Von Sophie Germain bis Emmy Noether und Hilda Pollaczek...
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Von Sophie Germain bis Emmy Noether und Hilda Pollaczek-Geiringer -
Mathematikerinnen in der Geschichte
Prof. Dr. Annette Vogt Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte
Boltzmannstr. 22, 14195 Berlin [email protected]
Mathematikerinnen international
1. Mathematikerinnen vor 1800
nur wenige sind bekannt fehlende Schul-, Bildungs-, Studien- und Berufschancen einzelne Mathematikerinnen - Privatgelehrte, Übersetzerinnen,
Astronominnen 2. Mathematikerinnen im 19. Jh.
S. Germain, Ada Lovelace, F. Nightingale, S. V. Kovalevskaja 3. Mathematikerinnen im 20. Jh.
Öffnung der Universitäten, auch in Deutschland - Bruch 1933 Ausdifferenzierungen in der Math., neue Gebiete, neue Berufe große Unterschiede in den einzelnen Ländern
Inhalt
Mathematikerinnen vor 1800
Hypathia (ca. 355 - 415/416) in Alexandria gewirkt
Mathematikerinnen vor 1800
Maria Gaetana Agnesi (1718-1799) Prof. in Bologna 1748 Analysis-Lehrbuch
Mathematikerinnen vor 1800
Emilie du Chatelet (1706-1749) übersetzte Newton‘s „Principia“ ins Französische (1756 postum erschienen) Übersetzerinnen - Forschungsbedarf auch zu Astronominnen (vgl. Weyer (1897)) und anderen Privatgelehrten
13 Mathematikerinnen im 19. und 20. Jahrhundert
13 Mathematikerinnen aus 5 Ländern Frankr. 2, GB 4, Russl./SU 4 Dtld. 2, Ungarn 1 8 math. Forschungsgebiete Algebra, Zahlentheorie, Geometrie, Mengenlehre, Hydrodynamik Analysis 4, Statistik 2, Programmiersprachen 2 5 verh., 2 Forscher-Ehepaare
Mathematikerinnen im 19. Jahrhundert
Sophie Germain (1776-1831) als Tochter eines vermögenden Kaufmanns Selbststudium und Leben als Privatgelehrte mit den Mathematikern Joseph-Louis Lagrange und Carl Friedrich Gauss in Kontakt und von ihnen geschätzt Zahlentheorie, Primzahltheorie (1805) Elastizitätstheorie (1821)
Mathematikerinnen im 19. Jahrhundert
Ada Lovelace (1815-1852) Tochter aus vermögender Familie Selbststudium und Leben als Privatgelehrte möglich mit dem Mathematiker Charles Babbage (1791-1871) beteiligt an der Entwicklung von Rechenmaschinen Entw. einer Programmiersprache ADA - ihr zu Ehren benannt
Mathematikerinnen im 19. Jahrhundert
Florence Nightingale (1820-1910) aus wohlhabender Familie Krankenschwester, im Krim-Krieg 1854-1856, Reformerin der Krankenpflege Statistikerin, deskriptive Statistik visuelle Veranschaulichung der Statistik - Diagramme (Todesursachen im Hospital) 1858 Fellow of the Royal Stat. Society 1874 honorary member of the Amer. Statistical Association
Mathematikerinnen im 19. Jahrhundert
Sof‘ja Vasil‘evna Kovalevskaja (1850-1891) Tochter aus vermögender Familie Weierstraß-Schülerin, 1870-1874 1884 Prof. Univ. Stockholm (erste) 1888 Bordin-Preis der Pariser AdW 1889 KM Russ. AdW Partielle Differentialgleichungen Kreiseltheorie
„Ich halte es ... für meine Pflicht, Ihnen meine Besorgniss, ... mitzutheilen, ... Unsere Freundin hat eine ... Lebensaufgabe, die wahrlich gross genug ist, um auch der Ehrgeizigsten und Thatendurstigsten ihres Geschlechts zu genügen. Sie hat den Beruf, nicht nur zu zeigen, dass eine Frau befähigt ist, in der strengsten und abstractesten Wissenschaft Tüchtiges zu leisten, sondern auch durch die That einer kopfschüttelnden Welt den Beweis zu liefern, dass auch auf den Kathedern unserer Universitäten ein weiblicher Professor mit Ehren bestehen kann. Ich würde es, nicht nur um ihretwegen, sondern auch der Sache halber, auf das tiefste beklagen, wenn Frau K., sei es durch äussere Schwierigkeiten, sei es durch Zersplitterung ihrer Kräfte behindert wäre, die Stelle, an der zu wirken sie berufen ist, siegreich und allen neidischen oder vorurtheilsvollen Gegnern zum Trotz zu behaupten.“ (Karl Weierstraß an G. Mittag-Leffler, Mai 1886)
Karl Weierstrass (über Sof‘ja Kovalevskaja)
Arthur Kirchhoff (1855- nach 1913)
1895/96 eine Umfrage unter Gelehrten 1897 Publikation der Antworten von 126 Wissenschaftlern, Lehrern und Schriftstellern darunter Berliner Akademie-Mitglieder
Von 126 Stellungnahmen stammten 15 von Naturwissenschaftlern: Mathematik, Physik, Astronomie, Chemie
∑ 15
Mathematik 4
Physik 2 Astronomie 5 Chemie 4
Arthur Kirchhoff (1897)
Georg Weyer (1897)
Georg Daniel Weyer (1818-1896) ab 1860 o. Prof. Univ. Kiel und Prof. an der Kgl. Marineschule in Kiel 1862 Mitglied der Leopoldina in seiner Stellungnahme (S. 243-255) nannte er insgesamt 21 Wissenschaftlerinnen, darunter 11 Astronominnen die 21. war Sof‘ja V. Kovalevskaja
Öffnung der Universitäten in Deutschland: 1900 Baden 1903 Bayern 1906 Sachsen 1907 Thüringen 1908 Hessen 18.8.1908 Preussen (mit § 3: auf Wunsch eines
Professors kann Zutritt zur Vorlesung verweigert werden) 1908 Elsass-Lothringen 19.4.1909 Preussen für die TH (ohne § 3) Juni 1909 Mecklenburg
Situation in Deutschland
Situation in Deutschland
29.5.1908 Erlass des Preußischen Kultusministeriums: Keine Habilitation für Frauen
18.8.1908 Erlass des Preußischen Kultusministeriums: Frauenstudium Titular-Professorinnen: 1910, 1912, 1913 und 1919 21.2.1920 Erlass des Preußischen Kultusministeriums: Frauen werden
zur Habilitation zugelassen (Aufhebung des Erlasses von 1908)
1923 erster weiblicher ordentlicher Professor:
10.3.1923 Margarete von Wrangell, Chemie und Botanik, Landwirtschaftliche Hochschule Hohenheim
1.10.1923 Mathilde Vaerting, Pädagogik, Universität Jena
Mathematikerinnen im 20. Jahrhundert
Emmy Noether (1882-1935) Tochter von Max Noether (1844-1921) Fritz Noether (1884-1941) auch Mathem. 1907 Prom. Univ. Erlangen 1909 Mitgl. DMV und an Univ. Göttingen 1919 Habil. (erste), 1922 a.o. Prof. Algebra, theoretische Physik Begründerin einer Mathem.-Schule
Mathematikerinnen im 20. Jahrhundert
Emmy Noether (1882-1935) 1928/29 Gastprofessur in Moskau 1930 Gastprofessur in Frankfurt/M. 1932 IMK in Zürich - Plenarvortrag 1933 vertrieben („Entzug der venia leg.“) 1934 Emigration in die USA, am Bryn Mawr College Algebra, theoretische Physik Begründerin einer Mathem.-Schule
Mathematikerinnen im 20. Jahrhundert
Pelageja Jakovlevna Kochina (1899-1999) Höhere Frauenkurse St. Peterburg Studium Univ. St. Peterburg bis 1921 1925 -- Nikolaj J. Kochin (1901-1944) 2 Kinder 1934 Prof., ab 1935 an AdW Moskau 1946 KM, 1958 OM AN SSSR 1958-1970 Novosibirsk, SO AN Hydrodynamik, Forscher-Ehepaar Mathematikgeschichte
Mathematikerinnen im 20. Jahrhundert
Mary Lucy Cartwright (1900-1998) Tochter aus Pfarrer-Familie 1919-1923 stud. math. at St. Hugh‘s College, Oxford Lehrerin, dann 1928 PhD in Oxford 1930 Fellowship, Girton College Cambridge Differentialgleichungen Funktionentheorie - „Cartwright theorem“ (Th. analyt. Fkt.)
Mathematikerinnen im 20. Jahrhundert
Mary Lucy Cartwright (1900-1998) 1936 dir. of studies in math. at Girton College, ab 1938 Forschungen zu Dgl. 1947 Fellow of the Royal Society (first female mathematician) 1948 Dame 1959-1968 Reader Univ. Cambridge 1961-1962 Pres. London Math. Soc. Dgl.en, Funktionentheorie - „Cartwright theorem“ (Th. analyt. Fkt.)
Mathematikerinnen im 20. Jahrhundert
Nina Karlovna Bari (1901-1961) geb. in Arztfamilie 1918-1921 Stud. an Lomonosov-Univ. unterrichtete Math. an versch. HS in Moskau, in PhD-Schule von Nikolaj Luzin, 1926 Diss., Preis hierfür 1927-1928 Paris, Lwow, Paris (a Rockefeller grant) ab 1932 Prof. L-Univ. Moskau verh. mit Mathematiker V. V. Nemytskij Analysis Arbeiten zu trigonometrischen Reihen
Mathematikerinnen im 20. Jahrhundert
Ljudmila Vsevolodovna Keldysh (1904-1976) geb. in Ingenieurfamilie Studium an Univ. Moskau, im Kreis von Nikolaj Luzin, 1925 Abschluß 1923-1930 Arbeit mit Luzin 1930-1934 Moskauer Luftfahrtschule ab 1934 am Steklov-Institut AN SSSR 1964-1974 o. Prof. Univ. Moskau Mengenlehre Topologie, 1966 Lehrbuch
Mathematikerinnen im 20. Jahrhundert
Ljudmila Vsevolodovna Keldysh (1904-1976) Bruder M. V. Keldysh (1911-1978) Mathem. und Präs. AN SSSR 1961-1975 1934 -- verh. mit Mathematiker P. S. Novikov (1901-1975) - Forscher-Ehep. 5 Kinder, 1970 Fields Medal an Sergej P. Novikov (geb. 1938) Mengenlehre, Topologie, Lehrbuch
Mathematikerinnen im 20. Jahrhundert
Rósza Peter (1905-1977) 1922-1927 Studium Chemie, dann Math. an Univ. Budapest, Lehrerin 1932 auf IMK in Zürich Vortrag 1935 Prom. und 1937-39 Mithrsg. Z. f. symbol. Logik, überlebte Verfolgung 1945 Doz. Päd. HS Budapest 1955-1976 Prof. Univ. Budapest 1973 KM AdW Ungarns (erste) Logik, Theorie der rekursiven Funktionen (Monographie, 1951 u. ff)
Mathematikerinnen im 20. Jahrhundert
Paulette Liberman (1919-2007) geb. in jüd. Familie 1938-1941 Studium École Norm. Sup. de Sèvres, Forschungen mit Élie Cartan; überlebte Verfolgungen versteckt in Lyon; 1944 Examen in Paris, Lehrerin; 1953 PhD Strasbourg 1953-1966 Prof. Univ. Rennes, 1966-1979 Prof. Univ. Paris Geometrie (Publ. 4 Bd., 1986-1987) Differentialgeometrie
Mathematikerinnen im 20. Jahrhundert
Lucy Joan Slater (1922-2008) geb. in Intellektuellenfamilie Schule in Portsmouth Prom. 1950 Univ. London 1950er in Cambridge, Entw. von Betriebssystemen f. Computer später Entw. von Programmen für Ökonometrie hypergeom. Fkt.en, Fortran Computerwissenschaft
Mathematikerinnen im 20. Jahrhundert
Hilda Pollaczek-Geiringer-von Mises (1893-1973) geb. in Kaufmannsfamilie in Wien 1917 Prom. Univ. Wien 1920 am „Jb. ü. die Fortschr. d. M.“ 1921-1933 Assistentin am Institut für angew. Math. Univ. Berlin 1927 Habil. angew. Math. Univ. B. Lehrveranstaltungen zu WR, Versicherungsmath. u. Statistik angewandte Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie, Statistik
Hilda Pollaczek-Geiringer geb. Hilda Geiringer ab 1922 - Heirat mit Dr. Felix Pollaczek (1892-1981), Tochter Magda Hilda Pollaczek und Hilda Pollaczek-Geiringer (see her publications) ab 1944 Hilda von Mises oder Hilda Geiringer von Mises (see biogr. (1987))
Mathematikerinnen im 20. Jahrhundert
Hilda Pollaczek-Geiringer-von Mises (1893-1973) 1933 Vertreibung (Entzug der venia legendi) und Emigration 1934 Brüssel, 1935-1939 Istanbul, ab 1939 in den USA, ab 1944 Prof. am Wheaton College nach dem Tod von Richard von Mises Hrsg. seiner Werke 1957, 1958, 1964 angewandte Mathematik Wahrscheinlichkeitstheorie, Statistik
„Vossische Zeitung“, 13.11.1931
Wikipedia (Dt.) - Liste von Mathematikerinnen, G (Zugriff 15.10.2016)
Wikipedia (Engl.) - List of women in mathematics, G (Zugriff 15.10.2016)
Mathematikerinnen international
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Fields Medal
Nobelpreisträgerinnen
Nobel Preis für Physik 1903 Marie und Pierre Curie, und A. H. Bequerel 1963 Maria Goeppert-Mayer und J.H.D. Jensen, E. P. Wigner
Nobel Preis für Chemie 1911 Marie Curie 1935 Irène und Frédéric Joliot-Curie 1964 Dorothy Hodgkin-Crowfoot 2009 Ada Yonath und Kollegen
“The situation in which I find myself will, I very much hope, not be so uncommon in the future that it will require any comment or special treatment - as more use is made of the many gifts which women share equally with men." Dorothy Hodgkin (11.12.1964), in: Georgina Ferry. Dorothy Hodgkin. A Life. 1998, p. 293
Fields Medal
Fields Medal
offiziell: the International Medal for outstanding
discoveries in mathematics angekündigt auf dem IMC in 1932 in Zürich, zu
Ehren von John Charles Fields (1863-1932) erstmals vergeben 1936, seit 1950 wird die Fields
Medal alle vier Jahre auf dem IMC vergeben seit 1936 wurden insgesamt 52 Mathematiker (mit
Grigorij Perelman 2006) ausgezeichnet - keine Mathematikerin war bis 2010 darunter
Maryam Mirzakhani (b. 1977), Geometrie, Erdogentheorie