Vor der eigenen Tür fegen!

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RotFuchs / Juni 2013 Seite 3 Zu Merkels Menschenrechtsheuchelei in aller Herren Länder Vor der eigenen Tür fegen! A lle Menschenrechte für alle Menschen! hieß das Motto der 2. Menschen- rechtskonferenz der Vereinten Natio- nen. Sie beriet vor 20 Jahren – im Juni 1993 – in Wien. Seitdem ist viel Wasser die Donau hinabgeflossen. Ist es nicht an der Zeit, zu prüfen, was aus den Absichts- erklärungen von damals eigentlich gewor- den ist? Es verblüfft doch, daß der Begriff Menschenrechte, der in den 80er Jahren nicht nur bei „Dissidenten“, sondern auch weltpolitisch ein Zauberwort war, heute nur noch zur Rechtfertigung von impe- rialistischen Kriegen Verwendung findet. Für die Umsetzung der völkerrechtli- chen Menschenrechtskonventionen tra- gen jene Staaten Verantwortung, welche sie ratifiziert haben. Das galt für die DDR, wie es heute für die BRD gilt, die am 4. November 1950 der europäischen Men- schenrechtskonvention beitrat. Deren massive Verletzung folgte unmittelbar auf die Annexion der DDR. In der Wiener Erklärung hieß es unter Punkt 22: „Die Weltkonferenz über die Menschenrechte ruft alle Regierun- gen dazu auf, in Erfüllung ihrer inter- nationalen Verpflichtungen und unter entsprechender Berücksichtigung ihrer Rechtsordnung alle geeigneten Maß- nahmen zu ergreifen, um bei gleichzei- tiger Anerkennung des Grundsatzes, daß jeder Mensch das Recht auf Gedanken-, Gewissens-, Meinungs- und Religions- freiheit hat, religiöse oder weltanschau- liche Intoleranz und damit verbundene Gewalttätigkeiten, einschließlich Diskri- minierungen der Frau und Entweihungen religiöser Stätten, zu unterbinden. Die Weltkonferenz ersucht ferner alle Staaten, die Bestimmungen der Erklärung über die Beseitigung aller Formen der Intole- ranz und Diskriminierung aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen in die Tat umzusetzen.“ Im Artikel 25 des nach wie vor als Pro- visorium geltenden Grundgesetzes heißt es zum Verhältnis von Völkerrecht und Bundesrecht: „Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind Bestandteil des Bundesrechts. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bun- desgebietes.“ Als der „Einigungsvertrag“ zwischen beiden deutschen Staaten abgeschlos- sen wurde, waren demnach die Völ- kerrechtsgebote auf dem Gebiet der Menschenrechte strikt anzuwenden. Da nach Wolfgang Schäubles Worten, die Bundesrepublik den ,,Einigungsvertrag“ mit sich selbst abgeschlossen hat, weil Günter Krause die Interessen der DDR als deren „Unterhändler“ nicht vertrat, tragen beide an diesem Komplott Betei- ligte auch die unmittelbare politische Schuld, der eine als Täter, der andere wegen Unterlassung. Bundeskanzler Helmut Kohl hat den Begriff Menschenrechte, der unter- schiedlich auslegbar ist, mit besonderer Vorliebe im Munde geführt, besonders im Zusammenhang mit dem 17. Juni 1953 und dem 13. August 1961. Anläßlich des 31. Jahrestages der Grenzschließung erklärte er 1992: „Endlich sind – nach über vier- zig Jahren – a l l e (Hervorhebung Kohls) Deutschen frei – jeder darf sagen, was er will, lesen, was ihm beliebt, und reisen, wohin er möchte.“ Das sollte eine freu- dige Botschaft sein, denn wer wollte wohl nicht von der Freiheit des Redens, Lesens und Reisens gerne Gebrauch machen? Allerdings ist zu hinterfragen: War die Privatisierung der 12 354 volkseige- nen Betriebe, der 465 Staatsgüter, von 3,3 Millionen Wohnungen, von Verkehrs- betrieben, Versicherungseigentum und Handelsorganisationen durch die Treu- handanstalt und deren Rechtsnachfolger, war der Entzug eines riesigen Volksver- mögens von etwa 600 Milliarden D-Mark, das im Zeitraffertempo zu nichts zerrann, etwa ein Schritt zu größerer Freiheit der DDR-Bürger? War der „Elitentausch“ nach 1990 ein sol- cher Beitrag? Etwa 35 000 Politiker und Beamte aus den alten Bundesländern besetzten schlagartig sämtliche Schlüs- selpositionen im Osten. In der Verwaltung waren Ende der 90er Jahre nur noch 2,5 % Ostdeutsche, in den Medien 11,8 %. Die Staatssekretäre stammten ausnahmslos aus dem Westen. Von den 1994 bis 1999 berufenen 1878 Professoren kamen 1769 (94,7 %) aus der Alt-BRD. Kohls Erfolgsmeldung, jeder könne nun reisen, wohin er wolle, erinnert an die verblüffende Äußerung der Marie Antoi- nette: „Warum greifen Menschen, die kein Brot haben, nicht zum Kuchen?“ Obwohl in den Konventionen definiert ist, welche Menschenrechte Staaten allen Bürgern zu sichern haben – ein Leben in Frieden, Arbeit mit auskömmlichem Ein- kommen, Recht auf Wohnung, medizini- sche Versorgung und Altersbetreuung, Bildung und Informationsfreiheit sowie Teilhabe am kulturellen Leben –, zeigen die Erfahrungen, daß die Vokabel Men- schenrechte zu jenen Begriffen gehört, welche in ganz besonderem Maße miß- braucht werden. Manche Politiker sind sich darüber im klaren. So schrieb Willy Brandt 1987 den Essay „Menschenrechte – mißhandelt und mißbraucht“. Dort heißt es, er habe „in unterschiedlichen Ämtern erlebt, wie rasch die Berufung auf Men- schenrechte zur billigen Münze werden kann, mißbraucht im außenpolitischen Streit der Mächte wie im innenpolitischen Wettkampf der Parteien“. Nicht immer tritt das so offen zutage wie in der Blockade- und Boykottpolitik der USA-Administration gegenüber Kuba oder bei der Unterstützung von „Dissidenten“ und „Rebellen“ durch imperialistische Staaten. „Zur Arbeit für die Menschen- rechte gehört das Fegen vor der eigenen Tür“, empfahl Willy Brandt. Und weiter heißt es bei ihm: „Leute, die ihre Absichten verschleiern möchten, indem sie Menschenrechte vorschieben, wo Besitz- und Machtinteressen gemeint sind, handeln nicht nur zynisch und heuchlerisch, sie gefährden auch die poli- tische Lösung großer sozialer Probleme.“ Was hätte Brandt angesichts des Miß- brauchs der Menschenrechte zur Begründung des Aggressionskrieges gegen Jugoslawien durch die rot-grüne Schröder/Fischer-Regierung im Jahre 1999 gesagt? War es nicht Fischer, der als Vizekanzler der Koalition angeblich ein „neues Auschwitz“ durch die Bombardie- rung Belgrads verhindern wollte? Wer verteidigt denn die Menschenrechte am Hindukusch? Inzwischen dient der Begriff als wichtigstes Propaganda- instrument vor und bei jedem imperia- listischen Eroberungskrieg. Davon ist weder in der UNO-Charta noch in Kon- ventionen die Rede. Die Rechtsbrüche im Prozeß der deut- schen „Wiedervereinigung“ und bei ein- ander folgenden Interventionen stießen schon zeitig auf kompetenten und ent- schiedenen Widerstand der PDS-Bundes- tagsabgeordneten Prof. Uwe-Jens Heuer und Prof. Gerhard Riege, den die Meute der Verleumder in den Freitod trieb. In den Dokumentationen der Gesellschaft für Bürgerrecht und Menschenwürde (GBM) wurden wichtige Aspekte von Menschenrechtsverletzungen seitens der BRD exakt analysiert. Inzwischen haben auch UNO-Institutionen solche eklatan- ten Gesetzesverstöße durch die Bundes- regierung gerügt. Das geschah z. B. im Prüfungsbericht des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen vom 20. Mai 2011. Die BRD wird in diesem Dokument als Staat wahrgenommen, des- sen Sozialsystem den gültigen Mensch- rechtsstandards nicht entspricht. Dem Merkel-Kabinett scheint der Rüffel so fatal zu sein, daß es den Bericht wie ein geheimes Papier behandelt. Demgegenüber ist die DDR nicht ein ein- ziges Mal durch ein UNO-Gremium wegen derartiger Defizite getadelt worden. Prof. Dr. Horst Schneider Am 12. Juni um 16 Uhr spricht Oberbür- germeister a.D. Günter Lunow auf einer Veranstaltung der RF-Regionalgruppe MV-Nordwest in der Begegnungsstätte der Volkssolidarität in Wismar-Wendorf, Hanno-Günther-Str. 6a, über das Thema Der 17. Juni 1953 – Dichtung und Wahrheit

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Zu Merkels Menschenrechtsheuchelei in aller Herren Länder

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    Zu Merkels Menschenrechtsheuchelei in aller Herren Lnder

    Vor der eigenen Tr fegen!

    Alle Menschenrechte fr alle Menschen! hie das Motto der 2. Menschen-rechtskonferenz der Vereinten Natio-nen. Sie beriet vor 20 Jahren im Juni 1993 in Wien. Seitdem ist viel Wasser die Donau hinabgeflossen. Ist es nicht an der Zeit, zu prfen, was aus den Absichts-erklrungen von damals eigentlich gewor-den ist? Es verblfft doch, da der Begriff Menschenrechte, der in den 80er Jahren nicht nur bei Dissidenten, sondern auch weltpolitisch ein Zauberwort war, heute nur noch zur Rechtfertigung von impe-rialistischen Kriegen Verwendung findet. Fr die Umsetzung der vlkerrechtli-chen Menschenrechtskonventionen tra-gen jene Staaten Verantwortung, welche sie ratifiziert haben. Das galt fr die DDR, wie es heute fr die BRD gilt, die am 4. November 1950 der europischen Men-schenrechtskonvention beitrat. Deren massive Verletzung folgte unmittelbar auf die Annexion der DDR. In der Wiener Erklrung hie es unter Punkt 22: Die Weltkonferenz ber die Menschenrechte ruft alle Regierun-gen dazu auf, in Erfllung ihrer inter-nationalen Verpflichtungen und unter entsprechender Bercksichtigung ihrer Rechtsordnung alle geeigneten Ma-nahmen zu ergreifen, um bei gleichzei-tiger Anerkennung des Grundsatzes, da jeder Mensch das Recht auf Gedanken-, Gewissens-, Meinungs- und Religions-freiheit hat, religise oder weltanschau-liche Intoleranz und damit verbundene Gewaltttigkeiten, einschlielich Diskri-minierungen der Frau und Entweihungen religiser Sttten, zu unterbinden. Die Weltkonferenz ersucht ferner alle Staaten, die Bestimmungen der Erklrung ber die Beseitigung aller Formen der Intole-ranz und Diskriminierung aus religisen oder weltanschaulichen Grnden in die Tat umzusetzen. Im Artikel 25 des nach wie vor als Pro-visorium geltenden Grundgesetzes heit es zum Verhltnis von Vlkerrecht und Bundesrecht: Die allgemeinen Regeln des Vlkerrechts sind Bestandteil des Bundesrechts. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar fr die Bewohner des Bun-desgebietes.Als der Einigungsvertrag zwischen beiden deutschen Staaten abgeschlos-sen wurde, waren demnach die Vl-kerrechtsgebote auf dem Gebiet der Menschenrechte strikt anzuwenden. Da nach Wolfgang Schubles Worten, die Bundesrepublik den ,,Einigungsvertrag mit sich selbst abgeschlossen hat, weil Gnter Krause die Interessen der DDR als deren Unterhndler nicht vertrat, tragen beide an diesem Komplott Betei-ligte auch die unmittelbare politische Schuld, der eine als Tter, der andere wegen Unterlassung.

    Bundeskanzler Helmut Kohl hat den Begriff Menschenrechte, der unter- schiedlich auslegbar ist, mit besonderer Vorliebe im Munde gefhrt, besonders im Zusammenhang mit dem 17. Juni 1953 und dem 13. August 1961. Anllich des 31. Jahrestages der Grenzschlieung erklrte er 1992: Endlich sind nach ber vier-zig Jahren a l l e (Hervorhebung Kohls) Deutschen frei jeder darf sagen, was er will, lesen, was ihm beliebt, und reisen, wohin er mchte. Das sollte eine freu-dige Botschaft sein, denn wer wollte wohl nicht von der Freiheit des Redens, Lesens und Reisens gerne Gebrauch machen?Allerdings ist zu hinterfragen: War die Privatisierung der 12 354 volkseige-nen Betriebe, der 465 Staatsgter, von 3,3 Millionen Wohnungen, von Verkehrs-betrieben, Versicherungseigentum und Handelsorganisationen durch die Treu-handanstalt und deren Rechtsnachfolger, war der Entzug eines riesigen Volksver-mgens von etwa 600 Milliarden D-Mark, das im Zeitraffertempo zu nichts zerrann, etwa ein Schritt zu grerer Freiheit der DDR-Brger? War der Elitentausch nach 1990 ein sol-cher Beitrag? Etwa 35 000 Politiker und Beamte aus den alten Bundeslndern besetzten schlagartig smtliche Schls-selpositionen im Osten. In der Verwaltung waren Ende der 90er Jahre nur noch 2,5 % Ostdeutsche, in den Medien 11,8 %. Die Staatssekretre stammten ausnahmslos aus dem Westen. Von den 1994 bis 1999 berufenen 1878 Professoren kamen 1769 (94,7 %) aus der Alt-BRD. Kohls Erfolgsmeldung, jeder knne nun reisen, wohin er wolle, erinnert an die verblffende uerung der Marie Antoi-nette: Warum greifen Menschen, die kein Brot haben, nicht zum Kuchen? Obwohl in den Konventionen definiert ist, welche Menschenrechte Staaten allen Brgern zu sichern haben ein Leben in Frieden, Arbeit mit auskmmlichem Ein-kommen, Recht auf Wohnung, medizini-sche Versorgung und Altersbetreuung, Bildung und Informationsfreiheit sowie Teilhabe am kulturellen Leben , zeigen die Erfahrungen, da die Vokabel Men-schenrechte zu jenen Begriffen gehrt, welche in ganz besonderem Mae mi-braucht werden. Manche Politiker sind sich darber im klaren. So schrieb Willy Brandt 1987 den Essay Menschenrechte mihandelt und mibraucht. Dort heit es, er habe in unterschiedlichen mtern erlebt, wie rasch die Berufung auf Men-schenrechte zur billigen Mnze werden kann, mibraucht im auenpolitischen Streit der Mchte wie im innenpolitischen Wettkampf der Parteien.Nicht immer tritt das so offen zutage wie in der Blockade- und Boykottpolitik der USA-Administration gegenber Kuba oder bei der Untersttzung von Dissidenten

    und Rebellen durch imperialistische Staaten. Zur Arbeit fr die Menschen-rechte gehrt das Fegen vor der eigenen Tr, empfahl Willy Brandt. Und weiter heit es bei ihm: Leute, die ihre Absichten verschleiern mchten, indem sie Menschenrechte vorschieben, wo Besitz- und Machtinteressen gemeint sind, handeln nicht nur zynisch und heuchlerisch, sie gefhrden auch die poli-tische Lsung groer sozialer Probleme. Was htte Brandt angesichts des Mi-brauchs der Menschenrechte zur Begrndung des Aggressionskrieges gegen Jugoslawien durch die rot-grne Schrder/Fischer-Regierung im Jahre 1999 gesagt? War es nicht Fischer, der als Vizekanzler der Koalition angeblich ein neues Auschwitz durch die Bombardie-rung Belgrads verhindern wollte?Wer verteidigt denn die Menschenrechte am Hindukusch? Inzwischen dient der Begriff als wichtigstes Propaganda-instrument vor und bei jedem imperia-listischen Eroberungskrieg. Davon ist weder in der UNO-Charta noch in Kon-ventionen die Rede. Die Rechtsbrche im Proze der deut-schen Wiedervereinigung und bei ein-ander folgenden Interventionen stieen schon zeitig auf kompetenten und ent-schiedenen Widerstand der PDS-Bundes-tagsabgeordneten Prof. Uwe-Jens Heuer und Prof. Gerhard Riege, den die Meute der Verleumder in den Freitod trieb. In den Dokumentationen der Gesellschaft fr Brgerrecht und Menschenwrde (GBM) wurden wichtige Aspekte von Menschenrechtsverletzungen seitens der BRD exakt analysiert. Inzwischen haben auch UNO-Institutionen solche eklatan-ten Gesetzesverste durch die Bundes-regierung gergt. Das geschah z. B. im Prfungsbericht des Wirtschafts- und Sozialrats der Vereinten Nationen vom 20. Mai 2011. Die BRD wird in diesem Dokument als Staat wahrgenommen, des-sen Sozialsystem den gltigen Mensch-rechtsstandards nicht entspricht. Dem Merkel-Kabinett scheint der Rffel so fatal zu sein, da es den Bericht wie ein geheimes Papier behandelt. Demgegenber ist die DDR nicht ein ein-ziges Mal durch ein UNO-Gremium wegen derartiger Defizite getadelt worden.

    Prof. Dr. Horst Schneider

    Am 12. Juni um 16 Uhr spricht Oberbr-germeister a.D. Gnter Lunow auf einer Veranstaltung der RF-Regionalgruppe MV-Nordwest in der Begegnungssttte der Volkssolidaritt in Wismar-Wendorf, Hanno-Gnther-Str. 6a, ber das Thema

    Der 17. Juni 1953 Dichtung und Wahrheit