Vorlesung Unlauterer Wettbewerb (UWG) Wintersemester 2005/2006 Humboldt-Universität zu Berlin Dr....
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Vorlesung Unlauterer Wettbewerb (UWG)
Wintersemester 2005/2006
Humboldt-Universität zu Berlin
Dr. Jan Bernd Nordemann, LL.M.
BOEHMERT & BOEHMERT
Wettbewerbsrechtliche Grundlagen: Übersicht
A. Quellen des Wettbewerbsrechts
B. Verhältnis des Wettbewerbsrechts zu anderen Rechtsnormen
C. Systematik des UWG
D. Schutzzweck
E. Geltungsbereich des UWG und seiner Nebengesetze
F. Gemeinsame Grundbegriffe
BOEHMERT & BOEHMERT
F. Gemeinsame Grundbegriffe
• „Wettbewerbshandlung“
• „Unlauterkeit“
• „nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs zum Nachteil der Marktbeteiligten“
• Alle drei Grundbegriffe sind Tatbestandsmerkmale von § 3 UWG.
• Ihr Vorliegen ist daher unerläßliche Voraussetzung für einen Anspruch aus UWG
BOEHMERT & BOEHMERT
F. Gemeinsame Grundbegriffe - Wettbewerbshandlung
• Das Merkmal bestimmt den objektiven Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts
• Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG
• Besteht aus folgenden Elementen
– (Geschäftliche) Handlung (I.)
– Förderung der anbietenden oder der nachfragenden Leistung (II.)
– Mit dem Ziel der Förderung (III.)
BOEHMERT & BOEHMERT
F. Gemeinsame Grundbegriffe - Wettbewerbshandlung
• I. (Geschäftliche) Handlung:– Wortlaut spricht zwar nur von „Handlung einer Person“, nach Sinn und
Zweck können aber nur „geschäftliche“ Handlungen gemeint sein– altes UWG verlangte „Handlung im geschäftlichen Verkehr“– Gesetzgeber wollte mit UWG-Reform Anwendungsbereich nicht erweitern
• Geschäftlich ist– „alles was mit Erwerb oder Berufsausübung eines einzelnen zusammenhängt“
(BGH, GRUR 1962, 45, 47 – Betonzusatzmittel)– „mit Ausnahme rein betriebsinterner Vorgänge“ (BGH GRUR 1971, 119 –
Branchenverzeichnis)
• Abgrenzung von:– Sport, Spiel, Ausbildung, Forschung – rein privaten Handlungen
Beispiel: Verkäufe, die Gewerbetreibende aus Privatbesitz vornehmen (vgl. BGH GRUR 1993, 761, 762 – Makler-Privatangebot)
– Handlungen der öffentlichen Hand, soweit hoheitlich
BOEHMERT & BOEHMERT
F. Gemeinsame Grundbegriffe - Wettbewerbshandlung
• Aber: Geschäftliche Handlung (+), wenn entweder
– öffentliche Hand in privatrechtlicher Form handelt oder
– sich öffentliche Hand und private Wettbewerber mit gleichen Leistungen an den gleichen Abnehmerkreis wenden, der Verbraucher also Wahlfreiheit zwischen privatem und öffentlich-rechtlichem Anbieter hat ( Rechtsnatur der Wettbewerbsbeziehung privatrechtlich)
– Beispiele:
• Kommune betreibt ein Internetangebot mit Veranstaltungstips im Kulturbereich in der Rechtsform einer GmbH
• wenn Kommune Veranstaltungstips im Internet als öffentlich-rechtl. Körperschaft betreibt, bleibt UWG anwendbar, weil Verbraucher Wahlfreiheit zwischen Angebot der Kommune und dem privater Anbieter hat
BOEHMERT & BOEHMERT
F. Gemeinsame Grundbegriffe - Wettbewerbshandlung
• II. Förderung der anbietenden oder der nachfragenden Leistung
– Handlung muss Eignung zur Förderung eigener oder fremder Leistung besitzen
– Wettbewerbsverhältnis ist nach Intention des Gesetzgebers nicht erforderlich um Anwendungsbereich des UWG zu eröffnen (Beachte aber: Erforderlich für Aktivlegitimation des unmittelbar verletzten Mitbewerbers; dazu später mehr)
BOEHMERT & BOEHMERT
F. Gemeinsame Grundbegriffe - Wettbewerbshandlung
– Förderung eigener Leistung:
• Jeder eigene Vorteil im Wettbewerb
• Ausgenommen: Handeln dient nur Vertragsabwicklung
Es sei denn: Einsatz als systematisches Mittel im Wettbewerb; Beispiele:
- Ein nach § 30 GWB preisbindender Zeitschriftenverleger verstößt systematisch gegen vertragliche Treuepflicht, indem er Test-Abonnements mit Rabatten ggü. dem gebundenen Preis anbietet (OLG Hamburg GRUR 2003, 811, 813 - Zeitschriften Test-Abo, insoweit von BGH GRUR 2006, 773 – Probe-Abonnement nicht beanstandet, allerdings sah der BGH keine Verletzung des UWG)
- Durch falsche Kontostandsinformation wird eine Vielzahl von Kontoinhabern über ein Guthaben getäuscht (BGH GUR 2002, 1093, 1094 – Kontostandsabfrage)
BOEHMERT & BOEHMERT
F. Gemeinsame Grundbegriffe - Wettbewerbshandlung
– Förderung fremder Leistung:
• Verhältnis Geförderter (Dritter) und Betroffener maßgeblich
• Handeln muss somit geeignet sein, dem Dritten einen Vorteil im Wettbewerb zu verschaffen
• Beispiele:
– Eine Zeitung berichtet positiv über ein Unternehmen
– Ein Lizenzgeber eines Unternehmens schreibt einen Fachaufsatz (BGH GRUR 1964, 389, 391 - Fußbekleidung)
– Ein Verband äußert sich positiv über Produkte seiner Mitglieder
BOEHMERT & BOEHMERT
F. Gemeinsame Grundbegriffe - Wettbewerbshandlung
• III. Mit dem Ziel der Förderung
– Subjektives Element, gleichzusetzen mit der „Wettbewerbsabsicht“ nach altem UWG
– Es gilt zu unterscheiden zwischen dem Ziel der Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs
BOEHMERT & BOEHMERT
F. Gemeinsame Grundbegriffe - Wettbewerbshandlung
• Ziel der Förderung eigenen Wettbewerbs
– Ausreichend ist, dass Absicht der Förderung eigenen Wettbewerbs „nicht völlig hinter anderen Beweggründen zurücktritt“ (vgl. BGH GRUR 1992, 450, 452 – Beitragsrechnung)
– Merke: Wenn objektiv Handlung zur Förderung geeignet (s.o.) tatsächliche (widerlegbare) Vermutung für die Förderung eigenen Wettbewerbs
– Ausnahmen: Keine Vermutung bei
- Handlungen der öffentlichen Hand, - eigenen wissenschaftlichen Werken,- redaktioneller Tätigkeit;
hier bedarf es einer positiven Feststellung des Ziels der Leistungsförderung (Wettbewerbsabsicht)
BOEHMERT & BOEHMERT
F. Gemeinsame Grundbegriffe - Wettbewerbshandlung
• Ziel Förderung fremden Wettbewerbs
– Förderung von Leistungen auch hinsichtlich fremder Leistungen denkbar (s.o.)
– Auch hier handelt derjenige mit dem Ziel der Förderung, dessen Absicht, fremde Leistung zu fördern, nicht völlig gegenüber sonstigen Beweggründen zurücktritt (vgl. BGH GRUR 1969, 418, 420 - Standesbeamter; BGHZ 117, 353, 356 - Ereignis-Sponsorwerbung)
– Beachte: Grundsätzlich keine tatsächliche Vermutung
– Vielmehr müssen Beweisanzeichen für Wettbewerbsabsicht vorliegen
– Rechtsprechung sieht Beweisanzeichen, wenn bei Handelndem Bewußtsein zur Förderung/ Beeinflussung fremden Wettbewerbs gegeben ist
• Beispiele: Bezahlte Gutachtenaufträge (BGH GRUR 1961, 189, 190 f. - Rippenstreckmetall); Verband äußert sich zu Gunsten seiner Mitglieder (BGH GRUR 1997, 916 - Kaffeebohne)
BOEHMERT & BOEHMERT
F. Gemeinsame Grundbegriffe - Wettbewerbshandlung
– Ziel der Förderung vor allem problematisch bei
• Presse und Rundfunk: wegen Art. 5 GG bedarf es gewichtiger Beweisanzeichen:– (+), bei polemischer Abqualifizierung des betroffenen Mitbewerbers (vgl.
BVerfG GRUR 1982, 498 - Kredithaie II)– (+), bei pauschaler Lobhudelei hinsichtlich eines bestimmten Produktes
• Verbraucherorganisationen und der Stiftung Warentest: in der Regel verneint (vgl. BGH GRUR 1968, 314, 316 - Fix und Clever),
• der öffentlichen Hand: häufig bejaht (vgl. nur BGH GRUR 1964, 210, 213 - Landwirtschaftsausstellung; BGH GRUR 1989, 430, 431 - Krankentransportbestellung),
• wissenschaftlichen Werken: grundsätzlich verneint (vgl. KG WRP 1996, 1162, 1163)
• Kein Problem jedoch, wenn Bezahlung durch gefördertes Unternehmen; dann Wettbewerbshandlung (+)
BOEHMERT & BOEHMERT
F. Gemeinsame Grundbegriffe - Unlauterkeit
• Problem: Was bedeutet Unlauterkeit im Sinne des § 3 UWG?– Gesetzgeber: Alle Handlungen, die den anständigen Gepflogenheiten in Handel,
Gewerbe, Handwerk oder selbständiger beruflicher Tätigkeit zuwiderlaufen
– Was „anständig“ ist, muss vom Schutzzweck des UWG her bestimmt werden (schutzzweckorientierte Auslegung):
• Schutzzweck: § 1 UWG; Leitbild: Leistungswettbewerbs• Unlauter handelt daher, wer den freien Leistungswettbewerb zu Lasten
der Verbraucher, sonstiger Markteilnehmer oder Mitbewerber beeinträchtigt
– Im übrigen: Konkretisierung durch die §§ 4, 5, 6, 7 UWG
BOEHMERT & BOEHMERT
F. Gemeinsame Grundbegriffe - Erheblichkeitsschwelle
• § 3 UWG verbietet nur unlautere Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, Verbraucher oder sonstigen Marktbeteiligten nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen.
• „Zum Nachteil“ ist zu verstehen als tatsächliche Eignung der Wettbewerbshandlung, zu einer Beeinträchtigung geschützter Interessen der Marktteilnehmer zu führen.
• Eignung zur Beeinträchtigung des Mitbewerbers in der Regel (+), wenn Verhalten geeignet, den eigenen Wettbewerb des Handelnden zu fördern
• Eignung zur Beeinträchtigung der Verbraucher oder anderer Marktbeteiligter regelmäßig (+), wenn deren Entschließungsfreiheit beeinträchtigt
• Eignung ist ausreichend, tatsächlicher Eintritt einer Beeinträchtigung nicht erforderlich
BOEHMERT & BOEHMERT
F. Gemeinsame Grundbegriffe - Erheblichkeitsschwelle
• Erforderlich ist eine Beeinträchtigung, die nicht nur unerheblich ist.
• Bagatellgrenze will zum Ausdruck bringen, dass Wettbewerbsmaßnahme von einem gewissen Gewicht sein muss
• Schwelle ist aber nach dem Willen des Gesetzgebers nicht zu hoch anzusetzen
• Beurteilung erfolgt im Rahmen einer alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigenden Wertung
• Folgende Kriterien sind zu berücksichtigen:
– die Art und Schwere des Verstoßes;
– die zu erwartenden Auswirkungen auf den Wettbewerb;
– der Schutzzweck des Wettbewerbsrechts;
– die Betroffenheit einer Vielzahl von Marktteilnehmern;
– eine nicht unerhebliche Nachahmungsgefahr.
BOEHMERT & BOEHMERT
F. Gemeinsame Grundbegriffe - Erheblichkeitsschwelle
• Schon nach altem Recht existierte in § 13 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 UWG a.F. („Eignung zur wesentlichen Beeinträchtigung“) sowie in § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG
a.F. (Betroffenheit von wesentlichen Verbraucherbelangen) eine Bagatellgrenze
• Ob die dazu ergangene Fallpraxis übernommen werden kann, ist offen.
• Da Differenzierung zwischen „wesentlicher“ Beeinträchtigung und „nicht nur unerheblicher“ Beeinträchtigung kaum möglich ist, scheint grundsätzlich Gleichlauf nahe zu liegen
• In der erforderlichen Einzelfallbewertung kann es jedoch ausnahmsweise zu Unterschieden im Hinblick auf die frühere Praxis kommen.
BOEHMERT & BOEHMERT
F. Gemeinsame Grundbegriffe - Erheblichkeitsschwelle
• Folgende Beispiele für Bagatellverstöße:
– Kleinanzeigen, insbesondere Immobilienkleinanzeigen (vgl. J.B. Nordemann/Blum, NZM 2002, 148, 152)
– Verwendung der Bezeichnung „PS“ ohne gleichzeitige Hervorhebung der gesetzlich vorgeschriebenen Einheit „KW“ (vgl. BGH GRUR 1994, 220 - PS-Werbung II)
– Verwendung von Zollangaben für Computerbildschirme anstelle der vorgeschriebenen Angabe „cm“ (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1994, 623)
– Fehlende Angabe der Aufsichtsbehörde für bestimmte Finanzdienstleistungen im Internetimpressum gem. § 6 TDG, weil die Aufsichtsbehörde für die Verbraucher auch anderweitig leicht zu ermitteln (OLG Koblenz MMR 2006, 624); anders aber bei Fehlen jeglichen Impressums oder bei Fehlens des Namens des Verantwortlichen gem. § 6 TDG
– Irreführung über fehlende Leistung im Wert von EUR 2.500 bei Gesamtwert von EUR 77.000 (OLG Rostock OLGR 2006, 367; zweifelhaft)
BOEHMERT & BOEHMERT
F. Gemeinsame Grundbegriffe - Erheblichkeitsschwelle
• Folgende Beispiele für Bagatellverstöße:
– Verstöße gegen die PreisangabenVO sollte man im Hinblick auf die erhebliche Nachahmungsgefahr nicht mehr als Bagatelle betrachten (anders zum alten Recht: BGH GRUR 2004, 435, 436 - FrühlingsgeFlüge); ansonsten liefen ihre Regelungen leer
BOEHMERT & BOEHMERT
F. Gemeinsame Grundbegriffe - Erheblichkeitsschwelle
• Beispiel:
•Reihenhaus wird zwingend mit Garage verkauft; es werden aber nur einzelne Preise für Reihenhaus einerseits und Garage andererseits angegeben, keine Addition zu Gesamtpreis; Bagatelle nach § 3 UWG.
BOEHMERT & BOEHMERT
F. Gemeinsame Grundbegriffe -Erheblichkeitsschwelle
Beispiel (siehe nebenstehende Abb.): fehlende Grundpreisangabe nach § 2 Preisangaben VO ist Bagatelle nach altem UWG (OLG Köln GRUR-RR 2002, 304 – Sprudelwasserpreis)
Aber OLG Jena GRUR 2006, 246 - Kaffeepreisauszeichnung: keine Bagatelle nach neuem UWG; anderer Meinung OLG Koblenz OLGR 2006, 835
BOEHMERT & BOEHMERT
F. Gemeinsame Grundbegriffe - Erheblichkeitsschwelle
• Beispiele für fehlenden Bagatellcharakter:
– Alle Verstöße im Bereich der Gesundheitswerbung (vgl. u.a. BGH GRUR 1999, 487, 488 - Professorenbezeichnung in der Arztwerbung)Beispiel: Staatlich geförderte Aktion zur schnelleren Hilfe bei Vergiftungsfällen von Kindern, bei deren Unterstützung ein Pharmahersteller einen geringfügigen Gesetzesverstoß begangen hatte (vgl. BGH GRUR 2000, 237 - Giftnotrufbox)
– Verstöße gegen das RechtsberatungsG (BGH GRUR 2004, 253, 254 - Rechtsberatung durch Automobilclub)
– Werbeaktionen mit großer Anreizwirkung auf den Kunden (BGH GRUR 1995, 122 - Laienwerbung für Augenoptiker), z.B. Irreführung über Leistungen, die blickfangmäßig herausgestellt sind, auch wenn diese nur einen geringen Teil der Gesamtleistung ausmachen
– Werbung mit Preisherabsetzungen, weil der Kunde davon besondere Vorteile erwartet (BGH GRUR 2000, 337 - Preisknaller)
– Ein unerbetener Werbetelefonanruf (§ 7 UWG) wegen Nachahmungsgefahr (OLG Frankfurt GRUR-RR 2004, 254)