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7. Jahrgang Heft 1/2000 Januar/Februar Verlag C.H.Beck Wilhelmstr.9, 80801 München Telefon 089/38189-0 Stämpfli VerlagAG Hallerstr.7,CH-3001Bern Telefon031/3006343 Redaktion undSchriftleitung: Rechtsanwalt Dr. Jochen Fritzweiler Marktier Str.23, 84489 BurghausenTel.: 08677/3034, Fax: 08677/62093 Herausgegeben von Goetz Eilers (DFB), Rechtsanwalt Dr. Jochen Fritzweiler, Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Grunsky Prof. Dr. h.c. Hans Kauffmann t Dr. Christian Krähe, Rechtsanwalt Prof. Dr. Bernhard Pfister Dr. Josef Pichler, Senatspräsident a. D. Prof. Dr. Amdt Raupach, RechtsanwaltDr. h. c. Volker Röhricht, Vors. Richter arn BGH Erika Scheffen, Richterin am BOR a.D. Dr. Urs ScherTeT Dr. Thomas Summerer, Rechtsanwalt Prof. Dr. Udo Steiner, RiBVerfO Prof. Dr. RudoIf Streinz Prof. Dr. Peter J. Tettinger Prof. Dr. Klaus Vieweg in Verbindung mit dem Konstanzer Arbeitskreis /Ur Sportrecht e. ~ -Verein /Ur deutsches und internationales Sportrecht- und der ISLA (International Sport Lawyers Association) 11 Von Dt: Martin Stoppel; Wissenschaftl. Assistent, Universität Kaiserslautern 1. Prolog für die erfolgreiche Ausbildung von Nachwuchsspielern angeht. Die Rechtswidrigkeit solcher Ausbildungsent- schädigungen hat jetzt der Bundesgerichtshof in zwei Entscheidungen4 festgestellt. Nach verschiedenen Ur- teilen unterinstanzlicher Gerichte hat somit nun auch der BGH übernommen, was "Bosman" gelehrt hat. Dieser Kurzbeitrag liefert eine kritische Übersicht über diese Rechtsprechung, die ausschließlich das Szenario " Wechsel eines Amateurs in das Profilager" berücksich- tigt.5 Die Rechtswidrigkeit von Transferregeln im Sportl wie sie durch das "Bosman"-Urteil des Europäischen Ge- richtshofs (EuGH) vom 15.12. 19952 postuliert wurde, ist bis heute noch Gegenstand der Rechtsprechung so- wie der öffentlichen Diskussion.Zuletzt fühlte sich die für Sportfragen zuständigeluxemburgischeEU-Kom- missarin Viviane Reding aufgefordert, auf die Initiati- ven der Regierungsspitzen der 15 EU-Staatenauf dem Wiener EU-Gipfel vom Dezember 1998 und die jüng- sten Bemühungender internationalenFußball- Verbän- de UEFA und FIFA zu reagieren,um so die "negati- ven Folgen des ,Bosman'-Urteils" zu mildern.3 Von ei- ner solchenDiskussion ausdrücklichausgeschlossen ist dabei die Kontingentierung von aus EU-Staatenstam- menden Sportlern. Jedoch deutet die EU-Kommission eine Gesprächsbereitschaft an, was die zentrale Ver- marktung von Fernsehübertragungsrechten und die Entschädigungsmöglichkeiten von Amateurvereinen 2. "Bosmans" Lehren Im "Bosman"-Urteil desEuGH6 findet sich dieser erste Leitsatz: "Art.48 EWGV (Anm. d. A.: jetzt Art. 39 EGV) steht der Anwendung von durch Sportverbände aufgestellten Regeln entgegen, nach denen ein Berufs- fußballspieler, der Staatsangehöriger eines Mitglied- staats ist, bei Ablauf des Vertrages,der ihn an einen 5 Fußball: NJW 1999,3552f., SpuRt 1999, 236ft. m.Anm. Arens; Eishockey: S.19ft. in diesem Heft. Transferzahlungen für den Wechsel einesProfisportiers innerhalb des Profilagerslagen nicht nur der Entscheidung des EuGH im Fall "Bosman" zugrunde, sondern wurden entsprechend in Deutschlanddurch das Bundesarbeitsgericht im Fall "Kienass" entschieden, BAG, SpuRt 1997, 94ft.; s. auch Arens,SpuRt 1997, 126ft. S.FN2. 2 3 Vgl. auch die Diskussionsbeiträge von Reuter, NJW 1983, 649ff.; Buchner, RdA 1982, 59ff.; Wertenbruch, NJW 1993, 179ff.; Meyer = Cording, RdA 1982, 13ff., Schellhaaß, RdA 1984, 218ff.; Streinz,SpuRt 1998, 45ff. u. 1998, 89ff. Weiß, SpuRt 1998, 97ff. EuGH NJW 1996, 505ff. = EuZW 1996, 82ff. = DZWir 1996, 59ff. = JZ 1996,248 ff. = SpuRt 1996, 59ff.; Westermann, DZWir 1996, 82ff. FAZ vom 2.12. 1999, S.44. 6

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7. JahrgangHeft 1/2000 Januar/Februar

Verlag C.H.BeckWilhelmstr.9, 80801 München

Telefon 089/38189-0Stämpfli Verlag AG

Hallerstr.7, CH-3001 BernTelefon 031/3006343

Redaktion und Schriftleitung:Rechtsanwalt Dr. Jochen FritzweilerMarktier Str.23, 84489 BurghausenTel.:

08677/3034, Fax: 08677/62093

Herausgegeben von

Goetz Eilers (DFB), Rechtsanwalt

Dr. Jochen Fritzweiler, Rechtsanwalt

Prof. Dr. Wolfgang Grunsky

Prof. Dr. h.c. Hans Kauffmann t

Dr. Christian Krähe, Rechtsanwalt

Prof. Dr. Bernhard Pfister

Dr. Josef Pichler, Senatspräsident a. D.

Prof. Dr. Amdt Raupach, RechtsanwaltDr.

h. c. Volker Röhricht, Vors. Richter arn BGH

Erika Scheffen, Richterin am BOR a.D.

Dr. Urs ScherTeT

Dr. Thomas Summerer, Rechtsanwalt

Prof. Dr. Udo Steiner, RiBVerfO

Prof. Dr. RudoIf Streinz

Prof. Dr. Peter J. Tettinger

Prof. Dr. Klaus Vieweg

in Verbindung mit dem Konstanzer Arbeitskreis /Ur Sportrecht e. ~

-Verein /Ur deutsches und internationales Sportrecht-

und der ISLA (International Sport Lawyers Association)

11

Von Dt: Martin Stoppel; Wissenschaftl. Assistent, Universität Kaiserslautern

1.

Prolog für die erfolgreiche Ausbildung von Nachwuchsspielernangeht. Die Rechtswidrigkeit solcher Ausbildungsent-schädigungen hat jetzt der Bundesgerichtshof in zweiEntscheidungen4 festgestellt. Nach verschiedenen Ur-teilen unterinstanzlicher Gerichte hat somit nun auchder BGH übernommen, was "Bosman" gelehrt hat.Dieser Kurzbeitrag liefert eine kritische Übersicht überdiese Rechtsprechung, die ausschließlich das Szenario" Wechsel eines Amateurs in das Profilager" berücksich-

tigt.5

Die Rechtswidrigkeit von Transferregeln im Sportl wiesie durch das "Bosman"-Urteil des Europäischen Ge-richtshofs (EuGH) vom 15.12. 19952 postuliert wurde,ist bis heute noch Gegenstand der Rechtsprechung so-wie der öffentlichen Diskussion. Zuletzt fühlte sich diefür Sportfragen zuständige luxemburgische EU-Kom-missarin Viviane Reding aufgefordert, auf die Initiati-ven der Regierungsspitzen der 15 EU-Staaten auf demWiener EU-Gipfel vom Dezember 1998 und die jüng-sten Bemühungen der internationalen Fußball- Verbän-de UEFA und FIFA zu reagieren, um so die "negati-ven Folgen des ,Bosman'-Urteils" zu mildern.3 Von ei-ner solchen Diskussion ausdrücklich ausgeschlossen istdabei die Kontingentierung von aus EU-Staaten stam-menden Sportlern. Jedoch deutet die EU-Kommissioneine Gesprächsbereitschaft an, was die zentrale Ver-marktung von Fernsehübertragungsrechten und dieEntschädigungsmöglichkeiten von Amateurvereinen

2.

"Bosmans" Lehren

Im "Bosman"-Urteil des EuGH6 findet sich dieser ersteLeitsatz: "Art.48 EWGV (Anm. d. A.: jetzt Art. 39EGV) steht der Anwendung von durch Sportverbändeaufgestellten Regeln entgegen, nach denen ein Berufs-fußballspieler, der Staatsangehöriger eines Mitglied-staats ist, bei Ablauf des Vertrages, der ihn an einen

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Fußball: NJW 1999, 3552f., SpuRt 1999, 236ft. m.Anm. Arens;Eishockey: S.19ft. in diesem Heft.Transferzahlungen für den Wechsel eines Profisportiers innerhalbdes Profilagers lagen nicht nur der Entscheidung des EuGH imFall "Bosman" zugrunde, sondern wurden entsprechend inDeutschland durch das Bundesarbeitsgericht im Fall "Kienass"entschieden, BAG, SpuRt 1997, 94ft.; s. auch Arens, SpuRt 1997,126ft.S.FN2.

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Vgl. auch die Diskussionsbeiträge von Reuter, NJW 1983, 649ff.;Buchner, RdA 1982, 59ff.; Wertenbruch, NJW 1993, 179ff.; Meyer= Cording, RdA 1982, 13ff., Schellhaaß, RdA 1984, 218ff.;Streinz, SpuRt 1998, 45ff. u. 1998, 89ff. Weiß, SpuRt 1998, 97ff.EuGH NJW 1996, 505ff. = EuZW 1996, 82ff. = DZWir 1996, 59ff.= JZ 1996,248 ff. = SpuRt 1996, 59ff.; Westermann, DZWir 1996,82ff.FAZ vom 2.12. 1999, S.44. 6

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AufsätzeSpIRt 1/20002

3.1 LG Frankfurt/Main vom 10.12. 19968Im Geltungsbereich des Hessischen Fußballverbandesmachte ein Verein aus der Bezirksoberliga für denWechsel eines seiner Spieler zu einem Regionalligistendie Zahlung einer pauschalen Transferentschädigung inHöhe von 25000,- DM geltend. Das LG Frankfurt/Main formulierte zur Problematik der Rechtmäßigkeitvon Transferzahlungen kurz: "Bedenken gegen dieWirksamkeit der Regelung sind aus verfassungsrechtli-cher und privatrechtlicher Sicht nicht erkennbar. DieVorschrift trägt dem berechtigten Interesse der Vereinean einer ungestörten Abwicklung des SpielbetriebsRechnung und stellt keine unangemessene Beeinträch-tigung der Freizügigkeit der Amateurspieler dar." Obdie Pflicht zur Zahlung einer Transferzahlung ausgrundsätzlichen rechtlichen Erwägungen entfallen sei,war mangels konkreten Tatsachenvortrags nicht zu ent-scheiden.

Verein bindet, nur dann von einem Verein eines an-deren Mitgliedstaats beschäftigt werden kann, wenndieser dem bisherigen Verein eine Transfer-, Ausbil-dungs-, oder Förderungsentschädigung gezahlt hat."

Eventuelle Rechtfertigungsgründe zur Erhaltungdes bis dahin bestehenden Systems hat der EuGH nichtanerkannt. Als mögliche Zwecke zur Erhaltung diesesSystems kamen die Aufrechterhaltung des finanziellenund sportlichen Gleichgewichts zwischen den Vereinenund die Unterstützung der Suche nach Talenten sowiedie Ausbildung junger Spieler in Betracht. Die Erhal-tung des sportlichen und finanziellen Gleichgewichtswird nach Ansicht des EuGH durch das Transfersy-stem nicht gefördert. Hinsichtlich des zweiten Zwecksräumt er hingegen ein, daß die Aussicht auf Erlangungvon Transfer- Förderungs- und Ausbildungsentschädi-gungen tatsächlich geeignet ist, die Fußballvereine zuermutigen, nach Talenten zu suchen und für die Ausbil-dung der jungen Spieler zu sorgen.

Dennoch konstatierte der EuGH: "Da jedoch diesportliche Zukunft der jungen Spieler unmöglich mit Si-cherheit vorhergesehen werden kann und sich nur einebegrenzte Anzahl dieser Spieler einer beruflichen Tä-tigkeit widmet, sind diese Entschädigungen durch ihrenEventualitäts- und Zufallscharakter gekennzeichnetund auf jeden Fall unabhängig von den tatsächlichenKosten, die den Vereinen bei der Ausbildung sowohlder künftigen Berufsspieler als auch derjenigen, die nieBerufsspieler werden, entstehen. Unter diesen Umstän-den kann die Aussicht auf die Erlangung solcher Ent-schädigungen weder ein ausschlaggebender Faktorsein, um zur Einstellung und Ausbildung junger Spielerzu ermutigen, noch ein geeignetes Mittel, um diese Tä-tigkeiten, insbesondere der kleinen Vereine, zu finan-zieren."

3.2 LG Aschaffenburg vom 1.2. 19959Das LG Aschaffenburg löste einen vergleichbar gela-gerten Fall innerhalb des Hessischen Fußballverbandeswesentlich differenzierter und wies die Klage zur Zah-lung einer Transferentschädigung ab. So unterzog dasLG Aschaffenburg die betreffende Norm über die Zah-lungspflicht gemäß ,,§§ 315, 242 BGB" einer Inhalts-kontrolle und stellte demzufolge einen Verstoß gegenGrundrechte fest, da die "Verpflichtung zur Zahlung ei-ner Transferentschädigung einen Fußballspieler in derfreien Wahl seines Arbeitsplatzes, die als Teil der Be-rufswahlfreiheit nach Artikel 12 Abs.1 GG geschütztist, beeinträchtigt." Zulässig wäre nur eine Beschrän-kung durch Normen eines privaten Vereines, durch dieberechtigte Interessen des Vereins oder seiner Mitglie-der geschützt werden sollen. Unzulässig sei jedoch eineRegelung, wonach eine Transferentschädigung in Formeiner Ablösesumme zu zahlen ist. Daß hier von einerAblösesumme die Rede war, habe sich bereits durchdie Pauschalierung der Summe durch die betreffendeVerbandsnorm -hier 10000 DM -erwiesen. Dochselbst, wenn es sich -wie deklariert -um eine Ausbil-dungs- und Förderungsentschädigung gehandelt habensollte, sei deren Zahlung unzulässig, da sie mangels Be-zugnahme auf tatsächlich angefallene Ausbildungsko-sten nicht durch die Interessen des Verbandes und sei-ner Mitglieder gerechtfertigt sei.

3. Deutsche Rechtsprechung im Lichte "

Seit dem "Bosman"-Urteil haben sich in DeutschlandGerichte in allen Instanzen mit der rechtlichen Erfas-sung von Transfer-Entschädigungen beschäftigt undgleichsam einen bunten Strauß in Rechtsfindung undUrteil hervorgebracht. Die unterinstanzlichen Verfah-ren, die zum Teil rechtskräftig und zum Teil bis zur Ent-scheidung des BGH ausgesetzt waren, beurteilten in derRegel die ZaWung von Ausbildungsentschädigungen imFußball. Deshalb soll auch hier das Fußball-BGH-Ur-teil besprochen werden: In allen Verfahren ging es umpauschalierte Ausbildungsentschädigungen, die ihreGrundlage in der DFB-Spielordnung haben. Ausgelöstwurde der Streit um diese Ausbildungsentschädigungendurch Spielerwechsel, bei denen ein Spieler aus einerMannschaft unterhalb der Oberliga in eine Mannschaftder Oberliga oder der Regionalliga wechseln wollte.Im vom BGH entschiedenen Fall stand dem Spieler-ab-gebenden Verein beim Vereinswechsel seines Spielers indie Regionalliga laut DFB-Spielordnung eine pauschaleAusbildungsentschädigung von 25000 DM zu. Mittler-weile beträgt diese Pauschale laut § 15 c) Nr.3 DFB-Spielordnung 10000 DM (Oberliga 7500 DM).

3.3 AG Frankfurt/Main vom 25.9. 199810Das AG Frankfurt hielt die Zahlung der satzungsgemä-ßen Ablösesumme beim Wechsel eines Amateurs in denStatus eines Vertragsamateurs für zulässig. Bei derÜberprüfung der Wechsel-Statuten kam das Gericht zufolgenden Schlüssen: "Grundsätzlich ist bei der Prü-fung der maßgeblichen Bestimmung der Spielordnungzu prüfen, ob diese im Lichte des Artikel 12 verhältnis-mäßig ist. Die Grenze zur Verfassungswidrigkeit dürftedann überschritten sein, wenn die Freiheit des Arbeits-platzwechsels zu Lasten des Spielers unangemessenund unverhältnismäßig eingeschränkt wird.11 Eine imSatzungsrecht verankerte Verpflichtung des übemeh-

8 Nicht veröffentlicht, LG Frankfurt/Main AZ 2/14 0 282/96.9 Nicht veröffentlicht, LG Aschaffenburg AZ 1 0547/98.10 Nicht veröffentlicht, AG Frankfurt/Main AZ 301 C 4126/98.11 Wertenbruch, NJW 1993, 179, 180.

Die zur selben Zeit ergangene Entscheidung des BGH im Bereichdes Eishockey, S.19ff. in diesem Heft, ist in Struktur und Begrün-dung bis auf spezifische Abweichungen vergleichbar.

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menden Vereins zur Zahlung einer Transferentschädi-gung stellt sich auf dem Hintergrund, daß wirtschaft-lich schwächere Vereine davor geschützt werden sollen,von stärkeren Vereinen dadurch ausgebeutet zu wer-den, daß die Spieler nach einer gewissen Ausbildungs-und Anlernzeit durch günstige Vertragskonditionen zueinem Vereinswechsel bewegt und dadurch der abge-bende Verein auch wirtschaftlich ausgeblutet wird, alseine von mehreren möglichen, grundsätzlich zweckmä-ßigen Regelungen dar, zu einem gewissen wirtschaftli-chen Ausgleich zwischen wirtschaftsmächtigen undschwächeren Vereinen beizutragen. Keinen Bedenkenbegegnet es dabei, daß die satzungsmäßigen Grundla-gen für die zu leistenden Entschädigungen eine Pau-schale von 10000 DM vorsehen. Die tatsächlichen Auf-wendungen, die ein Verein im Hinblick auf den einzel-nen Spieler macht, dürften nur äußerst schwer zu be-rechnen sein, andererseits stellt eine Entschädigungs-summe von 10000 DM keine so hohe Summe dar, daßsie den wirtschaftlichen Aufwand des auszubildendenVereins deutlich übersteigen dürfte. Die Höhe der ein-gesetzten Pauschale steht auf dem Hintergrund, daßein abgebender Verein möglicherweise, wie hier derKläger, sich jahrelang um den abgebenden Spieler be-müht und ihn ausgebildet hat, eine durchaus als verhält-nismäßig anzusehende Entschädigung dar. Mithin siehtdas Gericht die gewählte Möglichkeit eines finanziellenAusgleichs seitens der Regelungen des DFB als wirk-sam an."12

3.5 AG Paderbom vom 9.3.199915 und LG Paderbornvom 6.5. 199916Das AG Paderbom gibt der Klage auf Zahlung einer Auf-wandsentschädigung statt und liefert die ausschlaggeben-den Gründe innerhalb einer Güterabwägung zwischenArt. 9 GG undArt.l2 GG. Es hat nämlich die Zahlung ei-ner Ausbildungsentschädigung lediglich als Beeinträchti-gung der Berufsausübung eingeordnet und somit dasRecht der Berufsfreiheit auf seiner mildesten ersten Stu-fe17 gegen den Grundsatz der Vereinsautonomie i. S. v.Art. 9 GG antreten lassen. Dementsprechend schlug dasPendel zugunsten der Verbandsregel aus, da "dies auchder Aufrechterhaltung eines geordneten Spielbetriebsund der Erhaltung der Wettbewerbsgleichheit dient,deren Wahrung in den grundgesetzlich geschütztenAutonomiebereich des DFB fällt. Auf diese Weise wirdnämlich verhindert, daß finanziell starke Vereine bei fi-nanziell weniger starken Vereinen ausgebildete Spielermit attraktiven Konditionen für sich gewinnen können,ohne für die unter Umständen kostenintensive Aus-bildung des Spielers einen Ausgleich leisten zu müssen."

In der Berufungsverhandlung wurden die Beklagten-rechte höher gehängt und eine Beeinträchtigung derBerufswaWfreiheit auf der dritten Stufe der Art.l2 GGzugehörigen Stufentheorie anerkannt, die wiederum mitdem Recht auf Freizügigkeit Art.48 EWGV (Anm.d.A.: jetzt Art.39 EGV) korrespondiert. Demzufolgeverwies das LG auf das "Bosman"-Urteil, befürchteteeine Inländerdiskriminierung und gab der Berufung statt.

3.4 AG Neustadt am Rübenberge vom 17.12. 199813Im Regelungsbereich des niedersächsischen Fußballver-bandes hat das AG Neustadt am Rübenberge die Zah-lung einer Ausbildungsentschädigung als rechtswidrigbeurteilt. Unter Anwendung von Art.12 GG erklärtedas Gericht, daß "die Beschränkung der Wahl des Ar-beitsplatzes nur zur Wahrung eines entsprechendenwichtigen Gemeinschaftsgutes unter Wahrung desGrundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig ist.14Dies ist hier nicht der Fall. Zwar vermag die Aussichtauf eine Ausbildungs- und FörderungsentschädigungVereine zu motivieren, ihre Spieler gründlich auszubil-den, was auch den einzelnen Spielern zugute kommt.Auch kann man davon ausgehen, daß Vereine geradedie Spieler, die mit erheblichen Kosten für den Vereingut ausgebildet wurden, um so eher an Vereine in hö-heren Spielklassen verlieren, je besser sie ausgebildetsind. Dieser Förderungsgedanke steht jedoch bei derhier vorliegenden Regelung nicht im Vordergrund. Da-gegen spricht nämlich die pauschale Ausgestaltung derEntschädigung, unabhängig von den tatsächlich entstan-denen Kosten und der Dauer der Ausbildung und vorallem unabhängig davon, ob der abgebende Vereinüberhaupt etwas zur Ausbildung des Spielers beigetra-gen hat. Die Regelung des § 15 c der DFB-Spielord-nung dient jedoch vordringlich den wirtschaftlichen In-teressen und der Wettbewerbsfähigkeit der Vereineund betrifft daher kein ebenso wichtiges Gemein-schaftsgut wie die Freiheit zur Wahl des Arbeitsplatzes.

3.6 BGH vom 29.9. 199918Dem BGH ist es nunmehr gelungen, in weitgehendnachvollziehbarer Art und Weise eine Entscheidungvorzulegen, die die in Weg und Ergebnis weit gestreu-ten Urteile der unterinstanzlichen Gerichte effektiv re-sümiert und vor allem endlich eine übersichtliche Argu-mentationskette liefert. Die Entscheidung soll nun sokomprimiert werden:-Die Verbandsnorm des Niedersächsischen Fußball-

verbandes, die die Zahlung einer pauschalierten Aus-bildungs- und Förderungsentschädigung vorsieht, un-terliegt der gerichtlichen Inhaltskontrolle gemäߧ§ 138, 242 BGB. Eine Inhaltskontrolle umfaßt aucheine durch Grundrechte geprägte Interpretation derzivilrechtlichen Generalklauseln.19

-Der Schutzbereich des Art. 12 Abs.1 GG umfaßt dieTätigkeit nicht nur von professionellen Sportlern,sondern auch von sogenannten Vertragsamateuren,die das Fußballspiel mit vertraglicher Bindung gegenEntgelt ausüben und damit Einkommen für den Le-bensunterhalt erzielen.20

-Die in Art.12 Abs.1 GG geregelte Berufsfreiheitkann durch Satzungen ohne Ermächtigungsnorm ge-regelt werden, wenn sie innerhalb bestimmter Gren-zen von einer mit Autonomie begabten Körperschafterlassen wird}1

12 S. auch OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 558f., OLG Hamm,NJW-RR 1992, 1211ff., OLG Schleswig, NJW-RR 1992, 249ff.

13 Nicht veröffentlicht, AG Neustadt/Rbge. AZ 50 C 1043/98.14 BVerfGE 84,133,148; BAG NZA 1997,647.

15 Nicht veröffentlicht, AG Paderbom AZ 57 C 503/98.16 Nicht veröffentlicht, LG Paderbom AZ 5 S 77/99.17 Stufenlehre nach BVerfGE 25, 1, 12; Pieroth/Schlink, Grundrech-

te, Rz. 925.18 NJW 3552f.; SpuRt 1999, 236ff.19 BVerGE 7, 198,205; 42,143,148 und BVerfGE 89, 214, 229, BGR

NJW1986,2944m.w.N.20 Vgi. Dreier/Wieland, GG, Art. 12, Rz.49f. m.w.N.21 BVerfGE 33, 125, 155 f.; 54, 224, 234.

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dungsentschädigung ist jedoch nicht mit Aussicht aufdie Zukunft zu entrichten, sondern soll ihren Wert an-hand des Ausbildungsstandes des Spielers zum Zeit-punkt des gegenwärtigen Vereinswechsels unter Heran-ziehung der ihm angediehenen Ausbildung in der Ver-gangenheit bestimmen. Das Argument wurde schon imFall "Bosman auf unlogische Weise angeführt,23 alsüber Ausbildungsentschädigungen für junge Spieler hy-pothetisiert wurde. Denn nur die Forderung einer Trans-fer-Entschädigung ist durch den Gedanken "Das wird erEuch bringen!" motiviert, bei der Forderung einer Aus-bildungsentschädigung soll jedoch ausschließlich derGedanke "Das hat er uns gekostet!" eine Rolle spielen.

Letztlich überraschten die Ausführungen des BGHzum Vereinszweck in Bezug auf Art.9 GG, als er denNutzen einer Ausbildung im Bereich des Jugendfuß-balls als rein fatalistisch qualifizierte. Diese These stehtzumindest im Widerspruch zu den jüngst aktiviertenund durch Fachleute herbeigesehnten finanziellen undideellen Förderung der Nachwuchsarbeit im deutschenFußball.

-Die Verbandsnorm schränkt die Möglichkeit des be-troffenen Amateurs unzulässig ein, den Beruf desFußballspielers sowie einen entsprechenden Arbeits-platz zu wählen. Sie wirkt wie eine objektive Zulas-sungsschranke und ist nur dann gerechtfertigt, wennsie zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahr-scheinlicher schwerer Gefahren für ein überragendwichtiges Gemeinschaftsgut geeignet ist.22 Dessen un-geachtet stellt die Entschädigung dafür keine hinrei-chende Grundlage dar, da die sportliche Zukunft jun-ger Amateurspieler nicht mit Sicherheit vorhersehbarist und sich nur eine begrenzte Anzahl von ihnen ei-ner entsprechenden beruflichen Tätigkeit widmetund die Entschädigungen somit durch einen Eventu-alitäts- und Zufallscharakter gekennzeichnet sind.

-Eine solche Aufwandsentschädigung fällt nicht unterdie grundrechtlich geschützte Vereinigungsfreiheit;sie hat zwar für den Verein eine wirtschaftliche Be-deutung, ist jedoch mit dem Vereinszweck nicht not-wendigerweise verbunden. Eine Forderung dieserArt knüpft nicht an die Intensität und Qualität derJugendarbeit an. Es ist vielmehr dem Zufall überlas-sen, ob ein Jugendspieler, auch wenn er das Trai-ningsprogramm mit großem Einsatz absolviert, denSprung in das sogenannte "Profilager" schafft. Im üb-rigen kommt der Freiheit der Berufswahl gegenüberden aus der Vereinigungsfreiheit abzuleitenden Ge-staltungsrechten grundsätzlich der Vorrang zu.

-Die Wertentscheidung, die der EuGH im Fall "Bos-man" getroffen hat, daß es mit Art. 48 EWGV (Anm.d.A.: jetzt Art.39 EGV) unvereinbar ist, daß ein Be-rufsfußballspieler, der Staatsangehöriger eines Mit-gliedstaates ist, bei Ablauf seines Vertrages nur dannvon einem anderen Verein beschäftigt werden kann,wenn dieser dem bisherigen, eine Transfer-, Ausbil-dungs- oder Förderungsentschädigung zahlt, läßt sichauf die am Maßstab des Art. 12 GG orientierten Be-wertung des jungen Amateurs übertragen: So wie derBerufsfußballspieler durch eine Entschädigungsrege-lung an der Möglichkeit des Arbeitsplatzwechsels ge-hindert wird, wird der Amateur in seiner durchArt. 12 GG geschützten Berufswahl und der Wahl sei-nes ersten Arbeitsplatzes unzulässig beeinträchtigt.

5. Individualisierte Ausbildungsentschädigung?

Es stellt sich abschließend die hier kurz zu behandelndeFrage, inwieweit Forderungen von individualisiertenAusbildungsentschädigungen im Fußball geeignet sind,gegenüber dem Grundrecht der Berufsfreiheit desArt. 12 Abs.1 GG zu bestehen. Entsprechenden Zu-spruch hat diese Form der Ausbildungsentschädigungschon durch Generalanwalt Lenz im "Bosman- Verfah-ren" erfahren: "Die Erwägung, daß ein Klub für dievon ihm geleistete Ausbildungsarbeit kompensiert undes den großen und reichen Vereinen nicht ermöglichtwerden sollte, sich die Früchte dieser Mühen ohne ei-nen Beitrag zunutze zu machen, hat meines Erachtensdurchaus einiges Gewicht. ...Die Kommission hinge-gen hat ganz allgemein in Erwägung gezogen, daß eineangemessene Ablösesumme gerechtfertigt sein kann.Eine solche Regelung müßte meines Erachtens zwei Er-fordernissen entsprechen. Erstens müßte die Ablöse-summe tatsächlich auf den Betrag beschränkt sein, dervon dem bisherigen Klub (oder den bisherigen Klubs)für die Ausbildung des Spielers aufgewendet wordenist. Zweitens käme eine Ablösesumme nur in Betracht,soweit es sich um den ersten Vereinswechsel handeltund der bisherige Klub den Spieler ausgebildet hat.',24

Ähnliche Erwägungen machte bereits das OLGHamm25 bei der Beurteilung einer Ausbildungsentschä-digung bei Vereinswechsel eines Eishockeyspielers un-ter Verweis auf BAG-Rechtsprechung}6 Dort hieß es,daß die Rückzahlung von Ausbildungsaufwendungennur dann zulässig ist, wenn sie unter Berücksichtigung al-ler Umstände des Einzelfalls nach Treu und Glaubendem Arbeitgeber zuzumuten ist und einem begründetenund zu billigenden Interesse des Arbeitgebers entspricht.

Es deutet somit einiges darauf hin, daß individuali-sierte Ausbildungsentschädigungen gegenüber Art.12Abs.1 GG zu rechtfertigen sind, zumal sie dann als sub-

4. Kritik zur BGB-Entscheidung

Das Urteil war im konkreten Fall im Ergebnis richtig.Eine pauschalierte Ausbildungsentschädigung -alsonicht individualisiert und den tatsächlichen Umständenangepaßt -ist gegenüber dem grundgesetzlichenSchutz der Berufsfreiheit nicht zu rechtfertigen. Sie hatkeinen Entschädigungs-, sondern Konsolidierungscha-rakter und wirkt auch deshalb wie eine objektive Zulas-sungsschranke. In ihren Gründen löst die Entscheidungjedoch teilweisen Unmut aus.

So übergeht der BGH die Frage, ob Fußball einüberragendes Gut für die Gemeinschaft darstellt, an-hand der Feststellung, daß die sportliche Zukunft jun-ger Amateurspieler nicht mit Sicherheit vorhersehbarsei und sich nur eine begrenzte Anzahl von ihnen einerentsprechenden beruflichen Tätigkeit widme und dieEntschädigungen somit durch einen Eventualitäts- undZufallscharakter gekennzeichnet seien. Eine Ausbil-

23 EuGH, FN 1, RN 109.24 Schlußanträge von Herrn Lenz -Rechtssache C -415193, RN 39,

S.I-105.25 OLG Hamm, NJW-RR 1992, 1211, 1213.26 BAG NJW 1977, 973.22 BVerfGE 7, 377, 408, 409; 84,133,148.

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jektive Zulassungsregelungen mit nur mittlerem Beein-trächtigungsniveau auf der zweiten Stufe der Stufenleh-re des Art. 12 Abs.l GG eingeordnet werden können.27Letztlich wäre damit allen gedient: Der abgebende Ver-

ein ist motiviert, sein Ausbildungsniveau mit Aussichtauf entsprechende Amortisierungsmögiichkeiten zusteigern. Der Sportler profitiert vom gesteigerten Aus-bildungsniveau und der abnehmende Verein kann inseinem Interesse nur zu angemessenen Zahlungen ver-pflichtet werden.27 JarasS/Pieroth, GG, Art. 12, RN 2Oa m.w.N.