von Herausgeber Edmund Pelikan - Cloud Object Storage Klezmer-Stückes, das Giora Feidman, der...

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Max Seefelder komponierte für Giora Feidman von Herausgeber Edmund Pelikan Den Bezirksheimatpfleger Dr. Max Seefel- der kennt man in Landshut. Ob als Ideen- geber des Kulturmobils, das Theater in den ländlichen Raum bringt, oder sein Wirken in Niederbayern. Dabei will er nicht nur Tradi- tionen bewahren, sondern oft auch in einen modernen und hintergründigen Kontext stel- len. Andere kennen ihn von der Musikerseite her. Dort wirkte er jahrzehntelang bis heu- te bei den Dellnhauser Musikanten mit, die von seinem Schwiegervater Michl Eberwein gegründet wurden und von seinem Schwager heute geführt werden. Gemeinsam mit seiner Frau Marlene, eine geborene Eberwein und ausgewiesene Profimusikerin, musiziert er in der gleichnamigen Gruppe „eberwein“ . Gerne arbeitet er auch in anderen Zusammensetzun- gen, z.B. wenn der Bayerische Rundfunk zu Aufnahmen oder die Bayerische Staatsregie- rung für die musikalische Umrahmungen ei- ner Weihnachtsfeier in die bayerische Lands- vertretung nach Berlin rufen. Kurz: Dr. Max Seefelder ist bekannt. Eines wissen aber nur wenige: Er ist Komponist eines Klezmer-Stückes, das Giora Feidman, der weltbekannte Klarinettist, aufgenom- men hat. Dieses hatte ich – zu meiner eige- nen Überraschung - in einem Radiointerview mit Giora Feidman im Bayerischen Rundfunk gehört. Meine Neugier war geweckt. Und als ich den Komponisten nach einem Konzert im Dezember 2014 in Berlin traf, fragte ich ihn, ob wir über diese Entstehungsgeschichte des Klezmer-Stückes „Grüaß di Gott, Giora“ ein Interview für das Stadtmagazin Landshut 365 führen können. Er sagte spontan zu. Lesen Sie hier die Geschichte: Landshut 365: Zunächst einmal noch herzli- chen Dank, Herr Dr. Seefelder, dass ich Sie zu der Entstehungsgeschichte dieser faszi- nierenden und feinen Klezmer-Kompositi- on befragen darf. Wie kamen Sie überhaupt zur Klezmer-Musik? Seefelder: Ich hatte bereits in den 1980er Jah- ren Giora Feidman für mich entdeckt. Es gibt da ein Stück „Aniole“ .... (Seefelder summt das Lied) .., das hat mir ausgezeichnet gefallen und war für mich immer der Inbegriff von Klezmer-Musik und Feidman. Ich habe das später selber gespielt und mit allen mögli- chen Instrumenten ausprobiert. Meine Frau hat das ebenfalls in ihr Repertoire aufgenom- men. Landshut 365: Diese Klezmer-Musik ist ja von der Tonfarbe sehr melancholisch angehaucht und spricht sozusagen aus der jüdischen Seele. Passt dies zur bayeri- schen Volksmusik? Seefelder: Formal ist mir aufgefallen, dass es da Parallelen gibt. Wir haben zwar in der bayerischen Volksmusik die Dur-Tonalität und bei der Klezmer-Musik überwiegend die Moll-Tonalität. Das ist harmonisch betrach- tet ein entscheidender Unterschied, aber for- mal, von der Struktur her, ähneln sie sich: Das ist wie in der bayerischen Volksmusik: Erster Teil, zweiter Teil, dann gibt´s häufig ein „Da capo“ zum ersten Teil; darauf folgt ein dritter Teil, das Trio. Ich saß im November 2006 im Feidman-Kon- zert in Landshut und habe mich über meinen tollen Platz gefreut, den mir meine Frau ge- schenkt hat, da sie anderswo musizierte. Ich genoss das Konzert in vollen Zügen. Sie müs- sen sich das so vorstellen: Feidman kommt im Rathaus Prunksaal vom Hintereingang und spielt ganz allein mit seiner Klarinette. Man hört fast nichts. Ganz leise, pianissimo. Damit bringt er die Leute zur Ruhe. Da merkt jeder: „Hoppla, da passiert irgendwas“. Die Leute werden still, nachdem sie sich vorher unterhalten haben, und dann hat er seinen Auftritt. Er geht langsam auf die Bühne, das Ensemble kommt dazu. Damals habe ich ihn mit seinem berühmten Giora Feidman-Trio gehört, also nur mit Klarinette, Gitarre, Bass. Dies war die Besetzung, die ich im Ohr habe, und die Parallele, Herr Pelikan, ist, dass die drei Instrumente auch Standard in der baye- rischen Volksmusik sind. Ich sitze also da im Konzert und war von der Atmosphäre und von der Persönlichkeit die- ses Musikers sowie von seinen Interpretatio- nen in meiner tiefsten Seele berührt. © Andreas Falkinger © Foto Kaskara

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Max Seefelder komponierte

für Giora Feidmanvon Herausgeber Edmund Pelikan

Den Bezirksheimatpfleger Dr. Max Seefel-der kennt man in Landshut. Ob als Ideen-geber des Kulturmobils, das Theater in den ländlichen Raum bringt, oder sein Wirken in Niederbayern. Dabei will er nicht nur Tradi-tionen bewahren, sondern oft auch in einen modernen und hintergründigen Kontext stel-len. Andere kennen ihn von der Musikerseite her. Dort wirkte er jahrzehntelang bis heu-te bei den Dellnhauser Musikanten mit, die von seinem Schwiegervater Michl Eberwein gegründet wurden und von seinem Schwager heute geführt werden. Gemeinsam mit seiner Frau Marlene, eine geborene Eberwein und ausgewiesene Profimusikerin, musiziert er in der gleichnamigen Gruppe „eberwein“ . Gerne arbeitet er auch in anderen Zusammensetzun-gen, z.B. wenn der Bayerische Rundfunk zu Aufnahmen oder die Bayerische Staatsregie-rung für die musikalische Umrahmungen ei-ner Weihnachtsfeier in die bayerische Lands-vertretung nach Berlin rufen.

Kurz: Dr. Max Seefelder ist bekannt. Eines wissen aber nur wenige: Er ist Komponist eines Klezmer-Stückes, das Giora Feidman, der weltbekannte Klarinettist, aufgenom-men hat. Dieses hatte ich – zu meiner eige-nen Überraschung - in einem Radiointerview mit Giora Feidman im Bayerischen Rundfunk gehört. Meine Neugier war geweckt. Und als ich den Komponisten nach einem Konzert im Dezember 2014 in Berlin traf, fragte ich ihn, ob wir über diese Entstehungsgeschichte des Klezmer-Stückes „Grüaß di Gott, Giora“ ein Interview für das Stadtmagazin Landshut 365 führen können. Er sagte spontan zu. Lesen Sie hier die Geschichte:

Landshut 365: Zunächst einmal noch herzli-chen Dank, Herr Dr. Seefelder, dass ich Sie zu der Entstehungsgeschichte dieser faszi-nierenden und feinen Klezmer-Kompositi-on befragen darf. Wie kamen Sie überhaupt zur Klezmer-Musik?

Seefelder: Ich hatte bereits in den 1980er Jah-ren Giora Feidman für mich entdeckt. Es gibt da ein Stück „Aniole“.... (Seefelder summt das

Lied) .., das hat mir ausgezeichnet gefallen und war für mich immer der Inbegriff von Klezmer-Musik und Feidman. Ich habe das später selber gespielt und mit allen mögli-chen Instrumenten ausprobiert. Meine Frau hat das ebenfalls in ihr Repertoire aufgenom-men.

Landshut 365: Diese Klezmer-Musik ist ja von der Tonfarbe sehr melancholisch angehaucht und spricht sozusagen aus der jüdischen Seele. Passt dies zur bayeri-schen Volksmusik?

Seefelder: Formal ist mir aufgefallen, dass es da Parallelen gibt. Wir haben zwar in der bayerischen Volksmusik die Dur-Tonalität und bei der Klezmer-Musik überwiegend die Moll-Tonalität. Das ist harmonisch betrach-tet ein entscheidender Unterschied, aber for-mal, von der Struktur her, ähneln sie sich: Das ist wie in der bayerischen Volksmusik: Erster Teil, zweiter Teil, dann gibt´s häufig ein „Da capo“ zum ersten Teil; darauf folgt ein dritter Teil, das Trio.

Ich saß im November 2006 im Feidman-Kon-zert in Landshut und habe mich über meinen tollen Platz gefreut, den mir meine Frau ge-schenkt hat, da sie anderswo musizierte. Ich genoss das Konzert in vollen Zügen. Sie müs-sen sich das so vorstellen: Feidman kommt im Rathaus Prunksaal vom Hintereingang und spielt ganz allein mit seiner Klarinette. Man hört fast nichts. Ganz leise, pianissimo. Damit bringt er die Leute zur Ruhe. Da merkt jeder: „Hoppla, da passiert irgendwas“. Die Leute werden still, nachdem sie sich vorher unterhalten haben, und dann hat er seinen Auftritt. Er geht langsam auf die Bühne, das Ensemble kommt dazu. Damals habe ich ihn mit seinem berühmten Giora Feidman-Trio gehört, also nur mit Klarinette, Gitarre, Bass. Dies war die Besetzung, die ich im Ohr habe, und die Parallele, Herr Pelikan, ist, dass die drei Instrumente auch Standard in der baye-rischen Volksmusik sind.

Ich sitze also da im Konzert und war von der Atmosphäre und von der Persönlichkeit die-ses Musikers sowie von seinen Interpretatio-nen in meiner tiefsten Seele berührt.©

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Landshut 365: Wie kann man diese Interpretation beschreiben?

Seefelder: Feidman hat als Klezmer-Interpret einen Stil geprägt. Er hat sei-nen ganz eigenen Musizierstil. Dieser zeichnet sich durch große Dynamik aus, von pianissimo bis zu fortissimo. Aber nicht nur, dass er den klassischen, wohlgeformten Klarinetten-Ton be-herrscht, sondern er erzeugt die un-terschiedlichsten Klangfarben. Ich formuliere es mal in menschlichen Ge-fühlszuständen: Seine Klarinette lacht und weint, sie ist traurig und lustig, fröhlich und melancholisch. Sie spie-gelt quasi seelische Stimmungen wider. Das ist es, was Feidman auszeichnet, und diese Bandbreite beherrscht er meisterlich. Man kann Giora Feidman unter hundert Klarinettisten raushö-ren.

Mit diesem überwältigenden Liveein-druck fuhr ich dann heim und hier fiel mir auf einmal diese Melodie ein. Auf einer Serviette habe ich mir dann das Motiv aufgeschrieben.

Landshut 365: Und woher kam die Inspiration? Durch das gehörte Konzert, durch die Verbindung so-zusagen, dass zwei musikalische Welten im Kopf zusammengekom-men sind?

Seefelder: Natürlich durch das Kon-zert, weil ich plötzlich einen Abend lang wunderbare Klezmer-Melodien ge-hört habe. Das inspiriert, aber der Punkt ist: Es bedarf jetzt einer eigenständigen Melodie. Diesen Vorgang kann ich nicht erklären, denn so etwas konstruiert man ja nicht, sondern das springt einen an. Man hat einen Kopf voll künstlerischer Erfahrungen, und dazu gibt es immer wieder mal eine „Sternstunde“, in der einem eine ganz besondere Melodie einfällt. Das war mir damals noch nicht bewusst, ich habe einfach nur diese eine Melodie fixiert.

Aber wenn eine Melodie gut ist, zeigt es sich auch darin, dass sie einem nicht mehr aus dem Kopf will. Auch am nächsten Tag ließ mich diese Melodie nicht mehr los - wie ein Ohrwurm. Dazu ist mir ein zweiter Teil eingefal-len. Nach ein paar Tagen habe ich mir das Stück wieder vorgenommen. Ich kann mich noch genau erinnern: ich habe es damals mit der Mundharmo-nika gespielt, zweistimmig fixiert und später weiter ausgearbeitet. Schließlich habe ich dann noch eine Widmung für Feidman auf das Notenblatt geschrie-ben. Anschließend wanderte das Blatt in die Schublade. Interessant ist, dass es schon mal Moll angelegt ist, nicht in Dur wie in der bayerischen Volks-musik. Die Inspiration kam durch das Konzert.

Anfang Januar 2007 fragte die damalige Leiterin der Redaktion Volksmusik des Bayerischen Rundfunks bei mir an, ob ich wieder mal neue Stücke aufnehmen könnte. Sie müssen wissen, Herr Peli-kan, dass ich seit 1983 mit dieser Abtei-lung zusammenarbeitete, nicht nur als Musiker. Ich moderierte damals auch beim Rundfunk und habe eigene Sen-dungen geschrieben. Das hat sich im Laufe der Zeit intensiviert, und ist bis 2005 so gegangen. 2006 wollte die Re-daktionschefin neue Volksmusikstücke von mir haben. Dafür stellte ich eine ei-gene, nicht ganz alltägliche Besetzung zusammen: chromatische Mundhar-monika, Klarinette, Harfe, Kontrabass und Schlagzeug. Sieben Stücke wurden aufgenommen.

Und: das siebte Stücke war „Grüaß di Gott, Giora“. Als ich das Band bekam, fiel mir wieder die Widmung auf dem Notenblatt ein. Daraufhin habe ich beides an das Management von Giora Feidman geschickt. Das war im Juni 2007. Ich habe ihm auch die Entste-hungsgeschichte mitgeteilt. Nachdem keine Rückmeldung erfolgte, vergaß ich das Ganze wieder.

Landshut 365: Aber nicht Giora Feidman?

Seefelder: Richtig, am 3. Oktober 2007, bekam ich einen Brief: „Sehr ge-ehrter Herr Dr. Seefelder, ich habe Ihr Stück an Giora weitergeleitet, der sich sehr darüber gefreut hat. Er möchte es im Rahmen der nächsten Aufnahme gerne einspielen und fragt nach Ihrer Genehmigung dafür an sowie der Mög-lichkeit, ihm das Notenmaterial zur Verfügung zu stellen. Da diese Aufnah-me bereits für die zweite Oktoberhälfte geplant ist, hatte ich Sie, leider vergeb-lich, versucht telefonisch zu erreichen.“

Landshut 365: War dies eine Überra-schung?

Seefelder: Selbstverständlich. Erst meinte ich, da will mich jemand ver-kohlen. Der Feidman wird doch von mir kein Stück aufnehmen. Aber ir-gendwie, und das ist wohl ein Ge-heimnis der Musik, muss ihn das Stück berührt haben. Natürlich stellte ich das Notenmaterial zur Verfügung. Was hätte mir Schöneres passieren können? Trotzdem zweifelte ich bis zuletzt. Aber schließlich kam die CD im März 2008 auf den Markt: Titel 15, „Grüaß di Gott, Giora“, Max Seefel-der. Was mich sehr gefreut hat: Giora hat es werkgetreu übernommen. Und dennoch: Ab jetzt war es Feidman-Klezmer-Stück.

Landshut 365: Hat auch eine per-sönliche Begegnung zwischen Feid-man und Ihnen stattgefunden?

Seefelder: Ja, 2009 bei einem Kon-zent wieder in Landshut. Ich hatte das Management angerufen: „Giora ist in Landshut, ich gehe natürlich in das Konzert. Kann ich ihn kurz vor-her sprechen oder können wir uns treffen?“ Der Manager sagte mir das zu.

Landshut 365: Bis zu diesem Zeitpunkt bestand der Kontakt also nur über seinen Manager?

Seefelder: So war das, und dann die persönliche Begegnung. Ich geh also ins Rathaus, im Foyer un-terhält sich Giora Feidman gerade mit ein paar jungen Leuten. Ich gehe auf ihn zu, sage nichts und pfeife nur die Melodie von „Grüaß di Gott, Giora“ vor mich hin. Und plötzlich springt er auf, kommt mir entgegen und umarmt mich zur Begrüßung – eine wunderbare erste Begegnung. Die Situation ist sofort klar. Wir sind sofort im in-tensiven Gespräch und haben da-bei viel Spaß miteinander. Dann frage ich ihn irgendwann, ob er nicht hinauf müsse. Und er: „Sie warten schon auf mich und fan-gen bestimmt nicht ohne mich an. Wir sehen uns in der Pause wieder“, sagte er noch beim Weg-gehen. So ist es dann auch. Wäh-rend der Pause meint Giora: „Dein Titel ist die Nummer 15 auf der CD. Der erste und der letzte Titel, das ist immer die Visitenkarte. Du kannst stolz darauf sein. Ich habe

hier nur Lieblingsstücke aufge-nommen, die meine Freunde ge-schrieben haben.“

Er ist ein wirklich außergewöhn-licher und obendrein witziger Mensch! Spaßeshalber googlete ich den Titel später einmal: Auf seiner Konzerttour 2008 hatte er das Stück im Programm und spielt es weltweit, ob in New York, in Tokio oder sonstwo. Das ist die ganze Story!

Landshut 365: Eine erzählens-werte Geschichte! Herzlichen Dank für diese wunderbaren Einblicke in die Entstehungs-geschichte von „Grüaß di Gott, Giora“!

„Grüaß di Gott, Giora!“ - Originalnoten

CD „The Spirit of Klezmer“ von Giora Feidmann mit dem Titel

„Grüaß di Gott, Giora“ISBN-Nr.: 4 260108 922147

erhältlich auf Amazon

Eintrittskarte für das Jubiläumskonzert von Giora Feidmann im Landshuter Rathaus

CD „eberwein - boarisch crossover“ mit einer weiteren Interpretation des Titels „Grüaß di Gott, Giora“ erhältlich über

www.eberwein-musik.de