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Atom- und Molekülphysik Vorlesungsskript A. Stampa Universität GH Essen (Version 1999)

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Atom- und Molekülphysik

Vorlesungsskript

A. Stampa

Universität GH Essen

(Version 1999)

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I N H A L T A. Einleitung

1. Welches Wissen wird vorausgesetzt? 62. Lehrbücher 7

B. Das Spektrum von Atomen mit einem Elektron1. Das beobachtete Spektrum 8

a) Die Balmerformel 8b) Spektrum des Wasserstoffs 9c) Wasserstoffähnliche Atome 10d) Ellipsenbahnen 12e) Das Spektrum der Alkalimetalle 13

2. Theorie des Wasserstoffatoms 16a) Quantenmechanische Grundlagen 16b) Das Wasserstoffproblem 17c) Inversionssymmetrie 25

C. Spin- Bahn- Magnetismus1. Magnetisches Moment und Bahnbewegung 27

a) Was ist Spin - Bahn- Magnetismus? 27b) Magnetisches Moment eines kreisenden Elektrons 27c) Das gyromagnetische Verhältnis 28

2. Spin des Elektrons 29a) Stern - Gerlach Versuch 29b) Landé - Faktor des Spins 29c) Aufbau der Elektronenhülle 30

3. Spin - Bahn - Kopplung 31a) Einleitung 31b) Die Addition von und s 31lc) Die Energie der Aufspaltung 31d) Multipletts der Alkalimetalle 33e) Intensitätsregeln 33f) Feinstruktur des Wasserstoffs 34

4. Kopplung in Mehrelektronensystemen 36a) Einleitung 36b) LS - Kopplung 36c) jj - Kopplung 38

D. Atome im äußeren Feld1. Atome im B - Feld 39

a) Einleitung 39b) Aufspaltungsmuster im Zeeman - Effekt 39c) Polarisation 40d) Energiedifferenzen 41e) Paschen - Back - Effekt 44

2. Atome im elektrischen Feld 46

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a) Einleitung 46b) Linearer und quadratischer Starkeffekt 46c) Starkeffekt im Wasserstoff 47d) Starkeffekt als quantenmechanisches Störungsproblem 48

E. Die Verbreiterung von Spektrallinien1. Einleitung 522. Dopplerverbreiterung 553. Stoßverbreiterung (Weißkopftheorie) 57

a) Fourieranalyse 57b) Wahrscheinlichkeit für freie Flugzeit 57c) Wichtung mit W(t)dt 59

4. Zusammenwirken von Stoß- und Dopplerverbreiterung 61a) Faltungsintegral 61b) Voigtprofile 61c) Verallgemeinerungen 62

5. Quasistatische Verbreiterung 63a) Einleitung 63b) Wahrscheinlichkeit für ein Störteilchen zwischen r und r + dr 64c) Das Linienprofil 65d) Abgrenzung zwischen quasistatischer und Stoßverbreiterung 66

F. Übergangswahrscheinlichkeiten1. Einleitung 67

a) Grundbegriffe 67b) Abhängigkeit der Einsteinkoeffizienten untereinander 68c) Zusammenhang mit der Lebensdauer 68d) Zusammenhang mit εν und κν 69e) Lichtverstärkung 70

2. Oszillatorstärken 71a) Zusammenhang von Absorptionskoeffizient und Brechungsindex 71b) Klassische Dispersionstheorie 71c) Definition der Oszillatorenstärke 72d) Real- und Imaginärteil des Brechungsindexes 72e) Zusammenhang von f12 und B12 73

3. Experimentelle Bestimmung der Übergangswahrscheinlichkeiten 75a) Messung der Oszillatorenstärke in Absorption 75b) Bestimmung von f aus der Dispersion (Hakenmethode) 75c) Experimentelle Bestimmung der Übergangswahrscheinlichkeiten aus der Emission 76

4. Quantenmechanische Bestimmung der Übergangswahrscheinlichkeiten 78a) Einleitung 78b) Ansatz 78c) Entwicklungskoeffizienten 79d) Störoperator H´ 80e) Umrechnen von E2 auf Energiedichte 82f) Halbklassische Berechnung von A12 83g) Auswahlregeln 84

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G. Bemerkungen zu Röntgenspektren1. Einleitung

a) Übergänge eines äußeren Elektrons bei hochionisierten Atomen 88b) Übergänge zwischen inneren Schalen 88c) Augereffekt 89

H. Molekülphysik1. Bildung eines Moleküls aus zwei Atomen 90

a) Symmetrie des Kernpotentials 90b) Zusätzliche Freiheitsgrade 92

2. Struktur des Energieschemas 92a) Größenordnung der beteiligten Energien 92b) Das Termschema 94Das Spektrum 94

I. Bindungsenergie1. Das Wasserstoffion H2

+ 96a) Der Hamiltonoperator 96b) Ansatz 97c) Berechnen von c1 und c2 97d) Die Wellenfunktion 98

2. Das Wasserstoffmolekül 99a) Problem 99b) Der Hamiltonoperator 99c) Ansätze 100

3. Die Hybridisierung 102a) s- und p- Wellenfunktionen 102b) Digonale Hybridisierung (sp) 104d) Trigonale oder sp2 -Hybridisierung 105

J. Symmetrien1. Einleitung 107

a) Warum Symmetriebetrachtungen? 107b) Einige Symmetrieoperationen 107

2. Punktgruppen 108a) Symmetrieoperationen 108b) Punktgruppen 110c) Reduktion der Matritzen 113d) Charaktertafeln 115e) Konstruktion von Charaktertafeln 118

K. Molekülspektren1. Rotationsspektrum 120

a) Energieniveaus zweiatomiger Moleküle 120b) Intensitäten 121c) Rotations - Ramanspektrum 123d) Der nichtstarre Rotator 124e) Isotopieeffekt 125f) Mehratomige Moleküle 125

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2. Schwingungsspektrum 126a) Potential eines zweiatomigen Moleküls 126b) Harmonische Näherung 126c) Der anharmonische Oszillator 127d) Rotations - Schwingungsspektrum 129c) Mehratomige Moleküle 131

3. Elektronisches Spektrum 134a) Terme zweiatomiger Moleküle mit einem Valenzelektron 134b) Kopplung mehrerer Elektronen im zweiatomigen Molekül 136c) Intensitätend) Photodissoziation 139

4. Ramanspektrum 140a) Die klassische Beschreibung des Schwingungs - Ramaneffektes 140b) Ramanaktivität 140c) Quantenmechanische Beschreibung 141d) Kohärente Ramanstreuung 141

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KAPITEL AEinleitung

1. Welches Wissen wird vorausgesetzt?

Das vorliegende Skript gibt den Inhalt der Vorlesung "Atom- und Molekülphysik" wieder, dieim SS 97 in Essen für Physikstudenten im Hauptstudium gelesen wurde. Die VorlesungGrundlagen IV, die eine allgemeine Einführung in die Vorstellungen zum Aufbau der Materieliefert, wird vorausgesetzt, d.h. die geschichtliche Entwicklung, die zu der Vorstellung geführthat, daß die Materie aus Atomen zusammengesetzt ist, sollte bekannt sein. Dazu gehört dieVielzahl von Beobachtungen auf sehr unterschiedlichen Gebieten, die schließlich zu quantitati-ven Angaben wie der Avogadrozahl, also der Anzahl von Molekülen in einem Mol eines Stof-fes, der Masse, der Ladung, der Größe und anderer Eigenschaften von Atomen geführt hat.Ebenso sollten die experimentellen Grundlagen der Quantenphysik bekannt sein, also die dreiSchlüsselexperimente zum Photonencharakter des Lichts:

α) Hohlraumstrahlung

Die Gesetze der Hohlraumstrahlung sollten geläufig sein. Was sagte die klassischeThermodynamik voraus? Wo waren die Prognosen korrekt? Wo führten sie auf einenWiderspruch? Wie wurde dieser mit der Quantenhypothese gelöst?

β) Der äußere Photoeffekt

Was sagt die klassische Vorstellung voraus? Was wurde beobachtet? Wie konnten mit Hilfeder Quantenvorstellung die Diskrepanzen beseitigt werden?

γ) Der Comptoneffekt

Welche Wellenlängenverschiebung gegenüber der Rayleigh-Streuung mißt man bei genügendharter Röntgenstrahlung? Wie erklärt man sie mit dem Photonenbild?

Diese drei Experimente führen zusammen mit den Beugungsversuchen von Teilchenstrahlen,die den Wellencharakter von Teilchen zeigen, zum Dualismus Teilchen-Welle. Wie machen siebei einem Beugungsversuch der Teilchencharakter, wie der Wellencharakter bemerkbar?

Eine wichtige Vorraussetzung für die Atom- und Molekularphysik ist die Kenntnis der Hülle-Kern-Struktur. Der Rutherfordsche Streuversuch sollte bekannt sein. In der "Atom- undMolekülarphysik" läßt man die Physik des Kerns soweit wie möglich außen vor. Diewesentliche Information erhält man aus dem Spektrum zum Teil auch ausElektronen-Stoßversuchen wie dem Franck-Hertz-Versuch. Im vorliegenden Skript wird zumweitaus überwiegenden Teil auf die Spektroskopie zurückgegriffen. Einen erstenErklärungsversuch für die verwirrende Vielzahl von spektroskopischen Daten lieferte diehalbklassische Theorie von Bohr und Sommerfeld. Für uns ist sie eine Merkformel, um relativmühelos spektroskopische Phänomene ins Gedächtnis zu rufen. Wichtige Ergebnisse sind dieBalmerformel für Einelektronensysteme sowie ihre Abwandlungen für Atome mitRumpfelektronen und einem Leuchtelektron und das charakteristische Röntgenspektrum. Alle

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diese Tatsachen wurden im Grundkurs IV bereits behandelt, werden aber im vorliegendenSkript um der Geschlossenheit der Darstellung willen wiederholt. Das gleiche gilt für diePhänomenologie des Spins, den Stern-Gerlach und den Einstein-de Haas Versuch.

Von der Theorie sollte die Schrödingergleichung und ihre Anwendung auf einfache Probleme,z.B. das eindimensionale Problem des Teilchens im Potentialtopf bekannt sein. Dazu gehörenauch der Umgang mit Operatoren und ihren Eigenfunktionen. In einigen Fällen wird von derStörungsrechnung und anderen Näherungsverfahren Gebrauch gemacht.

2. Lehrbücher

Die Ausführungen stützen sich im wesentlichen auf die folgenden Lehrbücher:

1. H. Haken, H.C. Wolf: Atom- und Quantenphysik (Springer, Berlin)

2. H. Haken, H.C. Wolf: Molekülphysik und Quantenchemie (Springer, Berlin)

3. W. Demtröder: Laserspektroskopie (Springer, Berlin)

Folgende zusammenfassende Ausgaben enthalten ebenfalls den gesamten Stoff:

4. W. Finkelnburg: Einführung in die Atomphysik (Springer, Berlin)

5. K. Bethge, G. Gruber: Physik der Atome und Moleküle (VCH, Weinheim)

6. K.H. Hellwege: Einführung in die Physik der Atome (Springer)

Kurze Zusammenfassungen in Taschenbuchformat, z.T. nur der Atom- oder Molekülphysikliefern:

7. T. Mayer-Kuckuck: Atomphysik (Teubner)

8. P. Zimmermann: Einführung in die Atom- und Molekülphysik (Akad. Verlagsges. Wiesbaden)

9. U. Gradman/ H. Wolter: Grundlagen der Atomphysik (Akad. Verlagsges. Frankfurt)

10. A. Beiser: Atome, Moleküle, Festkörper (Vieweg, Braunschweig)

11. W. Döring: Atomphysik und Quantenmechanik Bd.I. (de Gruyter, Berlin)

Die spektroskopischen Aspekte berücksichtigen besonders:

12. H.E. White: Introduction to Atomic Spectra (Mc Graw-Hill)

13. K.G. Woodgate: Elementare Struktur der Atome (R. Oldenbourg, München)

14. A. Corney: Atomic Laser Spectroscopy (Clarendon Press, Oxford)

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KAPITEL BDas Spektrum von Atomen mit einem Elektron

1. Das beobachtete Spektruma) Die Balmerformel

Das einfachste Atomspektrum zeigt der Wasserstoff. Es läßt sich vollständig und mit einersehr hohen Genauigkeit mit dem Bohrschen Modell konstruieren. Im einfachsten Bild gehtman von einem ruhenden Kern der Ladung Ze aus, der von einem Elektron umkreist wird.

Abb. 1: Die Bahn des Elektrons in der einfachsten Formdes Bohrschen Modells

Die Kraft ist durch das Coulombgesetz gegeben

F = Ze2

4πε0r2

Die Quantenbedingung von Planck ∆E = hν wird verallgemeinert zu

∫ pdq = nh

q ist eine allgemeine Ortskoordinate, p der dazugehörige Impuls, z.B.

q = ϕ → p = mr2 •ϕ

Es wird über eine geschlossene Bahn im Phasenraum integriert. Im allgemeinen benötigt manfür jeden Freiheitsgrad eine Quantenbedingung. Ohne Berücksichtigung des Kernspins, d.h.der Hyperfeinstruktur hat das Elektron 4 Freiheitsgrade, drei räumliche der Bahn und einenSpinfreiheitsgrad. Als sinnvolle Quantenzahlen für ein Einelektronensystem haben sichergeben:

n: Hauptquantenzahl. Sie bestimmt die Gesamtenergie der Bahn

l: Bahndrehimpulsquantenzahl

ml: magnetische Quantenzahl. Sie bestimmt die Projektion von l auf eine vorgegebene

Richtung z.B. ein Magnetfeld

j: Gesamtdrehimpulsquantenzahl. Der Gesamtdrehimpuls ist die Summe aus Bahn- und

Spinanteil

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Für manche Zwecke ist es günstiger statt j die Spinquantenzahl ms zu wählen, die bei einemElektron die Werte ±1/2 annehmen kann.

Das Bohrsche Modell liefert - wie im Grundkurs gezeigt - sofort den Radius der Bahn

r = n2h/ 2(4πε0)2

Für n = 1, Z = 1 ergibt sich der Radius des Wasserstoffatoms im Grundzustand, der BohrscheRadius

r0 = 0,5 · 10-10 m

Die Energiestufen ergeben sich zu

En = Z2R ∗ 1n2

Läßt man die Mitbewegung des Kerns zu, indem man die Elektronenmasse me durch die redu-zierte Masse ersetzt, kann R* auf die massenunabhängige Konstante R*∞ zurückgeführtwerden

mit R ∗ = R∞∗

1 + me/miR∞

∗ = e4m2(4πε0)2h/ 2

In der Spektroskopie rechnet man gerne mit Wellenzahlen

ν = 1λ

= νc = hν

hc

R in Wellenzahleinheiten heißt die Rydbergkonstante

R = R∞∗ /hc = 109737, 31cm−1

b) Spektrum des Wasserstoffs

Die Wellenzahlen der Spektrallinien ergeben sich dann aus den Termdifferenzen

ν = R

12

− 12

mit ganzzahligen m und n.

Die Linien gruppieren sich in Serien für festes n und laufendes m. m = n + 1 führt jeweils zurhellsten Linie der Serie. Sie liegt an der roten Seite der Serie. Für wachsendes m konvergieren

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Abb.2: Die Spektralserien des Wasserstoffs

die Linien gegen die Seriengrenze, wobei die Intensitäten abnehmen und die Linien i.a.verbreitern. An die Seriengrenze schließt sich das Seriengrenzkontinuum an. Die hellste Liniehat den Übergang n = 1 → n = 2 . Sie heißt Lyman α (Lα) mit der Wellenlänge λLα = 121 nm.Für n = 1, m → ∞ ergibt sich die Ionisierungsenergie Eion = R* = 13,6 eV.

c) Wasserstoffähnliche Atome

Abb. 3: Die Abhängigkeit der Rydbergkonstanten vonder Masse

Die Rydbergkonstante hängt von der Masse des Atoms ab, was experimentell durch Vergleichvon Spektren von Atomen unterschiedlicher Masse bestätigt wurde (Abb. 3). Diese Aussage

führte zur Entdeckung des schweren Wasserstoffs durch Urey (1932). Der Deuteriumkern be-steht aus einem Proton und einem Neutron und ist damit doppelt so schwer wie einWasserstoffkern.

Atome, die durch Ionisation alle Elektronen bis auf eins verloren haben, zeigen wasserstof-fähnliche Spektren, in denen alle Details gleich sind wie bei H, wenn man R durch Z2R ersetzt(Z ist die Kernladungszahl).

Pickerung entdeckte im Stern ζ Puppis eine Serie von Spektrallinien, bei der jede 2. Linie miteiner Wasserstofflinie zusammenfiel. Diese erklärt sich zwanglos aus der Bohrschen Formel alsSerie des ionisierten Heliums mit Z = 2.

ν = 4RH

1n1

2− 1

n22

Die Mitglieder der Pickerung-Serie fallen wegen des Isotopie-Effektes nicht genau mit denWasserstofflinien zusammen.

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In der Spektroskopie nennt man üblicherweise das Spektrum des neutralen Elementes A dasAI-Spektrum, des einfach ionisierten AII usw.. Die Spektren des wasserstoffählichen Ionen HI,He II, Li III haben folgende Gestalt:

Abb. 4: Termschemata von WasserstoffähnlichenAtomen

Die Resonanzlinien liegen bei 30,3 nm und 13,5 nm.In Fusionsplasmen erzeugt man wasser-stoffähnliche Spektren, z.B. von Eisen.

Myonenatome

Man kann in einem Atom das Leuchtelektron durch ein Myon ersetzen. Das Myon hat die glei-che Ladung wie das Elektron, aber eine 207 mal größere Masse und eine Lebensdauer von2,2 · 10-6s. Es entsteht bei Beschuß von Materie mit energiereichen Protonen.

Zunächst entstehen Pionen

(mπ = 273me)p + n → p + p + π−

Diese zerfallen in 2,5 · 10-8s in ein Myon und ein Myonneutrino:

π− → µ− + νµ

Myonen können von ionisierten Kernen eingefangen werden und ersetzen dann ein Elektron.Der Radius der Bahn ist um das Massenverhältnis kleiner als die Bahn des Elektrons und kannin der Nähe des Kernradius liegen. Die Strahlung der Myonenatome liegt im harten Röntgen-gebiet, klingt mit der Halbwertzeit der Lebensdauer der Myonen ab und erlaubt Aussagen überdas Kernpotential in der Nähe der Kernoberfläche. Eine mögliche Anwendung der Myonena-tome ist die myonenkatalytische Fusion.

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Innere Schalen

Die betrachteten Termschemata, z.B. der Alkalimetalle, beziehen sich nur auf das äußersteElektron (Leuchtelektron). Die inneren Elektronen befinden sich auch in diskreten Energiezu-ständen, deren Gesamtenergien aber gegenüber den Werten, die eine Balmer-Formel ergebenwürde, durch Störung benachbarter Elektronen verschoben sind. Man kann den Energiezu-ständen aber ebenfalls Quantenzahlen n, l, m, s zuordnen. Ein Energiezustand mit einer be-stimmten Kombination von Quantenzahlen kann nach dem Pauli-Prinzip nur von einem Elek-tron besetzt werden. In Termtabellen wird die Elektronenkonfiguration im Grundzustanddurch Angabe der Elektronen für jedes n und l angegeben, z.B. für Na:

(1s)2 (2s)2 (2p)6 3s

Das 3s Elektron ist das Leuchtelektron, der Rest der Rumpf. Die Energiedifferenzen zwischeninneren Schalen sind größer als die im Termschema des Leuchtelektrons. Übergänge könnenerfolgen, wenn z.B. durch Elektronenbeschuß ein inneres Elektron ausgelöst wird und auf denfrei werdenden Platz ein Elektron von einer höheren Schale nachfällt. Dies ist der Mechanis-mus zur Erzeugung diskreter Röntgenstrahlung.

d) Ellipsenbahnen

Läßt man Ellipsenbahnen für die Bewegung des Elektrons zu, so muß wegen des zusätzlichenFreiheitsgrades eine neue Quantenzahl, die Drehimpulsquantenzahl l, eingeführt werden:

l = 0, 1, 2, ...n - 1

Zu jedem n gehört ein Satz von n Ellipsen unterschiedlicher Exzentrizität, und zwar ist für l =0 die Exzentrizität am größten, für l = n - 1 erhält man eine Kreisbahn. (Abb. 5).

Abb. 5: Zuordnung der Elliptizität zum Drehimpuls

Im klassischen Bild haben alle Bahnen die gleiche Energie. Man sagt, die Energie ist n-fachentartet. Man bezeichnet die Zustände mit S, P, D, F, ..., wobei die Zuordnung in Tabelle i ge-geben ist.

Tabelle I: Termbezeichnung undDrehimpulsquantenzahl

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Bei Berücksichtigung der relativistischen Massenzunahme ergibt sich durch die größere Ge-schwindigkeit der Elektronen in Kernnähe bei Bahnen größerer Elliptizität eine etwas kleinereEnergie. Nach Sommerfeld wird im Wasserstoff

En = Z2

n2R

1 + α 2Z2

n2

nl + 1

− 34

wobei , die sogenannte Feinstrukturkonstante, eine dimensionslose Zahl ist.α = e2

2ε0hc= 1

137Sie gibt das Verhältnis der Geschwindigkeit des Elektrons auf der 1. Bohrschen Bahn zurLichtgeschwindigkeit an. Die entsprechende quantenmechanische Rechnung liefert einen Aus-druck, bei dem im ersten Term der runden Klammer l + 1/2 statt l + 1 im Nenner steht. Außer-dem ergibt sich eine weitere Korrektur durch Spin/Bahn-Wechselwirkung. Die Feinstruktur-aufspaltung in Wasserstoff kann bei genügendem Auflösungsvermögen beobachtet werden.Bei den Alkalimetallen taucht das Elektron in die Wolke der Rumpfelektronen. Die Abschir-mung der Kernladung durch die Rumpfelektronen wird dadurch vermindert, die Bindungsener-gie wird dadurch größer. Die Terme der Alkalimetalle liegen daher tiefer als die entsprechen-den Wasserstoffterme.

Abb. 6: Eine Tauchbahn

e) Das Spektrum der Alkalimetalle

Die Alkalimetalle

Na, Li, K, Rb, Cs

besitzen ein Valenzelektron, dessen Anregung für ihr Spektrum verantwortlich ist, und mehroder weniger Elektronen in abgeschlossenen Schalen, die man als Rumpfelektronen zusam-menfaßt. Diesen Rumpf stellen wir uns als eine kugelförmige Ladungswolke mit einer Gesamt-ladung (Z - 1)e0 vor. Befindet sich das Elektron auf einer Kreisbahn (l = n - 1), wird es nichtvom Rumpf beeinflußt. Es sieht die Zentralladung eo(Z - 1 Elementarladungen werden vomRumpf abgeschirmt), und die Energie ist die des Wasserstoffs. Je kleiner l wird, desto ellipti-scher ist die Bahn und desto tiefer taucht das Elektron in den Rumpf. Dadurch ist es im Zeit-mittel einer kleineren Abschirmung ausgesetzt als für l = n - 1, und die Bindung wird stärker.D.h. je elliptischer die Bahn, also je kleiner l und je näher sie am Rumpf verläuft, also je kleinern, desto größer werden die Abweichungen von den entsprechenden Wasserstofftermen. DieEnergien liegen tiefer als die der Wasserstoffterme.

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Als Resultat wird die l-Entartung aufgehoben. Jedes Niveau mit der Hauptquantenzahl n spal-tet in n Unterniveaus auf mit der Bahndrehimpulsquantenzahl l. Die Bezeichnung ist in TabelleI wiedergegeben.

Die Energien der Terme sind durch

En,l = R 1

(n −µ l)2

gegeben. Die Korrektur gegenüber den Energiewerten des Wasserstoffs, der Quantendefekt µl

hängt in erster Näherung nur von l ab, ist also innerhalb einer Serie im wesentlichen konstant.Das Termschema ("Grotriandiagramm") zeigt Abb. 7. Das beobachtete Spektrum erhält man,wenn man als Auswahlregel einführt, daß nur Übergänge mit ∆l = ±1 erlaubt sind.

Abb. 7: Termschema der Alkalimetalle

Bezeichnet man die Terme mit l = 0 mit nS, l = 1 mit nP, l = 2 mit nD, usw. so erhält man fol-gende Serien (Tabelle II).

Tabelle II: Serien der Alkalimetalle

Die Grundniveaus sind bei Na: 3S, K: 4S, Rb: 5S.

Bei größer werdender Auflösung zeigt sich, daß das, was vorher als eine Linie angesprochenworden war, oft aus mehreren Komponenten besteht. Die Aufspaltung von Termen mit be-stimmter Hauptquantenzahl n und Drehimpulsquantenzahl l nennt man Feinstruktur. Sie hängtmit der Spin/Bahndrehimpuls-Wechselwirkung zusammen (Kap. C). Die Aufspaltung jederFeinsrukturkomponente nennt man Hyperfeinsruktur. Sie hängt mit der Kernspin/Bahndrehim-puls-Wechselwirkung zusammen. Die Doublett-Aufspaltung der Alkalimetall-Terme gehörtzur Feinstruktur.

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Der Quantendefekt bei den Alkalimetallen ist innerhalb einer Serie nicht genau konstant. Einegute Übereinstimmung (∆λ < 0,01 nm) läßt sich erzielen mit einer allgemeineren Formel nachRitz

ν = A − B

n + a + b

n2

2

Im allgemeinen kann man den Quantendefekt wenigstens durch eine glatte Kurve interpolieren.Bei komplizierten Atomen kann es vorkommen, daß der Quantendefekt unregelmäßig mit nfortschreitet.

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2. Theorie des Wasserstoffatoms

a) Quantenmechanische Grundlagen

Während die klassische Mechanik den Zustand eines Teilchens durch Angabe seiner Orts- undImpulskoordinaten zu einer bestimmten Zeit festlegt, ist in der Qantenmechanik die gesamteInformation über das Teilchen (bzw. das berachtete System) in der Wellenfunktion ψ enthal-ten. ψψ∗ wird als Wahrscheinlichkeitsdichte interpretiert, das Teilchen zur Zeit t bei r zu fin-den. Das dynamische Verhalten, d.h. die zukünftige Entwicklung von ψ wird durch eine Diffe-rentialgleichung für ψ beschrieben, die Schrödinger Gleichung.

Gegenüber dem klassischen Verhalten von Teilchen ergibt sich als einschneidende Neuerung,daß das zukünftige Verhalten durch eine Beobachtung prinzipiell beeinflußt wird. Dies liegtdaran, daß eine Beobachtung eine Wahrscheinlichkeitsverteilung unstetig ändert, denn unmit-telbar nach der Beobachtung ist z.B. der Ort eines Teilchen genau bekannt. Da die augenblick-liche Form von ψ das zukünftige Verhalten bestimmt, ändert sich also auch das zukünftigeVerhalten unstetig.

Die Form der Schrödingergleichung rufen wir uns an dem Verhalten einer ebenen Materiewel-le ins Gedächtnis

ψ = ψ0ei(k•r−ωt)

in der wir k und ω durch die de-Broglie und die Einsteinbeziehung ersetzen

E = h/ωp = h/k

Man erhält

ψ = ψ0e(i/h/ (p•r−Et))

und die Beziehungen

, d.h. (3.1)∂ψ∂t

= iEh/

ψ ih/ ∂∂

ψ = Eψ

, d.h.∇ψ = iph/

ψ −ih/ ∇ ψ = pψ

Die Beziehungen 3.1 besagen, daß E und p Eigenwerte der Operatoren bzw. sind.ih/ ∂∂

−ih/ ∇

Dies gibt uns die Jordanschen Ersetzungsregeln an die Hand, die angeben, daß man von denklassischen Gleichungen zu den entsprechenden quantenmechanischen kommt, indem manersetzt:

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(3.1)E → ih/ ∂∂t

p → −ih/ ∇

Im allgemeinen gibt es zu einem Operator einen ganzen Satz von Eigenfunktionen unddazugehörigen Eigenwerten, die diskret oder kontinuierlich liegen können. Ist nicht geradeψeine Eigenfunktion, so kann sie als Linearkombination von Eigenfunktionen dargestelltwerden.

Die zeitabhängige Schrödingergleichung erhält man, indem man vom Energiesatz ausgeht unddie Jordanschen Relationen anwendet:

E = T + V(r, t) = p2

m + V(r, t)

ih/ ∂∂t

ψ = h/ 2

2m∇ 2ψ +V(r, t)ψ

ih/ ∂∂

ψ = Hψ

mit

H = − h/ 2

2m∇ 2 + V(r, t)

Wenn das Potential V nicht explizit von der Zeit abhängt, kann man die Schrödingergleichungnach r und t abhängigen Anteil separieren. Man geht mit dem Ansatz

ψ = R(r)T(t)

in die Schrödingergleichung

T(t)HR(r) = R(r)ih/ ∂∂

T(t)

(3.2)1R(r)HR(r) = 1

T(t)ih/ ∂

∂tT(t)

Diese Gleichung ist nur dann für alle r und t erfüllbar, wenn jede Seite konstant ist.

Die Konstante E muß die Gesamtenergie sein, da der Operator der Gesamtenergie ist.H

b) Das Wasserstoffproblem

α) Schrödingergleichung für das CoulombpotentialBeim Wasserstoffproblem ist das Elektron dem Coulombpotential ausgesetzt

V(r) = − Ze2

4πε0r

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Abb. 8: Kugelkoortdinaten

Durch Transformation auf den Schwerpunkt, d.h. Einführung der reduzierten Masse statt derElektronenmasse läßt sich wie in der klassischen Theorie die Behandlung derSchwerpunktsbewegung vermeiden. Da die Ortsabhängigkeit im Potential durch r beschriebenwird, ist es ratsam, den Laplace-Operator in Kugelkoordinaten umzuschreiben.

∇ 2 = 1r2

∂∂r

r2 ∂

∂r + 1

sinϑ∂

∂ϑ sin ϑ ∂

∂ϑ + 1

sin2ϑ∂2

∂ϕ 2

Die Schrödingergleichung lautet dann

1r2

∂∂r

r2 ∂ψ

∂r + 1

r2sin ϑ∂

∂ϑ sinϑ

∂ψ∂ϑ

+ 1

r2sin2ϑ∂2ψ∂ϕ2

+ 2mh/ 2

E + Ze2

4πε0r ψ = 0

β) Separation der Variablen

Durch Separation der Variablen trennt man zunächst Winkel- und Radialanteil

ψ(r) = R(r)Y(ϑ , ϕ)

1R

ddr

r2 dR

dr + 2mr2

h/ 2 E + Ze2

4πε0r = −1

Y 1

sin ϑ∂

∂ϑ sinϑ ∂Y

∂ϑ + 1

sin2ϑ∂2Y∂ϕ2

Es ergeben sich also zwei Gleichungen mit einer noch unbekannten Separationkonstanten A.

(3.3)R // + 2r R / + R

2mh/ 2

E + Ze2

4πε0r − A

r2

= 0

mit R / = dRdr

1sinϑ

∂∂ϑ

sinϑ ∂Y

∂ϑ + 1

sin2ϑ∂2Y∂ϕ 2

+ AY = 0

Der Winkelanteil wird separiert

Y(ϑ , ϕ) = Θ(ϑ)Φ(ϕ)

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wobei eine neue Separationskonstante B eingeführt wird.

(3.4)Φ//(ϕ) = −BΦ(ϕ)

1Θ(ϑ) sinϑ d

dϑ [sin ϑΘ /(ϑ)] + A sin2ϑ = B

γ) Lösung für Φ(ϕ)Die Lösung für Φ(ϕ) ist

Φ(ϕ) = Φ0ei B ϕ

Damit die Lösung sinnvoll ist, muß sie verschiedene Bedingungen erfüllen, z.B. muß sie ein-deutig sein und im Unendlichen verschwinden. Dies ist wie für eine stehende Welle in einemMedium nur für gewisse Sonderfälle möglich. Dadurch wird die Menge der möglichen Kon-stanten A und B eingeschränkt.

Φ(ϕ) ist nur eindeutig, wenn m = ganzzahlige Werte annimmt: m = 0, ±1, ±2,...B

Φ0 ergibt sich aus einer Normierung, d.h.

(3.5)Φ(ϕ) = e±imϕ

Interpretation:

Vom klassischen Bild her vermuten wir, daß m die z-Komponente des Drehimpulses bestimmt.

Wir betrachten daher den Drehimpulsoperator, den wir uns konstruieren, indem wir imDrehimpuls

L = r x p

p nach Gl. 3.1 ersetzen

L = −ih/ r×∇in kartesischen Koordinaten

Lx = −ih/ y ∂

∂z− z ∂

∂y

Ly = −ih/ z ∂

∂− x ∂

Lz = −ih/ x ∂

∂y− y ∂

∂x

Durch Transformation auf Kugelkoordinaten

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y = r sin ϑ sinϕx = r sin ϑ cosϕz = r cosϑ

Durch Anwendung der Kettenregel folgt hieraus:

∂ψ(x(ϕ), y(ϕ), z(ϕ))∂ϕ

=∂ψ∂x

∂x∂ϕ

+∂ψ∂y

∂y∂ϕ

+∂ψ∂z

∂z∂ϕ

=∂ψ∂x

(r sin ϑ(−sin ϑ)) +∂ψ∂y

r sin ϑ cos ϕ

∂ψ∂ϕ = −y

∂ψ∂x

+ x∂ψ∂y

Ähnlich leitet man ab, daß

(3.6)L2 = −h/ 2

1sinϑ

∂∂ϑ

sinϑ ∂∂ϑ

+ 1sin2ϑ

∂2

∂ϕ 2

Man sieht, daß

Lz = −ih/∂ψ∂ϕ

und durch Anwendung auf Φ(ϕ) nach 3.5, daß

Lzψ = mh/ψalso der Erwartungswert von Lz ist. Im halbklassischen Bild heißt dies, daß die Projektion desDrehimpulses auf eine (z.B. durch ein Magnetfeld) vorgegebene Richtung ganzzahlige Vielfa-che von annehmen kann. m heißt deshalb die magnetische Quantenzahlh/

Abb. 9: Quantelung der z-Komponente desDrehimpulses anschaulich

δ) Lösung für Θ(ϑ)Die Gleichung für ,(Gl. 3.4) kann durch geeignete Substitution auf eine Differentialglei-Θ(ϑ)chung für Legendre Polynome zurückgeführt werden. B wird durch m2 ersetzt. Die Substitu-tion: x = cos ergibtϑ

(3.7)(1 − x2)Θ// − 2xΘ/ + [A − m2/(1 − x2)]Θ = 0

( )Θ/ = dΘdx

und führt zuΘ = (1 − x2)m/2y(x)

(3.8)(1 − x2)y // − 2(m + 1)xy / + [A − m(m + 1)]y = 0

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Versucht man, diese Differentialgleichung mit einem Reihenansatz zu lösen,

y = Σ akxk

so erhält man für die Koeffizienten ak die Rekursionsformel:

ak+2 = k2 + k + 2mk + m2 + m − A(k + 2)(k + 1) ak

ak+2 = (k + m)2 + (k + m) − A(k + 2)(k + 1) ak

Die unendliche Reihe divergiert, d.h. man erhält nur brauchbare Lösungen, wenn die Reihe ab-bricht, d.h.für solche A und m, bei denen der Zähler verschwindet. Dies ist der Fall für

A = l2 + l = l(l + 1), (l = 0, 1, 2, 3,...) und m ≤ l

Interpretation

Aus Gl. 3.3 und Gl. 3.6 mit der Bedingung A = l(l+1) erhält man

L2Y = l(l + 1)h/ 2Y

Daraus liest man ab, daß der Erwartungswert von |L| ist. l heißt deshalb diel(l + 1) h/Bahndrehimpulsquantenzahl.

Die Gleichung 3.8 ist für m = 0 die Legendresche Differentialgleichung. Die Lösungen sind dieLegendre Polynome, die auch Kugelfunktionen genannt werden.

(3.9)Pl(x) = 1l

dl(x2 − 1) l

l

Für die ersten Werte von l sind sie in Abb. 10 dargestellt.

Abb. 10: Legendre Polynome

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Durch Rücktransformation erhält man Θ( ).ϑ

Θ = (1 − x2)m/2 dm

dxm Pl(x) = Plm

Plm sind die zugeordneten Kugelfunktionen. Die zugeordneten Kugelfunktionen niedriger Ord-

nung sind in Tabelle III aufgeführt.

Tabelle III: Zugeordnete Kugelfunktionen

Die gesamte Winkelabhängigkeit kann dann folgendermaßen dargestellt werden:

Ylm(ϑ , ϕ) = eimϕsin m ϑ d m

d cosϑ mPl(cos ϑ)

Ylm sind Kugelfunktionen. Zu jedem l gibt es 2l + 1 Lösungen mit −l ≤ m ≤ +l

ε) Lösung für R(r)Um die Differentialgleichung für den radialen Anteil auf eine übersichtliche Form zu bringen,sind zwei Maßnahmen erforderlich:

1. Um die vom Maßsystem abhängigen Konstanten loszuwerden, wird r auf den BohrschenRadius a und E auf die Rydbergkonstante R normiert.

r = aρ, E = RHη

a = h/ 2(4πε0)me2

, RH = me4

2(4πε )2h/ 2

Die Differentialgleichung für R( ) nimmt dann die Form anρ

(3.10)R // + 2ρR /+

η + 2Z

ρ − l(l + 1)ρ2

R = 0

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2. Um das Verschwinden von R bei zu erzwingen, wird 3.10 für untersucht.ρ → ∞ ρ → ∞3.10 lautet für den asymptotischen Grenzfall

d2Rdρ2

+ ηR = 0

mit der Lösung

Rasym = Ke−ρ −η

Daher geht man mit dem Ansatz in Gl. 3.10. Man erhält dann eine Diffe-R(ρ) = U(ρ)e−ρ −η

rentialgleichung für U :(ρ)

ρ2U // + 2 1 − ρ −η

ρU /+2

z − −η ρ − l(l + 1)

U = 0

die mit einem Reihenansatz gelöst werden kann. Der Reihenansatz führt zu der Rekursions-formel

cν =2

−η ν − Z

ν(ν + 1) − l(l + 1)cν−1

Wie für den Winkelanteil divergiert die Reihe. Die einzigen sinnvollen Lösungen ergeben sich,wenn die Reihe abbricht. Dies ist der Fall für

−η ν − Z = 0

woraus sofort die Balmerformel folgt

En = −RZ2

n2

Die Forderung, daß der Nenner nicht verschwindet, führt zu der Bedingung

l < n

Die Lösung des Radialanteils hat damit die Form

Rnl(r) = Nnle− −η ρρlLn+l

2l+1 2 −η ρ

Dabei ist Nnl ein Normierungsfaktor, hängt mit den Laguerreschen PolynomenLn+l2l+1

zusammen, die man ähnlich wie die Kugelfunktionen mit einer Differentiationsvorschriftkonstruieren kann:

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Lν = eρ dν

dρν (e−ρρν)

Die zugeordneten Polynome erhält man dann aus

Lνµ = dµ

dρµ Lν

Die Darstellung der Radialanteile der Wellenfunktion zeigt, daß für l ≠ 0; Rnl(0) = 0. Für l = 0gibt es eine endliche Aufenthaltswahrscheinlichkeit bei r = 0. Diese Tatsache hat für die Hy-perfeinstruktur Bedeutung. Die Größe des Atoms wird durch den Erwartungswert von r

beschrieben.

⟨rk⟩ = ∫0

∞R ln

∗ rkR lnr2dr

<1/r> entspricht genau dem reziproken Wert des Bohrschen Radius.

Die Gesamtlösung schreibt sich dann

ψn,l,m = eimϕPlm(cosϑ)Rnl(r)

Abb. 11: Die Funktionen Plm(cosθ).

Die Funktionen Rnl(r) und Plm (cos ) sind in Abb. 11 und Abb.12 dargestellt.ϑ

Abb. 12: Die radialen Funktionen

Die Funktionen nennt man auch Orbitale. Eine räumliche Vorstellung von Orbitalen mitψl,n,m

kleinen Quantenzahlen bietet Abb. 13. Das s-Orbital ist kugelsymmetrisch. Das pz-Orbital mitl = 1 und m = 0 erstreckt sich entlang der z-Achse (Y1,0 = cos ). Entsprechende Orbitale ent-ϑlang den anderen beiden Achsen erhält man durch Linearkombination

px = Y1,1 + Y1,−1 ∼ x sin ϑ

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py = Y1,1 − Y1,−1 ∼ y sin ϑ

unter Verwendung von

Y1,±1 = sinϑe±iϕ = sinϑ(x ± iy)

Abb. 13: s- und p- Orbitale

c) Inversionssymmetrie von ψl,n,m

Für viele Zwecke, z.B. die Berechnung von Übergangswahrscheinlichkeiten sind Symmetrieei-genschaften von Wellenfunktionen von zentraler Wichtigkeit. Symmetrieeigenschaften bleibenoft erhalten, wenn Elektronenorbitale durch andere Teilchen gestört werden, etwa beim Auf-bau eines Moleküls aus Atomen. Symmetrieeigenschaften sind daher vorteilhaft zur Kenn-zeichnung von Zuständen. Eine wichtige Symmetrieeigenschaft ist die Symmetrie gegenüberSpiegelung an einem Punkt, für den man den Koordinatenursprung wählt.

In Kugelkoordinaten ist diese Inversion gleichbedeutend mit Ersetzung von

ϕ durch ϕ+πθ durch θ+π

und Belassen von r.

In der Physik beschreibt man das Symmetrieverhalten gegenüber Inversion durch die Parität.Eine gerade Funktion (im Beispiel für eine Variable) mit fg(x) = fg(-x) hat die Parität 1, eineungerade mit fu(x) = -fu(-x) hat die Parität -1. Formal kann man die Parität als Eigenwert ein-

führen. Der Inversionsoperator macht aus einer Funktion f(x) die invertierte FunktionI

If(x) = f(−x)

d.h. für gerade bzw. ungerade Funktionen gilt

mit dem Eigenwert 1Ifg(x) = fg(x) mit dem Eigenwert -1Ifu(x) = −fu(x)

Das Produkt von zwei Funktionen mit definierter Parität ist gerade, wenn beide gleiche Paritäthaben, sonst ungerade.

Die Parität von Ylm ergibt sich aus folgender Überlegung.

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Die Legendrepolynome werden durch l-malige Differentiation eines geraden Polynoms er-zeugt. Daher gilt für die Parität P

P(Pl) = (−1) l

Ebenso entstehen die zugeordneten Kugelfunktionen aus Pl durch Differentiation.

Wegen Plm = (1 − x2)m/2 dm

dxm Pl(x)

ist also P(Plm) = (−1) l(−1)m = (−1) l+m

Diese Eigenschaft läßt sich direkt aus Tabelle III ablesen. eimϕ hat die Parität wie sinmϕ odercosmϕ,

P(eimϕ) = (−1)m

so daß insgesamt die Parität für eimϕ Plm unabhängig von m ist. Damit ergibt sich

P(Yl,m) = (−1) l

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KAPITEL CSpin-Bahn-Magnetismus

1. Magnetisches Moment und Bahnbewegunga) Was ist Spin-Bahn-Magnetismus?

In der bisherigen Betrachtung wurde die magnetische Wechselwirkung außer Betracht gelas-sen. Eine kreisende elektrische Ladung erzeugt aber einen Dipol. Wenn wir das magnetische

Dipolmoment mit µ bezeichnen, wird durch ein äußeres Feld B auf ihn ein Drehmoment

M0 = µ × B

ausgeübt und eine potentielle Energie

Wmagn = µ • B

erzeugt.

Hierdurch ergibt sich eine Beeinflussung der Energieterme in einem äußeren Magnetfeld, dieim Zeeman-Effekt beschrieben wird.

Es zeigt sich, daß das Elektron neben dem mit dem Bahndrehimpuls verknüpften magnetischen

Moment µl ein mit dem Spin (im klassischen Bild der Drehung um den eigenen Schwerpunkt)verknüpftes magnetisches Moment µs besitzt. Dieses wechselwirkt mit µl. Man sieht klassischsofort ein, daß die Energie eines Systems von zwei Dipolen von der gegenseitigen Ausrichtungabhängt. Da diese Ausrichtung gequantelt ist, ergibt sich eine Aufspaltung in eine endliche An-zahl von Niveaus, bei einem Leuchtelektron in zwei Niveaus. Diese Aufspaltung, die also ohneäußeres Magnetfeld vorhanden ist, nennt man Feinstruktur.

Abb. 15: Die Gesamtenergie eines Systems vonMagneten hängt von der gegenseitigen Ausrichtung ab

b) Magnetisches Moment eines kreisenden Elektrons

Auf eine Drahtschleife im Magnetfeld wird ein Drehmoment

Mp = I A x B

ausgeübt, wobei der Vektor A als Betrag die Fläche der Stromschleife und als Richtung dieRichtung der Flächennormalen der Stromschleife besitzt. Analog zum elektrischen Dipol, beidem Mp = p x E ist, nennt man daher

µ = I • A

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Harald Schüler
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das magnetische Dipolmoment der Stromschleife.

Für ein kreisendes Elektron der Ladung -e0 ist

I = −νe0 = − ω2π

e0 = − v2πr

e0

µ = πr2I = −12

rve0

Da der Drehimpuls der Bahn l = mevr ist und l in Richtung der Flächennormalen liegt ergibtsich

µ = −12

e0m l

c) Das gyromagnetische Verhältnis

Man schreibt allgemein

µ = −γl

und nennt γ das gyromagnetische Verhältnis. Hier ist

γ = 12

e0m

Für l = h ist

µ = e0

2mh/ = µB = 9 ⋅ 10−24Am2

das Bohrsche Magneton. Mißt man µ in Einheiten von µB und l in Einheiten von h, nennt mandas Verhältnis µ'/l' den Landéschen g-Faktor. Dieser ist also ein Maß für das gyromagnetischeVerhältnis in dimensionsloser Form.

g =µ/µB

l/h/

da , ist für die Bahnbewegung. g läßt sich direkt über den Einstein-de-µ = µBlh/

µ/µB

l/h/= 1

Haas-Effekt oder spektroskopisch gewinnen.

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2. Der Spin des Elektrons

a) Stern-Gerlach Versuch

Abb.16: Stern - Gerlach Versuch

Im Stern-Gerlach Versuch führt man einen Atomstrahl durch ein inhomogenes magnetischesFeld. Im klassischen Bild erfahren Atome mit einem magnetischen Moment eine seitliche Ab-lenkung, die von der Ausrichtung des magnetischen Momentes relativ zum Magnetfeld ab-hängt. Wenn wir uns vorstellen, das magnetische Moment rühre von einer Bahnbewegung vonElektronen im Atom her, ergibt sich die Richtungsquantelung von µ aus der Quantelung derz-Komponente des Drehimpulses (z ist die Richtung von B).

Lz = mh mit m = 0, ±1, ±2,...±l

Die Gesamtzahl von möglichen Einstellungen ist also 2l + 1. Dies erlaubt die Bestimmung vonl durch Abzählen der unterschiedlichen Ablenkungswinkel im Stern-Gerlach Versuch.

Der ursprüngliche Stern-Gerlach Versuch wurde mit Silberatomen durchgeführt. Er zeigte ei-

ne Aufspaltung in zwei Teilstrahlen, d.h. einen Drehimpuls sh mit 2 s + 1 = 2

s = 1/2 h

Für die Deutung muß man wissen, daß Silber, wie aus dem Spektrum bekannt ist, ein s-Niveauals Grundzustand besitzt. D.h. l = 0 und mit der Bahnbewegung des Leuchtelektrons ist keinmagnetisches Moment verbunden. Der Rumpf hat immer einen Gesamtdrehimpuls l = 0. Der

gemessene Drehimpuls 1/2 h wird dem Spin zugeordnet, der im klassischen Bild der Eigenro-tation des Elektrons um den Schwerpunkt entspricht.

b) Landé-Faktor des Spins

Wie der Einstein-de Haas-Versuch zeigt, ist mit dem Spin des Elektrons ein Landé-Faktor 2verbunden. Klassisch würde man g = 1 erwarten, wenn die Ladung an die Masse gebunden ist.Man spricht deshalb vom anomalen gyromagnetischen Verhältnis. Die Dirac-Theorie sagtg = 2 für den Spin voraus. Präzisionsmessungen an einzelnen Elektronen in Teilchenfallen er-geben eine geringfügige Abweichung von 2

g = 2,0023

Man interessiert sich für den genauen Wert von g, da die Abweichung von 2 durch Effekte derQuantenelektrodynamik erzeugt werden.

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c) Aufbau der Elektronenhülle

Der vollständige Satz von Quantenzahlen für ein Elektron in einem Atom ist n, l, ml, ms. Dabeikann n die Werte n = 1,2,3,... annehmen. Von Elektronen mit n = 1,2,3,... sagt man, sie befin-den sich in der K, L, M, ... Schale. l charakterisiert die Unterschalen und hat die Werte l = 0,1, ..., n - 1. ml beschreibt die Richtung von l gegenüber einer Vorzugsrichtung, z.B. einem äu-ßeren Feld oder einer Molekülachse. ml nimmt die Werte -l bis +l an. ms gibt die Ausrichtungdes Spins an und hat die Werte ±1/2.

In einem Mehrelektronensystem ändert sich für das einzelne Elektron das Potential und damitdie Wellenfunktion. Die Wellenfunktion behält aber ihre Symmetrie bei und kann nach wie vordurch die gleichen Quantenzahlen beschrieben werden. Schreitet man im periodischen Systemvom Wasserstoff zu den schwereren Elementen vor, indem man dem Proton des H-Kerns wei-tere Protonen (und Neutronen) und die gleiche Anzahl Elektronen in der Hülle zufügt, so wer-den alle möglichen Zustände von tieferen Energien her aufgefüllt. Dabei können nach demPauliprinzip Zustände jeweils nur von einem Elektron besetzt werden. In seiner einfachstenForm besagt das Pauliprinzip, daß sich in einem Atom zwei Elektronen nur in Zuständen befin-den können, die sich mindestens in einer Quantenzahl unterscheiden. Es folgt ursprünglich ausspektroskopischen Beobachtungen, hat sich aber als universell für Teilchen mit halbzahligenSpin erwiesen.

Tabelle IV: Aufbau der Elektronenhülle derElemente im periodischen System

Quantenmechanisch drückt man das Pauliprinzip durch eine Symmerieforderung an die Wel-lenfunktion mehrerer identischer Teilchen mit Spin 1/2 aus: ψ(1, 2, ...) muß antisymmetrischgegenüber Vertauschung der Teilchen sein. Löst man die Wellenfunktion für mehrere identi-sche Teilchen in einem Potential, so muß, da ψ2 die Aufenthaltswahrscheinlichkeit beschreibt

ψ2(1, 2) = ψ2(2, 1)d.h. ψ(1, 2) = ψ(2, 1)oder (2.1)ψ(1, 2) = −ψ(1, 2)Nur der antisymmetrische Fall erfüllt das Pauliprinzip, da Gleichung 2.1 nur erfüllbar ist,wenn ψ bei einem identischen Satz von Quantenzahlen für die beiden Elektronenverschwindet.

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3. Spin-Bahn-Kopplung

a) Einleitung

Ähnlich wie im Stern-Gerlach-Versuch verschiedene Einstellmöglichkeiten des Elektronen-spins zu einem Magnetfeld bestehen, können auch in der Atomhülle die Spins der Elektronenrelativ zu den inneren Magnetfeldern der Hülle unterschiedlich ausgerichtet sein und dadurcheinen Beitrag zur Energie des Zustandes liefern.

Um die hiermit verbundene Energie zu berechnen, greifen wir ein Elektron heraus, das imklassischen Bild im elektrostatischen Feld des Kerns kreist. Nach den Regeln der Elektrodyna-mik ist mit der Bewegung im elektrostatischen Feld E ein Magnetfeld

Bv = − 1c2

(v × E)

verbunden. Man kann sich die Entstehung dieses Feldes veranschaulichen, indem man sich insBezugssystem des Elektrons setzt. Der positiv geladene Kern umkreist dann das Elektron underzeugt an dessen Ort ein magnetisches Feld.

b) Die Addition von l und s

Bei Vorliegen einer Vorzugsrichtung z gibt es für ein System mit einem Drehimpuls l 2l + 1Zustände. Diese veranschaulicht man sich mit dem Vektormodell, indem man sie sich als die2l + 1 möglichen Ausrichtungen des Drehimpulses relativ zu der Vorzugsrichtung vorstellt,die dadurch entstehen, daß die lz ganzzahlige Differenzen aufweisen. Bei einem Spin mits = 1/2 gibt es im allgemeinen also 2s + 1 = 2 Möglichkeiten der Einstellung, d.h. Doublettsmit den Gesamtdrehimpulsquantenzahlen j = l ± 1/2.

Nur für l = 0, d.h. S-Terme existiert keine Vorzugsrichtung gegenüber der s sich einstellenkönnte. S-Terme zeigen also keine Feinstruktur.

Für einen P-Term mit l = 1, s = 1/2 gibt es also die zwei Möglichkeiten 2P1/2, 2P3/2 mit der

Termbezeichnung 2s +1Lj. s und j können also halbzahlige Werte annehmen, ∆j ist immerganzzahlig.

c) Die Energie der Aufspaltung

Eine zusätzliche potentielle Energie des Spin-Dipols ist

∆W = µ • Bv

mit und erhält manBv = − 12(v × E) E = Ze

4πε r3r

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Bv = −Ze4πε0c2r3

(v × r)

v x r kann man durch den Drehimpuls ersetzen l = −mv×r

also Bv = Ze4πε0c2mer3

l

Durch Mittelung mit der Wellenfunktion ψl,n,m erhält man

1r3

∼ Z3

men3

Da B ~ l und µs ~ s wird ∆ · W = µ · B = as · l. Die klassische Berechnung liefert hier einenFehler von genau einem Faktor 2, dem Thomasfaktor, der durch eine relativistische Betrach-tung beseitigt werden kann.

Z ist die Kernladungszahl. ∆W nimmt also mit wachsendem n ab und mit wachsendem Z zu.Bei Wasserstoff ist die Feinstruktur nur schwer beobachtbar. In Na ist sie mit einfachen Mit-teln auflösbar (589,0 589,6). In Cs ist der Abstand einzelner Doublettkomponenten über40 nm entfernt (894 nm 852 nm).

s · l läßt sich durch den Kosinussatz in die entsprechenden Quantenzahlen umschreiben.

(s + l)2 = s2 + l2 + 2l • s → l • s = 12

(j2 − s2 − l2)

W = a2

[j(j + 1) − s(s + 1) − l(l + 1)]

In Doubletts von Alkalimetallen hat man

s = 12

, j = l ± 12

W+ = a2

l + 1

2

l + 3

2 − 1

232

− l(l + 1)

= a2

l2 + 2l + 3

4− 3

4− l2 − l = a

2l

W− = a2

l − 1

2

l + 1

2 − 3

4− l2 − l

= a

2 l2 − 1

4− 3

4− l2 − l = −a

2(l + 1)

Wir merken uns, daß die Aufspaltung mit steigendem l wächst und daß im allgemeinen in ei-nem Doublett der Term mit dem größeren j die höhere Energie besitzt.

Abb. 17: Die Feinstruktur in Einelektronensystemen

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d) Multipletts der Alkalimetalle

Das Spektrum ergibt sich aus der Aufspaltung des oberen und unteren Terms und den Aus-wahlregeln. Die Auswahlregeln stellen zunächst Erfahrungssätze dar, können aber quantenme-chanisch begründet werden. (s. Kap.F).

Für Einelektronensysteme heißen sie

∆l = ±1

∆j = 0, ±1

(wobei der Übergang von j = 0 nach j = 0 immer verboten ist), d.h. nur solche Übergängewerden beobachtet, für die die Auswahlregeln gelten. Die Auswahlregel ∆l = ±1 beinhaltet an-schaulich, daß sich beim Übergang der Drehimpuls des Elektrons um den des ausgesandtenPhotons ändert.

Abb. 18 zeigt die verschiedenen Möglichkeiten der Termanordnung im Einelektronensystemund das resultierende Spektrum.

Abb. 18: Erlaubte Übergänge in den Seriender Alkalimetalle und dazugehörigeSpektren

e) Intensitätsregeln

Die Intensitäten der Linien innerhalb eines Multipletts ergeben sich für die Linien, die die Aus-wahlregeln erlauben, im wesentlichen aus den statistischen Gewichten. Sie werden in den Re-geln von Burger und Dorgelo, auch Summenregeln genannt, zusammengefaßt:

Die Summe der Intensitäten aller Linien in einem Multiplett, die von einem gemeinsamenAnfangsniveau ausgehen (auf einem gemeinsamen Niveau enden), zu der Summe derIntensitäten aller Linien, die von einem anderen gemeinsamen Niveau ausgehen, (auf einemanderen enden) ist proportional zu den statistischen Gewichten dieser NiveausDas statistische Gewicht ist dabei durch den Entartungsgrad der Niveaus gegeben:

g = 2J + 1

Als Beispiel wird ein Übergang

S → P

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betrachtet. Der P-Term spaltet auf in 2P3/2 und 2P1/2 mit den statistischen Gewichten g = 4 undg = 2. Das Intensitätsverhältnis ist hier also einfach gleich dem Verhältnis der statischen Ge-wichte I1 : I2 = 2 : 1.

Bei einem Übergang P → D sind die Verhältnisse in Tabelle V dargestellt.

Tabelle V: Anwendungder Summenregeln

X, Y, Z sind die unbekannten Intensitäten. Sie ergeben sich aus den SummenregelnX

Y + Z= 6

4, X + Y

Z= 4

2Sucht man die kleinsten ganzen Zahlen, die diese Gleichungen erfüllen, erhält man

X : Y : Z = 9 : 1 : 5

f) Feinstruktur des Wasserstoffs

Im Wasserstoff ist die Feinstrukturaufspaltung ∆We,s = as · l so gering, daß sie von der glei-chen Größenordnung wie die relativistische Korrektur durch die Massenvergrößerung bei ho-

hen Geschwindigkeiten ∆Wrel ist.

Wn,l,j = Wn,l + ∆Wrel + ∆Wl,s

Berücksichtigt man beide Effekte, so erhält man

∆WFS = ∆Wrel + ∆Wl,s = Rα 2Z2

n2

nj + 1/2

− 34

mit (Feinstrukturkonstante)α = e2

4πε0h/c

Die Formel unterscheidet sich von der Sommerfeldschen Formel dadurch, daß l durch j ersetztist. Es ergibt sich also eine Aufspaltung, die unabhängig von l ist (Abb. 19).

Abb. 19: Feinstruktur beim Wasserstoff

34

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Eine genaue experimentelle Analyse der Feinstruktur wurde durch Lamb und Retherford 1947vorgenommen.

Abb. 20: Versuch von Lamb undRetherford

Die Mikrowellenfrequenz wird variiert. In der Resonanz des Übergangs 22S1/2 - 22P3/2 nimmtdie Anzahl der metastabilen Atome im Atomstrahl ab (nachgewiesen durch die abgegebeneEnergie an der Metalloberfläche). Gleichzeitig nimmt die Intensität von Lα ab. Die Lamb-Ver-schiebung kann mit Hilfe der Quantenelektrodynamik berechnet werden. Sie ist von der Größe∆ν = 0,035 cm-1

35

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4. Kopplung in Mehrelektronensystemen

a) Einleitung

Bei mehreren Elektronen muß man außer den besprochenen Kräften der Spin-Bahn Kopp-lung, Kräfte zwischen den Spins und den Bahndrehimpulsen der einzelnen Elektronen be-rücksichtigen. Da die Kräfteverhältnisse unterschiedlich sein können, ergeben sich unterschied-liche Kopplungsmöglichkeiten. Von diesen sind zwei Grenzfälle besonders einfach:

α) Die Spin-Bahn-Kopplung ist schwach gegenüber der Spin-Spin bzw. Bahn-Bahn Kopp-lung. Da ∆W ~ Z4/mn4, ist dies besonders bei Atomen mit kleiner Kernladungszahl, also leich-ten Atomen der Fall. Diese Kopplungsart nennt man Russel-Saunders oderLS Kopplung.

β) Die Spin-Bahnkopplung ist stark. Diesen Fall nennt man jj-Kopplung. Sie gilt für schwerereAtome (Atome großer Kernladungszahl Z).

b) Die LS-Kopplung

Bei der LS-Kopplung addieren sich zunächst die Spins der Einzelelektronen zu einemGesamtspin

S = Σsi

Die Spins werden dabei algebraisch addiert, d.h. für jedes Elektron wird 1/2 zugezählt oderabgezogen, so daß der Gesamtspin positiv ist. Bei 4 Elektronen kann S also die Werte 0, 1, 2annehmen.

Ebenso addieren sich die Bahndrehimpulse zu einem Gesamtbahndrehimpuls

L = Σ li

Die Addition erfolgt hier vektoriell, d.h. die 2l + 1 Einstellmöglichkeiten werdenberücksichtigt.

L und S addieren sich dann vektoriell zum Gesamtdrehimpuls J

J = L + S,

wobei J immer nur positive Werte annimmt.

36

Abb. 21: Addition vonl und s

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Als Beispiel wird das Zweielektronensystem Helium besprochen. Helium hat im Grundzustanddie Elektronenkonfiguration (1s)2. Wie He verhalten sich die Elemente der zweiten Gruppe desperiodischen Systems Be, Mg, Ca, Sr, Ba und der zweiten Nebengruppe: Zn, Cd, Hg.

Die Kombination der Spins ergibt

S = 1/2 - 1/2 = 0 und S = 1/2 + 1/2 = 1.

Im ersten Fall hat man die Multiplizität 2S + 1 = 1, d.h. ein System von Singulett-Termen, imzweiten Fall 2S + 1 = 3, also ein System von Triplett-Termen. Da Übergänge, bei denengleichzeitig der Spin umklappt, sehr selten sind, hat man in den meisten Systemen eine relativrigorose Auswahlregel ∆S = 0, d.h. es finden praktisch keine Übergänge zwischen Termen desTriplett- und des Singulettsystems statt. Ursprünglich vermutete man zwei verschiedene Sor-ten Helium. Die S-Terme sind auch im Triplettsystem nicht gespalten. Das Termschema desHe ist in Abb. 22 wiedergegeben.

Abb. 22: Termschemades HeI

Auffällig ist, daß es zwar einen 11S Term, aber keinen 13S Term gibt. Dieses Phänomen undviele andere in der Atom- und Molekülspektroskopie haben zur Formulierung des Pauliprin-

zips geführt. Es besagt hier, daß es keine zwei Elektronen geben kann, bei denen alle Quan-tenzahlen gleich sind. Die Quantenzahlen der beiden Zustände wären:

11S : n1 = 1, n2 = 1, s1 = 12

, s2 = −12

, l1 = 0, l2 = 0

13S.

: n1 = 1, n2 = 1, s1 = 12

, s2 = +12

, l1 = 0, l2 = 0

Im 13S Zustand wären alle 4 Quantenzahlen der beiden Elektronen identisch, was nach demPauliprinzip verboten ist. Dieser Zustand kommt also nicht vor.

Als Beispiel für ein Dreielektronensystem wird das Termschema von NI besprochen. NI hat imGrundzustand die Konfiguration (1s)2 (2s)2 (2p)3. Ähnlich verhalten sich Elemente der GruppeVb der periodischen Systeme wie P, As, Sb, Bi

Bei der Addition der Spins gibt es zwei Möglichkeiten

37

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Abb.21: Addition der Spins bei drei Elektronen

Man beachte: Die Spins addieren sich nur kollinear, d.h. die Möglichkeit mit S = 1 existiertnicht.

Der Grundzustand ist ein 4S3/2-Zustand, der nicht aufspaltet. 4P-Terme bestehen nur aus 3 Mit-gliedern J = 5/2, 3/2, 1/2. Andere Terme mit J 0 gibt es nicht bei L = 1. Allgemein gilt, daß≥ein Term nur dann die maximale Anzahl von Feinstrukturelementen enthält, wenn L S.≥Wegen der kollinearen Addition der Spins erhält man bei einer geradzahligen Anzahl vonElektronen ungeradzahlige Multiplizität und bei einer ungeradzahligen Anzahl geradzahligeMultiplizität. Schreitet man daher im Periodensystem von Element zu Element fort, so erhältman abwechselnd geradzahlige und ungeradzahlige Multiplizitäten.

c) jj-Kopplung

Bei der jj-Kopplung addiert man zunächst s und j für jedes Elektron

si + li = j i

und addiert dann die Gesamtdrehimpulse jedes Elektrons zum Gesamtdrehimpuls des gesam-ten Systems.

Σ j i = J

Der Gesamtbahndrehimpuls L ist nicht mehr definiert.

Als Beispiel wird Blei mit Z = 82 betrachtet. Blei hat im Grundzustand die Elektronenkonfigu-ration ( )6p 7s

Die Quantenzahlen der äußeren Elektronen sind also l1 = 1, l2 = 0, s1 = 1/2, s2 = 1/2

Es ergeben sich folgende Terme

j1 = l1+s1 = 3/2

j2 = l2+s2 = 1/2

mit den Kombinationen J = 2 und J = 1

Bezeichnung (3/2,1/2)2, (3/2, 1/2)1

j1 = l1 - s1 = 1/2

j2 = l2 + s2 = 1/2

mit den Kombinationen J = 1 und J = 0

Bezeichnung (1/2, 1/2)1 und (1/2, 1/2)0

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KAPITEL DAtome im äußeren Feld

1. Atome im B-Felda) EinleitungBei Vorliegen eines äußeren Feldes können Drehimpulse im halbklassischen Bild gegenüberdiesem diskrete Richtungen einnehmen. Man unterscheidet den Zeeman-Effekt im B-Feld undden Starkeffekt im E-Feld. Die Aufspaltungsbilder unterscheiden sich deutlich. Außerdem un-terscheiden sie sich für schwache und starke Felder, wobei das Vergleichsfeld das sein kann,das zu einer Termverschiebung führt, die mit der Feinstruktur vergleichbar ist, d.h. bei der dieWechselwirkungsenergie mit dem Magnetfeld mit der Energie der Spin-Bahnkopplung ver-gleichbar wird, oder das Feld, bei dem die magnetische Wechselwirkungsenergie vergleichbarmit der elektrostatischen Energie im Atom wird. Bei der Aufspaltung im Magnetfeld sprichtman im ersten Fall vom Paschen-Back Effekt, im zweiten vom Landaubereich.

b) Aufspaltungsmuster im Zeeman-Effekt

Im Magnetfeld kann im Prinzip L, S oder J Richtungsquantelung zeigen. Bei LS-Kopplungund schwachem B-Feld, also im Bereich des Zeeman-Effektes nimmt S relativ zu L eine festeRichtung ein. J gyriert um die Magnetfeldrichtung, wobei L und S gemeinsam um J gyrieren.Hierbei mitteln sich die Komponenten aller Drehimpulse zu Null bis auf Jz. Die Quantenbedin-gung muß also auf Jz angewandt werden

Jz = mh/

m nennt man die magnetische Quantenzahl. Sie kann die Werte m = 0, ±1, ±2,...±J anneh-men. Der Term spaltet also in 2J + 1 Unterniveaus auf. Da ∆W = µ · B und µz ~ Jz, ist dieTerm- aufspaltung äquidistant. Der Zeeman-Effekt ist ein wichtiges Werkzeug für die Ter-manalyse. Er wird außerdem zur Ausmessung von Magnetfeldern in Plasmen, z.B. an der Son-nenoberfläche ausgenutzt. Als Beispiel wird das Doublett der Na-D Linien betrachtet. Die Li-nien entsprechen einem Übergang

32S - 32P

Die Feinstruktur führt für l ≠ 0 zu Termen mit j = l ± s. Der untere Term 32S1/2 spaltet nichtauf, der obere spaltet in die Terme 32P3/2 und 32P1/2 auf. Der Übergang 32S1/2 - 32P3/2 führt zuλ1 = 589,0 nm, 32S1/2 - 32P1/2 führt zu λ2 = 589,6 nm. Durch den Zeeman-Effekt spaltet

32S1/2 in 2 Terme mit m = ± 1/2

32P3/2 in 4 Terme mit m = ± 1/2, ± 3/2

32P1/2 in 2 Terme mit m = ± 1/2

siehe Abb. 24

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Harald Schüler
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Abb. 24: Zeeman Effekt der Na D Linien

Bei Beobachtung senkrecht zum Magnetfeld zeigen die Übergänge mit ∆m = ±1 lineare Pola-risierung senkrecht zu B (σ-Komponente), die mit ∆m = 0 lineare Polarisierung parallel zu B(π-Komponenten). Die Polarisierung überlegt man sich am besten am klassischen Zeeman-Ef-fekt (s. nächsten Abschnitt).

c) Polarisation

Man betrachte ein schwingendes Elektron im Magnetfeld. Um die im allgemeinen komplizierteBewegung besser zu überblicken, zerlege man sie in drei Komponenten entsprechend der dreiräumlichen Freiheitsgrade. Eine Komponente sei parallel zu B. Diese Bewegung wird durch Bnicht beeinflußt. Es ergibt sich hierdurch eine unverschobene Komponente. Die Strahlung ei-nes Dipols in B-Richtung ist parallel zu B nicht beobachtbar und senkrecht zu B linear polari-siert mit E || B0.

Abb. 25: Polarisation und Beobachtbarkeit derπ-Linien im Zeeman Effekt

Die Bewegung senkrecht zu B wird in zwei Kreisbewegungen zerlegt mit entgegengesetztemUmlaufsinn, da diese im Magnetfeld einfacher zu behandeln sind als lineare Bewegungen.Stellt man sich vor, anfangs sei B = 0, und B werde auf B0 hochgefahren, so wird dabei durchInduktion eine der Rotationsbewegungen beschleunigt, die andere verzögert. Es entstehen alsozwei gegenüber der Linie ohne Magnetfeld verschobene Linien.

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Abb. 26: Polarisation bei den σ-Linien im ZeemanEffekt

Parallel zum Magnetfeld wird zirkular polarisiertes Licht ausgesandt, senkrecht zu B linearpo-larisiertes mit E in der Rotationsebene. Der klassische Zeeman-Effekt führt also zu einer Auf-spaltung in drei Linien: eine unverschobene (π-)Linie, die parallel zu B nicht beobachtet wirdund bei Beobachtung senkrecht zu B linear polarisiert ist mit E || B und zwei σ-Linien, die par-allel zu B beobachtet zirkular polarisiert sind und senkrecht zu B beobachtet linear polarisiertmit E ⊥ B sind.

Im Experiment zeigt sich dieser sogenannte normale Zeeman-Effekt nur, wenn die Aufspal-tung der oberen und unteren Niveaus gleich groß ist, so daß alle Linien mit gleichem ∆m zu-sammenfallen. Der häufiger vorkommende sogenannte anomale Zeeman-Effekt tritt wie beiden Na-D-Linien auf, wenn die Termaufspaltung unterschiedlich ist.

Zusammenfassend läßt sich also sagen:

Bei Beobachtung senkrecht zu B

- bei ∆m = ± 1 linear polarisiertes Licht ⊥ B "σ-Komponente"

- bei ∆m = 0 linear polarisiertes Licht || B "π-Komponente"

Bei Beobachtung parallel zu B

- ∆m = ±1 zirkulare Polarisation "σ-Komponente"

- ∆m = 0 verboten "π-Komponente"

d) Energiedifferenzen

Um zu entscheiden, ob ein bestimmter Übergang normalen oder anomalen Zeeman-Effektzeigt, ist es notwendig, die Größe der Energiedifferenz bei der Aufspaltung zu ermitteln. Diese

ist gegeben durch

∆W = µ•B

Die Schwierigkeit bei der Berechnung von µ · B, besteht darin, daß j bestimmte Ausrichtungs-möglichkeiten zum Magnetfeld hat, µ aber als Folge der gyromagnetischen Anomalie nichtparallel zu j liegt, so daß µ um j präzediert und nur die Komponente µj zur Energie beiträgt.

∆W = µ j • B

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Abb. 27: Vektorgerüst zur Ableitung derEnergiedifferenzen bei der Zeeman Aufspaltung

J = L + S

Da und folgtµ = µL +µ s µL = γLL, µ s = 2γLS

µ = γL(L + 2S)

mit γL = e2m

Die relevante Komponete µj ist

µ j = γL(L + 2S) • JJ

Vektoriell:

µ j = γL(L + 2S) • JJ

JJ

Da ist, definiert man ein gj jetzt analog g =µ/µB

l/h/µ j = gj

e2m

J = gγLJ

und nennt gj wie vorher den Landé-Faktor. Dieser ist hier also:

g = (L + 2S) • J

J 2= (L + 2S) • (L + S)

J 2= L2 + 3S • L + 2S2

J2

S · L wird nach dem Kosinussatz ersetzt:

(L + S)2 = L2 + S2 + 2L • S L • S = 1(J2 − L2 − S2)

Wir ersetzen jetzt die Drehimpulsvektoren durch ihre Quantenzahlen nach der Regel

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J 2 = J(J + 1)

g = 1 + J(J + 1) + S(S + 1) − L(L + 1)2J(J + 1)

Da istJz = mjh/

∆W = gmjµBB0

Die Termenergie in Einheiten von µB · B0 ist gegeben durch g·mj. Da mj ganzzahlige Differen-zen hat, haben die Zeeman-Niveaus konstante gegenseitige Energieabstände, die proportionalB0 sind.

Beispiel: NaD

32P3/2: j = 3/2, s = 1/2, l = 1/2

g = 1 +32 ⋅ 5

2 + 12 ⋅ 3

2 − 1 ⋅ 2

2 ⋅ 152

= 1 + 15 + 3 − 84 ⋅ 15/2

= 43

m = ±12

, ±32

mg = ±23

, ±63

32P1/2: j = 1/2, s = 1/2, l = 1

g = 1 +12 ⋅ 3

2 + 34 − 2

3/2= 1 + 3 + 3 − 8

6= 2

3

m = ±12

mg = ±13

32S1/2: j = 1/2, s = 1/2, l = 0

g = 1 +34 + 3

4

3/4 ⋅ 2= 2

m = ±12

mg = ±1

43

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Normale Zeeman-Tripletts treten in Singulettsystemen auf, da hier die gyromagnetische An-omalie keine Rolle spielt. Wegen S = 0 ist J = L

g = 1 + L(L + 1) − L(L + 1)2L(L + 1) = 1

Die Aufspaltung des oberen und unteren Terms ist gleich groß.

Eine andere Möglichkeit für die Entstehung eines normalen Zeeman Tripletts besteht in Über-gängen zwischen speziellen Niveaus wie

3P0 - 3S1

da hier überhaupt nur 3 Übergänge möglich sind.

Abb. 28: Übergänge, die zum normalenZeeman Effekt führen

e) Paschen-Back-Effekt

Im Zeeman-Effekt wachsen die Termabstände mit dem Magnetfeld. Wenn die Termabständevergleichbare Größe wie die Feinstrukturaufspaltung haben, wird die Wechselwirkungsenergie

zwischen µj und dem äußeren Feld vergleichbar mit der LS-Kopplung. Die LS-Kopplung brichtalso zusammen und L und S gyrieren einzeln um B. Diese Grenze für starkes Feld, B0, ist beileichten Atomen schneller erreicht als bei schweren, da bei leichten die Spin-Bahn-Kopplungschwächer ist. Für B >> B0 vereinfacht sich das Aufspaltungsbild. Man spricht vom Paschen-Back-Effekt. Die Termaufspaltung

∆W = −(ml + 2ms)µBB

mit den Auswahlregeln

π Übergänge∆ml = 0 :

σ Übergänge∆ml = ±1

∆ms = 0

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Abb. 29: Zeeman und Paschen - BackEffekt der Na D Linien

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2.Atome im elektrischen Feld

a) Einleitung

Die Aufspaltung oder Verschiebung von Spektrallinien im elektrischen Feld nennt man Stark-effekt. Er wurde experimentell von Johannes Stark (1874 - 1957) entdeckt (1913). Die theore-tische Erklärung durch Epstein und Schwartzschild 1916 galt als eine der wichtigsten Erfolgeder Bohrschen Theorie. Zu seiner Beschreibung war die Einführung von parabolischen Koor-dinaten erforderlich (s. Abb.30).

Abb. 30: Für die Beschreibung des klassischenStarkeffekt sind parabolische Koordinaten erforderlich

Auch experimentell ist der Starkeffekt schwerer zugänglich als der Zeeman-Effekt, da esschwierig ist, entsprechend starke elektrische Felder in einem leuchtenden Gas, das ja immereine gewisse Leitfähigkeit besitzt, aufrecht zu erhalten.

Der Hauptunterschied im Aufspaltungsbild, verglichen mit dem Zeeman-Effekt, besteht darin,daß ein Term in etwa die Hälfte von Untertermen aufspaltet. Dies liegt im halbklassischen Bilddaran, daß die Energieabsenkung ∆W unabhängig von der Umlaufrichtung des Elektrons ist,da diese mit ∆W verbundenen Kräfte elektrostatischer Natur sind. Daher ergibt sich für ±ml diegleiche Energie.

Abb. 31: Termverschiebung beim Starkeffekt

b) Linearer und quadratischer Stark-Effekt

Die Termverschiebung ist p · E, wobei jetzt p das elektrische Dipolmoment ist. Bei Atomen,die auch ohne äußeres Feld ein Dipolmoment besitzen, ergibt sich eine Termverschiebung, diedem E-Feld proportional ist

∆W = αE

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Dies ist der lineare Starkeffekt. Er kommt nur bei im engeren Sinne wasserstoffähnlichen Ato-men vor wie H, HeII, LiIII, ...Im mechanischen Modell rührt dies daher, daß die Ellipsenbah-nen nicht durch Rumpfelektronen gestört werden und daher die großen Halbachsen der Ellip-sen fest im Raum stehen, so daß im Zeitmittel für die positive und negative Ladung unter-schiedliche Ladungsschwerpunkte existieren können.

Bei allen anderen Atomen muß das äußere Feld zunächst ein elektrisches Dipolmomentinduzieren

p = αpE

Daher ist ∆W =βE2. Dieser quadratische Starkeffekt existiert auch neben dem linearen imWasserstoff. Die Termverschiebung ist aber klein gegenüber der durch den linearenStarkeffekt.

c) Starkeffekt im Wasserstoff

Im Wasserstoff hat wegen der geringen Feinstrukturaufspaltung der Schwachfeldeffekt prak-tisch keine Bedeutung. Man hat es also immer mit dem Effekt im starken Feld zu tun. Den we-sentlichen Beitrag liefert der lineare Starkeffekt. Bei genauer Ausmessung der Linien machtsich der quadratische Anteil als Störung bemerkbar. Die Spin-Bahnkopplung führt zu einerKorrektur ~amlms der primären Aufspaltung. Sie wird im folgenden außer acht gelassen. ZurBeschreibung der Aufspaltung benötigt man folgende Quantenzahlen:

n = 1, 2, ..., ∞ , Hauptquantenzahl wie bisher

ml = 0, ±1, ±2,..., ±n - 1

n1 = 0, 1, 2, ..., n -1

n2 = 0, 1, 2, ..., n - 1

mit der Nebenbedinung ml + n1 + n2 + 1 = n und der Auswahlregel ∆ml = 0, ±1. n1 und n2 nenntman auch die elektrischen Quantenzahlen.

Für wasserstoffähnliche Atome ergibt sich nach Epstein und Schwartzschild

∆W = 3eh/2αm c

nZ

(n1 − n2)E + amlms

(α ist die Feinstrukturkonstante)

Der Faktor von n/Z kann umgeschrieben werden in e0a0·3/2, wobei e0 die Elementarladungund a0 der Bohrsche Radius ist. e0a0 ist die relevante Größe für einen elementaren atomarenDipol. Um die Anzahl der Terme zu ermitteln, in die ein Term mit der Hauptquantenzahl naufspaltet, sucht man alle möglichen Kombinationen von n1, n2, n, die die Bedingung n1 n-1,≤

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n2 n-1 erfüllen. n(n2-n1) gibt dann das Aufspaltungsmuster. Dabei fallen im allgemeinen eini-≤ge Niveaus zusammen. Das für die Auswahlregeln notwendige ml ergibt sich dann aus der Be-dingung ml = n - (n1 - n2) (s.Tabelle VI). Ein Term bestimmter Hauptquantenzahl n spaltet in2n-1 äquidistante Terme auf.

Tabelle VI: Quantenzahlen zur Ermittlungdes Aufspaltungsbildes beim Stark Effekt

d) Starkeffekt als quantenmechanisches Störungsproblem

Zur quantenmechanischen Beschreibung benutzt man die Störungstheorie, d.h. man geht voneinem Atom aus, dessen Verhalten ohne elektrisches Feld bekannt ist. D.h. die Schrödinger-Gleichung ohne äußeres Feld ist gelöst:

(1)H(0)ϕν = Wν(0)ϕν

H(0) = p2

+ V(r) p → −ih/ ∇

H(0) = − h/ 2

2m∆ + V(r)

Das hinzukommende elektrische Potential V = eE·r wird als kleine Größe angesehen, so daßder Gesamthamiltonoperator geschrieben wird

(2)H = H(0) + εH(1), H(1) = eE • r

ε kennzeichnet Terme kleiner Größe mit der Maßgabe, daß Terme mit ε2 gegenüber solchenmit ε vernachlässigt werden. ε hat den Wert ε = 1.

Als Lösungsansatz nimmt man eine Überlagerung der Lösungen des ungestörten Problems

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(3)ψ(r) = Σν=1

∞cνϕν(r)

Einsetzen in die Schrödinger-Gleichung mit Hamilton-Operator (2) ergibt:

(4)H(0)Σ cνϕν + εH(1)Σ cνϕν = W Σ cνϕν

außerdem gilt noch:

H(0)Σ cνϕν = Σ cνWν(0)ϕν

Damit kann der erste Term in (4) ersetzt werden.

Man multipliziert links mit und integriert über V, dabei nutzt man aus, daßϕµ∗

∫ ϕµ∗ ϕνdV = δµν

Im ersten und letzten Glied bleiben nur Terme mit Index µ übrig. Im mittleren Glied ergebensich Ausdrücke der Form

Hµν(1) = ∫ ϕµ

∗ H(1)ϕνdV = Hνµ(1)

Die Matrixelemente des Störoperators . Damit ergibt sich für jedes µ eine Gleichung derH(1)

Form

(5)ε Σν

Hµν(1)

cν = W − Wµ

(0) cµ

Es soll die Störung für ein bestimmtes Ausgangsniveau WK berechnet werden. Dann ist

ψ(0)(r) = ϕK

cK = cν(0) + εcK

(1) + ε2cK(2) + ...

Da für ν = K die ungestörte Lösung herauskommen soll, muß

cK = 1 + εcK(1) + ε2cK

(2) + ...

cν = εcν(1) + ε2cν

(2) + ..., (ν ≠ K)W = WK

(0) + εWK(1) + ε2WK

(2) + ...

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Gleichung (5) wird damit mit Gliedern bis ε2

ε Σ Hµν(1)

cν(0) + εcν

(1) + ε2cν(2)

= +WK

(0) + εWK(1) + ε2WK

(2) − Wµ(0)

(0) + εcµ(1) + ε2cµ

(2)...

Für ansteigende ε muß die Gleichung zunächst für alle Glieder ohne ε erfüllt sein (bzw. mit ε0),dann für alle Glieder mit ε usw.. Man kann also einen Koeffizientenvergleich für Glieder mitgleichem εn durchführen. Dabei läßt sich in jeder Ordnung n Wν und cν mit Hilfe der Lösungder niedrigeren Ordnungen ausrechnen. Wegen der unterschiedlichen Form von cν für ν = Κund ν ≠ Κ müssen diese beiden Fälle gesondert betrachtet werden.

Koeffizientenvergleich für ε0:

identisch erfülltµ = K, (cK = 1), → WK(0) = WK

(0)

identisch erfülltµ ≠ K, (cK = 0), da cµ(0) = 0 fur ν ≠ K

Koeffizientenvergleich für ε1

µ = K, WK(1) = HKK

(1)

Es stellt sich heraus, daß (da und E = const., hat der Integrand bei µHµν(1) = ∫ ϕµ

∗ ErϕνdV

= ν = Κ die Parität von r und ist deshalb ungerade.)

µ ≠ K Wµ

(0) − WK(0)

cµ(1) = −HµK

(1)

cµ(1) =

−HµK(1)

Wµ(0) − WK

(0)

In zweiter Ordnung erhält man für den Fall µ = Κ die Energie

W = WK(0) + HKK

(1) +ΣHKν

(1) 2

WK(0) − Wν

(0)

wobei die Symmetrie von Hκν ausgenutzt wurde.

Man erkennt, daß diese Art der Störungsrechnung nur möglich ist, wenn , d.h.WK(0) ≠ Wν

(0)

wenn die Terme nicht entartet sind. Da , erhält man den quadratischen Starkeffekt.HKν(1) ∼ E

Die Verschiebung ist besonders groß, wenn sich andere Terme in der Nähe des betrachtetenTerms befinden und Hκν nicht gleichzeitig sehr klein wird.

50

HKK(1) = 0

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Im entarteten Fall, d.h. in wasserstoffähnlichen Atomen überwiegt der Beitrag der Terme, diezu den entarteten Wellenfunktionen gehören. Daher berücksichtigt man bei der Überlagerungder Wellenfunktionen nur diese und geht mit dem Ansatz

ψ(r) = Σ cν(0)ϕν(r)

in Gl. (5). Man erhält ein homogenes Gleichungssystem für die Koeffizienten cν(0). Aus der

Lösbarkeitsbedingung erhält man ein Polynom, das zusammen mit der Normierungsbedingungcν

(0) bestimmt. Es ergibt sich eine Energieverschiebung, die proportional ~ E ist.

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KAPITEL EDie Verbreiterung von Spektrallinien

1. EinleitungBei den bisherigen Betrachtungen wurden die Energieniveaus als unendlich scharf angenom-men. Die emittierten Spektrallinien wären dann - solange ihre Breite nicht durch das Auflö-sungsvermögen des Spektralapparates begrenzt ist - beliebig scharf. In der Praxis gibt es keineunendlich schmalen Spektrallinien. Dies liegt allein schon an der endlichen Lebensdauer einesangeregten Niveaus. Wegen der Heisenbergschen Unschärferelation

∆E∆t ≥ h/

ergibt sich bei einer Lebensdauer τ eine Unschärfe

∆E ≥ h/τ

Im klassischen Bild wird diese Verbreiterung durch Strahlungsdämpfung hervorgerufen: Einkreisendes Elektron strahlt aufgrund seiner Beschleunigung kontinuierlich ab. Die pro Zeit ab-gegebene Energie ist

dWdt

= −2e2

3

••x

2

Daraus ergibt sich eine Dämpfung des emittierten Wellenzuges.

E(t) = E0e−δtcos (ω0t + ϕ)

Eine gedämpfte Schwingung kann aber nicht durch eine Sinusfunktion bestimmter Frequenzwiedergegeben werden. Die Fourieranalyse

a(ω) = ∫0

∞E(t)e−iωtdt = E0∫0

∞e(i(ω0−ω)−δ)tdt = 1

i(ω0 − ω) − δ

ergibt eine Intensitätsverteilung

I ∼ aa ∗ ∼ 1

1 +

ω−ω0

δ

2

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Harald Schüler
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Abb. 32: Die Strahlungsdämpfung hat ein LorentzProfil zur Folge

d.h. ein Lorentzprofil mit einer Halbwertsbreite δ. Diese sogenannte natürliche Linienbreite istim klassischen Fall unabhängig von der Wellenlänge der Linie 1,18 · 10-5 nm. Da in realen Sy-stemen die Lebensdauer der Anregungsstufen sehr unterschiedlich sein können, sind auch dieLinienbreiten unterschiedlich. Verbotene Übergänge haben besonders kleine natürliche Linien-breiten. Die obige Betrachtung gilt nur für ein einzelnes ruhendes Atom ohne störende Nach-barn. Durch die Bewegung wird eine Spektrallinie über den Dopplereffekt verschoben, durchstörende Nachbarn wird die Lebensdauer verkürzt oder die Energieniveaus werden durch denStarkeffekt im elektrischen Feld der Störteilchen verschoben. Im Mittel über viele Teilchen er-gibt sich somit eine verwaschene Linie.

Für Messungen, bei denen es auf eine möglichst gute Auflösung oder genaue Messung derWellenlänge ankommt, ist die Verbreiterung ein störender Effekt. Solche Messungen machtman daher an möglichst dünnen, kalten Gasen, z.B. Atomstrahlen. Andererseits ist es möglich,aus Messungen an Linienprofilen Informationen zu gewinnen. So kann aus der Ausmessungder natürlichen Linienbreite die Lebensdauer von Atomen bestimmt werden. Lebensdauermes-sungen sind wichtig für die Bestimmung von Übergangswahrscheinlichkeiten, mit denen Lini-enintensitäten berechnet werden können.

Die Ausmessung der Dopplerbreite ergibt die Geschwindigkeitsverteilungsfunktion der strah-lenden Teilchen und damit die Temperatur. Die Störung durch Nachbarteilchen gibt Auskunftüber die Anzahl dieser Teilchen. Mechanismen, bei denen die Linienbreite von der Teilchen-dichte der Störteilchen abhängt, heißen Druckverbreiterungsmechanismen. Je nach Wechsel-wirkungsgesetz kann die Druckverbreiterung durch geladene Teilchen nach dem linearen oderquadratischen Starkeffekt erfolgen oder durch ungeladene gleichartige oder fremde Atome.Eigendruck- und Fremdgasverbreiterung spielt in einigen astrophysikalischen Plasmen eineRolle. In all diesen vier Fällen der Druckverbreiterung unterscheidet man zwei Grenzfälle: dieStoßverbreiterung, bei ihr ist die Stördauer kurz gegen die Strahlungsdauer. - Das Linienprofilergibt sich dann aus der Fourieranalyse des gestörten Wellenzuges - und der statistischen oderauch quasistatischen Verbreiterung, bei der das strahlende Teilchen sich praktisch dauernd ineinem Störfeld befindet. Das Linienprofil wird aus einer statistischen Betrachtung der Häufig-keit von Verschiebungen im Mikrofeld gewonnen, es spiegelt daher die Mikrofeldverteilungwider.

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Systematik der Linienverbreiterungsmechanismen

unabhängig von p abhängig von p (Druckverbreiterung)

Stoßverbreiterung quasistatische Verbreiterung

1. natürliche Linienbreite linearer Starkeffekt linearer Starkeffekt

2. Dopplerbreite quadratischer Starkeffekt quadratischer Starkeffekt

Eigendruckverbreiterung Eigendruckverbreiterung

Fremdgasverbreiterung Fremdgasverbreiterung

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2. Dopplerverbreiterung

Wir nehmen an, die strahlenden Atome besitzen eine Maxwellsche Geschwindigkeitsvertei-lung, d.h. die Anzahl der Teilchen mit einer Geschwindigkeit zwischen vx und vx+dvx, wobei xdie Richtung der Sichtlinie angibt, ist

(1)f(vx)dvx = e−12mvx

2/kTdvx = e−vx2/vth

2dvx

wobei als Abkürzung gesetzt wurde.vth2 = 2kT

mDie Intensität des Linienprofils bei ∆λ ist proportional zu der Anzahl der Teilchen, die auf-grund ihrer Geschwindigkeit vx genau die Dopplerverschiebung ∆λ erzeugen.

Abb. 33: Zusammenhang von Linienprofil undVerteilungsfunktion bei der Dopplerverbreiterung

(2)I(∆λ)dλ = f(vx)dvx

mit (3)∆λλ

= vxc

Es genügt hier die Näherung v << c. Führt man als weitere Abkürzung analog ∆λ0 ein:

∆λ 0

λ= vth

c

d.h. ∆λ 0 = λc vth

und ersetzt in der rechten Seite von (2) f(vx) durch (1) und vx mit Hilfe von (3) und diese Ab-kürzungen durch ∆λ, so erhält man das Linienprofil

I(∆λ) = e−(∆λ/∆λ0)2

(Die Normierung ist hier so gewählt, daß I(0) = 1.)

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∆λ 0 = λc vth, vth = 2kT

m

Man erhält ein Gaußprofil mit einer 1/e-Breite ∆λ0, die mit der Wurzel T wächst. Bei einernichtmaxwellschen Geschwindigkeitsverteilung spiegelt das Dopplerprofil diese wider.

Dopplerverbreiterung ist eine inhomogene Linienverbreiterung, d.h. die Wahrscheinlichkeit derEmission von , P(ω), ist für die einzelnen Atome unterschiedlich. Dies ermöglicht durchh/ωAuswahl von Teilchen, z.B. dadurch, daß man nur Teilchen mit einer gewissen Geschwindig-keit an dem betrachteten spektroskopischen Prozeß teilnehmen läßt, die Verbreiterung zuunterdrücken.

Im Gegensatz dazu ist bei einer homogenen Linienverbreiterung wie der natürlichen Linien-breite P(ω) für alle Atome gleich.

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3. Stoßverbreiterung (Weißkopf-Theorie)

a) Fourieranalyse

Während der freien Flugzeit τ wird ein sinusförmiger Wellenzug ausgesandt. Das Linienprofil,d.h. die Intensitätsverteilung im Frequenzraum ergibt sich aus den Formeln desFourierintegrals

Abb. 34: Der Wellenzug bei Stoßverbreiterung

a(ω) = ∫−∞

+∞x(t)e−iωtdt

x(t) = 12π∫−∞

+∞a(ω)eiωtdω

Das Profil wird üblicherweise so normiert, daß seine Fläche ist. Wir in-a(ω) 2 ∫−∞

+∞a2dω =1

teressieren uns im folgenden nicht für den Zahlenfaktor.

x(t) =

eiωt, t ≤ t/20, t ≥ t/2

a(ω) ∼ ∫−t/2

+t/2ei(ω0−ω)tdt = ei∆ωt/2 − e−i∆ωt/2

i∆ω=

sin ∆ωt2

∆ω2

a ⋅ a ∗ = (eix − e−ix)(e−ix − eix)2

= 2 − e2ix − e−2ix

2

(4)a ⋅ a ∗ = 2 − ei∆ωt − e−i∆ωt

∆ω2

b) Wahrscheinlichkeit für freie Flugzeit

Die Wahrscheinlichkeitsverteilung der freien Flugzeit t ergibt sich aus einer Betrachtung derStöße eines Teilchenstrahls mit einem Gas von ruhenden Teilchen ("Feldteilchen"), derenQuerschnittsfläche bekannt ist.

Abb. 35: Zur Definition desWirkungsquerschnittes

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Wir nehmen an, in ein Volumen mit n Feldteilchen pro Volumeneinheit, die eine Querschnitts-fläche σ aufweisen, treffen N0 Strahlteilchen. Die Teilchen stoßen wie starre Kugeln. DieStrahlteilchen werden durch den Stoß aus dem Strahl gestreut.

Die Wahrscheinlichkeit für eine Streuung in dx ist dann

W+dx = dNN

= nAdxσA

= nσdx

Die Strahlteilchen nehmen durch Stöße ab

N(x) = N0e−nσx

Die Größe kann man als Wahrscheinlichkeit auffassen, daß ein TeilchenN(x)N0

= e−nσx = W−(x)

bis x keinen Stoß erlitten hat.

Die Wahrscheinlichkeit für ein Teilchen, das bei x = 0 gestartet ist, zwischen x und x + dx ei-nen Stoß zu erfahren, ist das Produkt der Wahrscheinlichkeit, bis x nicht gestoßen zu habenmal der Wahrscheinlichkeit, in dx zu stoßen. Man kann auch sagen, in dx stoßen nur die Teil-chen, die bis x gekommen sind, N(x)

(5)W(x)dx = W+W−dx = nσdxe−nσx

Hieraus ergibt sich die mittlere freie Weglänge λ durch Mittelung des mit W(x) gewichtetenfreien Weges x.

λ = ∫0

∞xW(x)dx = ∫0

∞xnσe−nσxdx

Das Integral läßt sich mit Hilfe der partiellen Integration ausrechnen. Mit der Substitution

u = x, v = e−nσx

erhält man . Der Übergang zur freien Flugzeit t ergibt sich über die Beziehung x = vt.λ = 1nσ

Mit λ = vτ definiert man analog die mittlere freie Flugzeit τ.

τ = 1nσv

(6)W(t)dt = e−t/τ dtτ

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c) Wichtung mit W(t)dt

Das Linienprofil erhält man aus Wichtung der Intensitätsverteilung (4) mit der Verteilung derfreien Flugzeiten (6)

I(ω) = 1τ ∫0

∞I(ω, t)W(t)dt

= 1τ ∫0

∞ 1∆ω2 [2e−i/τ − e [i∆ω−1/τ]t − e [−i∆ωt−1/τ]t]dt

= τ 2

1 +

∆ω1/τ

2

Es ergibt sich ein Lorentzprofil (Dispersionsprofil) mit der halben Halbwertsbreite ∆ωH = 1/τ.

Abb. 37: Lorentz Profil

Die Stoßfrequenz ν läßt sich mit dem Stoßquerschnitt verknüpfen

1τ = nσv

σ ist ein optischer Stoßquerschnitt, v ist die thermische Geschwindigkeit. Um eine Aussageüber die Abhängigkeit der Halbwertsbreite ∆ωH von der Temperatur T und der Störteilchen-dichte n zu erhalten, wird der Stoßquerschnitt abgeschätzt. Dieser hängt von dem speziellenWechselwirkungsgesetz ab. Beim quadratischen Starkeffekt gilt

∆ω ∼ E2 ∼ 14

Abb. 36: Vorbeiflug eines Störteilchens an einemstrahlenden Atom

∆ω =C414

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Allgemein hat man ∆ω = Cp · 1/rp, wobei p = 4 bei quadratischem Starkeffekt, p = 2 bei linea-rem Starkeffekt, p = 3 bei Eigendruckverbreiterung, p = 6 bei Fremdgasverbreiterung (van derWaals-Kräften) zu setzen ist. Wir definieren als Stoß einen Vorbeiflug, bei dem eine bestimmte

Phasenverschiebung , z.B. ϕ = 1 erzeugt wird.ϕ = ∫−∞

+∞∆ω(r(t))dt

ϕ = ∫−∞

+∞ Cp

rp dt = ∫−∞

+∞ Cpdt

r0

2 + v2(t − t0)2

p/2

Der Radius, bei dem = 1 wird, bestimmt den Wirkungsquerschnitt. Man nennt ihnϕWeißkopfradius

rw = α pCp

v

1/(p−1)

Bei quadratischem Starkeffekt ist p = 4

σ ∼ rw2 ∼ v−2/3, ∆ωH ∼ nv1/3 ∼ nT1/6

Die Abhängigkeit mit v1/3 zeigt, daß Elektronen einen um eine Größenordnung größeren Ef-fekt liefern als Ionen. Die Halbwertsbreite ist nur schwach von der Temperatur abhängig, aberproportional zur Anzahl der Störteilchen pro Volumen, hier proportional zur Elektronendichtene. Sie eignet sich, da keine detaillierten Annahmen zur Temperatur gemacht zu werden brau-chen, besonders zur Bestimmung der Störteilchendichte. Die Starkeffektkonstante Cp be-schreibt die Empfindlichkeit des Terms gegenüber Störungen. Die Linienbreite wird durch dieBreite des oberen und unteren Terms bestimmt. Bei einer Aufspaltung muß der Effekt der ver-schiedenen Termkomponenten überlagert werden. Im allgemeinen wächst die Starkeffektkon-stante mit wachsender Hauptquantenzahl n, so daß der obere Term den Hauptbeitrag liefert.Üblicherweise wird bei einer Eichmessung die Linienbreite bei bekannten Bedingungen ausge-messen und zur Bestimmung von ne die Proportionalität ∆ωH ~ ne ausgenutzt. Bei einer Mes-sung muß sichergestellt werden, daß der dominante Effekt der quadratische Starkeffekt ist.Wasserstofflinien werden durch die quasistatische Verbreiterung bestimmt. Hier gilt nicht∆ωH ~ ne. Ähnliches gilt, wenn der Dopplereffekt dominiert. Im Linienkern unterscheiden sichdie Linienprofile, die durch verschiedene Verbreiterungsmechanismen erzeugt werden, nur ge-ringfügig. In den Linienflügeln können die Unterschiede hingegen drastisch sein. Stoßverbrei-terungsprofile fallen in den Flügeln mit 1/∆λ2 ab, Dopplerprofile mit e−(∆λ)2

Eine genauere Theorie (Lindholm) berücksichtigt den Einfluß der vielen Fernstöße mit kleinerPhasenverschiebung. Diese bewirken eine Verschiebung des Linienschwerpunktes. Außerdemwird die adhoc Annahme = 1 nicht erforderlich.ϕ

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4. Zusammenwirken von Stoß- und Dopplerverbreiterung

a) Faltungsintegral

Um das Profil, das aus der Überlagerung von Doppler- und Stoßverbreiterung entsteht, zu be-rechnen, unterteilt man z.B. das Gaußprofil f(λi) in schmale Streifen gleicher Breite ∆λ. JederStreifen entspricht der Ausstrahlung eines durch Stöße ungestörten Atoms. Im Grenzfall∆λ→0 kann man diese Strahlung als δ - Funktion darstellen

x = δ(λ)

anschaulich als eine Rechteckfunktion, bei der die Fläche I konstant gehalten wird, währenddie Breite ∆λ gegen Null geht. Jede dieser nadelförmigen Verteilungen führt zu einem stoßver-breiterten Profil I·h(λ), der Impulsantwort. Das Gesamtprofil ergibt sich also aus der Überla-gerung der entsprechend verschobenen und mit der Intensität gewichteten Impulsantworten:

Abb. 38: Wie das Faltungsintegralzustande kommt

mit y(λ) = Σ Iih(λ − λ i) Ii = f(λ i)∆λy(λ) = Σ f(λ i)h(λ − λ i)∆λ

Im Grenzübergang wird daraus das Faltungsintegral.

y(λ) = ∫−∞

+∞f(λ /)h(λ − λ /)dλ /

b) Voigtprofile

Die Faltung von Gauß- und Lorentzprofil nennt man Voigtprofil. Mit der Normierung derWellenlängenskala auf die Dopplerbreite ∆λ0

v = ∆λ∆λ 0

, α = ∆λ Stoß

∆λ 0

haben sie die Form

H(α, v) = απ ∫−∞

+∞ e−y2

α 2 +(v − y)2dy

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Im Experiment paßt man oft beliebige Profile an Voigtprofile an und ermittelt damit denGauß- und Lorentzanteil. Bei weiterer Verarbeitung, z.B. Faltung mit Apparateprofilen sindLorentz- und Gaußprofile besonders bequem. Z.B. addieren sich Halbwertsbreiten von Gauß-profilen quadratisch von Lorentzprofilen linear:

(bei Gaußprofilen)∆λHges2 = ∆λH1

2 + ∆λH22

(bei Lorentzprofilen)∆λHges = ∆λH1 + ∆λH2

Um dies zu beweisen, benutzt man den Faltungssatz, der besagt, daß die Fouriertransformierteder gefalteten Funktion gleich dem Produkt der Fouriertransformierten der einzelnen Funktio-nen ist.

y(λ) = ∫ f(λ /)h(λ − λ /)dλ / → F(y) = F(f) ⋅ F(h)

c) Verallgemeinerungen

Die Faltung zweier Funktionen ist ein nützliches Instrument auf vielen Gebieten der Physik. Inder Spektroskopie wird die Verzerrung einer Spektrallinie durch die Apparatebreite des Spek-trografen durch eine Faltung von Apparateprofil und Linienprofil ausgedrückt.

Optische Abbildungen kann man mit einer Faltung im Ortsraum beschreiben. Man ermittelt zu-nächst das Bild einer Punktlichtquelle Iδ(x,y). Dieses habe die Verteilung Ih(x,y). Das wahreBild einer Intensitätsverteilung f(x,y) ergibt sich dann aus einer Faltung von f(x,y) und der Im-pulsantwort h(x,y). Im Prinzip ist so z.B. Bei bekannter Impulsantwort durch den umgekehrtenProzeß, die Entfaltung, eine Verbesserung der Bildwiedergabe möglich. Eine Begrenzung ent-

steht nur durch die Ungenauigkeiten von Meßwerten, da bei einer Entfaltung Schwankungenverstärkt werden.

In der Schaltungstechnik interessiert man sich für die zeitliche Verzerrung eines Signals durcheinen Übertrager. Hier ermittelt man für den Übertrager die zeitliche Impulsantwort h(t) underhält die Form eines Ausgangs bei beliebigem Eingang f(t) durch Faltung.

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5. Quasistatische Verbreiterung

a) Einleitung

Geladene Teilchen in der Umgebung eines strahlenden Atoms führen zum Starkeffekt, d.h. ei-ner Aufspaltung oder Verschiebung der Linien. Wenn man sich auf eine Komponente einerSpektrallinie konzentriert, hat man in jedem Fall eine Verschiebung ∆ω, die vom elektrischenFeld und damit vom Abstand des Störteilchens r abhängt. In der Linienverbreiterungstheoriemacht man allgemein den Ansatz

∆ω =Cp

rp

wobei Cp eine Konstante, die Starkeffektkonstante, ist und p je nach Mechanismus die Werte2, 3, 4 oder 6 annimmt (s. Abschnitt 3).

Für den zeitlichen Verlauf der Störung gibt es zwei Grenzfälle (s. Abb. 39).

Abb. 39: Das Zeitverhalten der Störung: oben im Grenzfallder Stoßverbreiterung, unten der quasistatischenVerbreiterung

α) Das Atom strahlt die meiste Zeit ungestört (∆ω = 0). Die Störung ist auf sehr kurze Zeit-räume konzentriert. Diesen Fall nennt man die Stoßnäherung.

β) Die Frequenz ist ununterbrochen gestört, wobei ∆ω schwankt. Diesen Fall nennt man diequasistatische Näherung, die im folgenden behandelt wird.

Die Intensität der Spektrallinie bei ∆ω ist dann proportional zu der Wahrscheinlichkeit, mit dersich ein Störteilchen im Abstand r vom strahlenden Atom aufhält.

Abb. 40: Die Intensitätsverteilung spiegelt die Wahrschein-lichkeit W(r) wider, daß sich ein Störteilchen im Abstand rbefindet

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I(∆ω)dω =W(r)dr

b)Wahrscheinlichkeit für ein Störteilchen zwischen r und r+dr

Die Wahrscheinlichkeit, daß sich ein Teilchen in einem Volumenelement dV befindet, ist

(7)W+(dV) = ndV

Die Wahrscheinlichkeit, daß sich kein Teilchen in dV befindet, ist

W−(dV) = 1 − ndV

Die Wahrscheinlichkeit, daß sich kein Teilchen in einem größeren Volumen V befindet, ermit-telt man, indem man V in V/dV Teilvolumina unterteilt und für alle TeilvolumenW−(dV)multipliziert:

W−(V) = W−(dV)W−(dV)... = W−(dV)V/dV = (1 − ndV)V/dV

Nach Definition von en: ergibt sich mit der Substitutionen =x→∞lim

1 + nx

x

x = 1dV

bei dV → 0

W−(V) = e−nV

Damit ist die Wahrscheinlichkeit, daß sich ein Teilchen genau im Volumen zwischen r undr + dr befindet

W(r) = W+(4πr2dr) ⋅ W−

4π3

r3 = n4πr2dr ⋅ e−4π

3r3n

(8)W(r) ∼ r2dre−(r/r0)3

mit r03 = 3

4πnoder

4πr03

3n = 1

ist die Teilchenzahl im Volumen mit Radius r0. r0 ist also bis auf einen Faktor der Grö-4π3

r03n

ßenordnung 1 der mittlere Abstand der Teilchen.

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c) Das Linienprofil

Um mit Hilfe von G. (7) das Intensitätsprofil zu ermitteln, muß über die Formel

∆ω =Cp

rp

der Zusammenhang von ∆ω und ∆r hergestellt werden. Aus dieser Formel und der analogenDefinition von ∆ω0

∆ω0 =Cp

r0p

erhält man sofort die dimensionslose Variable

rr0

3

= ∆ω0

∆ω

3/p

und mit die Intensitätsverteilung nach Gl. (8)r2dr = C∆ω−(3/p+1)dω

(9)I(∆ω)dω =K 1∆ω(ω+p)/p

e−

∆ω0∆ω

3/p

Abb. 41: Das Linienprofil bei quasistatischerVerbreiterung

Das Profil ist unsymmetrisch und der Schwerpunkt gegenüber der ungestörten Linie ∆ω = 0 verschoben. Es läßt sich darstellen als Funktion von , d.h. bei einem bestimmten ∆ω

∆ω

β0 = ∆ωH

∆ω

hat das Profil die halbe Zentralhöhe. ∆ωH ist die Halbwertsbreite mit∆ωH = β0∆ω0

erhält man die Abhängigkeit der Halbwertsbreite von der∆ω0 = Cp/r0p

und r0 =3 3/4πnStörteilchendichte

(10)∆ω0 = Cnp/3

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Bei linearem Starkeffekt (p = 2) nimmt die Halbwertsbreite also mit n2/3 zu, bei quadratischem

mit n4/3. Der Abfall in den Flügeln geht nach Gleichung (9) mit also bei linearem1∆ω(3+p)/p

Starkeffekt mit bei quadratischem Starkeffekt mit Bei genauerer Betrachtung1∆ω5/2

1∆ω7/4

muß die Störung durch mehrere Teilchen und die vektorielle Überlagerung der Störfelder be-rücksichtigt werden. Man erhält die Holtsmarkverteilung

W

∆ω∆ω0

= 2∆ω0

π∆ω ∫0

∞vsinve

vω0∆ω

3/p

dv

die ein Maß für die Mikrofeldverteilung in einem Plasma darstellt. Eine weitere Verfeinerungder Theorie erfolgt dadurch, daß man die gegenseitige Beeinflussung der Störteilchen. z.B.durch Debye-Abschirmung berücksichtigt. Für die Berechnung eines realen Linienprofils mußder Beitrag aller einzelner Komponenten addiert werden. Die Abhängigkeit der Halbwertsbrei-te von der Störteilchendichte bleibt dabei erhalten.

c) Abgrenzung zwischen quasistatischer und Stoßverbreiterung

Bei der Untersuchung der Frage, wann quasistatische Verbreiterung bzw. Stoßverbreiterungeine Rolle spielt, stellt man fest, daß im allgemeinen beide Effekte gleichzeitig wirken. BeiStoßdämpfung wird während der Stoßzeit die Linie verschoben. Hierdurch wird eine quasista-tische Verbreiterung verursacht. Diese beeinflußt das Profil im Flügel, die Stoßdämpfung imKern. Die Grenze wird durch die Holsteinsche Grenzfrequenz gegeben.

∆ωG = vp/(p−1)

Cp1/(p−1)

(v ist hier die thermische Geschwindigkeit). Bei Wasserstofflinien liegt diese nahe am Zentrum,so daß das ganze Profil durch die quasistatische Verbreiterung bestimmt wird. Bei allen übri-gen Spektren liegt sie im allgemeinen für Elektronenstoß im Flügel. Ionenstöße, die nur eineKorrektur zu dem durch Elektronenstöße erzeugten Profil liefern, führen auch bei quadrati-schem Starkeffekt zu einem quasistatischen Profil. Dieses muß dann mit dem Stoßprofil derElektronen gefaltet werden.

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KAPITEL FÜbergangswahrscheinlichkeiten

1. Einleitunga) Grundbegriffe

Abb. 43: Betrachtet werden zwei Niveaus einesAtoms 1 und 2 mit den statistischen Gewichten g1

und g2.

Die Übergangswahrscheinlichkeiten oder Ratenkoeffizienten sind ein Maß für die Geschwin-digkeit, mit der ein Übergang von einem Anfangszustand in einen Endzustand übergeht. NachEinstein beschreibt man diese für die zwei stationären Zustände mit den Energien E2 und E1

durch die Koeffizienten A21, B21, B12, die definiert sind durch

dN2

dt= A21N2 + uνB21N2

dN1

dt= uνB12N1

A21 ist der Koeffizient für spontane Emission, B21 für erzwungene Emission, B12 für Absorpti-on. uν ist die Energiedichte der Strahlung zwischen ν und ν+dν, wobei ν mit der Energiediffe-renz durch die Einsteinsche Beziehung

∆E = E2 − E1 = hν

verknüpft ist. uν hängt mit der Intensität Iν zusammen über

(1)uν = 4πc Iν

und Iν mit der durch einen Querschnitt A in den Raumwinkel Ω im Frequenzintervall abge-strahlten Leistung über

(2)Pν = Iν∆A∆Ω∆ν

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Harald Schüler
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Die Kenntnis der Übergangswahrscheinlichkeiten ist für die Atomphysik wichtig, da sie dieverbotenen und erlaubten Übergänge, die relativen Linienintensitäten und die Lebensdauernvon angeregten Zuständen angeben. Sie werden für die quantitative Analyse von leuchtendenGasen, etwa Sternplasmen, benötigt.

b) Abhängigkeit der Einsteinkoeffizienten untereinander

Die Einsteinkoeffizienten sind voneinander abhängig. Die Abhängigkeit ermittelt man am be-sten über die Hohlraumstrahlung. N Atome sollen sich im thermischen Gleichgewicht in einemHohlraum befinden. Dann muß für Strahlungsübergänge detailliertes Gleichgewicht herrschen:

dN1

dt= dN2

dt(A21 + B21uν)N2 = B12uνN1

Mit der Boltzmann - Formel

N1

N2= g1

g2ehν/kT

erhält man für die Dichte des Strahlungsfeldes

uν = A21g1g2

B12ehν/kT − B21

Dies muß mit der Planckschen Formel identisch sein. Das ist der Fall, wenn

g2B21 = g1B12

A21

B21= 8πhν3

c3

Die rechte Seite ist der Vorfaktor der Rayleigh - Jeans Formel. D.h. bei Kenntnis eines derKoeffizienten lassen sich die anderen ermitteln.

c) Zusammenhang mit der Lebensdauer

Wenn die spontane Emission sehr viel häufiger ist als die erzwungene, was bei themischemGleichgewicht fast immer der Fall ist, lautet die Differentialgleichung für den Zerfall des obe-ren Niveaus

dN2

dt= −N2Σ

uA2u

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wobei die Summe über alle tiefer als das Niveau 1 gelegenen Niveaus zu erstrecken ist. Manerhält das Zerfallsgesetz

mitN2 = N20e−t/τ 1τ = Σ

uA2u

τ nennt man die Lebensdauer.

d) Zusammenhang mit εr und κν

Der Absorptionskoeffizient κν ist definiert über den Intensitätsverlust ∆Iν entlang einer durch-strahlten Strecke ∆s

∆Iν = −Iνκν∆s

Um vom Intensitätsverlust auf Leistungsverlust ∆Pν zu kommen, muß man mit

∆A∆Ω∆s

multiplizieren (Gl. 2), also

∆Pν = dN1

dthν = −Iνκν∆s∆A∆Ω∆ν

Ersetzt man rechts Iν nach (1) und integriert über ∆ν und ∆Ω mit erhält man∫ ∆Ω = 4π

dN1

dthν = c

4πuν∫ κνdν4π∆Ω∆V

daraus ergibt sich schließlich, da und dN1

dt= B12N1uν n1 = N1

∫ κνdν = hνc B12n1

Entsprechend erhält man für die Leistung der erzwungenen Emission nach der Definition vonB21

hνdN2

dt= B21uνn2∆Vhν

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Dies muß nach der Definition des Emissionskoeffizienten

Iν = εν∆s

und der Intensität ∆P = ∆Iν∆ν∆A∆Ω

gleich sein εν∆s∆A∆Ω∆ν

Damit erhält man ∫ ενdν = hν4π

uνn2B21

für die spontane Emission entsprechend

hνdN2

/

dt= hνA21n2∆s∆A

∫ εν/ dν = hν

4πn2A21

e) Lichtverstärkung

Die gesamte Abnahme eines Lichtstrahls in einem Gas aus Atomen mit zwei Niveaus(∆E = hν) ergibt sich aus Absorption und Verstärkung durch erzwungene Emission.

∆I = −κI∆s + ε∆s

= −hν

c B12n1 + B21n24πc

hν4π

I∆s

= (B21n2 − B12n1)hνc I∆s

da , erhält manB12 = B21g2g1

∆I = n2 − g2

g1n1

B21

hνc I∆s

Man erkennt, daß der Lichtstrahl verstärkt wird, wenn . Für g2 = g1 heißt dies, wennn2 >g2

g1n1

mehr Teilchen im angeregten Niveau sind als im Grundniveau. Im thermischen Gleichgewichtist wegen der Boltzmannformel immer n2 < n1 , und der Strahl wird geschwächt. In Lasernoder Laserverstärkern erreicht man eine Besetzungsinversion. In einem realen System müssennoch die Verluste, z.B. durch spontane Emission berücksichtigt werden.

70

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2. Oszillatorstärken

Häufig spricht man statt von Übergangswahrscheinlichkeiten von Oszillatorenstärken. Die Os-zillatorenstärke ist ein Begriff aus der Dispersionstheorie, der eng mit den Übergangswahr-scheinlichkeiten verknüpft ist.

a) Zusammenhang von Absorptionskoeffizient und Brechungsindex

Der Raum - Zeitfaktor einer ebenen Welle

ei(ωt−kz) = eiω

t− kωz

läßt sich mit der Beziehung n = c/v umschreiben in

eiω(t−nc z)

Führt man einen komplexen Brechungsindex ein,

n = nr − ini

so beschreibt der Imaginärteil die Dämpfung der Welle

eiω(t−nc z) = e−

niωc zeiω(t−

nrc z)

Man erkennt, daß der erste Faktor die Amplitudenabnahme beschreibt mit derDämpfungskonstanten

(3)κ = niωc

b) Klassische Dispersionstheorie

Der Brechungsindex läßt sich über die Polarisierbarkeit eines Atoms berechnen.

n2 = εr = 1 +χ(Suszeptibilität)χ = Nα(Dipolmoment)p = αε0E

71

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Wir gehen von dem einfachsten Bild für das Atom aus: Ein gedämpfter harmonischer Oszilla-tor werde durch eine harmonische Welle angeregt. Die Bewegungsgleichung lautet:

••x +ω0

2x +γ •x= e

mE0eiωt

Mit dem Ansatz erhält man für x0x = x0eiωt

x0 = emE0

1−ω2 + ω0

2 + iγω

und damit für das Dipolmoment p = ex0

p = e2

m E01

−ω2 + ω02 + iγω

= αε0E0

und für χ = Nα

χ = Ne2

mε0

1−ω2 + ω0

2 + iγω= n2 − 1

c) Definition der Oszillatorenstärke

Quantenmechanisch ergibt sich unter Berücksichtigung aller vom Niveau 1 ausgehendenÜbergänge

(4)χ = N1e2

mε0Σo

f1o

−ω2 + ω02 + iγω

f12 nennt man die Oszillatorenstärke für Absorption. Sie gibt die Anzahl der Oszillatoren an,die das reale System ersetzen, wobei ist. (o sind alle erreichbaren oberenf ≤ 1 und Σ

of1o = 1

Niveaus). Bei Vorliegen von nur zwei Niveaus muß man also N im Ausdruck der klassischenElektronentheorie durch Nf12 ersetzen, um zum quantenmechanischen Ausdruck zu kommen

d) Real- und Imaginärteil des Brechungsindexes

Da die Dämpfung in Atomen i. a. klein ist, kann man in Gleichung (4)

ω02 − ω2 = (ω0 − ω)(ω0 + ω) = 2∆ωω0

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ersetzen

(5)χ = Ne2

mε0(γω)1

2∆ωγ + i

= Ne2

mε0(γω)

2∆ωγ − i

1 +

2∆ωγ

2

Ebenso kann man im komplexen Brechungsindex ni gegen nr vernachlässigen und nr überalldurch 1 ersetzen, wenn nicht eine Differenz zu 1 gefragt ist.

nr − 1 = Ne2

mε0γ2ω0

∆ω

1 +

2∆ωγ

2

(6)ni = Ne2

2mε0(γω)1

1 +

2∆ωγ

Der Imaginärteil spiegelt den Verlauf der Absorptionslinie wider, der Realteil denBrechungsindex.

Abb.44: Der Verlauf von Real- undImaginärteil des Brechungsindexes inder Umgebung einer Absorption

c) Zusammenhang f12 und B12

Der Absorptionskoeffizient wird mit Gleichung (3) und Gleichung (6)

κ = niωc = Ne2

2mε0γc1

1 +

2∆ωγ

2

Die Absorption der gesamten Linie ergibt sich durch Integration

∫−∞

+∞κd(∆ω) = Ne2

2mε0γcγ2 ∫−∞

+∞ 11 + x2

dx

mit x = 2∆ωγ , dx = 2

γd(∆ω)

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Das Integral ergibt π. Damit wird die Gesamtabsorption

∫−∞

+∞κd(∆ω) = Ne2π

4ε0mc

Durch Ersetzen von N durch Nf12 wird daraus

∫−∞

+∞κ(∆ω) = N1f12e2π

4ε0mc

Bei der Absorption in der klassischen Dispersionstheorie wurde nur eine Polarisationsrichtungberücksichtigt, während bei der Definition von B von natürlichem Licht ausgegangen wurde.Daher muß die rechte Seite von obiger Gleichung mit 2 multipliziert werden. Vergleicht mannun mit Gleichung (2):

∫−∞

+∞κdν = hν

c B12N1

erhält man schließlich:

f12 = 2ε0mhνπ 2

B12 =g2

g1

mc3ε0

π2 2ν2A21

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3. Experimentelle Bestimmung der Übergangswahrscheinlichkeiten

Abb. 45: Bestimmung derOszillatorenstärke imKingschen Ofen

a) Messung der Oszillatorenstärke in Absorption

Die Anordnung ist in Abb. 45 skizziert. Der zu untersuchende Stoff wird in einem KingschenOfen, d.h. einem Rohr aus Kohle oder Keramik, das elektrisch geheizt wird, verdampft. DieAbsorption an einem von außen eingestrahlten Licht wird spektral aufgelöst gemessen. DieMessung ergib . Die Teilchen befinden sich im Grundzustand. Ihre Dichte wird über den∫ κνdνDampfdruck, der sich aus der Temperatur ergibt, gemessen. Andere Anordnungen benutzenstatt des Kingschen Ofens einen Atomstrahl. Die Teilchendichte wird dann aus einer Wägungdes auf ein Target aufgedampften Materials bestimmt. Das Wiegen der entsprechend geringenMengen von Material geschieht über die Verstimmung eines Quarzoszillators.

b) Bestimmung von f aus der Dispersion (Hakenmethode)

Der Realteil des Brechungsindexes ergibt sich nach der Dispersionstheorie aus

(nr − 1) = N1f12e2

mε0γ2ω0

∆ω

1 +

2∆ωγ

2

Man erkennt, daß für große ∆ω die rechte Seite unabhängig von der Dämpfung γ wird. Hierläßt sich also aus dem Verlauf der Dispersion außerhalb der Linie N1f12 bestimmen. Eine ande-re Methode benutzt den Abstand der beiden Extrema (s. Abb. 46). Es zeigt sich, daß dieser di-rekt zu N1f12 führt: N1f12 ~ ∆2.

Abb. 46: Der Hakenabstand

N1 muß dann wieder z.B. über eine der unter α angegebenen Methoden bestimmt werden.

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Zur Aufnahme der Dispersionskurve in der Umgebung einer Linie schaltet man vor den Spek-trografen ein Interferometer, so daß die Streifenverschiebung durch n senkrecht zur Dispersi-onsrichtung des Monochromators erfolgt.

Abb. 47: Aufbau zur Hakenmethode

Am Ausgang des Spektrografen erhält man ein Interferenzmuster. In großer Entfernung vonder Linie steigen die Streifen linear mit der Wellenlänge, da die Position für Auslöschung d ~ λ(Abb. 48a). In der unmittelbaren Umgebung der Linie erfahren die Streifen eine zusätzlicheVerschiebung gemäß der Änderung des Brechungsindexes (Abb. 48b). Im Zentrum der Linieist wegen der Absorption kein Streifensystem zu beobachten, aber das Maximum und Mini-

mum rechts und links erscheinen als hakenförmige Muster und erlauben die Bestimmung desAbstandes ∆ und damit von N1f12

Abb. 48: Das Interferenzmuster in der Spaltebenebei der Hakenmethode

c) Experimentelle Bestimmung der Übergangswahrscheinlichkeit aus der Emission.

Der Emissionskoeffizient hängt, wie im Abschnitt 1 dieses Kapitels gezeigt wurde, mit denÜbergangswahrscheinlichkeiten zusammen. Setzt man ein optisch dünnes Plasma voraus, so ist

uν << B(ν,T), wobei B(ν,T) die Planckfunktion darstellt. Außerdem ist n2 << n1 im thermi-schen Gleichgewicht, was dazu führt, daß der zweite Term praktisch immer zu vernachlässigenist. Man mißt also , wobei man sich vergewissert, daß die Linie aus dünner Schicht emit-∫ εrdνtiert wird. Man erhält daraus sofort A21 n2. n2 muß dann aus den Gleichungen des thermischenGleichgewichtes ermittelt werden. Dies sind die Boltzmannformel

n2n0

=g2

u0e−W2/kT

(u0 ist die Zustandssumme der Teilchen im Grundzustand, n0 ihre Dichte.)

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Die Saha-Formel

nenin0

S(T) ∼ T3/2e−Wion/kT

Ladungsneutralität ne = ni

und eine weitere Gleichung, z.B. das ideale Gasgesetz (n0 + 2ne)kT = pges. pges ist der äußereDruck, im Lichtbogen z.B. der Atmosphärendruck. Die Gleichungen erlauben, die unbekann-ten n0, ne, ni, A12, T zu bestimmen. Etwas problematisch ist dabei der Begriff des Gleichge-wichtes, da im strengen thermodynamischen Gleichgewicht die Strahlung dem Planckgesetzfolgt, was der Voraussetzung optisch dünner Schicht widerspricht. Bei Überwiegen von Stoß-prozessen vor Strahlungsprozessen wird die Besetzung der Niveaus und der Ionisierungsgradnach wie vor durch Boltzmann- und Sahaformel bestimmt, während die Strahlung optischdünn sein kann. Wenn diese Bedingungen vorliegen, spricht man vom lokalen thermodynami-schen Gleichgewicht.

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4. Quantenmechanische Bestimmung derÜbergangswahrscheinlichkeiten

a) EinleitungZur quantenmechanischen Berechnung der Übergangswahrscheinlichkeiten muß die zeitabhän-gige Schrödingergleichung für das System Atom - Strahlungsfeld gelöst werden. Durch dasstrenge Verfahren, in dem sowohl Feld wie Atom quantenmechanisch beschrieben werden, las-sen sich alle drei Einsteinkoeffizienten ausrechnen. Man benötigt allerdings die Dirac Theorie.Wir benutzen ein halbklassisches Verfahren, bei dem die Welle klassisch, das Atom quanten-mechanisch betrachtet wird. Dies erlaubt mit Hilfe der nichtrelativistischen QuantenmechanikB12 zu berechnen. A21 und B21 ergeben sich dann aus den im vorigen Abschnitt abgeleiteten Be-ziehungen zwischen den Einsteinkoeffizienten. In dieser Näherung bleibt das Atom in einemstationären Zustand, solange es nicht gestört wird. Durch eine äußere Störung entsteht imLaufe der Zeit eine Mischung von Zuständen, so daß eine gewisse Wahrscheinlichkeit entsteht,das Atom auch in einem anderen Zustand zu finden.

b) Ansatz

Wir gehen von der zeitabhängigen Schrödingergleichung des Problems aus.

(7)ih/ ∂Ψ∂t

= HΨ

Wir nehmen an, daß der Hamiltonoperator aus einem Anteil besteht, der das stationäreHAtom beschreibt, und einer kleinen Störung durch die Welle . Das ungestörte ProblemHo H /

ist gelöst.

(8)H0ψn = Enψn

wobei wir der Einfachheit halber annehmen, daß die Eigenwerte En diskret und nicht entartetsind. Der Zeitfaktor der Wellenfunktion für das ungestörte Problem ergibt sich dann durch ei-nen Separationsansatz. (Man beachte, daß auch das ungestörte Atom, d. h. ohne störendeWelle, eine Zeitabhängigkeit zeigen kann, z.B. bei geeigneten Anfangsbedingungen, etwadurch Anregung vor der betrachteten Zeit.)

Ψ = ψ(r)T(t)

ih/ψ∂T∂t

= TH0ψih/ ∂T

∂t

T=

H0ψψ = En

⇒ T(t) = e−iEnt/h/

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Die Wellenfunktion des gestörten Systems stellen wir uns als eine Überlagerung aus den Wel-lenfunktionen des ungestörten Systems vor, wobei die durch die Störung hervorgerufeneZeitabhängigkeit dadurch berücksichtigt wird, daß die Entwicklungskoeffizienten als zeitab-hängig angesehen werden.

(9)Ψ =Σ cn(t)ψne−iEnt/h/

Um die Übergangswahrscheinlichkeit von einem Niveau 1 nach 2 zu berechnen, wird ange-nommen, daß sich das Atom zur Zeit t = 0 im Zustand 1 befindet. D.h.

.c1(0) = 1, cj(0) = 0 fur alle j ≠ 1

Durch Störung wird sich nach einiger Zeit ein endlicher Wert für c2 ergeben. Die Wahrschein-lichkeit, das System dann im Zustand 2 zu finden, ist . Diese wird im ersten Momentc2(t) 2

linear mit der Zeit ansteigen.

Die Übergangswahrscheinlichkeit ist dann . Es geht also darum, aus der Schrödinger-c2(t) 2/tgleichung (7) mit dem Ansatz (9) einen Ausdruck für zu finden.c2(t) 2

c) Die Entwicklungskoeffizienten

In die Schrödingergleichung

ih/ ∂Ψ∂t

= H0 + H /

Ψ

wird mit dem Ansatz (9) gegangen:

ih/ Σ •cn ψne−Ent/h/ +Σ cnψnEne−iEnt/h/ = H0Σ cnψne−iEnt/h/ + H /Σ cnψne−iEn/t/h/

Wegen der Gültigkeit von (8) hebt sich der zweite Term links gegen den ersten rechts weg.Auf der rechten Seite wird die Lösung des ungestörten Systems mit c1 = 1 und cj = 0 für j ≠ 1

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Abb. 49: Die zeitliche Änderung der Aufenthalts -wahrscheinlichkeit des Atoms in den Zuständen 1und 2

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eingesetzt. Dies ist möglich, da die Abweichung der eigentlichen Lösung von der des stationä-ren Atoms im Zustand 1 als klein angesehen wird und daher zusammen mit dem ebenfalls alsStörung angesehenen Hamiltonoperator einen Term zweiter Ordnung ergibt.H /

ih/ Σ •cn ψne−iEnt/h/ = H /ψ1e−iE1t/h/

Um die Summe auf der linken Seite zu reduzieren, wird die Gleichung von links mit ψ2* multi-

pliziert und über den gesamten Raum integriert. Hierbei macht man sich zunutze, daß die Ei-genfunktionen des ungestörten Atoms ein Orthonormalsystem bilden.

∫ ψ2∗ ψ2dV = 1

∫ ψ2∗ ψndV = 0, fur n ≠ 2

ih/•c2 e−iE2t/h/ = ∫ ψ2

∗ H /ψ1dVe−iE1t/h/

Die Matrixelemente des Störoperators schreiben wir in Dirac Notation.

∫ ψ2∗ H /ψ1dV = 2 H / 1

Der e - Faktor wird auf die rechte Seite gebracht und abgekürzt E2 − E1

h/= ω12

(10)•c2 = 1

ih/2 H / 1 eiω12t

Gleichung (10) wird Fermis goldene Regel genannt.

d) Der Störoperator H /

Den Hamiltonoperator für die Bewegung eines Elektrons im elektromagnetischen Feld erhältman aus dem des freien Elektrons

H =p2

durch ersetzen des Impulses durch einen verallgemeinerten Impuls

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p = p / + eA

H = 12m

p + eA

2

Das Vektorpotential A ergibt sich dabei aus der Amplitude der elektromagnetischen Welle

rotA = B

rotE = −•B

also , (11)E = −•A= −iωA

wenn A = A0ei(ωt−k•r) + cc.

(In Gleichung (11) ist die Tatsache ausgenutzt, daß man für ein Wellenphänomen ∇ϕ = 0

setzen darf). Damit wird :H

(12)H = 12m

p2 + epA + eAp + e2A2

e2A2 wird als Term zweiter Ordnung gegenüber vernachlässigt.epA

vertauschen, dap und A

pA − Ap

ψ = −ih/ (∇ A − A∇ )ψ

∇ Aψ

= ψ∇ • A + A∇ψ

Setzt man wie üblich , so können also die mittleren Terme in Gl. (12) zusammenge-∇ A = 0

faßt werden und der Störoperator wird, da H01

2mp2

H / = empA = e

mpA0(ei(ωt−k•r) + e−i(ωt−k•r))

Setzt man dies in Gleichung (10) ein, so ergibt sich für c2

•c2 = 1

ih/eA0m (⟨2 pe−ikr 1⟩ei(ω12+ω)t + ⟨2 peikr 1⟩ei(ω12−ω)t)

Bei der Integration über die Exponentialfunktionen erscheint im Nenner des ersten Termsi(ω12+ω), des zweiten Terms der Faktor ∆ω = ω12 − ω, so daß dieser Term dominiert. Man

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erkennt, daß sich nur große Werte für c2 ergeben, solange ω nicht allzu verschieden von

ist, d.h. die Bohrsche Frequenzbedingung erfüllt ist. Damit wirdω12 = ∆E21/h

c2 = eA0

h/m⟨2 peikr 1⟩

ei∆ωt

∆ω 0

t

(13)c2 = eA0

h/m⟨2 peikr 1⟩ 1 − ei∆ωt

∆ω

Um zum gewünschten Ergebnis zu gelangen, muß mit dem konjugiert komplexen Wert multi-pliziert und über die gesamte Spektrallinie integriert werden. Der letzte Faktor wird dabei

(1 − ei∆ωt)(1 − e−i∆ωt)∆ω2

= 2 − ei∆ωt − e−i∆ωt

∆ω2= sin2(∆ωt/2)

(∆ω/2)2

mit x = ∆ωt/2 wird

∫−∞

+∞ sin2(∆ωt/2)(∆ω/2)2

dω =2t ∫−∞

+∞ sin2xx2

dx = 2tπ

In Gleichung (13) eingesetzt

(14)c2(t) 2 = 2πe2A02

h/ 2m2 ⟨2 peikr 1⟩ 2t

Die Wahrscheinlichkeit, das Atom im Zustand zu finden, nimmt also linear mit t zu.⟨1

e) Umrechnen von E2 auf Energiedichte

Für die Anzahl der Übergänge pro Atom gilt die Einsteinsche Beziehung

(15)dN1

dt= B12uν

wobei uν die Energiedichte der Welle im Frequenzbereich der Spektrallinie ist. Um einen Ver-gleich mit Gleichung (14) zu ermöglichen, muß die dort angegebene Amplitude der Welle mitder Energiedichte des Wellenfeldes verknüpft werden. Diese ist gleich der maximalen Energie-dichte des elektrischen Feldes, da dies die Gesamtenergie aus dem oszillierenden elektrischenund magnetischen Feld ist.

uν =ε0E0

2

2

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Setzt man dies in Gl. (14) ein, so kann man im Prinzip durch Vergleich mit Gl. (15) B12

bestimmen. Bei der Definition von B12 mit 15 geht man allerdings von Oszillatoren aus, bei de-nen die Richtung des Dipols statistisch im Raum verteilt ist. Außerdem hat man zwei unabhän-gige Polarisationsrichtungen und ein isotropes Feld, so daß über den Raumwinkel integriertwerden muß. Alle diese Einflüsse zusammen bewirken, daß das Ergebnis für |c|2 noch durch3 · 2 · 4π geteilt werden muß. Man erhält schließlich, wenn man auch noch die Amplitude desImpulses p durch die des Dipolmomentes ersetzt p = m

•r = miωr = iωm

e pe

(16)B12 = 16ε0h/ 2

M122

Den genauen numerischen Faktor vor dem Matrixelement des Dipols erhält man am besten ausfolgender klassischer Betrachtung.

f) Halbklassische Berechnung von A21

In der klassischen Elektrodynamik wird gezeigt, daß ein Dipol pro Zeit die gesamte Leistung

S = 23

1c3

d2pe

dt2

21

4πε0

ausstrahlt. Dabei ist pe = er das elektrische Dipolmoment. Wird der Dipol durch eine ebeneWelle angeregt, kann man schreiben

pe = erei(k•r−ωt)

Im Zeitmittel erhält man

⟨pges⟩ = ω4

3c3 (pe)2 14πε0

Zu dem quantenmechanischen Ausdruck kommt man, indem man pe durch das Matrixelementdes Dipoloperators ersetzt, genauer

pe → ⟨ψ2 pe ψ1⟩ + ⟨ψ1 pe ψ2⟩ = 2⟨ψ2 pe ψ1⟩ = 2M

⟨pges⟩ = ω4

3M21

2 1πε0

= A21h/ω

Man erhält

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(17)A21 = ω3

3πε0c3h/M21

2

Übersichtlicher bezüglich der Dimensionen ist die Darstellung

A21 = 4α2ω3 ⟨r12⟩ 2

wobei die Feinstrukturkonstante ist.α = e2

h/c4πε0

Mit unserem Beziehungen zwischen den Einsteinkoeffizienten ergibt sich für B21

B21 = 16ε0h/ 2

M212

Diese Formel ist bis auf den Querstrich über M21 mit Gl. (16) identisch.

Die Abmessungen eines Atoms sind im allgemeinen klein gegen die Wellenlänge der einge-strahlten elektromagnetischen Welle:

λr0

>> 1

Man kann daher das in enthaltene entwickeln:M21 eik•r

pe = pe0eik•r = pe0(1 + ik • r + ...)

In erster Näherung ist . Diese Näherung heißt Dipolnäherung und führt zupe = pe0 = er

M12 = M12

Ist ein Übergang in Dipolnäherung verboten, so können die höheren Näherungen wichtig wer-den. Der lineare Term z.B. ergibt die elektrische Quadrupolstrahlung bzw. die magnetischeDipolstrahlung.

g) Auswahlregeln

α) Einfluß der Parität

Quantenmechanisch folgern die Auswahlregeln aus Symmetriebetrachtungen zum Matrixele-ment des Dipoloperators.

M12 = ∫ ψ2∗ erψ1dV

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Wie man am eindimensionalen Problem erkennt, verschwindet das Integral, wenn der In-tegrand eine ungerade Funktion ist, d.h. wenn seine Parität -1 ist (s. Kap. B/2). Da das Dipol-moment die Parität von x, also eine ungerade Parität hat, wird die Parität des Integranden beieinem Übergang zwischen zwei Zuständen mit gleicher Parität negativ (Paritäten multiplizierensich!) und das Integral wird Null. Dipolübergänge zwischen Niveaus mit gleicher Parität sinddaher grundsätzlich verboten.

β) Einelektronensysteme

In Einelektronensystemen sind die Symmetrieeigenschaften der Wellenfunktion für einen be-stimmten Satz von Quantenzahlen die gleichen wie die des Wasserstoffatoms. Wir diskutierendie Auswahlregeln daher an den Wellenfunktionen des Wasserstoffes.

ψ = Rnl(r)Ylm(ϑ , ϕ)

Die Kugelflächenfunktionen Ylm lassen sich dabei durch die Legendrepolynome

Ylm(ϑ , ϕ) = eimϕsinmϑNPl

m(cosϑ)

darstellen. N ist eine Normierungskonstante, die noch von den Quantenzahlen abhängt, m 0.≥Um die Parität zu untersuchen, wird r festgehalten und durch ϕ durch π − ϕ ersetzt.ϑ π − ϑ,Die Parität von ψ ist daher durch die Parität von Y gegeben. Diese ist, wie in Kap. B/2 gezeigtwurde

Ylm(π − ϑ, π − ϕ) = (−1) lYl

m(ϑ , ϕ)

D.h. bei einem erlaubten Dipolübergang muß ∆l eine ungerade Zahl sein.

Auswahlregeln für ∆m

Wir denken uns ein schwaches Magnetfeld entlang der z-Achse. Für das Dipolmoment der z -

Komponente des Dipols gilt dann

p = ez = er cosϑ

mit festem ϑ . Zunächst betrachten wir nur die Symmetrie bezüglich der ϕ-Abhängigkeit, d.h.

⟨ψm pel ψm/ ⟩ ∼ ∫0

2πeimϕe−im/ϕdϕ

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Steht als Integrand eine sinusförmige Funktion, so verschwindet das Integral über eine ganzeZahl von Perioden, also für m ≠ m'. Für m = m' verschwindet das Integral nicht. Hieraus folgtdie Auswahlregel ∆m = 0. Beim Zeeman-Effekt ist dies die π-Polarisation.

Bei der σ-Polarisation ist

p = er sin ϑ cosϕso daß ein zusätzlicher Kosinusterm unter dem Integral erscheint. Ersetzt man cos ϕ durch

12

(eiϕ + e−iϕ)

so erkennt man, daß

⟨ψm p ψm/ ⟩ ∼ ∫0

2πeimϕcosϕe−im/ϕdϕ = ∫0

2πei(m−m/+1)ϕdϕ

Hier verschwindet der Exponent nur, wenn m' = m± 1. Dies ist die Auswahlregel fürσ-Polarisation.

Ohne Magnetfeld sind Übergänge mit ∆m = 0 und ∆m = 1 erlaubt.

Auswahlregeln für ∆l

Hierfür wird nur die ϑ-Abhängigkeit betrachtet. Für die Auswahlregeln maßgeblich ist jetztdas Integral

∫ Pl/mpelPl

mdV mit dV = r sin ϑdϕdrdϑ

d.h. für die z Komponente des Dipol mit p = ez = er cosϑ

∫ Pl/mcosϑPl

msinϑdϑ

Die Diskussion erfolgt am besten über eine Rekursionsformel für die Legendre-Polynome.

cosϑPlm = [(l − m + 1)Pl+1

m +(l + m)Pl−1m ]/(2l + 1)

Berücksichtigt man die Orthogonalität der Legendre-Polynome

∫ PlmPl/

msinϑdϑ = %δll/

so ergibt sich

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∫ Pl/mcosϑPl

msinϑdϑ = 0

außer für d.h. .l / = l + 1 ∆l = ±1

Für die andere Polarisation px,y = ex, ey geht man von der Rekursionsformel

sinϑPlm−1 =

Pl+1m − Pl−1

m

2l + 1

aus und erhält ebenfalls ∆l = ±1

87

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KAPITEL GBemerkungen zu Röntgenspektren

1. EinleitungRöntgenspektren sind Spektren mit Wellenlängen unter 10 nm, d.h. mit im Vergleich zumsichtbaren Licht verhältnismäßig hohen Photonenenergien. Zu diesem kommt man im Prinzipauf zwei verschiedenen Wegen

a) Übergänge eines äußeren Elektrons bei hochionisierten Atomen. Wegen der Balmerformel

ν = RZ2

1n1

2− 1

n22

erreicht man bei genügendem Z dann die entsprechenden Energien.

b) Übergänge zwischen inneren Schalen. Bei inneren Schalen wird das Kernfeld entsprechend wenig abgeschirmt, so daß mit demÜbergang entsprechend große Energien verbunden sind. Auch hier kann man mit einer mo-

difizierten Balmerformel die Termenergien abschätzen, wenn man die restliche Abschir-mung berücksichtigt.

Abb. 50: Röntgenübergänge, die zu K und L -Linien führen

Bei Übergängen zwischen den am tiefsten liegenden Schalen, der K und der L Schale giltdas sogenannte Mosleysche Gesetz, das es erlaubt, die Lage eines Elementes im periodischenSystem anhand seiner charakteristischen Strahlung zu identifizieren.

νKα = R(Z − 1)2

112

− 122

Für Übergänge von der L in die M-Schale gilt

νLα = R(Z − 7, 4)2

12

− 12

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Harald Schüler
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Die Linienspektren im Röntgenbereich geben also Auskunft über den inneren Aufbau derElektronenhülle. Z.B. besagt die Beobachtung, daß freie und chemisch gebundene Atome dasgleiche Röntgenspektrum zeigen, daß bei der Bindung die inneren Elektronen nicht beteiligtsind.

Man muß beachten, daß sich der Anregungsmechanismus von inneren und äußeren Elektronengrundsätzlich unterscheidet, da wegen des Pauliverbots innere Elektronen i.a. nicht auf dienächst höhere Bahn gehoben werden können. Die Anregung erfolgt über Auslösung eines in-neren Elektrons aus der Hülle. Der Übergang, der zur Ausstrahlung führt, wird dann durch einanderes Elektron bewerkstelligt.

Abb. 51: Röntgenübergänge, diezu kontinuierlicher Strahlungführen

Neben der Linienstrahlung gibt es kontinuierliche Röntgenstrahlung. Im Atom kann diesedurch frei-gebunden oder frei-frei Übergänge erfolgen. Die am besten definierte kontinuierli-che Röntgenstrahlung ist die Synchrotronstrahlung von Elektronen, die sich im Magnetfeld mitrelativistischen Energien bewegen.

c) Der Augereffekt

Beim Augereffekt handelt es sich um einen strahlungslosen Übergang, bei dem die Anregungs-energie zur Emission eines Elektrons verwendet wird. Das emittierte Elektron hat eine charak-teristische Energie, die zur Identifizierung des emittierenden Atoms geeignet ist. Man kannsich das Zustandekommen des Augereffekt analog zum Photoeffekt vorstellen: Bei einemÜbergang in der Elektronenhülle wird Strahlung frei, die bevor sie das Atom verläßt, ihreEnergie auf ein gebundenes Elektron abgibt. Man nennt den Augereffekt deshalb auch innerenPhotoeffekt.

Mit dem Augereffekt verwandt ist die Photoelektronenspektroskopie (ESCA). Hier bestrahltman Materie mit elektromagnetischer Strahlung bekannter Frequenz und mißt die Energie derabgelösten Elektronen, die dann Aufschluß über die Energien der inneren Terme gibt.

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KAPITEL HMolekülphysik: Einleitung

Die Molekülphysik beschäftigt sich mit den physikalischen Grundlagen der Chemie. Währenddie Chemie die faszinierende Vielfalt der Stoffe, die sich aus den etwa 100 Elementen zusam-mensetzen lassen, zum Thema hat, ist die Physik im allgemeinen mehr an den einfachen Syste-men interessiert, da hier die Mechanismen besser durchschaubar sind. Wir haben daher häufigzweiatomige Moleküle im Auge, wollen aber den Blick auf mehratomige Moleküle nicht ganzverlieren.

Abb. 52: Der Übergang von zwei Einzelatomen über das Mole-

kül zum Atom der vereinigten Kerne

1. Bildung eines Moleküls aus zwei Atomen

Nähert man zwei gleichartige Atome, etwa neutrale Wasserstoffatome, so hat man bei großem

Abstand zwei einzelne Atome a und b mit den uns bekannten Zuständen.ϕa und ϕb. Bei einemKernabstand Rab, der klein gegenüber dem Bohrschen Radius ist, halten Kernkräfte die beiden

Kerne zusammen. Jetzt umkreisen im klassischen Bild beide Elektronen gemeinsam den zwei-fach positiv geladenen Kern. Die Zustände gehen bei Rab → 0 über in die des Heliumatoms bisauf Abweichungen, die durch das Fehlen der beiden Neutronen hervorgerufen werden (Isoto-pieeffekt). Im Zwischengebiet hat man das Verhalten einzelner Atome, die durch den Partnergestört werden, also Zeemann-Aufspaltung, Verbreiterung der Linien usw.. Zusätzlich zu die-sem Verhalten, das uns von den Atomen her bekannt ist, oder das wir von den Eigenschaftender Atome extrapolieren können, kommen einige neuartige Aspekte hinzu.

a) Symmetrie des KernpotentialsBei zwei gleichartigen Kernen ist das Kernpotential symmetrisch zum Schwerpunkt. Da |ψ(r)|2

die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen angibt, muß bei einem bezüglich r symmetri-schen Potential

|ψ(r)|2 = |ψ(-r)|2

sein.

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Harald Schüler
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Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten: Die Wellenfunktion ist ungerade ψu(r) = −ψu(-r)

oder geradeψg(r) = ψg(r)

Abb. 53: Bei einem symmetrischen Kernpotential ist

die Wellenfunktion symmetrisch oder antisymmetrisch

Aus Symmetriegründen muß bei der ungeraden Funktion ψu(0) = 0 sein, während bei der gera-

den Funktion ψg(0) ≠ 0 sein kann. Dies hat zwei Konsequenzen:α) Bei einsetzender Störung durch den Partner spaltet sich die Wellenfunktion, die zu einembestimmten Zustand gehört, in zwei Wellenfunktionen auf, eine gerade und eine ungerade, zudenen natürlich unterschiedliche Energien gehören. Wie wir später sehen werden, kann mandie Gesamtwellenfunktion des Systems aus beiden Atomen annähern, indem man die der unge-störten Atome addiert bzw. subtrahiert

ψg = ψa + ψb

ψu = ψa - ψb

Dieser Vorgang hat sein klassisches Analogon in zwei gekoppelten Pendeln. Durch die Kopp-lung ergeben sich zwei Normalschwingungen, d.h. Schwingungen, aus denen man alle Schwin-gungsformen des Gesamtsystems durch Linearkombination zusammensetzen kann.

β) Da bei der geraden Funktion ψg(0) ≠ 0, hat das Elektron eine gewisse Wahrscheinlichkeit,sich zwischen den Kernen aufzuhalten und damit die Abstoßung der beiden Kerne abzuschir-men. Die gerade Wellenfunktion führt daher beim Wasserstoff zu einem bindenden Zustand,die ungerade zu einem nicht bindenden. Die potentielle Energie des H2 Moleküls in Abhängig-keit vom Kernabstand ist in Abb. 54 dargestellt. Im Kapitel I werden wir zeigen, wie man die-se berechnet. Ohne Quantenmechanik war diese sogenannte homöopolare Bindung, auch ko-valente Bindung genannt, völlig unverständlich.Außer mit der homöopolaren Bindung werden wir uns in Kap. I mit der Hybridisierung befas-sen, die ebenfalls mit einer Linearkombination von Wellenfunktionen erklärbar ist.

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Abb. 54: Die potentielle Energie in Abhängigkeit vom Kern-

abstand bei gerader und ungerader Wellenfunktion

b) Zusätzliche FreiheitsgradeZusätzlich zu den Freiheitsgraden der Elektronen haben Moleküle Freiheitsgrade derKernbewegungα) Rotationβ) Vibration,

Abb. 55: Die Freiheitsgrade der Rotation und der Vibra-

tion im zweiatomigen Molekül

die man sich beim zweiatomigen Molekül mit dem Hantelmodell vorstellen kann, wobei bei derRotation die Verbindung der Atome in erster Näherung starr, bei der Vibration elastisch ist.Durch diese zusätzlichen Freiheitsgrade ergibt sich eine wesentliche Verkomplizierung desTermschemas.

2. Struktur des Energieschemas

a) Größenordnung der beteiligten EnergienFührt man einem Molekül Energie zu (oder gibt es Energie ab), so kann sich die Energie derElektronenhülle, der Schwingung oder der Rotation ändern. Dabei können sich diese Energie-formen einzeln ändern oder mehrere gleichzeitig. Die Behandlung der Übergänge wird da-durch vereinfacht, daß die zugehörigen Energien sich um jeweils eine bis zwei Größenordnun-gen unterscheiden, so daß man die Vorgänge als unabhängig voneinander betrachten darf. DieSituation ist ähnlich wie bei einem Pendel der Eigenfrequenz ω0, das einer Störung - etwa ei-ner periodischen Änderung des Potentials - die mit einer Frequenz ωs<< ω0 verläuft, ausge-setzt ist. Man hat dann über viele Schwingungen praktisch keine Änderung des Potentials, sodaß man die statische Lösung zugrunde legen kann. In der Molekülphysik spricht man dannvon der Born-Oppenheimer Näherung. Im Folgenden werden mit einem groben Modell Grö-ßenordnungen der unterschiedlichen Energien abgeschätzt.

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α) ElektronenenergieNimmt man die kleinste Energie, die aufgrund der Heisenbergschen Unschärferelation im Be-reich einer Bahn mit Bohrschen Radius a untergebracht werden kann, erhält man:

p2a = h/

p = h/2a

(1)Eges = 2Ekin = p2

me= h/ 2

4ma2≈ 8eV

β) RotationsenergieKlassisch ist die Rotationsenergie

12

Jω2 = 12

L2

J

Für L = erhält manh/

Erot = h/ 2

2J= 2h/ 2

2

da , wenn M die Kernmasse.J = M

a2

2

Vergleich mit Gl. (1) zeigt

Erot

Eel= 8

mM

Für Wasserstoff ist M/m 1840, für schwere Atome entsprechend größer. Die Rotationsenergieist also um mindestens einen Faktor 250 kleiner als die elektronische Energie. Sie liegt im Be-reich 10-2 - 10-3eV. Die Terme werden schon bei Zimmertemperatur bevölkert(Tzim = 30 m eV).

γ) VibrationsenergieZur Abschätzung der Vibrationsenergie muß man berücksichtigen, daß die Bindung der Kerneim Molekül durch die Elektronen verursacht wird. Die Bindungsenergie der Kerne ist also vonder gleichen Größenordnung wie die eines Elektrons. Drückt man die entsprechenden kineti-schen Energien durch Massen und Frequenzen aus, erhält man

mea2ωel2 ≈ Ma2ωvib

2

Die Vibrationsenergie ist also bei Wasserstoff 1/40 der elektronischen Energie, bei schwererenAtomen entsprechend weniger. Sie liegt im Bereich 0,1 - 1 eV.

93

Evib

Eel= h/ωvib

h/ωel= me

M

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b) Das TermschemaFür die gesamte Anregungsenergie des Moleküls gilt also

E = Eel + Evib + Erot

wobei Eel >> Evib >> Erot

Das Termschema besteht also aus elektronischen Zuständen, in deren unmittelbarer Nähe je-weils eine Reihe vibratorischer Zustände liegt, von denen jeder in seiner Nachbarschaft einenSatz von Rotationsniveaus besitzt (Abb.56)

Abb. 56: Die Struktur des Termsche-

mas im Molekül

c) Das SpektrumWenn sich nur die Rotationsquantenzahl ändert, hat man reine Rotationsübergänge. Die Wel-lenlänge liegt im fernen Infraroten ( λ = 0,1 - 1 mm ). Zur Aufnahme des Spektrums benutztman die Mikrowellenspektroskopie. Die Energien sind bei Raumtemperatur thermischangeregt.

Abb. 57: Struktur des Spek-

trums von Molekülen

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Reine Schwingungsübergänge liegen im Infraroten (λ = 10-3 - 10-1 mm). Man benutzt Infrarot-laser und Infrarotdioden. Die Terme sind normalerweise nicht angeregt. Bevorzugte Techni-ken sind also Absorptionsspektroskopie.Elektronische Übergänge führen zu Strahlung im Sichtbaren bis Ultravioletten wie beiAtomen.In den seltensten Fällen beobachtet man reine elektronische oder vibratorische Spektren. Stattdessen finden gleichzeitig Übergänge zwischen den unterschiedlichen Termen statt, d.h. es än-dert sich nicht nur die Elektronenenergie, sondern gleichzeitig die Schwingungs- und Rotati-onsenergie. In diesem Fall spricht man auch von einem elektronischen Übergang. Man erhältim Spektrum also neben einer elektronischen Linie ein System von vibratorischen Linien, vondenen jede wieder in Rotationslinien aufspaltet. Die Rotationslinien liegen im sichtbaren Spek-tralbereich meist so dicht nebeneinander, daß man sie nicht auflöst. Es ergibt sich das Bild ei-nes Intensitätsbandes im Spektrum mit einer scharfen Kante und einer Intensität, die von derKante aus abnimmt. Ein solches Spektrum nennt man Bandenspektrum Die Struktur des ge-samten Spektrums ist in Abb. 57 dargestellt.

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KAPITEL IBindungsenergie

1. Das Wasserstoffion H2+

Das einfachste Molekül ist das H2+ . Es besteht aus zwei Protonen und einem gemeinsamen

Elektron. Im folgenden wird die Bindungsenergie in Abhängigkeit vom Abstand der beidenProtonen ausgerechnet. Hierzu wird die Schrödingergleichung des Elektrons streng formuliert.Als Lösungsansatz nimmt man eine Linearkombination von Wellenfunktionen im Grundzu-stand des Wasserstoffs. Über die Schrödingergleichung lassen sich die Koeffizientenbestimmen.

a) Der Hamiltonoperator

Abb. 58: Geometrische Verhältnisse im H2+-Molekül

Die Kerne werden mit a und b bezeichnet. Das Problem für die Einzelatome ist gelöst.

− h/ 2

2m∆a − e2

4πε0ra

ϕ a(ra) = Ea

0ϕ a(ra)

− h/ 2

2m∆b − e2

4πε0rb

ϕ b(rb) = Eb

0ϕ b(rb)

d.h. ϕa und ϕb sind die uns vom Wasserstoffproblem her bekannten Wellenfunktionen, z.B. diedes Grundzustandes mit Ea

(0) = Eb(0) = E0 und die Laplaceoperatoren bezüglich der∆aund ∆b

Koordinaten xa, ya, za bzw. xb, yb, zb.Der Hamiltonoperator wird wie üblich aufgestellt, indem die Gesamtenergie des Systems ge-bildet wird. Hier muß die potentielle Energie des Elektrons bezüglich der beiden Kerne be-

rücksichtigt werden und die potentielle Energie bezüglich der Abstoßung∆WKern = e2

4πε0Rab

der Kerne untereinander. Wir interessieren uns für die Wellenfunktion des Elektrons . Fürψdiese ist aufgrund der Born-Oppenheimer-Näherung eine Konstante, die wir zunächst∆WKern

weglassen können, aber am Schluß, wenn es um die Bindungsenergie der Kerne geht, zur Ge-samtenergie hinzuzählen müssen. Damit heißt die Schrödingergleichung

(2) − h/ 2

2m∆ − e2

4πε0ra− e2

4πε0rb

ψ = Eψ

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Harald Schüler
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Die Bestimmung von E ist das Ziel der Rechnung. Man beachte, daß bei expliziten Angabenvon ra und rb der Kernabstand mit eingeht, so daß E von Rab abhängt.

b) AnsatzFür wird der Ansatz gemachtψ

ψ = c1ϕ a + c2ϕ b

Dies ist ein häufig verwendeter Ansatz in der Molekülphysik. Man nennt ihn Linearkombina-tion atomarer Orbitale (LCAO).Durch Einsetzen in die Schrödingergleichung (2) wird hieraus

− h/ 2

2m∆ − e2

4πε0ra− e2

4πε0rb

c1ϕ a +

− h/ 2

2m∆ − e2

4πε0rb− e2

4πε0ra

c2ϕ b = E(c1ϕ a + c2ϕ b)

Da das Problem der Einzelatome gelöst ist, kann man ersetzen

(Hierbei wurde ausgenutzt, daß ) − h/ 2

2m∆ − e2

4πε0ra

ϕ a = E0 ∆aϕ a = ∆ϕa

entsprechend für ϕb. Mit der Abkürzung E0- E = E ergibt sich dann∆

(3) ∆E − e2

4πε0rb

c1ϕ a +

∆E − e2

4πε0ra

c2ϕ b = 0

c) Berechnen von c1 und c2

Die Konstanten erhält man durch Multiplikation mit ϕa (bzw. ϕb) und Integration über dasVolumen. Die dabei entstehenden Integrale kürzen wir ab, wobei wir ausnutzen, daß ϕa ,ϕb inunserem speziellen Beispiel reell sind.

∫ ϕ aϕ bdV = S

(ϕa und ϕb sind hier nicht orthogonal!)

∫ ϕ a2

−e2

4πε0rb

dr = C

∫ ϕ aϕ b

−e2

4πε0ra

dr = D

Dieses Integral, das sich als maßgeblich für die Bindung herausstellt, heißt das Austauschinte-gral. Die damit verbundenen Kräfte sind die Austauschkräfte, wobei man sich vorstellt, es be-schreibt den Austausch des Elektrons zwischen den beiden Kernen. Gl. 3 wird damit

(4,a)(∆E + C)c1 + (∆ES + D)c2 = 0

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Durch Vertauschen von 1 und 2 erhält man die entsprechende Gleichung, die durch Multipli-kation von Gl. 3 mit ϕb entsteht

(4,b)(∆ES + D)c1 + (∆E + C)c2 = 0

Auflösung nach c1, c2 ist möglich, wenn die Determinante der Koeffizienten verschwindet:

(∆E+C)2 −(∆ES+D)2 = 0(∆E+C) = ±(∆ES+D)

d) WellenfunktionNach den Koeffizienten aufgelöst, ergeben hiermit die Gleichungen 4 für das + Zeichen

c2 = −c1 = c, ψ = c(ϕ a − ϕb)

für das - Zeichen

c2 = c1 = c, ψ = c(ϕ a + ϕb)

d. h. praktisch die Lösungen, die man bereits durch reine Symmetrieüberlegungen gewinnenkann. Die Gesamtenergie wird damit

E = E0 − ∆E = E0 + D ± C1 ± S

Hier muß man noch zuzählen. Bei großem Abstand muß E gegen Null gehen. Die Bin-∆WKern

dungsenergie ist dann

EB = C ± D1 ± S

+ e2

4πε0Rab

Abb. 59 : Die berechnete Energie im H2+ - Molekül

Rechnet man die Integrale aus, so erhält man für die beiden Vorzeichen, die in Abb.59skizzierte Kurve. Die symmetrische Lösung ergibt den bindenden Zustand. Man beachte, daßE berechnet wird, ohne daß die Modifizierung der Wellenfunktion durch den zweiten Partnerirgendwie eingeht.

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2. Das Wasserstoffmolekül

a) Das Problem

Abb. 60: Die geometrischen Verhältnisse im H2 - Molekül

Das neutrale Wasserstoffmolekül besteht aus zwei Protonen und zwei Elektronen (Abb.60).Wir werden den Rechengang, der nicht schwierig, aber etwas mühselig ist, nicht in allen Ein-zelheiten durchziehen. Neu gegenüber dem Einelektronenproblem ist, daß wir jetzt die Wellen-funktion so konstruieren müssen, daß sie das Pauliprinzip erfüllt, d.h., daß sie bei Vertau-schung der beiden Elektronen das Vorzeichen wechselt.

ψ(1, 2) = −ψ(2, 1)

Hierfür muß die Gesamtwellenfunktion betrachtet werden, einschließlich der Spinfunktion.

b) HamiltonoperatorDen Hamiltonoperator gewinnen wir wie gewöhnlich, indem wir die Gesamtenergie der beiden

Elektronen aufstellen. Dabei sind die Koordinaten des Elektrons 1 (x1 ,y1 ,z1 ), abgekürzt r1, desElektrons 2 (x2, y2 , z2), abgekürzt r2.Bei der Ersetzung des Impulses gehen in den Laplace-Operator nur die Koordinaten des je-weiligen Elektrons ein:

∆1 = ∂2

∂x12

+ ∂2

∂y12

+ ∂2

∂z12

∆2 = ∂2

∂x22

+ ∂2

∂y22

+ ∂2

∂z22

H = − h/ 2

2m∆1 − e2

4πε0r1a− h/ 2

2m∆2 − e2

4πε0r2b− e2

4πε0r1b− e2

4πε0r2a+ e2

4πε0r12+ e2

4πε0Rab

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c) AnsätzeZur Lösung der Schrödinger Gleichung

Hψ(r1, r2) = Eψ(r1, r2)

werden Ansätze gemacht, in denen die Wellenfunktionen der Einzelatome so kombiniert wer-den, daß das Pauliprinzip für die Gesamtwellenfunktion bezüglich Vertauschung der beidenElektronen antisymmetrisch ist. Um die Gestalt dieser Kombinationen zu ermitteln, konstruie-ren wir uns zunächst die Lösung des Zweiatom-Problems für den Fall, daß sich die Partnernicht beeinflussen. Die Schrödingergleichung für die Atome a und b mit ihren Elektronen 1und 2 heißen dann:

H1ϕ a(r1) = E0ϕ a(r1)

H2ϕ b(r2) = E0ϕ b(r2)

wobei 1 und 2 die Anteile des Hamiltonoperators sind, die sich nur auf jeweils ein AtomH Hbeziehen:

H1 = − h/ 2

2m∆1 − e2

4πε0r1

H2 = − h/ 2

2m∆2 − e2

4πε0r2

mit ∆1 = ∂2

∂x12

+ ∂2

∂y12

+ ∂2

∂z12

∆2 = ∂2

∂x22

+ ∂2

∂y22

+ ∂2

∂z22

Diese Gleichungen werden gelöst durchψ = ϕ a(r1)ϕ b(r2)

Um den Einfluß des Spins auf die Symmetrie zu untersuchen, führen wir Spinfunktionen ein,wobei bedeuten soll:

α (1): Elektron 1 hat Spin nach obenα (2): Elektron 2 hat Spin nach obenβ (1): Elektron 1 hat Spin nach untenβ (2): Elektron 2 hat Spin nach unten

Ein Ansatzϕ a(r1)ϕ b(r2)α(1)α(2)

erfüllt nicht das Pauliprinzip! Durch Probieren erhält man folgende antisymmetrische Ansätze

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ψ = ϕa(r1)α(1)ϕ b(r2)α(2) − ϕa(r2)α(2)ϕ b(r1)α(1) = α(1)α(2)ψu

ψu = [ϕ a(r1)ϕ b(r2) − ϕa(r2)ϕ b(r1) ]

Übersichtlicher schreibt sich diese Funktion als Determinante

ψu = ϕ a(r1)α(1) ϕa(r2)α(2)ϕ b(r1)α(1) ϕb(r2)α(2)

Solche Determinanten heißen Slaterdeterminanten.

Andere Ansätze mit einer symmetrischen Spinfunktion und einer antisymmetrischen Raum-funktion sind

ψ = β(1)β(2)ψu

ψ = [α(1)β(2) + α(2)β(1)]ψu

Ein Ansatz mit antisymmetrischer Spinfunktion und symmetrischer Ortsfunktion ist

ψ = [α(1)β(2) − α(2)β(1)][ϕ a(r1)ϕb(r2) + ϕ a(r2)ϕ b(r1)

Mit diesem Ansatz rechnet man nach der Methode von Heitler und London. Er enthält Pro-dukte , d. h. er beschreibt Situationen, in denen Elektron 1 bei Atom a undϕ a(r1) ⋅ ϕ b(r2)Elektron 2 bei Atom b ist (oder umgekehrt), ohne auch Situationen zu enthalten, bei denenbeide Elektronen sich bei einem Atom aufhalten. Um auch Situationen zu berücksichtigen, beidenen sich beide Elektronen bei einem Kern aufhalten, - man spricht dann von kovalent ioni-scher Resonanz - macht man den Ansatz

ψKIR = ψHL + cψion

mit

ψion = ϕ a(r1)ϕ a(r2) +ϕ b(r1)ϕ b(r2)

c muß dann aus der Forderung nach minimaler Energie bestimmt werden.(ψHL ist der Ansatz nach Heitler und London)Ein anderer Ansatz geht davon aus, daß man zunächst ein Elektron an beiden Atomen hat unddann ein zweites Elektron hinzufügt. Dies ist der Ansatz nach Hund-Mulliken-Bloch

ψHMB = [ϕ a(r1) + ϕb(r1)][ϕ a(r2) + ϕb(r2)]

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Man kann diese drei Fälle zusammenfassen, wenn man davon ausgeht, daß Elektron 1 mit ei-ner gewissen Wahrscheinlichkeit sich bei Atom a und Atom b aufhält, d.h. man ersetzt in demAnsatz von Heitler und London

ϕ a → ϕa + dϕ b ϕ b → ϕb + dϕ a

und erhält für die Ortsfunktion

ψall = [ϕ a(r1) + dϕ b(r1)][ϕ b(r2) + dϕa(r2)] + [ϕ a(r2) + dϕ b(r2)][ϕ b(r1) + dϕ a(r1)]

wobei die Konstante d durch Variation von E bestimmt werden muß. Setzt man d = 0, erhältman die Methode nach Heitler und London, für d = 1 die nach Hund-Mulliken-Bloch und für

die Methode von Heitler und London mit ionischem Anteil. Die Bindungsenergie2d1 + d2

= c

erhält man, indem man aus den verschiedenen Ansätzen denjenigen auswählt, der zu der klein-sten Energie führt. Ein Ergebnis für die Methode von Hund-Mulliken-Bloch ist in Abb. 61 angegeben.

Abb. 61: Die Potentialkurven für die niedrigsten Energien

nach Hund-Mulliken und Bloch für H2

3. Die Hybridisierung

Unter einem Hybridsystem versteht man allgemein die Kombinierung von zwei Wesen aus ver-schiedenen Welten zu einem Gebilde. Unter Hybridisierung in der Theorie der Bindung ver-steht man die Überlagerung von s- und p-Wellenfunktionen eines Atoms, das sich in einemMolekülverband befindet, zu einer Wellenfunktion.

a) s- und p WellenfunktionenDie Hybridisierung läßt sich am einfachsten am Kohlenstoff erklären, hat hier auch die größteBedeutung, da sie die Grundlage der Vielfalt der Bindungsmöglichkeiten in der organischenChemie ist.Kohlenstoff hat im Grundzustand eine vollbesetzte K-Schale (n = 1), eine voll besetzte n = 2,O = 0Unterschale und zwei zusätzliche p-Elektronen in der L-Schale (n = 2). Auch im freien

Atom kann eins der 2s - Elektronen zu einem p-Elektron angeregt werden, da die Energielücke zwischen 2s und 2p Zuständen gering ist. Durch Störungen im Molekülverbandkann es dazu kommen, daß die 4 Elektronen in der L-Schale praktisch gleiche Energiebesitzen.

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Abb. 62: Besetzung der Schalen im Grundzustand und im ersten angeregten Zu-

stand beim Kohlenstoff

Von der Störungsrechnung mit Entartung wissen wir, daß dann der Gesamtzustand durch eineLinearkombination der Wellenfunktionen aller beteiligter Elektronen dargestellt werden kann,in diesem Fall durch die Überlagerung von s- und p- Wellenfunktionen. Von unserer Theoriedes Wasserstoffatoms wissen wir, daß die s-Funktion unabhängig von der Winkelkoordinateist. Man kann sie sich (ohne Normierungsfaktor) von der Form f(r) = vorstellen. Im fol-e−r/r0

genden wird sie graphisch durch eine Kugel symbolisiert, wobei klar sein sollte, daß es keinescharfe Begrenzung an einer Oberfläche (r = r0) gibt. (Abb. 63 )Als p-Zustände nehmen wir die in Abb. 63 skizzierten Funktionen ϕ px ∼ xf(r) , ϕpy ∼ yf(r) und ϕ pz ∼ zf(r).Diese auf ein kartesisches Koordinatensystem angepaßten Funktionen ergeben sich durch ein-fache Linearkombinationen der früher in Kugelkoordinaten gewonnenen Funktionen.

Abb. 63: s und p Orbitale

b) Digonale Hybridisierung (sp)In Abb. 64 ist der Effekt einer Überlagerung von ϕs und ϕpx erläutert.

Abb. 64: Durch Überlagerung von s- und p- Orbi-

talen verschiebt sich der Ladungsschwerpunkt

Man erkennt, daß sich der Ladungsschwerpunkt in Richtung der x-Achse verschiebt. ψ2 hat dann die in Abb.64b skizzierte Gestalt.

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c) Die tetragonale Hybridisierung (sp )Hier überlagert man ϕs und alle drei ϕp - Funktionen. Durch geschickte Wahl der Vorzeichenerhält man für die 4 Elektronen in der L-Schale Ladungsschwerpunkte, die vom Mittelpunktdes Tetraeders aus in Richtung der Tetraederecken verschoben sind.

ψ1 = 12

(ϕ s + ϕpx + ϕpy + ϕpz)

ψ2 = 12

(ϕ s + ϕpx − ϕpy − ϕpz)

ψ3 = 12

(ϕ s − ϕpx + ϕpy − ϕpz)

ψ4 = 12

(ϕ s − ϕpx − ϕpy + ϕpz)

Die Funktionen ψ1 - ψ4 sind orthogonal, wie sich unter Benutzung der Orthogonalität derWasserstoff-Funktionen nachrechnen läßt.Um die Verschiebung der Ladungsschwerpunkte durch die Funktionen ψ1 - ψ4 zu ermitteln,stellen wir uns vor, daß gemäß Abb. 64 durch die Überlagerung von ϕs und ϕpx eine Ladungentsteht, die an der Spitze eines Vektors x0 angebracht ist, der in x-Richtung weist, entspre-chend für ψpy in y-Richtung und ψpz in z-Richtung.

Abb. 65: Ladungsschwerpunkte bei der tetra-

gonalen Hybridisierung

Abb. 65 zeigt, daß die Ladungsschwerpunkte dann auf den Ecken eines Tetraeders liegen.Man erhält also für ein C-Atom die Grundstruktur des Methan-Moleküls. Die s-Elektronen der

H-Atome bilden dann mit je einem Elektron des C aus einer der 4 Hybridzustände eine Was-serstoffbrücke, z.B. für die Ecke 1 des Tetraeders erhält man die Wellenfunktion der beiden ander Bindung beteiligten Elektronen durch Linearkombination der zugehörigen Wellen-funktionen

ψ(r) = ψC1 + ψHS

wobei für ψC1 die Funktion ψ1 aus den 4 Linearkombinationen einzusetzen ist.

ψ1 = 1/2 (ϕs + ϕpx + ϕpy + ϕpz)

Man erhält also mit dieser Betrachtung tatsächlich ein CH 4-Molekül der beobachteten Gestalt.Um zu zeigen, daß dies die einzige vernünftige Kombination der Ausgangswellenfunktionen ist, müßte man alle Kombinationsmöglichkeiten durchgehen. Man wird vermutlich feststellen,daß die Anordnung im Tetraeder die geringste Energie hat.

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d) Trigonale oder sp2- HybridisierungHier kombiniert man nur zwei der p-Wellenfunktionen des Kohlenstoffs mit der des s-Elek-trons, die dritte bleibt frei und kann zu einer weiteren Bindung beitragen.

ψ1 = 13

ϕ s + 2 ϕ px

ψ2 = 13

ϕ s + 3

2ϕ py − 1

2ϕ px

ψ3 = 13

ϕ s − 3

2ϕ py − 1

2ϕ px

ϕpz bleibt übrig. Die Ladungsschwerpunkte liegen dann auf den Ecken eines gleichseitigenDreiecks (s. Abb. 66)

Abb. 66: Lage der Ladungsschwerpunkte bei der trigonalen

Bindung des Kohlenstoffs

Mit der trigonalen Hybridisierung läßt sich die Doppelbindung beim Ethylen C2H4 erklären.Von den Funktionen ψ1 - ψ3 sorgt je eine Funktion ψ1 für die eine C-C-Bindung. Die anderenmachen die CH-Brücken

ψ(r) = ψC1 + cψH1

mit aus obiger TabelleψC1 = ψ2

Abb. 67: σ und π Elektronen

im Ethylen

Die Symmetrieachsen der Wellenfunktionen dieser sogenannten σ - Elektronen liegen in einerEbene. Die pz-Funktionen stehen mit ihren Achsen senkrecht auf dieser Ebene und sorgen füreine zusätzliche Bindung. Die zugehörigen Elektronen heißen π-Elektronen. Bei der Dreifach-bindung in Acetylen C2H2 wird eine C-C-Bindung und die C-H-Brücken durch σ-Elektronen

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gebildet, während die beiden übrig bleibenden p-Orbitale zu zwei zusätzlichen C-C-Bindungenführen (Abb. 68).

Abb. 68: Dreifachbindung beim Acetylen

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KAPITEL JSymmetrien

1. Einleitung

a) Warum Symmetriebetrachtungen?Je komplizierter die Probleme, desto mehr spielen Symmetriebetrachtungen eine Rolle. DieSymmetriebetrachtungen in der Molekülphysik haben- z.B. gegenüber denen in der Hochener-giephysik - den Vorteil, daß sie mit sehr anschaulichen Operationen, nämlich einfachen Abbil-dungen wie Drehungen und Spiegelungen zu tun haben. Durch die Berücksichtigung der Geo-metrie, die oft aus dem Experiment bekannt ist, erleichtert man sich die mathematischen Pro-bleme, etwa die Aufstellung der Wellenfunktion. Diese wird z.B. benötigt, um etwa Bindungs-kräfte zu berechnen, aus denen dann die mit den Schwingungsfrequenzen der Atome berechnetwerden können. Die Geometrie der Normalschwingungen, d.h. der Schwingungsmoden, beidenen jedes Atom mit gleichbleibender Amplitude und Phasenbeziehung schwingen kann undaus denen man alle möglichen Schwingungsformen durch Linearkombination erhalten kann,können unmittelbar aus den Symmetriebetrachtungen gewonnen werden. Last not least: JedeSymmetrie ist mit einem Erhaltungssatz verbunden.

b) Einige SymmetrieoperationenEine Symmetrieoperation ist eine Abbildung, durch die man ein Molekül in sich selbst über-führt. Ein Wassermolekül z.B. besteht aus einem O- und zwei H-Atomen, die in einer Ebeneliegen (Abb. 69 )

Abb. 69: Moleküle mit Rotationssymmetrie bezüglich einer Achse

Durch eine Drehung um die Symmetrieachse in dieser Ebene um 180° vertauscht man beide H-Atome. Da die H-Atome nicht unterscheidbar sind, ist das Atom vor und nach der Drehungebenfalls nicht unterscheidbar. Man sagt, H2O ist gegenüber C2 invariant. Allgemein bezeichnetman mit Cn eine Drehung um ϕ = 360/n. Das Ammoniakmolekül NH3 ist symmetrisch gegen-

über C3, das JCl4- - Ion gegenüber C4, das Benzol gegenüber C6. (Man beachte, daß im Benzol

die Wellenfunktionen in einer trigonalen Form vorliegen und völlig symmetrisch gegenüberDrehung um 60° sind.).

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Harald Schüler
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2. Punktgruppen

a) SymmetrieoperationenWir unterscheiden 4 nicht triviale Arten von Symmetrieoperationenα) Drehung um eine Achse Cn

Diese Operation wird mit Cn bezeichnet, wobei n angibt, wie oft man Cn hintereinander ausfüh-ren muß, um eine Drehung von 360° zu vollführen. Ist der Drehwinkel , wird ϑ

n = 360/ϑWenn das Molekül mehrere Achsen hat, wird die mit dem maximalen n als Hauptachsegenommen und in z-Richtung gelegt. Die z-Richtung ist die vertikale Richtung.Z.B. ist bei einem H2 Molekül die Verbindungslinie der Atome eine C -Achse. Diese wird als∞

z-Achse gewählt. Die x und die y-Achse (sowie alle senkrecht auf z stehenden Achsen sindC2-Achsen.Bei einer Drehung des Moleküls um sind die neuen Koordinaten der Atomeϑ

x = x cosϑ − y sin ϑy = x sin ϑ + y cosϑz = z

In Vektorschreibweise hat diese Gleichung die Formr´ =Cr

mit

Cn =

cos ϑ −sinϑ 0sin ϑ cos ϑ 0

0 0 1

Cn ist die Matrixdarstellung der Drehoperation. Für C2 ist = 180° und damitϑ

C2 =

−1 0 00 −1 00 0 1

Hintereinanderausführung zweier Operationen ist in der Matrizendarstellung äquivalent zurMultiplikation der zugehörigen Matrizen. Aus der Definition erkennt man sofort, daß

C4C4 = C4 2 = C 2

Unser erstes Ziel wird sein, die vollständige Gruppe der Operationen für eine bestimmte Sym-metrie hinzuschreiben. Dazu benötigen wir ein neutrales Element und das hierüber definierteinverse zu jeder Operation.

β) Identität EE läßt das Molekül unverändert

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x´ = xy´ = yz´ = z

in Vektorschreibweise r = Er mit

E =

1 0 00 1 00 0 1

Das inverse Element Op-1 eines Operators Op ist dann definiert über

Op-1Op = OpOp-1 = Ez.B.

C43C4 = C4

4 = EC4

-1 = C43

γ) Spiegelung an einer Ebene σWenn eine Achse vorgegeben ist, unterscheidet man zwischen Spiegelung an einer horizonta-len Ebene (σh), d.h. einer Ebene, die senkrecht zur Achse liegt, und einer vertikalen Ebene, diedann die Achse enthält.Für eine horizontale Ebene heißt die Transformation

x’ = x

y' = yz' = -z

und die zugehörige Matrix

1 0 00 1 00 0 −1

für die xz-Ebene entsprechend

1 0 00 −1 00 0 1

Abb. 70: horizontale und vertikale Spiegelebene

109

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Als Beispiel zeigt Abb.70a die Spiegelsymmetrie des H2 Moleküls bezüglich σh, Abb. 70b dieSpiegelsymmetrie des H2-Moleküls bezüglich zweier σv-Ebenen. Es muß darauf hingewiesenwerden, daß σv die Atome in ihrer Lage beläßt, daß σv aber nicht das gleiche wie E bewirkt.Z.B. wird ein Pfeil, der senkrecht auf σv steht, durch die Spiegelung umgedreht, während erbei der Identität natürlich seine Richtung beibehält. Man muß daher σv und E unterscheiden.

δ) Inversion i (Spiegelung an einem Punkt)Bei der Inversion wird jede Koordinate durch ihr Negatives ersetzt.

x´ = -xy´ = -yz´ = -z

Die Matrix, mit der dies durch Multiplikation mit einem Vektor erreicht wird, hat die Form

i =

−1 0 00 −1 00 0 −1

ε) Drehspiegelung Sn

Bei der Drehspiegelung führt man zunächst eine Drehung um eine Cn-Achse aus und danacheine Spiegelung an einer Fläche senkrecht zu Cn. Als Beispiel für ein Molekül, das symme-trisch gegenüber Drehspiegelung ist, wird Allen C3H4 betrachtet.

Abb. 71: Allen ist symmetrisch gegenüber

Drehspiegelung

Dreht man zunächst um eine Achse, die durch die drei Kohlenstoffatome geht, um 90° undspiegelt dann an der Ebene, die senkrecht zur Achse steht und durch das mittlere Kohlen-stoffatom geht, erhält man das ursprüngliche Molekül. Die Drehachse und die Spiegelebenenennt man Symmetrieelemente. Allgemein sind Symmetrieelemente Flächen oder Punkte, diebei der Operation fest bleiben.

b) PunktgruppenDie Operationen bilden die Elemente einer Gruppe, wobei die Verknüpfung dieser Elementedurch Hintereinanderausführen der Operationen gegeben ist. Die Bezeichnungen der verschie-denen Gruppen erfolgt in der Molekülphysik nach Schönflies (in der Festkörperphysik wird einSystem nach Hermann-Mauguin bevorzugt).

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α) C1

Die Gruppe C1 umfaßt alle Moleküle, die überhaupt keine Symmetrie aufweisen. Sie enthält alseinzige Operation die Identität E. Als Beispiel ist in Abb.72 HNClF dargestellt

Abb. 72: Ein Molekül ohne Symmetrie

β) Cs

Moleküle dieser Gruppe besitzen als einziges Symmetrieelement eine Spiegelebene σ. DieGruppe enthält die Operationen σ und E. Beispiele s. Abb. 73

Abb. 73: Moleküle der

Punktgruppe Cs

γ) Ci

Moleküle der Gruppe Ci besitzen als einziges Symmetrieelement ein Inversionszentrum. Ope-rationen sind i, E. Als Beispiel wird in Abb. 74 1,2 Difluor - 1,2 - Dichlorethan angeführt

Abb. 74: Ein Molekül, das nur gegenüber Inversion

symmetrisch ist

δ) Cn

Moleküle dieser Gruppe besitzen als einziges Symmetrieelement eine Cn-Drehachse. Operatio-nen sind Cn , Cn

m, (m < n), EAbb. 75 zeigt als Beispiel Borsäure BO3H3

Abb. 75: Borsäure hat als einziges Symmetrieelement

eine Drehachse

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ε) Cnv

Symmetrieelemente: Eine Drehachse Cn und n senkrechte Spiegelebenen, d.h. Ebenen, dieDrehachse enthalten.Operationen Cn, (Cn

m), σv, σv’, ...EAls Beispiel wird in Abb.76 das Wassermolekül betrachtet, die der Gruppe C2v angehört.Bild

Abb. 76: Wasser gehört der Symmetriegruppe C2v an

Die Operationen sind E, C2, σv, σv’

Die Multiplikationstabelle zeigt das Ergebnis der verschiedenen Verknüpfungen, das man ambesten aus der Geometrie von Abb. 76 abliest.

Tabelle VII: Die Gruppe C2v

ζ) Cnh

Symmetrieelemente: Cn, σh

Operationen Cn, Cnm, σh bei geradem n : i.

η) Dn

Symmetrieelement Cn, n C2 Achsen senkrecht zu Cn

) DndϑWie Dn zusätzliche Symmetrieelemente: vertikale Ebenen auf den Winkelhalbierenden zu denC2-Achsen. Dnh wie Dnd, aber zusätzlich horizontale Ebene,Sn: SnAchseT: TetraedersymmetrieO: OktoedersymmetrieD sind Gruppen zweiatomiger Moleküle mit einer Drehachse, auf der alle Atome∞h und C∞v

angeordnet sind. D sind symmetrisch zu einer horizontalen Ebene, z.B. homonukleare∞v

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zweiatomige Moleküle, C haben keine solche Symmetrie, z.B. zweiatomige heteronukleare∞h

Moleküle.

c) Reduktion der MatrizenDie Matrizen, mit denen die Gruppe dargestellt werden, können reduziert werden, d.h. mankann sie ersetzen durch Matrizen kleinerer Dimension, die der gleichen Multiplikationstabellefolgen. Hierzu verwendet man eine Ähnlichkeitstransformation

α) ÄhnlichkeitstransformationEine Ähnlichkeitstransformation einer Matrix A hat die Form

A´ = Q-1AQwobei Q die Transformationsmatrix ist. Unterzieht man drei Matrizen A, B, C, für die AB = C gilt einer Ähnlichkeitstransformation, so ist

A´B´ = Q-1AQQ-1BQ = Q-1ABQ = Q-1CQ = C´d.h. das transformierte Produkt ist das Produkt der transformierten Matrizen. Man setzt sichalso zum Ziel, eine Transformationsmatrix Q zu finden, die alle Darstellungsmatrizen einerGruppe, etwa E, Cn , i vereinfacht. Die transformierten Matrizen E', Cn ', i' stellen dann diegleiche Gruppe dar.

ß) Jordansche NormalformEine einzelne Matrix A kann man unter sehr weiten Voraussetzungen durch eine Ähnlich-keitstransformation auf eine Diagonalform bringen, d.h. in eine Einheitsmatrix überführen. Ei-ne gleichzeitige Überführung aller Matrizen, die die Gruppe bilden, in eine Einheitsmatrix ist

i.a. nicht möglich. Man kann aber die transformierten Matrizen optimal an die Diagonalformannähern, d.h. die transformierte Matrix besteht aus Blöcken, die nur in der Umgebung derDiagonalen von Null verschieden sind. Außerhalb dieser Blöcke stehen nur Nullen.

Diese Form heißt die Jordansche Normalform. Bei zwei Matrizen A und B in Blockform mitgleicher Dimension der Blöcke, ist auch das Produkt in Blockform

mit A1' · B1' = C1', A2' · B2' = C2' , ...

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Die ursprünglichen großen Matrizen zerfallen also in Untermatrizen, wobei jede der Multipli-kationstabelle der Gruppe folgt.In unseren Beispielen haben die ursprünglichen Matrizen die Dimension 3, d.h. durch die Re-duzierung werden 1 x 1 Matrizen, die im allgemeinen eine 1 oder -1 enthalten oder2 x 2 Matrizen entstehen. Bei Symmetriebetrachtungen hat man es manchmal auch mit größe-ren Matrizen zu tun. Wenn wir z.B. die Symmetrieeigenschaften der Schwingungen der Atomedes Wassers untersuchen wollen, werden wir an jedes Atom ein Koordinatensystem xi yi zi

anbringen.

Abb. 79: Geometrie zur Ermittlung einr 9 dimensiona-

len Matrixdarstellung der Gruppe C2v

Bei einer Symmetrieoperation, etwa C2 muß dann die Transformation aller 9 Koordinaten be-trachtet werden.

Bei der praktischen Konstruktion der irreduziblen Darstellungen beschreitet man nicht denWeg über Ähnlichkeitstransformationen, sondern man operiert mit den Charakteren der Matri-zen. Der Charakter einer Matrix ist ihre Spur, d.h. die Summe der Diagonalelemente.

γ) Irreduzible Darstellungen der Gruppe Während es eine beliebig große Anzahl von reduziblen Darstellungen einer Gruppe gibt, diedavon abhängen, auf welches Objekt oder welche Funktion man sein Augenmerk richtet, istdie Charakterisierung durch irreduzible Darstellungen eindeutig. Es gibt genau Kunterschiedliche irreduzible Darstellungen, wobei K die Anzahl der Operationsklassen derGruppe ist.Eine Operationsklasse oder Ähnlichkeitsklasse ist ein vollständiger Satz von Operationen X, mit denen die Ähnlichkeitstransformation Y =Z-1XZ für alle Z der Gruppe zu einem Element

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Abb. 80: 9 dimensionale Matrix der C2

Operation

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führt, das der Ähnlichkeitsgruppe angehört. Bei Abelschen Gruppen bildet jedes Element eineÄhnlichkeitsklasse für sich.Wie man durch Ausprobieren feststellen kann, gibt es in der Punktgruppe C3v drei Klassenσv , σv' , σv''C3 , C3

2

EE bildet immer eine Klasse für sich. Im übrigen finden sich in einer Klasse i.a. gleichartigeSymmetrieoperationen wie Spiegelungen an einer vertikalen Ebene, Drehungen um eine Achseusw. Es gibt also in C3v drei irreduzible Darstellungen.

δ) Bezeichnungen der irreduziblen DarstellungenDie irreduziblen Darstellungen werden nach Konvention durch einen Buchstaben mit gewissenIndizes und durch einen Satz von Charakteren bezeichnet.

Bei linearen Molekülen werden die irreduziblen Darstellungen mit großen griechischen Buch-staben bezeichnet, z.B. in C heißt∞v

A1 E1 ≡ Σ+ ≡ ΠA2 E2 ≡ Σ− ≡ ∆

d) CharaktertafelnDer Charakter einer Operation χ(Op) ist gleich der Spur der zugehörigen Matrix

χ = Σi=1

n

aii

(n ist die Dimension der Matrizen)

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α) Konstruktion einer reduziblen DarstellungDie Darstellung hängt davon ab, für welches geometrische Element man die Symmetrie bezüg-lich der verschiedenen Operationen der Gruppe betrachtet.

Abb. 81: Bei der Konstruktion einer reduziblen Dar-

stellung sucht man die Transformationsmatrizen für

irgendeine geometrische Größe, hier ∆R1, ∆R2.

Als Beispiel wird das ebene Molekül H2N2 behandelt, das der Punktgruppe C2n angehört. Diesehat die Elemente E, C2,i und σh. Als geometrische Objekte für die Symmetriebetrachtung wer-den die HN-Verbindungen ∆R1 , ∆R2 hergenommen. Diese transformieren sich wie folgt:

E: E

∆R1

∆R2

=

1 00 1

∆R1

∆R2

=

∆R1

∆R2

χ(E) = 2

C2: C2

∆R1

∆R2

=

0 11 0

∆R1

∆R2

=

∆R2

∆R1

χ(C2) = 0

i: i

∆R1

∆R2

=

0 11 0

∆R1

∆R2

=

∆R2

∆R1

χ(i) = 0

σ: σh

∆R1

∆R2

=

1 00 1

∆R1

∆R2

=

∆R1

∆R2

χ(σh) = 2

β) Charaktertafel der irreduziblen Darstellung von C2h

Die Charaktere der irreduziblen Darstellungen von C2h sind in Tabelle X dargestellt. Die Grup-pe hat 4 Operationsklassen. Es gibt also 4 irreduzible Darstellungen. Die Charaktere bestimmtman nicht über Reduktion mit Hilfe von Ähnlichkeitstransformationen, sondern mit Hilfe vonSätzen über die Charaktere, die im nächsten Abschnitt vorgeführt werden.

Tabelle X: Charaktertafel der irreduzib-

len Darstellung der Gruppe C2h

Am oberen Rand stehen die 4 Operationen der Gruppe, am linken Rand die Bezeichnungender irreduziblen Gruppen. Im Hauptfeld stehen die Charaktere. Die Bezeichnung A wird ver-wendet, wenn bei C2 +1 steht, B, wenn unter C2 -1 steht. Der Index g deutet auf χ(i) = +1; uauf χ(i) = -1.

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γ) Basis der irreduziblen DarstellungenDie Basis zeigt an, welche Funktionen wie die entsprechende irreduzible Gruppe transformie-ren. Als Beispiel machen wir uns wieder wie oben bei ∆R1 , ∆R2 mit Hilfe der Geometrie klar,wie x(y, z) transformieren.

Abb. 82: Wie transformieren die Koordinaten unter den Ope-

rationen von C2h?

Ein Vergleich mit der Charaktertafel zeigt, daß x (und ebenso y) wie Bu transformieren. Mansagt, x (und auch y) ist eine Basis zu Bu. Man erkennt eine Anwendung: Die Charaktere voneindimensionalen Darstellungen lassen sofort erkennen, ob die dazugehörige Basis symme-trisch oder antisymmetrisch bezüglich der angesprochenen Operation ist. Rx, Ry, Rz beschreibenRotationen um die als Index angegebenen Achsen.

Abb. 83: Transformation von Rotationen

Wir leiten - wie oben - für x die Transformation bezüglich der verschiedenen Operationen ausder Geometrie ab. Dabei ist hilfreich, den Pfeil, der die Drehrichtung symbolisiert, Punkt fürPunkt zu transformieren

E: Rx/ = Rx χ(Ε) = 1

C2: Rx/ = -Rx χ(C2) = -1

i: Rx/ = Rx χ(i) = 1

σh: Rx/ = -Rx χ(ση) = -1

Rx und damit Ry transformieren wie Bg und sind daher Basis zu Bg.

δ) Zerlegung einer reduziblen Darstellung in irreduzibleÄhnlich wie man einen Vektor zerlegen kann in eine Linearkombination von Basisvektoren,läßt sich eine beliebige Darstellung einer Punktgruppe aus einer Linearkombination von irredu-ziblen Darstellungen bilden. Am einfachsten faßt man die Charaktere χ als Komponenten einesVektors auf. Die Zerlegung schreibt man dann:

χ(Op) = Σνιχi(Op)

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χ ist der Charakter der reduziblen Darstellung, der zur Operation Op gehört. χi der entspre-chende der irreduziblen Darstellung. νi gibt an, wie oft eine bestimmte irreduzible Darstellungin der reduziblen vorkommt. νi ist also eine ganze Zahl.In unserem obigen Beispiel ist

Damit ergibt sich Γred = Ag + Bu

e) Konstruktion von CharaktertafelnDie Sätze von Charakteren, die zu einer irreduziblen Darstellung gehören, haben noch andereEigenschaften von Vektoren.Satz 1:

ΣOp

χ i(Op)χ j(Op) = δijh

h ist die Ordnung der Gruppe, d.h. die Anzahl ihrer Elemente. Diese Formel entspricht der Or-thogonalitätsrelation von Basisvektoren.Außerdem gilt für die Dimensionen der irreduziblen Darstellung ni

Satz 2:

Σ ni2 = h

Da eine Ähnlichkeitstransformation den Charakter nicht ändert, giltSatz 3:

Innerhalb einer Operationsklasse sind die Charaktere für eine Darstellung gleich.

Schließlich hatten wir bereits Satz 4:

Die Anzahl der reduziblen Darstellungen einer Gruppe ist gleich der Anzahl der Operati-onsklassen der Gruppe.

Zur Konstruktion einer Charaktertafel, etwa für die Punktgruppe C3v können wir zunächst dietotalsymmetrische Darstellung, die aus lauter Einsen besteht, eintragen. Sodann können wirmeist über Satz 2 die Charaktere für die Operation E gewinnen, da χi(E) die Ordnung der irre-duziblen Darstellung Γ i angibt. (E ist immer diagonal und enthält in der Diagonalen so vieleEinsen wie die Ordnung der Matrix ist. Die übrigen Einträge lassen sich über die Orthogonali-tätsbeziehung erraten.

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Für die Gruppe C3v, für die oben die Multiplikationstafel ermittelt wurde, läßt sich dieser Vor-gang nachvollziehen.

Tabelle XII: Die Charaktertafel der Gruppe C3v

Da E zweidimensional ist, ist die Basis ein Vektor aus zwei Elementen.

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Kapitel KMolekülspektren

1. Rotationsspektrum

a) Energieniveaus zweiatomiger MoleküleWir betrachten zunächst den Anteil im Spektrum, der mit den kleinsten Energieänderungenverbunden ist, das Rotationsspektrum. Dabei setzen wir voraus, daß sich bei einem Rotati-onsübergang der Vibrationszustand und der elektronische Zustand nicht ändern.Von der quantenmechanischen Behandlung des Wasserstoffproblems her ist bekannt, daß derDrehimpuls quantisiert ist:

L = J(J + 1) h/

Mit wird die RotationsenergieL = Θω(Θ ist das Tragheitsmoment)

Wrot = L2

2Θ = h/ 2

2ΘJ(J + 1)

Wrot = BJ(J + 1)

mit in Joule und in cm-1.B = h/ 2

2Θ B = Bhc

= h/4πcΘ

Die Höhe der Energieniveaus nimmt also quadratisch mit J zu.Mit der Auswahlregel

∆J = ±1ergibt sich für das Spektrum (in Wellenzahlen)

ν = 1/λ = B[J(J + 1) − (J − 1)J)] = 2BJ

Es besteht aus äquidistanten Linien im Abstand 2B. Aus dem Linienabstand läßt sich also Bund damit Θ bestimmen.

Abb. 84: Termschema und Spektrum von

reinen Rotationsübergängen

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Harald Schüler
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b) Intensitätenα) Innerhalb einer RotationsstrukturDie Intensität ist wie bei Atomen gegeben durch

I = h/ωN1A12I

bei Emission, d.h. im wesentlichen durch die Besetzungszahl des Ausgangsniveaus, (bei Ab-sorptionsspektroskopie durch die Besetzung des unteren Niveaus) und die Übergangswahr-scheinlichkeit. Die Übergangswahrscheinlichkeit kann man in erster Näherung innerhalb derRotationsstruktur als konstant ansehen. Die Besetzungszahlen hängen von den statistischenGewichten der Zustände gJ = 2J + 1 und ihrer Energie ab.

N1

N0=

gj

g0e−E/kT ∼ (2J + 1)e−BJ(J+1)/kT

Dies ergibt wie xe-x2 eine Kurve mit einem Maximum bei Jmax . Jmax hängt von der Temperaturab.

Abb. 85: Intensitätsverteilung in einer Rotationsbande

Aus der Bestimmung der Quantenzahl Jmax, bei der die Intensität ein Maximum besitzt, läßtsich die Temperatur ermitteln.

β) InfrarotaktivitätRotierende Moleküle können nach dem klassischen Bild nur strahlen, wenn mit der Bewegungeine Beschleunigung von Ladung verbunden ist, d.h. wenn sie ein permanentes Dipolmomentbesitzen. Das gleiche gilt für Vibration. D.h. Moleküle ohne permanentes Dipolmoment zeigenkein Rotations- und Vibrationsspektrum. Man sagt, sie sind infrarot inaktiv. Hierzu gehörenalle zweiatomigen Moleküle aus gleichen Atomen (homonukleare Atome) wie H2, N2, O2 undmehratomige lineare Moleküle mit Inversionszentrum wie CO2. Das Rotationsspektrum dieserMoleküle ist aber bei der Raman-Streuung oder im elektronischen Spektrum beobachtbar.

γ) Einfluß des Kernspins (IK)Der Kernspin führt zu einer Hyperfeinstrukturaufspaltung, die mit genügend hoher Auflösungbeobachtet werden kann. Es gibt allerdings Einflüsse des Kernspins über statistische Effekte,die auch mit geringer Auflösung leicht beobachtbar sind. Es handelt sich um einen der Effekte,bei denen quantenmechanische Regeln zu makroskopischen Auswirkungen führen, ähnlich wie

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das Fehlen des 1s Grundzustandes im Triplettsystem des Helium. Dies wird am Wasserstoff-molekül H2 erörtert.Der Kernspin der beiden Protonen im H2 kann parallel ausgerichtet sein, man spricht dann vonOrthowasserstoff oder o - H2, oder antiparallel beim Parawasserstoff p - H2. Die Übergangs-wahrscheinlichkeit zwischen beiden Modifikationen ist gering (Auswahlregel ∆IK= 0). Im ther-mischen Gleichgewicht hat man stets eine Mischung von o- und p-Modifikation. Das Verhält-nis wird durch die statistischen Gewichte bestimmt. Beim o - H2 ist IK = 1, bei p - H2 IK = 0,die statistischen Gewichte und damit die Konzentrationen verhalten sich wie 3 : 1.Der Kernspin beeinflußt nun über seine Parität bezüglich Vertauschung der beiden Kerne dieParität der Gesamtwellenfunktion und da diese für Fermionen nach dem Pauliprinzip -1 seinmuß, ist die Parität vom Produkt alle übrigen beteiligten Funktionen wie der elektronischen,der Vibration, der Rotation zusammen vorherbestimmt.Im elektronischen Grundzustand (s) ist die Parität der Elektronenfunktion gerade. Ebenso hatder Grundzustand bezüglich Vibration eine gerade Parität, denn das System ist symmetrischgegenüber Austausch der beiden Kerne. Die Parität der Gesamtwellenfunktion ist also durch

Pges = Prot · PKern = - 1 bestimmt. Da - wie wir für das H-Atom gezeigt haben - die Rotationsniveaus eine Parität

P = (-1)J

besitzen, sind die einzigen möglichen Rotationsniveaus für

o - H2: J = 1,3,5,...p - H2: J = 0,2,4,..

Abb. 86: Mögliche Übergänge beim Ortho- und

Parawasserstoff

Mit der Auswahlregel ist damit überhaupt kein Übergang erlaubt. H2 strahlt∆J = ±1, ∆IK = 0aber sowieso nicht bei Rotation, da es infrarot inaktiv ist. Die Rotationsstruktur läßt sich abermit der Ramanstreuung oder im elektronischen Spektrum beobachten. Im Ramanspektrum giltdie Auswahlregel . Das Ramanspektrum besteht also aus einer Überlagerung der∆J = ±2Spektren des o-H2 und p-H2, wobei die Linien abwechseln und einen Intensitätsunterschiedvon 3:1 entsprechend der Konzentrationen der beiden Modifikationen aufweisen.Da o-H2 als tiefsten Zustand den metastabilen Zustand mit J = 1 hat, zerfällt o-H2 in p-H2. DieZerfallszeit ist allerdings in einem Gas von nicht zu hohem Druck von der Größenordnung ei-nes Jahres. Man kann den Zerfallsprozeß katalytisch beschleunigen und sich so p-H2 herstellenund lagern.

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Deuterium hat IK = 1, ist damit ein Boson. Für ein D2-Molekül führt daher die obige Betrach-tung zu dem umgekehrten Ergebnis, da gegenüber Vertauschung von Bosonen die Gesamt-wellenfunktion gerade sein muß. Folgende Rotationszustände sind also erlaubt

p - D2: J = 1, 3, 5o - D2: J = 0, 2, 4

In diesem Fall ist also die o-Modifikation stabil.Ein ähnliches Ergebnis wie für H2 erhält man für 14N2, aber wegen unterschiedlicher statisti-scher Gewichte ist hier das Intensitätsverhältnis der Linien 1/2. Bei 14N 15N, also einem Stick-stoffmolekül aus Isotopen mit unterschiedlicher Masse ist kein Intensitätswechsel in der Rota-tionsbande zu beobachten, da die Symmetrie des Atoms durch die unterschiedlichen Massenverlorengegangen ist. Bei 16O2 ist der Kernspin IK = 0. Daher kommen im Rotationspektrumnur Terme mit ungeradem J vor.

c) Rotations-RamanspektrumInfrarotspektroskopie wird im allgemeinen in Absorption betrieben (Abb. 87). Die Probe wirdentweder mit einer kontinuierlichen Lichtquelle bestrahlt und mit einem Monochromator ana-lysiert, oder mit schmalbandiger, abstimmbarer Laserstrahlung beleuchtet und die Absorptiongemessen. Probleme gibt es außer mit empfindlichen Detektoren mit Streulicht, das im Infraro-ten besonders schwer zu unterdrücken ist. Monochromatoren werden daher häufig als Doppel-monochromatoren oder in Littrow-Aufstellung betrieben.Bei der Ramanstreuung strahlt man mit sichtbarem Licht ein und beobachtet das unter 90° ge-streute Licht in der Umgebung der Rayleigh-Linie.

Abb. 87: Anordnug für Infrarot- und

Ramanspektroskopie

Wird dem eingestrahlten Licht Energie zur Anregung von Rotation entnommen, erniedrigt sichdie Frequenz der Streustrahlung. Man spricht von Stokes-Linien.

h/ωs = h/ωL − h/ωrot

Gibt ein rotierendes Molekül Energie an das Streulicht ab, spricht man von Antistokeslinien.

h/ωs = h/ωL + h/ωrot

Da die Abregung von einem höheren Niveau aus erfolgt, das nach Boltzmann schwächer be-setzt ist, sind die Antistokeslinien weniger intensiv als die Stokeslinien.

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Man erreicht mit dem Raman-Effekt eine Transformation des Rotationspektrums in den Spek-tralbereich des Lasers, also z.B. in das Sichtbare.Ein anderer Nutzen des Ramaneffektes ist die Möglichkeit, die veränderten Auswahlregelnauszunutzen. Da die Ramanstreuung ein Zweiphotonenprozeß ist, gilt hier . Außerdem∆J = ±2zeigen viele Moleküle, die infrarot inaktiv sind, ein Ramanspektrum, da hierfür kein permanen-tes Dipolmoment vorhanden sein muß, sondern sich nur die Polarisierbarkeit mit dem Kernab-stand ändern muß (s. Kap. L).

Abb. 88: So etwa sieht ein Rotations-Ramanspektrum

aus

Im H2 sieht man also das Rotations-Ramanspektrum: 1. da H2 Raman aktiv ist und 2. da

jetzt erlaubte Übergänge darstellen. Das Spektrum ist eine Überlagerung des p - H2∆J = ±2und o - H2 Spektrums, d.h. die mit den geraden Quantenzahlen verbundenen Übergänge, diezum p - H2 gehören sind um einen Faktor 1/3 weniger intensiv als die, die zu den geraden ge-hören. Insgesamt wechseln sich also Linien mit dem Intensitätsverhältnis 3/1 ab.

Abb. 89: Rotations-Ramanspektrum des H2

d) Der nichtstarre RotatorDas Modell der starren Hantel ist nicht streng gültig. Wegen der Elastizität der Bindung er-wartet man eine Erhöhung des Abstandes und damit des Trägheitsmomentes bei stärkerer Ro-tation. Rechnet man dies für gegebene Federkonstante k klassisch durch und ersetzt zum

Schluß L durch , so erhält man für die RotationsenergienJ(J + 1) h/

Wrot = BJ(J + 1) − D[J(J + 1)] 2

wobei D ~ 1/k ist. Diese Abnahme von ∆ zwischen den einzelnen Linien einer Rotationsban-νde bei hohen J läßt sich tatsächlich beobachten und mit den Federkonsten, die genauer ausdem Vibrationsspektrum gemessen werden, korrelieren.

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e) Isotopie-EffektDie verschiedenen Massen von Isotopen machen sich im Rotationsspektrum bemerkbar.Nimmt man an, daß die Potentialkurve V(Rab) nicht von der Atommasse abhängt, so verhaltensich die Trägheitsmomente wie die Massen und damit B umgekehrt wie die Massen. Dieser Ef-fekt ist besonders groß bei D2 und H2, wo BD = 1/2 BH. f) Mehratomige MoleküleMehratomige Moleküle besitzen immer drei Hauptträgheitsachsen, die senkrecht aufeinanderstehen. Wir legen das Koordinatenkreuz so, daß x, y, z mit den drei Trägheitsachsen, zu denendie drei Hauptträgheitsmomenten Θx, Θy, Θz gehören, zusammenfallen. Die Gesamtenergieder Rotation läßt sich dann schreiben

W = Lx2

2Θx+

Ly2

2Θy+ Lz

2

2Θz

Bei einem unsymmetrischen Kreisel - wie etwa H2O - sind alle Trägheitsmomente unter-schiedlich. In diesem Fall sind Lx, Ly, Lz nicht gequantelt. Jedes Molekül muß individuell be-handelt werden.Wenn zwei der Hauptträgheitsmomente gleich sind, etwa Θx =Θy Θz , spricht man vom≠symmetrischen Kreisel (Beispiel NH3). Dann hat man zwei Quantisierungsbedingungen

L = J(J + 1) h/Lz = Kh/

K = 0, ±1, ±2, ...,±J

K hat also eine ähnliche Funktion wie die magnetische Quantenzahl m im Atom, die Projektionvon L bezieht sich allerdings nicht auf eine außen vorgegebene Richtung, etwa ein Feld, son-dern auf die Molekülachse. Die Energie schreibt sich dann

Wrot = BJ(J + 1) + CK2

mit B = h/4πcΘz

, C= h/4πc

1Θy

− 1Θx

Bei einem prolaten Molekül, d.h. einem zigarrenförmigen, ist C > 0 und damit wächst dieGesamtenergie mit steigendem K, während bei einem oblaten Molekül, also einem diskusför-migen etwa wie Benzol C < 0 und damit ∆W mit steigendem K abnimmt.

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2. Schwingungsspektren

a) Potential eines zweitatomigen Moleküls

Abb. 90: Potential eines zweiatomigen Moleküls in

Abhängigkeit vom Kernabstand

Abb. 90 zeigt den qualitativen Verlauf des Potentials in Abhängigkeit vom Abstand R der bei-den Atome, die das Molekül bilden. Für viele Zwecke ausreichend läßt sich die Form durch einMorsepotential annähern

V(R) = De[1 − e−a(R−Re)] 2

Hierin ist De die Dissoziationsenergie vom Minimum der Potentialkurve aus gerechnet, Re istder Gleichgewichtsradius des Moleküls und a ist ein Maß für die Krümmung im Potentialmini-mum und damit für die Rückstellkraft. Bei Ionenbindung ist manchmal eine Näherung durcheine Art Lennard-Jones Potential günstiger

V(R) = −e2

4πε0R+ 1

R9

Wie bei der Rotation ist die Vibration im Infrarotspektrum nur beobachtbar, wenn das Mole-kül ein permanentes elektrisches Dipolmoment besitzt. Homonukleare zweiatomige Molekülezeigen also kein Vibrations- (d.h. Rotations-Vibrations) Spektrum.

b) Harmonische NäherungIm Potentialminimum kann V(R) entwickelt werden. Die einfachste nichttriviale Näherung desPotentials ist ein parabelförmiges Potential, also das Potential eines linearen Oszillators:

V(R) = k2

(R − Re)2

Klassisch ergibt sich als Schwingungsfrequenz

ω02 = k

µ

wobei k die Rückstellkraft und µ die reduzierte Masse ist.

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Abb. 91: Potential, Energieniveaus und Übergänge

beim harmonischen Osszillator

1µ = 1

m1+ 1

m2

Quantenmechanisch erhält man äquidistante Energieniveaus

Wvib = h/ω0 v + 1

2

die durch die Vibrationsquantenzahl v = 0, 1, 2, .... charakterisiert werden. In Wellenzahlen-einheiten schreibt man üblicherweise

Wvib = ϖe v + 1

2

wobei die Dimension einer Wellenzahl hat und nicht mit einer Kreisfrequenzϖe = h/ω0

hc= ν

verwechselt werden darf.

Das tiefste Niveau liegt nicht bei V(Re) = 0, sondern bei . V0 ist die Nullpunktse-V0 = 12

h/ω0

nergie. Die Auswahlregel heißt , woraus folgt, daß nur eine einzige Frequenz be-∆ v= ±1obachtet wird: ω = ω0.

c) Der anharmonische OszillatorDas Schrödingerproblem mit Morsepotential ist vollständig lösbar. In der Umgebung des Po-tentialminimums geht natürlich die Lösung in die des harmonischen Oszillators über, wobei dieRückstellkraft

k = 2Dea2 ist.

Die Tatsache, daß das Potential nicht harmonisch ist, hat zwei Konsequenzen:α) Die Energieniveaus sind nicht mehr äquidistant. Sie können approximiert werden durch

Wvib = h/ω0 v + 1

2 + h/ω0

4D v + 1

2

2

= h/ω0 v + 1

2 + xeh/ω0

v + 1

2

2

xe hat die Größenordnung 0,01. Für genauere Vergleiche mit Messungen werden auch höherePotenzen von (v + 1/2) mitgenommen. Die Abstände zwischen den Niveaus nehmen also mitwachsendem v ab.

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β) Die Auswahlregeln lassen nun außer auch und zu. Dabei schwingt∆v= ±1 ∆v= ±2 ∆v= ±3der Oszillator mit den Frequenzen ω = ω0 , ω = 2ω0 . also den Oberschwingungen zur Grund-frequenz. Man spricht auch von Obertönen. Die Obertöne nehmen mit steigender Ordnung anIntensität ab.Die Anzahl der Vibrationsniveaus, vmax, die bis zur Dissoziationsgrenze in die Potentialmuldepassen, ist beim Morsepotential endlich.

h/ω0 vmax + 1

2 + xe

vmax + 1

2

2 = De

für HCl mit ν0 = 2900 cm-1, xe = 0,017 ergibt sich z.B. vmax = 22.

Abb. 92: Die Dissoziationsenergie D0 und die Tiefe der

Potentialmulde De unterscheiden sich

Die Dissoziationsenergie D0 ist nicht durch den Abstand gegeben,V(R → ∞) − V(Re) = De

sondern durch den Abstand zur Nullpunktsenergie D0. Die Nullpunktsenergie

De − D0 = 12

h/ω0 = h/2

km

hängt von der Masse der beteiligten Atome ab. Nimmt man an, daß die Bindungskräfte unddamit die Potentialkurve nicht von der Masse der beteiligten Atome abhängt, so ergibt sich ausden gemessenen Dissoziationsenergien die Nullpunktsenergie.

Z.B. sind die Grundschwingungen des Wasserstoffs (1H2) und Deuteriums (2D2)

ν0H = 4115cm−1

ν0D = 2990cm−1

Die Differenz der Nullpunktsenergien wird damit

1(v0H − ν0D) = 584cm−1

Dies muß der Differenz der Dissoziationsenergien entsprechen

(De − D0)D −(De − D0)H

Für den Fall gleicher Potentialkurven von H und D wird dies DeH - DeD . der gemessene Wert für die Differenz der Dssotiationsenergien ist: ∆ν = 621cm-1.

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Das Bild ist also im großen und ganzen korrekt und der obige Vergleich kann als Nachweisder Nullpunktsenergie angesehen werden.Die Differenz der Ionisierungsenergie von Isotopen ist die Grundlage für Isotopentrennung mitLaserstrahlung.

d) Rotation-Schwingungsspektrumα) Ohne KopplungGenaugenommen sind Rotations- und Schwingungsenergie nicht unabhängig voneinander,denn z.B. bei Anregung von Vibration vergrößert sich der mittlere Abstand der Atome unddamit das Trägheitsmoment. Wenn man von dieser Kopplung absieht, ergeben sich die Ener-gieniveaus zu

W = Wvib + Wrot

W = h/ω0 v + 1

2 + xeh/ω0

v + 1

2

2

+ BJ(J + 1)

Mit den Auswahlregeln und resultiert das bekannte Vibrati-∆J = ±1 ∆v = ±1, ± 2, ± 3, ...onsspektrum, das in der unmittelbaren Umgebung eine Rotationsstruktur aufweist. Die Bedin-gung besagt, daß Vibrationsspektren alleine nicht vorkommen, sondern daß mit je-∆J = ±1der Vibration auch eine Rotation angeregt wird.

Abb. 93: Übergänge im Rotations-Schwingungsspektrum

Abb. 93 zeigt einen Ausschnitt aus dem Termschema der Rotations-Vibrationsniveaus für 2unterschiedliche Vibrationsquantenzahlen und drei Rotationsquantenzahlen. Den unteren Termversieht man normalerweise mit zwei Strichen.Den Zweig mit ∆J = -1, d.h. J' = J''- 1 nennt man den P-Zweig, den mit ∆J = +1 , d.h.J' = J'' + 1 den R-Zweig. Es gibt Ausnahmen, in denen der Q-Zweig mit ∆J = 0 ebenfalls er-laubt ist, dann weist das Spektrum an der Stelle des reinen Vibrationsüberganges eine Linieauf. Sonst fehlt diese sogenannte Null-Linie.

Abb. 94: Rotations-Vibrationsstruktur

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β) Kopplung Rotation-Vibration

Abb. 95: Die Abhängigkeit des mittleren Abstandes von

der Vibrationsquantenzahl

Wie in Abb. 95 zu erkennen, wächst mit höherer Vibrationsanregung der mittlere Abstand derbeiden Atome. Dies ist übrigens in Festkörpern der Grund für die Wärmeausdehnung. Für dieRotation heißt dies, daß die Rotationskonstante B eine Funktion der Vibrationsquantenzahl ist,und zwar wird B monoton kleiner mit wachsendem v. Man kann für den einfachsten Fallansetzen

Bv = Be − α v + 1

2

wobei Be die Rotationskonstante ohne Vibration ist. Dies hat zur Folge, daß innerhalb des R-Zweiges die Abstände zwischen den Rotationslinien mit steigendem J ansteigen, innerhalb desP-Zweiges abnehmen.

γ) Kopplung Rotation - Vibration - elektronischer Übergang

Abb. 96: Einfluß der elektronischen

Anregung auf die Bindung

Bei zusätzlicher elektronischer Anregung erhält man eine angehobene Potentialkurve, die aberim allgemeinen die Form ändert. Wenn die Anregung die Form und die Gleichgewichtsabstän-de nicht ändert, ist die Anregung bindungsneutral in den selteneren Fällen mit R' < R'' ist dieAnregung bindungsfestigend, sonst i.a. bindungslockernd (R´ > R"). Im Extremfall hat der an-geregte Zustand kein Potentialminimum, d.h. die Bindung wird durch die Anregung gelöst. Esgibt aber auch den umgekehrten Fall, daß im elektronischen Grundzustand keine Bindung

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vorliegt, durch eine Anregung aber ermöglicht wird. Solche Stoffe nennt man Excimere. Edel-gas-Halogenid-Excimere spielen als Lasermedium eine Rolle.Wir gehen vom Fall aus, daß beide Potentialkurven ein Minimum besitzen, dieses sich aberdurch die Anregung verschiebt. Als Folge ändert sich der mittlere Abstand und damit die Ro-tationskonstante. Die Wellenzahlen ergeben sich aus

ν = ν0(v'v'') + B'J'(J´+1) - B’’J’’(J''+1)

Da B’ ≠ B'’, hebt sich der quadratische Term nicht mehr wie im reinen Rotationsspektrum her-aus. Man erhält bei konstantem ∆J, das die Zweige charakterisiert, für ν(J) Parabelbögen. Au-ßer ∆J = ±1 ist hier auch der Q-Zweig ∆J = 0 häufig erlaubt und der O- und S-Zweig(∆J = ±2). ν(J) ist das sogenannte Fortrat-Diagramm (Abb.97 ), das es gestattet, eine gewisseÜbersicht in ein Bandenspektrum zu bringen.

Aus der Richtung der Abschattierung läßt sich erkennen, ob die Anregung die Bindung fördertoder lockert. Bei B' = B'' hat die Rotationsstruktur das gleiche Aussehen wie imRotations-Schwingungsspektrum.

e) Mehratomige MoleküleNormalschwingungenBei einer Normalschwingung schwingen alle Atome mit konstanter Amplitude, Frequenz undgegenseitiger Phasendifferenz. Bekannt sind die Normalschwingungen zweier gekoppelterPendel. Hier gibt es genau 2 Normalschwingungen: Bei der einen schwingen beide Pendel ingleicher Richtung, bei der anderen gegeneinander. Auch die Eigenschwingungen von Saitenkann man als Normalschwingungen auffassen. Wie bei Saiten haben auch in allen anderenschwingenden Systemen die Normalschwingungen die Eigenschaft, daß sich alle möglichenSchwingungsformen aus Linearkombinationen der Eigenschwingungen zusammensetzen las-sen. (Bei Saiten wird dies durch den Satz von Fourier begründet).Ein Molekül, das aus n Atomen besteht, hat 3n Freiheitsgrade. Zieht man hiervon die 3 Frei-heitsgrade der Translation und die 3 der Rotation ab, bleiben im allgemeinen 3n - 6 Freiheits-grade für Schwingungen übrig. Bei einem linearen Atom entfällt der Freiheitsgrad der Rotationum diese Achse. Ein Molekül hat also im allgemeinen 3n - 6 Normalschwingungen, ein linea-res Atom 3n - 5.

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Abb. 97: Das Fortrat

- Diagrammm

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Beispiel:Bei zweiatomigen Molekülen ist die Anzahl der Normalschwingungen 6 - 5 = 1.Wasser ist nicht linear, n = 3 also gibt es 3 Moden. CO2 ist ein lineares Molekül aus 3 Atomenund hat daher 4 Normalschwingungen (s.Abb. 99) Die beiden Biegeschwingungen sind dabeientartet.

Abb. 98: Die Normalschwingungen

vom Wassermolekül

Abb. 99: Die Normalschwingungen bei

CO2

Die Symmetrie der Normalschwingungen läßt sich auf die Symmetrie der irreduziblen Darstel-

lungen der Gruppe, denen das Molekül angehört, zurückführen.Als Beispiel wird das H2O-Molekül betrachtet. Es gehört, wie wir aus Kapitel K wissen, derPunktgruppe C2v an. Die Charaktertafel mit dem linearen Teil der Basis ist in Tabelle XIII wiedergegeben.

Tabelle XIII: Charaktertafel der

Punktgruppe C2v

Unterziehen wir die in Abb. 98 angegebenen Normalschwingungen den verschiedenen Symme-trieoperationen der Gruppe, sehen wir, daß ν1 und ν2 wie A1 transformieren, ν3 wie B1. Man kann diese Symmetrien auch systematisch ermitteln, ohne daß die Form der Normal-schwingungen bekannt ist.

Dazu zeichnet man an jedes Atom ein Koordinatenkreuz und überlegt sich, wie der Vektor

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bei den verschiedenen Symmetrieoperationen transformiert (s. Abb. 79 und 80). Man schreibtdie zugehörigen 9 x 9 Matrizen hin und bestimmt deren Spur. Man erhält damit die Charaktereder reduziblen Darstellung. Bei H2O ergibt sich:

Die Dimension ist gleich der Anzahl der Freiheitsgrade 9. Durch Ausprobieren mit derCharaktertafel der Gruppe findet man, daß sich diese Darstellung zusammensetzt aus denirreduziblen

Γ tot = 3a1 + a2 + 3b1 + 2b2

Hiervon zieht man noch die irreduziblen Darstellungen ab, die die Translationen (x, y, z) undRotationen (Rx, Ry, Rz) als Basis haben.

Γvib = Γrot - Γ trans - Γrot

= (3a1+a2+3b1+2b2) - (a1+b1+b2) - (a2+b1+b2) = 2a1 + b1

Es gibt also zwei Normalschwingungen mit der Symmetrie a1 und eine mit der Symmetrie b1.

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3. Elektronisches Spektrum

a) Terme zweiatomiger Moleküle mit einem ValenzelektronDie elektronischen Zustände von Molekülen werden an den einfachsten Objekten erörtert: denzweiatomigen Molekülen, wobei zunächst davon ausgegangen wird, daß das Molekül wedervibriere noch rotiere. Die Zustände sind dann ähnlich wie die im Atom im starken Feld, da dieMolekülachse eine Vorzugsrichtung darstellt. Die Molekülachse wird als z-Richtung gewählt.Zur Beschreibung des Zustandes dienen folgende Quantenzahlen:

n: die Hauptquantenzahl bezeichnet die Elektronenschale wie früherO: der Bahnmdrehimpuls des Elektrons ist keine gute Quantenzahl mehr, da der Dreh- impuls um die Molekülachse präzediert. O = 0, 1, ..., n - 1Oz: statt O ist die Projektion von O auf die Molekülachse eine geeignete Quantenzahl

Oz = mlh, ml = O, O - 1, ..., O

mO hat also die Funktion der magnetischen Quantenzahl. Im Unterschied zum Atom im Ma-

gnetfeld haben Zustände mit ±mO die gleiche Energie, da die Energie ohne Aufhebung der Ent-

artung, etwa durch eine Störung, unabhängig von der Umlaufrichtung des Elektrons um dieMolekülachse ist. Man führt daher eine neue Quantenzahl ein:

λ = |mO|

mit folgender Zuordnung

Die Termsymbole entsprechen den lateinischen Buchstaben, S, P, D, F,... Dabei sindσ-Zustände bezüglich m

O einzeln, können aber wegen der zwei möglichen Spineinstellungen

des Elektrons ms = ±1 mit zwei Elektronen besetzt werden. Alle anderen Zustände mit λ ≠ 0sind doppelt wegen m

O= ±λ und können daher mit 4 Elektronen besetzt werden.

Die Quantenzahlen zur Beschreibung des Zustandes in einem Molekül sind also (n, (l), λ, ms).Um die Herkunft der Terme aus denen der Einzelatome anzugeben, werden diese durch Nach-stellung der Bezeichnungen für die Einzelatome gekennzeichnet, z.B.

σ1sA oder σ2pB

Man kann auch die Termbezeichnung des vereinigten Atoms vorstellen.Durch den Index g oder u wird angegeben, ob es sich um gerade oder ungerade Zustände be-züglich Inversion handelt, wobei wir wie früher durch geeignete Kombination gleicher Einzela-tomzustände gerade oder ungerade Zustände bilden können:

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σg1s = N(σ1sA + σ1sB)σu1s = N(σ1sA − σ1sB)

N ist die Normierungkonstante. Nicht bindende Zustände werden mit einem Stern versehen.Abb.100 zeigt die beiden tiefsten Zustände mit den niedrigsten Energien beim H2-Molekül.Rechts und links sind die Einzelatomzustände (AO = Atomare Orbitale) gezeichnet, dazwi-schen die des durch die Vereinigung entstandenen Moleküls.

Abb. 100: Die tiefsten elektronischen

Zustände von zweiatomigen

Molekülen

Die Zustände werden wie beim Atom von kleinsten Energien anfangend unter Beachtung desPauliverbots besetzt. Beim H2 ist also der bindende Zustand vollständig mit 2 Elektronen be-setzt. Beim He2 ist auch der nichtbindende Zustand 1σu

* mit zwei Elektronen besetzt. Die An-zahl der Elektronen in bindenden Zuständen minus der in nichtbindenden geteilt durch 2, nenntman auch die Bindungsordnung; in H2 ist sie 1, in He2 0. An ihr kann man die Stärke der Bin-dung erkennen. H2 ist stabil, He2 instabil. Durch Anregung kann beim He2 ein Elektron aus ei-nem nicht bindenden Niveau in ein bindendes übergehen. Dies ist der Grund fürExcimerbildung.

Abb. 101: Die Besetzung der tiefsten Niveaus bei

Stickstoff und Sauerstoff

Abb. 101 zeigt die 8 tiefsten Niveaus der leichten homonuklearen Moleküle und ihre Auffül-lung bei N2 und O2. Die drei Elektronenpaare in den stabilen 2p Niveaus bei N2 entsprechen derDreifachbindung. Beim O2 kommen zwei Elektronen im nichtbindenden πg

* 2p Orbital hinzu,die die Bindung der Elektronen im σg2p - Orbital kompensieren, so daß eine Zweifachbindungübrigbleibt.

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Die Lage der einzelnen Niveaus in einer Schale kann von Atom zu Atom variieren. EinenÜberblick verschafft das Korrelationsdiagramm Abb. 102

Abb. 102: Korrelationsdiagramm

Hier sind links die Niveaus des vereinigten Atoms, rechts die der Einzelatome aufgeführt. Zu-stände gleicher Symmetrie rechts und links sind so verbunden, daß sich Linien, die vonZuständen gleicher Symmetrie ausgehen, nicht kreuzen. Die Lage unterschiedlicher Molekülein diesem Diagramm ist angegeben. Anhand der Lage der Verbindungslinien läßt sich die rela-tive Lage der Terme ermitteln.

b) Die Kopplung mehrerer Elektronen im zweiatomigen MolekülBei mehreren Elektronen muß man beachten, wie die verschiedenen Drehimpulse zum Ge-samtdrehimpuls des Systems koppeln. Entsprechend der LS und jj-Kopplung im Atom gibt esverschiedene extreme Kopplungsfälle. Nach Hund unterscheidet man zwischen 4 Kopp-lungsfällen, von denen wir zwei angeben. Sie unterscheiden sich im wesentlichen in dem Ein-fluß der Molekülachse.Im Hundschen Kopplungsfall A sind S und O

L an die Molekülachse gekoppelt.

Die Projektionen der Drehimpulse auf die Achse addieren sich algebraisch zur Projektion desGesamtdrehimpulses

Lz = ±Λh/Λ = Σ (±λ i)

Die Zuordnung zwischen der Termbezeichnung und dem Wert von Λ ist dabei wie im Atom,nur daß statt lateinischer Buchstaben griechische verwendet werden:

Die Spins der einzelnen Elektronen addieren sich zum Gesamtspin S. S addiert sich mit Λ , dem Vektor der Länge Λ, der in z-Richtung zeigt, vektoriell, so daß die Projektionen von S

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auf die Achse, Σ, ganzzahlige Differenzen haben. Σ und Λ addieren sich algebraisch zur z-Komponente des gesamten Elektronendrehimpulses Ω.

Ω = Σ + ΛDie Verhältnisse sind ähnlich wie beim Paschen-Back-Effekt.Der Gesamtdrehimpuls des ganzen Moleküls J ergibt sich dann aus einer vektoriellen Additiondes Impulses der Kernrotation (Hantelimpuls) N und der Elektronen

J = N + Ω

Abb. 103: Addition der Drehimpulse beim Hundschen

Kopplungsfall A

Abb. 104: Vektorgerüst für die Addition von S und Λ

im Hundschen Kopplungsfall A

Die Multiplizität der Feinstruktur ist wie bei Atomen durch 2S+1 gegeben.Übergänge gehorchen den Auswahlregeln

∆Λ = 0, ±1∆S = 0

d.h. Interkombinationslinien sind i.a. wie bei Atomen verboten. Bei schwereren Atomen kom-men sie vor. Beispiele sind die atmosphärische Sauerstoffbande, die durch einen Übergang3Σ→1Σ des O2 entsteht und die Cameron Bande von CO mit dem Übergang 3Π - 1Σ:Beispiel:Für drei Valenzelektronen eines Atoms seien die Quantenzahlen

n = 2 O = 1 λ1 = 1

n = 3 O = 0 λ2=0

n = 3 O = 2 λ3 = 1

Damit ergeben sich für Λ die beiden Möglichkeiten, was zu ∆ - Zuständen führt, oderΛ = λ1 + λ2 + λ3 = 2, was zu Σ - Zuständen führt.Λ = λ1 + λ2 − λ3 = 0

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Die Komponente des Spins auf die Molekülachse kann für drei Elektronen 1/2 und 3/2 betra-gen. Die Multiplizität ist wie beim Atom durch 2S + 1 gegeben. Bei Σ = 1/2 ergeben sich also2S + 1 = 2, bei Λ = 2 vier möglichen Terme

4∆7/2, 4∆5/2, 4∆3/2, 4∆1/2

Beim Hundschen Kopplungsfall B ist S schwach an die Achse gekoppelt.

Abb. 105: Hundscher Kopplungsfall B

Hier addieren sich zunächst N und Λ vektoriell zu einem Vektor K, der dann mit dem Spin-vektor den Gesamtdrehimpuls J ergibt.

c) IntensitätenDie Intensitäten im Vibrationsspektrum werden durch das Franck-Condon-Prinzip geregelt.Dies stützt sich auf die Born-Oppenheimer Näherung, die für die Darstellung der elektroni-schen Übergänge zwischen zwei Potentialkurven wie in Abb. 106 besagt, daß die Übergängein diesem Bild immer auf senkrechten Geraden erfolgen. Um herauszufinden, zwischen wel-chen Schwingungsquantenzahlen v die intensivsten Übergänge stattfinden, wählt man nachFranck-Condon solche Werte für R, bei denen im oberen und im unteren Niveau die größteBesetzung vorliegt.

Abb. 106: Zur Veranschaulichung

des Franck-Condon Prinzips

Maßgeblich für die Intensität ist also der Grad der Überlappung der Wellenfunktionen im obe-ren und unteren Zustand bei gleichem R.

∫ ψ/(R)ψ//(R)dr

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Im Beispiel von Abb. 106a wird angenommen, daß das Molekül anfangs im Grundzustandvorliegt. Da hier ψ2 in der Mitte ein Maximum besitzt, während in den angeregten Niveausdem klassischen Bilde entsprechend am Rand die größte Aufenthaltswahrscheinlichkeit vor-liegt, werden die intensivesten Übergänge von v'' = 0 nach v' = 5 oder die benachbarten Quan-tenzahlen zu beobachten sein, während im Falle der Bindungsneutralität (Abb. 106b) die Über-gänge hauptsächlich zwischen Niveaus mit gleichem v stattfinden.Um sich einen Überblick über die Lage der beiden Potentialkurven zu verschaffen, ist das so-genannte Kantenschema nützlich. Hier zeichnet man in ein Diagramm v'/v'' die Lage der hell-sten Linien ein. Im Falle der Bindungsneutralität (Re' = Re'') erhält man eine Gerade, im FalleRe' ≠ Re’’ eine Parabel. (Abb. 107)

Abb.107: Kantenschema

d) PhotodissoziationDas Franck-Condon Prinzip macht auch verständlich, warum direkte Dissoziation aus demGrundzustand durch einen optischen Prozeß nicht möglich ist. Da die höheren Niveaus in derMitte praktisch keine Aufenthaltswahrscheinlichkeit besitzen, ist ein Übergang entlang einervertikalen Linie beliebig unwahrscheinlich. Ein Übergang mit Änderung des Atomabstandes ist

aber verboten. Die Dissoziation erfolgt also über Stöße oder optisch über Anregung einesZwischenzustandes (Abb. 108). Durch Ermittlung der Konvergenzgrenze im oberen Niveauund der Anregungsenergie aus der Ausstrahlung der Zerfallsprodukte läßt sich die Dissoziati-onsenergie bestimmen.

Abb. 108: Möglichkeit der Photodissoziotion

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4. Ramanspektrum

a) Die klassische Beschreibung des Schwingungs-Ramaneffektes

Abb. 109: Der Raman Effekt wird im Streulicht

beobachtet

Bei der Ramanstreuung werden die Moleküle in einer Probe der Strahlung einer Welleausgesetzt

E0 = cosω0tE

Dadurch wird im Molekül ein Dipolmoment p induziert

p = αE = αE cosω0t

Wenn nun die Polarisierbarkeit α vom Atomabstand im Molekül abhängt, und das Molekül mitder Frequenz ωv vibriert, ergibt sich für das Dipolmoment mit R = Re + R cosωvt

p(t) =

α(Re) + dα

dRR cosωvt

cosω0t

Nach dem Additionstheorem des Kosinus kann man die Schwingung von p(t) und damit dasgestreute Licht auffassen als die Überlagerung zweier Wellen mit

(Antistokesstrahlung)ωs = ω0 + ωv

(Stokesstrahlung)ωs = ω0 − ωv

b) RamanaktivitätMoleküle sind also ramanaktiv, wenn die Polarisierbarkeit vom Abstand der Atome abhängt.

dαdR

≠ 0

Zu diesen Molekülen gehören alle zweiatomigen homonuklearen Moleküle und lineare mit In-versionszentrum. Letztere zeigen eine gewisse Komplementarität bezüglich Infrarot undRamanaktivität.So ist z.B. in CO2 die symmetrische Streckschwingung infrarot inaktiv, da mit dem symmetri-schen Molekül kein Dipolmoment verbunden ist, aber Raman aktiv, da sich die Polarisierbar-keit mit dem Abstand der O-Atome vom C-Atom ändert. Andererseits ist die asymmetrischeStreckschwingung des CO2 infrarot aktiv, da mit der asymmetrischen Verschiebung der Atomedie Erzeugung eines Dipolmomentes verbunden ist. Die Änderung der Polarisierbarkeit

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kompensiert sich aber gerade in den beiden Hälften des Moleküls, da an einer Seite eine Stau-chung stattfindet, wenn die andere gestreckt wird.

b) Quantenmechanische BeschreibungNach der quantenmechanischen Beschreibung wird bei dem Stokesanteil des gestreuten Lich-tes dem einfallenden Licht ein Quant zur Anregung einer Vibration entnommen, bei dem Anti-stokesanteil ein bei der Abregung einer Schwingung frei gewordenes Lichtquant der einfallen-den Strahlung zugefügt.

Abb. 110: Übergänge bei Stokes- und Antistokes

Strahlung

c) Kohärente RamanstreuungBei der Überlagerung zweier Wellen tritt neben der Mischung im Frequenzraum eine Mi-schung im Wellenzahlraum auf. Wenn die Eingangswellen den Verlauf sin(ω1t - k1r) undsin(ω2t - k2r) haben, enthält das Ausgangssignal Wellen mit

ks = k1 + k2

ks = k1- k2

Im Quantenbild ist die Summierung von ω und k der Energie und Impulssatz

h/ωs = h/ω1 + h/ω2

h/ks = h/k1 + h/k2

Bei der kohärenten Ramanstreuung strahlt man zwei Wellen so ein, daß die Differenzfrequenzmit einer Molekülschwingung zusammenfällt. Da außer dieser Frequenzanpassung eine Wel-lenzahlanpassung stattfinden muß, wird die Streustrahlung in einen kleinen Raumwinkel umden Wellenvektor ks

gestrahlt, der die Dreiecksbeziehung der k erfüllt. Der Vorteil ist eine be-trächtliche Intensitätserhöhung im Streulicht verglichen zur inkohärenten Ramannstreuung, dadort das Licht in alle Richtungen gestreut wird.Ein anderer Vorteil kann durch die bei Zweiphotonenprozessen geänderten Auswahlregelnentstehen.Die verschiedenen Techniken der kohärenten Ramanspektroskopie benutzen verschiedene Ar-ten der Frequenzmischung.

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CARS (Kohärente-Antistokes-Raman-Spektroskopie)ωm = Molekülfrequenzωm = ω1 - ω2

ωs = ω1 + ωm = 2ω1 - ω2

ks = 2k1 - k2

Abb. 111: CARS-Aufbau

Abb. 112: Übergänge bei CARS

CSRS: Kohärente Stokes-Raman Spektroskopie

Abb. 113: Übergänge bei CSRS

TRIKE: Raman induzierter Kerreffekt nutzt Polarisationeigenschaften aus.

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