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W� �� � R�N���� 03 F�� 2015 2013/2014 Umwelt Forschungsstation Schneefernerhaus Freistaat Bayern Foto: Copyright UFS GmbH

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

Herausgeber: Umweltforschungsstation Schneefernerhaus GmbH

Zugspitzstr. 5; 82475 Zugspitze Internet: www.schneefernerhaus.de Druck: StMUV Stand: 2. Auflage März 2018 Diese Druckschrift wird kostenlos im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Bayerischen Staatsregierung herausgegeben. Sie darf weder von den Parteien noch von Wahlwerbern oder Wahlhelfern im Zeitraum von fünf

Monaten vor einer Wahl zum Zweck der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Landtags-, Bundestags-, Kommunal- und Europawahlen. Missbräuchlich ist während dieser Zeit insbesondere die Verteilung auf

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

Liebe Leserinnen und liebe Leser,

es ist wieder soweit: Sie halten nunmehr eine weitere Ausgabe der „Wissenschaftlichen Resultate“ in

den Händen, welche inzwischen seit 2009 regelmäßig alle zwei Jahre erscheint.

In 19 Aufsätzen geben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen kurzen Einblick in ihre

jeweiligen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in der Umweltforschungsstation

Schneefernerhaus (UFS) aus dem Zeitraum 2013 bis 2014.

Das Spektrum der behandelten wissenschaftlichen Themen reicht von der oberen, mittleren und

unteren Atmosphäre über die Bio-, Geo- und Kryosphäre bis hin zu medizinischen Fragestellungen. Der

gemeinsame Nenner bei dieser Vielfalt spannender Aspekte ist dabei die Umwelt, die stets im Fokus

des jeweiligen Interesses steht. Die Betrachtung des Erdsystems von bisweilen ganz unterschiedlichen

Perspektiven aus ist eines der herausragenden Merkmale, die das „Virtuelle Institut Schneefernerhaus“

ausmachen und welches zu seiner Einmaligkeit in der Wissenschaft beiträgt.

Die einzigartige Lage dieser exzellenten Forschungsinfrastruktur am Südhang der Zugspitze,

verbunden mit der außergewöhnlichen Themenvielfalt und der Begeisterung der Wissenschaftlerinnen

und Wissenschaftler, machen die UFS zu einem weithin sichtbaren Leuchtturm der umweltorientierten

Forschung und Entwicklung.

Im Namen des UFS-Science Teams wünsche ich Ihnen viel Freude bei der Lektüre.

Herzlichst Ihr

Prof. Dr. Michael Bittner Wissenschaftlicher Koordinator der UFS

UFS Schneefernerhaus, im September 2015

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

Umweltforschungsstation Schneefernerhaus │ Zugspitze: Wissenschaftliche Resultate 2013 / 2014

Inhaltsverzeichnis: Seite:

1. MESSUNGEN DER VULKANEMISSIONEN DES BÁRĐARBUNGA IM 6

SEPTEMBER 2014 Werner Thomas, Stefan Gilge, Michael Elsasser, Thomas Elste, Harald Flentje, Robert Holla, Ulf Köhler, Christian Plass‐Dülmer

Deutscher Wetterdienst, Meteorologisches Observatorium Hohenpeißenberg

2. HERKUNFTSANALYSE KLIMAWIRKSAMER GASE UND AEROSOLE 9

MITTELS TRAJEKTORIEN‐CLUSTERVERFAHREN Esther Oßwald1, Jucundus Jacobeit1 und Ludwig Ries

3

1Universität Augsburg, Institut für Geographie

2Umweltbundesamt, GAW‐Globalstation Zugspitze

3. ÄOLISCH BEEINFLUSSTE BODENENTWICKLUNG IN DER ALPINEN ZONE DES 11

ZUGSPITZPLATTS UNTER PEDOGENETISCHER BERÜCKSICHTIGUNG LOKALER WINDSTRÖMUNGEN UND GROßWETTERLAGEN Sven Grashey‐Jansen, Oliver Korch, Christoph Beck, Arne Friedmann, Romina Bernhard und Carolin Dubitzky Universität Augsburg, Institut für Geographie, Lehrstuhl für Physische Geographie und Quantitative Methoden

4. AEROSOLCHARAKTERISIERUNG MIT HILFE VON FERNERKUNDUNG 15

Matthias Wiegner, Alexander Geiß und Bernhard Mayer Meteorologisches Institut, LMU, München

5. AUSWIRKUNGEN DES KLIMAWANDELS IM ALPENRAUM AUF KRANKE 18

UND TOURISTEN Rudolf Maria Huber, Jürgen Schmude, Michael Bischof LMU München

6. FLORA UND VEGETATION DES ZUGSPITZPLATTS 20

AKTUELLER STAND DER VEGETATIONSÖKOLOGISCHEN ERFORSCHUNG Oliver Korch und Arne Friedmann Universität Augsburg, Institut für Geographie

7. STATISTISCHE MODELLIERUNG WASSERHAUSHALTSRELEVANTER KLIMA‐ 24

PARAMETER FÜR DEN HOCHGEBIRGSRAUM Andreas Philipp, Severin Kaspar, Christoph Beck und Jucundus Jacobeit Universität Augsburg

8. HYDROLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM EINZUGSGEBIET DES PARTNACH 27

URSPRUNGS

GeorgStrobl & Karl-Friedrich Wetzel Universität Augsburg

9. WASHOUT VON AEROSOLGEBUNDENEN RADIONUKLIDEN MIT SCHNEE 30

Kerstin Hürkamp, Felix Bernauer und Jochen Tschiersch HelmholtzZentrum München, Neuherberg

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10. EINFLUSS VON UMWELTPARAMETERN AUF DIE KOSMISCHE STRAHLUNG 33

V. Mares, J. Brehme, M. Strugacevac, S. Trinkl, W. Rühm Institut für Strahlenschutz, HelmholtzZentrum München

11. MESSUNG VON FORMALDEHYD, FLÜCHTIGEN ORGANISCHEN 36

VERBINDUNGEN UND ISOTOPENVERHÄLTNISSEN IM KOHLENDIOXID UND WASSERDAMPF AUF DER UFS Michael Leuchner

1,3, Christian Schunk

1, Marvin Lüpke

1, Homa Ghasemifirard

1, Ludwig

Ries2

und Annette Menzel 1,3

1

Ökoklimatologie, Technische Universität München,Freising 2

GAW Global Observatory Zugspitze/Hohenpeißenberg, Umweltbundesamt 3

Institute for Advanced Study, Technische Universität München, Garching

12. MESSUNG VON BIO‐AEROSOLEN (POLLEN) AUF DER UFS 38

Annette Menzel1,2

, Marvin Lüpke1, Jeroen T.M. Buters

3, Claudia Traidl‐Hoffmann

4 und

Susanne Jochner5

1

Ökoklimatologie, Technische Universität München, Freising 2

Institute for Advanced Study, Technische Universität München, Garching 3

Zentrum für Allergie & Umwelt, Technische Universität München und HelmholtzZentrum München

13. BEDEUTUNG VON HOCHGEBIRGSZÜGEN FÜR DEN ENERGIETRANSPORT 40

IN DER ATMOSPHÄRE – PROJEKT BHEA Sabine Wüst, Verena Wendt, Carsten Schmidt und Michael Bittner Deutsches Zentrum für Luft‐und Raumfahrt Oberpfaffenhofen Deutsches Fernerkundungsdatenzentrum, Abteilung Atmosphäre

14. BEOBACHTUNG DES OH‐NACHTLEUCHTENS IM ALPENRAUM MIT 43

ABBILDENDEN SYSTEMEN Carsten Schmidt, Patrick Hannawald, Sabine Wüst und Michael Bittner Deutsches Zentrum für Luft‐ und Raumfahrt Oberpfaffenhofen Deutsches Fernerkundungsdatenzentrum, Abteilung Atmosphäre

15. RAUMZEITLICHE DEPOSITION VON POPs 45

Manfred Kirchner*, Gert Jakobi*, Ludwig Ries

** und Karl‐Werner‐Schramm

*

HelmholtzZentrum für Gesundheit und Umwelt*

Umweltbundesamt,

GAW‐Globalobservatorium Zugspitze/Hohenpeißenberg, Plattform Zugspitze**

16. PARALLELMESSUNG VON ATMOSPHÄRISCHEM RADON AN DER 48

UMWELTFORSCHUNGSSTATION SCHNEEFERNERHAUS UND AM GIPFELGRAT Ludwig Ries

2, Gabriele Frank

1, Josef Salvamoser

3, Thomas Steinkopff

1

1Deutscher Wetterdienst, Radioaktivitätenmessnetz, Offenbach

2GAW

Global Observatory Zugspitze/Hohenpeißenberg, Umweltbundesamt II 3Institut für Angewandte Isotopen, Gas‐und Umweltuntersuchungen, IGU, Wörthsee

17. BEOBACHTUNGEN VON WOLKEN MIT DEM WOLKENRADAR AN DER UFS 52

Martin Hagen, Qiang Li und Kerstin Schmidt Deutsches Zentrum für Luft‐und Raumfahrt Oberpfaffenhofen Institut für Physik der Atmosphäre

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18. AUF DEM WEG ZU KOMBINIERTEN WASSERDAMPFMESSUNGEN MIT 56

ZWEI LIDAR‐SYSTEMEN – TESTS DES RAMAN‐LIDARS AN DER UFS Katharina Höveler, Lisa Klanner, Thomas Trickl und Hannes Vogelmann Karlsruher Institut für Technologie, IMK.IFU, Garmisch‐Partenkirchen

19. AKTIVITÄTENINDEX DER PLANETAREN WELLEN IN DER MESOPAUSE 59

(ca. 87 km Höhe) Lisa Küchelbacher

1, Carsten Schmidt

2, Sabine Wüst

2 und Michael Bittner

1,2

1Universität Augsburg, Institut für Physik‐AFE,

2Deutsches Zentrum für Luft‐und Raumfahrt Oberpfaffenhofen

Deutsches Fernerkundungsdatenzentrum, Abteilung Atmosphäre

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MESSUNGEN DER VULKANEMISSIONEN DES BÁRĐARBUNGA IM SEPTEMBER 2014

WERNER THOMAS, STEFAN GILGE, MICHAEL ELSASSER, THOMAS ELSTE, HARALD FLENTJE, ROBERT

HOLLA, ULF KÖHLER, CHRISTIAN PLASS-DÜLMER

DEUTSCHER WETTERDIENST, METEOROLOGISCHES OBSERVATORIUM HOHENPEIßENBERG,

[email protected]

Der Deutsche Wetterdienst betreibt Spu-

rengas- und Aerosolmessungen im Rahmen

seiner Global Atmosphere Watch (GAW)

Verpflichtungen an den Standorten Hohen-

peißenberg (HPB) und der Umweltfor-

schungsstation Schneefernerhaus (UFS).

Diese umfassen an beiden Standorten u. a.

Messungen relevanter vulkanischer Emissi-

onen, wie der Partikelkonzentration und –

größenverteilung sowie Schwefeldioxid-

messungen. Am Standort HPB werden

zudem Gesamtsäulenmessungen des

Schwefeldioxids, Schwefelsäuremessungen

und Aerosolmassenspektrometrie durchge-

führt.

Im September 2014 blickte Europa wieder

nach Island und beobachtete mit einer

Mischung aus Spannung und Sorge das

bereits seit Wochen aktive Vulkansystem des

Bardarbunga. Zu frisch noch war die

Erinnerung an die Ausbrüche des Eyjafjalla im

April und Mai 2010, mit damals

weitreichenden Folgen für den Flugverkehr.

Mitteleuropa blieb jedoch dieses Mal bis weit in

den September 2014 hinein weitgehend

unbehelligt von den Emissionen der

Spalteneruption nördlich des Vat- jökull auf

Island. Dies lag zum einen an für Mitteleuropa

günstigen Wetterlagen, die für den Transport

der teilweise sehr schwefelreichen Emissionen

über gering bewohnte Gebiete in

Nordskandinavien, Sibirien und auch Grönland

sorgten. Zum anderen produzierte die

Eruption auch nur relativ geringe Mengen an

Asche, da es kaum zur gefürchteten explosiven

und ascheträchtigen Mischung aus Lava und

Schnee/Eis kam. Am Morgen des 22. September

jedoch zeichneten mehrere Spuren- gas- und

Aerosolmessgeräte an den Standorten

Hohenpeißenberg und Schneefernerhaus

plötzlich stark ansteigende Werte für mehrere

Parameter auf, die typisch für Vulkanemissio-

nen waren. Rückwärtstrajektorien des COSMO-

Modells zeigten auch klar die Herkunft der

Luftmassen aus Island in der Troposphäre

unterhalb von ca. 5 km über Grund (Abb. 1).

Abb.1: COSMO-EU-Rückwärtstrajektorien in 3 Höhen

(rot=Boden-6hPa, blau=850 hPa, grün=700 hPa) am

Standort HPB für den 22.09.14 um 12:00 UTC.

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7

120000 60

100000 50

80000 40

60000 30

40000 20

20000 10

0 0

4:00 5:00 6:00 7:00 8:00 9:00 10:00 11:00 12:00 13:00 14:00 15:00 16:00 17:00 18:00

Zeit (UTC)

Partikelanzahl 3nm [1/cm³] Partikelanzahl 10nm [1/cm³] SO2 UFS [ppb] DOAS SO2 [DU]

H2SO4 [ppt] SO2 [ppb] ACSM SO4 [μg/m³] Brewer SO2 [DU]

Zeitlicher Verlauf

Beginnend um 6:30 UTC stiegen am HPB die

Schwefeldioxid (SO2) – Volumenmischungs-

verhältnisse (MV) innerhalb weniger Stunden

rasant an (Abb. 2). So wurden sowohl am HPB

mit knapp 50 ppb als auch am Standort UFS

mit über 30 ppb die bisherigen Maximalkon-

zentrationen für SO2 weit übertroffen. Zum

Vergleich: Die nach dem Ausbruch des

Eyjafjalla im Frühjahr 2010 in Bayern

gemessenen SO2 - Konzentrationen lagen bei

vergleichs- weise bescheidenen 2.5 ppb (HPB)

und 3.5 ppb (UFS). Die SO2 - Belastung an der

UFS er- reichte das Tagesmaximum aufgrund

der südlicheren Lage erst mehrere Stunden

später gegen 15:00 UTC.

Da am 22. September am HPB kein

nennenswerter Niederschlag registriert wurde, ist

der kurzzeitige Abfall der Werte zwischen 9:40

und 10:15 UTC auf einen in Nord-Süd Richtung

wellenden Verlauf der SO2- Luftmassengrenze

über dem HPB zurückzuführen. Im genannten

Zeitraum drehte der Wind vorübergehend von

westlichen auf nordwestliche Richtungen und

sorgte am Rand der in Nord-Süd-Richtung

scharf begrenzten Luftmasse vermutlich für

einen Wechsel von stark belasteter zu weniger

belasteter Luft. Anstieg und Abfall der SO2 -MV

an der UFS verliefen dagegen fast symmetrisch

und ohne Unterbrechungen.

Partikelmessungen

Der Anstieg der Partikelanzahl, hauptsächlich i

Nukleationsmode (<20 nm), folgt mit U n-

terbrechungen der Auflösung der Wolken (ca. 7:00,

8:30, endgültig um 9:30 UTC), deren Tröpfchen das

Part

ikela

nzah

l (1

/cm

3)

vari

ab

el

(pp

b, μ

g/m

3, p

pt,

DU

)

Abb.2: Verlauf der in-situ SO2 -Mischungsverhältnisse am HPB (hellgrün) und an der UFS (dunkelgrün) in ppb, der

Partikelzahlen (hellblau) pro cm3, der in-situ Sulfatkonzentration (orange) in μg/m

3, der

Schwefelsäurekonzentration (gelb) in ppt sowie der Gesamtsäulenwerte (Brewer – braun, MAX-DOAS – rot) in DU am

22. September 2014 (letztere alle HPB)

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interstitielle Aerosol sehr effizient aufnehmen und

selbst im Einlass abgeschieden werden. Danach ist

die Partikelanzahl wie auch an der UFS eng mit

dem SO 2 – MV korreliert. Die Ergebnisse des

Aerosolmassenspektrometers am HPB hingegen

zeigen einen zeitgleichen Anstieg der

Sulfatkonzentrationen und der

Schwefeldioxidkonzentration. Obwohl sich das

ACSM -Gerät noch in der Erprobungsphase

befindet, passen sowohl der zeitliche Verlauf als

auch der gemessene Spitzenwert der

Sulfatkonzentration von ca. 4 0 μg/m 3 gut zu den

weiteren Messungen. Die Zeitdifferenz zwischen

den Maxima in der SO2 - und Sulfatkonzentration

relativ zu den Partikelzahlen lässt den Schluss zu,

dass bereits Sulfatpartikel advehiert wurden,

jedoch später zusätzlich durch lokale Bildung von

Schwefelsäure und nachfolgend Sulfat in der

belasteten Luftmasse Partikel entstanden. Die

ebenfalls am HPB gemessenen MV der

gasförmigen Schwefelsäure erreichen mit 7 ppt

einen etwa um das Zehnfache höheren

Spitzenwert als den bisherigen von 0,7 ppt

(Eyjafjalla- Ausbruch April/Mai 2010). Sie zeigen

ebenfalls einen zeitlich verzögerten Anstieg und

demonstrieren damit die lokale Bildung von

Schwefelsäure über die Reaktion von SO2 mit

dem OH-Radikal und nachfolgend Sulfatpartikeln.

Spurengasmessungen

Laufende Routinemessungen zur SO2 -

Säulenkonzentrationen mit einem Brewer-

instrument ergaben mit knapp 20 Dobson

Units (DU) den höchsten Wert, der seit Beginn

der Messungen im Jahr 1983 am HPB gemessen

wurde. Trotz der durch niedrige Bewölkung

immer wieder eingeschränkten Be-

obachtungsbedingungen wurde der Anstieg der

SO2-Säulenwerte in etwa zeitgleich mit dem

Anstieg der in-situ SO2 -MV beobachtet.

An der UFS und am HPB befinden sich derzeit

weitere Geräte zur Bestimmung von Spuren-

gasprofilen und zur Säulenkonzentration in der

prä-operationellen Betriebsphase. Erste SO2 -

Auswertungen des MAX-DOAS Spuren-

gassensors am Standort HPB ergaben in guter

zeitlicher Übereinstimmung mit den Bre-

wermessungen vergleichbar hohe Säulenwerte

bis knapp 20 DU und zeigen weiterhin, dass die

maximalen SO2-Werte zwischen 0,7 und 1,5 km

erreicht wurden und SO2 bis in eine Höhe von

ca. 2 km nachweisbar war (Abb. 3), was

wiederum gut mit den gemessenen

unterschiedlichen Mischungsverhältnissen am

HPB und an der UFS übereinstimmt. Genauere

Auswertungen, und hier insbesondere die Analyse

der Partikelbildung aus der Gasphase, werden

weitere Zeit in Anspruch nehmen.

Abb.3: Zeit-Höhenprofil der SO2-

Mischungsverhältnisse aus MAX-DOAS am 22.

September 2014 (links), mit Maxima gegen 9:30

und 10:30 UTC zwischen 0,5 und 1,5 km über

Grund. Die gestrichelte Linie zeigt die Höhe des

Instruments (250 m) über der Umgebung

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HERKUNFTSANALYSE KLIMAWIRKSAMER GASE UND AEROSOLE

MITTELS TRAJEKTORIEN-CLUSTERVERFAHREN

ESTHER OßWALD1, JUCUNDUS JACOBEIT

1 , LUDWIG RIES

2

1UNIVERSITÄT AUGSBURG, INSTITUT FÜR GEOGRAPHIE, [email protected]

2UMWELTBUNDESAMT, GAW-GLOBALSTATION ZUGSPITZE

Seit vielen Jahrzehnten werden am Standort

Zugspitze und seit 2001 an der Umwelt-

forschungsstation Schneefernerhaus (UFS)

die atmosphärischen Konzentrationen von

Spurengasen und klimawirksamen

Aerosolen mit hochpräzisen Messgeräten

entsprechend den Vorgaben des Global

Atmosphere Watch (GAW) Programms der

Weltorganisation für Meteorologie (World

Meteoroogical Organisation, WMO)

aufgezeichnet. Das Ergebnis sind

qualitätsgesicherte, lang- jährige Zeitreihen,

die Aufschluss über die nordhemisphärische

Hintergrundbelastung geben.

Messstandort

Die exponierte Lage der Messplattform Zug-

spitze an der 2.650 m hoch gelegenen Um-

weltforschungsstation Schneefernerhaus

(UFS) ist in besonderer Weise repräsentativ für

die nordhemisphärische Hintergrundbe-

lastung an Luftschadstoffen.

Den langzeitlichen Klimagas- und Aerosol-

messungen an der UFS (vgl. die exemplari-

sche CO2 -Messzeitreihe in Abb. 1) kommt

daher weitreichende Bedeutung zu. Insbe-

sondere im Winter sowie im Frühjahr und

im Herbst zwischen 0 und 6 Uhr

detektieren die Messungen der

klimawirksamen Spurengase und Aerosole

den Zustand der unteren freien

Troposphäre, während die übrigen Tages-

und Jahreszeiten aufgrund der

strahlungsangetriebenen Grenzschicht-

dynamik stärker durch regionale Quellen im

(vor-)alpinen Umfeld beeinflusst werden.

Neben den mesoskaligen Prozessen wie

Föhn, Berg- und Talwindsystemen oder dem

sog. „alpinen Pumpen“, die wirkungsvolle

vertikale Transportmechanismen der

Emissionen der umliegenden Regionen in

die höheren Atmosphärenschichten

darstellen, ist der Ferntransport auf bis zu

interkontinentaler Skala für die Luftzusam-

mensetzung von Bedeutung.

Abb. 1: Monats- und Jahresmittelwerte der an der UFS gemessenen atmosphärischen CO2-Konzentrationen.

Blau eingezeichnet ist die zwölfmonatlich übergreifend gemittelte Kurve.

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Emissionsabschätzungen

Die Quantifizierung des Ferntransportanteils an

der in Mitteleuropa vorkommenden Hin-

tergrundbelastung bildet gemeinsam mit der

Lokalisation der verantwortlichen

Quellregionen die wissenschaftliche Grundlage

für europäische Emissionsabschätzungen. Nur

eine möglichst genaue Identifizierung der

Emittenten und ihrer Verursacheranteile an

der Luftbelastung ermöglicht der

Umweltpolitik, politische Maßnahmen für den

Klimaschutz auf ihre Wirksamkeit hin zu

überprüfen und zu präzisieren. Dies ist

angesichts der für die kommenden Jahrzehnte

prognostizierten und bereits stattfindenden

globalen Erwärmung, die mit Veränderungen

der vorherrschenden Zirkulationsmuster und

somit der Transportbedingungen einhergeht,

von besonderer Relevanz.

Trajektorien-Clusteranalyse

Ziel des Projektes ist daher eine vertiefte

Analyse der an der UFS gemessenen Zeitreihen

von Klimagasen und klimawirksamen Aerosolen

in Bezug auf sich ändernde Transportver-

hältnisse und Emissionen im Einzugsgebiet der

Zugspitze. Zur Bestimmung der geogra-

phischen Herkunft der an der UFS ankom-

menden meteorologischen Luftmassen, wer-

den Zugbahnen (Trajektorien) mit Hilfe des

FLEXible PARTicle dispersion model (FLEX-

PART) numerisch berechnet. Die resultieren-

den Trajektorien werden in eine zuvor defi-

nierte Anzahl von Untergruppen, die als

Luftmassentypen interpretiert werden können,

eingeteilt. Das Kriterium für die Zuordnung zu

einem Trajektorien-Cluster ist die maximale

clusterinterne Homogenität verbunden mit

einer möglichst großen Heterogenität der

Luftmassentypen untereinander. Diese

Methodik der Trajektorien- Clusteranalyse

visualisiert die wesentlichen Herkunftsgebiete

der Aerosole und Klimagase.

Nordhemisphärische Hintergrundbelastung

Die Konzentrationen der klimarelevanten

Messgrößen an der UFS werden zu den Fern-

transportereignissen und lokalen Emittenten der

Trajektorien-Cluster in Beziehung gesetzt und

geben Auskunft über die Quellregionen sowie

deren raum-zeitliche Relevanz. Für die eindeutige

Differenzierung zwischen der nord-

hemisphärischen Hintergrundbelastung und der

grenzschichtbeeinflussten Luftzusammensetzung

werden neben den lokalen Wind-, Temperatur-

und Feuchteaufzeichnungen die Radon- und

Ceilometer- Messungen am Zugspitzgipfel

hinzugezogen. Radon fungiert aufgrund seiner

Halbwertszeit von 3,8 Tagen als Tracer für

bodennahe Luft und verweist wie die aus den

Ceilometerdaten abgeleitete Mischungs-

schichthöhe auf den Einfluss von Grenzschichtluft.

Netzwerk „Virtuelles Alpenobservatorium“

Das vorgestellte Verfahren zur Herkunftsanalyse

der klimawirksamen Spurengase und Aerosole

soll auf die Partnerstationen des Virtuellen

Alpenobservatoriums (VAO) Hohenpeißenberg

(Deutschland), Jungfraujoch (Schweiz) und

Sonnblick (Österreich) ausged ehnt werden.

Durch die Einbindung kooperierender alpiner

Höhenforschungsstationen können genauere

Aussagen über die Zusammensetzung und

Entwicklung der für die freie Troposphäre

Mitteleuropas repräsentativen Hintergrund-

konzentrationen von Klimagasen und Aerosolen

getroffen werden. Die Ausweitung des

Trajektorien-Clusterverfahrens auf die VAO-

Partnerstationen gewährleistet eine für den

Alpenraum aussagekräftige Herkunftsanalyse der

gemessenen Zeitreihen von Spurengasen und

klimawirksamen Aerosolen in Bezug auf sich

ändernde Transportbedingungen und

Immissionen in den Einzugsgebieten. Die

Ergebnisse liefern wertvolle Schlüsse für die

Umweltpolitik und die Wirksamkeit von

Klimaschutzmaßnahmen.

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ÄOLISCH BEEINFLUSSTE BODENENTWICKLUNG IN DER ALPINEN ZONE DES

ZUGSPITZPLATTS UNTER PEDOGENETISCHER

BERÜCKSICHTIGUNG LOKALER WINDSTRÖMUNGEN UND GROßWETTERLAGEN

SVEN GRASHEY-JANSEN, OLIVER KORCH, CHRISTOPH BECK, ARNE FRIEDMANN,

ROMINA BERNHARD, CAROLIN DUBITZKY

UNIVERSITÄT AUGSBURG, INSTITUT FÜR GEOGRAPHIE, LEHRSTUHL FÜR PHYSISCHE GEOGRAPHIE UND

QUANTITATIVE METHODEN

Der geologische Untergrund des Zugspitzplatts

baut sich vorwiegend aus sehr reinen

triassischen Kalksteinen auf. Pedogenetisch

entwickeln sich daher aus den CaCO3- und

MgCO3-reichen Ausgangssubstraten vor-

wiegend Eutric Regosols. Bekannt ist aber auch

das Auftreten azonaler Cambisols, deren

Pedogenese an kalkarme Ausgangssubstrate

und niedrige pH-Werte geknüpft ist.

Eigeninitiative Untersuchung hinsichtlich der

räumlichen Verbreitung dieser Cambisols hat

deutliche Verteilungsmuster er- geben, welche

im Zusammenhang mit den lokalen

Luftströmungsverhältnissen und dem Auftreten

von bestimmten Großwetterlagen in Verbindung

zu stehen scheinen.

Ein Großteil der (Roh-)Bodenformationen im

Untersuchungsgebiet wird durch das autochthone

Ausgangsgestein bestimmt. Der ladinische

Wettersteinkalk (alpine Trias) gilt aufgrund der

vorwiegend lagunären Schichtserien in seiner

Stratigraphie als ein sehr reines Kalkgestein

(CaCO3+MgCO3 > 95%). Infolge- dessen weist das

Untersuchungsgebiet ein ausgeprägtes Karstrelief

auf, das lokal von glazialen und rezenten

Schuttakkumulationen bedeckt wird. Die typische

Pedogenese läuft (v.a. im initialen Stadium)

vorwiegend im basisch-neutralen Bereich ab.

Aufgrund der Höhenlage dominieren physikalische

gegen- über chemischen Verwitterungsprozessen,

was zur Ausbildung verschiedener Syroseme und

Rendzinen geführt hat (Eutric Lepto- sols/Eutric

Regosols). Die im Mittel ganzjährig kühl-feuchten

Bedingungen führen zu einer retardierten

Zersetzung und Akkumulation der toten Biomasse.

Höhenzonal typische Felshumusböden (Folic

Histosols) prägen daher einen Großteil des

Untersuchungsgebietes.

Äolischer Eintrag von Silikatglimmern

Die vorhandene Literatur [1-4] belegt

spätglaziale und rezente äolische Einträge von

Silikatstäuben der Schlufffraktion aus dem

zentralalpinen Raum (Abb.1).

Abb.1: Geologie der südlich an das Untersuchungsge-

biet angrenzenden Zentralalpen, die als ein potentiel-

les Hauptliefergebiet äolischer Einträge gesehen wer-

den

Dies hat lokal eine Modifizierung der basischen

Bodenentwicklung bewirkt. Vorwiegend in den

Kluftkarrenfeldern zeigen sich Anreicherungen

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von allochthonen Silikatglimmern im gesamten

Solum der Karsttaschen bis hin zum

anstehenden Ausgangsgestein. Infolge der

fehlenden Säurepufferung konnten hier

tiefgreifende und kalksteinuntypische

Verbraunungsprozesse nachgewiesen und

kartiert werden. Dabei wurde eine signifikante

Dominanz der Cambisol-Verbreitung auf den

nach Südosten exponierten Karstflächen

festgestellt, was die bisher generell ver-

tretene Annahme (Credner et al., 1998; Hüttl,

1997; Küfmann, 2003, 2008) einer gleichmäßi-

gen Verteilung auf dem Zugspitzplatt

widerlegt (Grashey-Jansen et al., 2014).

Detailkartierungen am Gatterl

Die kartierten Verbreitungsmuster legen

vielmehr einen an Südostströmungen gekop-

pelten äolischen Eintrag durch das Gatterl nahe

(Abb.2), welches durch seine Öffnung im

Reliefverbund des Grat- und Kammverlaufes eine

strömungskanalisierende Wirkung vermuten lässt.

Das räumliche Verteilungsmuster von mit

Glimmern angereicherten Substraten wird durch

die höhendifferenzierte Analyse der CaCO3-

Gehalte und pH-Werte gestützt. Abbildung 3 zeigt

eine signifikante Zunahme der entsprechenden

Werte in den Oberböden mit zunehmender Höhe

über NN und hebt das dominante Vorkommen

der Cambisols zwischen 2.100 m und 2.200 m ü

NN hervor.

Dies kann durch eine eingeschränkte räumliche

Wirksamkeit der verantwortlichen Luft-

strömungen erklärt werden: Es ist davon aus-

zugehen, dass die SE-Winde nach dem

kanalisierten Durchströmen des Gatterls durch

die Reibung an der nach Norden ansteigenden

und mit Vegetation besetzten Karstoberfläche

sowie der Südwand unterhalb des

Jubiläumsgrates relativ schnell abgebremst

werden, so dass sich die äolische Fracht auf den

Oberflächen deponiert. Eine abbremsende

Wirkung kann auch im Einfluss lokaler Berg-

Talwindzirkulationen sowie durch das Gegen-

strömen katabatischer Fallwinde vermutet

werden. In allen Fällen fungieren die

Karsttaschen hierbei als natürliche

Sedimentfallen hinsichtlich des Rückhalts und

der Akkumulation der eingetragenen

Silikatglimmer.

Abb.2: Bodenkundliche Detailkartierung zwischen 2100 m

und 2400 m ü NN.

Oben: Verteilung von Arealen im Untersuchungs-gebiet

mit Bodenmächtigkeiten >10 cm (= schwarze Flächen).

Der schwarze Pfeil gibt die vermutete Hauptrichtung

des äolischen Eintrags an.

A: Böden mit CaCO3 >45 % und pH-Werten < 7,5

(Vorwiegend Eutric Regosols und Folic Histosols) B:

Böden mit CaCO3 <10 % und pH-Werten < 6,5

(Vorwiegend Cambisols)

C: Junge Böden auf rezent aktiven Schuttakkumulatio-

nen und verlängerten Schneeschmelzperioden.

(Vorwiegend Eutric Regosols und Folic Histosols)

Unten: Prozentuale Verteilung der Windrichtungshäu-

figkeiten (basierend auf DWD-Daten von der Zugspitze

1974-2013).

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13

Abb.3: Zusammenhang zwischen Höhenlage und Ca- CO3 -

Gehalt der Oberböden (Quadratsignaturen; schwarz mit,

grau ohne Glimmeranreicherungen) sowie Zusammenhang

zwischen Höhenlage und pH-Millieu der Oberböden

(Kreuzsignaturen; schwarz mit, grau ohne

Glimmeranreicherungen).

Der prozentuale Anteil südöstlicher Wind-

strömungen am Zugspitzgipfel erscheint mit

durchschnittlich 6.3 sehr gering (Abb.2). Die für

den äolischen Eintrag verantwortlichen

Windströmungsrichtungen sind aber aufgrund

der bisher fehlenden instrumentellen

Ausstattung im Kartierungsgebiet mit Sicherheit

unterrepräsentiert.

Ergänzend oder alternativ zu lokalen

instrumentellen Windmessungen können

Untersuchungen der pedogenetisch relevanten

Atmosphärischen Strömungsdynamik mittels

objektiver Zirkulationsklassifikationen durch-

geführt werden.

Potenziell äolischen Eintrag in das Untersu-

chungsgebiet verursachende Zirkulationstypen

sind beispielhaft in Abbildung 4 dargestellt.

Literatur

Credner, B., Hüttl, C. und Rögner, K.: The formation and distribution of soils and vegetation at the Zugspitzplatt (Bavaria, Germany) related to climate, aspect and geomorphology. Ecologie, 29 (1-2): 63-65, 1998. Hüttl, C.: The influence of different soil types and associations of vegetation on limestone solution in a high-mountainous region (Zugspitzplatt, Wettersteingebirge, Germany). Ecologie, 29 (1-2): 83-87, 1997.

Küfmann, C.: Soil types and eolian dust in high-mountainous karst of the Northern Calcareous Alps (Zugspitzplatt, Wetterstein Moun- tains, Germany). Catena, 53: 211-227, 2003. Küfmann, C: Are Cambisols in Alpine Karst Autochthonous or Eolian in Origin? Arctic, Antarctic and Alpine Research, 40 (3): 506-518, 2008. Grashey-Jansen, S., Korch, O., Beck, C., Friedmann, A., Bernhard, R. und Dubitzky, C.:

Abb.4: Zirkulationsmuster (geopotentielle Dekameter)

und relative Auftrittshäufigkeiten (in %) vier

ausgewählter Zirkulationstypen (objektive

Großwettertypen) mit südlicher (S) bzw. südöstlicher

(SE) Anströmrichtung und zyklonaler bzw.

antizyklonaler Charakteristik in der Zugspitzregion

(schwarzes Dreieck). Ermittelt auf der Grundlage

täglicher geopotentieller Höhendaten (500hPa), für den

Ausschnitt 4°O-18°O/ 42°N-52°N, Zeitraum 1901-2011.

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Aeolian influenced soil sites in consideration of atmospheric circulation types – a case study in the alpine zone of the Zugspitzplatt (Northern Calcareous Alps, Germany). Journal of Geology, Agriculture and Environmental Sciences 2 (4): 11-19, 2014. Beck, C., Jacobeit, J. und Jones, P.D: Frequency and within-type variations of large scale circulation types and their effects on low- frequency climate variability in Central Europe since 1780. International Journal of Climatology 27: 473-491, 2013.

.

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15

AEROSOLCHARAKTERISIERUNG MIT HILFE VON FERNERKUNDUNG

MATTHIAS WIEGNER, ALEXANDER GEIß, BERNHARD MAYER

METEOROLOGISCHES INSTITUT, LMU, MÜNCHEN, [email protected]

Die Fernerkundung von Aerosolpartikeln

gehört zu den besonders aktuellen Themen der

Atmosphärenforschung. Das Meteorologische

Institut (MIM) der LMU liefert im Rahmen

von Lidarmessungen wichtige Bei- träge zu

dieser Thematik, zum einen durch

kontinuierliche Messungen mit automati-

sierten Messsystemen, zum anderen durch

Grundlagenforschung und Entwicklung neuer

Verfahren zur Charakterisierung der Partikel.

Die Messungen auf der UFS liefern dazu einen

relevanten Beitrag.

Nicht erst der Ausbruch des Eyjafjallajökull in

Island im Jahre 2010 hat der breiten

Öffentlichkeit die Relevanz von Aerosolpartikeln

deutlich vor Augen geführt. Die Ausbreitung

von Vulkanasche führte zu einer zeitweisen

Lähmung des Flugverkehrs mit immensen

Beeinträchtigungen für Bevölkerung und

Wirtschaft. Aber auch unter „normalen“

Bedingungen beeinflussen Aerosolpartikel unser

Wetter und Klima – und können zu

Gesundheitsschäden führen. Die Beobachtung

von Aerosolpartikeln ist jedoch schwierig, weil

sie zum einen zeitlich und räumlich sehr variabel

verteilt sind, zum anderen eine Vielzahl von

Parametern ihre Wirkung auf die Umwelt

steuert.

Mit Hilfe von Fernerkundung mit Lidar ist es

möglich, entfernungsaufgelöst Informationen

über die Verteilung und Eigenschaften der

Partikel zu erhalten. Mit hochkomplexen

Lidarsystemen, wie sie am Meteorologischen

Institut der LMU entwickelt wurden, lassen sich

über sehr aufwendige Verfahren optische und

mikrophysikalische Eigenschaften der

Partikel ableiten, während es einfache,

automatisierte Systeme (so genannte,

kommerziell erhältliche Ceilometer) ermöglichen,

kontinuierlich die Aerosolschichtung zu

vermessen. Ergänzt werden diese „aktiven“

Fernerkundungsverfahren durch integrierende

Messsysteme wie beispielsweise Sonnenpho-

tometer. Durch Kombination der Verfahren kann

die Charakterisierung der Partikel verbessert und

die Genauigkeit erhöht werden. Diese Strategie

wird sowohl an der LMU München als auch an der

UFS verfolgt.

High-End Aerosolfernerkundung

Als Gründungsmitglied des Deutschen

Lidarmessnetzes und Referenzstation im

Europäischen Lidarforschungsverbund EARLINET

ist das MIM seit fast 20 Jahren an

Spitzenforschung auf dem Gebiet der aktiven

Aerosolfernerkundung beteiligt. Am MIM

wurden insbesondere zwei

polarisationsempfindliche Mehrwellenlängen-

Ramanlidarsysteme entwickelt, neue

Qualitätssicherungsverfahren etabliert und

Auswerteroutinen optimiert. Bei letzteren stand

insbesondere die Berücksichtigung der

Streueigenschaften von nicht- kugelförmigen

Partikeln – typisch für beispielsweise

Vulkanasche oder Saharastaub – im

Mittelpunkt. Damit gelang es unter anderem,

die Vulkanascheschicht von 2010 voll- ständig

zu charakterisieren und Verfahren zur

Unterscheidung verschiedener Aerosoltypen zu

entwickeln. Abbildung 1 (oberes Teilbild, 16. April

2010, 17 Uhr, bis zum 17. April 2010, 24 Uhr)

zeigt einen Zeit-Höhenschnitt der Aerosol-

Schichtung, gemessen mit dem Ramanlidar des

MIM. Man erkennt deutlich das allmähliche

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Absinken der zunächst isolierten Schicht bis

zur Einmischung in die bodennahe

Grenzschicht am Nachmittag des 17. April.

Mithilfe des kompletten Datensatzes aus

aktiver und passiver Fernerkundung konnte die

Schicht eindeutig als die Aschewolke des

Eyjafjallajökull identifiziert sowie ihre

optischen (Vermögen, Strahlung zu schwächen)

und mikrophysikalischen Eigenschaften

(Größe, Massenkonzentration) abgeleitet

werden. Zum Vergleich ist im unteren Teilbild

die Parallelmessung mit dem Ceilometer des

MIM gezeigt. Die gute Erkennbarkeit der

Schicht legt nahe, auch Ceilometerdaten für die

Aerosolfernerkundung einzusetzen.

Abb.1: Zeit-Höhenschnitt (bis 13 km über Grund) des

entfernungskorrigierten Messsignals (in relativen

Einheiten). Das obere Teilbild zeigt die Messungen mit

dem Ramanlidar (Maisach), das untere Teilbild die

Ceilometermessungen (München) unmittelbar nach

Ankunft der Eyjafjallajökull-Ascheschicht. Aus Wiegner et

al. (2012)

Welchen Nutzen haben Ceilometer?

In den letzten Jahren begannen nationale

Wetterdienste, Netzwerke von Ceilometern

aufzubauen. Weil Ceilometer vergleichsweise

einfache Messsysteme (Einwellenlängen-

Rückstreulidare mit geringer Laserpulsenergie)

sind, sind sie vom Hersteller nur für die

Bestimmung der Höhe von Wolkenunterkanten

konzipiert. Trotzdem wird gegenwärtig – auch

auf Initiative des MIM – versucht, einen Nutzen

für die Aerosolfernerkundung zu er- zielen

(Wiegner et al., 2014). Dabei geht es zunächst um

die Bestimmung der Höhe der Mischungsschicht,

ein wesentlicher Parameter, der die Luftqualität

in unserem Lebens- raum bestimmt. Am MIM

werden vollständig automatisierte Verfahren

entwickelt, um Ceilometer zu kalibrieren sowie

Mischungs- schichthöhen und die Ausdehnung

von abgehobenen Aerosolschichten ableiten zu

können. Abbildung 2 zeigt als Beispiel den

Jahresgang der täglichen Entwicklung der

Mischungsschichthöhe über München. Man

erkennt eine deutlich höhere Grenzschicht in den

Sommermonaten, ein starkes Anwachsen am

Vormittag während des ganzen Jahres sowie nur

geringe Änderungen in der Ausdehnung nach

Sonnenhöchststand. Das vom DWD auf der UFS

betriebene Ceilometer ist baugleich mit dem

System des MIM, so dass die Fortschritte in der

Auswertung direkt übertragbar sind.

Abb.2: Mittlerer Jahresgang des Tagesgangs der

Grenzschichthöhe (im m) für München, bestimmt mit

Hilfe der am MIM entwickelten automatischen Kalib-

rier- und Analysemethoden für Ceilometerdaten.

Mit den Kalibrierverfahren des MIM ist es auch

möglich, Ceilometer verschiedener Fabrikate, also

beispielsweise verschiedener nationaler

Netzwerke, gemeinsam auszuwerten und

kontinentale Karten der Aerosolverteilung zu

erstellen.

Ein weiterer Schwerpunkt der aktuellen Arbeiten

am MIM ist die Korrektur des Einflusses der

Wasserdampfabsorption auf die Bestimmung von

Aerosoleigenschaften.

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17

Passive Fernerkundung

Mit dem seit 2011 an der UFS im Einsatz

befindliche Sonnenphotometer SSARA-Z

werden kontinuierlich spektrale Strahldichten

von direkter und diffuser Solarstrahlung

gemessen. Aus der Schwächung und dem

spektralen Verlauf der direkten Strahlung

können die optische Dicke und die effektive

Größe der Aerosolpartikel in der

atmosphärischen Säule oberhalb der Station

abgeleitet werden. Aus Messungen der diffusen

Himmelsstrahlung lässt sich auf

mikrophysikalische Eigenschaften wie den

Brechungsindex und die Größenverteilung

schließen. Aufgrund der üblicher- weise geringen

Aerosolkonzentrationen ist die zuletzt genannte

Inversion allerdings besonders schwierig.

Ob im Falle starker Konvektion Grenz-

schichtaerosol bis in Höhen oberhalb der UFS

gemischt wurde oder mehrere Aerosolschichten

mit möglicherweise unterschiedlichen

Eigenschaften gleichzeitig aufgetreten sind, kann

anhand der Parallelmessungen des Ceilometers

erkannt werden. Ein Beispiel für das gleichzeitige

Auftreten zweier ausgeprägter Aerosolschichten

ist in Abbildung 4 gezeigt (7. Juli 2013). In

solchen Fällen ist die Interpretation der Sonnen-

photometermessungen erschwert.

Abb.3: Sonnen- und Himmelsphotometer SSARA-Z, das

seit 2011 operationell auf der UFS betrieben wird, um

die optische Dicke des Aerosols zu bestimmen und die

Partikelgröße abzuschätzen (Foto: Garhammer).

Abbildung 3 zeigt das Sonnenphotometer auf

der UFS-Messplattform. Dieser Messstandort ist

besonders geeignet, weil er erlaubt,

Aerosolschichten in der freien Troposphäre, die

in der Regel auf Ferntransport zurückzuführen

sind, ohne den – normalerweise dominierenden

– Einfluss der Grenzschicht zu charakterisieren.

Abb.4: Beispiel für das Auftreten von zwei separaten

Aerosolschichten (ca. 3 km oberhalb der UFS und in

Stationsniveau) (7. Juli 2013, 01:00-08:00 UTC). Darge-

stellt ist das entfernungskorrigierte Ceilometersignal (rel.

Einheiten).

Literatur:

Wiegner, M., Gasteiger, J., Groß, S., Schnell, F.,

Freudenthaler, V. und Forkel, R.:

Characterization of the Eyjafjallajökull ash-

plume: Potential of lidar remote sensing, Physics

and Chemistry of the Earth 45-46 (2012) 79-86,

doi: 10.1016/j.pce.2011.01.006, 2012.

Wiegner, M., Madonna, F., Binietoglou, I., Forkel,

R., Gasteiger, J., Geiß, A., Pappalardo, G.,

Schäfer, K. und Thomas, W.: What is the benefit

of ceilometers for aerosol remote sensing? An

answer from EARLINET, Atmos. Meas. Tech., 7,

1979-1997, doi:10.5194/amt-7-1979-2014, 2014.

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18

AUSWIRKUNGEN DES KLIMAWANDELS IM ALPENRAUM AUF KRANKE UND TOURISTEN

RUDOLF MARIA HUBER, JÜRGEN SCHMUDE, MICHAEL BISCHOF

LMU MÜNCHEN, MICHAEL.BISCHOF @LMU.DE

Gesundheitstourismus gilt als einer der

gesellschaftlichen und ökonomischen

Megatrends der Zukunft. Die Verbindung von

Tourismus und Gesundheit zeigt sich dabei

allerdings entsprechend den Bedürfnissen der

jeweiligen Nachfrager in völlig unter-

schiedlichen Ausprägungen. Einerseits stehen

für viele Touristen Aspekte wie

Primärprävention, die eigene

Leistungsfähigkeit und die eigene Attraktivität

im Vordergrund. Andererseits können aber

auch gesundheitliche Prävention,

Rehabilitation oder Genesungsprozesse

Motive der Touristen sein. Im letztgenannten

Fall spielt die Wahl der Destination eine ganz

besondere Rolle, da diese aufgrund ihrer

geographischen Lage und des auch damit

verbundenen ursprünglichen und abgeleiteten

Angebots nur für bestimmte (Vor-

)Erkrankungen in Frage kommen.

Das interdisziplinäre (Teil-) Projekt zwischen

Tourismusgeographie und Medizin untersucht

durch eine erste Dokumentation und Analyse

von Angebotsseite (Destinationen) und Nach-

frageseite (Touristen), inwiefern der

Klimawandel einen Einfluss auf Angebot und

Nach- frage im Gesundheitstourismus

ausgewählter Destinationen im Alpenraum hat.

Im Detail werden hierfür zwei Arten von

Zivilisationskrankheiten, einerseits chronische

Lungenerkrankungen (COPD) und andererseits

Allergien (Asthma und Heuschnupfen), vor dem

Hintergrund des Klimawandels und seiner

Wahrnehmung durch Touristen unter- sucht.

Dazu werden sowohl klinische Studien als auch

Befragungen von Touristen und touristischen

Leistungsträgern durchgeführt.

Als Untersuchungsregionen für die touristischen

Befragungen dienen zwei alpine Destinationen

(eine auf der Nordseite der Alpen (Garmisch-

Partenkirchen) und eine auf der Südseite der

Alpen (Meran)), welche ein entsprechendes

gesundheitstouristisches Ange- bot bzw.

Potenzial aufweisen.

Abb. 1: Untersuchungsregion Nordalpen - Garmisch-

Partenkirchen (eigene Aufnahme 2015)

Anschließend werden die Einflüsse von

regionsspezifischen Klimaveränderungen sowohl

im Hinblick darauf, wie sich die Erkrankungen

verändern, als auch im Hinblick auf die Touristen,

für die gesundheitliche Aspekte und

Veränderungen der Region bei der Reiseent-

scheidung eine Rolle spielen, analysiert.

Die notwendigen Datenerhebungen werden im

Laufe des Sommers 2015 (Mai bis September)

durchgeführt. In der ersten Befragungsrunde

Ende Mai konnten bereits über 1 000 Touristen

bzw. Einheimische befragt werden.

Die Analyse dieser Daten ist allerdings noch

nicht abgeschlossen, so dass bisher keine

konkreten Ergebnisse aus dieser Befragung

vorliegen.

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19

Abb. 2: Einer von acht Befragungsstandorten der (Tou-

risten-) Befragung in Meran im Mai 2015 - Touriseum im

Schloss Trauttmansdorff (eigene Aufnahme 2015)

Als ein wesentlicher Einfluss der Auswirkungen

des Klimawandels im Alpenraum auf die

untersuchten Erkrankungen werden die durch

die steigenden Temperaturen erwarteten

Vegetationsveränderungen gesehen. Es ist

davon auszugehen, dass es bei einem mittleren

Temperaturanstieg von etwa 3° C zu einer

Verschiebung der Vegetationszonen nach oben

kommt. Bestehende Szenarien gehen davon

aus, dass sich bisher nicht im Alpen- raum

angesiedelte Arten in der collinen Zone

ausbreiten werden. Diese Verschiebung der

Pflanzen nach oben setzt sich über alle Hö-

henstufen hinweg fort (Abb. 3).

Abb. 3: Modellbasierte Erwartungen für die

Vegetationsveränderungen im Alpenraum

(eigene Darstellung nach: Walther 2013; EAWAG 2012)

Diese Verschiebung der Pflanzen in höhere

Regionen kann dazu führen, dass Pflanzen der

jetzigen alpinen Stufe in die nivale Stufe

verdrängt werden oder gänzlich aussterben.

Daher kann auch davon ausgegangen werden,

dass Pflanzenarten, die hinsichtlich der oben

genannten Erkrankungen einen Einfluss auf das

körperliche Wohlbefinden der Menschen haben

(z. B. Gräser und Pollen), neue räumliche

Verbreitungsmuster im Alpenraum auf- weisen.

Dies kann schließlich zu Veränderungen auf der

Angebotsseite des Gesundheitstourismus führen,

da beispielsweise etablierte gesundheits-

orientierte Destinationen auf die sich ändernden

natürlichen Rahmenbedingungen reagieren

müssen. Einerseits könnten diese veränderten

Rahmenbedingungen dazu führen, dass neue

und innovative Angebote/ Therapien entwickelt

werden. Andererseits kann dies aber auch zu

einer gänzlichen Neuausrichtung der

Destinationen führen.

Um auch diesen Entwicklungen Rechnung zu

tragen, werden im Rahmen der Analyse eben- so

die Wahrnehmungen dieser Veränderungen aus

Sicht der Anbieter und Nachfrager miteinander

verglichen. Hierzu werden die Touristen u. a.

nach ihren Reisemotiven, ihrer Einstellung

gegenüber verschiedenen Folgen des

Klimawandels im Alpenraum sowie nach ihren

tatsächlichen Aktivitäten vor Ort befragt. Auf

Seiten der touristischen Leistungsträger werden

hierzu in erster Linie die aus Sicht der Anbieter

wichtigsten künftigen Herausforderungen im

Allgemeinen sowie auch die Wahrnehmung

verschiedenen Folgen des Klimawandels im

Speziellen erfragt. Schließlich werden

Handlungsempfehlungen entwickelt, um die

touristischen Leistungsträger bei den künftigen

Herausforderungen - des (Gesundheits-)

Tourismus - im Alpenraum zu unterstützen und

so auch frühzeitig auf die sich verändernde

Nachfrage vorzubereiten.

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20

FLORA UND VEGETATION DES ZUGSPITZPLATTS AKTUELLER STAND DER

VEGETATIONSÖKOLOGISCHEN ERFORSCHUNG

OLIVER KORCH, ARNE FRIEDMANN

UNIVERSITÄT AUGSBURG, INSTITUT FÜR GEOGRAPHIE, [email protected]

Die Arbeitsgruppe Biogeographie der

Universität Augsburg erforscht seit 2009 die

Flora und Vegetation des Zugspitzplatts sowie

die Vegetationsdynamik dieses Raumes.

Während der Jahre 2013/2014 wurde die

Vegetationskarte des Untersuchungsgebiets

vervollständigt und ergänzt, das 2010

begonnene Langzeitmonitoring der

Plattvegetation konsequent fortgeführt sowie

das geländeklimatologische Mess- netz

ausgebaut. Zudem konnten die wesentlichen,

die Vegetationsdynamik beeinflussenden

Faktoren weiter differenziert und eingehend

beschrieben werden.

Das Zugspitzplatt besitzt einen herausragen-

den Charakter.

Durch die hochalpine Lage, den langen

Höhengradienten von 700 m sowie dem Neben-

einander von Naturlandschaft einerseits und

der starken anthropogenen und anthropo-

zoogenen Überprägung andererseits bietet sich

dieser Raum ideal für die langfristige

Erforschung vegetationsdynamischer Größen

und Prozesse an. Hinzu kommt eine gewisse

mediale Prominenz als Deutschlands höchst-

gelegenes Untersuchungsgebiet.

Vegetationskartierung

Seit 2014 liegt nun eine mit den Daten des

Beobachtungszeitraums 2013 vervollständigte

Vegetationskarte des Zugspitzplatts im Maßstab

1:5.000 und auf Grundlage der im

Untersuchungsgebiet großflächig

vorkommenden Assoziationen, Subassoziationen

und Varianten vor (Abb. 1).

Abb.1: Vegetationskarte des Zugspitzplatts 1:5.000

(Korch 2014).

Neben den in den Wissenschaftlichen Resultaten

2001/2012 bereits dargestellten Pflanzen-

gesellschaften (Korch & Friedmann 2012)

wurden die anthropo-zoogen bedingten

Assoziationen nun nochmals differenzierter

beschrieben. So gehen besonders in der alpinen

Zone des Zugspitzpatts nachfolgende Syntaxa

unmittelbar auf die Beweidung durch Schafe

zurück (Abb. 2):

- Das Geo montani-Nardetum strictae. Diese

durch das Borstgras (Nardus stricta) dominierte

Gesellschaft ist auf die Beweidung bodensaurer

Standorte (ehemalige Latschenstandorte mit

Tangelrendzinen sowie al- lochthone

Braunerden) innerhalb des Unter-

suchungsgebietes zurückzuführen. Hierbei

erlangt das Borstgras, da es nach dem Ein-

dringen in eine Pflanzengesellschaft von dem

Vieh gemieden wird, sukzessive immer größere

Dominanz (Grabherr, 1993). Vorhandene

Charakterarten anderer Gesellschaften können

auf die ursprüngliche Assoziation weisen.

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21

- Das Alchemillo-Poetum supinae als punk-

tuelle, typische Gesellschaft der Lägerstellen. In

Bereichen, an denen die Schafe sich länger zum

Ruhen und Wiederkäuen aufhalten, herrscht eine

artenarme, individuenreiche Vegetation

konkurrenzstarker Arten vor, welche sich unter

den eutrophen Standortverhältnissen gegen

konkurrenzschwächere Arten etwa aus dem

artenreicheren Polsterseggenrasen (Caricetum

firmae) durchzusetzen vermag.

Abb.2: Geo montani-Nardetum strictae (links) und

Alchemillo-Poetum supinae (rechts) als durch die Wei-

detätigkeit der Schafe bedingte Pflanzengesellschaf-

ten auf dem Zugspitzplatt.

Die Obergrenze des Latschengürtels ist

vermutlich ebenfalls anthropo-zoogen zugunsten

artenreicherer Rasen und Zwergstrauchheiden

herabgesetzt. Hierauf deuten der allgemein vitale

Zustand und auch das Fruchten der

Latschenbüsche. Knapp oberhalb der aktuellen

Latschengrenze konnten mehrmals Holzreste im

Boden gefunden werden. Die 14- C-Datierung

einer Probe ergab ein mittleres konventionelles

Alter von 195 BP (+/- 39 Jahre), was einer

Datierung in die Mitte bzw. die zweite Hälfte des

18. Jh. entspricht.

Die bereits in den in den Wissenschaftlichen

Resultaten 2011/2012 beschriebene insgesamt

große Vielfalt und Heterogenität der Flora und

Vegetation des Platts konnte durch

weitergehende Untersuchungen und auf

Grundlage einer breiteren Datenbasis bestätigt

werden (Abb. 3). Die Anzahl der bisher erfassten

Gefäßpflanzen-Arten stieg nach Ende der

Geländesaison 2014 auf 166. Hinzu kommen 24

Moos- sowie 17 Flechtenarten.

Abb.3: Detrended Correspondence Analysis (Hill &

Gauch,1980) für die in den Aufnahmeflächen vorge-

fundenen Arten (verändert nach Korch, 2014). Die

Gradient-Länge der ersten Achse beträgt über neun

Standardabweichungen, die der zweiten Achse etwa

sechseinhalb. Bei einer Gradient-Länge >4 kann davon

ausgegangen werden, dass zwei Arten nicht mehr am

selben Standort vorkommen (Leyer & Wesche, 2007).

Dauerbeobachtung

Das 2010-2012 initiierte Dauermonitoring der

Vegetation wurde auf 38 Flächen während der

Jahre 2013/2014 fortgesetzt. Es wurden für jede

Dauerbeobachtungsfläche mindestens zwei

Aufnahmen aus verschiedenen Jahren

durchgeführt, für viele bis zu vier Aufnahmen.

Hinsichtlich der bisher erzielten Ergebnisse ist

bislang aber noch kein eindeutiger Trend fest-

zustellen. Während sich beispielsweise der

Polsterseggenrasen der Dauerbeobachtungs-

fläche 10 (Tab. 1) 2012 positiv entwickelt hatte,

verlief diese Entwicklung im darauffolgenden

Jahr wieder negativ. Andere Beobach-

tungsflächen zeigten jedoch teilweise

Tendenzen hin zu gegenläufigen Entwicklungen.

Um belastbare statistische Aussagen hinsichtlich

langfristiger Trends der Vegetationsent- wicklung

etwa im Zuge klimatischer Veränderungen treffen

zu können, ist somit eine konsequente Pflege

und Fortführung des Dauer monitorings für die

Zukunft unbedingt angezeigt.

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

22

Tab.1: Darstellung des Dauermonitorings für die Dau-

erbeobachtungsfläche 10 für die Jahre 2011 (Anlage)

sowie die Wiederaufnahmen 2012 und 2013.

DBF 10: RW: 0651436 HW: 5252035

Jahr 2011 2012 2013 Aufnahme 126 229 287 Höhe (m) 2054 2054 2054 Exposition ONO ONO ONO Neigung (°) 2 2 2 Höhe Kra. (cm) 10 7,5 20 Deck. Kra. (%) 85 80 90 Deck. Moos (%) 5 1 5 Aufnahmefläche (m²) 9 9 9

VC/AC

Androsace chamaejasme 2m 1 1 Carex firma 3 2b 2b Euphrasia salisburgensis + 1 1 Festuca quadriflora 2m 1

r 1

Helianthemum alpestre 1 r

DV/DA

Dryas octopetala 2a 3 2b Ranunculus alpestris 1 1 2m

KC/OC

Alchemilla hoppeana Carduus defloratus

r .

. . r .

Galium anisophyllon 1 1 1 Gentiana verna Gentianella aspera Sesleria albicans

.

. 1

+ 1

2m

. + 1 + Veronica aphylla 1 1

Begleiter

Bistorta vivipara 1 . 1 Campanula scheuchzeri 1 1 1 Carex ornithopodioides Festuca alpina Festuca rupicaprina

.

. +

1 +

.

. . .

Homogyne alpina 1 1 . Potentilla brauneana . r . Selaginella selaginoides + .

1 1

2m Vaccinium vitis-idaea 2m Änd. gegenüb. vorangeg. Aufn. . . -6 Artenanzahl 17 19 15

Geländeklimatologie

Das Netz aus Dataloggern (Temperatur und

relative Luftfeuchtigkeit) wurde bis 2014 um

weitere Messpunkte auf nun 8 ausgeweitet.

Hierbei wurden immer zwei Messstationen an

benachbarten Standorten gruppiert, um die

geländeklimatologische Heterogenität erfassen

zu können. Die Auswertung der bisherigen

Messdaten unterstreicht diese große klimatische

Standortvariabilität eindrucksvoll (Abb. 4).

Abb.4: Verlauf der Lufttemperatur für die Datalogger

unterhalb der Plattspitzen für den Zeitraum 23.08.2012-

30.07.2013. Während der windexponierte Logger 1 den

Jahresgang der Lufttemperatur wieder- gibt, befand

sich Logger 2 während eines Großteils des

Messzeitraums unter Schneebedeckung (Korch 2014).

Vegetationsdynamik Die Vegetationsdynamik auf dem Zugspitz- platt wird zusammenfassend im Wesentlichen durch die in Abbildung 5 dargestellten Faktoren gesteuert.

Abb.5: Vegetationsdynamik auf dem Zugspitzplatt.

Über den Vektor Zeit verändert das Zusammenspiel der

anderen Faktoren die Vegetation.

Danksagung Unser Dank gilt dem Bayerischen Staatsmi-

nisterium für Umwelt und Verbraucherschutz

(bis 2014 Staatsministerium für Umwelt und

Gesundheit) für die Finanzierung der Forschung

im Rahmen der Forschungsvorhaben

KLIMAGRAD I (2009-2013) und KLIMAGRAD

II (seit 02.2015). Ebenfalls möchten wir der

Bayerischen Zugspitzbahn Bergbahn AG für die

Unterstützung durch Freifahrten auf das

Zugspitzplatt danken.

Literatur Grabherr, G.: Caricetea curvulae. - Grabherr, G.

und Mucina, L. [HRSG.] (1993): Die

Pflanzengesellschaften Österreichs. Teil II:

Natürliche und waldfreie Vegetation: 343-372.,

1993.

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

23

Hill, M.O. und Gauch, H.G.: Detrended

Correspondence Analy- sis: An Improved

Ordination Technique. - Vegetatio 42: 47–58,

1998.

Korch, O.: Untersuchungen zu Flora und

Vegetation des Zugspitzplatts

(Wettersteingebirge, Bayerische Alpen) -

Rezente Vegetationsdynamik unter besonderer

Berücksichtigung klimatischer und anthropo-

zoogener Prozesse. Dissertation, Universität

Augsburg, 2014.-

Korch, O. und Friedmann, A.: Aktueller Stand

und Ergebnisse der vegetationskundlichen

Untersuchungen auf dem Zugspitzplatt. In: UFS

- Wissenschaftliche Resultate 2011/12, 11-12,

2012.

Leyer, I. und Wesche, K. : Multivariate Statistik

in der Ökologie. – korr. Nachdruck 2008, 221 S.,

Berlin, 2007.

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

24

STATISTISCHE MODELLIERUNG WASSERHAUSHALTSRELEVANTER KLIMAPARAMETER FÜR

DEN HOCHGEBIRGSRAUM

ANDREAS PHILIPP, SEVERIN KASPAR, CHRISTOPH BECK, JUCUNDUS JACOBEIT

UNIVERSITÄT AUGSBURG, INSTITUT FÜR GEOGRAPHIE, [email protected]

Um langfristige künftige Veränderungen des

alpinen Wasserhaushalts besser ein- schätzen

zu können, wird eine Maximierung der

Modellgüte statistischer Verfahren an-

gestrebt. Hierbei konnten mit Klassifikati-

onsverfahren bereits bemerkenswerte

Gütemaße für die Lufttemperatur erreicht

werden. Aktuelle Arbeiten zur

Implementierung künstlicher Neuronaler

Netze lassen jedoch noch weitere deutliche

Verbesserungen, insbesondere für den

Niederschlag, erwarten.

Als Steuerfaktoren für den Wasserhaushalt

spielen Veränderungen sowohl des

Niederschlags als auch der Lufttemperatur in

Hochgebirgsregionen eine maßgebliche Rolle.

Die Bedeutung der Lufttemperatur ergibt sich

insbesondere durch die Steuerung der

Rücklagenbildung bzw. -reduktion bei Gefrier-

und Schmelzvorgängen. Beide Klimaparameter

hängen im Wesentlichen ab von der

atmosphärischen Zirkulation, d. h. der

räumlichen Verteilung und Intensität von Hoch-

und Tiefdruckgebieten, die ihrerseits Ein- und

Ausstrahlung sowie Luftmassentransport und

somit Energie- und Feuchteflüsse steuern.

Um dekadische und säkulare klimatische

Veränderungen einschätzen zu können, werden

globale und regionale Klimamodelle betrieben,

die die großskalige atmosphärische Zirkulation

im Wesentlichen gut, die kleinskaligen

Veränderungen von Temperatur und

Niederschlag jedoch immer noch nur

unzureichend wiedergeben können. Dies gilt

umso

mehr, als kleinräumige Unterschiede im stark

reliefierten Hochgebirge, etwa zwischen

vergletscherten und unvergletscherten Lagen,

nicht aufgelöst werden können, obgleich sie

für den alpinen Wasserhaushalt von hoher

Relevanz sind.

Gestützt auf die relativ hohe Qualität der

großskaligen Zirkulationsdaten der Klimamodelle

lassen sich jedoch statistische

Modellierungsverfahren entwickeln, die die

Beziehung zwischen Temperatur oder

Niederschlag einzelner Standorte und der groß-

skaligen Zirkulation aus der Vergangenheit auf

die Zukunftsszenarien projizieren (sog.

statistische Downscalingverfahren). Die

Verlässlichkeit derartiger Projektionen hängt je-

doch maßgeblich von der Modellgüte der

statistischen Techniken ab, die mit Validierungs-

datensätzen überprüft werden kann, also

Teilstichproben aus der Vergangenheit, die

nicht zur Erstellung der Modelle verwendet,

sondern allein für die Abschätzung der

Modellqualität reserviert wurden.

Im Rahmen der zweiten Phase des

Forschungsvorhabens Virtuelles

Alpenobservatorium (VAO-II) werden

insbesondere folg. zwei statistische Verfahren

implementiert und optimiert: i) für den

jeweiligen Standort und Paramater optimierte

Zirkulationstypenklassifikationen (RCF, engl.

reference class forecast) sowie ii) künstliche

neuronale Netze (ANN, engl. artificial neural

networks).

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25

Reference Class Forecast Modelle

Das Prinzip dieses Verfahrens besteht in der

Erstellung von Wetterlagenklassifikationen auf

Grundlage beobachteter Zirkulationsdaten und

der Ermittlung des typischen Temperatur- bzw.

Niederschlagswertes am Zielstandort für jede

Klasse. Zur Modellierung können anschließend

neue Zirkulationsdaten (z. B. zur Validierung

oder aus Klimamodellsimulationen) den Klassen

zugeordnet und der typische Wert der

entsprechenden Klasse als Modellwert

verwendet werden. Die Modellgüte lässt sich im

Falle der Validierung dann z. B. durch den (evt.

quadrierten) Korrelationskoeffizienten zwischen

Modellwertreihe und beobachteten

Temperaturen oder Niederschlagssummen

ermitteln.

Im Rahmen des VAO-II-Programmes wurden

zunächst die geeignetsten Klassifikationen aus

der schon bestehenden COST733- Datenbank

ermittelt. Weiterhin wurden spezielle

Klassifikationen entwickelt, die individuell für

Temperatur und Niederschlag an den genannten

Stationen optimiert sind, insbesondere durch

die Integration der (optimal gewichteten)

Zielvariablen selbst. Abbildung 1 (oben) zeigt,

dass für die Temperatur der Station Zugspitze

(ähnlich auch für den Sonnblick) bereits recht

hohe Modellgüten erreicht werden.

Interessanterweise sind jedoch nicht immer die

individuell optimierten VAO-II- Klassifikationen

führend, was ein Hinweis auf weiteres

Steigerungspotential ist, da die besten

COST733-Klassifikationen mit einer vor-

geschalteten Hauptkomponentenanalyse

arbeiten, die für die VAO-II-Klassifikationen bis-

lang noch nicht verwendet wurde. Weitere

Analysen sollen diese mögliche zusätzliche

Verbesserung, die auf eine Art Tiefpassfilter-

wirkung der Hauptkomponentenanalyse für die

Zirkulationsdaten zurückgeführt wird, weiter

verfolgen. Die Modellgüten für den

Niederschlag (Abb. 1 unten) liegen

bemerkenswerterweise insgesamt deutlich über

denen von Tieflandsstationen (hier nur i. d. R.

R²<0,2) und erreichen für die Zugspitze

maximale Werte von R²=0,42 im Winter (am

Sonnblick R²= 0,33). Auch ergeben sich für die

VAO-II-Optimierung durchweg Verbesserun- gen

im Vergleich zu den COST733- Klassifikationen.

Allerdings wird in keiner Jahreszeit mehr als die

Hälfte der Varianz des Niederschlags durch die

Modelle erklärt, was für die Erstellung robuster

Modellprojektionen immer noch unzureichend ist.

Abb.1: Modellgüte für Temperatur

und Niederschlag der Station Zugspitze im Vergleich

zwischen COST733 und eigens optimierten Klassifikationen

(VAO-II) auf Tagesbasis für drei- monatige Jahreszeiten.

R² ist der quadrierte Korrelationskoeffizient zwischen

modellierter und beobachteter Zeitreihe im

Validierungszeitraum (2001 bis 2013).

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26

Künstliche neuronale Netze

Im aktuell laufenden zweiten Projektteil wer-

den Lernalgorithmen für das Training künstlicher

neuronaler Netze (ANN) implementiert. In

einem ANN wird durch die Weitergabe

gewichteter Informationen zwischen einzelnen

Elementen (Neuronen) des Netzes eine

Abbildungsfunktion zwischen dem Prädiktor

(Zirkulationsdaten) und einem Prädiktanden

(Temperatur bzw. Niederschlag) iterativ

optimiert. Als sog. Eingabeneuronen dienen die

Gitterpunktwerte des Zirkulationsdatensatzes,

als Ausgabeneuron der Niederschlag bzw. die

Temperatur selbst. Zwischen diesen zwei

Ebenen können beliebig viele sog. versteckte

Neuronen konfiguriert werden. Eine elementare

Frage stellt sich hierbei hinsichtlich der optimalen

weiteren Neurons steigt, anstatt wie im

Trainingsdatensatz weiter zu sinken, da hier die

Übertragbarkeit reduziert wird. Abbildung 2 zeigt

das Ergebnis einer derartigen aufwändigen

Evaluierungsprozedur für die Temperatur der

Zugspitze mit einem charakteristischen Ansteigen

des Fehlerbalkens nach ca. 7-8 versteckten

Neuronen. Diese Optimierungen führen für die

Temperatur der Zugspitze bereits jetzt zu

erklärten Varianzanteilen von 98 %, für den

Niederschlag ist jedoch noch immer

Steigerungsbedarf sicht- bar, dem im

bevorstehenden letzten Projekt- teil u. a. durch

die Kombination von ANN mit optimierten

Klassifikationen genüge getan werden soll.

Abb.2: Veränderung des Modellfehlers (Mean Square Error, Ordinate) für neuronale Netze bei Erhöhung der Anzahl der

versteckten Neuronen (Farben) für die Temperatur der Zugspitze nach Monaten. Dargestellt ist der Fehler des Validie-

rungsdatensatzes, der nach anfänglicher Abnahme jeweils wieder ansteigt und damit die optimale Anzahl an

versteckten Neuronen anzeigt. Die Fluktuation aus randomisiert initialisierten Trainingsläufen ist zur Beurteilung der

Robustheit in Strichen dargestellt.

Anzahl der versteckten Neuronen. Eine zu

hohe Zahl kann zu einer schlechten

Übertragbarkeit des Modells auf neue Daten

führen, da dann die Tendenz steigt, Einzelfälle

aus dem Trainingsdatensatz in den Gewichten

abzuspeichern (Auswendiglernen). Eine zu

geringe Anzahl wiederum führt zur

mangelhaften Repräsentation niederschlags-

bzw. temperaturrelevanter Prozesse. Eine

optimale Anzahl kann genau dann festgestellt

werden, wenn der Fehler im

Validierungsdatensatz bei Hinzunahme eines

Danksagung

Wir bedanken uns für die Förderung des Forschungsvorhabens durch das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) im Rahmen des Verbundprojekts Virtuelles Alpenobservatorium (VAO-II).

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27

HYDROLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN IM EINZUGSGEBIET DES PARTNACH-URSPRUNGS

GEORG STROBL & KARL-FRIEDRICH WETZEL

UNIVERSITÄT AUGSBURG, [email protected]

Die Universität Augsburg führt seit 1996 hydrologische Untersuchungen im Einzugs- gebiet des Partnach-Ursprungs durch. Diesen Untersuchungen kommt im Rahmen des Klimawandels eine erhebliche Bedeutung zu, da die Alpen einen hohen Wasserumsatz aufweisen und gleichzeitig besonders stark vom Klimawandel betroffen sind (Gobiet et al., 2014)

Messnetz im Zugspitzgebiet

Im Hochgebirge sind empirische Untersu-

chungen zur Hydrologie nur mit einem

erheblichen Aufwand durchzuführen, da aufgrund

des Reliefs und der teils extremen

Witterungsverhältnisse Messungen sehr

aufwendig sind. Die UFS Schneefernerhaus

bietet im Hochgebirgsraum beste

Voraussetzungen für hydrologische

Untersuchungen (vgl. Rappl et al., 2010).

Abb.1: Schneehydrologische Messstation „Süd“ auf dem

Zugspitzplatt.

Im Sommer 2013 wurde mit den Vorbereitun-

gen zur Installation von drei schneehydrologi-

schen Messstationen begonnen. Die Stationen

wurden am 13. November eingeflogen und

montiert (Abb. 1). Aufgrund witterungs-

bedingter Probleme erfolgte die Inbetriebnahme

der Stationen schrittweise. Zusammen mit den

Messstationen des DWD und des Bayerischen

Lawinenwarndienstes besteht jetzt ein Netz von

sechs Klimastationen auf dem Zugspitzplatt

(Abb. 2). Darüber hinaus erfolgte im Juli 2014 die

Inbetriebnahme einer Pegelanlage mit

Wasserstandserfassung mittels keramischer

Drucksonde sowie redundant über ein Pegelradar

an der Wasserfassung der Reintalangerhütte des

DAV. Damit ist eine kontinuierliche

Pegelerfassung an der Part- nach direkt

unterhalb des Partnach-Ursprungs mit

Datenfernübertragung gewährleistet.

Abb.2: Pegelstation sowie schneehydrologische und

meteorologische Messstationen auf dem Zugspitzplatt.

Zur Hydrologie des Partnach-Ursprungs

Seit dem Sommer 1996 liegen mit einzelnen

Unterbrechungen Pegeldaten eines Hilfspegels

an gleicher Stelle vor. Die Berechnung von

Abflüssen (Q) aus den aktuellen Pegeldaten (W)

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

28

erfolgt über eine vorläufige Wasser- stand-

Abfluss-Beziehung (W/Q-Beziehung), die von

Schirmer und Wetzel (2015) mit der

Salzverdünnungsmethode erstellt wurde.

Die in unterschiedlichen Zeitintervallen vor-

liegenden Abflussdaten wurden mittels

statistischer Methoden homogenisiert und in

eine einheitliche Datenstruktur mit 1-stündlicher

Auflösung überführt. Anschließend wurden die

Abfluss-Hauptwerte bestimmt (vgl. Tab. 1).

Während der Wintermonate können an der

Pegelstation technisch- oder witterungsbedingt

keine verlässlichen Abflusswerte erfasst werden,

da die Partnach zeitweise trocken fällt oder das

Messgerinne durch Schnee- und Eis verfüllt ist.

In der Datenauswertung wurde entsprechend nur

das hydrologische Sommerhalbjahr (Mai –

Oktober) berücksichtigt. Auch in den

Sommerhalbjahren liegen teils unterschiedlich

lange Aufzeichnungszeiträume vor, da in

einzelnen Jahren Lawinenschnee die Pegeldaten

verfälscht hat oder die Messstelle aufgrund von

Lawinengefahr nicht eingerichtet werden

konnte.

Tab.1: Mittlere Abflüsse, Extremwerte und monatliche

Pardé-Koeffizienten am Partnach-Ursprung während des

hydrologischen Sommerhalbjahres (SHJ) im Zeit- raum

1996 – 2014.

Die Auswertung der Sommerhalbjahre

verdeutlicht die Abflussschwankungen der Part-

nach (Tab. 1). In Abhängigkeit von

Schneerücklagen und somit von Schnee-

schmelzabflüssen sowie sommerlichen

Niederschlagsereignissen treten am Partnach-

Ursprung während des Sommerhalbjahres mittlere

monatliche Abflüsse von 0,42 m³/s – 3,28 m³/s auf

(NMQMONAT - HMQMONAT). Die Spannweite

einzelner Abflussextremwerte reicht sogar von

0,32 m³/s – 16,77 m³/s (NNQSHJ – HHQSHJ ). Jahre

mit hohen durchschnittlichen sommerlichen

Abflüssen weisen dabei hohe Abflüsse vor allem in

den Monaten Juni und Juli auf. Dies ist der

Zeitraum der intensivsten Schneeschmelze und

zeigt die Relevanz der winterlichen

Schneerücklage für den Abfluss des folgenden

Sommerhalbjahres. Die Abflusskoeffizienten nach

Pardé von 1,61 und 1,47 in den Monaten Juni und

Juli (Tab. 1), die auf Basis der Monatsmittel und

des mittleren sommerlichen Abflusses berechnet

wurden, verdeutlichen dies und charakterisieren

ein nivales alpines Abflussregime. Während

Abflussmaxima vornehmlich durch andauernde

sowie heftige konvektive Sommerniederschläge

verursacht werden, sind niedrige Abflüsse vor

allem in frühsommerlichen Trockenperioden

durch geringe Schneerücklagen auf dem

Zugspitzplatt und somit einen geringen

Füllungsstand des Karstspeichers verursacht. Die

Niedrigwasserperioden im Herbst wiederum sind

fast ausschließlich auf das Ausbleiben flüssiger

Niederschläge zurückzuführen. In dieser Jahreszeit

sind die Schneedecken ausgeapert und die

Schmelzwasserabflüsse aus Gletscherresten gehen

aufgrund abnehmender Temperaturen stetig

zurück, sodass keine signifikante Speisung des

Karstkörpers erfolgt. Die Abflussganglinien in

Abbildung 3 zeigen diesen Rückgang mit

auslaufendem Karstspeicher und stetig sinkenden

Abflüssen ab Mitte August deutlich. Weiterhin

werden anhand der Abflussganglinien und

Dauerlinien der Sommerhalbjahre 2011 und 2014

die erheblichen Differenzen im Abflussgang

einzelner Jahre verdeutlicht (Abb. 3). Bei nahezu

identischen Schneerücklagen nach Daten der

DWD- Messstation Zugspitze (Winterhalbjahr

2010/11: 858 mm, 2013/14: 856 mm) werden die

Unterschiede der Dauerlinien nur durch die sehr

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

29

hohen Niederschläge im Juli und August 2014

verursacht.

Abb.3: Ganglinien und Dauerlinien mittlerer täglicher

Abflüsse der Sommerhalbjahre 2011 und 2014 am Pegel

Partnach-Ursprung

Zusammenfassung und Ausblick

An der Pegelstation Partnach-Ursprung liegen für

14 Jahre Daten zu Abflüssen vor. Erste

Auswertungen der Zeitreihen zeigen erhebliche

Schwankungen der Abflüsse. Zwischen

Schneerücklage und sommerlichem Abfluss

besteht ein deutlich nachweisbarer Zusam-

menhang. Sommerliche Starkregenereignisse

verursachen die Abflussmaxima im Jahres-

gang. Der Herbst ist vom Auslauf des

Karstkörpers geprägt. Weiterführende

statistische Analysen werden in Zukunft möglich,

wenn qualitativ hochwertige Abflussdaten

weiterer Sommerhalbjahre vorliegen. Daher sind

ein weiterer Ausbau der Messinstrumentierung

und zusätzliche Messkampagnen vorgesehen.

Das kontinuierliche und zeitlich sowie räumlich

hochaufgelöste schnee- und glazialhydro-

logische Monitoring im Zugspitzgebiet soll

intensiviert werden. Auf dieser Grundlage

werden letztlich Konzepte, Modelle und

Methoden (weiter-) entwickelt, die später auch in

vergleichbaren Gebieten ohne ausreichende

Instrumentierung genutzt werden können.

Förderhinweis und Danksagung

Wir bedanken uns für die Förderung des For-

schungsvorhabens durch das Bayerische

Staatsministerium für Umwelt und

Verbraucherschutz (StMUV). Ein herzlicher

Dank ergeht an Herrn Dr. David Morche

(Universität Halle) für die Bereitstellung von

Abflussdaten. Weiterhin sei dem Bayerischen

Lawinenwarndienst (LWD), dem Deutschen

Alpenverein (DAV) und der Bayerischen

Zugspitzbahn Bergbahn AG (BZB) für

Unterstützung sowie dem LRA Garmisch-

Patenkirchen für die Ausstellung der

wasserrechtlichen Genehmigung für

Abflussmessungen gedankt.

Literatur

Gobiet, A., S. Kotlarski, M. Beniston, G.

Heinrich, J. Rajczak und Stoffel, M.: 21st century

climate change in the European Alps—A review. -

Science of the Total Environment, 493, 1138 –

1151, 2014.

Rappl, A., K.-F. Wetzel, G. Büttner und Scholz,

M.: Tracerhydrologische Untersuchungen am

Partnach-Ursprung. In: Hydrologie und

Wasserwirtschaft 54, S. 220-230, 2010.

Schirmer, M. und Wetzel, K.-F.: Erstellung einer

Wasserstands- Abflussbeziehung an einem

hochalpinen Wildbach. – Geographica

Augustana Manuskripte, 17, S. 9-14, 2015.

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

30

WASHOUT VON AEROSOLGEBUNDENEN RADIONUKLIDEN MIT SCHNEE

KERSTIN HÜRKAMP, FELIX BERNAUER UND JOCHEN TSCHIERSCH

HELMHOLTZ ZENTRUM MÜNCHEN, NEUHERBERG, [email protected]

Das Helmholtz Zentrum München (HMGU)

untersucht seit 2011 an der UFS die Effizienz

des Auswaschprozesses von aerosolge-

bundenen Radionukliden aus der Atmosphäre

in Abhängigkeit der Niederschlagsart sowie

meteorologischer und schneephysikalischer

Parameter.

Nach dem Reaktorunfall in Fukushima 2011 hat

sich gezeigt, dass die Regionen, in denen es

zum Zeitpunkt der Freisetzung von

Radioaktivität geschneit hat, heute die am

stärksten kontaminierten Böden aufweisen.

Jedoch existieren starke Unterschiede zwischen

beobachteter und vorhergesagter nasser

Deposition (Morino et al. 2011), die

möglicherweise auf die fehlende

Berücksichtigung von Schnee als

Niederschlagsart in Radionuklid-Ausbreitungs-

Modellen zurückzuführen ist.

Nasse Deposition mit Schnee gilt als sehr

effektiver Prozess der Ablagerung aerosolge-

bundener Radionuklide (Tschiersch 2001). Eine

genaue Quantifizierung der Effizienz und

Parametrisierung steht allerdings noch aus.

Daher wurde am Schneefernerhaus die

Abhängigkeit der nassen Deposition aerosolge-

bundener Radionuklide für unterschiedliche

Niederschlagsereignisse von der

Niederschlagsart und –intensität und der

Aerosolpartikelgröße untersucht.

Aus kontinuierlichen Messungen der atmo-

sphärischen Aerosolkonzentration mit einem

Scanning Mobility Particle Sizer (SMPS, Daten

freundlicherweise zur Verfügung gestellt von

Dr. Ludwig Ries, Umweltbundesamt) wurden

Washout-Koeffizienten (auch Scaven-ging-

Koeffizienten genannt) für die Deposition

partikelgebundener Stoffe mit Niederschlag

berechnet und parametrisiert.

Charakterisierung und Klassifizierung der

Niederschlagsereignisse

Abb. 1: 2D-Video-Distrometer (2DVD) zur Charakteri-

sierung der Schneefallereignisse kombiniert mit einer

Niederschlagswaage, installiert auf der Messterrasse im

4. OG der UFS (Bernauer, 2015).

Für das 2D-Video-Distrometer (2DVD, Abb. 1),

das für die Charakterisierung der Ereignis- se

zum Einsatz kam, wurde ein neuer Algorithmus

für Schnee programmiert (Bernauer et al., 2015a)

und eine geeignete Schneeklassi- fizierung auf

Grundlage der gemessenen Parameter

entwickelt (Bernauer et al., 2015b). Die

Klassifizierung basiert auf der Fallge-

schwindigkeit und der Oberflächenstruktur der

Hydrometeore, hauptsächlich bestimmt über

den Bereifungsgrad und die Kristallform. Mit

Hilfe der neuen Software ist nun eine

automatische Klassifizierung für Schnee mit drei

unterschiedlichen Intensitätsklassen und

Bereifungsgraden für die Kristallformen komplexe

-, Einzel- und kugelförmige Kristalle (Abb.2)

möglich.

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

31

Abb. 2: Beispiele von 2D-Video-Distrometer-Bildern der

drei klassifizierten Kristallarten. Aus den 2DVD-Daten

wurden u. a. Parameter der Krümmung und Formfaktor

berechnet (Bernauer 2015, Bernauer et al. 2015b).

Als Ergebnis der Klassifikation liegt letztlich ein

umfangreicher Datensatz der Ereignisse von

November 2012 bis Dezember 2014 zur

Parametrisierung der Scavenging-Koeffizienten

vor. Aus 4800 h aufgezeichneten Niederschlags

passierten 12 % die Kriterien der

meteorologischen Stabilitätskontrolle. Der

verbleibende Datensatz besteht aus 74 %

Schnee-, 19 % Schneeregen- und 7 %

Regenereignissen. Die dominierende Kristallart

war zu 71 % komplexe Kristalle und Aggregate,

16 % kugelförmige Kristalle und 4 %

Einzelkristalle.

Berechnung der Scavenging-Koeffizienten Die

Effektivität des Auswaschprozesses hängt von

den Eigenschaften der ausgewaschenen

Substanzen (Löslichkeit, Partikelgröße) und

den Niederschlagscharakteristika (Nieder-

schlagsintensität, Tropfenspektrum) ab. Der

Scavenging-Koeffizient Λ beschreibt den

Transferprozess eines Stoffes auf den Boden

über seine Konzentration c im Aerosol. Der

Auswaschprozess kann als Zerfall erster

Ordnung beschrieben werden und errechnet

sich aus der Konzentrationsabnahme aus drei

aufeinander folgenden Messungen der parti-

kelgrößenfraktionierten Aerosole (Bernauer,

201; Kyrö et al., 2009; Laakso et al., 2003). Für

die aufgenommenen Niederschlagsereignisse

sind die berechneten Scavenging-Koeffizienten

für Schnee-, Schneeregen und Schnee in

Abbildung 3 dargestellt. Sie zeigen eine klare

Abhängigkeit vom Aerosolpartikeldurchmesser

und variieren über 1-1,5 Größenordnungen. Für

Schnee liegen sie im Mittel über alle Parti-

kelgrößen bei (3,3 ± 0,8) ∙ 10-4 s-1. Die höchsten

Koeffizienten wurden für die kleinsten

Partikelgrößen um die 10 nm und für die

größten Größen zwischen 400-500 nm be-

rechnet. Zwischen 30-50 nm liegt eine Zone

mit den geringsten Scavenging-Koeffizienten,

die sogenannte Greenfield Gap. Der höchste

gemittelte Scavenging-Koeffizient über alle

aufgenommenen Ereignisse wurde für

Schneeregen mit (4,5 ± 1,0) 10-4 s-1 bestimmt.

Abb. 3: Mittlere Scavenging-Koeffizienten für Schnee-,

Schneeregen- und Regenereignisse (Bernauer 2015).

Das Minimum der Scavenging-Koeffizienten ist

am ausgeprägtesten für Regen. Schnee hat

durch seine größere Oberfläche eine höhere

Effizienz für Diffusionsprozesse und daher ein

weniger deutliches Minimum als Regen und in

der Größenklasse 30-60 nm die höchsten

Scavenging-Koeffizienten. Für größere Partikel

sind die Schneeregenereignisse am

effizientesten. Das kann auf die komplexe

Oberfläche, hohe Fallgeschwindigkeiten und

hohe Wassergehalte der Flocken zurückgeführt

werden. Die Prozesse der Interzeption und

Impaktion werden besonders effizient und sind

bedeutend für die Auswaschung größerer

Aerosolpartikel, u. a. der Radionuklide. Auch die

Abhängigkeit vom Schneekristalltyp ist

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

32

abhängig vom Aerosolpartikeldurchmesser (Abb.

4). Einzelkristalle sind am effizientesten im Aus-

waschprozess. Sie sind stark beeinflusst durch

kleinskalige atmosphärische Turbulenzen und

ihre Aufenthaltszeit in der Atmosphäre ist länger

als die der größeren und schwereren Kristalle auf

Grund langsamerer Fallgeschwindigkeiten. In der

gleichen Größenklasse haben komplexe Kristalle

höhere Scavenging -Koeffizienten als kugel-

förmige Kristalle. Kügelchen haben gut definierte

Trajektorien in der Atmosphäre, fallen schnell

und haben eine kleine Oberfläche für die

Aufnahme von Aerosolpartikeln.

Für die Implementierung in Entscheidungshilfe-

systemen für nukleare Notfälle wurden die

Scavenging -Koeffizienten mit Hilfe des bereits

integrierten Potenzgesetzes Λ = A (I/I 0 ) B in

Abhängigkeit von der Niederschlagsrate I

parametrisiert. Es liegen nun Parameter

(Konstanten A und B, Tab. 1 ) für verschiedene

Typen von Niederschlagsereignissen mit

Intensitäten zwischen 0,1 -4,0 mm/h vor. Bei

Niederschlagsraten unter 1, 5 mm/h hat Schnee

höhere Washout-Effizienzen als Regen.

Besonders bei Niederschlagsereignissen mit

schwachen Intensitäten um die 0,5 mm/h ist der

Auswaschprozess durch Schneefall etwa achtmal

effizienter als der durch Regen.

Literatur:

Bernauer, F.: Atmospheric washout of radioactive aerosol for different types of precipitation events. Dissertation Helmholtz Zentrum München, 2015. Bernauer, F., Hürkamp, K., Rühm, W und Tschiersch, J.,:. On the consistency of 2D-Video disdrometers in measuring microphysical parameters of solid precipitation. Atmospheric MeasuremenTechniques 8, 3251-3261, 2015 a.

Bernauer, F., Hürkamp, K., Rühm, W. und Tschiersch, J.: Snow event classification with a 2D-Video Disdrometer - a decision tree approach. Atmospheric Research, submitted,2015 b.

Kyrö, E.-M., Grönholm, T., Vuollekoski, H., Virkkula, A., Kulmala, M. und Laakso, L.: Snow scavenging of ultrafine particles: field measurements and parameterization. Boreal Environ. Res., 6095, 527-538, 2009.

Laakso, L., Grönholm, T., Rannik, U., Kosmale, M., Fiedler, V., Vehkamäki, H. und Kulmala, M.: Ultrafine particle scavenging coefficients calculated from 6 years field measurements. Atmos. Environ., 37, 3605-3613, 2003.

Morino, Y., Ohara, T. und Nishizawa, M.: Atmospheric Behavior, Deposition, and Budget of Radioactive Materials from the Fukushima Daiichi Nuclear Power Plant in March 2011.Geophysical Research Letters, 38, L00G11, 20011

Tschiersch, J.: Snow deposition of a trace aerosol. Journal of Aerosol Science, 32, S195-S196, 2001.

Abb. 4: Mittlere Scavenging-Koeffizienten für Schneeereignisse in Abhängigkeit des Kristalltyps (Bernauer, 2015).

Tab. 1: Fit -Parameter A und B für das Potenzgesetz Λ =A(I/I 0 ) B für unterschiedliche Arten von Niederschlagsereignissen zur Implementierung in Radionuklid -Ausbreitungsmodelle (Bernauer, 2015).

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

33

EINFLUSS VON UMWELTPARAMETERN AUF DIE KOSMISCHE STRAHLUNG

VLADIMIR MARES, JUDITH BREHME, GERHARD DONTH, MAJA STRUGACEVAC, SEBASTIAN TRINKL, WERNER RÜHM

INSTITUT FÜR STRAHLENSCHUTZ, HELMHOLTZ ZENTRUM MÜNCHEN

Im Berichtzeitraum wurden auf der Umwelt-

forschungsstation Schneefernerhaus (UFS)

weiter kontinuierliche Messungen der

Energieverteilung der sekundären Neutronen

der kosmischen Strahlung unter Verwendung

des vorhandenen Vielkugelspektrometers

(BSS – Bonner Sphere Spectrometer) mit 16

Detektoren, welches sich in der Messhütte

auf der Dachterrasse der UFS befindet,

durchgeführt. Das BSS besteht aus 13 mit 3He-

Gas gefüllten Proportionalzählern, die sich

jeweils innerhalb einer der unterschiedlich

großen Kugeln aus Polyethylen (PE) befinden

(Kugeldurchmesser: 2,5, 3, 4, 5, 5,5, 6, 7, 8, 9,

10, 11, 12 und 15

Inch).

Zwei weitere 3He-Proportionalzähler sind von PE Schalen mit einer integrierten Bleischale umgeben (9-1(Pb), 9-2(Pb)), um das Ansprechvermögen auf Neutronen bei einer

Neutronenenergie über 20 MeV zu erhöhen. Je

nach Durchmesser werden die einfallenden

sekundären Neutronen der kosmischen Strahlung

abgebremst und über die Reaktion 3He(n,p)3H

nachgewiesen. Einer der Proportionalzähler wird

ohne jegliche PE Abschirmung betrieben

(„Bare“), um bereits in der Umgebung

abgebremste Neutronen nachzuweisen. Aus den

mit den 16 Proportionalzäh- lern stündlich

gemessenen Ereignissen lassen sich

entsprechend die zugehörigen Neutro-

nenenergieverteilungen darstellen (Leuthold et

al., 2007).

Abbildung 1 zeigt exemplarisch die

monatlichen Zählraten, die von Januar 2010 bis

Juni 2014 mit 8 Detektoren gemessen wurden.

Die in Abbildung 1 dargestellten Zählraten sind

bereits auf Schwankungen des Luftdrucks

korrigiert.

Abb.1: Mit 8 Detektoren des Vielkugelspektrometers gemessene monatliche Zählraten (korrigiert auf Luftdruckschwankungen) im Zeitraum Januar 2010 – Juni 2014. Die rote Markierung hebt die plötzlich gesunkenen Zählraten im Oktober 2011 hervor, die durch starken Schneefall hervorgerufen wurden.

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

34

Wie bereits im letzten Jahresbericht

beschrieben, kann man sehr deutlich die

Oszillation der monatlichen Zählraten mit einer

Periode von einem Jahr beobachten (Rühm et

al., 2012).

Besonders interessant ist, dass stets während

der Sommerzeit, wenn weder die Terrasse noch

die Umgebung der UFS mit Schnee bedeckt

sind, eine Erhöhung der Zählraten

offensichtlich wird. Einer der Gründe für die

beobachtete saisonale Erhöhung der Zählraten

ist vermutlich der erhöhte Beitrag von vom

Boden zurückgestreuten sogenannten Albedo-

Neutronen, der stark vom Vorhandensein von

Schnee in der Umgebung sowie von erhöhter

Bodenfeuchte abhängig ist.

Die in Abbildung 1 rot hervorgehobenen Zähl-

raten markieren die plötzlich gesunkenen

Zählraten im Oktober 2011. Einer der Gründe für

diesen Effekt ist der starke Schneefall im ersten

Drittel dieses Monats, während der relativ

langen, schneelosen Periode von Mai bis

Dezember 2011 (siehe Abbildung 2). Im

Dezember 2011 gab es in der Umgebung der

UFS verhältnismäßig wenig Schnee, weswegen

deutlich höhere Zählraten als im Oktober 2011

gemessen wurden.

Mit Hilfe des Monte Carlo Programms GE-

ANT4 wurden erste Simulationen durchgeführt,

um den Einfluss der Schneehöhe auf

die Energieverteilung der sekundären Neutronen

der kosmischen Strahlung zu untersuchen.

Dazu wurde ein Atmosphärenvolumen von 100

x 100 x 317 m3 simuliert, in dem sich die

sekundären Neutronen der kosmischen Strahlung

ausbreiten und anschließend in den Bo- den bis

zu einer Tiefe von 10 m eindringen konnten.

Die Simulationen berücksichtigten zudem bei

gleicher Geometrie eine zusätzliche Wasser-

schicht von 50 cm bzw. 100 cm Dicke. Das

Neutronenspektrum wurde in der Simulation

über eine Fläche von 20 x 20 m2 gemittelt und

150 cm über dem Boden bestimmt.

Als Neutronenquelle diente die Energieverteilung

der sekundären Neutronen der kosmischen

Strahlung, die in früheren Arbeiten für eine

Höhe von 317 m über dem Meeresspiegel mit

dem Monte Carlo Programm FLUKA simuliert

worden war (Roesler et al., 2002).

In den durchgeführten Simulationen wurde

angenommen, dass diese Neutronen unab-

hängig von ihrer Energie senkrecht nach unten

in Richtung Erdoberfläche gerichtet sind

(Näherung). Diese Simulationen zeigen bereits

eine deutliche Abhängigkeit des Neutro-

nenenergiespektrums von einer den Boden

bedeckenden Wasserschicht (Schnee).

Abb. 2: UFS im September 2011 bei trockenen Bedingungen (links) und im Oktober 2011 nach starkem Schneefall (rechts).

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

35

Abbildung 3 zeigt das mit GEANT4 simulierte

Neutronenenergiespektrum in Luft in einer

Höhe von 150 cm über dem Boden. Diese ersten

Ergebnisse demonstrieren bereits, dass

Neutronen im Energiebereich 0.1 eV < E ≤ 20

MeV sehr stark von einer 50 cm dicken

Wasserschicht abgeschirmt werden. Dagegen

sind für hochenergetische Neutronen E > 20

MeV kaum Unterschiede zu beobachten. Bei

bestimmten Schneedichten kann eine

Wasserschicht von 50 cm einer Schneeschicht

von 150 cm Höhe entsprechen.

Im Rahmen dieses Forschungsprojektes wer-

den mit hoher Wahrscheinlichkeit genügend

Erkenntnisse bezüglich der Wechselwirkung von

Umweltparametern erlangt werden, um in einer

zweiten Phase die Eignung der Intensität von

Neutronen als Maß für die Bodenfeuchtigkeit

in großflächigen Arealen im alpinen Raum

untersuchen zu können.

Dies könnte wichtige Hinweise auf den Einfluss

des Klimawandels auf die Umgebungs-

feuchtigkeit im alpinen Raum liefern und wäre

einem Folgevorhaben vorbehalten.

Literatur

Leuthold, G., Mares, V., Rühm, W., Weitzenegger,

E., und Paretzke, H. G.: Long-term

measurements of cosmic ray neutrons by means

of a Bonner spectrometer at mountain altitudes

– first results. Radiation Protection Dosimetry,

Vol. 126, No. 1-4, pp. 506-511, 2007.

Rühm, W., Ackermann, U., Pioch C. und Mares,

V.: . Spectral neutron flux oscillations of cosmic

radiation on the Earth's surface. Journal of

Geophysical Research, VOL. 117, A08309, 2012.

Roesler, S., Heinrich, W. und Schraube, H.: Monte

Carlo calculation of the radiation field at aircraft

altitudes, Radit. Prot. Dosim. 98, 4, 2002, 367-

388, 2002.

Trinkl, S. 2014, private communication

Abb. 3.: Mit GEANT4 simulierte Neutronenenergiespektren in einer Höhe von 150 cm über dem Boden, mit Wasserschichten von 0 cm, 50 cm und 100 cm Dicke (S. Trinkl, 2014).

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

36

MESSUNG VON FORMALDEHYD, FLÜCHTIGEN ORGANISCHEN VERBINDUNGEN UND

ISOTOPENVERHÄLTNISSEN IM KOHLENDIOXID UND WASSERDAMPF AUF DER UFS

MICHAEL LEUCHNER1,3, CHRISTIAN SCHUNK

1, MARVIN LÜPKE

1, HOMA GHASEMIFARD1,

LUDWIG RIES2, ANNETTE MENZEL

1,3

1ÖKOKLIMATOLOGIE, TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN, FREISING, [email protected]

2GAW GLOBAL OBSERVATORY ZUGSPITZE/HOHENPEIßENBERG, UMWELTBUNDESAMT II 4.5, ZUGSPITZE

3INSTITUTE FOR ADVANCED STUDY, TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN, GARCHING

Von der Professur für Ökoklimatologie der

Technischen Universität München werden seit

2011 mehrere Messgeräte zur Bestimmung

atmosphärischer Spurengase (VOCs,

Formaldehyd) sowie von Isotopenverhält-

nissen im Kohlendioxid und Wasserdampf

betrieben. Für die einjährige Zeitreihe der

Formaldehydmischungsverhältnisse

(Dezember 2012 bis Dezember 2013) werden

ausgewählte Ergebnisse präsentiert.

Die betrachteten Spurengase (flüchtige orga-

nische Verbindungen (VOC) und Formaldehyd)

und Isotopenverhältnisse können zur

Beschreibung und Analyse der komplexen

atmosphärenchemischen Vorgänge sowie zur

Identifikation von Einflüssen der Vegetation auf

die Atmosphäre (Biosphäre -Atmosphäre -

Interaktionen) herangezogen werden.

Messungen Im Einzelnen werden von der

Professur für Ökoklimatologie folgende

Messungen durchgeführt: - VOCs : Ein Perkin -

Elmer Clarus 500 Gaschromatograph mit zwei

Flammenionisationsdetektoren und einem

automatischen Turbomatrix 650

Thermodesorber bestimmt stündlich die

Konzentrationen von C2–C 8 VOCs, u.a. von

Ethan, Ethen und Acetylen . Diese Substanzen

sind teils biogener und teils anthropogener

Herkunft und zählen zu den Vorläuferstoffen

des Ozons und der sekundären organischen

Aerosole.

- Formaldehyd: Mit dem auf Basis der nass-

chemischen Hantzsch-Fluorimetrie betriebenen

Aero Laser AL4021 Formaldehyd-Monitor wird

die Formaldehydkonzentration kontinuierlich

erfasst. Formaldehyd als Ozonvorläufer ist

sowohl eine Schlüsselsubstanz als auch ein

Indikator für die Aktivität der atmosphärischen

Photochemie. Es wird hauptsächlich sekundär

aus biogenen und anthropogenen

Kohlenwasserstoff-Vorläufersubstanzen ge-

bildet, entsteht daneben auch durch unvoll-

ständige Verbrennungsprozesse und andere

Quellen.

- δ13C im CO2: Mithilfe eines Picarro G1101-i

Cavity-Ringdown-Spektrometers wurden seit

2011 die Verhältnisse der Isotopologen 12CO2 und 13CO2 sowie die Mischungsverhältnisse von

Kohlendioxid und Wasserdampf gemessen. Durch

das Isotopenverhältnis lässt sich feststellen,

Abb.1: Cavity -Ringdown -Messgeräte für δ 13 C im CO 2 (links) und δD und δ 18 O im H 2 O (rechts) im Labor des Umweltbundesamts an der UFS

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

37

inwieweit das gemessene CO2 anthropogenen

oder natürlichen Ursprungs ist. Das

beobachtete Absinken von δ13C im CO2 zeigt den

ansteigenden anthropogenen Anteil aus fossilen

Quellen im CO2 - Mischungsverhältnis.

- δD und δ18O im H2O: Seit März 2015

können mit einem weiteren Cavity-Ringdown-

Spektrometer auch die beiden Isotopenver-

hältnisse δD und δ18O im Wasserdampf

gemessen werden. Diese Daten ermöglichen

Aussagen zur Herkunft der Luftmassen und

ebenfalls zur Aktivität der Vegetation.

Ausgewählte Ergebnisse der Formaldehyd-

messung

Das ausgeprägte Maximum der Formalde-

hydkonzentration im Sommer (Abb. 2)

verdeutlicht den photochemischen Ursprung

dieser Substanz. Insbesondere im Sommer

spielen aber auch konvektive Transportvorgänge

von Grenzschichtluft aus den Tälern eine Rolle.

Die Tage 24.-26. Januar 2013 können zur

Erläuterung der u. a. im Winter zeitweise auftre-

tenden hohen Formaldehydkonzentrationen

dienen (Abb. 3). Während die Konzentrationen

von Formaldehyd und anderen Spurengasen am

24. Januar den hemisphärischen Hintergrund

wiederspiegeln, änderten sich in der Nacht auf

den 25. Januar die Strömungsverhältnisse und

kältere, feuchtere, ozonabgereicherte

Luftmassen mit hohen Formaldehydwerten und

anderen Primärschadstoffen aus der

Grenzschicht wurden zur UFS transportiert.

Abb.2: Monatliche Boxplots des Formaldehydmi-

schungsverhältnisses für den Zeitraum Dezember 2012

bis Dezember 2013.

Abb.3: Verlauf der Mischungsverhältnisse von Formal-

dehyd (HCHO), Ozon (O3 ), Kohlenmonoxid (CO) und

ausgewählten meteorologischen Parametern im Zeit-

raum 24.-26. Januar 2003.

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38

MESSUNG VON BIO- AEROSOL (POLLEN) AUF DER UFS

ANNETTE MENZEL1,2, MARVIN LÜPKE

1, JEROEN T. M. BUTERS3, EUCHNER1,3,

CLAUDIA TRAIDL-HOFFMANN4, SUSANNE JOCHNER

5

1ÖKOKLIMATOLOGIE, TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN, FREISING, [email protected]

2INSTITUTE FOR ADVANCED STUDY, TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN, GARCHING

3ZENTRUM FÜR ALLERGIE & UMWELT (ZAUM), TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN UND HELMHOLTZ-

ZENTRUM MÜNCHEN

4UMWELTMEDIZIN, TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN, UNIVERSITÄRES ZENTRUM AM KLINIKUM

AUGSBURG (UNIKA-T), AUGSBURG

5PHYISCHE GEOGRAPHIE / LANDSCHAFTSÖKOLOGIE UND NACHHALTIGE ÖKOSYSTEMENTWICKLUNG,

KATHOLISCHE UNIVERSITÄT EICHSTÄTT-INGOLSTADT, EICHSTÄTT

Die aerobiologische Forschung an der

Professur für Ökoklimatologie der Technischen

Universität München geht in die zweite Runde:

Bereits in Kooperation mit dem Zentrum für

Allergie und Umwelt der Technischen

Universität München wurde Pollendaten der

Jahre 2008-2011 aus dem Raum Garmisch-

Partenkirchen analysiert. Seit März 2014

betreibt die Professur für Ökoklimatologie

nun drei UFS-Pollenfallen in der

Zugspitzregion. Eine davon bestimmt die

Pollenkonzentration an der Umweltfor-

schungsstation Schneefernerhaus (UFS).

Abb.1: Die Pollenfalle an der UFS Schneefernerhaus ist

seit März 2014 wieder in Betrieb

Warum wird die Pollenkonzentration im

Gebirge gemessen?

Man könnte annehmen, dass die Pollenkon-

zentration im Gebirge gering ist, fehlt doch in

Höhen ab ca. 1800 m die Baumschicht. Auch

Sträucher und Gräser, welche allergene Pollen

produzieren, kommen mit zunehmender

Meereshöhe immer weniger vor. Zusammen mit

einer allgemein geringeren Pollenproduktion (u.

a. aufgrund der kürzeren Wachstumsperiode und

den geringeren Temperaturen) legen diese

Befunde den Schluss nahe, dass Allergiker von

den Bedingungen im Hochgebirge profitieren.

Die „Flucht“ auf den Berg könnte während der

Pollensaison eine Erleichterung für den

Heuschnupfengeplagten sein.

Aber die aerobiologischen Daten zeigen

durchaus: Auch an der UFS können medizinisch

relevante Pollenkonzentrationen vor- kommen

(Jochner et al., 2012). Man spricht von einer

hohen Belastung, wenn die Anzahl der

Birkenpollen 50 Pollen pro Kubikmeter Luft

überschreitet. Bei den Gräsern hingegen reichen

bereits 30 Pollen aus, um starke Symptome zu

induzieren. Derartige Grenzwerte wurden auch

an der UFS in den vergangenen Jahren mehrmals

überschritten.

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

39

Wie kommt der Pollen an die UFS?

Pollen von anemophilen (windbestäubten)

Pflanzen zeichnen sich durch ihre ausgeprägte

Flugeigenschaft aus. Je kleiner der

aerodynamische Durchmesser, desto weiter

kann der Pollen fliegen. Das ist auch der Grund,

warum Pollen von exotischen Pflanzen selbst auf

der Antarktis entdeckt werden können. Im

Gebirge kommt neben diesem Pollen-

Ferntransport ein weiterer Effekte zum Tragen:

Lokale Windsysteme, wie der Berg-Tal- Wind,

transportieren Pollen von tiefer gelegenen zu

höher gelegenen Regionen.

Ein Beispiel aus dem Jahr 2010: Im Tal wurden

während der Pollensaison 1977 Birkenpollen pro

Kubikmeter registriert, an der UFS 583. Diese

Werte zeigen deutlich: Die Pollenkonzentration

ist zwar geringer, aber immer noch beträchtlich.

Quantität versus Qualität

Aber die Pollenkonzentration ist nicht alleinig

bestimmend für die Stärke der Symptome.

Pollen weisen Unterschiede in ihrem Protein-,

also Allergengehalt, auf. Folglich können auch

die Reaktionen der Allergiker unterschiedlich

ausfallen, unabhängig von der Quantität der

Pollen.

Die Vermutung liegt nahe, dass auch die

Herkunftsregion verantwortlich für den

Allergengehalt der Pollen sein kann. Denn

Rückwärtstrajektorien zeigen auf, dass

Birkenpollen, die von südlichen Regionen

ausgehend die UFS erreichen, höhere

Allergengehalte aufweisen. Eine Frage stellt sich

nun: Stammen diese Pollen aus wärmeren

Gebieten? Zwei Faktoren sprechen dagegen:

Zum einen reicht das Verbreitungsgebiet der

Birken nur bis zur Po- Ebene, zum anderen

wurden hohe Allergenwerte meist im späten

Frühjahr gemessen, also zu einem Zeitpunkt, an

dem die Birkenblüte der wärmeren Regionen

bereits vorüber ist (Jochner submitted).

In weiteren Untersuchungen soll nun gemein- sam

geklärt werden, ob höher gelegene Birken der

südlichen Alpenregion womöglich höhere

Allergengehalte aufweisen und welchen Einfluss

der Klimawandel auf die Pollenmenge und -

allergenität ausübt.

Abb.2: Rückwärtstrajektorien zeigen die Herkunftsre-

gionen von Birkenpollen mit hohem Allergengehalt

(rote Linien) auf

Literatur

Jochner, S., Ziello, C., Böck, A., Estrella, N.,

Buters, J., Weichenmeier, I., Behrendt, H.

und Menzel, A.: Spatio-temporal

investigation of flowering dates and pollen

counts in the topographically complex

Zugspitze area on the German-Austrian

border. Aerobiologia, 28, 541-556, 2012.

Jochner, S., Lüpke, M,, Laube, J.,

Weichenmeier, I., Pusch, G., Traidl-

Hoffmann, C., Schmidt-Weber, C., Buters, J.

T. M., Menzel, A.: Seasonal variation of birch

and grass pollen loads and allergen release at

two sites in the German Alps- (submitted to

Atmospheric Environment), 2015.

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

40

BEDEUTUNG VON HOCHGEBIRGSZÜGEN FÜR DEN ENERGIETRANSPORT IN DER

ATMOSPHÄRE – PROJEKT BHEA

SABINE WÜST, VERENA WENDT, CARSTEN SCHMIDT, MICHAEL BITTNER

DLR-DFD, OBERPFAFFENHOFEN, [email protected] UNIVERSITÄT AUGSBURG,INSTITUT FÜR PHYSIK

UMWELTFORSCHUNGSSTATION SCHNEEFERNERHAUS

Jedes Messinstrument, mit dem wir die

Dynamik der Atmosphäre beobachten, ist nur

innerhalb bestimmter Grenzen für Prozesse

dieser Art empfindlich. Die Sensitivität des

Instrumentes hängt nicht nur von der

zugrundeliegenden Messtechnik, sondern

auch von der Beobachtungsgeometrie ab.

Auch die Größenskala der beobachteten

Prozesse spielt eine wichtige Rolle.

Die Dynamik der Atmosphäre ist durch Wellen

auf unterschiedlichen raum-zeitlichen Skalen

geprägt. Dabei gehören Schwerewellen mit

horizontalen Wellenlängen von wenigen

Kilometern bis zu mehreren tausend

Kilometern zu den eher kleinskaligenatmo-

sphärischen Wellen. Dennoch transportieren

Schwerewellen große Mengen von Impuls und

Energie über weite Strecken in der Atmosphäre

und haben daher signifikanten Einfluss auf die

globale Zirkulation (Fritts & Alexander, 2003).

Globale Aussagen über Schwerewellencha-

rakteristika müssen in Klima- und Atmosphä-

renmodellen adäquat berücksichtigt werden,

um zielgenauere Aussagen zu ermöglichen. Dies

ist bisher nur eingeschränkt der Fall.

Satellitenbasierte Instrumente, die als einzige

globale Daten liefern, mitteln meist über relativ

große Luftvolumina. Dies führt zur Maskierung

der vergleichsweise kleinskaligen

Schwerewellensignaturen (sogenannter Miss-

Integration-Fehler“).Dieser Effekt ist abhängig

von der Beobachtungsgeometrie des

Satelliteninstruments einerseits und von

Wellenparametern wie Ausbreitungsrichtung, also

Orientierung der Wellenfronten, und

Wellenlängen andererseits.

Eine der prominentesten „Geburtsstätten“ von

Schwerewellen sind Gebirgszüge wie z. B. die

Alpen und die Skanden (Abb. 1). Während der

Gebirgszug bei ALOMAR im Wesentlichen eine

Nord-Süd-Ausrichtung aufweist, zeichnen sich

die Alpen durch eine West-Ost-Ausrichtung aus.

Abb.1: Wolkenbänder, die einen Hinweis auf Schwer- wellen

darstellen, über dem Zugspitzplatt

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

41

Im Rahmen des Projektes BHEA wurde nach-

gewiesen, dass sich ein Großteil der

Schwerewellen, die am Rande der jeweiligen

Gebirge im Rahmen von

Radiosondenkampagnen in der unteren

Stratosphäre vermessen worden sind,

horizontal etwa im rechten Winkel zum

jeweiligen Gebirge ausbreitet (Abb. 2). D. h. die

Wellenfronten sind meist parallel zum Gebirge

orientiert.

Abb.2: Histogramm der Ausbreitungsrichtungen (mit 180°-

Ambivalenz) für die während einer Messkampagne mittels

Radiosonden gemessenen Schwerewellen über ALOMAR

(oben) und Oberpfaffenhofen (unten). In beiden Regionen

tritt eine Häufung der Ausbreitungsrichtungen senkrecht

zu den Gebirgszügen auf – die Wellenfronten liegen damit

gehäuft parallel zu den Gebirgszügen. n bezeichnet die

Anzahl der erfassten Wellen.

Aufgrund der Beobachtungsgeometrie des

satellitenbasierten Instrumentes in Abbildung 3

am Beispiel des NASA-Instrumentes TIMED-

SABER1 demonstriert, kann dies zu unter-

schiedlich stark ausgeprägten Missintegration

Fehlern an den jeweiligen Gebirgen führen.

Der Sehstrahl des Satelliten (grau) ist an den

Alpen parallel zum Gebirge und damit zu einem

Großteil der Schwerewellenfronten (hellblau)

ausgerichtet, während der Satellit an den

Skanden im rechten Winkel zu den Fronten

misst.

Im konkreten Fall bedeutet dies, dass

abgeleitete Schwerewellenparameter an den

Skanden stärker durch die TIMED-SABER-

Messung beeinflusst werden als an den Alpen.

Die Amplitude der Wellen erscheint in den

Messungen damit über den Skanden stärker

gedämpft als über den Alpen.

Abb.3: Während an den Alpen der Sehstrahl des

Satelliteninstrumentes TIMED-SABER (grau) parallel zum

Gebirgszug orientiert ist, liegen an den Skanden etwa

90° zwischen beiden. In hellblau ist die bevorzugte

Orientierung der Schwerewellenfronten zu sehen,

Für diesen Dämpfungsfaktor konnte im

Rahmen des Projektes BHEA ein statischer

Korrekturfaktur abgeleitet werden.

1 Thermosphere Ionosphere Mesosphere Energetics

and Dynamics, Sounding of the Atmosphere using Broadband Emission Radiometry

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

42

Da die Wirkung von Schwerewellen zu

prominenten Effekten im Bereich der Mesopause

(~87 km Höhe) führt (z. B. Temperaturmaxima

im Winter und Temperaturminima im Sommer),

wurde auch dieser Höhenbereich im Rahmen

des Projektes BHEA adressiert. Verwendet

wurden hierzu Temperaturmessungen von

bodenbasierten Infrarotspektrometern (GRIPS2,

Abb. 4).

Abb.4: Mittels GRIPS 9 gemessene Mesopausentempe-

raturen (1-min-Mittelwerte) in der Nacht vom 19. auf

den 20. Januar 2012 über ALOMAR.

In der UFS werden zwei GRIPS-Spektrometer

betrieben. Für dieses Projekt wurde die

Messgeometrie so verändert, dass sie

unterschiedlich große, aber benachbarte

Bereiche in der Mesopause adressieren (Abb. 5).

Es konnte theoretisch und experimentell

nachgewiesen werden, dass das Gerät mit dem

größeren Gesichtsfeld abhängig von der

Periodendauer entsprechend kleinere

Amplituden erfasst. Dieser Faktor ist abhängig

von der Orientierung des Gesichtsfelds und den

horizontalen Wellenlängen.

Anschließend wurden satelliten- und GRIPS-

basierte Messungen verglichen. Auch diese

zeigen einen stärkeren Missintergration-Fehler

über Norwegen und weisen damit darauf hin,

dass in Höhe der Mesopause die gemessenen

Schwerewellenamplituden ebenfalls vom

Blickwinkel des Satelliten abhängen.

Abb.5: Durch eine Änderung des Zenitwinkels haben die

beiden Infrarotspektrometer GRIPS 7 und GRIPS 8 in der

UFS unterschiedliche Gesichtsfelder. Beide Gesichtsfelder

liegen über Norditalien.

LITERATUR:

Fritts, D.C. und Alexander, M. J.: Gravity wave

dynamics and effects in the middle atmosphere,

Rev. Geophys., 41, No.1, doi:

10.1029/2001RG000106, 2013

2Ground based Infrared P-Branch Spectrometer

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43

BEOBACHTUNG DES OH-NACHTLEUCHTENS IM ALPENRAUM MIT ABBILDENDEN SYSTEMEN

CARSTEN SCHMIDT, PATRICK HANNAWALD, SABINE WÜST UND MICHAEL BITTNER

DLR-DFD, OBERPFAFFENHOFEN, [email protected]

Das Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum

(DFD) des Deutschen Zentrums für Luft- und

Raumfahrt (DLR) betreibt an der

Umweltforschungsstation Schneefernerhaus

(UFS) seit 2005 mehrere Instrumente zur

Vermessung des OH-Nachtleuchtens (engl.:

airglow) aus der Mesopausenregion in ca. 87

km Höhe. Seit Ende 2012 werden die bis

dahin ausschließlich spektroskopischen

Messungen durch abbildende Systeme

ergänzt, die erstmals eine zweidimensionale

Ansicht der dynamischen Vorgänge über den

Alpen liefern.

Das Leuchten in der Mesopausenregion hat

seinen Ursprung in einer exothermen

chemischen Reaktion, bei der Ozon mit

atomarem Wasserstoff reagiert und

molekularen Sauerstoff sowie Hydroxyl-

Moleküle (OH) produziert. Die freigesetzte

Energie wird dabei überwiegend auf das

Hydroxyl -Molekül übe r- tragen, das diese

Energie nach kurzer Zeit in Form sichtbarer und

infraroter Strahlung wieder abgibt. Dieser kurze

Zeitraum reicht jedoch aus, dass die

angeregten Moleküle mit der restlichen

Atmosphäre lokal ins thermodynamische

Gleichgewicht kommen. Aus den am Boden

registrierten Spektren kann somit auf die

Umgebungstemperatur in 87 km Höhe

geschlossen werden. Die kontinuierliche

Messung der Temperatur in der

Mesopausenregion stellt somit einen wichtigen

Aspekt der Erforschung des Klimawandels dar.

Entsprechende Messungen der Temperatur

werden an der UFS mit den GRIPS (Ground -

based Infrared P-branch Spectrometer)

Instrumenten durchgeführt. Deren

Leistungsfähigkeit konnte in den vergangenen

Jahren entscheidend verbessert werden. So

wurde in den Jahren 2013 und 2014 mit dem

neuen Zwillingssystem, bestehend aus GRIPS 7

und GRIPS 8, eine beispiellose Messabdeckung

von 98% bzw. 100% erreicht. Neben der Pflege,

der für die Klimaforschung relevanten

Langzeitreihe der Temperatur, kommt auch der

Beobachtung von atmosphärischen Wellen im

Luftleuchten eine entscheidende Rolle zu.

Abb. 2: BAIER-Aufnahme des Nachthimmels im nahen

infraroten Wellenlängenbereich. Deutlich zeichnet sich

unten links (im Westen, rotes Rechteck) ein großes

Wellenfeld ab (hell-dunkle Bandstruktur).

Daher wurde Ende 2012 ein sog. „Allsky-

Imager“ an der UFS installiert (Abb. 1). Dieser

liefert nicht nur horizontale Informationen über

die Intensitätsverteilung und damit auch über

atmosphärische Wellen, sondern durch die

sequentielle Erfassung verschiedener Emissionen

(neben OH auch O2 und O) aus anderen

Höhenbereichen lassen sich zudem Rückschlüsse

auf die vertikale Struktur dynamischer Prozesse

ziehen.

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44

Die BAIER-Daten (Abb. 2) stehen im UFS-

Datenanalysezentrum sowie im WDC-RSAT

(Weltdatenzentrum für Fernerkundung der

Atmosphäre) operationell zur Verfügung. Dies gilt

ebenso für die Daten der GRIPS- Instrumente.

Während Schwerewellen mit Perioden jenseits

von fünf Minuten durch die Deposition von

Impuls und Energie Einfluss auf die globalen

Strömungssysteme nehmen und so maßgeblich

wegen ihrer Klimawirksamkeit studiert werden,

gibt es mit den sog. Infraschallwellen (im

Periodenbereich von wenigen Sekunden und

darunter) eine weitere Art von Wellen, die

besonders im Kontext der Früherkennung von

Naturgefahren von Bedeutung ist. So werden

Infraschallwellen insbesondere von starken

Sturmsystemen, Erdbeben oder auch Tsunamis

emittiert.

Hier ist es mit der Entwicklung des FAIM Systems

(Fast Airglow IMager) erstmals gelungen, bei

Auflösungen von 0,5 Sekunden (zeitlich) und

200m (räumlich) signifikant in den Skalenbereich

von Infraschall vorzustoßen. Darüber eignet es

sich hervorragend für das Studium kleinskaliger

Schwerewellen.

Abbildung 3 zeigt ein mit FAIM vom DLR in

Oberpfaffenhofen gemessenes Wellenfeld über

der Zugspitze und dessen zeitliche Entwicklung.

Der Abstand der einzelnen Auf- nahmen

beträgt lediglich 340 Sekunden. Die Sequenz

zeigt die Entstehung, vollständige Ausbildung

und Auflösung eines Wellenfelds dessen

Phasenfronten in Ost-West-Richtung orientiert

sind. Gleichzeitig kreuzt nahezu senkrecht eine

weitere deutlich größere Welle mit in Nord-Süd-

Richtung orientierten Wellenfronten das erste

Wellenfeld.

Im Rahmen des Aufbaus des Virtuellen

Alpenobservatoriums (VAO) wird das Sonn-

blick-Observatorium in Österreich mit einer

Kombination aus GRIPS- und FAIM-System

ausgestattet.

Abb. 3: Mit dem FAIM-System über der UFS registrierte,

hochdynamische Wellenfelder.

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45

Raumzeitliche Deposition von POPs

MANFRED KIRCHNER1, GERT JAKOBI

1, LUDWIG RIES2

, KARL-WERNER SCHRAMM1

1HELMHOLTZ ZENTRUM FÜR GESUNDHEIT UND UMWELT, NEUHERBERG UMWELTBUNDESAMT, GAW-

2GLOBALOBSERVATORIUM ZUGSPITZE / HOHENPEISSENBERG, PLATTFORM ZUGSPITZE

[email protected], [email protected]

Im Jahre 2004 startete eine gemeinsame

Initiative von Ministerien und

Forschungseinrichtungen in den Alpenländern

Österreich, Schweiz und Bayern (Deutschland)

zur Erforschung von persistenten organischen

Schadstoffen (POPs). Das zentrale Ziel war

es, die Konzentrationen von POPs in Luft und

im deponierten Niederschlag langfristig zu

erfassen und die Bedeutung des

Ferntransportes in die relativ

schadstoffquellenarme Alpenregion zu

untersuchen; zeitweise waren bei den

Untersuchungen auch Institutionen aus den

Südalpen (Slowenien und einige

norditalienischen Regionen und Provinzen)

involviert. Das Projekt sah vor,

Entscheidungsträgern die entsprechenden

Informationen an die Hand zu geben und

damit auch die Möglichkeit zu vermitteln, die

Einhaltung der Vorgaben der Stockholm-

Konvention zu überprüfen.

Untersuchungsprogramm hinsichtlich der

Aktivmessung zur Immission und Deposition:

Die Immissions- und Depositionsmessungen am

Schneefernerhaus (2650 m NN; Ost- alpen;

verantwortlich: HMGU), am Rauriser Sonnblick

(3106 m NN; Ostalpen; verantwortlich: Weiß,

Moche (UBA)) und am Weißfluhjoch (2663 m

NN; Westalpen; verantwortlich: Schaub (WSL))

konnten bis 2014 durch regionale (Freistaat BY)

bzw. nationale (A, CH) Förderungen (u. a.

POPALP, EMPOP) fortgesetzt werden, bis sie in

VAO II integriert wurden. Die Luftprobenahme

erfolgt basierend auf einer Trajektorien-

vorausberechnung und damit

luftmassenbezogen. Als Quellgebiete wurden

jeweils die Regionen „Nord- west“, „Nordost“,

„Süd“ definiert; Luft, die schnell (< 2 Tage) an

die Standorte gelangt, wie z. B. direkt vom

Atlantik, wird durch eine eigene Kartusche

gezogen (Klasse: „undefiniert“.)

Abb. 1: Trajektorienbezogene Probenahme

Für die Messung werden jeweils ein High- und

ein Low-Volume-Sammler (8 bzw. 3 m3/h).

eingesetzt. Die chemischen Analysen erfolgen

von Beginn der Messungen an aufgeteilt auf

bestimmte Chemikaliengruppen von jeweils ein

und demselben Messlabor an allen drei

Standorten; damit sind die Vergleichbarkeit und

die Kontinuität der Ergebnisse gewähr- leistet.

So analysiert etwa HMGU München Pestizide

(OCPs) und polychlorierte aromatische

Kohlenwasserstoffe (PAHs), während das

Umweltbundesamt Wien die Luft- und

Depositionsproben auf PCDD/Fs und PCBs

untersucht. Die Sammlung erfolgt über

Polyurethanschäume, XAD und Glasfaserfilter

mit nachfolgender chemischer Analyse mittels

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46

Massenspektrometrie und Gaschromatographie

(Offenthaler et al., 2009). Die akkreditierten

Analyselabors nehmen regelmäßig an

internationalen Ringversuchen teil.

Ergebnisse zur Immission: Aus dem Umfeld

der Alpen und z.T. aus weiter entfernten

Emissionsgebieten (ggf. China, Indien etc.)

gelangen über die Atmosphäre POPs an die

drei hoch gelegenen alpinen Observatorien.

Konzentrationsbereiche der Periodenmittel

(Messperiode: ca. 3 Monate) und Mediane über

den Messzeitraum 2006-2013 sind für einige

POPs in der Tabelle 1 zu finden; die Mittelwerte

der Konzentrationen ergeben sich nach

Wichtung der trajektorienabhängigen

Einzelkonzentrationen. Die auf den Alpengipfeln

gemessenen Konzentrationen von OCPs liegen

deutlich über dem Konzentrationsbereich, der

für die Arktis ermittelt wurde, aber z.T. weit

unterhalb dessen, was z. B. im Himalaya

angetroffen wird (Ausnahme: DDT).

Die Unterschiede zwischen den drei alpinen

Messstandorten sind für die einzelnen Sub-

stanzen meist relativ gering. Endosulfan I und II

sind in den Zentralalpen höher als an der

Zugspitze, während die Summe der

Dioxine/Furane in den Nordalpen höher ist als

am Sonnblick und am Weißfluhjoch. Die PCBs

nehmen ebenfalls vom Nordrand der Alpen nach

Süden ab (Eintrag in die Böden).

Vergleicht man die Konzentrationen, die sich

bei der nach Luftmassen getrennten Proben-

ahme ergeben, so fällt auf, dass die Luft, die

aus „Nordost“ bzw. „Süd“ an die Standorte

gelangt, tendenziell stärker belastet ist als die

aus den Bereichen „Nordwest“ und „undefiniert“.

Gerade einige Pestizide sind bei

Südanströmung an die Alpen (Poebene,

Mittelmeerraum) signifikant höher belastet als

bei meteorologischen Westlagen, bei denen die

Luft relativ rasch vom Atlantik an die Alpen

herangeführt wird.

Tab. 1: Konzentrationsbereich POPs am UFS

(2006-2013; *2007-2013)

Substanz Einheit

(0°C,

1013 mPa)

Konzentration:

Median

Bandbreite

Summe DDT pg/m3

3.5

1.0-25.1

Chlordane pg/m3

1.3

0.5-3.7

Dieldrin pg/m3

1.5

0.5-3.7

Endosulfan I+II pg/m3

10.8

2.8-85.5

Hexachlobenzol pg/m3

75.9

38.7-113.9

Heptachlor pg/m3

1.3

0.3-3.9

α-HCH pg/m3

6.3

2.6-21.0

γ-HCH pg/m3

9.6

2.7-33.0

Pentachlorbenzol pg/m3

36.5

21.1-125.9

PCDD/F fg/m3

58.8

18.5-256.8

Summe 12 dl-

PCB in WHO

TEQ*

fg/m3

0.39

0.10-1.25

Die Tatsache, dass an den drei Observatorien seit

Ende2005 bis jetzt kontinuierlich die

Konzentration in der Luft erfasst wird, ermöglicht

die Formulierung von Aussagen zum

Immissionstrend hinsichtlich verschiedener POPs.

Da Produktion und Einsatz vieler Substanzen

(insbes. OCPs) ab den 1990er Jahren

eingeschränkt wurden, ist auch bei der

Immission ein leichter, wenn auch meist nicht

signifikanter Rückgang zu verzeichnen. Die

Substanz mit der stärksten (und signifikanten)

Abnahme sowohl in den Zentral- als auch in den

Nordalpen ist Endosulfan I; in Abb. 2 sind die

Ergebnisse für das UFS und das Weißfluhjoch

eingetragen. Die Messstation am Sonnblick weist

einen ähnlichen Rückgang auf. Die amerikanische

Umweltschutzbehörde EPA stuft das Insektengift

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

47

Endosulfan als hochgefährlich ein.

Eine der wenigen Substanzen, die eine leichte

Zunahme zu verzeichnen haben, ist

Oktachlorstyrol; es entsteht als Nebenprodukt

bei thermischen Prozessen.

Abb. 2: Konzentration von Endosulfan I an Sonnblick

(SONN), Weißfluhjoch (WEIS) und Schneefernerhaus

(UFS)

Ergebnisse zur Deposition:

Die Deposition wird durch die Konzentrationen

im Niederschlag und die Niederschlagsmenge

bestimmt. Aus der Tatsache, dass der

zentralalpine Bereich im Vergleich zu den

Alpenrändern sowohl hinsichtlich der

Niederschlagsmenge als auch von möglichen

Schad- stoffquellen vielfach abgeschirmt

erscheint, ergibt sich auch die Verteilung der

Deposition von POPs in den Alpen. Eine

Auswertung für die ersten fünf Jahre der

Messreihe ergibt hinsichtlich des Insektizids

DDT und seiner Folgeprodukte (Summe aus

DDT, DDD und DDE) 579, 210 und 144 ng m-2 a-1

für die drei Messstandorte UFS, SONN und

WEIS. Beim Insektizid α-HCH nahmen die

Einträge von 602 (UFS) über 461 (SONN) auf 216

ng m-2 a-1 (WEIS), somit vom nördlichen

Alpenrand zu den Zentralalpen, ab.

Ein weiteres Beispiel für die OCPs zeigt Abb.3.

Dieldrin ist ein Insektizid, das gegen

verschiedene krankheitsübertragende

(phytopatogene) Insekten eingesetzt wurde.

Abb. 3: Boxplots der Deposition von Dieldrin im Zeit-

raum 2005-2010

Weiteres Vorgehen:

Im laufenden Projekt VAO II werden die

Messungen am Schneefernerhaus, Sonnblick

und Weißfluhjoch weitergeführt. Ferner erfolgt

sukzessiv die Auswertung und Publikation noch

nicht berichtigter Substanzen und Zeiträume.

Darüber hinaus wird im Sommer 2015 an einem

Transekt am Ritten/Südtirol (300 bis 2250 m

NN) in Zusammenarbeit mit der Provinz Bozen-

Südtirol die Immission von POPs mit

Passivsammlern ermittelt.

Literatur

Offenthaler, I., Jakobi, G., Kaiser, A., Kirchner,

M., Kräuchi, N., Niedermoser, B., Schramm, K.-

W., Sedivy, I., Staudinger, M., Thanner, G.,

Weiss, P. und Moche W.: Novel sampling

methods for atmospheric semi-volatile organic

compounds (SOCs) in a high altitude alpine

environment, Environ. Poll. 157, 3290-3297, 2009.

Jakobi, G., Kirchner, M., Henkelmann, B., Körner,

W., Offenthaler, I., Moche, W., Weiss, P.,

Schaub, M. und Schramm, K.-W.: Atmospheric

bulk deposition measurements of organochlorine

pesticides at three alpine summits. Atmos.

Environ. 101, 158-165, 2015.

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48

PARALLELMESSUNG VON ATMOSPHÄRISCHEM RADON AN DER UMWELTFORSCHUNGS-

STATION SCHNEEFERNERHAUS UND AM GIPFELGRAT

LUDWIG RIES2, GABRIELE FRANK

1, JOSEF SALVAMOSER3, THOMAS STEINKOPFF

1

1DEUTSCHER WETTERDIENST, RADIOAKTIVITÄTSMESSNETZ, OFFENBACH, [email protected]

2GAW GLOBAL OBSERVATORY ZUGSPITZE/HOHENPEIßENBERG, UMWELTBUNDESAMT II 4.5, ZUGSPITZE,

[email protected]

3INSTITUT FÜR ANGEWANDTE ISOTOPEN-, GAS- UND UMWELTUNTERSUCHUNGEN, IGU, WÖRTHSEE,

[email protected]

Im Rahmen des GAW-Globalobservatoriums

Zugspitze/Hohenpeissenberg betreiben der

Deutsche Wetterdienst und das

Umweltbundesamt gemeinsam Messungen

von atmosphärischem Radon an der

Umweltforschungsstation Schneefernerhaus

und am Gipfelgrat, ca. 290 m direkt über

dem Schneefernerhaus. Für die einjährige

Zeit- reihe der Radonkonzentrationen in der

um- gebenden Atmosphäre (Januar 2014 bis

Dezember 2014) werden ausgewählte

Ergebnisse präsentiert.

Radon, 222Rn ist eine der dichtesten Substanzen,

die in der Atmosphäre als Gas vorkommt. Es

wird im Grundgebirge des Erdmantels als

Zerfallsprodukt von Uran und Thorium produziert

und hat eine Halbwertszeit von 3.8 Tagen.

Diese Eigenschaften lassen Radon zu einem

Tracer für bodennahe Luftschichten werden. An

der Zugspitze wird Radon gemessen, damit in

den Messreihen atmosphärischer Klimagase

sicherer und präziser Einflüsse nicht

repräsentativer bodennaher Luftschichten

erkannt und ausgesondert werden können.

Ferner wird für die Zukunft die Anwendung der

Radon-Tracer Methode, kombiniert mit

Transportmodellierungen, für eine präzisierte

Quantifizierung der bodennahen Emissionen

von Klimagasen angestrebt.

Parallelmessung von Radon

Die zeitgleiche, parallele Messung von Radon in

der UFS und am Gipfelgrat wird mit zwei

Geräten gleicher Bauart betrieben. Hersteller ist

das IGU Institut. Anders, als bei bisher

betriebenen Radonmessungen, die auf der

indirekten Messung von Radonzerfallsprodukten

beruhen und durch Niederschlagsereignisse

verfälscht werden können, wird bei diesem

Messprinzip gasförmiges Radon direkt gemessen.

Abb.1: Radon Parallelmessung im Messlabor des Deut-

schen Wetterdienstes in der Umweltforschungsstation

Schneefernerhaus (kleines Gerät: UBA, großes Gerät:

DWD).

Zu diesem Zweck wird speziell gefilterte und

getrocknete Probenluft in die Detektorkugeln

geleitet. Diese Filterung stellt sicher, dass in

der Messkammer keine Töchternuklide

vorhanden sind, die vom Radon herrühren,

sondern nur gasförmiges Radon. Die

Probenahme erfolgt kontinuierlich mit

gleichzeitiger Direktmessung. Dadurch wird

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

49

sichergestellt, dass ausschließlich gasförmiges

Radon gemessen wird. Beide Detektorkugeln

arbeiten nach dem identischen Messprinzip.

Ansaugen der Probenluft, trocknen, filtern und

elektrostatisch abscheiden mit

alphaspektrometrischer Direktmessung.

Bedingt durch ihre Größe, weisen sie

unterschiedlich hohe Nachweisgrenzen auf.

Die Konzentrationen auf dem Gipfelgrat

werden mit der niedrigeren Nachweisgrenze

gemessen, mit der kleineren Kugel die

Konzentrationen am Schneefernerhaus.

Vergleich der Radonkonzentrationen am

Gipfelgrat und am Schneefernerhaus

Abb.2: Die jährlichen Boxplots der Radon Messungen

von 01-12 2014 zeigen am Gipfelgrat einen Median von

2,14 Bq/m3, am Schneefernerhaus einen Median von

3,0 Bq/m3 222

Rn. Die Differenz der Mediane der in 2014

gemessenen 2-Stundenmittelwerte beträgt über das Jahr

0,86 Bq/m3.

Der Vergleich der einjährigen parallelen

Messreihe von Radon 2 h Mittelwerten am

Schneefernerhaus und am Gipfelgrat zeigt einen

erheblichen Unterschied. Der Median der

Radonkonzentrationen für 2014 am

Schneefernerhaus und der Wert des Medians am

Gipfelgrat weisen eine Differenz von 0,86 Bq 222Rn/m3 auf. Relativ zum Grat werden damit am

Schneefernerhaus 29 % mehr gemessen.

Mittelwerte zum Vergleich: Die Differenz

zwischen dem Jahresmittelwert UFS und dem

Jahresmittelwert Grat = 3,25-2,43 = 0,82 Bq 222Rn

/m3.

Interpretation der Radon Konzentrationen im

Jahresverlauf

Die Variation der monatlich berechneten

Boxplots unterscheidet sich zeitlich in folgende

Phasen: Winterliches Minimum im Januar und

Februar, das auf einer dicht geschlossenen

Schneedecke beruht, die Radon davon abhält, in

die Atmosphäre zu gelangen. Gefolgt von einem

Frühjahrsmaximum, dessen variabler Zeitpunkt

von der Öffnung der Schneedecke abhängt.

Nach der Öffnung der Schneedecke im März und

April erwachsen die höheren Konzentrationen

aus einer zuvor aufgebauten Akkumulation von 222Rn in Boden und Gestein.

Abb.3: Die monatlichen Boxplots der Differenzen

zeitgleich gemessener 2h Radon Mittelwerte zeigen eine

jahreszeitliche Variation der Radonkonzentrationen in der

Umweltforschungsstation und am Grat.

Im April beginnen die im Frühjahr und Sommer

vorherrschenden konvektiven Aufwinde, die

während des Tagesverlaufs ab Mittag bis

Nachmittag Luft aus tiefer gelegenen Schichten

und damit ebenfalls während der Winterruhe

akkumuliertes Radon vermehrt bis zum

Schneefernerhaus befördern. Im weiteren Verlauf

des Sommers in den Monaten von Juni bis August

tritt ein Minimum auf, das neben der

sommerlichen starken konvektiven Vermischung

in der Troposphäre auch mit der Tatsache

zusammenhängt, dass der am Schneefernerhaus

wirksame Kamineffekt des Tunnels sich in den

Sommermonaten umkehrt und einen abwärts

gerichteten Sog erzeugt. Während des Winters

hingegen, sowie im Herbst und im Frühjahr,

besteht wieder ein kräftiger aufwärts gerichteter

Kamineffekt, der dann das Radon aus dem Berg

aufwärts transportiert, das dann erhöht in der

Außenluft gemessen werden kann, bis wieder

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

50

eine dicht geschlossene Schneedecke erreicht

wurde.

Meteorologische Einflüsse und Orographie

Zur Analyse der Transportverhältnisse am

Gipfelgrat wurden die am 550 m entfernten

Zugspitzgipfel gemessenen synoptischen Daten

verwendet. Da der Grat frei anströmbar ist und

ca. 60m unterhalb des Gipfels liegt, wird eine

weitgehende Übertragbarkeit der

meteorologischen Daten unterstellt.

Abb.4: Windrosen am Zugspitzgipfel und an der Um-

weltforschungsstation Schneefernerhaus für den

Messzeitraum 2014.

Aus den Grafiken der beiden Windrosen für die

Standorte Zugspitzgipfel und Schneefernerhaus

ist zu ersehen, dass am Gipfel wesentlich

häufiger höhere Windgeschwindigkeiten

auftreten. Ferner ist dort nur die Häufigkeit von

Windströmungen aus Nordosten und Osten

deutlich reduziert. Aus den anderen Richtungen

sind die Häufigkeiten und

Windgeschwindigkeiten ähnlich groß, wobei

nördliche Windrichtungen maximal häufig sind

und die größten Windgeschwindigkeiten

aufweisen. Anströmungen am Gipfel aus

Südosten, Westen und Südwesten treten,

verglichen mit dem Rest, vergleichsweise

häufiger auf.

Die Windrose des Jahres 2014 am Standort

Schneefernerhaus zeigt hingegen, dass von

nordnordwestlicher Richtung bis

ostnordöstlicher Richtung kaum Einströmungen

gemessen werden und dass

Windgeschwindigkeiten dort vergleichsweise

geringer sind. Die Windströmungen am

Schneefernerhaus werden kanalisiert. Dort sind

die Windrichtungen in der Reihenfolge

abnehmender Häufigkeit: Westen, Nordwesten,

Südwesten, Osten und Süd- osten. Die

Vorwiegende Kanalisation der Windrichtungen

ergibt sich somit in Ost- Westrichtung mit einer

zusätzlichen Komponente aus Nordwesten,

Südosten oder Südwesten.

Bewertung der Standortunterschiede

Abb.5: Polarplot des am Gipfelgrat gemessenen Radons

für den Zeitraum 01-12-2014.

Abb.6: Polarplot des an der UFS Schneefernerhaus

gemessenen Radons für den Zeitraum 01-12-2014.

In den Abbildungen 5 und 6 sind jeweils die über

das gesamte Jahr 2014 gemittelten Werte von

Windgeschwindigkeit (konzentrische Ringe) und

Windrichtung eingezeichnet. Dunkelrote

Farbtöne zeigen die höchsten Radon-

konzentrationen. Das linke Diagramm zeigt die

Verhältnisse bei Tageslicht. Das rechte

Diagramm während der Nacht. Es wird deutlich,

dass die höchsten Radonkonzentrationen an der

UFS tagsüber aus südöstlicher Richtung

kommen, was als Hinweis auf das tagsüber

auftretende konvektive Talwindsystem

verstanden werden kann. Nachts bestehen hin-

gegen maximale Konzentrationen bei westlicher

bis nordwestlicher Richtung und geringen

Windgeschwindigkeiten, was als Hinweis auf

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

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örtliche Quellen zu werten ist. Die vorliegenden

Auswertungen belegen, dass Radonmessungen

im Bereich des Gipfelgrats oder Gipfels

unerlässlich sind für möglichst unverfälschte

Ergebnisse über die Verhältnisse in der unteren

freien Troposphäre. Dies wird ebenfalls durch

die fast 30% geringeren Radonkonzentrationen

am Grat belegt.

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52

BEOBACHTUNGEN VON WOLKEN MIT DEM WOLKENRADAR AN DER UFS

MARTIN HAGEN, QIANG LI UND KERSTEN SCHMIDT

DLR-IPA, OBERPFAFFENHOFEN, [email protected]

Das Institut für Physik der Atmosphäre (IPA)

des Deutschen Zentrums für Luft- und

Raumfahrt (DLR) betreibt an der

Umweltforschungsstation Schneefernerhaus

(UFS) seit November 2011 ein vertikal

schauendes Wolkenradar zur Beobachtung

von Wolken über dem Schneefernerhaus.

Wolken üben einen großen Einfluss auf das

lokale Klima aus. Wolken können Niederschlag in

Form von Regen oder Schnee generieren, ihre

Präsenz beeinflusst aber auch die lokale

Strahlungsbilanz und somit auch das lokale

Temperatur- oder Windfeld.

An der UFS werden bereits seit längerem

Messgeräte zur Erfassung von

Wolkeneigenschaften mittels passiver und

aktiver Fernerkundung betrieben. Mit den

Mikrowellenradiometern HATPRO (Humidity and

Temperature Profiler) und DPR (Dual

Polarization Radiometer) werden integrale

Eigenschaften wie Flüssigwasserpfad oder

Eiswasserpfad erfasst. Das Ceilometer misst die

Untergrenze der Wolken. Das Ceilometer kann

nur die unterste Wolkenschicht bestimmen und

die Radiometer können nur integrale Größen

und nur grob die vertikale Struktur erfassen. Mit

einem Wolkenradar hingegen ist es möglich, die

vertikale Struktur hochaufgelöst zu bestimmen

(ca. 30 m räumlich vertikal, 10 Sekunden zeitlich).

Im Rahmen des DFG geförderten Projekts

TOSCA (Towards an Optimal-estimation-based

Snow Characterization Algorithm) wurden im

Winter 2008/2009 mit einem geliehenen

Wolkenradar Messungen durchgeführt und die

Synergie von aktiver (Radar) und passiver

(Radiometern) Fernerkundung mit Mikrowellen

gezeigt (Löhnert et al., 2011).

Wolkenradar MIRA-36

Aufgrund der positiven Erfahrungen während

TOSCA wurde im Jahr 2011 ein Wolkenradar

vom Typ MIRA-36 (Görsdorf et al., 2015) für

den permanenten Betrieb installiert.

Der Radarsender und Empfänger sind in der

Zwischendecke des Wechselnutzerlabors im 5.

OG installiert (Abb. 1), ein zusätzlicher Rechner

und eine unabhängige Stromversorgung sind in

einem Rack im Labor selbst untergebracht. Die

Radarantenne mit einer Abschirmung zur

Verringerung von Festechos (Clutterfence) ist

auf dem Dach des Wechselnutzerlabors

angebracht. Technische Details des

Wolkenradars sind in Tab. 1 aufgeführt.

Messgrößen

Das Radar misst primär das Leistungsspektrum

der Dopplergeschwindigkeit, aus dem integrale

Größen wie Reflektivitätsfaktor, mittlere

Dopplergeschwindigkeit und deren

Standardabweichung (auch als Spektrale Breite

bezeichnet) bestimmt werden (Abb. 2). Die

Rückstreuung erfolgt an Wolkentropfen oder

Eisteilchen.

Abb.1: Radarantenne mit Clutterfence auf dem Dach

des Wechselnutzerlabors (links) sowie Radarsender und

Empfänger in der Zwischendecke darunter (rechts).

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53

Tab. 1: Geräteparameter des Wolkenradars MIRA-36

Parameter Wert

Sendefrequenz 35,2 GHz

Sendeleistung 25 kW

Pulswiederholfrequenz 5000 Hz

Pulsdauer 0,2 µs

Antennendurchmesser 1 m

Antennengewinn 49,5 dB

Öffnungswinkel Strahl 0,6°

Tiefe Messvolumen 30 m

Integrationszeit 10 s

Empfindlichkeit ca. -50 dBz in 5 km

Das Dopplerspektrum wird für die

Sendepolarisation (co-polar) als auch in der dazu

senkrechten Polarisationsebene (kreuzpolar)

bestimmt. Das kreuzpolare Signal ist ein Maß

für die Depolarisation der ausgesendeten

linearen Welle und dient zur Identifikation

asphärischer Eisteilchen.

Abb. 2: Leistungsspektrum der Dopplergeschwindig- keit

(blau), Systemrauschen (graue Fläche), Reflektivi-

tätsfaktor (grüne Fläche), mittlere Dopplergeschwin-

digkeit (rote Linie), Standardabweichung (lila Balken).

Messungen des Wolkenradars

Im Folgenden sollen einige Messbeispiele aus

den vergangenen Jahre mit dem Wolkenradar

gezeigt werden, um die Möglichkeiten des

Radars vorzustellen.

Abb. 3 zeigt die Beobachtungen eines

Kondensstreifens über dem Schneefernerhaus.

Das Wolkenradar zeigt sowohl den mit der Zeit

absinkenden Kondensstreifen gegen 15:20 UTC

sowie auch die dünne Zirrusschicht in der

gleichen Höhe, die jedoch auf dem Bild der

Kamera fast nicht sichtbar ist.

Abb. 4 zeigt brechende Wellen am 30.9.2012,

die durch eine Windgeschwindigkeitsscherung

ausgelöst wurden. Die von der Radiosonde

Innsbruck um 3 UTC gemessenen

Windgeschwindigkeiten betrugen 42 kt aus 244°

in 7,5 km Höhe (ca. 5 km über UFS) und 75 kt

aus 220° in 10.5 km Höhe (ca. 8 km über UFS).

Deutlich zu sehen sind in der Doppler-

geschwindigkeit die Auf- und Abwinde in den

Wolkenkämmen zwischen ca. 7:10 und 7:30. Die

Fallgeschwindigkeit der Eisteilchen (< 0,5 m/s)

ist in diesem Fall vernachlässigbar.

In Abb. 5 sind Fallstreifen gezeigt, die durch

Windscherung entstehen. Besonders deutlich

sind die Streifen im linearen Depolarisations-

verhältnis LDR zu sehen, die Bereiche mit den

erhöhten Werten (ca. -20 dB) sind Eiskristallen

mit irregulärer Form zuzuordnen, während die

niedrigen Werte (ca. -25 dB) auf eher runde oder

gleichmäßige Formen schließen lassen.

Abb. 4: Reflektivitätsfaktor (oben) und Dopplerge-

schwindigkeit (unten) am 30.9.2012.

Abb. 3: Kondensstreifen und dünner Zirrus am

3.3.2015 um 15:20. Oben: Wolkenkamera, unten: Re-

flektivitätsfaktor gemessen mit dem Wolkenradar.

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

54

Unterschiedliche Wachstumsprozesse an der

Wolkenoberkante müssen zu unterschiedlichen

Formen geführt haben.

Periodische Vertikalbewegungen, wie in Abb. 4

oder auch Abb. 5 ersichtlich, werden häufig

beobachtet. Diese Wellenbewegung en lassen

sich auf Windscherungen im

Tropopausenniveau oder an der

Wolkenobergrenze zurückführen. Abb. 6 zeigt

eine Frequenzanalyse auf zwei Höhenniveaus,

eines nahe der Wolkenobergrenze (6,5 km) und

eines aus dem Höhenbereich, der durch die

direkte Überströmung des Zugspitzmassivs

beeinflusst wird (0,5 km). I m Trägheitsbereich

des Turbulenzspektrums zeigt sich, dass in der

freien Atmosphäre die Abnahme der Energie

der vertikalen Dopplergeschwindigkeit

proportional dem Erwartungswert f5/3 folgt,

während nahe des Zugspitzkamms der Gradient

steiler ist. Die kontinuierlichen Messungen des

Wolkenradars erlauben statistische

Betrachtungen der Wolken über dem

Schneefernerhaus. Abbildung 7 zeigt

Häufigkeitsverteilungen für das Jahr 2014. Aus

der Reflektivität zeigt sich, dass Wolken bis ca.

9,5 km über das Radar reichen können. Auffällig

ist, dass 2 Wolkenbereiche vorherrschen, die

durch einen Höhenbereich (bei ca. 2 - 4 km)

geringerer Häufigkeit getrennt sind.

Die Geschwindigkeit zeigt eine mittlere

Zunahme nach unten, die auf das Wachstum der

Teilchen hindeutet. Die große Breite der

Geschwindigkeit ist durch das Auftreten von

starken Vertikalbewegungen in allen Höhen

zurückzuführen.

Zusammenfassung und Ausblick

Das Wolkenradar ist ein unverzichtbares

Instrument zur Untersuchung von Wolken. Es

wird in naher Zukunft zusammen mit dem

Ceilometer und den Mikrowellenradiometern in

das Europäische Netzwerk Cloudnet

eingebunden werden und dann zur Validierung

von numerischen Wetter- und Klimamodellen

dienen.

Literatur

Görsdorf, U., et al: A 35-GHz Polarimetric

Doppler Radar for Long-Term Observations of

Abb. 5: Fallstreifen am 28.11.201 nachts. Oben Reflektivitätsfaktor, Mitte Doppler-geschwindigkeit, unten lineares Depolarisationsverhältnis (LDR)

Abb. 6: Die Spektralanalyse der Dopplergeschwindigkeit für den 12.09.2012 in 6,5 km (links) und 0,5 km Höhe (rechts)

Abb. 7: Häufigkeitsanalyse für das Jahr 2014, links Reflektivitätsfaktor, rechts Dopplergeschwindigkeit. Häufigkeit pro Höhenintervall und Tag

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

55

Cloud Parameters—Description of System and

Data Processing. J. Atmos. Oceanic Technol.,

32, 675– 690. 2015.

Löhnert, U., et al.: A Multisensor Approach

Toward a Better Understanding of Snowfall

Microphysics: The TOSCA Project. Bull. Amer.

Meteor. Soc., 92, 613–628, 2011.

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AUF DEM WEG ZU KOMBINIERTEN WASSERDAMPFMESSUNGEN MIT ZWEI LIDAR-

SYSTEMEN – TESTS DES RAMAN-LIDARS AN DER UFS

KATHARINA HÖVELER, LISA KLANNER, THOMAS TRICKL UND HANNES VOGELMANN

KARLSRUHER INSTITUT FÜR TECHNOLOGIE, IMK-IFU, GARMISCH-PARTENKIRCHEN,

[email protected]

Das seit 2004 am Schneefernerhaus betriebene

Wasserdampflidar wurde in den vergangenen

Jahren durch ein Hochleistungs-Raman- Lidar

ergänzt, mit dem nachts Feuchtemessungen bis

in ca. 25 km Höhe durchgeführt werden sollen.

Die erste Testphase wurde kürzlich

abgeschlossen. Trotz noch nicht optimierter

Bedingungen gelangen Messungen bis in die

Stratosphäre. Hierdurch wird bereits die

wichtigste Anforderung für eine Einbindung des

Systems in das globale "Network for the

Detection of Atmospheric Composition Change

(NDACC)" erfüllt. In den kommenden Monaten

wird das System lichtdicht gemacht, wodurch

letztlich die endgültige Reichweite erzielt

werden soll.

Wasserdampf ist das wichtigste Treibhausgas und

zugleich dasjenige mit der größten Variabilität. Für

die genaue Messung der Vertikalverteilung von

Wasserdampf in der besonders klimasensitiven

oberen Troposphäre und der unteren

Stratosphäre werden international große

Anstrengungen unternommen. Besondere

Herausforderungen sind hierbei die in diesem

Höhenbereich niedrige Konzentration und die

außerordentlich hohe Variabilität von

Wasserdampf (Vogelmann et al., 2011; Vogelmann

et al., 2015) Konzentrationsänderungen um mehr

als einen Faktor 50 innerhalb kürzester Zeit sind in

der freien Troposphäre keine Seltenheit. Ursache

sind atmosphärische Transportvorgänge. Vor

allem sind hier aus der maritimen Grenzschicht

niedrigerer geographischer Breiten aufsteigende

feuchte Luftströmungen zu erwähnen (Warm

Conveyor Belts), sowie extrem trockene Luft aus

der Stratosphäre, die in Schichten häufig bis auf

alpine Gipfelhöhen herabsinkt.

Um die kurzzeitige räumliche und zeitliche

Variabilität zu erfassen, werden an der

Umweltforschungsstation Schneefernerhaus (UFS)

in 2675 m Höhe Lidar-Verfahren eingesetzt. Das

seit 2004 betriebene Lidar-System (DIAL),

welches nach der Methode der differentiellen

Absorption arbeitet und auch tagsüber eine hohe

Empfindlichkeit bis in die obere Troposphäre

aufweist, wird seit kurzem zur Erweiterung des

vertikalen Bereichs bis in die Stratosphäre durch

ein Raman-Lidar ergänzt. Dieses profitiert von

dem bei der Wellenlänge von 308 nm relativ

geringen Lichtverlust in der Troposphäre.

Allerdings ist die Raman-Rückstreuung sehr

schwach, und so kommen ein besonders

leistungsstarker XeCl-Laser mit 180 W im

Einzellinienbetrieb, ein großes Empfangsteleskop

für das Rückstreulicht mit 1,5 m

Spiegeldurchmesser und eine erheblich

verbesserte Detektionselektronik zum Einsatz.

Im vergangenen Jahr wurde ein kleineres

Teleskop mit 0,36 m Durchmesser für den Nah-

bereichsempfang ab ca. 0,3 km Entfernung

hinzugefügt.

Wasserdampf-Testmessungen

Schon die ersten Testmessungen mit noch

recht offenem Aufbau, einem Zehntel der für

den Normalbetrieb geplanten Laserschüsse und

analoger Signalerfassung lieferten

Wasserdampfprofile bis zur Tropopause und

Übereinstimmungen mit

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57

Radiosondenmessungen des Deutschen

Wetterdiensts. Eine Verbesserung ergab sich

sukzessiv durch das nachts mögliche, extrem

störungsarme Einzelphotonenzählen und einer

bereits recht guten provisorischen

Lichtabschirmung gegen Leuchtanzeigen im

Empfangskabinett des Lidar-Turms auf der

Dachterrasse der UFS.

Abb.1: logarithmisch dargestelltes H2O-

Rückstreusignal (346,94 nm); das Signal im Maximum

betrug infolge der geringen Laserleistung nur ca. 3 mV; bei

hoher Feuchte und voller Laserleistung wurden

Nahbereich Signale von über 10 mV erreicht.

In Abb. 1 ist das derzeit beste Resultat gezeigt,

wobei 1 Million Laserschüsse akkumuliert

wurden. Trotz einer mondhellen Nacht konnte

das Untergrundlicht in den einzelnen Kanälen

(15-m-Intervalle) auf etwa 1/50 der

vorangegangenen Messungen gesenkt wer-

den. Die Rauschamplitude entspricht

umgerechnet einem extrem niedrigen

Spannungswert von ca. 1,5 nV. In diesem

Beispiel zeigt sich erstmals die Grenze der stark

verbesserten Analogmessungen: Das

Photonenzählen liefert ein um beinahe das

Zehnfache niedrigeres Rauschen und zeigt

auch nicht den leichten Unterschwinger von ca.

20 nV zwischen 8 und 15 km.

In Abb. 2 und 3 ist das aus der Messung in Abb. 1

bestimmte Wasserdampf-Dichteprofil mit

unterschiedlicher vertikaler Spreizung

dargestellt, welche die außerordentliche

Dynamik der Verteilung belegt. In diesem

Beispiel erreichte die Feuchte bereits unterhalb

der Tropopause (Oberschleißheim, 0:00 UTC:

14336 m) Werte, wie sie normalerweise erst

mehrere Kilometer oberhalb von ihr erreicht

(stratosphärisches Mischungsverhältnis: 5 ppm).

Trotz dieser Trockenheit erkennt man bei

Mittelung über viele Kanäle eine von Null

verschiedene Feuchte bis über 15 km hinaus.

Nach finaler Minimierung des Hintergrundlichts

ist von Messungen bis über 20 km hin- aus

auszugehen.

Abb.2: Wasserdampf-Dichteprofile am 1.7.2015 (UFS-

Raman-Lidar; Oberschleißheim, Hohenpeißenberg)

Abb.3: Darstellung der Wasserdampfdichten in Abb. 2

skaliert zur besseren Visualisierung der kleinen Werte

ab 6 km Höhe: Die

Kalibrierung

Im Gegensatz zum DIAL müssen Raman-

Lidar-Systeme kalibriert werden. Die

Vergleiche der Feuchteprofile mit den

Messungen an den nächstgelegenen

Radiosondenstationen (Oberschleißheim,

Stuttgart, Hohenpeißenberg, Flughafen

Innsbruck) zeigen aufgrund der großen

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

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räumlichen Variabilität des Wasserdampfs sehr

selten Übereinstimmungen über einen

ausgedehnten Höhenbereich. Das DIAL bietet

hingegen den entscheidenden Vorteil, praktisch

dasselbe Volumen abzutasten wie das Raman-

Lidar. Das DIAL weist bis in etwa 7 km Höhe

eine maximale mittlere Unsicherheit von 1 %

auf und stellt somit auch aus diesem Grund

eine ideale Kalibrierquelle dar. Ein erstes

Beispiel eines Vergleichs der beiden Systeme

zeigt Abb. 4. Man erkennt drei markante

trockene Schichten stratosphärischen

Ursprungs. Die Übereinstimmung ist trotz der

komplexen meteorologischen Situation ab 400

m beeindruckend und demonstriert die Vorteile

des geplanten Kalibrierverfahrens. Die wenigen

klaren Abweichungen werden einem

Zeitversatz zwischen beiden Messungen von 17

min zugeschrieben.

Abb.4: Erster Vergleich der Wasserdampfdichten von

DIAL und Raman-Lidar am 25.4.2013: Die Überein-

stimmung ist deutlich besser als bei Vergleichen mit in

großer Entfernung durchgeführten Radiosondenmes-

sungen.

Die extrem niedrige Feuchte in zwei der drei

stratosphärischen Schichten ist nach unserer

detaillierten Studie (Trickl et al., 2014) ein

weiterer Beleg für die niedrige

Luftdurchmischung in der freien Troposphäre.

Diese trockenen Schichten sinken über viele

Tage aus der Stratosphäre, typischerweise über

Alaska, Kanada oder Grönland, nach

Mitteleuropa ab und erfahren keine oder nur

geringe Modifikation. Mischvorgänge werden in

Atmosphärenmodellen um mindestens eine

Größenordnung überschätzt. Insbesondere die

grobmaschigen Klimamodelle sind nicht in der

Lage, den für Spurenstoffbilanz bedeutsamen

Vertikalaus- tausch quantitativ zu berechnen.

Temperatur

Für die Temperaturmessungen werden zwei

Verfahren eingesetzt, die Rotations-Raman-

Streuung an Stickstoff und Sauerstoff (bis ca.

25 km) und in aerosolfreien Bereichen der

Stratosphäre über die Bestimmung der

Atmosphärendichte aus den Rayleigh-

Rückstreuprofilen der emittierten Laserstrahlung

bei den Wellenlängen 308 nm und 353 nm.

Erstere Methode lieferte bereits akzeptable

Ergebnisse für das Nahbereichsempfangs-

system, bei Abweichungen vom NCEP-Tempe-

raturprofil von ca. 0,5 K bis 8 km. Die

Dichtemethode konnte erst bis knapp 40 km

getestet werden. Zum einen war es erforderlich,

das extreme starke Rückstreulicht für die

Primäremission des Lasersystems bei 308 nm auf

1/1000 abzuschwächen. Hier wird man das

Signal der ersten 10 km durch einen schnell

rotierenden „Chopper“ abschneiden müssen.

Zum anderen soll die Emission bei 353 nm

verbessert werden.

Literatur

Vogelmann, H., Sussmann, R., Trickl, t: und

Borsdorff, T.: Inter- comparison of atmospheric

water vapor soundings from the differential

absorption lidar (DIAL) and the solar FTIR system

on Mt. Zugspitze, Atmos. Meas. Technol. 4, 835-

841, 2011.

Vogelmann, H., Sussmann, R., Trickl, T. und

Reichardt, A.: Spatiotemporal variability of water

vapor investigated using lidar and FTIR vertical

soundings above the Zugspitze, Atmos. Chem.

Phys. 14, 3135-3148, 2015.

Trickl, T., Vogelmann, H., Giehl, H., Scheel, H., Sprenger, M. und Stohl, A.:How stratospheric are deep stratospheric intrusions? Atmos. Chem. Phys. 14, 9941-9961, 2014.

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AKTIVITÄTSINDEX DER PLANETAREN WELLEN IN DER MESOPAUSE (CA. 87 KM HÖHE)

LISA KÜCHELBACHER1, CARSTEN SCHMIDT

2, SABINE WÜST

2, MICHAEL BITTNER

1,2

1UNIVERSITÄT AUGSBURG, INSTITUT FÜR PHYSIK - AFE, 2DLR-DFD, OBERPFAFFENHOFEN

[email protected]

Planetare Wellen beeinflussen maßgeblich die

Zirkulation der mittleren Breiten. In den

letzten Jahren stellt sich zunehmend her- aus,

dass planetare Wellen in engem

Zusammenhang auch mit

Extremwetterereignissen stehen. Es wird

daher zunehmend diskutiert, inwieweit die

Aktivität planetarer Wellen in der Mesosphäre

als Frühindikator für bevorstehende

Extremwettersituationen genutzt werden

kann.

Zur Untersuchung dieser Frage verwenden wir

ein spezielles Maß für die planetare

Wellenaktivität (dynamischer Aktivitätsindex,

DAI) auf der Grundlage von Airglow-

Messungen. In einer Höhe von etwa 87 km

werden mit dem Infrarot-Spektrometer GRIPS

(Ground-based Infrared P-branch

Spectrometer) Emissionen des Hydroxyl-

Moleküls von der Umweltforschungsstation

Schneefernerhaus (UFS) und von Wuppertal

(WUP) aus berührungslos aufgenommen

werden.

Das Wetter der mittleren Breiten ist durch einen

ständigen Wechsel zwischen Hoch- und

Tiefdruckgebieten geprägt. Dieser Wechsel

entlang eines Breitenkreises lässt sich auf die

Wirkung planetarer Wellen zurückführen. Hoch-

und Tiefdruckgebiete werden entlang der

Breitenkreise hauptsächlich nach Osten

verschoben. So werden auch die sog. „High-

Over-Low“- oder die „Omega“-Wetterlagen, die

oftmals zu Extremwettereignissen führen, durch

die Struktur der planetaren Wellen geformt.

Viele aktuelle Studien weisen auf einen

Zusammenhang von Extremwetter (Hitzewellen/

Kälteeinbrüche/ Starkniederschlagsereignisse) in

den mittleren geografischen Breiten mit einer

signifikant erhöhten Aktivität planetarer Wellen

(Mitchell et al., 2013; Petoukhov et al., 2013;

Kidston et al., 2015) hin.

Planetare Wellen sind globale Strukturen. Sie

breiten sich insbesondere im Winter über die

Troposphäre hinaus bis in die Strato- und

Mesosphäre aus (Madden, 2007). Besonders in der

Mesosphäre lassen sich vergleichsweise kleine

Änderungen in der Wellenaktivität deutlicher

nachweisen als dies in der turbulent

durchmischten Troposphäre der Fall ist, da der

Luftdruck in der Mesosphäre nur noch etwa ein

Millionstel des Luftdrucks an der Erdoberfläche

beträgt; die Mesosphäre wirkt quasi wie ein

Vergrößerungsglas (Smith, 2012).

Tägliche Messungen der Temperatur in etwa 87

km Höhe werden mit dem GRIPS- Instrument von

der UFS routinemäßig bereits seit 2005

durchgeführt (Schmidt et al., 2013). Quicklooks

der tagesaktuellen Daten sowie der Zeitreihe der

Temperaturnachtmittelwerte sind über das UFS-

DAZ sichtbar1. Analoge Messungen an der

Universität Wuppertal (Bittner et al., 2002)

ergänzen die so gewonnene Zeitreihe bis zurück in

das Jahr 1987, so dass eine Zeitreihe von nahezu

30 Jahren analysiert werden konnte.

Im Zuge des Klimawandels könnten sich die

großräumigen Strömungssysteme der

Atmosphäre verändern. Insbesondere steht zu

erwarten, dass eine Abschwächung des

meridionalen Temperaturgradienten auch eine

Änderung der planetaren Wellenaktivität – und

1

http://wdc.dlr.de/ufsdaz/ufsdaz_neu/UFS_Data/airglow.php

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

60

damit der Auftretenshäufigkeit und/oder In-

tensität von Extremwetterlagen bedingen dürfte

(z. B. Screen & Simmonds, 2014). Allerdings wird

dieser Themenkomplex gegenwärtig durchaus

kontrovers diskutiert. So weist etwa Barnes,

2013, darauf hin, dass die außerordentlich hohe

Komplexität der Kopplungsmechanismen in der

Atmosphäre derartige Zusammenhänge unter

Umständen maskieren könnte. Die Frage also, ob

der Klimawandel langfristig auf die planetaren

Wellen Einfluss nimmt - und damit auch auf

Extremwetterereignisse - ist gegenwärtig eine

eher offene Frage. In jedem Fall gewinnt die

Beobachtung der planetaren Wellenaktivität in

der Mesosphäre damit eine Bedeutung.

Als ein erstes Resultat zeigt die u. a. Abbildung

die jährliche Aktivität der planetaren Wellen in

der Mesopausenregion. Die Berechnung dieses

Index basiert auf Höppner & Bittner (2007) und

Bittner et al. (2000). Dazu werden die

gemessenen Nachtmittelwerttemperaturen in

der Mesopause für jedes einzelne Jahr zunächst

um den stark ausgeprägten saisonalen Gang

(Jahres-, Halbjahres- und Dritteljahresgang)

bereinigt. Die so erhaltenen Residuen der

Temperturnachtmittelwerte werden

anschließend einer Morlet-Waveletanalyse

unterzogen. Die Signifikanzprüfung erfolgt mit

einem Monte Carlo-Verfahren. Die so ermittelten

statistisch signifikanten (95 %) Intensitäten der

Waveletanalyse werden so- dann für jeweils ein

Jahr und über einen Periodendauerbereich von 3

bis 20 Tagen (dies sind typische Periodendauern

für planetare Wellen) aufaddiert. Auf diese Weise

wird der prozentuale Anteil der statistisch

signifikanten spektralen Intensitäten abgeschätzt.

Dieser Indikator für die planetare Wellenaktivität

(dies ist der DAI), ist in der Abbildung für den

Zeitraum von 1987 bis 2015 dargestellt. Während

die rote Kurve die Wellenaktivität für die

Messungen über Wuppertal angibt, zeigt die blaue

Kurve die Verhältnisse über der Zug- spitze. Der

Verlauf der Wellenaktivität ist offensichtlich

geprägt von einer langfristigen Modulation mit

einem relativen Maximum um das Jahr 1995. Ein

weiteres, weniger stark ausgeprägtes Maximum

deutet sich für 2015 oder 2016 an. Ein Vergleich

beider Kurven belegt eine Ähnlichkeit mit der

magnetischen Feldstärke der Sonne (graue

Kurve). Ein möglicher physikalischer Mechanismus

für einen solchen Zusammenhang wird

gegenwärtig näher untersucht. Der langfristigen

Variabilität der planetaren Wellenaktivität

Abb. 1: Verlauf der planetaren Wellenaktivität in der Mesopause abgeleitet aus Messungen von GRIPS II (rot) und GRIPS 8 (blau) von 1987 bis 2015. Die dunkelgrauen Balken stellen den Unsicherheitsbereich des Index dar. In grau dargestellt ist die solare Magnetfeldstärke der Sonne (Hale-Zyklus).

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UFS – WISSENSCHAFTLICHE RESULTATE 2013/ 2014

61

überlagert eine kürzerfristige Modulation mit

etwa zwei bis 4 Jahren, was auf eine QBO-

Signatur hinweisen könnte.

Ungeachtet einer näheren Betrachtung der

physikalischen Prozesse, die zu der Variation der

planetaren Wellenaktivität führen, bleibt

festzuhalten, dass eine solche Variabilität auf

Zeitskalen von etwa 20 Jahren und 2-4 Jahren

sehr ausgeprägt vorhanden ist. Sollte sich also

die Hypothese verfestigen, dass die Aktivität

planetarer Wellen tatsächlich einen signifikanten

Einfluss nimmt auf die Ausprägung extremer

Wetterlagen, so müsste auch diese dem oben

gezeigten längerfristigen Muster folgen.

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