Von hinten durch die kalte Küche...Cloud-Anwendungen ausrüsten, kann im Einzelfall ein erheblicher...

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Von hinten durch die kalte Küche Datenintegration in der Cloud mit Anwendungen, von denen keiner wusste Erschienen in "Alignment", DMR 04/2011 Online: http://www.detecon-dmr.com/de/article/von-hinten-durch-die-kalte-kuc he_2011_12_13 Marcel Berneaud Martin Jeske Bernd Jaster Sebastian Zeeb Die Bereitstellung komplexer Unternehmenssoftware in der Cloud ist verführerisch für jeden Anwender. Ohne Investitionen, ohne Wartezeit und ohne IT Know-how erfüllt Software as a Service (SaaS) den Traum der Fachabteilungen: Die Applikation aus der Steckdose. Für IT-Verantwortliche entwickelt sich dagegen ein Albtraum. Überall in der Cloud entstehen Datentöpfe, strukturiert in divergenten Datenmodellen und inkompatiblen Schnittstellen. Der mühsam eingeführten Disziplin eines Enterprise Data Management droht das Verderben. Es beginnt meist harmlos: Für eine schnell entwickelte Marketing-Kampagne im Rahmen einer Leitmesse ist das unternehmensweite CRM-System zur Verwaltung der Kontakte und Opportunities zu starr. Selbst, wenn es technisch machbar wäre – die Anpassung ist ja gar nicht im Budget vorgesehen. Mussten sich Azubis früher durch Stapel von Gesprächsnotizen wühlen und unendlich große Spreadsheets befüllen, gehen Marketingabteilungen inzwischen andere Wege. Denn die Cloud bietet schnelle Hilfe für kleines Geld: Kundenmanagement ist eine Paradedisziplin der SaaS-Angebote eworden, mit salesforce.com als prominentestem Protagonisten. In kürzester Zeit sind die Zugänge geschaltet und das Lead Management für die Messekampagne am Start. Datenintegration in der Cloud – und zwar plötzlich Erschienen in "Alignment", DMR 04/2011 1

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Von hinten durch die kalte Küche

Datenintegration in der Cloud mit Anwendungen, von denenkeiner wusste

Erschienen in "Alignment", DMR 04/2011

Online: http://www.detecon-dmr.com/de/article/von-hinten-durch-die-kalte-kuche_2011_12_13

Marcel BerneaudMartin JeskeBernd JasterSebastian Zeeb

Die Bereitstellung komplexer Unternehmenssoftware in der Cloud istverführerisch für jeden Anwender. Ohne Investitionen, ohne Wartezeitund ohne IT Know-how erfüllt Software as a Service (SaaS) den Traumder Fachabteilungen: Die Applikation aus der Steckdose. FürIT-Verantwortliche entwickelt sich dagegen ein Albtraum. Überall in derCloud entstehen Datentöpfe, strukturiert in divergenten Datenmodellenund inkompatiblen Schnittstellen. Der mühsam eingeführten Disziplineines Enterprise Data Management droht das Verderben.

Es beginnt meist harmlos: Für eine schnell entwickelte Marketing-Kampagneim Rahmen einer Leitmesse ist das unternehmensweite CRM-System zurVerwaltung der Kontakte und Opportunities zu starr. Selbst, wenn estechnisch machbar wäre – die Anpassung ist ja gar nicht im Budgetvorgesehen. Mussten sich Azubis früher durch Stapel von  Gesprächsnotizenwühlen und unendlich große Spreadsheets befüllen, gehenMarketingabteilungen inzwischen andere Wege. Denn die Cloud bietetschnelle Hilfe für kleines Geld: Kundenmanagement ist eine Paradedisziplinder SaaS-Angebote  eworden, mit salesforce.com als prominentestemProtagonisten. In kürzester Zeit sind die Zugänge geschaltet und das LeadManagement für die Messekampagne am Start.

Datenintegration in der Cloud – und zwar plötzlich

Erschienen in "Alignment", DMR 04/2011 1

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Der meist aus der Not heraus geborene Einzug von SaaS-Anwendungen istin großen Unternehmen gang und gäbe. In der Regel findet er unter demRadar der IT-Abteilung und deren Enterprise-Architekten statt. Hängt dieFachabteilung erst am Tropf der neuen Software, entwickeln sich schnellweitere Anwendungsfälle. Es wird manuell importiert, geskriptet undformatiert, was an Stamm- und Bewegungsdaten benötigt  wird. Schließlichkapituliert die Fachabteilung vor der Handarbeit mit den monströsen Tabellen– und erkundigt sich scheinheilig beim CIO nach einer Schnittstelle zu denhauseigenen Anwendungen. Unverhofft steht die IT-Abteilung in dieserSituation vor zwei plötzlichen Herausforderungen: Kurzfristig muss einautomatischer Datenaustausch organisiert werden, der der losen Kopplungzwischen eigenen IT-Systemen und Cloud-Services Rechnung trägt.Langfristig stehen dagegen Integrität, Konsistenz und Transparenz vonUnternehmensdaten auf dem Spiel, wenn die neuen Datentöpfe in der Cloudnicht der Datenarchitektur unterworfen werden. Dazu müssen die Konzepteder Datenklassifizierung, des Master Data Management und des ServiceLevel Management auf das neue Paradigma der Software-Nutzungausgeweitet werden. Die IT-Architektur tut gut daran, sich offensiv sowohl mittaktischen als auch mit strategischen Konzepten für die hybride Erweiterungder Anwendungslandschaft in die Cloud auseinanderzusetzen. TaktischeIntegration: Welche Brücke führt am schnellsten in die Cloud? Die taktischeFragestellung nach einer schnellen und risikoarmen Datenintegrationzwischen hauseigenen und Cloud-basierten Anwendungen kann durch zweiLösungsansätze beantwortet werden. Ein Ansatz nutzt im Unternehmenvorhandene Integrationsplattformen und erweitert deren Reichweite in dieCloud. Alternativ können eine neue Kategorie an Produkten und Dienstenzum Einsatz kommen, die speziell für die Integration Cloud-basierterAnwendungen entwickelt  wurden.

Unternehmen, die die Integration von Anwendungsdaten bereits auf eineeinheitliche Softwareplattform als Drehscheibe vorangetrieben haben, sind ineiner guten Startposition für die Nutzung von Anwendungen in der Cloud.Sowohl die infrastrukturellen Voraussetzungen, beispielsweise ein verbreiteteingesetzter Enterprise Service Bus, als auch die architekturellen Grundlagenlose gekoppelter Anwendungsteile und verteilt gehaltener Daten sindgeschaffen. Daher liegt die Ausdehnung der bestehendenIntegrationskonzepte auf Cloud-basierte Anwendungen nahe, birgt allerdingsauch sichtbare Risiken. Häufig stehen bei der Implementierung vonIntegrationsplattformen innerhalb eines Unternehmens jedoch diefunktionalen Aspekte im Vordergrund. Dagegen werden Sicherheit undfeingranulare Abstufungen von Zugriffsrechten häufig vernachlässigt, da sichdie integrierten Anwendungen im gleichen oder ähnlichen Sicherheitskontextbefinden. Die Öffnung zur Cloud bedingt eine ganz neue Bewertung desSchutzbedürfnisses und der Zugriffskontrolle auf die Anwendungen undDaten im Unternehmen.

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Obwohl serviceorientierte Architekturen auf dem asynchronen Austausch vonNachrichten aufbauen, wird beim Einsatz von Integrationssoftware imUnternehmen der Vorteil schneller Intranet-Verbindungen ausgenutzt. BeimAnschluss von Cloud-Anwendungen stellen übergewichtige Datenstrukturendaher schnell einen Flaschenhals dar. Eine Restrukturierung derNachrichtenpakete ist dort erforderlich, wo die sehr lose Kopplung der Cloudschlankere Datenpfade verlangt. Schließlich muss bei der Ausdehnungexistierender Integrationsplattformen in die Cloud bewertet werden, welcheSchnittstellen die Cloud-Anwendung selbst bietet. Während viele Herstellervon Middleware ihre Integrationsprodukte mit Adaptern für gängigeCloud-Anwendungen ausrüsten, kann im Einzelfall ein erheblicher Aufwandfür die Entwicklung von Datenschnittstellen anfallen.

Insgesamt entscheiden die Konsequenz und der Reifegrad, mit der dieDatenintegration im Unternehmen umgesetzt wurde, sowie die Auswahl derzu integrierenden Cloud-Anwendungen über die Frage, ob eine kurzfristige,taktische Anbindung mittels bestehender Middleware möglich ist.

Black Box-Lösungen und iPaaS sind auf dem Vormarsch Als Alternativezur Erweiterung bestehender Plattformen können schlüsselfertigeIntegrationslösungen erworben oder genutzt werden. Hierbei handelt es sichentweder um geschlossene Appliances oder aber um Softwareprodukte, diebeide als Teil der eigenen IT-Infrastruktur betrieben werden. Als zusätzlicheMöglichkeit werden auch Integrationsdienste aus der Wolke angeboten, derenVorzüge in Cloud-zu-Cloud Verbindungen und in ihrer flexiblen Skalierbarkeitliegen. Cloud-basierte Integrationsplattformen werden auch als „IntegrationPlatform as a Service“ (iPaaS) bezeichnet (Vgl. „Integration Platform as aService: Moving Integration to the Cloud“; Gartner Research Note, March2011), um sie von anwendungsorientierten Cloud-Plattformen (aPaaS)abzugrenzen. Der Markt für derartige Integrationslösungen befindet sichderzeit in einer Wachstumsphase. Die Anzeichen sprechen dafür, dassinnerhalb der nächsten Jahre ein breites und vielfältiges Produktportfolioentstehen wird. Die Übernahme mehrerer in diesem Bereich spezialisierterAnbieter durch Großkonzerne lässt erkennen, dass große Erfolgsaussichtenund Potenziale in diesen Produkten vermutet werden und bei derstrategischen Portfolioentwicklung eine Rolle spielen. IT-Konzerne wie IBMund Dell übernahmen bereits junge innovative Anbieter vonIntegrationslösungen wie Cast Iron respektive Boomi.

Weiterhin entwickeln Hersteller traditioneller Datenintegrationslösungen wieInformatica oder Pervasive Software neue Cloud-Varianten ihrer klassischenDatenintegrationslösungen (Informatica Cloud beziehungsweise PervasiveDataCloud). Eine Vielzahl von Startup-Unternehmen und Systemintegratorenwie Jitterbit, SnapLogic, Talend Software oder Infoteria bieten zudem„on-demand“ Angebote entsprechender Integrationslösungen an. Im Februar

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2011 kündigte auch die Software AG ein neues Produkt im Bereich„Integration and SOA Platform as a Service“ an.

Die existierenden Lösungen bieten durchgängig eine modulare Architektur,die das selektive Hinzufügen von Adaptern für zusätzliche Dienste erlaubt.Zumeist ist auch die Erstellung eigener Adapter vorgesehen, sofern seitensdes Herstellers noch keine Integration angeboten wird. Die quelloffenenLösungen versuchen dabei mit Adapter-Bibliotheken zu punkten, die ihrerseitsaus der Anwender-Community befüllt werden. Auch die Nutzungsentgelte fürIntegrationsdienste sind unterschiedlich gestaltet. Einige Anbieter verfolgenden entsprechend des Cloud-Paradigmas vorherrschenden„Pay-as-you-Go“-Ansatz nutzungsbasierter Abrechnung, andere Dienstewerden nach klassischen Lizenzierungsschemata angeboten.

Prioritäten entscheiden über den Lösungsweg

Entsteht der IT-Abteilung ein Handlungsdruck in der Anbindung vonCloud-Anwendungen, muss zunächst die Taktik bestimmt werden:Bestehende Middleware erweitern oder doch eine schnelle Kauflösung?Dabei gilt es, die Prioritäten, die den Brückenschlag in die Cloudbeeinflussen, zu formulieren und gegen die Lösungsalternativen zu spiegeln.Die Tabelle bewertet die drei Alternativen in verschiedenenAuswahldimensionen. Eigenentwickelte Integrationslösungen sind in derRegel mit höherem Entwicklungsaufwand und -kosten im Vergleich zu fertigenKaufprodukten verbunden. Fremdbezogene Lösungen sind dagegen beiBedarf sofort verfügbar und direkt einsatzbereit.

Bei Beachtung entsprechender Entwicklungsstandards ist die Sicherheit beiEigenentwicklungen am höchsten, Cloudbasierte Angebote sind hier mit dengrößten Risiken verbunden. Die Flexibilität hinsichtlich der Schnittstellen istgenerell bei Eigenentwicklungen am höchsten, bei Kaufprodukten sind dievom Hersteller zur Verfügung gestellten Schnittstellen ökonomisch einsetzbar,will man auch hier  Eigenentwicklungen vermeiden. iPaaS-Angebote könnenaufgrund der zweimaligen Übertragung der Daten über das Internet – zumund vom Cloud-Integrationsanbieter – erhebliche Latenzzeiten zur Folgehaben, die bei der Auswahl einer geeigneten Architektur berücksichtigtwerden muss. Auch die Verfügbarkeit kann bedingt durch die längerenKommunikationsstrecken und zum Schwachpunkt der iPaaS-Lösungenwerden, die andererseits mit einer hohen Elastizität punkten können.

Bei Fremdbezug besteht generell die Gefahr einer Abhängigkeit vomAnbieterprodukt, wobei der Wechsel eines Anbieters bei iPaaS-Angebotenzumindest im Hinblick auf Investitionen einfach durchzuführen ist.Strategische Planung sichert den langfristigen Erfolg Die im anfänglichenBeispiel in Not geratene Marketingabteilung kann durch die taktische Auswahl

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und Implementierung einer Datenintegration mit ihrer Cloud-Anwendungzunächst bedient werden. In einem solchen Einzelfall werden dieentstehenden Architekturfragen und zu bewertenden Risiken individuellaufgelöst. Je mehr Cloud-Anwendungen jedoch in die IT-Landschaft Einzugerhalten, desto weniger sind Integrationsprojekte ohne strategischeLeitplanken handhabbar.

Auf Dauer muss ein Unternehmen eine langfristig ausgelegte Strategie fürdas Datenmanagement in der Cloud bilden und nachhaltig initialisieren.Neben den technologischen Belangen und kurzfristigen Anforderungen mussbesonders den Abhängigkeiten und Anforderungen aus derSchutzbedürftigkeit von Daten, der Dienstgüte im Betrieb und denorganisatorischen Belangen einer Auslagerung Rechnung getragen werden.Dabei fällt Konzepten des IT-Managements, die seit langem bekannt sind,aber oft vernachlässigt wurden, eine wieder erstarkte Bedeutung zu.

Für die Cloud ist eine neue Datenklassifizierung Pflicht

Daten und Informationen werden für Unternehmen immer wichtiger. Bereitsheute werden eine Vielzahl an produkt-, personen und kundenbezogenenInformationen erhoben und zum Beispiel für Marketingzwecke genutzt. Dabeigibt es länderübergreifend zur Zeit eine unklare Rechtslage, daDatenschutzvorschriften je nach Nation weit auseinander klaffen. DieseSituation stellt Unternehmen vor besondere Herausforderungen beimUmgang mit ihren Informationen und Daten, wenn sie in die Cloud übertragenwerden. Die Nichtbeachtung von rechtlichen und kulturellen Gegebenheitenbei der Nutzung von Daten kann dem Unternehmen einen hohen wirtschaftlichen Schaden zufügen durch Imageverlust, Strafzahlungen oderProduktpiraterie.

Bei der Frage, welche Daten sich in die Cloud verlagern lassen, spielt dieFrage des Schutzbedarfs eine zentrale Rolle. Der Speicherort der Daten, dieGesetzmäßigkeit der Verlagerung, die Aufrechterhaltung zugesicherterDienstgüte oder die Sicherheit von sensiblen Kunden- oderUnternehmensdateien sind Themengebiete, welche im Hinblick auf denSchutzbedarf genauer betrachtet werden müssen.

Hierzu muss zwischen zwei verschiedenen Arten von Schutzbedarfunterschieden werden:

1. Daten, die dem Anwendungsbereich des Bundesdatenschutzgesetztes(oder vergleichbarem Recht in anderen Ländern) unterliegen. Hierzu zählenvor allem Daten, die einen Personenbezug aufweisen.

2. Daten, deren Schutz für das Unternehmen selbst eine wichtige Rolle spielt.

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Dazu gehören neben Finanzinformationen auch Informationen über Produkteund Patente, Strategien oder auch Marktinformationen.

In den meisten Fällen sind es aber nicht die einzelnen Datenfragmentebeziehungsweise Datensätze, sondern die Daten in ihrem Kontext und diedaraus resultierenden Informationen. Semantik und Relationen spielen einezentrale Rolle bei der Frage, ob Informationen schützenswert sind oder nicht.Beispielsweise ist eine Liste mit 15-stelligen Zahlen allein noch nichtschützenswert. Versieht man diese Daten aber mit Kontext, definiert zumBeispiel, dass es sich um Kreditkartennummern handelt und verknüpft diesemit Informationen über den Karteninhaber, das Ablaufdatum und die Art derKreditkarte, handelt es sich um einen Satz von sehr sensiblen Informationen,welche ein sehr hohes Maß an Datensicherheit implizieren.

Es sind somit die Informationen, welche einen bestimmten Wert und einebestimmte Schutzbedürftigkeit haben. Daher muss aus dem Geschäftskontextheraus klassifiziert werden, welche Informationen und welche Datenschutz-oder  Geheimhaltungsanforderungen korrespondieren. Eine einheitliche Sichtauf die Informationen und Daten sowie die zugehörigen Modelle imUnternehmen ist dazu ein mächtiges Werkzeug. Ein übergreifendesUnternehmensdatenmodell, welches auf verschiedenen Ebenen derGranularität die Informationen und Daten des Unternehmens beschreibt, kannals Ordnungsrahmen dienen, um die verschiedenen Anforderungentransparent darzustellen:

• Anforderungen des Geschäftsmodells: Welche Informationen müssen ausder Geschäftstätigkeit heraus verwaltet werden, zum Beispiel Kunde,Kundenwert, Kundensegment?

• Struktur des Datenmodells, um die notwendigen Informationen abzubilden. • Art der Befüllungsprozesse, um die Daten zu gewinnen, vorzuhalten undauszuwerten; Design der IT-Landschaft, die Informationen, Daten undProzesse hält und unterstützt.

Anhand dieser Kategorisierung kann nun auf verschiedenen Ebenen derSchutzbedarf des Unternehmens festgelegt werden und der Zusammenhangvon Daten und Informationen transparent dargestellt werden.

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Der erste Schritt im strategischen Aufbau eines Datenmanagements in derCloud besteht demnach in einer Einordnung der im Unternehmen gehaltenenDatenobjekte speziell im Hinblick auf ihren Schutzbedarf. Daraus resultiert dieabgestufte Eignung zur Verarbeitung in Cloud-basierte Anwendungen undDiensten. Gegen diese Klassifizierung wird der fachseitig geforderte Umfang

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der Datenintegration geprüft und freigegeben.

Unternehmensdaten müssen in Reichweite des Service Managementbleiben

Im Vergleich der taktischen Integrationsansätze wurdenDienstgüteeigenschaften wie Verfügbarkeit, Skalierbarkeit und Performanzbereits in unterschiedlichen Ausprägungen sichtbar (siehe Tabelle).

 

 

In der strategischen Planung des Datenmanagements müssen diegeschäftliche Bedeutung von Daten mit der erreichbaren Dienstgüte derCloud-Anwendungen in Beziehung gesetzt werden. Dabei sind dreiSteuerungsgrößen des IT-Betriebs vorrangig zu bewerten:

1. Performanz

Datenlieferung und Datenkonsum in den Geschäftsprozessen einesUnternehmens sind nicht selten zeitkritisch und werden daher durchVereinbarung von Dienstgüteeigenschaften geregelt. Sind solche

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Datendienste umfänglich in eine Cloud-Anwendung ausgelagert, werdenÜberwachung und Einflussnahme auf die Performanz der zugrundeliegendenSysteme sehr komplex, eine proaktive Einflussnahme ist nur eingeschränktmöglich. Der Erstellung, Detaillierung und Überwachung der DatenflüsseEnde-zu-Ende muss in diesem Fall ein größeres Maß an Aufmerksamkeitgeschenkt werden. Ferner ist die Bedeutung der Datenflüsse zu klassifizieren,um das Risiko einer Verlagerung in die Cloud bewerten zu können.

2. Verfügbarkeit

Neben der Performanz stellt das Aufrechterhalten der Verfügbarkeit quasi einSuperlativ dar. Sind ausgelagerte Datenobjekte nicht verfügbar, stehen dieabhängigen Geschäftsprozesse still. Auch hier steht die Frage einesoptimalen Managements der Dienstgüte für Datenliefer- undDatenkonsumbeziehung im Mittelpunkt. Es bedarf wie bei der Performanzeiner Bewertung, welche Daten im Geschäftsprozess kritisch sind und daherauf unternehmenseigenen Systemen verbleiben müssen.

3. Transparenz und Konsistenz

Die Überwachung entkoppelter, weit verzweigter Datenspeicherung und-verteilung stellt eine besondere Herausforderung dar. Eine Überprüfung derDatenflüsse, Abhängigkeiten, Erstellungs- und Übertragungszeitpunktegewinnt mit der Einbindung entfernter Cloud-Anwendungen in IhrerBedeutung eine neue Dimension. Eine transparente Modellierung vonDatenobjekten und –flüssen im Rahmen einer Enterprise Architektur ist hierein mächtiges Werkzeug, um einen konsistenten Datenbestand über alleangeschlossenen Systeme hinweg sicherzustellen. Nach demSchutzbedürfnis ist die Sicherstellung von Dienstgüteanforderungen anhandder geschäftlichen Bedeutung verarbeiteter Daten der zweite Planungsschrittim Aufbau des Datenmanagements in der Cloud.

Konsistente Stammdaten machen den Weg in die Cloud frei

Die Umsetzung einer Cloud-Strategie und die damit verbundene Ausdehnungder IT-Landschaft in die Cloud hat den Effekt, dass mit den Applikationenauch Datenbestände in die Cloud verlagert werden müssen. Aufgrund ihreshohen Standardisierungsgrades ist es kaum denkbar, dass Cloud-Dienste aufindividuellen, im Unternehmen gehaltenen Datenbeständen ausgeführtwerden. Der Schritt in die Cloud birgt demnach das Risiko zusätzlicheVerzweigungen, Dopplungen und Redundanzen von Unternehmensdaten zuerzeugen. Um diese Risiken zu minimieren oder zu kontrollieren bedarf eseiner definierten Vorgehensweise und Governance.

Das Master Data Management (MDM) als Methode bezeichnet einen Satz an

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Prozessen, Werkzeugen, Rollen und Verantwortlichkeiten mit dem Ziel, dieEinrichtung einheitlicher Datenstrukturen zu unterstützten und die notwendigeKontrolle auf diesen Strukturen einzuführen. Dabei ist es bei der Verlagerungvon Daten in die Cloud besonders wichtig, dass eine Definition der führendenund der abhängigen Systeme in Bezug auf Unternehmensdaten existiert. DasMaster Data Management umfasst dazu drei Komponenten, die zusammendie ganzheitliche Verwaltung der Stammdaten sicherstellen:

1. Master Data Management als Strategiedefinition zur Integration derStammdaten.

2. Technische Elemente zur Implementierung der definierten Strategie, zumBeispiel zur Planung und Durchführung der Datenmigration in die Cloud.

3. Regeln und Prozesse zur fortgesetzten Steuerung des Informations- undDatenmanagement.

Wer im eigenen Unternehmen bereits ein effektives Master DataManagement umgesetzt hat, startet in die Nutzung von Cloud-Anwendungenmit einem Vorsprung. Denn weder die Datenmodelle von Altanwendungennoch die von Cloud-Anwendungen sind für den Nutzer beliebig formbar.Besteht in der eigenen IT-Landschaft bezüglich der Abhängigkeiten vonDatenbeständen Transparanz, bietet das Master Data Management eineplanerische Grundlage für die Anbindung  von Cloud-Anwendungen. Steht dieEinführung der Stammdatenverwaltung noch am Anfang, ist dagegen Eilegeboten. Jede rein taktische betriebene Anbindung von Cloud-Diensten bringtdie Strukturierung von Unternehmensdaten weiter außer Kontrolle. In dieserSituation empfiehlt es sich, basierend auf der Unternehmensarchitektur zuprüfen, welche Anwendungen und Systeme in eine interne oder externeCloud ausgelagert oder als Service aus einer Cloud bezogen werden könnenund das MDM-Konzept zunächst nur für diesen Teil einzuführen. In jedemSzenario stellt die Stammdatenverwaltung die dritte wichtigePlanungskomponente in der Nutzung von Anwendungen aus der Cloud dar.

Eine gute Vorbereitung ist – alternativlos

Angesichts der herausfordernden strategischen Themen ist esnachvollziehbar, wenn IT-Verantwortliche die Einführung und Integration vonCloud-Anwendungen gern verschoben sähen. Die stetig zunehmendeNutzung von Software-as-a-Service in Unternehmen ist jedoch unumkehrbar,Experten prognostizieren eine Verdopplung des Marktes zwischen 2010 und2015 (Gartner Group, Juli 2011).

Eine Vermeidungsstrategie scheint auch angesichts der auf Fachbereicheausgerichteten Vertriebsstrategie vieler SaaS-Anbieter und der zunehmenden

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Branchen-spezifischen Angebote aussichtslos. Durch proaktives Handeln, derUnterstützung von Fachbereichen und der frühen Vorbereitung auf dienotwendige Datenintegration sind IT-Abteilungen im Umgang mitCloud-Anwendungen besser beraten. Auf der technischen Seite entsteht eineneue Vielfalt von Integrationswerkzeugen, die schnell die Brücke in die Cloudschlagen. Den – oft halbherzig verfolgten – strategischen Vorhaben zurOrdnung der Datenbestände und Informationsflüsse im Unternehmenverschaffen Cloud-Anwendungen eine ganz neue Priorität.

Marcel BerneaudMarcel Berneaud ist Head of Enterprise Architecture Transformation in derGruppe "Architekturstrategie". Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in derAufnahme und Analyse von strategischen, fachlichen und technischenKundenanforderungen für innovative Business Anwendungen, sowie deranschließenden Konzeption und Umsetzung in komplexe EnterpriseArchitekturen unter anderem nach dem Paradigma der 'Service OrientiertenArchitektur'(SOA).

Martin JeskeMartin Jeske ist für die Gruppe "Strategic Technology" verantwortlich. SeineBeratungsschwerpunkte liegen in der Entwicklung und Umsetzung vonTechnologiestrategien und im ICT Innovationsmanagement. Er verfügt übereine langjährige Berufserfahrung in der IT-Branche, in der er verschiedenePositionen in Consulting und Marketing inne hatte. Martin Jeske istDiplom-Ingenieur und erwarb seinen Abschluss an derRheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen.

Bernd JasterBernd Jaster ist als Senior Consultant in der Competence Practice"Information Technology" tätig. In zahlreichen Projekten sammelte erErfahrung in der Bewertung und Einführung von strategischen Technologien.Seine Themenschwerpunkte liegen in den Bereichen Cloud Computing undICT Innovation Management.

Sebastian ZeebSebastian Zeeb ist Diplomkaufmann und arbeitet als Senior Consultant in derGruppe "Architekturstrategie". Seit fünf Jahren berät er Kunden im In- undAusland bei der Verbesserung der Planung und Steigerung der Effizienz inder IT sowie die Optimierung der Umsetzung der fachseitigen Anforderungen.Seine Beratungsschwerpunkte sind Informations- und Datenmanagement imKontext des Enterprise Architecture Managements. Hierzu unterstützte er dieletzten drei Jahre die Deutsche Telekom beim Aufbau ihrer Daten undInformationsarchitektur.

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