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1 Vorlesung Einführung in die Volkswirtschaftslehre WS 2010 Vorlesung 267.872 2 Stunden WS 2010 Ao.Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Blaas Fachbereich Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik (IFIP) Department für Raumentwicklung, Infrastruktur- und Umweltplanung Technische Universität Wien (TU) Karlsgasse 13, A-1040 Wien Tel.: +43-1-58801-26723 [email protected] ifi t i t Volkswirtschaftslehre © Blaas 2 www.ifip.tuwien.ac.at

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Vorlesung

Einführung in die Volkswirtschaftslehre

WS 2010

Vorlesung 267.8722 Stunden

WS 2010

Ao.Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Blaas

Fachbereich Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik (IFIP)Department für Raumentwicklung, Infrastruktur- und Umweltplanung

Technische Universität Wien (TU)Karlsgasse 13, A-1040 Wien

Tel.: [email protected]

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www.ifip.tuwien.ac.at

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Disposition der Vorlesung

1. Überblick über das Fach „Volkswirtschaftslehre“

2. Die institutionellen Rahmenbedingungen des Marktes

3. Mikroökonomische Akteure 1: Private Haushalte

4. Mikroökonomische Akteure 2: Unternehmen; Marktformen und Preisbildung

5. Makrostatik: Aggregation der Mikroeinheiten in Buchungs-systemen: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung und Input-Output-Tabelle

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6. Makrodynamik 1: Wachstum und technischer Fortschritt

7. Makrodynamik 2: Konjunktur und Inflation

8. Makrodynamik 3: Internationale Wirtschaft

Teil 1:

Überblick über das Fach VolkswirtschaftslehreVolkswirtschaftslehre

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1. Überblick und GrundbegriffeAufbau der Vorlesung

1. Die Volkswirtschaftslehre im Rahmen der Wirtschaftswissenschaften

2. Grundbegriffe2.1. Von den Bedürfnissen (Wünschen) zum (Güter-) Konsum2.2. Güter2.3. Produktion und Güterangebot2.4. Volkswirtschaftlicher Kreislauf

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3. Die zentralen Fragen der Volkswirtschaftslehre; Aufbau der Vorlesung3.1. Wirtschaftliche Entscheidungen/Handlungen einzelner Akteure3.2. Institutionelle Rahmenbedingungen3.3. Gesamtwirtschaftliche Ergebnisse3.4. Aufbau der Vorlesung

1. Die Volkswirtschaftslehre im Rahmen der Wirtschaftswissenschaften

Die Wirtschaftswissenschaft oder Ökonomie (Ökonomik) gehört zu den SozialwissenschaftenSozialwissenschaften.

Sie hat sich als eigenständige Wissenschaftsdisziplin erst vergleichsweise spät aus der praktischen Philosophie (Ethik, Politik, Ökonomie) heraus entwickelt.

Vor rund 200 Jahren begründete Adam Smith mit seinem berühmten Buch "The Wealth of Nations" (1776) die moderne Nationalökonomie.

Seit dieser Zeit hat sich die Ökonomie - wie auch die anderen Wissenschaften -weiter ausdifferenziert und spezialisiert.

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Heute kann man folgende Teildisziplinen unterscheiden:

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1. Volkswirtschaftslehre

Die Volkswirtschaftslehre befasst sich zunächst einmal mit der Beschreibung und Systematisierung wirtschaftlicher Tatbestände und Vorgänge. Darüber hinaus versucht sie, die wirtschaftlichen Prozesse vor dem Hintergrund der jeweiligen Wirtschaftsordnung (rechtliche, institutionelle, gesellschaftliche und kulturelle Gegebenheiten) zu erklären und wahrscheinliche Entwicklungenund kulturelle Gegebenheiten) zu erklären und wahrscheinliche Entwicklungen vorherzusagen.

Die Volkswirtschaftslehre wird in die Mikroökonomie und die Makroökonomieeingeteilt.

– Die Mikroökonomie untersucht das wirtschaftliche Verhalten der "Mikro-" Einheiten eines Wirtschaftssystems, das sind die Unternehmen und die (privaten) Haushalte. Hinsichtlich des ersteren Bereiches gibt es gewisse Berührungen und Überschneidungen mit der Betriebswirtschaftslehre.

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– Die Makroökonomie untersucht die gesamtwirtschaftlichen Phänomene, also das Ergebnis des Zusammenwirkens der Millionen Einzelentscheidungen und -handlungen der Mikroeinheiten. Solche gesamtwirtschaftlichen Phänomene sind z.B. Konjunktur, Wachstum, Inflation.

Von der "reinen" Volkswirtschaftslehre oder Volkswirtschaftstheorie unterscheidet man die theoretische Wirtschaftspolitik oder Theorie der Wirtschaftspolitik.

Die Theorie der Wirtschaftspolitik befasst sich mit den Möglichkeiten der Gestaltung und Beeinflussung der Wirtschaftsordnung einerseits und des

2. Theorie der Wirtschaftspolitik

3. Finanzwissenschaft

Gestaltung und Beeinflussung der Wirtschaftsordnung einerseits und des Wirtschaftsablaufes andererseits. Dabei orientiert sich das Suchen nach wirtschaftspolitischen Handlungsanweisungen an individuellen und gesellschaftlichen Wert- und Zielvorstellungen (wie z.B. Vollbeschäftigung, Preisstabilität, regionale Gleichverteilung der Einkommen).

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Neben den Unternehmen und den privaten Haushalten, die Gegenstand der Mikroökonomie sind, gibt es in jedem modernen Industriestaat noch weitere wirtschaftliche Entscheidungsträger, und zwar die öffentlichen Haushalte. Sie sind Gegenstand der Finanzwissenschaft.

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4. Betriebswirtschaftslehre

Die Betriebswirtschaftslehre thematisiert im wesentlichen die Frage, wie ein Unternehmen zu führen ist (betriebliches Produktionswesen, Marketing, betriebliche Steuerlehre, etc.).

Während also die Betriebswirtschaftslehre das Unternehmen quasi "von innen" b t ht t i t di P kti d Mik ök i i tli h " ß "betrachtet, ist die Perspektive der Mikroökonomie im wesentlichen "von außen": die Mikroökonomie interessiert eher, wie die Unternehmen z.B. auf bestimmte staatliche Vorgaben wie Steuersatz-Änderungen reagieren.

5. Ökonometrie

In den letzten 20 Jahren ist die Erforschung wirtschaftlicher Zusammenhänge und Prozesse mithilfe statistischer Methoden immer weiter entwickelt worden. Dazu hat einerseits die Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Computer,

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g g g p ,andererseits die zunehmend bessere Verfügbarkeit von statistischem Datenmaterial über ökonomische Phänomene beigetragen.

Heute ist die Ökonometrie eine eigene Teildisziplin im Schnittpunkt zwischen (mathematischer) Statistik und Ökonomie.

6. Raumbezogene Wirtschaftstheorie

Raumbezogene Wirtschaftstheorien bezeichnen Wirtschaftstheorien, die sich an der Schnittstelle zwischen Ökonomie und Geographie entwickelt und etabliert haben, und deren Besonderheit in der Integration von Raum in ökonomische Modelle liegt.

Sie sind in der ökonomischen Literatur auch unter Raumwirtschafstheorie, Raumwirtschaftlichen Ansätzen, spatial economics, Wirtschaftsgeographie und Regionalökonomie zu finden.

Diese Theorien machen es sich zur Aufgabe,

– die Verteilung ökonomischer Aktivitäten im Raum, also die räumliche Struktur zu beschreiben und zu erklären,

– die räumlichen Bewegungen von Produktionsfaktoren, Gütern,

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Dienstleistungen etc., also die Interaktionen im Raum zu beschreiben und zu erklären und

– die Entwicklungsdynamik räumlicher Prozesse (z.B. Wachstums- oder Verfallsprozesse) zu beschreiben und zu erklären.

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Zur Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Raumplanung/Raumordnung:

1. Raumplanung hat die Aufgabe, die unterschiedlichen Nutzungsinteressen am knappen Boden abzustimmen, und zwar in einer Weise, die volkswirtschaftlich (regionalwirtschaftlich) optimal ist.

2. Wenn Nutzungsinteressen konfligieren, dann üblicherweise auf der lokalen Ebene,2. Wenn Nutzungsinteressen konfligieren, dann üblicherweise auf der lokalen Ebene, nicht auf einer übergeordneten geamtgesellschaftlichen oder gesamtwirtschaftlichen Ebene: jeder ist (z.B.) – ganz allgemein - für die Existenz einer (Sonder-) Mülldeponie, aber niemand möchte sie gerne auf seinem Gemeindegebiet haben.

3. Darüberhinaus kollidieren die meist kurzfristigen Wirtschaftsinteressen mit den auf langfristige Gestaltung ausgrichteten Raumplanungsvorstellungen.

4. Raumordnung und Raumplanung sind aber in aller Regel keine Gesamtgestaltungs-kräfte. Die räumliche Entwicklung wird primär von gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und technologischen Trends und Veränderungen bestimmt,

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zunehmend auch von ökologischen Knappheiten. Raumordnung und Raumplanung können in diesem Umfeld nur Korrektivfunktionen übernehmen.

7. Wirtschaftsgeschichte

Als Teil der historischen Wissenschaften wird die Wirtschaftsgeschichte auch manchmal zu den Wirtschaftswissenschaften gezählt.

Sie befasst sich mit der historischen Beschreibung und Analyse wirtschaftlicher Entwicklungen.Entwicklungen.

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2. Grundbegriffe

Es wird oft davon ausgegangen, dass das letztendliche Ziel allen Wirtschaftens das Befriedigen von Bedürfnissen ist.

2.1. Von den Bedürfnissen (Wünschen) zum (Güter-) Konsum

Warum ist aber Wirtschaften oder wirtschaftliches Handeln notwendig?

Grundsätzlich geht man von der Annahme aus, dass die Bedürfnisse der Menschen quasi "unendlich" sind, während die zur Befriedigung der Bedürfnisse erforderlichen Ressourcen "endlich" sind: Im Schlaraffenland, wo alles im Überfluss existiert, muss nicht wirtschaftlich gedacht und gehandelt werden.(z.B. bei kleinen Eingeborenen-Stämmen in der Südsee, deren Klima und Vegetation eine Vorratshaltung nicht erforderlich machen)

Das wirtschaftliche Problem schlechthin entsteht also erst durch die

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"Unersättlichkeit" des Menschen einerseits und durch die Knappheit an Ressourcen andererseits.

Die Knappheit ist daher eine fundamentale Kategorie der wirtschaftlichen Betrachtungsweise.

Betrachten wir zunächst die eine Seite dieses Prozesses, und zwar die „Nachfrageseite“:

Abbildung 1.1: Von den Bedürfnissen zum Güterkonsum

Bedürfnisse

Bedarf

Nachfrage

Güterkonsum

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NachfrageQuelle: Brandt et al., Grundzüge der Mikroökonomie, S. 57

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1. Bedürfnisse - Wünsche

– Das Erstreben bestimmter Zustände (wir beschränken uns auf ökonomisch relevante Bedürfnisse).

– Das Empfinden eines Mangels mit dem Bestreben, diesen zu beseitigen.

Der unendlichen Vielfalt menschlicher Bedürfnisse stehen knappe Mittel zu deren Befriedigung gegenüber.

Grundsätzlich werden die Bedürfnisse immer individuell empfunden, gleichgültig, ob sie individuell befriedigt werden können ("Individualbedürfnisse") wie Hunger, Durst, Zuneigung, oder ob sie in der Gemeinschaft befriedigt werden ("Kollektivbedürfnisse"), wie Sicherheit.

Bedürfnisse sind daher subjektive Wahrnehmungen

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Bedürfnisse sind daher subjektive Wahrnehmungen.

2. Bedarf

Das Bedürfnis hat sich auf ein bestimmtes Gut (Dienstleistung) gerichtet und tritt somit in den ökonomischen Bereich ein.

Im Gegensatz zum Bedürfnis ist der Bedarf mit konkreten Mengen-, Qualitäts-und Preisvorstellungen verbunden (und somit eine objektivierte Größe).

Nicht jedes Bedürfnis führt zum Bedarf. Manche Bedürfnisse - wie jenes nach Zuneigung - können auch außerökonomisch befriedigt werden. Der Bedarf richtet das Bedürfnis auf ein Gut und führt damit in den ökonomischen Bereich.

3. Nachfrage

Ist der Bedarf mit der notwendigen Kaufkraft ausgestattet, so wird er als Nachfrage effektiv.

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4. Güterkonsum

Trifft der kaufkräftige Bedarf, d.h. die Nachfrage, auf ein entsprechendes Güterangebot, so wird das betreffende Gut zur Befriedigung des jeweiligen Bedürfnisses konsumiert.

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Güter sind zentrale Objekte der wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchung, sie sind definiert als Mittel zur Befriedigung von Bedürfnissen.

2.2. Güter

Einteilung der Güter nach:

– der Verfügbarkeit

– den physischen Eigenschaften

– dem Verwendungszweck

– der Nutzungsdauer

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– dem Verhältnis der individuellen zur kollektiven Nutzung

– ihrem gegenseitigen Verhältnis

Die Ökonomie beschäftigt sich vor allem mit knappen Gütern.

Ist ein Gut dagegen im Überfluss vorhanden, so sprechen wir von einem f i G t

Verfügbarkeit

freien Gut.

Grundsätzlich haben nur knappe Güter einen positiven Preis, freie Güter haben einen Preis von Null.

Daneben gibt es wichtige Güter, die sich nicht so einfach in das Knappheits-Schema pressen lassen. Das gilt insbesondere für das Gut Information. Wenn ich eine Information besitze und sie weitergebe, so bleibt sie dennoch auch in meinem Besitz; sie kann quasi unendlich vervielfältigt werden und Knappheit besteht nur insoferne, als die

f

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Informationsweitergabe Kosten verursacht.

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Güter können weiters unterteilt werden in

– materielle Güter oder Sachgüter (Bleistift, Fernsehapparat, etc) und

Physische Eigenschaften

– immaterielle Güter. Immaterielle Güter sind

• Dienstleistungen einerseits (Haarschnitt beim Frisör; Vorlesung; Arztkonsultation) und

• Rechte andererseits (Benützungsrecht einer Erfindung; Recht, in einem Wald zu jagen; etc),

wobei die Grenzziehung zwischen diesen beiden Gütern manchmal verschwimmend ist.

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Wir werden bei Sachgütern auch von Gütern im engeren Sinn sprechen.

(Vertikale Gütereinteilung:)

– Konsumgüter

– Vorleistungen und

Verwendungszweck

g

– Investitionsgüter (auch: Kapitalgüter)

– Gebrauchs- und

– Verbrauchsgüter

– (auch langlebige Konsumgüter; Güter des täglichen Bedarfs)

Nutzungsdauer

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– Private und

– öffentliche Güter

Definiert durch das (1) Prinzip der Nichtausschliessbarkeit vom Konsum (Ausschluss über den Preis) und (2) Prinzip der Nichtrivalität im Konsum

Verhältnis der individuellen zur kollektiven Nutzung

(Ausschluss über den Preis) und (2) Prinzip der Nichtrivalität im Konsum (kein Kapazitätsproblem der Nutzung)aber: Kapazitätsprobleme bei Infrastrukturgütern

– Substitutionsgüter

– Komplementärgüter

ihr gegenseitiges Verhältnis

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p g

– unverbundene Güter

Ein Unternehmen erstellt ökonomische Güter (Output) und setzt dabei Produktionsfaktoren (auch: Inputs oder Inputgüter) ein.

Den Prozess der Transformation von Produktionsfaktoren in Güter nennt man

2.3. Produktion und Güterangebot

Den Prozess der Transformation von Produktionsfaktoren in Güter nennt man Produktion.

Zu Produktion werden sehr unterschiedliche Vorgänge gerechnet, wie die Erzeugung von Weizen, die Umformung von Stahl zu Blech, die Verpackung von Waren, die Beratung eines Unternehmens, das Abhalten einer Vorlesung über Volkswirtschaftslehre.

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Abbildung 1.2: Produktion

ProdukteFaktoren

Kapitalgüter

Vorleistungen

Boden

Konsumgüter

Investitionsgüter

Arbeit

Vorleistungen

Produktion

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Produktionsfaktoren (Inputs) sind Sachgüter und Dienstleistungen, die im Produktionsprozess eingesetzt werden.

Sie lassen sich untergliedern in:

1. menschliche Arbeitsleistung

2. Leistungen dauerhafter Produktionsmittel (Kapitalgüter: Maschinen, Gebäude)

3. Boden (einschließlich Bodenschätze)

4. Vorleistungen von nicht dauerhaften Produktionsmittel und Dienstleistungen (z.B. Energie, Treibstoffe, Düngemittel, Halbfertigwaren); sie werden als Vorprodukte von anderen Unternehmen bezogen.

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Aus dem Arbeitseinsatz erzielen die privaten Haushalte die Mittel (d.h. das Einkommen), um ihre Bedürfnisse durch den Kauf von Konsumgütern (i.w.S.) zu befriedigen. (Daneben erzielen manche Haushalte auch Einkommen aus Besitz

2.4. Volkswirtschaftlicher Kreislauf

und Vermögen).

Fasst man alle privaten Haushalte zu einem Aggregat zusammen und stellt man dieses Aggregat der Summe aller Unternehmen gegenüber, so kann man einen geschlossenen Kreislauf zwischen Haushalten und Unternehmen betrachten.

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Abbildung 1.3: Volkswirtschaftlicher Kreislauf

Haushalte

Löhne Arbeitsleistung Güter Erlöse

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Unternehmen

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Wichtig ist dabei, dass man sich bei der Verknüpfung mikro- und makroökonomischer Betrachtungsweisen der Tatsache bewusst ist, dass man leicht dem Trugschluss der Verallgemeinerung einzelwirtschaftlicher Tatbestände erliegen kann.

Vom einzelnen Wirtschaftssubjekt auf die Allgemeinheit zu schließen ist zwar im ökonomischen Bereich oft möglich, aber es gibt auch viele Gegenbeispiele.

– Wenn ein Arbeiter etwa mehr Lohn erhält, so wird er dies als Verbesserung seiner materiellen Wohlfahrt empfinden. Wenn aber alle Arbeitnehmer mehr Lohn erhalten, so kann daraus eine allgemeine Preiserhöhung entstehen, die eine tatsächliche (= reale) Besserstellung des einzelnen Arbeitnehmers verhindert.

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– Umgekehrt: Löhne als Kosten der Unternehmen; Lohnreduktion reduziert die Kosten eines Unternehmens, aber eine allgemeine Lohnreduktion reduziert die Kaufkraft und damit die gesamtwirtschaftliche Nachfrage.

Während es nun für den einzelnen durchaus sinnvoll und auch erforderlich sein

Ein anderes Beispiel bezieht sich auf das Sparen. Oft wird von den Medien in angeblich oder tatsächlich gegebenen Konjunkturschwächen der Slogan verbreitet, "wir müssten alle den Gürtel etwas enger schnallen", womit gemeint ist, dass alle mehr sparen müssten.

Während es nun für den einzelnen durchaus sinnvoll und auch erforderlich sein kann, zu sparen, um z.B. für spätere Ausgaben oder auch unsichere Zeiten vorgesorgt zu haben, kann ein allgemeines Zurückhalten bei Kauf- und Investitionsentscheidungen genau jene Krise herbeiführen, vor der man sich durch "Gürtel enger schnallen" bewahren wollte.

Keynes: Paradox of Thrift

Begründung: Spart ein Großteil der Bevölkerung mehr, so führt das zu

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g g p g ,Umsatzeinbußen mit nachfolgendem Produktions-, Beschäftigungs- und Einkommensrückgang.

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Weitere Beispiele für die Diskrepanz zwischen einzelwirtschaftlicher und gesamtwirtschaftlicher Logik1):

• Durch den Verfall von Hauspreisen werden Hypothekarkredite „faul“. Um zu retten, was zu retten ist, lassen die Banken die Schuldnerhäuser versteigern und drücken damit die Hauspreise weiter nach unten.

• Wenn Banken Verluste machen versuchen sie zur partiellenWenn Banken Verluste machen, versuchen sie zur partiellen Kompensation der Verluste die Zinsspanne zu erhöhen (wenn das ihre Marktposition zulässt). Das dämpft noch weiter die Kreditnachfrage für Konsum und Investition.

Was einzelwirtschaftlich richtig ist, muss nicht gesamtwirtschaftlich richtig sein.

Dieser Satz lässt sich auch weltwirtschaftlich verallgemeinern: Um die Probleme der eigenen Volkswirtschaft zu lindern, flüchten manche von ihnen in eine protektionistische Politik Je mehr Ländern diesem Rezept

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ihnen in eine protektionistische Politik. Je mehr Ländern diesem Rezept folgen, umso stärker schrumpft die Weltwirtschaft:

Was aus der Perspektive einer Volkswirtschaft richtig ist, muss nicht weltwirtschaftlich richtig sein.

1) St. Schulmeister, Schulkrise und Budgetlogik. Der Standard, 21.4.2009

– die Steuerleistungen der privaten Haushalte und Unternehmenhinzuzufügen, denen

– die Leistungen des öffentlichen Sektors auf der anderen Seite gegenüberstehen (Sachleistungen (Leistungen "in kind"): Schule

Ergänzen wir diesen Kreislauf noch durch den öffentlichen Sektor (Summe der öffentlichen Haushalte), so sind einerseits

gegenüberstehen (Sachleistungen (Leistungen in kind ): Schule, Universitäten, Straßen, Rechtssystem, etc; Geldleistungen (Leistungen "in cash"): Pensionen, Stipendien, Kindergeld, etc).

In der vorigen und der folgenden Abbildung kann man erkennen, dass zwischen den Wirtschaftseinheiten und Sektoren einer Volkswirtschaft drei unterschiedliche ökonomische Kategorien ausgetauscht werden, und zwar

(1) Güter (i.w.S.);

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( ) ( );

(2) Arbeit(sleistung) und

(3) Geld.

Gesamtwirtschaftliche Modelle umfassen daher immer den Gütermarkt, den Arbeitsmarkt und den Geldmarkt.

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Abbildung 1.4: Volkswirtschaftlicher Kreislauf mit öffentlichem Sektor

Arbeitsleistungen

öfftl. Leistungen

Steuern

Haushalte

Unternehmen

Öffentlicher SektorArbeitsleistungLöhneGüter

Erlöse

Löhne

g

Erlöse

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Güter

Steuern

öffentliche Leistungen

3. Die zentralen Fragen der Volkswirtschaftslehre

Die Frage erhebt sich nun, wie man das wirtschaftliche Handeln der einzelnen Wirtschaftseinheiten sowie den Wirtschaftsprozess als Gesamterscheinung beschreiben und erklären kann.beschreiben und erklären kann.

Die traditionelle Wirtschaftstheorie geht von der Vorstellung aus, dass der Wirtschaftsprozess immer erklärbar ist aus den, und reduzierbar ist auf die Entscheidungen einzelner Wirtschaftseinheiten (Reduktionismus).

Wir werden diesem Paradigma nicht folgen, sondern davon ausgehen, dass die Mikroebene und die Makroebene eigenständige Untersuchungsgegenstände sind, die zwar miteinander verbunden sind, aber nicht durch Reduktion auf die jeweils andere Ebene erklärbar sind.

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Die Verbindungen zwischen den beiden Ebenen werden durch die Institutionen in einer Volkswirtschaft hergestellt.

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Einzelwirtschaftliche Ebene

Entscheidungen der privaten Haushalte und der Unternehmen

Institutionelle Rahmenbedingungen

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Prozesse und Ergebnisse aufgesamtwirtschaftlicher Ebene

Fragen:

• Wie können einzelwirtschaftliche Entscheidungen/Handlungen erklärt werden?

• Wie werden diese durch die Ziele und Präferenzen der mikroökonomischen Einheiten selbst, aber auch durch den institutionellen Rahmen und die gesamtwirtschaftliche Situation determiniert?

• Wie können gesamtwirtschaftliche Phänomene erklärt werden?

• Wie spielen einzelwirtschaftliche Handlungen und der institutionelle Rahmen zusammen um zu bestimmten gesamtwirtschaftlichen

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Rahmen zusammen, um zu bestimmten gesamtwirtschaftlichen Ergebnisse zu führen?

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Teil 2:

Die institutionellen Rahmenbedingungen des MarktesRahmenbedingungen des Marktes

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2. Die institutionellen Rahmen-bedingungen des Marktes

1. Der Markt als gesellschaftliche Institution1 1 Definitionen und Funktionen des Marktes1.1. Definitionen und Funktionen des Marktes1.2. Allokationssysteme1.3. Bedingungen für die Funktionsfähigkeit des Marktes1.4. Marktversagen1.5. Bedingungen für die Entstehung von Märkten1.6. Beurteilung des Marktes aus gesamtgesellschaftlicher Sicht1.7. Zusammenfassung und Fragen

2. Die Einbettung des Marktes in andere sozioökonomische Institutionen

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2.1. Der institutionelle und kulturelle Kontext2.2. Marktwirtschaftliche Basisinstitutionen2.3. Business Systems

3. Eigentum und Verfügungsrechte

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1. Der Markt als gesellschaftliche Institution

In den Achtzigerjahren war eines der großen Schlagworte „Mehr Markt“, das sich über die Vereinigten Staaten (Reaganomics) und Großbritannien (Thatcherismus) auch nach Europa fortgepflanzt hatauch nach Europa fortgepflanzt hat.

In diesem Zusammenhang hatte man vor allem die sogenannte „Deregulierung“, also die Liberalisierung der Märkte, die Reduktion einschränkender gesetzlicher Vorschriften im Sinne. Aber auch die Macht von wirtschaftlichen Zusammenschlüssen, insbesondere von Gewerkschaften, wurde zum Ziel derer, die mit dem Slogan einer „freien Marktwirtschaft“ Politik betrieben.

Die Ereignisse in Osteuropa ab Ende der Achtzigerjahre haben dann einen davon unabhängigen Prozess „zum Markt“ in Gang gesetzt, als das Ende des Komm nism s nd der Plan irtschaft erkündet rde

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Kommunismus und der Planwirtschaft verkündet wurde.

Unabhängig von den dafür verantwortlichen politischen Interessen liegt das zum

In beiden Fällen, sowohl bei der „Marktwirtschaftspolitik“ im Westen wie auch bei der Transformation im Osten lagen den ordnungspolitischen Vorstellungen äußerst mangelhafte Konzeptionen des Marktes zugrunde - wie aus heutiger Sicht unschwer auch an den sich offenbarenden Problemen erkennbar ist.

Unabhängig von den dafür verantwortlichen politischen Interessen liegt das zum Teil auch daran, dass die Wirtschaftswissenschaft sich über weite Strecken überhaupt nicht mit dem Phänomen „Markt“ auseinandersetzt, sondern diesen als quasi-mechanischen Automatismus voraussetzt.

Der Markt ist in dieser Vorstellung einfach jener (konkrete oder fiktive) Ort, an dem Anbieter und Nachfrager zusammenkommen und ohne Beschränkungen seitens staatlicher Instanzen und hinsichtlich der Preisbildung ihre Transaktionen durchführen.

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Es ist daher nur folgerichtig, dass die herrschende ökonomische Lehre zur Transformation im Osten nicht viel mehr vorzuschlagen hatte, als die Produktionsmittel zu privatisieren (Privateigentum herbeizuführen) und die Preise zu liberalisieren.

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Die Frage bleibt allerdings, ob das schon genügt, um Märkte entstehen zu lassen, um eine Marktwirtschaft entstehen zu lassen.

Die Frage bleibt auch, ob die Deregulierung und Entstaatlichung in den westlichen Industriestaaten in jedem einzelnen Falle und in Summe zu einer wettbewerbsstärkeren, zu einer versorgungssicheren und zu einer Volkswirtschaft e be e bss ä e e , u e e e so gu gss c e e u d u e e o s sc amit größerem Wohlstand geführt hat bzw. führt.

Die Beantwortung dieser Fragen erfordert vergleichende ökonomische Analysen, die nur im konkreten Einzelfall durchgeführt werden können.

Die folgenden Ausführungen dienen dazu, einige wesentliche Grundlagen für ein derartiges Vorhaben zu vermitteln. Diese Grundlagen bestehen aus der Behandlung der Bestimmung des Begriffes „Markt“ und dessen Funktionen, der Diskussion alternativer Allokationssysteme, der Untersuchung der Bedingungen

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der Funktionsfähigkeit des Marktes sowie der gesellschaftlichen Beurteilung des Marktes als sozialer Institution.

1.1. Definitionen und Funktionen des Marktes

Definitionen

Die traditionelle Lehrbuchökonomie zeichnet sich durch eine stark mechanistische Sichtweise des Marktes aus: es ist der Ort, an dem die Kräfte des Angebotes und der Nachfrage aufeinandertreffen, die durch den Preis in ein des gebotes u d de ac age au e a de t e e , d e du c de e s eGleichgewicht gebracht werden.

Typisch für diese Sichtweise sind etwa folgende Begriffsbestimmungen:

A market is created whenever potential sellers of a good or service are brought into contact with potential buyers and a means of exchange is available. The medium of exchange may be MONEY or BARTER. Exchange agreements are reached through the operation of the laws of supply and demand.

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The Penguin Dictionary of Economics, 5th edition, 1992 („Market“).

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Grundlage solcher Definitionen ist die Vorstellung eines Marktplatzes, von dem aus dann die modernen Märkte als Abstraktionen gesehen werden können:

A market-place is „an authorized public concourse of buyers and sellers f diti ti t l l t i tl d fi d tof commodities, meeting at a place more or less strictly defined, at an

appointed time“.

British Royal Commission on Market Rights and Tolls (1891)

In the literal sense, a place in which things are bought and sold. In modern industrial system it has expanded to include the whole geographical area in which sellers compete with each other for the consumers.

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Marshall (Priciples of Economics, 1890)

Die institutionelle Schule der Nationalökonomie hat immer schon betont, dass das mechanistische Paradigma bei der Beschreibung und Erklärung des Marktes zu kurz greift, weil der Markt einerseits selbst eine gesellschaftliche Institution ist und andererseits weiterer sozialer Institutionen bedarf, um funktionsfähig zu sein.

Eine entsprechende Definition gibt Hodgson:

D M kt i t i S i l I tit ti i h lb d iDer Markt ist eine Summe sozialer Institutionen, innerhalb derer eine große Zahl von Güter-Tauschaktionen regelmäßig stattfindet, die zu einem gewissen Grad durch diese Institutionen ermöglicht und strukturiert werden.

Hodgson (Economics and Institutions, S. 174)

Der Markt ist der Prozess, in welchem in einer dezentral geplanten, arbeitsteiligen Wirtschaft Nachfrage und Angebot einander gegenüber

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treten.

... Der Markt bedarf eines bestimmten Maßes an institutioneller Organisation, vor allem einer rechtlichen Verfestigung.

Streissler (Grundzüge d. VWL, S. 28)

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Hier werden bereits die Rahmenbedingungen für die Funktionsfähigkeit des Marktes angesprochen, die z.B. in der folgenden Definition noch weiter präzisiert werden:

Th i it f k t (1) i t t t (2) i lThe prerequisites of any market are (1) private contracts; (2) commercial laws; (3) monetary regime; (4) self inforcing mechanisms/external referee

Boyer (Markets: history, theory and policy; EAEPE conference 1992)

Auf die Vorbedingungen oder Rahmenbedingungen des Marktes wird später noch genauer eingegangen, und auch in den juristischen Einführungsvorträgen wird dieser Aspekt noch ausführlicher behandelt.

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Funktionen

Bezüglich der Funktionen des Marktes wird der Markt zunächst einmal als Allokationssystem betrachtet.

Allokation heißt die Zuteilung oder Zuweisung von Ressourcen, von Mitteln oder Leistungen, wobei auch die noch zu erbringenden Leistungen (Arbeitsplätze) unter diesen Begriff zu subsumieren sind.

Um eine Vorstellung von der Besonderheit des Marktes als Allokationsart zu vermitteln, wird der Markt mit anderen Allokationssystemen verglichen (nächster Abschnitt).

Weitere Funktionen sind:

– Der Markt als Informationsnetz (Streissler, S. 116):Preise als Informationskonzentrate (Knappheitsindikatoren)Märkte als Entdeckungsverfahren (um noch ungenützte ökonomische Möglichkeiten aufzuspüren, insbesondere, welche neuen Güter und

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g p , ,Produktionsverfahren nachfragegerecht sind)

– Der Markt als AbstimmungsprozessMarktpreise als effiziente gesellschaftliche Bewertungen (Konsumenten stimmen mit ihrem Einkommen und Vermögen ab; unterschiedlich hohe Stimmrechte)

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1.2. Allokationssysteme1)

Es soll unterschieden werden zwischen

– zentralen und

– dezentralen Allokationssystemen.

Erstere setzen eine zentrale Institution voraus, die die Allokation vornimmt, etwa den Staat. Auch ein Unternehmen ist eine Institution, in der zentral entschieden wird. Im zweiten Fall gibt es keine derartige Institution.

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1) Dieser Abschnitt ist angelehnt an: P. Rosner, Grundzüge der Politischen Ökonomie Österreichs. WUV-Verlag, Wien 1994, S. 1-5

A. Zentrale Allokationssysteme:

a) per Anordnung oder Vereinbarung; z.B. gemäß Gleichheit oder einem klaren Verteilungsziel: Lebensmittelmarken, Militärdienst, Arbeitsleistungen in einer Kooperative;

b) durch eine Lotterie: Greencards (z.B. Einwanderungsvisa in die USA):

c) Schlange-Stehen und andere Formen der Seniorität/Ancienität (first-come-first-served, Windhundsystem): kostenlose Parkplätze, Vorrückungen ausschließlich nach dem Dienstalter;

d) Status: Bestimmte Positionen nur für bestimmte Gruppen - z.B. Arbeitsplätze nur für Inländer, bestimmte Leitungsfunktionen nur für Angehörige einer sozialen Schicht;

e) individuelle Wohlfahrt gemäß Bedarf: medizinische Versorgung;

f) P d kti ität k j d d Zi l d G ll h ft b it ?

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f) Produktivität: was kann jemand zu den Zielen der Gesellschaft beitragen? Stipendien aufgrund von Leistung, Vorrückungen nach Leistungen (In beiden Fällen dient die vergangene Leistung als Indikator für eine zu erwartende Leistung.);

g) vergangener Beitrag (merit): Orden, Prämien.

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B. Dezentrale Allokationssysteme:

h) Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft: Kauf von Gütern und Leistungen;

i) unmittelbare Aneignung: Erbschaft, Diebstahl.

Dezentrale Allokationsstrukturen zeichnen sich dadurch aus, dass es keine koordinierende Instanz gibt.

Bei den unter c) genannten Warteschlangensystemen etwa muss oft darauf geachtet werden, dass eine Warteschlange nicht in eine Allokation gemäß Zahlungsbereitschaft umschlägt - z.B. man zahlt einen Studenten dafür, dass er sich bei der Opernkasse anstellt.

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Beispiel 1: Lebensmittel werden von den meisten Haushalten gekauft. Bewohner von Anstalten (Spitäler, Heime, Gefängnisse) erhalten sie durch direkte Zuteilung.

Da in Österreich kein Mangel an Lebensmitteln besteht und fast alle ein hinreichend großes Einkommen haben, um die notwendigenein hinreichend großes Einkommen haben, um die notwendigen Lebensmittel zu kaufen, hat die Verteilung der Lebensmittel auf die Haushalte gemäß Zahlungsbereitschaft nicht die Funktion, vorhandene knappe Lebensmittel auf die Haushalte aufzuteilen, sondern zu sichern, dass auch in Zukunft Lebensmittel vorhanden sein werden.

Die Zahlung der Konsumenten wird zu Einkommen aller an der Produktion, dem Transport und der Lagerung Beteiligten. Diese erhalten so einen ökonomischen Anreiz, auch weiterhin die Lebensmittel zu erzeugen.

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Lebensmittel zu erzeugen.

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Beispiel 2: "Alte Meister", bestehende Unternehmungen, Grundstücke werden vererbt oder gekauft. Durch den Kauf werden die bereits existierenden Werke umverteilt, sie können nicht mehr produziert werden.

Sie werden oft über Auktionen zugeteilt. Wer am meisten zahlt, erhält das Werk, die Unternehmung, das Grundstück.

Steigt die Zahl der Interessenten, dann wird der Preis steigen. Schon ein zusätzlicher Bieter kann den Preis verändern.

Beispiel 3: Arbeitsplätze für unqualifizierte Arbeiten werden meist, soferne die Arbeitssuchenden eine Mindestqualifikation erfüllen, auf einer first-come-first-served Basis vergeben.

Wer zuerst kommt und die entsprechenden Anforderungen erfüllt, erhält den Arbeitsplatz. Es gibt im allgemeinen keinen kurzfristigen Preiswettbewerb der Arbeitsuchenden

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Preiswettbewerb der Arbeitsuchenden.

Beispiel 4: Bei Arbeitsplätzen für qualifizierte Arbeiten werden die Bewerber meist genauer geprüft, um die/den Beste/n auszuwählen.

Beispiel 5:(1. Teil)

Wie werden in Österreich "gute Karrierechancen" zugeteilt? D.h. wie teilen sich die ca. 25jährigen auf, so dass manche von ihnen eine Position haben, die ein hohes Einkommen und eine interessante Tätigkeit mit einer großen Wahrscheinlichkeit erwarten lassen und die anderen keine derartige Position haben?

M b ht k h d l h J b i kMan beachte: man kann annehmen, dass solche Jobs immer knapp sind, d.h. es gibt mehr Anwärter für solche Jobs als es derartige Jobs gibt. Die Frage, wer diese Jobs bekommt, muss auf irgendeine Art gelöst werden.

a) Bei einem Teil eines Jahrgangs geht dies im Wege der unmittelbaren Aneignung - berufliche Positionen, die mit einer Form der Erbschaft verbunden sind.

Bei anderen Jobs ist z.B. ein Universitätsabschluss erforderlich. Also i L i t ( h l I dik t fü t d

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muss eine Leistung (auch als Indikator für zu erwartende Leistungsfähigkeit) erbracht werden, um eine Karrierechance zu erhalten.

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Beispiel 5:(2. Teil)

Es gibt aber mehr Universitätsabsolventen als Einstiegsjobs für Karrieren. Also muss es ergänzende Kriterien für die Zuteilung der knappen Jobs geben. (Studienabschluss und andere Kriterien, die auf hohe berufliche Qualifikation schließen lassen; Tests, unterschiedliche Chancen für Männer und Frauen; Beziehungen; private Vereinigungen - Parteien, Cartellverband etc.)

b) Wie bekommt man einen Studienplatz? In Österreich kann jede/r studieren, die/der eine Matura oder eine Berufsreifeprüfung gemacht hat. Das Studium ist für Inländer kostenlos. Dennoch studiert nur ein Teil des Maturajahrganges. Wieso? Kann man behaupten, dass es die Begabten jedes Jahrganges sind, die studieren? Zutrittsbedingungen in anderen Ländern? (Preis, Begabung)

c) Nur ein Teil jedes Jahrganges beginnt eine höhere Schule. Wie

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erfolgt hier die Zuteilung? Sind das Begabungen? Entspricht das den vergangenen Leistungen?

Beispiel 5:(3. Teil)

Die Zuteilung von "guten Karrierechancen" an die Mitglieder eines Jahrganges ist also ein sehr komplizierter Prozess.

Eine österreichische Besonderheit ist, dass es weder formale Schranken für den Besuch höherer Schulen oder Universitäten gibt (Aufnahmsprüfungen, numerus clausus etc.), noch auf einer der St f G büh hl i d Di S l kti h i i dStufen Gebühren zu zahlen sind. Die Selektionsmechanismen sind dadurch unklar.

Beispiel 6: Im Gesundheitsbereich erfolgt die Allokation in vielen Fällen nach Bedarf. Wer Medikamente oder eine Operation benötigt, bekommt sie zugeteilt. Der Bedarf wird vom Arzt festgestellt.

B i i l 7 I d U t h f l t di Z t il d b i d

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Beispiel 7: In den Unternehmen erfolgt die Zuteilung der zu erbringenden Leistungen durch die koordinierende Tätigkeit der Unternehmensleitung.

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1.3. Bedingungen für die Funktionsfähigkeit des Marktes

Ökonomische Bedingungen

Die ökonomische Theorie gibt folgende Bedingungen für die Funktionsfähigkeit des Marktes an:

(1) Das am Markt gehandelte Gut ist homogen d h die Nachfrager haben(1) Das am Markt gehandelte Gut ist homogen, d.h. die Nachfrager haben keine Präferenzen bezüglich der verschiedenen Anbieter, andererseits haben die Anbieter/Produzenten keine Präferenzen bezüglich der Nachfrager;

(2) Es gibt eine große Anzahl von Transaktoren und/oder von Transaktionen am Markt;

(3) Der betreffende Markt ist Teil eines Systems vollständiger Märkte;

(4) der Konsum des Gutes (die Nutzung) zieht keine externen Effekte nach sich, sodass die Summe der einzelwirtschaftlichen Optima mit dem

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, pgesamtwirtschaftlichen Optimum übereinstimmt;

(5) das gesamtwirtschaftliche Optimum ist identisch mit den allokationseffizienten Ergebnis, Verteilungsfragen spielen keine Rolle.

Im allgemeinen sind soziale Marktwirtschaften dadurch gekennzeichnet, dass keine der genannten Bedingungen erfüllt ist.

1.4. Marktversagen

Q: J. E. Stiglitz; wikipedia Abfrage 1.9.2008

In der öffentlichen Diskussion wird häufig die Meinung vertreten, dass „der Markt“ die beste oder einzige Lösung für wirtschaftliche Probleme aller Art sei. Dass das nicht so ist, g g ,ist in den Wirtschaftswissenschaften eine lang bekannte Tatsache. Sie wird unter dem Titel „Marktversagen“ behandelt.

Was ist „Marktversagen“?

Der Begriff Marktversagen bezeichnet eine Marktsituation, in der es dem Markt nicht gelingt die Ressourcen effizient oder in der gewünschten Weise zuzuteilen Auch wenn

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gelingt, die Ressourcen effizient oder in der gewünschten Weise zuzuteilen. Auch wenn Märkte (ein Markt) nicht entstehen (nicht entsteht), liegt Marktversagen vor (s.o.: Marktmacher).

Marktversagen wird in der ökonomischen Theorie vor allem auf Informationsmangel, externe Effekte, die Existenz öffentlicher Güter und auf die Existenz von Marktmacht zurückgeführt.

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Imperfekte Information

Wenn die potenziellen Vertragspartner in einem Markt nicht über annähernd gleiche Informationen verfügen, z. B. in Hinblick auf die Eigenschaften angebotener Ware, so kommt es zu einer ineffizienten Ressourcenallokation oder auch dazu, dass die schlechter informierten Marktteilnehmer benachteiligt werden. Qualitätsunsicherheit ist ein Beispiel für asymmetrische Information.asymmetrische Information.

In Extremfällen kann es zu einem vollständigen Marktzusammenbruch kommen. Das bekannteste Beispiel hierfür ist das des Markts für Gebrauchtwagen. (Weitere Beispiele?)

Aus der elementaren Notwendigkeit von Markttransparenz für das Funktionieren von Märkten kann eine Begründung für bestimmte Regulierungen und Institutionen abgeleitet werden. So übernimmt zum Beispiel der Verein für Konsumenteninformation (VKI) die ökonomische Aufgabe, die Benachteiligung schwächerer Marktteilnehmer (hier: Konsumenten) und Marktversagen aufgrund unzureichender Information zu verhindern.

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Dem Verbraucherschutz dienen auch Teile der allgemeinen Gesetzgebung sowie des Wirtschaftsrechts, welche die Desinformation von Konsumenten und anderen Marktteilnehmern verbieten.

Externe Effekte

Eine weitere Ursache, durch die es zu Marktversagen kommen kann, sind sogenannte externe Effekte.

Das sind alle Fälle, in denen das Handeln der Marktteilnehmer (negative oder positive) Auswirkungen auf andere hat (beispielsweise also die Abgase des Autofahrens (negativ)Auswirkungen auf andere hat (beispielsweise also die Abgase des Autofahrens (negativ) oder die Verschönerung eines Gebäudes, die auch die umliegenden Gebäude aufwertet (positiv). Die Interessen dieser Dritten werden von den am Markt handelnden Parteien nicht berücksichtigt, so dass die Zuteilung der Ressourcen volkswirtschaftlich betrachtet nicht mehr effizient ist. Da die Auswirkungen auf Dritte, die sich nicht wehren können, nicht in das Preiskalkül von Anbieter und Nachfrager einbezogen werden, haben sie keinen Einfluss auf den Preis, auch wenn die Dritten bereit wären, Geld für den Nichtabschluss (negative externe Effekte) oder Abschluss (positive externe Effekte) zu bezahlen.

Ein Beispiel sind Anrainerprobleme im Falle von Betrieben in Ballungsgebieten, deren

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normale Tätigkeit Emissionen (Schadstoffe, Lärm) oder Verkehrserzeugung (Zu- und Ablieferverkehr; Kundenverkehr) impliziert.

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Externe Effekte

Marktversagen aufgrund externer Effekte lässt sich theoretisch durch Internalisierungbeseitigen, also dadurch, dass die Marktteilnehmer die verursachten externen Kosten in ihr Wirtschaftlichkeitskalkül mit einbeziehen müssen. Coase-Verhandlungen und die Pigou-Steuer sind zwei Beispiele hierfür.Steuer sind zwei Beispiele hierfür.

Durch das Coase-Theorem kann gezeigt werden, dass es unter den theoretisch idealen Voraussetzungen (klare Zuordnung von Eigentums- bzw. Verfügungsrechten, vollständige Rationalität, keine Transaktionskosten) zu Verhandlungen am Markt kommt, die zu einer Internalisierung (= Mitberücksichtigung) der externen Effekte durch die Marktteilnehmer führen. Nicht möglich sind diese Verhandlungen jedoch mit Marktteilnehmern, die es noch gar nicht gibt, aber zu denen Kosten (z. B. den für Umgang mit Nuklearmüll) in die Zukunft externalisiert wurden.

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Bei der Pigou-Steuer löst der Staat das Marktversagen, indem er den Verursacher in Höhe der externen Kosten besteuert. Allerdings muss der Staat dazu genau die externen Kosten kennen und es dürfen ebenfalls keine Transaktionskosten entstehen.

Öffentliche Güter

Märkte können bei der effizienten Bereitstellung öffentlicher Güter versagen. Öffentliche Güter sind durch (weitgehende) Nichtrivalität im Konsum und (i. d. R.) Nichtausschliessbarkeit vom Konsum gekennzeichnet.

So ist zum Beispiel die äußere Sicherheit eines Landes ein öffentliches Gut – es wirdSo ist zum Beispiel die äußere Sicherheit eines Landes ein öffentliches Gut es wird gleichzeitig von allen in einem Land Ansässigen konsumiert, ohne dass der Konsumnutzen jedes Einzelnen durch den Konsum anderer Individuen beeinträchtigt wird. Gleichzeitig kann kein einzelnes Individuum davon ausgeschlossen werden.

Die private (d. h. über Märkte oder ähnliche auf Freiwilligkeit beruhende) Bereitstellung derartiger Güter leidet unter Trittbrettfahrerverhalten, welches darin besteht, das Gut von den anderen bereitstellen zu lassen, um dann in den kostenfreien Genuss des Gutes zu kommen. Auch wenn insgesamt u. U. eine hinreichend große Zahlungsbereitschaft vorhanden wäre, käme aufgrund der Nichtausschließbarkeit dennoch keine kaufwirksame

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Marktnachfrage nach diesem Gut zustande.

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Öffentliche Güter

Aufgrund des Versagens dezentraler Allokationsmechanismen für öffentliche Güter wird oft deren gesellschaftlich organisierte (i. d. R. also staatliche) Bereitstellung gefordert.

Zwar kann der Staat durch Rückgriff auf Steuern und ähnliche vorgeschriebene Abgaben die Finanzierung öffentlicher Güter sicherstellen. Ungelöst bleibt aber die Festlegung einerdie Finanzierung öffentlicher Güter sicherstellen. Ungelöst bleibt aber die Festlegung einer effizienten Bereitstellungsmenge für das öffentliche Gut.

Um diese bestimmen zu können, sind Informationen über die individuellen Wertschätzungen (Zahlungsbereitschaften) unerlässlich. Die zuverlässige Erhebung derartiger Informationen ist aber schwierig oder gar unmöglich, jedenfalls aber mit Informationsbeschaffungskosten verbunden, welche das Erreichen einer effizienten Allokation be- oder verhindern.

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Marktmacht (unvollständige Konkurrenz, Monopole)

Marktversagen kann auch dadurch bedingt sein, dass Marktteilnehmer in der Lage sind, sich „Marktmacht“ zu verschaffen und sie in ihrem Interesse auszuüben.

Gelingt es,Gelingt es,

(1) die Zahl der Marktteilnehmer klein zu halten, (2) den Marktzutritt durch Zutrittsbarrieren für neue Konkurrenten zu erschweren, (3) den direkten Vergleich von Marktleistungen zu verunmöglichen, oder allgemein

Transparenz und Homogenität zu vermindern,

so gewinnen einzelne Marktteilnehmer gegenüber den andern an Marktmacht. Sie können dann z.B. den Preis beeinflussen.

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(1) Einschränkung der Zahl der Konkurrenten

Je weniger Wettbewerb ein Marktteilnehmer erfährt, desto grösser ist sein Spielraum beim Festsetzen der Preise.

Im Extremfall Monopol konzentriert sich das ganze Angebot und/oder die ganzeIm Extremfall Monopol konzentriert sich das ganze Angebot und/oder die ganze Nachfrage auf einen einzigen Marktteilnehmer und entsprechend gross ist seine Marktmacht. Bei monopolistischer Konkurrenz beherrscht ein Marktführer das Marktgeschehen. Unternehmen mit kleinem Marktanteil sind in Symbiose mit dem Marktführer und profitieren von seiner Hochpreispolitik. Für den Leader sind sie Ansporn, seine eigene Leistungsfähigkeit zu erhalten. Sie verhüten, dass der Marktführer träge wird. Sie sichern damit langfristig seine Marktmacht.

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Bei einem Oligopol beherrschen wenige Marktteilnehmer mit grossem Marktanteil den Markt. Kein Oligopolist kann agieren, ohne sich zu überlegen, wie die andern auf seine Aktionen reagieren werden. Oligopolistischen Marktsituationen begünstigen wettbewerbsbeschränkende Absprachen. Ueber Kartellvereinbarungen sichern Oligopolisten ihre Marktmacht.

(2) Marktzutrittsbarrieren

Als Marktzutrittsbarrieren wirken Umstände, die es neuen Unternehmen schwer machen, in einer Branche Fuss zu fassen. Verbreitet sind Barrieren, die vom Staat zum Schutz der einheimischen Produktion errichtet werden. Durch Zölle, Einfuhrkontrollen, Zulassungsbeschränkungen, Bauvorschriften und andern "legalen" Massnahmen wird die Konkurrenz eingedämmt. Neben derartigen künstlichen Zutrittsbarrieren stehen natürliche Zutrittsschrankenderartigen künstlichen Zutrittsbarrieren stehen natürliche Zutrittsschranken. Hohe Transportkosten, Sprachgrenzen, stark ausgeprägte regionale Unterschiede schützen lokale Anbieter.

Hohe Marktzutrittskosten verhindern das Aufkommen neuer Konkurrenten. Je grösser und je kapitalintensiver die bestehenden Unternehmen sind, umso schwieriger ist es für einen Newcomer. Gute Standorte sind schon besetzt. Fähige Mitarbeiter sind über ein Konkurrenzverbot gebunden und können nicht ohne weiteres abgeworben werden.

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ohne weiteres abgeworben werden.Das aquisitorische Potential der bestehenden Unternehmen verhindert, dass ein neuer Konkurrent rasch Marktanteil gewinnen kann. Seine Durststrecke bis zu den schwarzen Zahlen ist lang. Sein Risiko ist somit hoch, dass sein Markteintritt misslingt und die hohen Anfangsinvestitionen abgeschrieben werden müssen.

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(3) Produkteindividualisierung und Preisverschleierung

Anbieter gewinnen Marktmacht, wenn es ihnen gelingt, den Preisvergleichzu Konkurrenzprodukten zu erschweren oder sogar zu verunmöglichen.

Dies gelingt ihnen über die Produktgestaltung sowie über die Preis- undDies gelingt ihnen über die Produktgestaltung sowie über die Preis- und Konditionenpolitik. Man kreiert Markenprodukte und ist für diese Markenprodukte alleiniger Anbieter.

Unüblichen Verpackungsgrössen (923g statt 1 kg), von der Norm abweichende Dosierungen (80% statt 100% Fruchtsaft), Multipacks (Wein im 6er Karton), Zugaben (die Kinderüberraschung), Preisangaben am Regal statt auf der Ware, ständig wechselnden Aktionspreise, komplizierte zeitliche und personelle Preisdifferenzierungen und vieles mehr erschweren

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p gdem Nachfrager den Vergleich zur Konkurrenz. Bei Kuppelprodukten (Früchtekorb) kennt der Käufer oft den Preis des Einzelproduktes nicht.

1.5. Bedingungen für die Entstehung von Märkten

Eine weitere wichtige Bedingung ist im Zusammenhang mit der Entstehung neuer Märkte in den Reformländern sehr deutlich geworden, und zwar die Existenz eines sogenannten „Marktmachers“.

Er ist der Mittelsmann, der die Verbindung zwischen dem Produzenten oder Verkäufer und dem Zwischenhändler oder Letztverbraucher herstellt. Er istVerkäufer und dem Zwischenhändler oder Letztverbraucher herstellt. Er ist wesentlich für das Funktionieren eines Marktes, ohne ihn ist eine Marktwirtschaft nicht denkbar.

In einer Marktwirtschaft wird diese Rolle von Zwischen- und Großhändlern im Verein mit den Banken gespielt.

Worin bestehen die Aktivitäten des "Marktmachers", wenn er den Markt "macht"? Er kann ein Vermittler sein oder auch eine aktivere Rolle spielen, indem er Firmen Aufträge zur Produktion von Waren gibt, die er zum alleinigen Zweck kauft, um sie später an anderen Orten an Kunden weiter zu verkaufen. Wenn er

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kauft, um sie später an anderen Orten an Kunden weiter zu verkaufen. Wenn er einem Produzenten einen Auftrag erteilt, schafft er gleichzeitig jene Sicherheit, die es dem Bankier erlaubt, dem Produzenten einen Kredit zu gewähren. Dieser Kredit ermöglicht es dem Produzenten, den Arbeitern ihren Lohn zu bezahlen und von seinen Lieferanten Rohmaterial, Energie usw. zu beziehen.

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Die Funktion des "Zwischenhändlers" als "Marktmacher" ist unabdingbar; dennoch erscheint er nicht wie ein "deus ex machina". Um seine Funktionen ausüben zu können, braucht der Zwischenhändler einen gesetzlichen Rahmen, der ihm den Abschluss verschiedenster Verträge ermöglicht, deren Erfüllung überwacht und durchsetzt.

Der Gesetzgeber wird also für die Schaffung des Marktes, das Rechtssystem für di D h d V ä b ö idie Durchsetzung der Verträge benötigt.

Und schließlich braucht der "Marktmacher" in Fällen, wo er sich engagiert, indem er kauft, bevor er verkauft, oder wo er als Zwischenhändler fungiert, der sein eigenes Lager hält, eigenes Kapital oder er muss mit dem Bankensystem zusammenarbeiten, um seine Aktivitäten zu finanzieren.

Vor der vollen Entwicklung des Bankensystems ist es der "Zwischenhändler", der den Produzenten und Einzelhändlern Kredite gibt. In vielen Fällen wird er sowohl als Großhändler als auch als Geldverleiher fungieren. In anderen Fällen,

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besonders dann, wenn die Wirtschaftsentwicklung voranschreitet, bzw. in Industriezweigen, die Investitionsgüter erzeugen, wird die Rolle des "Zwischenhändlers" voll und ganz in den Aufgabenbereich der Vertriebs- und Marketingabteilung des Unternehmens übergehen.

1.6. Beurteilung des Marktes aus gesamtgesellschaftlicher Sicht

Traditionelle Begründung des Marktes - Ressourceneffizienz

Die Begründung der Lehrbuchökonomie für die Überlegenheit des Marktes gegenüber anderen Allokationsweisen beruht auf der erwähnten Tatsache, dass die frei sich bildenden Preise (und damit Einkommen) ein Anreizsystem h b i l h i ffi i t V d ll h ftli hhervorbringen, welches zu einer effizienten Verwendung gesellschaftlicher Ressourcen führt.

Produzenten und Anbieter orientieren ihre Produktions- und Anbotentscheidungen an den Preisen, steigende Preise ziehen mehr Anbieter und Produzenten an.

Ebenso orientieren sich die Konsumenten an den Preisen bei ihren Kaufentscheidungen, sie honorieren durch den Kauf preisgünstigerer Angebote die effizienteren Anbieter.

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Gesellschaftlich gefragte Produkte und Leistungen werden über hohe Nachfrage mittels steigender Preise hoch bewertet, gering geschätzte Güter zeichnen sich durch niedrige Preise aus.

Das System relativer Preise spiegelt gesellschaftliche Wertungen und Beurteilungen wider.

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Individuelle und gesellschaftliche Versorgungssicherheit

Die wichtigste Frage bei der gesellschaftlichen Beurteilung des Marktes ist aber die Frage nach der relativen Bedeutung des betreffenden Gutes für das individuelle Überleben und die kollektive Wohlfahrt.

Bei dieser Frage muss man sich nochmals vor Augen halten, dass der „freie Markt“ dem einzelnen Nachfrager je nach dessen Kaufkraft einen ZugangMarkt dem einzelnen Nachfrager je nach dessen Kaufkraft einen Zugang gewährt oder nicht:

er spiegelt somit nicht nur Präferenzen, sondern vor allem die Einkommensverteilung einer Gesellschaft wider (Beispiel: Automarkt).

Wenn es sich also um lebenswichtige Güter handelt - Lebensmittel, Wohnungen, etc. - dann stellt sich die gesellschaftspolitisch zentrale Frage, ob diese Güter über den freien Markt angeboten werden sollen oder nicht.

Wesentlich bei der Beantwortung dieser Frage ist natürlich der Preis des

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betreffenden Gutes im Verhältnis zur Kaufkraft der überwiegenden Mehrheit der Haushalte (des Durchschnittseinkommens).

Stehen Marktpreis des Gutes und Durchschnittseinkommen in einem sozial akzeptablen Verhältnis, so kann man grundsätzlich eine Marktversorgung akzeptieren. Ist das nicht der Fall, stellt sich die Frage nach Alternativen, Ergänzungen des Marktes, etc.

Dieser Problemkreis ist indes keineswegs statisch: Einkommensniveaus und Preisniveaus verändern sich, aber auch neue Notwendigkeiten treten auf, wie z.B. , g ,Altenbetreuung.

Das heißt, dass eine abschließende Beantwortung der Frage nach den gesellschaftlich akzeptablen Einsatzbereichen des Marktes niemals möglich ist und nur jeweils für eine gegebene Periode in einer gegebenen Gesellschaft Aussagen gemacht werden können.

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(Um-) Verteilung von Einkommen und Macht durch Marktregulierung

Aus den bisherigen Argumenten ist klar geworden, dass erstens der Markt selbst eine soziale Institution ist, die unterschiedliche Formen und Ausprägungen annehmen kann und daher unterschiedliche Gruppen in einer Gesellschaft bevorzugt oder benachteiligt.

Z eitens hat sich ge eigt dass es einfl ssreichen Gr ppier ngen onZweitens hat sich gezeigt, dass es einflussreichen Gruppierungen von Wirtschaftssubjekten oft gelingt, den Markt dort zu implementieren oder umgekehrt zu eliminieren, wo es ihnen nützt.

Beispiel a. Abschottung (bzw. teilweise Abschottung) des österreichischen Zementmarktes gegenüber der Slowakei und Tschechien.

B i i l b B h ä k d Z hl d T i i Wi

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Beispiel b. Beschränkung der Zahl der Taxis in Wien

Beispiel c. Ein wichtiges Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit der Reformökonomien ist die sogenannte „Schocktherapie“, die im wesentlichen aus der Privatisierung der Produktionsmittel und Liberalisierung der Preise bestand.

Die zum Teil verheerenden Folgen (Produktionszusammenbruch, V ä l A b it l i k it) di Th i i ht iVersorgungsmängel, Arbeitslosigkeit) dieser Therapie zeugen nicht in erster Linie von Inkompetenz und Zynismus der Entscheidungsträger, sondern davon, dass die sterilen Lehrbuchweisheiten amerikanischer Nationalökonomen auf einen äußerst fruchtbaren Boden gefallen sind:

Die russische Nomenklatura (und auch jene in anderen Reformländern) hat sofort erkannt, dass die Einführung des Marktes in der von den arglos-gedankenlosen Ökonomen propagierten Weise eine glänzende Voraussetzung für ihre Beutezüge durch die Wirtschaftslandschaft ist.

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Eine Privatisierung der ohnedies unter Druck stehenden Unternehmen kommt jenen Kreisen zugute, die über die Kaufkraft verfügen, sich in diese Unternehmen einzukaufen. Und das waren (und sind wahrscheinlich nach wie vor) die Privilegierten des alten Systems.

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Normative Fragen stellen sich auch im Zusammenhang mit alternativen Allokationssystemen:

Entspricht es eher Gerechtigkeitsvorstellungen, wenn über Allokationen durch Lotterien entschieden wird, durch Warteschlangen oder durch Kauf?

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Exkurs: Fragen zur Diskussion

Frage 1) Angenommen, die Universitäten sollen nur so viele Studierende aufnehmen als Absolventen benötigt werden. Es gibt dann nur wenige Studienabbrecher. In diesem Fall müsste der Zugang zu den Universitäten beschränkt werden. Wie sollte diese Beschränkung durchgeführt werden:durchgeführt werden:

a) durch Studiengebühren ohne begleitende Maßnahmen?

b) durch Studiengebühren mit staatlich gesicherten Krediten für die Studierenden?

c) durch Aufnahmsprüfungen?

d) aufgrund der Noten nur bei der Matura?

e) aufgrund der Noten der Matura und der letzten vier Jahre der

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e) aufgrund der Noten der Matura und der letzten vier Jahre der Schule?

f) durch eine Lotterie?

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Frage 2) Angenommen Sie müssen entscheiden, wer von mehreren Patienten eine Transplantationsniere erhält. Bei allen in Frage kommenden Empfängern ist die Wahrscheinlichkeit der Akzeptanz des fremden Organs durch den Körper gleich groß. Wem würden Sie die Niere geben?

a) Herrn A, der 70 ist und die Niere sehr dringend benötigt?

b) Frau B, die 25 ist und die mit Dialyse noch einige Zeit leben kann?

c) Herrn C, der zu den führenden Wissenschaftern auf dem Gebiet der AIDS Forschung gehört?

d) Frau F, die am meisten dafür zahlen kann?

e) Herrn Dr. K., der ein pensionierter, sehr verdienter und sehr

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angesehener Staatsmann ist?

1.7. Zusammenfassung und Fragen

a) Entgegen der weitverbreiteten mechanistischen Ansicht über das Funktionieren des Marktes ist dieser selbst eine Summe sozialer Institutionen.

Ein Markt kann durch drei Elemente beschrieben werden:

(1) das Gut (oder die Güter), das (die) auf diesem Markt gehandelt werden;

(2) die Summe der Institutionen, Organisationen, gesetzlichen Normen, die das Funktionieren des Marktes bewerkstelligen und organisieren, zusammen mit ihren Zielen, Verantwortlichkeiten, Anreizen und Instrumenten;

(3) die Form der Konkurrenz, die auf diesem Markt vorherrscht.

b) Marktinstitutionen dienen dazu einen Konsens über Preise herzustellen und

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b) Marktinstitutionen dienen dazu, einen Konsens über Preise herzustellen und Informationen über Produkte, Preise, Mengen, potentielle Käufer und Verkäufer zu vermitteln. Ein Markt ist, kurz gesagt, ein institutionalisierter Tausch.

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c) Ein Markt ist daher kein natürlich gegebenes Datum, sondern eine soziale Institution, die durch eine Reihe von Regeln gestaltet wird, die ihrerseits sowohl Restriktionen als auch Legitimierungen darstellen können.

Regulierungen von und Interventionen auf Märkten bevorzugen bestimmte Gruppen und benachteiligen andere Gruppen in der Gesellschaft, bewirken also eine Umverteilung von Einkommens- und Lebenschancen Einfluss undalso eine Umverteilung von Einkommens- und Lebenschancen, Einfluss und Macht.

d) Der Markt entsteht nicht von selbst. Einerseits sind dafür gesellschaftliche und kulturelle Voraussetzungen notwendig. Andererseits ist die Funktion der Marktmacher erforderlich, um zwischen den beiden Seiten des Marktes zu vermitteln.

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Fragen

– Was wären die Folgen der Einführung eines „freien Marktes“ (= vollständige Deregulierung) in einem Bereich, beispielhaft gezeigt auf dem

(1) Wohnungsmarkt oder dem

(2) Lebensmittelmarkt oder dem ( )

(3) Flugmarkt?

– Was wären die Folgen der Ausschaltung des Marktes in einem Bereich? (Fallbeispiele)?

– In welche(n) Bereiche(n) des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens soll der Markt installiert werden/bleiben und mit welcher Begründung? (z B im Umweltbereich: handelbare Verschmutzungsrechte; im

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(z.B. im Umweltbereich: handelbare Verschmutzungsrechte; im Gesundheitsbereich, im Bildungsbereich, im Justizbereich)

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2. Die Einbettung des Marktes in andere sozioökonomische Institutionen

Ausgehend vom institutionellen und kulturellen Kontext einer Marktwirtschaft (Kap. 2.1) werden die „Basisinstitutionen“ (Kap. 2.2) behandelt.

Diese sind zwar allen marktwirtschaftlichen Ländern gemeinsam, sie können aber ganz unterschiedliche Formen und Ausprägungen, also unterschiedliche „Business Systems“ aufweisen (Kap. 2.3), weil ihre Einbettung in die jeweilige nationale Gesellschaft und Kultur durch die Geschichte des Landes geprägt ist.

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Karl Polanyi hat in seinem berühmten Werk „The Great Transformation“ (1944) ausführlich die These vertreten und begründet, dass der Markt notwendigerweise in andere soziale und kulturelle Institutionen sowie in das Staats- und Rechtswesen eingebettet sein muss, wenn er funktionsfähig sein und dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll.

2.1. Der institutionelle und kulturelle Kontext

Die neuere wirtschaftswissenschaftliche Literatur zum Phänomen „Markt“ bringt theoretische Erklärungen und empirische Belege für die Tatsache, dass die Entwicklung und Festigung von Vertrauen und vertrauensvollen Geschäfts- und Handelsbeziehungen zwischen Wirtschaftssubjekten wesentlich für das (im wahrsten Sinne des Wortes) klaglose Funktionieren des Marktes ist und damit auch dessen Effizienz verbessert.

Schon Keynes hatte festgestellt, dass dauerhafte (= vertrauensvolle) Beziehungen zwischen Schuldnern und Gläubigern die eigentliche Grundlage des Kapitalismus bilden

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des Kapitalismus bilden.

Wesentlich dabei ist, dass die Verhaltensweisen der Wirtschaftspartner vorhersehbar sind, dass also gewisse Verhaltensnormen oder Verhaltenskonstanten entwickelt werden, die die Abwicklung von Transaktionen erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen.

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Dass das kein triviales Argument ist, zeigt eine - wahrscheinlich nicht ganz untypische - Begebenheit, die sich in Russland zugetragen hat:

Recently a Russian plant manager signed a multi-million-dollar contract with a Western company to supply equipment for his plant. Several days later the company officials found out to their astonishment that an identical contract had been signed with their competitor. When asked how he could do such a thing the Russian executive answered absolutely seriously: These days wething, the Russian executive answered absolutely seriously: „These days we have a market economy and competition. So I let them compete: whoever supplies the best equipment will get paid.“ (Greif, Avner and Kandel, Eugene, Contract Enforcement Institutions: Historical Perspective and Current Status in Russia. Stanford Law School. Working Paper No. 108, 1993, p. 1).

Abgesehen davon, dass sich in diesem Zusammenhang natürlich die Frage der Durchsetzung eines Vertrages stellt, die selbstverständlich auch in „alteingesessenen“ Marktwirtschaften immer wieder virulent ist, kann man sich ein ähnliches Verhalten im Westen schwer vorstellen. Eine derartige Vorgangsweise

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und ein derartiges Verständnis von Konkurrenz ist schlicht und einfach nicht üblich, es wird nicht erwartet.

Die herrschende „Geschäftskultur“ restringiert gewissermaßen den Spielraum dahingehend, dass derartiges nicht zu befürchten ist.

An dieser Stelle erscheint es sinnvoll, den schon mehrfach gebrauchten Begriff der Institution näher zu beleuchten.

Es gibt verschiedene Definitionen dieses Begriffes, und wir verwenden hier die Definition eines führenden Ökonomen der institutionalistisch-evolutionären Schule:

Eine Institution ist eine soziale Organisation, die durch das Wirken von Tradition, Gewohnheit oder rechtlichen Beschränkungen zu stabilen und sich wiederholenden Verhaltensweisen führt.

(Hodgson, Economics and Institutions, 1988, S. 10. Meine Übersetzung).

Im wirtschaftlichen Leben ist es eben sehr wichtig, Entscheidungen, Handlungen und Verhalten der anderen Wirtschaftsteilnehmer in einem gewissen Maße vorhersehen zu können.

Dass erwartet werden kann (d.h. prognostiziert werden kann), dass Liefer-,

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( p g )Arbeits- und anderen Verträgen eingehalten werden, ist genauso wesentlich für den flüssigen Ablauf von wirtschaftlichen Aktivitäten wie die Erwartung des Einhaltens von ortsüblichen, von kulturell üblichen oder global selbstverständlichen Geschäftsusancen.

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Ein typisches Beispiel einer - in Österreich noch immer sehr wichtigen - Institution ist die Österreichische Sozialpartnerschaft.

Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber erwarten bestimmte Verhaltensweisen vom jeweiligen Interessen-Gegner, und zwar, dass insbesondere die j g g , ,Auseinandersetzung um die Lohnfestsetzung zunächst nicht mit Kampfmitteln (Streik oder Aussperrung), sondern am Verhandlungstisch versucht wird zu lösen.

Darüberhinaus gibt es für diese Verhandlungen einen klaren Fahrplan, der jedes Jahr mehr oder weniger genau eingehalten wird.

Was sind die Vor- und Nachteile davon?

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2.2. Marktwirtschaftliche Basisinstitutionen

Die für die hier relevanten entwickelten Marktwirtschaften typischen Charakteristika werden in Anlehnung an VOGT (1973), MÜLLER et al. (1978) und MATZNER (1982) hier marktwirtschaftliche Basisinstitutionen genannt.

Sie können wie folgt zusammengefasst werden (E MATZNER 1982 S 74 f ):Sie können wie folgt zusammengefasst werden (E. MATZNER 1982, S. 74 f.):

1. Die Institution des privaten Eigentums an (realen und finanziellen) Produktionsmitteln (Real- und Finanzkapital) und das durch dieses Eigentum begründete Recht auf freie privat-dezentrale Verfügbarkeit über die Produktionsmittel. Dies schließt auch das Recht der Verfügbarkeit über den unter Einsatz der Produktionsmittel erzielten Gewinn bzw. die Pflicht der Haftung bei Verlust ein.

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2. Die Institution des freien Arbeitsvertrages, der konstituierendes Element eines Arbeitsmarktes ist, auf dem Arbeitskraft als "Ware" gehandelt wird.

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3. Die Institution von Märkten als Ort der Koordination der nach privat-dezentralen Kalkülen zustande gekommenen Angebots- und Nachfrageentscheidungen.

Für die hier untersuchten entwickelten Marktwirtschaften ist dabei wesentlich, dass die Markttransaktionen nicht durch Gütertausch, sondern üb tä K t kt t d k d l Güt G ld

4. Die Institution des Staates (als Gesamtheit aller Gebietskörperschaften, oder noch weiter gefasst, als Gesamtheit aller öffentlich-rechtlichen Institutionen), der unter anderem die Sicherung der anderen Basisinstitutionen (z B Eigentum an Produktionsmittel) aufgrund seines

über monetäre Kontrakte zustande kommen, dass also Güter gegen Geld getauscht werden. Die Existenz des Transaktionsmediums Geld wird also vorausgesetzt, dessen Eigenschaft als Wertaufbewahrungsmittel in einer unsicheren Welt von Relevanz ist.

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Basisinstitutionen (z.B. Eigentum an Produktionsmittel) aufgrund seines Monopols über physische Gewalt zu übernehmen hat sowie andere Regelungs-, Steuerungs- und Produktionsfunktionen, die der Markt nicht oder nicht in befriedigender Weise zu erfüllen in der Lage ist.

Die Basisinstitution des Eigentums an Kapital steht im vorangegangenen Katalog nicht zufällig an erster Stelle.

Das Streben nach Gewinn aus dem Einsatz von realem und finanziellem Kapital ist das dominierende Bewegungsmotiv marktwirtschaftlich organisierter Gesellschaftssysteme.

Allerdings bedingen sich die Basisinstitutionen gegenseitig; es bedarf z.B. der Institution des Staates, Arbeitsverträge und andere Kontrakte oder das Eigentum an Produktionsmitteln etc. zu sichern, wie es ebenso der Erträge des Marktes bedarf, des Staat materiell und ideell reproduzieren zu können.

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2.3. Business Systems

Definition

Business Systems kann als (jeweils für eine Volkswirtschaft charakteristisches) Muster wirtschaftlicher Organisationsform verstanden werden, welches von Land zu Land bezüglich Ausmaß und Art der Koordination wirtschaftlicher Aktivitäten variiert. Dieses Muster besteht insbesondere aus den Strukturen und Organisationsformen der Beziehungen zwischen Eigentümern, Managern, Experten und anderen Arbeitnehmern.

(R. Whitley, Divergent Capitalism. The Social Structuring and Change of Business Systems. Oxford University Press, 2000, S. 33; Übersetzung W.B.)

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Tabelle 3.1: Schlüsselelemente von business systems

Der Staat

Dominanz des Staates; seine Bereitschaft, Risiken privater Eigentümer mitzutragen

Staatlicher Widerstand gegen Kollektivvertretungen

Ausmaß der Marktregulierung („Regulierungsdichte“)

Finanzsystem

Kreditsystem oder Kapitalmarktsystem

Ausbildungs- und (Lohn-) Verhandlungssysteme

Umfang öffentlicher Ausbildungssysteme, Staat-Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Zusammenarbeit

Stärke unabhängiger Gewerkschaften

Macht der auf Berufsgruppen aufgebauten Arbeitnehmervertretungen

Versus Sektor/Branchen-Gewerkschaften und Unternehmensgewerkschaften

Ausmaß der Zentralisierung der Lohnverhandlungen

Vertrauen und Autoritätsverhältnisse

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Vertrauen und Autoritätsverhältnisse

Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit formaler Geschäftsregelungen

Vorherrschen paternalistischer Autoritätsverhältnisse Versus formaler Autoritätsverhältnisse

Bedeutung gemeinschaftlicher Normen und Werte in Autoritätsverhältnissen

Versus vertragliche Autoritätsverhältnisse

Quelle: Whitley, S. 48, Übersetzung W.B.

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3. Eigentum und Verfügungsrechte

Definition

"Eigentum kann als ein exklusives Recht, ein ökonomisches Gut zu kontrollieren, definiert werden: es ist der Name für ein Konzept, das auf Rechte und Verpflichtungen, Privilegien und Restriktionen verweist, welche die Beziehungen zwischen Menschen bezüglich wertvoller Dinge regeln"

(Yiannopoulos, A.N.: Art. Property, Law of Encyclopaedia Britannica, Bd. 15, S. 46).

Diese Definition von "Eigentum" durch einen Juristen enthält einige auch für den Ökonomen interessante Hinweise.

S i ll b k d Ei l i B i h

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So ist vor allem bemerkenswert, dass Eigentum als eine Beziehung zwischen Menschen bezüglich knapper Güter angesehen wird und nicht als eine Beziehung zwischen Menschen und Gütern.

Für Robinson Crusoe gibt daher das Konzept des Eigentums keinen Sinn, solange er allein auf seiner Insel lebt.

Erst mit dem Auftreten von Freitag entsteht die Notwendigkeit, die gegenseitigen Beziehungen (Rechte und Pflichten) bezüglich der Kontrolle (man kann auch sagen: Verfügung) über die knappen Güter zu regeln.

Dabei ist das Verfügungsrecht des Einen die Verfügungsbeschränkung des Anderen.

Welche Formen des Eigentums kann man unterscheiden?

Je nach dem, wie die Verfügungsrechte definiert und zugeordnet sind, wollen wir folgende Eigentumsformen unterscheiden:

privates Eigentum

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– privates Eigentum

– kollektives Eigentum

– öffentliches Eigentum

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Eine private Person hat Verfügungsrechte an bestimmten Gütern.

Privateigentum hat es in jeder Gesellschaft zu jeder Zeit gegeben, wenn auch Umfang und Reichweite der privaten Verfügungsrechte in den verschiedenen K lt ii t

Privates Eigentum

Kulturen variierten.

Die traditionelle Mikroökonomik geht von einer "Idealgesellschaft" aus, in der alle knappen Güter mit privaten Verfügungsrechten belegt sind und von den Individuen gemäß ihren Präferenzen genutzt werden.

Doch auch in Gesellschaften mit überwiegend privaten Verfügungsrechten an knappen Gütern sind diese Rechte häufig abgeschwächt; bestimmte Güter lassen sich auch nicht mit privaten Verfügungsrechten belegen, die Kosten der Durchsetzung und Kontrolle der Verfügungsrechte sind zu hoch. Wir k ä h d f ü k

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kommen später noch darauf zurück.

Ein Kollektiv hat Verfügungsrechte an bestimmten Gütern.

Kollektiveigentum kann innerhalb eines Stammes, einer Familie, einer Wohngemeinschaft oder einer sonstigen Gruppe (z. B. Genossenschaft) bestehen

Kollektives Eigentum

bestehen.

Bei nicht abgeschwächtem Kollektiveigentum sind Individuen außerhalb des Kollektivs von der Nutzung der "Kollektivgüter" ausgeschlossen.

Der Staat oder die Gesellschaft hat Verfügungsrechte an bestimmten Gütern.

Der Begriff öffentliches Eigentum sagt noch nichts darüber aus, wer

öffentliches Eigentum (bzw. Staats- oder Gesellschaftseigentum)

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tatsächlich über die knappen Güter verfügt.

Wir sollten immer unser Augenmerk auf folgende Fragen richten:

– Wie sind die Verfügungsrechte zugeordnet?

– Wer wird von der Verfügung ausgeschlossen?

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Nicht "Eigentum" im undifferenzierten Sinne ist für den Ökonomen interessant, sondern vielmehr die konkrete Ausgestaltung der Verfügungsrechte bezüglich knapper Güter und Ressourcen

Wir wollen folgendes festhalten:

Verfügungsrechte bezüglich knapper Güter und Ressourcen. Denn bei jeder Transaktion von Gütern werden auch Verfügungsrechte transferiert!

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Das zunehmende Verkehrschaos und die zunehmende Unwirtlichkeit der Zentren in Städten und Gemeinden haben diese dazu bewogen, öffentliche Parkplätze zu bewirtschaften. Was heißt bewirtschaften in diesem Zusammenhang?

Bewirtschaften heißt in diesem Zusammenhang, dass das Recht zur Nutzung einer im öffentlichen Eigentum stehenden Ressource nämlich jenes Bodens der

Beispiel

einer im öffentlichen Eigentum stehenden Ressource - nämlich jenes Bodens, der Teil des öffentlichen Straßennetzes ist, auf dem geparkt werden kann - verändert wird. Vorher konnte jeder unentgeltlich parken, nach der Rechtsänderung nur gegen Bezahlung (Parkschein, „Pickerl“). Damit vollzieht sich ein marktwirtschaftlich völlig normaler Prozess: ein Gut, das knapp wird, bekommt einen Preis. Wir sprechen dabei von einer Änderung der Verfügungsrechte.

Was kann man über das Ergebnis dieser Änderung der Verfügungsrechte in den Wiener Bezirken 6 bis 9 sagen (Stand 1997)? Die Parkraumbewirtschaftung hat Platz auf den Straßen geschaffen: von einer Überauslastung in Höhe von 109%

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sank die Auslastung des vorhandenen Parkraumes auf 71%. Darüberhinaus hat sich das Verkehrsverhalten verändert: 25% der autofahrenden Pendler und Besucher sind auf öffentliche Verkehrsmittel umgestiegen. (Quelle: Verkehrsclub Österreich, Verkehr aktuell 7/1997).

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Definition

Verfügungsrechte sind rechtlich oder institutionell sanktionierte Handlungsmöglichkeiten und Verhaltensbeziehungen zwischen Wirtschaftssubjekten. (LEIPOLD 1978, S. 518)

Man kann den Begriff der (Eigentumsrechte oder) Verfügungsrechte auch dadurch veranschaulichen, dass man sich die verschiedenen Arten von Verfügungsrechten ansieht. Wir wollen folgende Arten von Verfügungsrechten unterscheiden:

– Das Recht, ein Gut zu gebrauchen.

– Das Recht, Erträge aus diesem Gut zu ziehen.

– Das Recht, Form und Substanz des Gutes zu verändern.

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– Das Recht, das Gut an ein anderes Wirtschaftssubjekt zu übertragen (z.B. zu einem wechselseitig vereinbarten Preis oder per Schenkung).

Verdeutlichen wir uns die verschiedenen Verfügungsrechte an einem einfachen Beispiel:

Sie erwerben einen PKW und haben damit zugleich das Recht erworben, mit ihm zu fahren (d.h. ihn zu gebrauchen). Dieses Recht gilt jedoch nicht uneingeschränkt. So benötigen Sie etwa einen Führerschein, Sie müssen sich an die Verkehrsregeln halten Sie müssen ggf ein Sonntagsfahrverbot beachten etcdie Verkehrsregeln halten, Sie müssen ggf. ein Sonntagsfahrverbot beachten etc.

Darüber hinaus haben Sie auch das Recht, Erträge aus Ihrem PKW zu ziehen, indem Sie etwa ein Taxiunternehmen gründen. Voraussetzung hierfür ist eine entsprechende Zulassung sowie eine Lizenz als Taxifahrer (falls Sie Ihr Taxi selbst fahren wollen).

Sie könnten auch durch Anbringung von Sportfelgen und eines Spoilers oder durch Einbau eines stärkeren Motors und einer Abarthanlage Form und Substanz Ihres PKW verändern. In der Bundesrepublik müssen Sie dabei jedoch die vergleichsweise strengen Vorschriften des TÜV beachten während Sie sich etwa

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vergleichsweise strengen Vorschriften des TÜV beachten, während Sie sich etwa in den USA ohne größere Schwierigkeiten aus einem Volkswagen, einem Cadillac und einer Planierraupe ein Phantasiemobil schaffen können.

Schließlich können Sie einen Teil dieser Rechte oder alle Rechte (= Verkauf oder Schenkung) an eine andere Person übertragen.

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Für den Raumplaner wichtiges Beispiel:

Flächenwidmung und Bebauungsplan. Einschränkung der Verfügungsrechte des Eigentümers einer Liegenschaft.

Flächenwidmungsplan: 3 Kategorien:

– Verkehrsflächen

– Grünland

– Bauland (Wohnnutzung, gewerbliche Nutzung)

Bebauungsplan (bezieht sich auf Bauland)

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– maximale Gebäudehöhe

– Dichte (Geschoßflächenzahl)

– Anteil der Verbauung am Grundstück.

Ihre besondere Bedeutung erlangen die Verfügungsrechte (z.B. im Umweltbereich) auch dort, wo sie nicht auf Güter (goods), sondern auf "Un-Güter" (bads), z.B. auf Risiken oder Gefahren, gerichtet sind.

Beispiel: Beschränkung von CO2-Ausstoß von LKW. In diesem Bereich ist es aber oft schwierig festzustellen, wer überhaupt für eine bestimmte Gefahr oder eine Beeinträchtigung verantwortlich ist, wer der Verursacher ist und damit auch für eine allfällige Kostentragung zuständig isteine allfällige Kostentragung zuständig ist.

Die traditionelle Mikroökonomik geht nun implizit davon aus, dass bezüglich jedes Gutes alle Verfügungsrechte vollständig einem bestimmten Wirtschaftssubjekt zugeordnet sind.

Wir werden jedoch feststellen, dass in der Realität Verfügungsrechte mehr oder weniger stark abgeschwächt sind (d.h., dass die Durchsetzung einzelner oder aller Verfügungsrechte mit positiven Alternativkosten verbunden ist) und dass sich

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Verfügungsrechte mit positiven Alternativkosten verbunden ist) und dass sich daraus bedeutsame Konsequenzen für das ökonomische Verhalten von Individuen ergeben.

Wir werden feststellen, dass der persönliche Wert, den ein Individuum einem knappen Gut beimisst, von dem Bündel an Verfügungsrechten bezüglich dieses Gutes abhängt.

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Teil 3:

Mikroökonomische Akteure 1:Private HaushaltePrivate Haushalte

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3. Mikroökonomische Akteure 1: Private Haushalte1)

3.1. Die Standard-Mikroökonomie des Konsumverhaltens

3.2. Verhalten der Konsumenten: näher an die Realität

3.3. Schlussfolgerungen

3.4. Weiterentwicklungen: Neue Haushalteinkommen und institutionelle Ansätze

3.5. Elastizität

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1) Dieses Kapitel beruht teilweise auf Hill/Myatt 2010 sowie Bofinger 2007, Pindyck/Rubinfeld 2005, Schumann 1980

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Welche Fragen soll eine ökonomische Theorie des privaten Haushaltes beantworten?

– Wie groß ist Arbeitsangebot bzw. Arbeitsleistung am Markt (und damit das Arbeitseinkommen) ?

W l h N hf h Güt (K V b h h lt ) i t– Welche Nachfrage nach Gütern (Konsum; Verbraucherverhalten) zeigt der Haushalt?

– Wie hoch ist das Angebot von Kapital (und damit das Kapital-Einkommen) ?

– Was ist die Arbeitsleistung im Nicht-Markt-Bereich (Haushaltsarbeit, Eigenleistungen in der Wohnung, beim Hausbau, etc.) ?

– Wie sieht der Konsum von Nicht-Markt-Leistungen (öffentlichen Gütern) aus?

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Wir beschränken uns hierauf das Konsum- bzw. Verbraucherverhalten.

Im Folgenden verwenden wir zunächst die neoklassische Theorie des Konsums, um das Verbraucherverhalten zu erklären.

Das neoklassische Modell beruht jedoch auf sehr spezifischen Annahmen über den Haushalt. Daher werden wir in einem zweiten Schritt die wichtigstenden Haushalt. Daher werden wir in einem zweiten Schritt die wichtigsten Kritikpunkte am Lehrbuchmodell behandeln (Hill, Myatt 2010) und anschließend Ergänzungen und Erweiterungen durch neuere Entwicklungen in der Ökonomie darstellen.

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3.1. Die Standard-Mikroökonomie des Konsumverhaltens

Ausgangspunkt ist die Annahme, dass Menschen Güter nachfragen, um durch den Konsum (Gebrauch) dieser Güter eine größtmögliche Befriedigung ihrerden Konsum (Gebrauch) dieser Güter eine größtmögliche Befriedigung ihrer Bedürfnisse zu erfahren, oder – wie die Neoklassik sagt – ihren „Nutzen“ zu maximieren, also einen größtmöglichen Nutzen zu haben.

Betrachten wir den Konsum eines einzelnen Gutes innerhalb einer vorgegebenen Zeitspanne:

Je mehr von diesem Gut konsumiert wird, umso größer ist die Befriedigung, der Nutzen durch dieses Gut Allerdings nur der Gesamtnutzen Denn die

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Nutzen durch dieses Gut. Allerdings nur der Gesamtnutzen. Denn die Befriedigung (Nutzen) durch eine zusätzliche Einheit, der Grenznutzen oder marginale Nutzen, nimmt mit jeder konsumierten Einheit ab.

Nehmen wir an, es geht um den Pizza-Konsum innerhalb einer Woche, eine Pizza soll z.B. € 6.- kosten.

Weiters nehmen wir an wir könnten einen Studierenden XY fragen wieviel erWeiters nehmen wir an, wir könnten einen Studierenden XY fragen, wieviel er maximal bereit wäre, für verschiedene Konsummengen von Pizzas (in einer Woche) zu bezahlen, und er hätte die in der ersten Spalte der folgenden Tabelle dargestellten Preise genannt, die seinem Gesamtnutzen (der Befriedigung), ausgedrückt in Euro, entsprechen würden.

Tabelle: Xys Befriedigung durch Pizza-Konsum

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Nutzen von Pizzakonsum für Person XY

(alle Nutzenangaben in Euro)

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Nach diesen Angaben des Studierenden würde ihm der Konsum der ersten Pizza einen Nutzen von 20€ stiften, oder anders ausgedrückt, bei einem Preis von 20€ (für eine Pizza) würde er gerade eine Pizza im gegebenen Zeitraum kaufen.

Eine weitere Pizza würde nur mehr einen zusätzlichen Nutzen von 15€ stiften, bei einem Pizza-Preis von 15€ würde er also im gegebenen Zeitraum gerade zwei Stück kaufen, usw.

Wir sehen also:

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Die Grenznutzenkurve (marginaler Nutzen) ist die Nachfragekurve des Konsumenten.

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€ /Pizza

Nachfrage nach Pizza (Person XY)

20

15

11

6

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Pizzas pro Woche1 2 3 4

Konsumentenrente: blaue Flächen

Die Abbildung zeigt, dass bei einem Pizza-preis von 6€ der Konsument XY einen „Vorteil“ daraus zieht, dass er – je nach Kaufmenge – ja bereit wäre, mehr als diesen Preis zu bezahlen.

Diesen Vorteil nennt man die Konsumentenrente (blaue Flächen).Diesen Vorteil nennt man die Konsumentenrente (blaue Flächen).

Die Nachfrage eines Konsumenten nach einem bestimmten Gut hängt natürlich auch von anderen Dingen ab, z.B. vom Einkommen (oder den Preisen anderer Güter). Steigt das Einkommen etwa, so steigt damit normalerweise auch die Nachfrage nach einem bestimmten Gut (siehe Abbildung).

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€ /Pizza

Nachfrageveränderung bei Einkommensteigerung

20

15

11

6

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Pizzas pro Woche1 2 3 4

Die Nachfrage aller Konsumenten (z.B. in einer geografisch definierten Region, in einer Stadt, etc.) nach Pizza (in einem gegebenen Zeitraum) nennt man dann die Marktnachfrage (nach Pizza).

Die Marktnachfrage ist die Summe der individuellen NachfragekurvenDie Marktnachfrage ist die Summe der individuellen Nachfragekurven (horizontale Summierung) und gibt für jeden Preis (der Pizza) die Gesamtnachfrage am Markt an, das ist die Summe der individuellen Nachfragemengen, die die einzelnen Konsumenten zu dem jeweiligen Preis nachfragen.

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€ /Pizza

Marktnachfrage nach Pizza

6 €

Konsumentenrente

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Pizzas pro Woche30.000

Das Beispiel zeigt dreierlei:

1. Die Grenznutzenkurve ist gleich der Nachfragekurve des einzelnen Konsumenten.

2 Di Flä h t d N hf k ä ti t d G t t fü2. Die Fläche unter der Nachfragekurve repräsentiert den Gesamtnutzen für den Konsumenten, der durch den Konsum des Gutes entsteht.

3. Das Dreieck zwischen der Nachfragekurve und der Preisgeraden zeigt den Nettonutzen oder die Konsumentenrente des Konsumenten.

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3.2. Verhalten der Konsumenten: näher an die Realität

Die neoklassische Theorie, so wie sie anhand des Modells des Verbraucherverhaltens dargestellt wurde hat eine Reihe von Defiziten wennVerbraucherverhaltens dargestellt wurde, hat eine Reihe von Defiziten, wenn man das wirtschaftliche Verhalten von privaten Haushalten realitätsnäher darstellen und analysieren will.

Wir befassen uns im Folgenden mit drei Aspekten:

1. Annahme gegebener Präferenzen

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g g

2. Annahme vollständiger Information

3. Fehlender sozialer Kontext

Präferenzen

Die neoklassische Mikroökonomie muß gegebene, unveränderliche und von anderen Menschen und Aktivitäten unabhängige Präferenzen annehmen.

Das ist für viele Konsumgüter einfach nicht zutreffend: warum sollte das Nachfrageverhalten einer Person nicht beeinflusst werden von dem seiner Freunde und Bekannten, oder von den Werbeeinschaltungen der Unternehmen?

Werbung ist der naheliegendste Aspekt, den man bei der Formierung der Präferenzen zu bedenken hat

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Präferenzen zu bedenken hat.

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Werbung und das Problem sich verändernder Präferenzen

Betrachten wir folgendes Beispiel:

Angenommen Handys wären zunächst nur Geräte zum Telefonieren. Nun käme eine neue Generation von Handys auf den Markt, mit denen man auch fernsehen kann.

Die Person XY hat kein Interesse daran, mit dem Handy fernzusehen, aber die neue Handygeneration ist ein absoluter Hit und alle Freunde und Bekannte von XY kaufen nach und nach so ein Handy. Nachdem XY schon belächelt wird mit seinem „alten“ Handy, kauft er schließlich auch ein neues, fernsehtaugliches.

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seinem „alten Handy, kauft er schließlich auch ein neues, fernsehtaugliches.

Wie ist dieses Nachfrageverhalten nun zu beurteilen?

Das fundamentale Problem ist hier, dass nicht klar ist, ob die Präferenzen vor oder nach der Präferenzänderung zur Einschätzung der Situation des Konsumenten (bzgl. des Nutzens, der Befriedigung) herangezogen werden sollen.

Denn aus der Sicht der ursprünglichen Präferenzen hat XY Geld für etwas ausgegeben, das er gar nicht haben will, er ist also schlechter dran als vor dem Kauf.

Aus der Sicht der neuen Präferenzen müssen wir folgern, dass XY irgendeinen Vorteil bekommen hat für das Geld, das er ausgegeben hat.

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Welche Präferenzen sind also die „vorherrschenden“ oder „wichtigeren“?

Die Problematik der Annahme gegebener Präferenzen wird noch komplexer, wenn sich die Präferenzen aufgrund von Erfahrungen oder eines sich ändernder sozialen Umfeldes laufend verändern.

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Unvollständige und asymmetrische Information

Der „Lehrbuch-Konsument“ verfügt über vollständige Information, d.h. er kennt nicht nur die Preise aller für ihn relevanten Güter, sondern auch deren Qualität und sonstige Eigenschaften.

Leider stehen wir im wirklichen Leben häufig vor Situationen, in denen wir nicht die volle Information über Güter haben. Der Normalfall ist daher nicht der der vollständigen Information.

Ein wichtiger (weil häufig auftretender) Spezialfall ist der der sogenannten „asymmetrischen Information“.

Beispiele:

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Beispiele:

• Gebauchtwagenmarkt

• Arbeitgeber – Arbeitnehmer

• Gläubiger – Schuldner

• Wohnungskauf/miete

Stiglitz (Nobelpreis 2001)

hat sich in seinen Forschungsarbeiten ausführlich mit Situationen der Asymmetrischen Information befasst und gezeigt, dass eine derartige Informationssituation ein Marktgleichgewicht auch bei vollkommen flexiblen Preisen verhindern kann (Marktversagen).

Stiglitz vertritt daher die Auffassung, dass eine Weiterentwicklung der ökonomischen Theorie von der neoklassichen Ökonomie zur Informationsökonomie notwendig sei (Paradigmenewchsel) (AER 2002, Nobel lecture).

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Weiteres Beispiel zur Informationsproblematik:

genuine Unsicherheit über die Konsumoptionen

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Der soziale Kontext, Kultur, Tradition(en)

Nicht nur die Werbung beeinflusst unsere Präferenzen. Wir sind soziale Wesen und unsere Wünsche werden selbstverständlich auch geformt von dem, was andere kaufen oder haben. Wir erleben daher auch eine gewisse Befriedigung dadurch, dass wir ähnliche Dinge konsumieren wir andere, wie unsere Freunde und Bekannten.

Das widerspricht diametral der neoklassischen Annahme, dass der Nutzen des Konsums eines Gutes vollkommen unabhängig ist davon, was andere konsumieren.

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Tatsächlich bestehen aber Interdependenzen der Konsumentscheidungen der verschiedenen Haushalte.

Man kann folgende Nachfrageinterdependenzen unterscheiden *) :

1) Der Mitläufer-Effekt (band wagon effect; Mode-Effekt)

2) Der Snob-Effekt

3) Der Veblen-Effekt (Prestige Effekt)

Der Mitläufer-Effekt (band wagon effect; Mode-Effekt):Der Mitläufer-Effekt (band wagon effect; Mode-Effekt):

der Haushalt schätzt ein Gut höher ein und fragt mehr davon nach, wenn auch andere Haushalte das Gut konsumieren. Seine Indifferenzkurven verschieben sich also mit der Folge einer Bevorzugung des betrachteten Gutes, wenn die Gesamtnachfrage-menge oder die Nachfragemenge einzelner anderer Haushalte oder die Zahl der Konsumenten zunimmt. In diesem Effekt kommt der Wunsch zum Ausdruck, mit dem Kauf des Gutes es jener Gruppe von Leuten gleichzutun, zu der man

ählt d ill D it l i h h tli h A kt

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gezählt werden will. Damit lassen sich auch wesentliche Aspekte des Modeverhaltens erklären.

*) H. LEIBENSTEIN, Band-wagon, snob and Veblen effects in the theory of consumer's demand. Qarterly Jornal of Economics, 64, 1950, S. 183 - 207. Wiederabgedruckt in : E. und M. Streissler (Hrsg.), Konsum und Nachfrage. Köln - Berlin 1966; S. 231-255)

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Der Snob-Effekt:

Ein Haushalt schätzt ein Gut weniger hoch ein und senkt seine Nachfrage, wenn andere Haushalte das Gut konsumieren bzw. verstärkt konsumieren. In diesem Effekt drückt sich das Streben nach Exklusivität, nach Abhebung von der Masse aus.

Der Veblen-Effekt (Prestige Effekt):

Ein Haushalt misst einem Gut umso höheren Nutzen bei, je höher der Preis des Gutes, den Nicht-Käufer vermuten.

Dieser Effekt wurde von VEBLEN herausgearbeitet, der postulierte, dass in einer Gesellschaft, in der der soziale Rang nach dem Reichtum bemessen wird, der Reiche im demonstrativen Müßiggang leben muss und auffälligen Konsum

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gg g g(conspicuous consumption) betreiben muss.

Die Anwendung des neoklassischen Lehrbuchmodells zur Erklärung des Konsumverhaltens erfordert die Gültigkeit der Annahmen

3.3. Schlussfolgerungen

• Gegebener, unveränderlicher Präferenzen, die individuell und unabhängig von den Präferenzen anderer Personen sind

• Vollständiger Information

• Unabhängigkeit vom sozialen Kontext.

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Eines der zentralen Probleme, das entstehen kann, wenn man z.B. die Annahme der Unabhängigkeit der Präferenzen aufhebt, ist, dass es dann kein Marktgleichgewicht (zwischen Angebot und Nachfrage) gibt (Marktversagen).

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Ein allgemeineres (realistisches) Modell des privaten Haushaltes muss also berücksichtigen:

D d I di id i i i l d hi t i h (k lt ll ) U b• Dass das Individuum in eine soziale und historische (kulturelle) Umgebung eingebettet ist

• "Rationalität" durch Unsicherheit und Informationsmangel reduziert sein kann

• Rationalität auch Gewohnheits- oder Routinehandlungen miteinschließt

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3.4. Weiterentwicklungen: Neue Haushaltsökonomie und institutionelle Ansätze

Die Kritik am traditionellen Modell der Theorie des Haushaltes hat zu verschiedenen Theorieentwicklungen geführt, von denen hier zunächst die Neue Haushaltsökonomie behandelt werden soll.

Der wesentliche Fortschritt gegenüber der traditionellen neoklassischen Theorie des Haushalts ist, dass Nicht-Markt-Aktivitäten sowie der private, häusliche Bereich in die ökonomische Analyse miteinbezogen werden (G. Becker).

Die Haushalts- und Familienaktivitäten werden drei sich partiell überlappenden B i h d t (Abbild 3 12)

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Bereichen zugeordnet (Abbildung 3.12).

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Abbildung 3.20:

Reproduktive ArbeitKinder Auf/ErziehenSozialisation etc.

Produktive ArbeitHausarbeit, Einkaufen, Pflege

Freizeit/Unterhaltung

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Die drei genannten Bereiche können zwar analytisch, nicht aber in der sozialen Realität separiert werden. Ein Konzert- oder Theaterbesuch mit Sohn oder Tochter kann zugleich Unterhaltung und auch Sozialisation und Wissensvermittlung sein, also reproduktive Arbeit.

Das Modell von Becker erhebt nun den Anspruch, menschliche Aktivitäten oder etwa auch die Arbeitsteilung im Haushalt zu erklären. Nehmen wir als Beispiel die Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau. Die Argumentation in Beckers Modell verläuft folgendermaßen:

In einem „effizienten“ Haushalt wird versucht, das gemeinsame Haushaltseinkommen zu maximieren, und zwar dadurch, dass jeder entsprechend seinen relativen Vorzügen und speziellen Fähigkeiten und Kenntnissen diese bei der Einkommenserzielung einsetzt.

Ein rationaler Einsatz des Humankapitals führt daher (im Durchschnitt) dazu, dass sich Frauen auf die (unbezahlte) Hausarbeit spezialisieren (oder einen höheren

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Anteil an der Hausarbeit übernehmen) und die Männer auf die bezahlte markt-entlohnte Arbeit. Und zwar deshalb, weil Männer im Durchschnitt bessere Einkommenschancen haben als Frauen. Nach Becker ist diese Arbeitsteilung das Ergebnis einer rationalen Einkommensmaximierungs-Strategie.

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Wie ist nun dieses Modell, wie ist die Neue Haushaltsökonomie zu beurteilen?

Zunächst ist einmal positiv festzustellen, dass die Black Box des privaten Haushaltes geöffnet wird und versucht wird, die Entscheidungsstrukturen innerhalb des Haushaltes zu thematisieren und auch die vielen nicht-markt-vermittelten Tätigkeiten, die jedoch auch von wirtschaftlicher Relevanz sind, zu analysieren. Darin kann ein Fortschritt gesehen werden.

Andererseits muss festgehalten werden, dass die für die konventionelle g ,neoklassische Theorie des Haushaltes gültige Kritik auch hier relevant bleibt:

– es muss weiterhin angenommen werden, dass die Familienmitglieder stabile Präferenzen besitzen, die sich nicht gegenseitig beeinflussen (separate Individuen).

– Weiters muss angenommen werden, dass die Familienmitglieder auch insoferne separate Individuen sind, als es keine Synergien der Zusammenarbeit gibt, oder umgekehrt, keine gegenseitigen Behinderungen bei Lern- oder anderen wirtschaftlich relevanten Tätigkeiten.

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– Schließlich bleibt auch der grundsätzliche Kritikpunkt bestehen, dass Unsicherheit und mangelhaftes Wissen gar nicht oder unzureichend berücksichtigt wird, und

– weiters, dass im Haushaltsverband (wie auch in anderen Zusammenhängen) nicht nur monetäre Remunerationen eine Rolle spielen.

Zu diesen beiden letzteren Kritikpunkten folgende Beispiele:

1. Betrachten wir zunächst das oben angesprochene Problem der Arbeitsteilung der Geschlechter.

Wichtig ist hier zu sehen, dass solche Entscheidungen

(a) nicht nur nach Überlegungen eines gemeinsamen ( ) g g gEinkommensmaximierungskalküls erfolgen, sondern auch von Machtverteilung, kulturellen Bedingungen etc. geprägt sein können;

(b) dass neben monetären Remunerationen auch andere Arten von „Belohnungen“ eine Rolle spielen.

So wird das Aufziehen der Kinder, das Leben mit Kindern durch vielfache freudvolle Momente belohnt, die viele Männer nicht (in dem Maße) erleben. Andererseits sind damit zahlreiche repetitive und uninteressante Tätigkeiten verbunden.

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Weiters stellt sich die Frage, wie die Gesellschaft eine Person betrachtet, die „nur“ Hausfrau oder Hausmann ist, und ob es dafür z.B. eine imagemäßige Bestrafung gibt, für den oder die im Berufsleben befindliche(n) aber eine soziale Achtung.

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2. Nehmen wird als weiteres Beispiel das Vorhaben einer Familie, ein Haus zu bauen (z.B. in Hinterholz Nr. 8).

– Können zum Zeitpunkt eines solchen Entschlusses alle möglichen und denkbaren Kosten, die im Laufe des Grundstücksankaufes, der Erschließung, des Hausbaus etc. auftreten, wirklich verlässlich abgeschätzt werden?

– Können Änderungen der Finanzierungskosten (z B Zinssatzanhebungen)Können Änderungen der Finanzierungskosten (z.B. Zinssatzanhebungen) vorhergesehen werden?

Man sieht, dass solche Entscheidungen oft – nicht nur im Falle von Hinterholz 8 – ohne ausreichende Informationsgrundlagen getroffen werden, sozusagen „aus dem Bauch heraus“.

Weiters zeigt das Beispiel, dass Entscheidungen einander bedingen und für gewöhnlich irreversibel sind. So stellt sich z.B. erst beim Aushub des Kellers heraus, dass Drainage-Arbeiten notwendig sind und dass die ursprünglich geplante Bauweise wegen hoher Bodenfeuchtigkeit geändert werden muss.

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Oder: das Haus ist endlich fertig, mit zwei Kinderzimmern, da kommt es zu einer familiären Krise und Trennung.

Oder es treten externe unvorhergesehene Ereignisse ein, wie etwa der Bau eine Straße in der Nähe, womit die Wohnqualität vielleicht entscheidend reduziert wird.

Wie kommt es dann aber, dass trotz all dieser Unwägbarkeiten Menschen sich trotzdem in ein solches Abenteuer stürzen?

Im konventionellen Modell ist ein klares und eindeutiges Kalkül möglich, das eine Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen erlaubt und eine „rationale“ Entscheidungsfindung ermöglicht.

Es vernachlässigt aber die Tatsache, dass mit einer wirtschaftlichen Entscheidung oder Aktivität eine direkte Befriedigung oder auch Belastung (dis-satisfaction) einher gehen kann.

Es gibt z.B. Männer, die gerne basteln, und für die das Hausbauen daher per se eine befriedigende und nutzenstiftende Tätigkeit ist.

D.h. wir müssen, wenn wir Haushalts-Aktivitäten und Entscheidungen wirklich erklären wollen, den Netto-Vorteil (Netto-Nutzen) einer Aktivität betrachten

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erklären wollen, den Netto Vorteil (Netto Nutzen) einer Aktivität betrachten (A. Smith). Dieser äußerst sich nicht nur in monetären und monetarisierbaren Werten, sondern auch in psychischen und sozialen „Einkommen“ (Arbeitsfreude, Prestige, Anerkennung).

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Institutionelle Ansätze

Die institutionellen Ansätze gehen weit über das enge neoklassische Modell der Nutzenmaximierung hinaus.1) Zwei Aspekte sollen hier kurz besprochen werden:

1.Zum einen werden die Präferenzen (aber auch alle anderen Ausstattungskategorien) des Haushalts als endogen betrachtet, also beeinflusst und geformt durch das, was wir im Kapitel 2 „Institutionelle Rahmenbedingungen“ genannt haben.

Die Präferenzen und damit die Konsumentscheidungen sind also keine ausschließlich auf das Individuum zurückführbare, nicht weiter erklärbare subjektive Gegebenheiten, sondern von Kultur, Gesellschaft, Recht etc. ko-determinierte Voraussetzungen des Konsumverhaltens.

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1) Die Ausführungen dieses Abschnittes basieren auf S. Himmelweit et al., Microeconomics. The Open University, reprinted 2006. Die instituionelle Schule umfasst ein breites Spektrum unterschiedlicher Konzepte, die hier nicht in ihrer Gesamtheit dargestellt werden können. Einen Überblick gibt z.B. M. Rutherford, Institutions in Economics: The Old and the New Institutionalism. Cambridge Univ Press, Reprint Juli 1996. Im Vordergrund steht hier der auf Th. Veblen zurückgehende („old“) Institutionalismus, der in den USA tradiert wurde, vor allem aber in Europa neu aufgegriffen und weiterentwickelt wurde (insbesondere durch die European Association for Evolutionary Political Economy; EAEPE).

Das hat weitreichende Konsequenzen, z.B. in der Weise, dass es die (oben schon behandelten)

Nachfrageinterdependenzen

geben kann. Wenn das der Fall ist, ist aber die Bedingung der Unabhängigkeit individueller Präferenzen verletzt und damit eine Voraussetzung für die Existenz eines Marktgleichgewichtes (im neoklassischen Modell)Existenz eines Marktgleichgewichtes (im neoklassischen Modell).

Ganz allgemein ergibt sich damit die Möglichkeit, aber auch die Notwendigkeit, Unterschiede im Konsumverhalten aus kulturellen, ethnischen, gesellschaftlichen Bedingungen in gegebenen historischen Phasen zu erklären.

Anders ausgedrückt: die Erklärung von Konsumentscheidungen (oder anderen wirtschaftlich relevanten Entscheidungen des Haushalts) erfordert eine interdisziplinären Kooperation von Ökonomie, Soziologie,

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interdisziplinären Kooperation von Ökonomie, Soziologie, Wirtschaftsgeschichte, etc.

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2. Zum zweiten gehen institutionelle Theorien davon aus, dass das Rationalitätskonzept der Neoklassik nur einen (mehr oder wenig kleinen) Teil der Konsumentscheidungen erfassen kann und dass daher ein umfassenderes Rationalitätskonzept notwendig ist.

Nach Max Weber kann man unterscheiden zwischenNach Max Weber kann man unterscheiden zwischen

formaler Rationalität und substantieller Rationalität.

Formale Rationalität kann weitestgehend in Zahlen und berechenbaren Größen dargestellt werden (wie das neoklassische Modell der Nutzenmaximierung).

Substantielle Rationalität bezeichnet dagegen (in diesem Kontext) die

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Tatsache, dass Konsumentscheidungen letztlich durch gesellschaftliche Werte und Normen beeinflusst werden. Es geht also nicht um eine kalkulierbare maximale Zielerreichung, sondern es kommen ethische, politische, feudale, egalitäre, etc. Wertvorstellungen zu Tragen.

Resümee

Im Gegensatz zur Neoklassik gibt es (bisher) keine geschlossenen analytischen Modelle der institutionellen Schule zur Erklärung wirtschaftlicher Aktivitäten des privaten Haushalts.

Einerseits ist dies darauf zurückzuführen, dass es sich hier um ein stark in Entwicklung begriffenes Forschungsgebiet der Ökonomie (Stichwort: Experimentelle Ökonomie) handelt und daher abgeschlossene Modelle noch nicht zur Verfügung stehen

Andererseits liegt es nahe zu vermuten, dass aufgrund der wesentlich höheren Komplexität institutioneller Theorieansätze es sein kann, dass analytisch geschlossene Modelle nicht existieren und dass man deshalb auf andere Forschungsstrategien (z.B. Simulationsmodell-Techniken) zurückgreifen muß.

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Für die Praxis mikroökonomischer Analysen von Haushaltsentscheidungen bedeutet dies, dass man nach wie vor mit dem Instrumentarium neoklassischer Modelle, erweitert und ergänzt durch institutionell Konzepte, wird arbeiten müssen.

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3.5. Elastizitäten

Das traditionelle mikroökonomische Modell des privaten Haushalts bietet zwar eine geschlossene Theorie des Konsumverhaltens, hat aber einen gravierenden Nachteil:

Es ist nicht möglich, den Nutzen empirisch zu messen bzw. zu quantifizieren. Der N t i t d ät li h i bj kti Ei hät d A ß dNutzen ist grundsätzlich eine subjektive Einschätzung des Ausmaßes der Befriedigung eines Bedürfnisses durch den Konsum eines Gutes. Daher ist es auch nicht möglich, den Konsum zweier Personen zu addieren (oder zu subtrahieren).

In der ökonomischen Theorie hat man auf verschiedene Weise versucht, diesem Problem zu entkommen, z.B. durch die Annahme eines „repräsentativen Konsumenten“, dem dann eine ganz bestimmte Nutzenfunktion unterstellt wurde. Aber alle diese Versuche haben nicht zu wirklich brauchbaren und befriedigenden Modellen geführt.

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In der Praxis der ökonomischen Analyse sind andere Wege gegangen worden. Für die Nachfrageanalyse z.B. kann man das Konzept der Elastizität heranziehen. Beispiel: Bahntarife für Schnellzugverbindungen.

Der Elastizitätsbegriff, den Alfred Marshall (Principle of Economics. London 1898. 8. Aufl. New York 1920; 3. Buch, 4. Kapitel) in die Wirtschaftswissenschaft einführte, ist wichtiges Instrument der theoretischen und praktischen ökonomischen Analyse.

Elastizitäten als Grundinstrument quantitativer Analyse

Den Ökonomen interessieren die Größenverhältnisse von Ursachen und Wirkungen. Wie drückt man in einem ökonomischen Zusammenhang Ausmaß und Richtung der Auswirkung(en) einer Ursachengröße aus?

Die Antwort auf diese Frage kann unter zwei verschiedenen Bedingungen gegeben werden:

1) di A i k l di li h f di itt lb b i fl t G öß

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1) wenn die Auswirkung lediglich auf die unmittelbar beeinflusste Größe interessiert (z.B. Mengenwirkung einer Preisveränderung auf einen Markt);

2) wenn darüberhinaus auch alle anderen Auswirkungen in Summe interessieren, sodass auch die mittelbaren Wirkungen der Ursache erfasst werden.

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Das übliche analytische Instrument zur Behandlung der ersten Frage ist die Elastizität.

Zur Untersuchung der zweiten Frage (die überwiegend makroökonomische Zusammenhänge betrifft) bedient man sich des Konzeptes des Multiplikators.

Definition: Eine Elastizität drückt die relative (prozentuelle) Änderung einerDefinition: Eine Elastizität drückt die relative (prozentuelle) Änderung einer ökonomischen Größe aus, die durch die relative (prozentuelle) Veränderung einer anderen ökonomischen Größe verursacht wird. Mathematisch ausgedrückt bedeutet die Elastizität das Verhältnis der prozentuellen Veränderung der Wirkungsgröße zur prozentuellen Veränderung der Ursachengröße:

......Elastizitätw.....Wirkungsgrößeu......Ursachengröße

u

du

w

dw:=

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Die Variable w steht dabei für die Wirkungsgröße, die Variable u für die Ursachengröße. (Eine andere Schreibweise wäre = d log(w)/d log(u)).

Elastizitäten sind somit dimensionslose, maßstabunabhängige Größen (Vorteil bei Vergleichen etc.).

Arten von Elastizitäten

Die Preiselastizität der Nachfrage ist die relative Veränderung der Nachfragemenge q eines Gutes im Verhältnis zur relativen Preisänderung desselben Gutes (Preis des Gutes: p).

Dabei werden die anderen Preise und das Einkommen als konstant angenommen (Ceteris Paribus-Klausel):

......Elastizitätq..... (Nachfrage-) Mengep......Preis

p

dp

q

dq:=

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Im Regelfall ist diese Preiselastizität (auch direkte Preiselastizität oder Eigenpreiselastizität genannt) negativ:Die Nachfrage nach einem Gut sinkt bei steigendem Preis desselben.

Man spricht von einer elastischen Nachfrage, wenn eine Preisänderung von 1 % g geine Änderung der Nachfragemenge um mehr als 1 % bewirkt:

|| > 1

Im Grenzfall könnte die Nachfrage vollkommen oder unendlich elastisch werden:

|| = unendlich.

Eine Preisänderung von 1 % bewirkt eine unendlich große Mengenveränderung.

Praktisch würde das bedeuten dass ein Gut typischerweise einen einzigen Preis

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Praktisch würde das bedeuten, dass ein Gut typischerweise einen einzigen Preis hat: fällt der Preis, steigt die Nachfrage ins Unermessliche; steigt er, sinkt sie auf Null. Im Modell der reinen Konkurrenz wird die Annahme getroffen, dass sich der einzelne Konkurrenzunternehmer einer solchen Nachfragekurve gegenübersieht.

Von unelastischer Nachfrage wird dann gesprochen, wenn eine Preisänderung von 1 % eine Änderung der Nachfragemenge von weiniger als 1% bewirkt:

|| < 1

Im Grenzfall könnte die Nachfrage vollkommen unelastisch oder starr werden:

|| = 0

Eine Preisveränderung bewirkt dann keine Änderung der Nachfragemenge.

Beispiel: wissenschaftliche Publikationamtliche Publikationen.

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Beispiel:

Die Nachfrage nach Gut 1 (= q1 ) sei abhängig vom Preis des Gutes 1 (p1) und vom Preis des Gutes 2 (p2):

Nachfragefunktion q1 = f(p1, p2) = 10 – p1 + p22

Weiters sei p1 = 20 und p2 =10

Dann ist q1 = 10 – 20 + 100 = 90

Eigenpreiselastizität 1 :

111 .

p

q

q

p

)1.(11

p=>

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11 pq )(1

1 q

Somit ist die Eigenpreiselastizität 1 = -20/90 = - 0,22

Die Kreuzpreiselastizität (auch: indirekte Preiselastizität) bezieht die Veränderung in der nachgefragten Menge q1 eines Gutes 1 auf die Preisänderung eines anderen Gutes 2 (p2):

p2

dp2

q1

dq1:=

Beispiel:

(Angaben wie oben): Nachfragefunktion q1 = f(p1, p2) = 10 – p1 + p22

p1 = 20 und p2 =10, daher q1 = 10 – 20 + 100 = 90

Kreuzpreiselastizität 2 :

122 .

p

q

q

p

22

22

2 22.q

pp

q

p=>

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21 pq 11 qq

Somit ist die Kreuzpreiselastizität 2 = 2.100/90 = 2,22

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Im Bezug auf die Kreuzpreiselastizitäten können drei Gruppen von Güter unterschieden werden:

1) komplementäre Güter:das betrachte Gut ist in seinem Verbrauch an den eines anderen gekoppelt (Auto - Benzin); die Kreuzpreiselastizität für ein g pp ( ) pkomplementäres Gut ist negativ (wenn der Benzinpreis steigt, wird der Autogebrauch eingeschränkt).

2) substitutive Güter:das betrachtete Gut kann als Ersatz für ein anderes konsumiert werden (Butter - Margarine); die Kreuzpreiselastizität ist in diesem Falle positiv, denn die Preis- und Mengenänderungen bewegen sich hier in dieselbe Richtung (wenn der Butterpreis steigt, steigt die Nachfrage nach Margarine).

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3) unverbundene Güter:sind solche, deren Verbrauch voneinander unabhängig ist (Käse – Tabak). Die Kreuzpreiselastizitäten sind für solche Güter null.

Die Einkommenselastizität der Nachfrage gibt die relative Veränderung der Nachfragemenge bei relativer Veränderung des Einkommens y des Haushaltes an:

......Elastizitätqi.....(Nachfrage-) Menge nach Gut iy......Einkommen

y

dy

qi

dqi:=

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Auch in Bezug auf die Einkommenselastizitäten kann man drei Gruppen von Güter unterscheiden.

1) Im allgemeinen ist die Einkommenselastizität positiv, d.h. dass bei einem Ansteigen des Einkommens von einem Gut mehr nachgefragt wird (und umgekehrt). "Normale" oder "superiore" Güter.g ) p

2) In Ausnahmefällen ist die Einkommenselastizität der Nachfrage negativ, d.h. dass gewisse Güter mit steigendem Einkommen weniger nachgefragtwerden. Diese Güter werden inferiore Güter genannt. Das trifft z.B. auf einzelne Grundnahrungsmittel oder auch auf schlecht ausgestattete Wohnungen zu.

3) Eine dritte, sehr kleine Gruppe von Güter sind die einkommens-unabhängigen Güter (Einkommenselastizität null). Sie "müssen" gewissermaßen in einem bestimmten Umfang konsumiert werden (Salz,

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g g ( ,Zündhölzer).

Ebenso wie bei den Preiselastizitäten sprechen wir hier von einkommenselastischer Nachfrage, wenn eine Einkommenssteigerung von 1 % eine Veränderung der Nachfragemenge von mehr als 1 % bewirkt und von einer einkommensunelastischen Nachfrage, wenn die bewirkte Veränderung kleiner als 1 % ist.

Beispiel: Einkommenselastizität der Nachfrage nach verschiedenen Gütergruppen.

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Empirische Beispiele:

Einkommenselastizitäten 1974 und 1984Q: WIFO Monatsberichte 2/89Q: WIFO Monatsberichte 2/89

1974 1984Ernährung 0,36 0,43Tabakwaren 0,68 0,72Wohnung 1,29 1,34Beheizung Beleuchtung 0,86 1,01Einrichtung, Hausrat 2,45 1,49

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Bekleidung 1,35 1,16Körper- u. Gesundheitspflege 0,95 1,04Bildung, Erholung 1,47 1,33Verkehr 1,69 1,50

Preiselastizitäten 2000

2000Nahrungsmittel u. Getränke -0,03Tabakwaren -0,07Kleidung -2,24Wohnen -1,09Körper- u. Gesundheitspflege -0,43Verkehr u. Nachrichten -0,63Bildung, Erholung -1,61

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Q: Blaas/Sieber, Schätzung von direkten Preis-, Kreuzpreis- und Einkommenelastizitäten.Endbericht eines Forschungsprojektes im Auftrag des Verbandesder Getränkehersteller. Wien 2000

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LiteraturBofinger, P. Grundzüge der Volkswirtschaftslehre. 2. Auflage, Pearson Studium, München 2007

Hill, R., Myatt, T. (2010), The economics anti-textbook. A critical thinker‘s guide to microeconomics. Zed Books, London

Himmelweit, S., Simonetti, R., Trigg, A., Microeconomics. Neoclassical and Institutionalist Perspectives on Economic Behaviour. Thomson, The Open University. Reprinted 2006

Schumann, J., Grundzüge der mikroökonomischen Theorie. Springer- Verlag, Berlin Heidelberg New York 1980

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