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WANDERN 18 – HESSISCHER GEBIRGSBOTE 1-2015 Vom 22. bis 29. Juni 2014 fand die Wan- derreise des HWGV Kassel ins Mittlere Erzgebirge statt. In der Bergstadt Marien- berg stimmten wir uns bei einer Stadtfüh- rung auf das Erzgebirge ein. „Glück Auf“! Im Erzgebirge grüßt man mit dem alten Steigergruß – auch wenn heute niemand mehr in den Berg fährt. Der quadratische Stadtgrundriss mit dem 1 ha großen Marktplatz und dem recht- winkligen Straßennetz machen die denk- malgeschützte Einmaligkeit der Stadt aus. Unsere Stadtführerin begleitete uns über den großen quadratischen Marktplatz mit dem Denkmal des Stadtgründers, vorbei am Rathaus mit einem der bedeutendsten Renaissanceportale Sachsens, zahlreichen Bürgerhäusern, dem Zschopauer Tor als letztes erhaltenes von fünf Stadttoren, dem Lindenhäuschen als Zeugnis berg- baulicher Wohnkultur und zur wunder- schön sanierten St. Marienkirche, Sach- sens jüngster spätgotischer Hallenkirche. Im staatlich anerkannten Erholungsort Pobershau konnten wir das Erzgebirge in all seinen Facetten erleben sowie die Ru- he und Schönheit der Natur genießen. Mit dem Fernwanderweg Eisenach–Budapest, dem E3-Weg und dem Kammweg ist Po- bershau mit dem überregionalen Wege- netz verknüpft. Das wohl nachhaltigste Erlebnis verschaffte uns eine Tour durch das Naturschutzgebiet im wild-romanti- schen Tal der Schwarzen Pockau – eines der schönsten Flusstäler im Erzgebirge. Pobershau ist ein einzigartiges lebendiges Museum der langen Bergbaugeschichte. Im Schaubergwerk „Molchner Stolln“, einem der ältesten in Sachens, gelangt man in die Tiefen des Bergdorfes. Aber auch „über Tage“ ließen sich alte Berg- baupfade mit Haldengängen, Stollen- mundlöchern und unzähligen weiteren Zeugnissen des großen Berggeschreys er- kunden. (Unter Berggeschrey versteht man eine schnell umlaufende Kunde reicher Erzfun- de, die zur raschen Entwicklung eines Bergbaurevieres führte, wie zu Beginn des Silbererzbergbaus im Erzgebirge. Dieser ist in mancher Hinsicht mit dem Gold- rausch in Nordamerika vergleichbar.) Brigitte vorm Walde Wanderreise ins Mittlere Erzgebirge Das Erzgebirge ist ein Mittelgebirge in Sachsen und Böh- men. Knapp nördlich der Kammlinie verläuft die Staats- grenze zwischen Deutschland und Tschechien – Teil 1 Stadtgründer Heinrich der Fromme be- grüßt alle Besucher der Stadt Marienberg Idealstadtanlage Marienbergs mit Markt Rathaus von Marienberg St. Marienkirche in Marienberg Sie zählt sie zu den wertvollsten Kultur- denkmalen der Stadt Marienberg Pobershau In der Schwarzbeerschänke im Schwarz- wassertal, da kehr ich so gerne ein . . . An unserem Anreisetag galt unser erster Besuch der Bergstadt Marienberg. Reiche Silberfunde im Marienberger Raum ga- ben im Jahr 1521 den Anlass zur Stadt- gründung durch Herzog Heinrich den Frommen und noch heute ist hier allerorts der Einfluss des Bergbaus spürbar. Die Berg- und Kreisstadt Marienberg hat mit dem nach italienischen Vorbildern ange- legten Marktplatz, 100 × 100 m, den größ- ten Sachsens und einen der größten Europas. Das Marienberger Stadtbild steht ganz im Zeichen der Renaissance. Das konnten wir sehr gut aus dem Kirch- turm der St. Marienkirche erkennen. Zum denkmalgeschützten Stadtkern zäh- len 12 weitere Ortsteile. Auch wir wohn- ten während unseres Aufenthaltes im Erz- gebirge in einem kleinen Ortsteil von Ma- rienberg, dem nur wenige Kilometer ent- fernten Pobershau.

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WANDERN

18 – HESSISCHER GEBIRGSBOTE 1-2015

Vom 22. bis 29. Juni 2014 fand die Wan-derreise des HWGV Kassel ins MittlereErzgebirge statt. In der Bergstadt Marien-berg stimmten wir uns bei einer Stadtfüh-rung auf das Erzgebirge ein. „Glück Auf“!Im Erzgebirge grüßt man mit dem altenSteigergruß – auch wenn heute niemandmehr in den Berg fährt.

Der quadratische Stadtgrundriss mit dem1 ha großen Marktplatz und dem recht-winkligen Straßennetz machen die denk-malgeschützte Einmaligkeit der Stadt aus.Unsere Stadtführerin begleitete uns überden großen quadratischen Marktplatz mitdem Denkmal des Stadtgründers, vorbeiam Rathaus mit einem der bedeutendstenRenaissanceportale Sachsens, zahlreichenBürgerhäusern, dem Zschopauer Tor alsletztes erhaltenes von fünf Stadttoren,dem Lindenhäuschen als Zeugnis berg-baulicher Wohnkultur und zur wunder-schön sanierten St. Marienkirche, Sach-sens jüngster spätgotischer Hallenkirche. Im staatlich anerkannten Erholungsort

Pobershau konnten wir das Erzgebirge inall seinen Facetten erleben sowie die Ru-he und Schönheit der Natur genießen. Mitdem Fernwanderweg Eisenach–Budapest,dem E3-Weg und dem Kammweg ist Po-bershau mit dem überregionalen Wege-netz verknüpft. Das wohl nachhaltigsteErlebnis verschaffte uns eine Tour durchdas Naturschutzgebiet im wild-romanti-schen Tal der Schwarzen Pockau – einesder schönsten Flusstäler im Erzgebirge.Pobershau ist ein einzigartiges lebendigesMuseum der langen Bergbaugeschichte.Im Schaubergwerk „Molchner Stolln“, einem der ältesten in Sachens, gelangtman in die Tiefen des Bergdorfes. Aberauch „über Tage“ ließen sich alte Berg-baupfade mit Haldengängen, Stollen-mundlöchern und unzähligen weiterenZeugnissen des großen Berggeschreys er-kunden.(Unter Berggeschrey versteht man eineschnell umlaufende Kunde reicher Erzfun-de, die zur raschen Entwicklung einesBergbaurevieres führte, wie zu Beginn desSilbererzbergbaus im Erzgebirge. Dieserist in mancher Hinsicht mit dem Gold-rausch in Nordamerika vergleichbar.)

Brigitte vorm Walde

Wanderreise ins Mittlere ErzgebirgeDas Erzgebirge ist ein Mittelgebirge in Sachsen und Böh-men. Knapp nördlich der Kammlinie verläuft die Staats-grenze zwischen Deutschland und Tschechien – Teil 1

Stadtgründer Heinrich der Fromme be-grüßt alle Besucher der Stadt Marienberg

Idealstadtanlage Marienbergs mit Markt

Rathaus von Marienberg

St. Marienkirche in Marienberg

Sie zählt sie zu den wertvollsten Kultur-denkmalen der Stadt Marienberg

Pobershau

In der Schwarzbeerschänke im Schwarz-wassertal, da kehr ich so gerne ein . . .

An unserem Anreisetag galt unser ersterBesuch der Bergstadt Marienberg. ReicheSilberfunde im Marienberger Raum ga-ben im Jahr 1521 den Anlass zur Stadt-gründung durch Herzog Heinrich denFrommen und noch heute ist hier allerortsder Einfluss des Bergbaus spürbar. DieBerg- und Kreisstadt Marienberg hat mitdem nach italienischen Vorbildern ange-legten Marktplatz, 100 × 100 m, den größ-ten Sachsens und einen der größtenEuropas. Das Marienberger Stadtbildsteht ganz im Zeichen der Renaissance.Das konnten wir sehr gut aus dem Kirch-turm der St. Marienkirche erkennen.

Zum denkmalgeschützten Stadtkern zäh-len 12 weitere Ortsteile. Auch wir wohn-ten während unseres Aufenthaltes im Erz-gebirge in einem kleinen Ortsteil von Ma-rienberg, dem nur wenige Kilometer ent-fernten Pobershau.

WANDERN

HESSISCHER GEBIRGSBOTE 1-2015 – 19

Oberwiesenthal und Fichtelberg

Mit 914 m ist Oberwiesenthal die höchstgelegene Stadt Deutschlands. Von hier ausführt die älteste Luftseilbahn des Landesauf den 1 215 m hohen Fichtelberg, der zu-dem die höchste Erhebung und das be-deutendste Skizentrum Sachsens ist.

Der Fichtelberg ist Ausgangspunkt undZiel vieler Wanderwege. Rund 80 kmWanderwege stehen im Fichtelberggebietzur Verfügung. Unsere heutige sehr ab-wechslungsreiche Wanderung begann aufdem Fichtelberg. Wir wanderten durch ei-ne einzigartige Landschaft. Unsere Zielewaren: „Schwarzer Teich“, entlang der amFichtelberg entspringenden Tschopau,dem Tschopau-Wanderweg, dabei führteunser Weg durch dichten Nadelwald, dermit offenen Wiesenfeldern abwechseltesowie durchs Hochmoor „Siebensäure“.Die Hochmoore in den Kammregionendes Erzgebirges bildeten sich nach demRückzug der letzten Inlandvereisung vorca. 10 000 Jahren. Eine allen gleiche Vo-raussetzung für die Moorbildung ist dasVorhandensein einer wasserundurchlässi-gen Schicht aus Gesteinen, meist als Sen-ke geformt.

über die Wasserscheide, zwischen denFlüssen Sehma und Pöhlbach, der Zugrollt weiter und hält an einigen kleinenBahnhöfen, entlang des Pöhlbaches, derGrenze zur Tschechischen Republik. Undzum Schluss geht’s wieder kräftig bergaufzum Endbahnhof Oberwiesenthal. Undehe wir unseren endgültigen Zielbahnhoferreichten, überfuhren wir das mächtigeHüttenbachviadukt.Die erzgebirgischen Naturwunder seit derersten Besiedlungswelle im Mittelaltersind intensiv durch menschliche Eingriffegeformt und haben eine vielseitige Kultur-landschaft entstehen lassen, insbesondereLebensräume für Pflanzen und Tiere. DasErzgebirge ist ein Wander- und Winter-sportparadies. Die höheren Lagen ab etwa500 m auf deutscher Seite gehören demNaturpark Erzgebirge/Vogtland an – dermit 120 km Längenausdehnung die größteseiner Art in Deutschland ist.Das Erzgebirge ist geologisch als eines derweltweit am besten erforschten Gebirgezu sehen.

Rund um das Alpendorf im MittlerenErzgebirge

Die im Kerbsohlental der Schwarzen Po-ckau verstreut stehenden Häuser bildenden Pobershauer Ortsteil Hinterer Grund.Da das Bergdorf Pobershau weit ausei-nander gezogen ist und in unheimlich reiz-voller Landschaft liegt, starteten wir heutedirekt ab unserem Hotel unsere Rund-wanderung. Unser Gästeführer, HerrRanft, 35 Jahre selbst Bergmann, ist hierzu Hause. Er zeigte uns die Schönheitenseiner Heimat. Durch Gehölz und über

Auf dem Marktplatz von Oberwiesenthal Das Fichtelbergbähnchen überquert dasHüttenbachviadukt

Fichtelberg-Schwebebahn Hochmoor Siebensäure

Fichtelbergwanderung

Markierte Wege führten durchs BiotopHochmoor

Wir wanderten rund um das AlpendorfKleine Vitalpause am Schwarzen Teich

Mit der Fichtelberg-Schwebebahn, einembesonderen Wahrzeichen der Stadt, fuh-ren wir hinauf zum höchsten Berg Sach-sens 1 215 m. Auf dem Hochplateau genie-ßen wir eine herrliche Aussicht, auch aufdie höchste Erhebung von Böhmen, denKeilberg (tschechisch: Klinovec) 1 244 m.

Hochmoor „Siebensäure“ bzw. die heutesichtbaren Reste befinden sich an derWasserscheide zwischen den Flüssen Seh-ma und Zschopau auf einer Höhe von ca.825 m ü. NN. Durch den Abbau von Torfin den vergangenen Jahrhunderten ist vonder ehemaligen Moorfläche nur ein klei-ner Teil geblieben.

Am Bahnhof Neudorf angekommen, fuh-ren wir mit dem gemütlichen Fichtelberg-bähnchen wieder zurück nach Oberwie-senthal. Dieses Bähnchen kann auf eine125-jährige Tradition zurückblicken. Esbeförderte uns durchs beschauliche „Seh-matal“ und durch das geschlossene Wald-gebiet des Fichtelbergmassivs. DieDampflok schnauft mit Volldampf hinauf

20 – HESSISCHER GEBIRGSBOTE 1-2015

WANDERNFelsgestein führt unser Weg zum Katzen-stein (706 m ü. NN). Dieser liegt ca. 90 müber der Talsohle, zu der er steil hinunter-fällt. Aber die Anstrengung hatte sich ge-lohnt! Wir genießen die tolle Aussicht aufdas Tal der Schwarzen Pockau, auchSchwarzwassertal genannt.

tung dar, weil das Wasser gewissermaßenüber den Berg geführt wurde.Wir erreichen den südlichen Zipfel desBergdorfes von Pobershau. Nach vier km,mitten im Wald, zeigt uns Herr Ranft eineimmer wieder sprudelnde Wasserfundstät-te, des Edelsteins Amethyst. Tatsächlich,wir wurden fündig!Herr Ranft mit seinen geschulten Berg-mannsaugen zeigte uns, wo man heutenoch Amethysten finden kann. Natürlichhätten wir als Laien das nie erkannt.

Unser letztes Ziel für heute, das Schau-bergwerk „Molchner Stolln“, er zählt zuden ältesten und schönsten in ganz Sach-sen. Der Bergbau von Pobershau, seit1529, gehört zum Revier Marienberg. Indieser Zeit wurden in der „Drey Mol-chen“-Fundgrube 9,6 kg Silber ausge-bracht. Hauptsächlich bauten die Bergleu-te in den Gruben Silber, Zinn, Kupfer undEisen ab. In Pobershau hat man nachweis-bar den Bergbau ohne Unterbrechung bis1868 betrieben. Heute gibt es neben Trockenmauerungenaus alter Zeit und einem funktionsfähigenKunstgezeug auch einen nachgestelltenWismutteil mit moderner Technik zu ent-decken.

Aussichtsfelsen „Katzenstein“

...wir finden tatsächlich kleine Stücke vonAmethysten

Schaubergwerk „Molchner Stolln“

Bergkirche von Pobershau

Herrlicher Blick über das Bergbaudorf Pobershau

Wir genießen diesen herrlichen Talblick

Herrn Ranft mit uns auf Schatzsuche

Von unten gesehen tritt er gegenüber denihn umgebenen Felsenriffen als ein beson-ders markanter Felsenvorsprung hervor.Einst hatte er die Gestalt eines Katzen-kopfes, daher auch sein Name. Doch droh-te das Felsgestein abzustürzen, so dassman es beseitigte. Auf dem Plateau, dasmit eisernem Geländer versehen ist, sodass auch der nicht ganz schwindelfreieWanderer die herrliche Aussicht genießenkann, befinden sich mehrere Sitzgelegen-heiten, die zum Rasten und Stärken einla-den.

Dies tat auch schon der Kurfürst JohannGeorg von Sachsen, der hier 1612 undspäter seinen Jagdimbiss einnahm. DerKatzenstein bietet einen überragendenTiefblick in das Tal der unten rauschendenSchwarzen Pockau, das an Wildromantikso bald nicht seinesgleichen hat. Gegen-über des Katzensteins ragt der 805 m hoheRabenberg empor. Auf der steilen, vonder Pockau umschlossenen Bergkuppestand einst „das alte Raubritterschloss“,dessen überwucherten Ruinen auf einenverwegenen Bau schließen lassen.Unser Wanderweg führte zur nächstenEinmaligkeit, dem Grünen Graben. Erwurde von Kühnhaide nach Pobershau ge-baut. Eine Bergmannsanlage aus dem 17. Jahrhundert. Für die damalige Zeitstellte der Bau eine absolute Meisterleis-

Weiter führt unsere Wanderung entlangdes Dorfbaches „Rote Pockau“. Ihren Na-men erhielt sie, da der Pochschlammdurch Hämatit (Eisen) rot gefärbt ist.Weitere drei Kilometer vom StadtzentrumMarienberg entfernt erstreckt sich derOrtsteil Gebirge. Umgeben von Wiesen,Feldern und Wäldern, grenzt die ländlichgeprägte Ansiedlung unmittelbar an denOrtsteil Gelobtland. Zu ihm gehört dasRätzteichgebiet, das über ein idyllisch ge-legenes Waldbad verfügt. Dieser kleineOrtsteil der Bergstadt Marienberg bietetnun einen grandiosen Blick über Pobers-hau.

Wir erfahren, wie mittels Schlegel und Ei-sen mühsam das Erz und Gestein aus demFels geschlagen wurde.Im Schaubergwerk kann der Besucher er-leben, unter welchen Mühen die Arbeiterfrüher den Reichtum aus dem Berg brach-ten.An unserem Wanderweg liegt die Evange-lische Kirche von Pobershau. Hoch obenauf dem Berg grüßt sie schon von weitemund lädt zum Besuch ein.

Die Evangelische Kirche wurde im Jahr1904 im neobarocken Stil erbaut. Das rie-sige Altarbild schuf Historienmaler Lud-wig Otto aus Dresden und zeigt die Him-melfahrt Christi. Und die Orgel ist dasWerk einer Dresdner Orgelbaufirma. Be-geistert von den tollen Ereignissen desheutigen Tages trällerten wir gemeinsamnoch ein Dankeslied und bewundertendieses beeindruckende Gotteshaus; denndie Bergleute waren und sind sehr gläubigund die Kirchen haben für sie eine ganzbesondere Bedeutung.