmen, die rich-tungsweisende Beiträge zur Bewältigung der globalen Herausforderungen leisten. Er enthält 50 Titel weltweit tätiger Großunter-nehmen sowie kleiner und mittlerer Unter-nehmen (KMU), die durch ihre Produkt- und Dienstleistungspalette eine nachhaltige Ent-wicklung fördern und sich gleichzeitig Chan-cen für die zukünftige Geschäftsentwicklung erschließen.

Verglichen mit den etablierten Index-Pro-vidern stehen die Börsen Hamburg und Hannover noch ganz am Anfang. Doch die oben beschriebenen Beispiele zeigen, dass es trotz der eingangs erwähnten großen Anzahl von Indizes auch für einen Newco-mer im Indexgeschäft immer wieder interes-sante Nischen zu besetzen gibt. Die Börsen Hamburg und Hannover werden den be-gonnen Weg weitergehen und als Provider für Spezialindizes auch künftig von sich Re-den machen.

Wir danken den Autoren

Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut gemeinnützige GmbH (HWWI)• Dr. Michael Bräuninger• Dr. Norbert Kriedel• Dr. Alkis Otto• Dr. Silvia Stiller• Tobias Stöhr• Dr. Henning Vöpel

Börsen Hamburg und Hannover • Prof. Dr. Hans Heinrich Peters• Dr. Thomas Ledermann• Sandra Lüth• Sabine Berger• Kay Homann• Sven Marxsen• Ulf Timke• Fred Werner

mwb Fairtrade Wertpapierhandelsbank AG • Franz Christian Kalischer

Fondsbörse Deutschland Beteiligungsmakler AG • Bert E. König

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