W enn wir Aufgaben, die nicht Turnus arzt Einw …...2016/03/12  · tiv en Geh lt ern g ew orben Ð...

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78 | MEINE KARRIERE SAMSTAG, 12. MÄRZ 2016 WWW.KLEINEZEITUNG.AT/KARRIERE MEINE KARRIERE | 79 SAMSTAG, 12. MÄRZ 2016 WWW.KLEINEZEITUNG.AT/KARRIERE TSCHERNE: Wir haben das Arbeits- zeitgesetz bereits mit 1. 1. 2015 umgesetzt, haben unter anderem Korridorzeiten eingeführt – je eine Stunde beim Kommen und Gehen ist Gleitzeit und kann da- für genutzt werden, dass etwa Kinder in die Schule gebracht werden und andere private Ange- legenheiten organisiert werden können. PROTOKOLL: BIRGIT PICHLER Lesen Sie die ausführliche Diskussion unter www.kleinezeitung.at/karriere ANITA TSCHERNE: Wir müssen ein attraktiver Arbeitgeber sein, da- rauf ist in den letzten Jahrzehn- ten kein so großes Augenmerk gelegt worden. Es gibt viele Hilfs- mittel im Bereich Beruf/Familie oder altersgerechter Arbeits- platz, die man als Vehikel neh- men kann. Wenn es sich Ärzte aussuchen können, werden sie genau auf diese Rahmenbedin- gungen schauen. Welche Lösungen setzen Sie jetzt schon um? Welche Themen wird es künftig außerdem zu lösen geben? RESCH: Wir haben zwei Themen, die auf uns zukommen – etwa wenn 2020 die Übergangsfristen mit dem neuen Ärztezeitgesetz auslaufen. Und in zehn Jahren wird ein Teil der Spitalsärzte in Pension gehen. JAROS: Das betrifft auch einen Teil der Kassenärzte – auch hier gibt es diese Überalterung. Das ist et- was, worüber wir intensiv nach- denken müssen. Leute, die weggehen, weil keiner Zeit für die Ausbildung hat und sie Systemerhalter sein müssen. GROTE: Vor allem die Entrümpe- lung von Aufgaben, die nicht ins Ärztetätigkeitsfeld fallen, ist wichtig. MAYER: Wir müssen als Arbeitge- ber nicht beim Turnusarzt anfan- gen, sondern bei den Studenten – wir müssen den jungen Kollegen eine Perspektive bieten. Die Jun- gen sind die Zukunft. Da müssen wir ansetzen. land abgewandert. Immer mehr Frauen lassen sich zu Ärztinnen ausbilden – doch nicht nur des- halb dürfen wir auf die Work- Life-Balance nicht vergessen. Ein großes Thema, das uns als Ar- beitgeber vor neue Herausforde- rungen stellt. PETER JAROS: Die monitären Anrei- ze sind es sicher nicht, sondern ein angenehmes Leben in Verbin- dung mit Beruf und Familie. Wenn man die Attraktivität er- höht, hält man auch die jungen Schweden oder Deutschland ab- wandern, weil gezieltere Ausbil- dung oder bessere Bezahlung ver- sprochen wird, im Land halten? BRUNNER: 30 bis 40 Prozent der Jungabsolventen gehen nach dem Studienabschluss ins Ausland oder bewerben sich nicht in ei- nem Krankenhaus, gehen in die Forschung, Pharmazie . . . In Deutschland wird mit den attrak- tiven Gehältern geworben – das stimmt so gar nicht. Außerdem ist Geld nicht die Lösung. Man muss wieder Anreize schaffen – Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Thema, Entlastung von Administration und Organi- sation. Im extramuralen Bereich ist es sicher so, dass es wenig at- traktiv ist, Kassenarzt zu sein. Es müsste eine Strukturänderung in der Tariflandschaft geben. RESCH: Seit 2003 sind rund 7000 österreichische Ärzte ins Aus- Es gibt kein Überangebot mehr. Auch junge Ärzte haben die Wahl: Gehe ich in ein Spital oder in den niedergelassenen Bereich? Neh- me ich einen Kassenvertrag oder bin ich als Wahlarzt tätig? Auf der anderen Seite gibt es die Vertei- lungsproblematik Stadt-Land. CLAUDIA RESCH: Durchschnittlich 4,9 Ärzte kommen in Österreich auf 1000 Einwohner. Da sind wir absoluter Spitzenreiter. Wir ha- ben allerdings die Verschiebung von den Kassen- zu den Wahlärz- ten und eine Problematik im ländlichen Bereich – da gibt es kaum Nachfolger. Wie hat sich das Anforderungs- profil des Primararztes verändert? GROTE: Früher ist die Fachqualifi- kation im Vordergrund gestan- den, jetzt ist es eine Manage- mentposition. Wie kann man Turnusärzte, die direkt nach der Ausbildung nach Wo krankt es in Sachen Perso- nal – in welchen Bereichen ist der- zeit Bedarf? SYLVIA GROTE: Wir können uns vor Anfragen kaum retten und haben extreme Besetzungsprobleme. Gibt es nun einen Ärztemangel? GERNOT BRUNNER: Ich glaube, nein. Wir haben genügend Ärzte in Ös- terreich. Nach OECD bilden wir international die meisten Ärzte aus, haben die höchste Dichte an Ärzten im Vergleich – doppelt so viele wie der OECD-Durch- schnitt. Wenn wir von einem Ärztemangel sprechen können, dann nur von einem relativen. HARALD MAYER: Und der ergibt sich teilweise aus einem Verteilungs- und aus einem strukturellen Pro- blem. In meiner Studienzeit gab’s eine Ärzteschwemme – die War- nung vor Arbeitslosigkeit geister- te durch die Medien. Aus Sicht der Jungärzte ist es heute besser. sind die Zukunft“ Was kann man tun, um Turnusärzte im Land zu halten? Gibt es in Österreich einen Ärztemangel und welche Personalthemen kommen auf Spitäler künftig zu? Auszüge aus der Diskussion. MEIN THEMA PAJMAN/BALLGUIDE (7) GESUNDHEITSBERUFE/ÄRZTE Monitäre Anreize stehen nicht im Vorder- grund – vielmehr die Ausbildung und ob sie Systemer- halter sein müssen. Peter Jaros, Hansa Vor allem die Entrümpelung von Aufgaben, die nicht ins Ärztetätigkeits- feld fallen, ist wichtig. Sylvia Grote, Catro Durchschnitt- lich 4,9 Ärzte kommen in Öster- reich auf 1000 Einwohner. Da sind wir absoluter Spitzenreiter. Claudia Resch, Kreuzschwestern Wir müssen als Arbeitgeber nicht beim Turnusarzt anfangen, sondern bei den Studenten. Harald Mayer, Barmherzige Brüder Wenn wir von einem Ärzte- mangel sprechen können, dann nur von einem relativen. Gernot Brunner, LKH Uniklinikum Wir müssen ein attraktiver Arbeitgeber sein, darauf ist in den letzten Jahrzehnten kein so großes Augenmerk gelegt worden. Anita Tscherne, Geriatri- sche Gesundheitszentr. Gernot Brunner, Ärztlicher Direktor LKH- Univ. Klinikum Graz, www.klinikum-graz.at Sylvia Grote, Geschäftsführerin Catro Management Services, www.catro-sued.at Peter Jaros, Geschäftsführer Hansa Privatklinikum Graz, privatklinikum-hansa.at Harald Mayer, Ärztl. Leiter Krankenhaus Barm- herzige Brüder Graz, barmherzige-brueder.at Claudia Resch, Geschäftsführerin Privatklinik der Kreuzschwestern, kreuzschwestern-graz.at Anita Tscherne, Leiterin Personalmanagement Geriatrische Gesundheitszentren der Stadt Graz, ggz.graz.at ZU DEN PERSONEN Die Kleine Zeitung lud zur Diskussi- on ins Styria Media Center „Die Jungen

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78 | MEINE KARRIERE SAMSTAG, 12. MÄRZ 2016WWW.KLEINEZEITUNG.AT/KARRIERE MEINE KARRIERE | 79SAMSTAG, 12. MÄRZ 2016

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TSCHERNE: Wir haben das Arbeits-zeitgesetz bereits mit 1. 1. 2015umgesetzt, haben unter anderemKorridorzeiten eingeführt – jeeine Stunde beim Kommen undGehen ist Gleitzeit und kann da-für genutzt werden, dass etwaKinder in die Schule gebrachtwerden und andere private Ange-legenheiten organisiert werdenkönnen.

PROTOKOLL: BIRGIT PICHLERLesen Sie die ausführliche Diskussionunter www.kleinezeitung.at/karriere

ANITA TSCHERNE: Wir müssen einattraktiver Arbeitgeber sein, da-rauf ist in den letzten Jahrzehn-ten kein so großes Augenmerkgelegt worden. Es gibt viele Hilfs-mittel im Bereich Beruf/Familieoder altersgerechter Arbeits-platz, die man als Vehikel neh-men kann. Wenn es sich Ärzteaussuchen können, werden siegenau auf diese Rahmenbedin-gungen schauen.

Welche Lösungen setzen Siejetzt schon um?

Welche Themen wird es künftigaußerdem zu lösen geben?RESCH: Wir haben zwei Themen,die auf uns zukommen – etwawenn 2020 die Übergangsfristenmit dem neuen Ärztezeitgesetzauslaufen. Und in zehn Jahrenwird ein Teil der Spitalsärzte inPension gehen.JAROS: Das betrifft auch einen Teilder Kassenärzte – auch hier gibtes diese Überalterung. Das ist et-was, worüber wir intensiv nach-denken müssen.

Leute, die weggehen, weil keinerZeit für die Ausbildung hat undsie Systemerhalter sein müssen.GROTE: Vor allem die Entrümpe-lung von Aufgaben, die nicht insÄrztetätigkeitsfeld fallen, istwichtig.MAYER: Wir müssen als Arbeitge-ber nicht beim Turnusarzt anfan-gen, sondern bei den Studenten –wir müssen den jungen Kollegeneine Perspektive bieten. Die Jun-gen sind die Zukunft. Da müssenwir ansetzen.

land abgewandert. Immer mehrFrauen lassen sich zu Ärztinnenausbilden – doch nicht nur des-halb dürfen wir auf die Work-Life-Balance nicht vergessen. Eingroßes Thema, das uns als Ar-beitgeber vor neue Herausforde-rungen stellt.PETER JAROS: Die monitären Anrei-ze sind es sicher nicht, sondernein angenehmes Leben in Verbin-dung mit Beruf und Familie.Wenn man die Attraktivität er-höht, hält man auch die jungen

Schweden oder Deutschland ab-wandern, weil gezieltere Ausbil-dung oder bessere Bezahlung ver-sprochen wird, im Land halten?BRUNNER: 30 bis 40 Prozent derJungabsolventen gehen nach demStudienabschluss ins Auslandoder bewerben sich nicht in ei-nem Krankenhaus, gehen in dieForschung, Pharmazie . . . InDeutschland wird mit den attrak-tiven Gehältern geworben – dasstimmt so gar nicht. Außerdemist Geld nicht die Lösung. Manmuss wieder Anreize schaffen –Vereinbarkeit von Familie undBeruf ist ein Thema, Entlastungvon Administration und Organi-sation. Im extramuralen Bereichist es sicher so, dass es wenig at-traktiv ist, Kassenarzt zu sein. Esmüsste eine Strukturänderung inder Tariflandschaft geben.RESCH: Seit 2003 sind rund 7000österreichische Ärzte ins Aus-

Es gibt kein Überangebot mehr.Auch junge Ärzte haben die Wahl:Gehe ich in ein Spital oder in denniedergelassenen Bereich? Neh-me ich einen Kassenvertrag oderbin ich als Wahlarzt tätig? Auf deranderen Seite gibt es die Vertei-lungsproblematik Stadt-Land.CLAUDIA RESCH: Durchschnittlich4,9 Ärzte kommen in Österreichauf 1000 Einwohner. Da sind wirabsoluter Spitzenreiter. Wir ha-ben allerdings die Verschiebungvon den Kassen- zu den Wahlärz-ten und eine Problematik imländlichen Bereich – da gibt eskaum Nachfolger.

Wie hat sich das Anforderungs-profil des Primararztes verändert?GROTE: Früher ist die Fachqualifi-kation im Vordergrund gestan-den, jetzt ist es eine Manage-mentposition.

Wie kann man Turnusärzte, diedirekt nach der Ausbildung nach

Wo krankt es in Sachen Perso-nal – in welchen Bereichen ist der-zeit Bedarf?SYLVIA GROTE: Wir können uns vorAnfragen kaum retten und habenextreme Besetzungsprobleme.

Gibt es nun einen Ärztemangel?GERNOT BRUNNER: Ich glaube, nein.Wir haben genügend Ärzte in Ös-terreich. Nach OECD bilden wirinternational die meisten Ärzteaus, haben die höchste Dichte anÄrzten im Vergleich – doppelt soviele wie der OECD-Durch-schnitt. Wenn wir von einemÄrztemangel sprechen können,dann nur von einem relativen.HARALD MAYER: Und der ergibt sichteilweise aus einem Verteilungs-und aus einem strukturellen Pro-blem. In meiner Studienzeit gab’seine Ärzteschwemme – die War-nung vor Arbeitslosigkeit geister-te durch die Medien. Aus Sichtder Jungärzte ist es heute besser.

sind die Zukunft“

Was kann man tun, um Turnusärzte im Land zu halten? Gibtes in Österreich einen Ärztemangel und welche Personalthemen

kommen auf Spitäler künftig zu? Auszüge aus der Diskussion.

MEIN

THEMA

PAJM

AN/B

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UIDE

(7)

GESUNDHEITSBERUFE/ÄRZTE

MonitäreAnreize stehennicht im Vorder-grund – vielmehrdie Ausbildung undob sie Systemer-halter sein müssen.

Peter Jaros,Hansa

Vor allem dieEntrümpelung vonAufgaben, die nichtins Ärztetätigkeits-feld fallen, istwichtig.

Sylvia Grote,Catro

Durchschnitt-lich 4,9 Ärztekommen in Öster-reich auf 1000Einwohner. Da sindwir absoluterSpitzenreiter.

Claudia Resch,Kreuzschwestern

Wir müssenals Arbeitgebernicht beimTurnusarztanfangen, sondernbei denStudenten.

Harald Mayer,Barmherzige Brüder

Wenn wirvon einem Ärzte-mangel sprechenkönnen, dannnur von einemrelativen.

Gernot Brunner,LKH Uniklinikum

Wir müssenein attraktiverArbeitgeber sein,darauf ist in denletzten Jahrzehntenkein so großesAugenmerk gelegtworden.Anita Tscherne, Geriatri-sche Gesundheitszentr.

Gernot Brunner, Ärztlicher Direktor LKH-Univ. Klinikum Graz, www.klinikum-graz.atSylvia Grote, Geschäftsführerin CatroManagement Services, www.catro-sued.atPeter Jaros, Geschäftsführer HansaPrivatklinikum Graz, privatklinikum-hansa.atHarald Mayer, Ärztl. Leiter Krankenhaus Barm-herzige Brüder Graz, barmherzige-brueder.atClaudia Resch, Geschäftsführerin Privatklinikder Kreuzschwestern, kreuzschwestern-graz.atAnita Tscherne, Leiterin PersonalmanagementGeriatrische Gesundheitszentren der StadtGraz, ggz.graz.at

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Die Kleine Zeitung lud zur Diskussi- on ins Styria Media Center

„Die Jungen