Wahlsystemen und Sprachminderheiten de

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1 Wahlsysteme und Sprachminderheiten Die Auswirkungen von Wahlsystemen auf die Vertretung von Sprachminderheiten im Parlament am Beispiel Südtirols Zusätzliches Forschungsprojekt und drittes Studienjahr 2009 - 2010 zwecks Anerkennung des Studientitels in Italien des akademischen Grades eines Forschungsdoktorates der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften an der Fakultät für Politikwissenschaften und Soziologie der Leopold Franzens Universität Innsbruck Eingereicht von Oskar Peterlini Erstbegutachter: Univ. Prof. DDr. Günther Pallaver (Politikwissenschaften) Weitere Begutachter: Univ. Prof. B.A. PhD Alan Scott (Soziologie) Univ. Prof. Dr. Gottfried Tappeiner (Volkswirtschaft und Statistik) Innsbruck, im September 2010

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Wahlsysteme und Sprachminderheiten

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    Wahlsysteme und

    Sprachminderheiten

    Die Auswirkungen von Wahlsystemen auf die Vertretung von Sprachminderheiten im

    Parlament am Beispiel Sdtirols

    Zustzliches Forschungsprojekt

    und drittes Studienjahr 2009 - 2010

    zwecks Anerkennung des Studientitels in Italien

    des akademischen Grades

    eines Forschungsdoktorates der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften

    an der Fakultt fr Politikwissenschaften und Soziologie

    der Leopold Franzens Universitt Innsbruck

    Eingereicht von

    Oskar Peterlini

    Erstbegutachter: Univ. Prof. DDr. Gnther Pallaver (Politikwissenschaften)

    Weitere Begutachter: Univ. Prof. B.A. PhD Alan Scott (Soziologie)

    Univ. Prof. Dr. Gottfried Tappeiner (Volkswirtschaft und Statistik)

    Innsbruck, im September 2010

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    Peterlini, O. (2010): Wahlsysteme und Sprachminderheiten, Die Auswirkungen von Wahlsystemen auf die Vertretung

    von Sprachminderheiten im Parlament am Beispiel Sdtirols -

    Sistemi elettorali e minoranze linguistiche, Le ripercussioni dei sistemi elettorali sulla rappresentanza delle minoranze

    linguistiche in Parlamento sullesempio delle minoranze dellAlto Adige Sdtirol. Leicht aktualisierter Nachdruck 7.5.2012.

    Forschungsprojekt/ Progetto di ricerca di dottorato, Leopold Franzens Universitt Innsbruck

    2010, Wiedergabe nur mit ausdrcklicher Erwhnung des Verfassers und der Quellenangabe.

    Riproduzione concessa solamente con la citazione dellautore e della fonte. Kontakt/ Contatto: [email protected], [email protected].

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    An meine Izumi

    An meine Kinder Michael, Sylvia, Elisabeth und Laurin

  • Zusammenfassung und Inhaltverzeichnis

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    Wahlsysteme sind seltsame Gerte - gleichzeitig Kameras und

    Projektoren. Sie registrieren Bilder, die sie teilweise selbst erstellt haben.

    Electoral systems are strange devices - simultaneously cameras and

    projectors. They register images which they have partly created

    themselves. Maurice Duverger (1984)

  • Zusammenfassung und Inhaltverzeichnis

    5

    Zusammenfassung

    Die Wahlsysteme wirken sich direkt auf die Vertretung der Parteien im Parlament aus.

    Besondere Auswirkungen haben Wahlgesetze auf ethnische Minderheiten. Sie knnen eine

    Minderheit strken, schwchen oder ganz aus dem Parlament verdrngen.

    Sdtirol wurde nach dem Ende des Ersten Weltkrieges zu Italien geschlagen. Schon 1921

    errangen die Sdtiroler vier Abgeordnete im Parlament in Rom. Eine Wahlreform der

    Faschisten reduzierte ihre Vertretung zunchst auf zwei (1924) und brachte sie dann zum

    Verschwinden. Nach dem Zweiten Weltkrieg garantiert der Pariser Vertrag zwischen Italien

    und sterreich von 1946 der Sdtiroler Minderheit eine Autonomie. Bei allen politischen

    Wahlen seit 1948 errangen die Sdtiroler eine Vertretung im nationalen Parlament (von

    fnf, manchmal sogar sechs Mitgliedern). Seitdem hat Italien mehrere Wahlreformen

    vorgenommen. Von einem fast reinen Proporz-System schritt Italien 1993 zu einem

    kombinierten System. Drei Viertel der Sitze wurden im Mehrheitswahl-System gewhlt, ein

    Viertel im Verhltniswahl-System, mit einer Wahlhrde1 von vier Prozent. Die Sdtiroler,

    die nur einen halben Prozent ausmachen, rekurrierten dagegen, blitzten allerdings sei es

    beim Verfassungsgerichtshof als bei der Europischen Kommission fr Menschenrechte ab.

    Sie behielten ihre Vertretung ber die Mehrheits-Wahlkreise.

    Neuerdings, im Jahre 2005, nderte das Parlament erneut das Wahlsystem und kehrte

    wieder zu einem Proporz-System zurck, mit abgestuften Wahlhrden und einer

    Mehrheitsprmie fr die siegreiche Liste oder Koalition.

    Die Vertretungen der Sdtiroler im Parlament, nach der Annexion der Deutsche Verband

    (DV) und seit 1948 die Sdtiroler Volkspartei (SVP), waren direkt von den

    Wahlnderungen betroffen. Teilweise konnten sie sich nur mit Sonderbestimmungen retten.

    Diese erzielten sie mit Berufung auf die internationale Verankerung der Sdtirol Autonomie

    und den Minderheitenschutz in der italienischen Verfassung. Als typische ethnoregionale

    Parteien eignen sich der DV und die SVP deshalb besonders, um die Auswirkungen von

    Wahlsystemen empirisch zu untersuchen. 1 Wahlhrde, Schwelle, Sperrklausel oder Prozentklausel werden in dieser Studie synonym verwendet.

  • Zusammenfassung und Inhaltverzeichnis

    6

    Summary

    Electoral systems and linguistic minorities

    The impact of electoral systems on the representation of linguistic minorities in the

    parliament by the example of South Tyrol

    The electoral systems in general, directly influence the representation of the parties in

    Parliament. They have certain consequences for ethnic minorities. These include the

    strengthening, the weakening or the eliminations of the minorities.

    After the First World War the southern part of Tyrol (Sdtirol) was annexed to Italy. South

    Tyrolean succeeded (1921) in electing four representatives to Parliament in Rome. A fascist

    electoral reform reduced their representation first (1924) to two and cancelled it later on

    completely. After the Second World War the so called Paris Agreement signed in 1946

    between Italy and Austria grants autonomy to the population of South Tyrol. In all the

    political elections, since 1948, the South Tyrolean have been able to gain a representation

    (of five or even six members) in the national Parliament. Since then, Italy has made a

    number of election reforms. From an almost proportional system Italy passed to a combined

    system in 1993. Three quarters of the seats were elected by the majority system, one quarter

    by the proportional system with a threshold (minimum allowance) of four percent. The

    South Tyrolean, which counts for just a half percent on national level appealed against the

    minimum threshold low, but lost in front of the Italian Constitutional Court and then the

    European Commission of Human Rights. Although they did not succeed for the

    proportional part of seats, they were able to save their representation in the Parliament

    through the majority system in the constituencies. Recently, in 2005, the Parliament

    changed the electoral low again and returned to a proportional system, with degrees of

    thresholds and a premium for the winning party or coalition.

    The representations of the South Tyrolean in the Parliament, after the annexation the so

    called Deutscher Verband (DV), since 1948 the Sdtiroler Volkspartei (SVP), have been

    directly affected by the changes of the electoral system. They could survive in part only

    with special provisions. These special provisions could be reached by appealing to the

    international anchored autonomy and the protection of ethnic minorities founded in the

    Constitution. The DV and the SVP can be taken as good examples of typical ethno regional

    parties, in order to examine the effects of electoral systems on ethnic minorities.

  • Zusammenfassung und Inhaltverzeichnis

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    Keywords

    Abgeordnetenkammer / Autonomiestatut / Camera dei Deputati / Deutscher Verband

    / Italia Italien / Ethnische Minderheiten / Parlament / Region / Trentino Sdtirol /

    Alto Adige / Senat / Sperrklausel / Sdtiroler Minderheit / Sdtiroler Volkspartei /

    Wahlkreise / Wahlsystem

    *

    Autonomy / Chamber of deputies / Constituencies / Deutscher Verband / Electoral

    Reform / Electoral system / Ethnic minorities / Italian Parliament / Italy / Region /

    Senate / South-Tyrol / Special Autonomy / South Tyrolean minority / Special Statute

    / Sdtiroler Volkspartei / Threshold / Trentino

  • Zusammenfassung und Inhaltverzeichnis

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    Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung .............................................................................................................................. 5

    Summary ............................................................................................................................................. 6 Einfhrung und Problemstellung ................................................................................................... 15 1 Untersuchungsobjekt und Abgrenzung des Themas ............................................................ 15 2 Die zentrale Frage und die Thesen ......................................................................................... 19 3 Theoretischer und methodischer Zugang .............................................................................. 20

    1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze und Auswirkungen ................................................ 23 1.1 Die Wahlsysteme und ihre Typologien .............................................................................. 23

    1.1.1 Was sind Wahlsysteme? ....................................................................................................................... 23 1.1.2 Was ist Wahlrecht? .............................................................................................................................. 25 1.1.3 Was regeln Wahlsysteme? ................................................................................................................... 26 1.1.4 Die Wahlkreiseinteilung ....................................................................................................................... 28 1.1.5 Die Wahlsysteme nach der Stimmenverrechnung: Majorz und Proporz .............................................. 30 1.1.6 Das Mehrheitswahlsystem (Majorz-System) ....................................................................................... 31 1.1.7 Das Verhltniswahlsystem (Proporz-System) ...................................................................................... 38 1.1.8 Methoden der Mandatszuteilung beim Proporz .................................................................................. 40 1.1.9 Klassische und kombinierte Wahlsysteme aus Majorz und Proporz .................................................... 55

    1.2 Die Grundstze des Europarates ........................................................................................ 59 1.2.1 Die Venedig-Kommission .................................................................................................................... 59 1.2.2 Der Verhaltenskodex fr Wahlen ......................................................................................................... 60 1.2.3 Die Bedingungen fr die Umsetzung der Grundstze .......................................................................... 62 1.2.4 Die Grundstze des Europarates fr das Wahlrecht von nationalen Minderheiten .............................. 65

    1.3 Die Wahlsysteme und ihre Auswirkungen im Allgemeinen .............................................. 66 1.3.1 Die Auswirkungen auf die Wahlergebnisse ......................................................................................... 66 1.3.2 Der Einfluss auf das Verhalten der Whler .......................................................................................... 70 1.3.3 Die Auswirkungen auf die Parteien ..................................................................................................... 70

    2 Auswirkungen auf die Vertretung von Minderheiten .......................................................... 75 2.1 Nationale Minderheiten und ethnoregionale Parteien ........................................................ 75

    2.1.1 Nationale Minderheiten und Wahlsysteme .......................................................................................... 75 2.1.2 Ethnoregionale und regionale Parteien................................................................................................. 76

    2.2 Direkte Garantien fr Minderheiten oder Volksgruppen ................................................... 80 2.2.1 Kroatien ................................................................................................................................................ 80 2.2.2 Slowenien ............................................................................................................................................. 81 2.2.3 Rumnien ............................................................................................................................................. 82 2.2.4 Belgien ................................................................................................................................................. 84 2.2.5 Bosnien-Herzegowina .......................................................................................................................... 86 2.2.6 Weitere Lnder mit Vertretungsrechten ............................................................................................... 90

    2.3 Bestimmungen, welche die Vertretung erleichtern ............................................................ 91 2.3.1 Polen .................................................................................................................................................... 91 2.3.2 Deutschland .......................................................................................................................................... 92 2.3.3 Italien ................................................................................................................................................... 94

    2.4 Auswirkungen auf nationale Minderheiten mit politischen Parteien ................................. 96 2.4.1 Die griechische Minderheit in Albanien .............................................................................................. 96 2.4.2 Die trkische Minderheit in Bulgarien ................................................................................................. 98 2.4.3 Die Minderheiten in der Trkei ............................................................................................................ 99 2.4.4 Das multiethnische Georgien ............................................................................................................. 101 2.4.5 Die Auswirkungen der Wahlsysteme auf ethnoregionale Parteien .................................................... 104

    2.5 Auswirkungen auf nationale Minderheiten ohne politischen Parteien ............................ 107 2.6 Schlussfolgerungen ber die Auswirkungen von Wahlsystemen auf die Minderheiten . 108

    3 Auswirkungen auf die Vertretung der Sdtiroler 1921-2013 ............................................ 113 3.1 Das Wahlsystem unter dem Knigreich Italien ............................................................... 113 3.2 Die Vertretung Sdtirols in Rom vom Knigreich bis zum Faschismus ......................... 117

  • Zusammenfassung und Inhaltverzeichnis

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    3.2.1 Die Annexion und der Zusammenschluss zum Deutschen Verband .................................................. 117 3.2.2 Die ersten Wahlen von 1921 .............................................................................................................. 117 3.2.3 Die Wahlreform von 1923 und der Untergang der Demokratie ......................................................... 122 3.2.4 Die Parlamentswahlen 1924 und das Ende der Demokratie ............................................................... 125

    3.3 Der Aufbau der Republik und das demokratische Italien nach dem Krieg .................... 132 3.3.1 Die demokratische Verfassung und das Parlament Italiens nach 1948 .............................................. 132 3.3.2 Die Regionen und die Lokalkrperschaften ....................................................................................... 134 3.3.3 Die Sonderautonomien und die Region Trentino Sdtirol ................................................................. 135 3.3.4 Das Wahlrecht im demokratischen Italien von 1945 bis 1993 ........................................................... 137 3.3.5 Die sogenannte Erste Republik .......................................................................................................... 144

    3.4 Das Ringen der Sdtiroler um Autonomie und Parlamentsvertretung ........................... 145 3.4.1 Die Sdtiroler Minderheit im Ringen um eine Autonomie ................................................................ 145 3.4.2 Die Grndung der SVP als Sammelpartei .......................................................................................... 147 3.4.3 Die erste Feuerprobe bei der Wahl im Jahr 1948 ............................................................................... 148 3.4.4 Die Wahlen von 1953 bis 1987 im berblick .................................................................................... 156

    3.5 Die Neueinteilung der Senatswahlkreise in der Region 1991.......................................... 161 3.5.1 Die Manahme 111 des Sdtirol-Paketes .......................................................................................... 161 3.5.2 Die Verhandlungen zur Durchfhrung der Manahme 111 des Paketes............................................ 163 3.5.3 Der Durchbruch und das Gesetz zur Neueinteilung ........................................................................... 170 3.5.4 Die Auswirkungen auf die Senats-Wahlen von 1992 und die Ergebnisse in der Kammer ................ 170 3.5.5 Das Gesamtergebnis fr Kammer und Senat 1992 ............................................................................ 174

    3.6 Die Wahlrechts-Reform von 1993 ................................................................................... 175 3.6.1 Die Sitzverteilung im Proporzsystem der Kammer ........................................................................... 178 3.6.2 Die Sitzverteilung im Proporzsystem des Senates ............................................................................ 180

    3.7 Die Auswirkungen der Reformen auf die Wahlen von 1994 bis 2001 ............................ 182 3.7.1 Die Parlamentswahlen von 1994 auf staatlicher Ebene...................................................................... 182 3.7.2 Die Sperrklausel in der Wahlreform und die Verfahren dagegen ...................................................... 184 3.7.3 Die Auswirkungen auf die Parlamentswahlen in Sdtirol 1994 ......................................................... 194 3.7.4 Die Auswirkungen auf die Parlamentswahlen 1996 .......................................................................... 197 3.7.5 Die Auswirkungen auf die Parlamentswahlen 2001 .......................................................................... 202

    3.8 Die Wahlreform von 2005 und die Sonderbestimmung fr Sdtirol ............................... 207 3.8.1 Die Sperrklausel und das Ringen um eine Ausnahmeregelung .......................................................... 207 3.8.2 Seit der Reform von 2005: Proporz in Kammer und Senat ............................................................... 209 3.8.3 Das neue Wahlsystem fr die Abgeordnetenkammer ........................................................................ 210 3.8.4 Das neue Wahlsystem fr den Senat .................................................................................................. 217

    3.9 Die Auswirkungen der Reform von 2005 auf die Wahlen............................................... 219 3.9.1 Die Kammer-Wahlen von 2006 ......................................................................................................... 219 3.9.2 Die Wahlen im Senat 2006 ................................................................................................................ 222 3.9.3 Die Senatswahlen 2008 und die blockfreie SVP ............................................................................. 226 3.9.4 Der Alleingang der SVP in der Kammer im Jahr 2008 ...................................................................... 230

    3.10 Die Wahlen im berblick: 1921 2008 .......................................................................... 233 3.10.1 Die Minderheit im langfristigen Vergleich ....................................................................................... 233 3.10.2 Die Parlamentarier aus Sdtirol in Rom 1921 bis 2013 .................................................................... 238

    4 Anstze zur Reform des Wahlsystems in Italien und der Minderheitenschutz ............... 241 4.1 Die Reform-Versuche von Mitte Rechts 2001-2006 ....................................................... 241

    4.1.1 Die divergierenden Ziele von Lega und Forza Italia/Alleanza Nazionale......................................... 241 4.1.2 Der Verfassungsentwurf von Mitte-Rechts ........................................................................................ 241 4.1.3 Der gescheiterte bergang zu unterschiedlichen Kammern .............................................................. 242 4.1.4 Die Wahlreform von Mitte-Rechts ..................................................................................................... 243

    4.2 Die Anlufe zur nderung des Wahlgesetzes 2006 -2008 .............................................. 245

  • Zusammenfassung und Inhaltverzeichnis

    11

    4.2.1 Der Druck fr ein neues Wahlsystem ................................................................................................ 245 4.2.2 Die Parlamentswahlen von 2006 ........................................................................................................ 245 4.2.3 Ein unterschiedliches Wahlsystem im Senat ...................................................................................... 248 4.2.4 Die Stolpersteine im Senat ................................................................................................................. 249 4.2.5 Das Damokles-Schwert Referendum ................................................................................................. 250 4.2.6 Die Grundstze der damaligen Mehrheit fr ein neues Wahlrecht..................................................... 251 4.2.7 Die Kleinparteien gegen das Referendum .......................................................................................... 251 4.2.8 Die Grundstze des Ex-Ministers Chiti von Mitte-Links ................................................................... 252 4.2.9 Die mglichen gemeinsamen Punkte fr eine Wahlreform ................................................................ 253 4.2.10 Die Vorbehalte der Rechtsparteien .................................................................................................... 255 4.2.11 Der Reformvorschlag von Roberto Calderoli von Mitte-Rechts ....................................................... 255 4.2.12 Sonder-Klausel fr sprachliche Minderheiten .................................................................................... 258 4.2.13 Die Gemeinsamkeiten in den Vorstellungen fr das Wahlgesetz ...................................................... 258 4.2.14 Der Gesetzentwurf Bianco ................................................................................................................. 259 4.2.15 Sonderregelung fr Sdtirol ............................................................................................................... 260

    4.3 Die Reduzierung der Parteien und die neue Legislatur ab 2008 ...................................... 261 4.3.1 Das Referendum, die Justizaffre und die Regierungskrise ............................................................... 261 4.3.2 Die Wahlen von 2008 vereinfachen die politische Landschaft .......................................................... 262 4.3.3 Mangelnde Beteiligung am Referendum ............................................................................................ 264

    4.4 Kritik am bestehenden Wahlgesetz in Italien .................................................................. 266 4.4.1 Proporz mit starken Einschrnkungen ................................................................................................ 266 4.4.2 Demokratiepolitische Mngel bei den sprachlichen Minderheiten .................................................... 266 4.4.3 Demokratische Reprsentanz des Parlamentes in Frage gestellt ........................................................ 267 4.4.4 Starke Parteien, aber schwaches Parlament ....................................................................................... 268 4.4.5 Die Macht der Parteien ist schwierig zu brechen ............................................................................... 271 4.4.6 Ausblick auf mgliche Neuerungen des Wahlsystems ...................................................................... 271

    5 Schlussfolgerungen und Erkenntnisse ................................................................................. 273 5.1 berprfung der Thesen .................................................................................................. 273

    5.2 Detail-berprfung am historischen Ablauf .................................................................... 276 5.2.1 Nach der Annexion und im Faschismus: Abhngig vom Wahlkreis .................................................. 276 5.2.2 Nach dem Krieg bis 1993: Kammer im Proporzsystem ..................................................................... 276 5.2.3 Senat bis 1992: Wahlkreise mit 65% Hrde und Proporzausgleich ................................................... 277 5.2.4 nderungen der Wahlkreise 1992 fr den Senat ................................................................................ 278 5.2.5 Vorwiegend Majorz von 1993 bis 2005 ohne Hrde im Senat .......................................................... 279 5.2.6 Vorwiegend Majorz von 1993 bis 2005 auch in Kammer.................................................................. 279 5.2.7 Proporz mit Hrden und Mehrheitsprmie in der Kammer seit 2005 ................................................ 280

    5.3 Eine empfindliche Schraube ............................................................................................ 282

    6 Literatur, Quellen und Hinweise zum Autor....................................................................... 285 6.1 Literatur, Quellen und Abkrzungen ............................................................................... 285

    6.1.1 Bcher und Buchbeitrge ................................................................................................................... 285 6.1.2 Agenturen, Zeitungen, Zeitschriften .................................................................................................. 293 6.1.3 Verfassungen, Gesetze, Archive und Internet-Seiten ......................................................................... 294 6.1.4 Ethnoregionale und italienische Parteien ........................................................................................... 303 6.1.5 Abkrzungsverzeichnis ...................................................................................................................... 305

    6.2 Dank und Hinweise zum Autor ........................................................................................ 307 6.2.1 Dank ................................................................................................................................................... 307 6.2.2 Lebenslauf von Oskar Peterlini .......................................................................................................... 308 6.2.3 Bcher und Buchbeitrge des Autors ................................................................................................ 309

    6.3 Eidesstattliche Erklrung ................................................................................................. 315

    Tabellenverzeichnis Tab. 1: Vergleich von Divisoren oder Hchstzahlverfahren .................... Fehler! Textmarke nicht definiert.

    Tab. 2: Slowenien: Nationale Zugehrigkeit und Muttersprache der grten Gruppen ................................. 81

    Tab. 3: Lnder-bersicht ber Wahlsysteme, Hrden, Prmien und Minderheiten-Schutznormen ............ 110

    Tab. 4: Abgeordnetenkammer 15. Mai 1921 Wahlkreis Bozen (Sdtirol) ............................................. 120 Tab. 5: Abgeordnetenkammer 15. Mai 1921 Wahlkreis Trentino .......................................................... 121 Tab. 6: Abgeordnetenkammer 6. April 1924: Verteilung der Minderheitensitze im Veneto ....................... 129

  • Zusammenfassung und Inhaltverzeichnis

    12

    Tab. 7: Verhltnis der Sprachgruppen in Sdtirol ........................................................................................ 147

    Tab. 8: Kammer 18. April 1948 Gesamtergebnis Region Trentino Sdtirol ............................................. 150 Tab. 9: Kammer 18. April 1948 Sdtirol ................................................................................................... 151 Tab. 10: Senat 18. April 1948 Wahlkreis Bozen ........................................................................................ 152 Tab. 11: Senat 18. April 1948 Wahlkreis Brixen ....................................................................................... 152 Tab. 12: Senat 18. April 1948 Gesamtergebnis Region Trentino Sdtirol ................................................. 154 Tab. 13: Die Bevlkerung Sdtirols und des Trentino .................................................................................. 161

    Tab. 14: Regierungsvorschlge Cossiga Rognoni: Simulation mit Wahlergebnissen 1987 .......................... 165

    Tab. 15: Senat 5. April 1992 - Wahlkreis Bozen Unterland .......................................................................... 171

    Tab. 16: Senat 5. April 1992 Gesamtergebnis Region Trentino Sdtirol ................................................... 172 Tab. 17: Senat/Region: DC und MSI/AN von 1979-1992 ............................................................................ 173

    Tab. 18: Kammer - Verhltniswahlsystem: Vergabe von Mandaten (1. Schritt) .......................................... 178

    Tab. 19: Kammer Verhltniswahlsystem: Vergabe von Mandaten (2. Schritt) ......................................... 179 Tab. 20: Senat Mandatsvergabe .................................................................................................................. 180 Tab. 21: Abgeordnetenkammer 27. Mrz 1994 Gesamtergebnisse Italien................................................. 183 Tab. 22: Abgeordnetenkammer 27.Mrz 1994, Proporz-Wahlen Trentino Sdtirol ..................................... 188

    Tab. 23: Abgeordnetenkammer 27. Mrz 1994, Proporz-Wahlen ganz Italien ............................................. 188

    Tab. 24: Abgeordnetenkammer 27.Mrz 1994, Wahlkreis Bozen Leifers .................................................... 194

    Tab. 25: Senat 27. Mrz 1994 Wahlkreis Bozen Unterland ....................................................................... 196 Tab. 26: Senat 21.April 1996, Wahlkreis Bozen Unterland .......................................................................... 197

    Tab. 27: Abgeordnetenkammer 21. April 1996 Wahlkreis Bozen ............................................................. 199 Tab. 28: Abgeordnetenkammer 21.April 1996, Proporz-Wahlen ganz Italien .............................................. 201

    Tab. 29: Abgeordnetenkammer 21. April 1996, Proporz-Wahlen Trentino Sdtirol .................................... 202

    Tab. 30: Abgeordnetenkammer 13. Mai 2001, Proporz-Wahlen ganz Italien ............................................... 203

    Tab. 31: Abgeordnetenkammer 13.Mai 2001, Proporz-Wahlen Trentino Sdtirol ....................................... 204

    Tab. 32: Abgeordnetenkammer 13. Mai 2001 - Wahlkreis Bozen Leifers .................................................... 205

    Tab. 33: Senat 13. Mai 2001 Wahlkreis Bozen Unterland ......................................................................... 205 Tab. 34: Abgeordnetenkammer 9. April 2006 Wahlbezirk Trentino Sdtirol ............................................. 220 Tab. 35: Senat 9. April 2006 Wahlkreis Bozen Unterland ......................................................................... 224 Tab. 36: Senat 13./14. April 2008 - Wahlkreis Bozen Unterland .................................................................. 227

    Tab. 37: Abgeordnetenkammer 13. 14. April 2008 Wahlbezirk Trentino Sdtirol .................................... 230 Tab. 38: Die Wahlergebnisse des DV von 1921-1924 .................................................................................. 233

    Tab. 39: Wahlsysteme und Ergebnisse der SVP von 1948-2008 .................................................................. 235

    Tab. 40: Deutschsprachige Parlamentarier aus Sdtirol vom Knigreich bis zum Faschismus 1921-1939 . 238

    Tab. 41: Italienischsprachige Parlamentarier aus Sdtirol vom Knigreich bis zum Faschismus: 1921-1939

    ....................................................................................................................................................................... 238

    Tab. 42: Deutschsprachige Parlamentarier aus Sdtirol im demokratischen Italien (alle SVP) ................... 239

    Tab. 43: Italienischsprachige Parlamentarier aus Sdtirol im demokratischen Italien .................................. 240

    Tab. 44: Abgeordnetenkammer 9. April 2006 Knapper Sieg fr Prodi ...................................................... 246 Tab. 45: Die politischen Fraktionen in der Abgeordneten-Kammer nach den Wahlen 2008 ........................ 263

  • Zusammenfassung und Inhaltverzeichnis

    13

    Abbildungsverzeichnisverzeichnis Abb. 1: Zweck von Wahlsystemen .................................................................................................................. 17

    Abb. 2: Auswirkungen von Wahlsystemen ..................................................................................................... 18

    Abb. 3: Definition von Wahlsystem ................................................................................................................ 23

    Abb. 4: Wahlsysteme im engeren Sinn ........................................................................................................... 24

    Abb. 5: Definition des Wahlrechtes ................................................................................................................ 25

    Abb. 6: Missbrauch von Wahlsysteme ............................................................................................................ 26

    Abb. 7: Die Einteilung der Wahlsysteme nach Majorz und Proporz............................................................... 30

    Abb. 8: Die Klassifizierung der Wahlsysteme nach Nohlen ........................................................................... 31

    Abb. 9: Die Mehrheitswahl ............................................................................................................................. 31

    Abb. 10: Gliederung des Majorz ..................................................................................................................... 32

    Abb. 11: Relative Mehrheitswahl in Grobritannien ...................................................................................... 33

    Abb. 12: Wahlkreise in Grobritannien .......................................................................................................... 33

    Abb. 13: Absolute Mehrheitswahl in Frankreich ............................................................................................ 34

    Abb. 14: Wahlkreise in Frankreich.................................................................................................................. 35

    Abb. 15: Auswirkungen der Mehrheitswahl .................................................................................................... 36

    Abb. 16: Die fnf Mehrheitswahl-Systeme nach Nohlen ................................................................................ 37

    Abb. 17: Verhltniswahl .................................................................................................................................. 38

    Abb. 18: Die fnf Verhltniswahl-Systeme nach Nohlen ............................................................................... 39

    Abb. 19: Natrliche und normative Hrden .................................................................................................... 40

    Abb. 20: Zuteilung der Sitze im Verhltnis der Stimmen ............................................................................... 40

    Abb. 21: Was sind Mandats- oder Sitzzuteilungsmethoden? .......................................................................... 41

    Abb. 22: Die zwei Methoden der Mandats- oder Sitzzuteilung beim Proporz ................................................ 41

    Abb. 23: Die Schtzung der Wahlzahl ............................................................................................................ 42

    Abb. 24: Ein Beipiel fr das DHondt-Verfahren .......................................................................................... 43 Abb. 25: Das Verfahren nach DHondt ........................................................................................................... 44 Abb. 26: Die Berechnung der Wahlzahl (Wahlquotienten) ............................................................................. 49

    Abb. 27: Zuteilung der vollen Sitze im Wahlzahl-Verfahren .......................................................................... 50

    Abb. 28: Formel fr Berechnung und Zuteilung der Sitze .............................................................................. 51

    Abb. 29: Das Quotenverfahren ........................................................................................................................ 52

    Abb. 30: Zuteilung der Restmandate ............................................................................................................... 53

    Abb. 31: Auswirkungen der Verfahren auf kleine Gruppen ............................................................................ 54

    Abb. 32: Grundstzliche, vereinfachte Einteilung der Wahlsysteme .............................................................. 55

    Abb. 33: Kombinierte Systeme ....................................................................................................................... 56

    Abb. 34: Die Einer-Wahlkreise in Deutschland .............................................................................................. 56

    Abb. 35: Wahlsystem Deutschlands ............................................................................................................... 57

    Abb. 36: Kombiniertes vorwiegendes Mehrheitswahlsystem in Italien 1993-2005 ........................................ 58

    Abb. 37: Sitzverteilung im Deutschen Bundestag nach der Wahl 2009 .......................................................... 93

    Abb. 38: Italien nach der Einigung ................................................................................................................ 113

    Abb. 39: Nur wenige waren wahlberechtigt .................................................................................................. 114

    Abb. 40: Das Parlament im Knigreich Italien ............................................................................................. 115

    Abb. 41: Wahlsystem und Wahlkreise 1921 ................................................................................................. 118

    Abb. 42: Giolitti gewhrt eigenen Wahlkreis fr Sdtirol ............................................................................ 119

    Abb. 43: Das Listenzeichen des DV bei den Wahlen 1921 ........................................................................... 119

    Abb. 44: Wahlberechtigte und Wahlausgang 1921 ....................................................................................... 120

    Abb. 45: Kleiner Wahlkreis ermglichte vier Abgeordnete .......................................................................... 121

    Abb. 46: Das Acerbo Gesetz ......................................................................................................................... 122

    Abb. 47: Sdtirol wehrt sich gegen die Wahlreform ..................................................................................... 123

    Abb. 48: Der Antrag zur Tagesordnung der Sdtiroler Abgeordneten ......................................................... 124

    Abb. 49: Das Listenzeichen des DV 1924 ..................................................................................................... 126

    Abb. 50: Wahlbezirk Veneto fr die Wahlen 1924 ...................................................................................... 127

    Abb. 51: Der Stimmzettel 1924 ..................................................................................................................... 127

    Abb. 52: Wahlen 1924: Sdtirols Vertretung halbiert ................................................................................... 128

  • Zusammenfassung und Inhaltverzeichnis

    14

    Abb. 53: Folgen des Mehrheitsbonus im Veneto .......................................................................................... 129

    Abb. 54: Die Parlamentswahlen 1924 ........................................................................................................... 130

    Abb. 55: Die schrittweise Abschaffung der Demokratie ab 1924 ................................................................. 131

    Abb. 56: Das Wahlrecht im demokratischen Italien ...................................................................................... 132

    Abb. 57: Die Verfassungsgebende Versammlung 1946-1947 in Montecitorio ............................................. 133

    Abb. 58:Die demokratische Verfassung von 1948 ........................................................................................ 133

    Abb. 59: Die fnf Regionen mit Sonderstatut ............................................................................................... 136

    Abb. 60: Die Grundstze des Wahlrechtes in der italienischen Verfassung ................................................. 137

    Abb. 61: Das perfekte Zweikammernsystem ................................................................................................ 138

    Abb. 62: Erste Wahlmodalitten und Dauer der Legislatur-Periode ............................................................. 139

    Abb. 63: Das Wahlrecht fr die Kammer 1948-1993 ................................................................................... 140

    Abb. 64: Senat 1948 1993 .......................................................................................................................... 141 Abb. 65: Das sogenannte Betrugsgesetz ........................................................................................................ 142

    Abb. 66: Die Wahlsysteme Italiens seit 1948 ................................................................................................ 143

    Abb. 67: Der Proporz wird fr die Kammer auf Staatsebene berechnet ....................................................... 149

    Abb. 68: Die Wahlergebnisse im berblick: Trentino Sdtirol Kammer 1948 ............................................ 151

    Abb. 69: Die Wahlergebnisse im berblick: Senat Bozen Meran 1948 ...................................................... 153

    Abb. 70: Die Wahlergebnisse im berblick: Senat Brixen 1948 ................................................................. 153

    Abb. 71: Proporz fr verfehltes Quorum im Senat ........................................................................................ 154

    Abb. 72: Die Wahlergebnisse im berblick: Gesamtergebnis Trentino Sdtirol Senat 1948 ....................... 155

    Abb. 73: Die Manahme 111 des Paketes und die Neueinteilung der Senatswahlkreise .............................. 169

    Abb. 74: Die ersten Ergebnisse im neuen Senatswahlkreis Bozen Unterland ............................................... 173

    Abb. 75: Das Gesamtergebnis im berblick. Trentino Sdtirol Senat 1992 ................................................. 174

    Abb. 76: Die Wahlreform in Italien von 1993 im berblick......................................................................... 181

    Abb. 77: Ein Viertel des Parlamentes wurde (1993-2005) im Proporz gewhlt ........................................... 184

    Abb. 78: Klage beim Verfassungsgericht gegen die 4 Prozentklausel .......................................................... 187

    Abb. 79: Protestkandidatur von Magnago 1994 ............................................................................................ 187

    Abb. 80: Rekurs der SVP wegen Verletzung der Menschenrechte ............................................................... 193

    Abb. 81: Der umkmpfte Senatswahlkreis Bozen Unterland 1996 ............................................................... 198

    Abb. 82: Der umkmpfte Senatswahlkreis Bozen Unterland 2001 ............................................................... 206

    Abb. 83: Der Entwurf des Wahlgesetzes gefhrdete Minderheiten............................................................... 207

    Abb. 84: Sonderregelungen fr Minderheiten 2005 ...................................................................................... 208

    Abb. 85: Das aktuelle Wahlsystem in Italien ................................................................................................ 209

    Abb. 86: Das Wahlgesetz von 2005: Proporz mit Prmie in Kammer und Senat ......................................... 210

    Abb. 87: Sperrklauseln fr Kammer.............................................................................................................. 211

    Abb. 88: berblick ber die Sitzzuteilung in der Kammer ........................................................................... 212

    Abb. 89: Beispiel fr die Berechnung der Wahlzahl in der Kammer ............................................................ 213

    Abb. 90: Die Erstverteilung der Sitze laut Parlamentswahlen von 2008 ....................................................... 213

    Abb. 91: Neuberechnung des Wahlquotienten fr die Mehrheit und die Minderheit ................................... 215

    Abb. 92: Die Berechnung der Mandate aufgrund des Mehrheitsbonus ......................................................... 215

    Abb. 93: Die Berechnung der Mandate fr die Verliererlisten ..................................................................... 216

    Abb. 94: Sperrklauseln fr den Senat ............................................................................................................ 217

    Abb. 95: Die breit angelegte Koalition Unione SVP gewinnt im Wahlkreis ................................................ 225

    Abb. 96: Die SVP im Senatswahlkreis Bozen Unterland 1992 2008 ......................................................... 228 Abb. 97: SVP in Senatswahlkreisen Brixen-Pustertal und Meran-Vinschgau 1992 2008 ......................... 229 Abb. 98: Abgeordnetenkammer 2008 - Verteilung der 277 Sitze der Verlierer-Listen ................................ 231

    Abb. 99: SVP-Wahlergebnisse in Prozenten 1948-2008 ............................................................................... 237

    Abb. 100: Die Abgeordnetenkammer 2006-2008 ......................................................................................... 247

    Abb. 101: Der Senat der Republik von 2006- 2008 ...................................................................................... 249

    Abb. 102: Die Abgeordnetenkammer nach den Wahlen 2008 ...................................................................... 263

    Abb. 103: Der Senat nach den Wahlen 2008 ................................................................................................. 264

  • Einfhrung und Problemstellung

    15

    Einfhrung und Problemstellung

    1 Untersuchungsobjekt und Abgrenzung des Themas

    Unser Untersuchungsobjekt sind die Wahlsysteme und ihre Auswirkungen auf sprachliche

    Minderheiten. Wir wollen das Thema am Beispiel von sprachlichen Minderheiten in Europa und

    besonders am Fallbeispiel Sdtirol untersuchen.

    ber ethnische Minderheiten im Allgemeinen und ber Sdtirol im Besonderen gibt es eine

    reichhaltige Literatur, welche die vielseitigen Probleme, von ihren historischen Wurzeln ausgehend

    bis hin zu den kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Aspekten bereits ausgeleuchtet hat. Auch

    ber die rechtlichen und politischen Fragen gibt es eine Vielzahl von Verffentlichungen. Auf diese

    Fragen wollen wir hier nicht weiter eingehen.

    Wir wollen uns auf einen, aber wichtigen Aspekt beschrnken, nmlich das zentrale Thema dieser

    Arbeit: Wie wirken sich Wahlsysteme auf die Vertretung von sprachlichen Minderheiten in

    nationalen Parlamenten aus? Dieses Thema war zwar ebenfalls Untersuchungsobjekt verschiedener

    Studien, auf denen wir aufbauen knnen,2 aber bietet noch ein weites Feld an offenen Fragen. Auch

    kann es am Fall-Beispiel Sdtirol, ber ganze neun Jahrzehnte lang, konkret empirisch untersucht

    werden. Damit hoffen wir zur wissenschaftlichen Diskussion einen bescheidenen, aber interessanten

    Mosaikstein dazufgen zu knnen.

    Es geht um die Mglichkeiten der demokratischen Mitgestaltung von Minderheiten

    Minderheiten in einem Staat, ganz gleich ob ethnischer, kultureller, religiser oder anderer Art,

    knnen sich am besten entfalten, wenn sie in einem geschlossenen Siedlungsgebiet leben und ber

    ihr Schicksal mitbestimmen knnen, in der Gemeinde, im Land oder der Region. Aus dieser Sicht

    ist es entscheidend, welchen Grad an Mitbestimmung man diesen Minderheiten gewhrt, ob sie in

    einem zentralistischen oder fderalen System eingebettet sind und ber welchen Grad an

    Autonomie sie verfgen knnen. Diesen Aspekt habe ich in der Dissertation untersucht, die ich

    parallel mit dieser Forschungsarbeit im Rahmen meines Doktoratsstudium vorgelegt habe. Unter

    dem Titel Fderalismus und Autonomien in Italien werden die Auswirkungen der

    Fderalismusentwicklung in Italien auf die Sonderautonomien und im Besonderen auf das

    2 Vgl das Literaturverzeichnis im Kap 6, ua Bardi, L. (2009), Tronconi, F. (2009), Peterlini, O. (2009), Council of

    Europe (2008). Nohlen, D. (2007), Ferrandi, G./Pallaver, G. (Hg) (2007), Glbahar, M. (2006), Pallaver, G. (2005),

    Alionescu, C.C. (2004), De Winter, L. (1998), Trsan, H. (1998), De Winter, L./Trsan H. (Hg) (1998), Mller-Rommel,

    F. (1998), Urwin, D. (1983), Sartori, G. (1982).

  • Einfhrung und Problemstellung

    16

    Autonomiestatut von Trentino Sdtirol untersucht.3 Diese Arbeit ist komplementr dazu. Wir

    wiederholen hier deshalb nicht den theoretischen Ansatz zum Thema Fderalismus, Autonomie und

    Minderheiten, sowie die historische Entwicklung und den rechtlichen Rahmen, auf die wir hier nur

    verweisen mchten.

    Um Angehrige von Minderheiten wirksam politisch beteiligen zu knnen, kommt es auch auf die

    Ausgestaltung und den Wirkungsbereich gewisser Wahlrechtsinstrumente an, bemerken zu Recht

    Alber und Parolari in einem umfangreichen, neuen Werk ber die Entwicklung des Wahlrechtes in

    Europa.4

    Die Mitgestaltung auf lokaler Ebene

    Eine besondere Aufmerksamkeit verdient in diesem Zusammenhang auch die Frage, wie sich diese

    Mitgestaltung auf regionaler Ebene am Besten organisieren lsst. Carlo Fusaro hat die

    theoretischen und praktischen Aspekte der neuen regionalen Wahlgesetze in Italien in einem

    umfangreichen Werk zusammengefasst, zu dem namhafte Autoren beigetragen haben.5 Es wurde

    von der angesehenen Vereinigung der akademischen und nicht-akademischen Forscher in Italien

    (SISE)6 herausgegeben. Zu Recht verweist er auf die Kernfrage, die den Themen Autonomie (sei es

    auf lokaler als auch auf regionaler Ebene), Regionalismus und Fderalismus gemeinsam ist: Alle

    diese Formen beschreiben unterschiedliche Perspektiven, aber sie sind vereint vom grundstzlichen

    Ziel, wachsende Quoten an politischer Macht auf dem Territorium zu verteilen.7

    Wie diese Mitsprache erfolgt, kommt auch in den regionalen Wahlgesetzen zum Ausdruck.8 Seit

    1993 werden die Brgermeister in Italien und seit 1999 die Prsidenten der Regionen direkt

    gewhlt.9 Eine Ausnahme bilden die Region Aosta und die autonome Provinz Bozen Sdtirol. Diese

    Reformen haben zu einer Strkung der Lokalkrperschaften und der Regionen, besonders deren

    Prsidenten gefhrt. Zu Recht spricht man deshalb auch von einem Wahlfderalismus. 10

    Die vorliegende Studie geht aber einen Schritt weiter. Im Vordergrund steht nicht die Teilhabe der

    Minderheiten am lokalen Geschehen, sondern deren Beteiligung in nationalen Parlamenten. Und

    diese hngt wiederum von den Wahlsystemen ab. Wie bei einer Schraube knnen diese Systeme

    3 Peterlini, O. (2010h, it) (2010e, de).

    4 Alber, E. / Parolari,S. (2010) S 355.

    5 Fusaro, C. (2010) (Hg).

    6 Societ Italiana di Studi Elettorali: http://www.studielettorali.it/storia/storia.htm, abgeladen am 15.5.2010.

    7 Fusaro, C. (2010) (Hg) S 4.

    8 Vgl dazu auch Gamper, A. (Hg) / Fraenkel-Haeberle, C. (2010), darin besonders Alber, E. / Parolari, S. (2010) S 355

    ff, Greco, M.A. (2010) S 395 ff, Pallaver, G. (2010) S 519 ff, Zwilling, C. (2010) S 541 ff. 9 ber Vor- und Nachteile der Direktwahl der Brgermeister vgl Di Virgilio, A. (2010) S 47 ff, besonders 65-67.

    10 Fusaro, C. (2010) (Hg) S 5. Zum System der Regional- und Gemeindewahlen vgl auch: Pallaver, G. (2005), Baldini,

    G. (2004), Chiaramonte, A./ D'Alimonte, R. (2004), Cecanti, S./ Vassallo (2004a), Fusaro, C. (2004), Fusaro, C./ Carli,

    M. (2002), Fusaro, C. (2002), Grasse, A. (2000), Chiaromonte, A./ DAlimonte, R. (Hg) (2000): Barbera, A. (1999), Fusaro, C. (1997), Grilli, A. (1997), Barbera, A./ Ceccanti, (1995), Barbera, A. (1980).

  • Einfhrung und Problemstellung

    17

    den Spielraum erweitern oder einengen und Minderheiten den Zutritt gewhren, erschweren oder

    gar verhindern.

    Zweck und Auswirkungen von Wahlsystemen

    Wahlsysteme haben in demokratisch-parlamentarisch organisierten Staaten den Zweck, eine

    mglichst reprsentative Vertretung der Whler, aber auch die Regierbarkeit zu gewhrleisten.

    Nationale Wahlsysteme haben deshalb direkte Auswirkungen auf die Zusammensetzung des

    jeweiligen Parlamentes.11

    Abb. 1: Zweck von Wahlsystemen

    Neben diesen Idealzielen von Wahlsystemen, knnen Wahlsysteme auch missbraucht werden, um

    die eigene Macht zu strken oder die Opposition zu schwchen. Bei Reformen knnen diese Ziele

    nie ganz ausgeschlossen werden. Die Parteien, die an der Macht sind, versuchen meistens, das

    System zu ihren Gunsten zu ndern

    Wahlgesetze haben auch ihre Auswirkungen auf die Parteien und knnen durch ein reines

    Proporzsystem beispielsweise zu einer greren Vielfalt fhren, gleichzeitig aber auch die

    Regierungsbildung erschweren oder durch ein Mehrheitswahlsystem einen Zusammenschluss

    frdern bzw Minderheiten ausschlieen.12

    11

    Nohlen, D. (2007). 12

    Caretti, P./ De Siervo, U. (2004) S 106-110. Falcon, D. ( 2001) S 197-211.

  • Einfhrung und Problemstellung

    18

    Besondere Auswirkungen knnen Wahlgesetze auf ethnische Minderheiten im Staate haben. Diese

    knnten rein zahlenmig in einem System komplett untergehen bzw durch eine Sondernorm

    gerettet werden, in dem man einfach ein verfassungsrechtliches Vertretungsrecht - unabhngig von

    deren Strke - vorsieht. Das ist beispielsweise fr die kleine rtoromanische Minderheit (Ladiner)

    im Sdtiroler Landtag und im Trentiner Landtag der Fall, wo das Autonomiestatut die Vertretung

    der ladinischen Sprachgruppe gewhrleistet.13

    Das gleiche Problem stellt sich fr ethnische

    Minderheiten auf Staatsebene.

    Abb. 2: Auswirkungen von Wahlsystemen

    13

    Autonomiestatut, Art. 48.

  • Einfhrung und Problemstellung

    19

    2 Die zentrale Frage und die Thesen

    Die zentrale Frage, die wir uns in dieser Arbeit stellen, ist folgende: Welche Auswirkungen haben

    nationale Wahlsysteme auf eine ethnische Minderheit? Zu diesem Zweck wollen wir folgende

    Thesen aufstellen und empirisch am Beispiel der Sdtiroler Minderheit in Italien berprfen.

    1. These: Nationale Wahlsysteme knnen die Vertretung einer Minderheit durch eine

    ethnoregionale Partei strken und schwchen.

    2. These: Proporzsysteme erleichtern die Vertretung von Minderheiten nur, wenn diese

    gebietsmig zerstreut sind, aber wirken eher nachteilig, wenn diese in einem geschlossenen

    Siedlungsgebiet leben.

    3. These: Mehrheitswahlsysteme mit Einer-Wahlkreisen frdern die Vertretung von

    nationalen Minderheiten, wenn diese in geschlossenen Siedlungsgebieten leben.

    4. These: Die Wahlkreiseinteilung kann Minderheiten begnstigen oder benachteiligen. Je

    weiter die Wahlkreise ber das Siedlungsgebiet hinaus auf weitere Regionen erweitert

    werden, desto kleiner wird die Quote, die diese Minderheit ausmacht und umso schwieriger

    eine Vertretung.

    5. These: Wenn gleich das Proporzsystem grundstzlich gnstig fr verstreute Minderheiten

    ist, benachteiligen Sperrklauseln und Mehrheitsprmien Minderheiten und knnen diese

    sogar ausschlieen.

  • Einfhrung und Problemstellung

    20

    3 Theoretischer und methodischer Zugang

    Um auf dem bestehenden Wissenstand aufzubauen, sollen zunchst an Hand der wissenschaftlichen

    Literatur die theoretischen Grundlagen ber die Wahlsysteme systematisch dargestellt und

    untersucht werden. Wichtig ist dabei, vor allem die Instrumente kennenzulernen und sie auf ihre

    Auswirkungen zu untersuchen. Das erfolgt im Kapitel 1.

    In einer Feinabstimmung dieser Instrumente kann man dann die Auswirkungen auf die Vertretung

    von Minderheiten allgemein und auf sprachliche Minderheiten im Besonderen messen. Dazu sollen

    auch die politischen Organisationsformen von ethnischen Minderheiten und speziell die

    ethnoregionalen Parteien dargestellt werden, die eine wichtige Rolle zur Wahrnehmung der

    Interessen und der Mitsprache darstellen. Bedeutungsvoll sind auch die Grundstze des Europarates

    fr das Wahlrecht. In einigen europischen Lndern gibt es wichtige Sonderbestimmungen fr

    Minderheiten. Wir werden diese, sowie deren Auswirkungen in einem Panoramabild beleuchten

    und vergleichen. Das erfolgt im Kapitel 2.

    Der Kernaufgabe stellen wir uns im Kapitel 3. Wir untersuchen die eingangs aufgestellten Thesen

    empirisch am Beispiel der Vertretung der Sdtiroler im Parlament, zunchst am Deutschen Verband

    (DV), der schon 1921 Abgeordnete nach Rom entsandte, ab 1948 an der Sdtiroler Volkspartei

    (SVP), die seitdem die Sdtiroler Minderheit im italienischen Parlament vertritt.14

    Beides sind

    typische regionale ethnische Minderheitenparteien. Im Besonderen beleuchten wir die

    Auswirkungen folgender Reformen: der faschistischen Wahlreform von 1923, des vorwiegenden

    Proporzsystems im demokratischen Italien ab 1948, der nderung der Senats-Wahlkreise15

    in

    Trentino Sdtirol im Jahre 1992, der Reformen des italienischen Wahlsystems von 1993 und 2005.

    Gegen die nderungen des staatlichen Wahlgesetzes, im Konkreten gegen die Einfhrung einer

    Prozenthrde im Jahre 1993, gab es auch Verfahren beim italienischen Verfassungsgerichtshof und

    bei der Europischen Kommission fr Menschenrechte, die ebenfalls Gegenstand dieser

    Untersuchung sein werden. Ein Przedenzfall aus Belgien bietet sich ebenfalls dafr an.

    Dabei soll die Studie nicht bei einer formalen Beschreibung der einzelnen Wahlgesetze und der

    Sonderregelung fr Minderheiten stehen bleiben, sondern auch empirisch die Wahlergebnisse, die

    Mandate und die Bndnisse beleuchten, die sich auf Grund der nderung der Wahlsysteme ergeben

    14

    Zur Geschichte des Deutschen Verbandes und der SVP vgl Holzer, A. (1991), sowie Pallaver, G. (2007) S 629 ff,

    Peterlini, O. (2009 de) (2008a, de). 15

    Das italienische Wahlgesetz unterscheidet circoscrizioni (grere Wahlbezirke), die eine Region oder Teile derselben

    oder auch mehrere Regionen umfassen knnen, sowie collegi (Wahlkreise), in der Regel Einer-Wahlkreise, auer dem

    Collegio unico nazionale, dem nationalen Wahlkreis, der ganz Italien umfasst.

  • Einfhrung und Problemstellung

    21

    haben. Es geht dabei vor allem um jene Wahlergebnisse, welche dem Einfluss staatlicher

    Wahlnderungen unterlagen. Diese werden im Detail auf ihre Auswirkungen untersucht. Um aber

    trotzdem einen Gesamt-berblick zu bieten, werden alle Wahlgnge und deren Ausgang von 1921

    bis 2008 dargestellt.16

    Das Kapitel 4 befasst sich mit den Plnen zur Reformierung der Wahlgesetze in Italien, die nicht

    oder noch nicht zum Tragen gekommen sind und wagt somit einen Blick in die Zukunft, immer aus

    der Sicht der Minderheiten. Eine Kritik am bestehenden System rundet das Thema ab.

    Im Kapitel 5 werden die Schlussfolgerungen gezogen und die zu Beginn aufgestellten Thesen

    werden an den erworbenen Erkenntnissen berprft.

    Das abschlieende Kapitel 6 bringt einen berblick ber die verwendete Literatur und die Quellen,

    sowie Hinweise zum Autor und seinen Schriften.

    16

    Eine kurze Fassung dieser Arbeit, ohne den theoretischen Teil ber die Wahlsysteme, deren Auswirkungen auf die

    Minderheiten in Europa , den internationalen Vergleich und ohne vergleichende Literatur in: Peterlini O. (2009 de); ein

    erster Aufsatz in: Peterlini O. (2008a, de).

    Die wichtigsten Daten und Ergebnisse der Studie werden in Tabellen und Schaubildern

    dargestellt. Diese bildeten auch die Grundlage fr eine Lehrveranstaltung, die der Verfasser

    als Gastreferent an der Fakultt fr ffentliches Recht am Institut fr italienisches Recht der

    Universitt Innsbruck im April 2010 zu folgendem Thema hielt: Wahlrecht, Wahlsysteme,

    italienische Wahlgesetze und Reformen und ihre Auswirkungen auf Minderheiten. Sie sollen

    dazu beitragen, die komplizierte Materie der Wahlsysteme mglichst bersichtlich und

    verstndlich darzustellen.

  • Einfhrung und Problemstellung

    22

    Alle vier Jahre machen die Whler ihr Kreuz.

    Und hinterher mssen sie's dann tragen.

    Ingrit Berg-Khoshnavaz (*1940)

    deutsche Satirikerin

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

    und Auswirkungen

    23

    1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze und Auswirkungen

    1.1 Die Wahlsysteme und ihre Typologien

    1.1.1 Was sind Wahlsysteme?

    Wahlsysteme, sagte Maurice Duverger, "sind seltsam Gerte: gleichzeitig Kameras und

    Projektoren. Sie registrieren Bilder, die sie teilweise selbst erstellt haben".17

    Damit beschrieb er

    bildlich, dass Wahlsysteme nicht nur die Wahlergebnisse registrieren und in Sitze umrechnen,

    sondern auch Einfluss nehmen auf das politische System.

    Der Begriff Wahlsystem kann in einem engeren oder einem weiteren Sinne verstanden werden. Im

    weiteren Sinne umfasst er alles, was den Wahlprozess betrifft, einschlielich des Wahlrechtes und

    der Wahlorganisation. In Anlehnung an Dieter Nohlen wollen wir den Begriff im engeren Sinne

    verwenden. In seinem Standartwerk Wahlrecht und Parteiensystem (2007) befasst sich Nohlen

    mit der Theorie und Empirie der Wahlsysteme und untersucht deren Auswirkungen auf die

    Parteiensysteme.18

    Abb. 3: Definition von Wahlsystem

    17

    Duverger, M. (1984) S 34. 18

    Nohlen, D. (2007) S 61.

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

    und Auswirkungen

    24

    Unter Wahlsystem im engeren Sinne verstehen wir den Modus, mit dem die Whler ihre Partei und

    ihre Kandidatenprferenz ausdrcken und mit dem diese in Mandate bertragen werden. Mit den

    Wahlsystemen werden Stimmenergebnisse (data of votes) in Mandate (parliamentary seats)

    umgewandelt. Wahlsysteme regeln hierfr die Einteilung der Wahlkreise, die Wahlbewerbung, die

    Abgabe der Stimmen und die Stimmverrechnung.

    Abb. 4: Wahlsysteme im engeren Sinn

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

    und Auswirkungen

    25

    1.1.2 Was ist Wahlrecht?

    Wahlrecht ist das Recht zu whlen und gewhlt zu werden. Das Wahlrecht regelt die

    Voraussetzungen hierfr. So selbstverstndlich heute das allgemeine Wahlrecht ist, so lange war der

    Weg dazu. Denken wir nur an das Wahlrecht fr Frauen, das in Italien 1946 eingefhrt wurde.

    Abb. 5: Definition des Wahlrechtes

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

    und Auswirkungen

    26

    1.1.3 Was regeln Wahlsysteme?

    Die wichtigsten technischen Regelungen von Wahlsystemen betreffen folgende Elemente:

    - die Einteilung von Wahlkreisen: nach mglichen verschiedenen Ebenen, ihre regionale

    Verteilung, ihre Gre,

    - die Wahlbewerbung: Einzelkandidatur oder Liste, Listenformen (starre Liste, los gebundene

    Liste oder freie Liste), Listenverbindung,

    - die Stimmgebung: Der Whler hat dabei folgende Mglichkeiten: Nur eine Stimme

    (Einzelstimmgebung), Prferenzstimme fr Kandidaten, Mehrstimmgebung, Beschrnkte

    Mehrstimmgebung (weniger Stimmen als zu Whlende), Alternativstimmgebung (Zweit- Dritt-

    oder Viertprferenzen), Stimmen-Kumulierung (mehrere Stimmen fr einen Kandidaten),

    Panaschieren (Kandidaten auf verschiedenen Listen whlen), Zweitstimmen (eine fr den

    Wahlkreis; eine fr die Liste),

    - die Stimmenverrechnung: Majorzsystem (mit relativer oder absoluter Mehrheit) oder

    Proporzsystem (nach Hchstzahl-Verfahren oder Wahlzahl-Verfahren, mit oder ohne

    Sperrklausel), sowie mgliche Kombinationen in kombinierten Systemen.

    Die Bedeutung des Wahlsystems ist in der Wissenschaft und in der Politik umstritten. Einige

    Wissenschaftler verbinden mit dem Wahlsystem das Schicksal der Demokratie.

    Abb. 6: Missbrauch von Wahlsysteme

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

    und Auswirkungen

    27

    So fhrt etwa Ferdinand A. Hermens den Untergang der Weimarer Republik auf die Verhltniswahl

    zurck.19

    Das mag sicher bertrieben sein, aber genauso falsch wre es, den Einfluss von

    Wahlsystemen auf die Demokratie zu unterschtzen.

    19

    Hermens, F. A. (1941) (1968).

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

    und Auswirkungen

    28

    1.1.4 Die Wahlkreiseinteilung

    Eine besondere Bedeutung fr die Wahlchancen der politischen Parteien ist die Einteilung der

    Wahlkreise. Die Wahlkreise knnen unterschiedlich gro sein. Es gibt die Mglichkeit,

    Einerwahlkreise zu errichten, in denen ein einziger Abgeordneter zu whlen ist, oder

    Mehrpersonen-Wahlkreise, in denen mehrere Abgeordnete gewhlt werden knnen. Es gibt auch

    sogenannte nationale Wahlkreise, bei denen das gesamte Staatsgebiet den Wahlkreis bildet. Der

    demokratische Grundsatz lautet, dass jede Stimme den gleichen Zhlwert haben soll. Das bedeutet,

    dass es auf einen zu whlenden Abgeordneten die gleiche Anzahl an Whlern treffen sollte. Immer

    sollte deshalb das Verhltnis der Bevlkerung, oder noch besser der Wahlberechtigten

    bercksichtigt werden.

    Die Einteilung kann zu bewussten oder unbewussten Manipulationen fhren, beispielsweise in der

    Bildung von groen oder kleinen Wahlkreisen bei Mehrpersonen-Wahlkreisen, in der

    geographischen Abgrenzung, im Stadt Land Verhltnis, in der mangelnden Bercksichtigung der

    Migration usw. Bei Mehrpersonen-Wahlkreisen geht es nicht nur um eine verhltnismige

    Bercksichtigung der Bevlkerung zu den zu Whlenden, sondern auch um die Gre. Je grer der

    Wahlkreis ist und umso mehr zu Whlende sind, desto mehr wird das System proportional. Dies

    frdert kleinere Parteien und Minderheiten, welche in kleinen Wahlkreisen untergehen. Je kleiner

    nmlich der Wahlkreis ist, umso hher wird die natrliche Wahlhrde; in einem Einer-Wahlkreis ist

    sie am hchsten. Dort schafft es nur die im Wahlkreis strkste Partei oder Parteiengruppe, whrend

    die Minderheiten untergehen. In kombinierten Wahlsystemen, die wir spter betrachten, kann durch

    ein Proporzsystem auf Staatsebene ein Ausgleich zu den Nachteilen der Einer-Wahlkreise gefunden

    werden, wie es beispielsweise in Deutschland der Fall ist. Die bewusste, knstliche Ziehung von

    Grenzen der Wahlkreise zum Schaden von bestimmten Gruppen nennt man Gerrymandering. Dabei

    wird die unterschiedliche Streuung der Whlerschaft ausgentzt. Ein solcher Plan wurde

    beispielsweise im aufflammenden Faschismus gegen die Sdtiroler Minderheit ausgeheckt, um sie

    auf zwei groe Wahlkreise zu verstreuen und sie, die auf ihrem Gebiet die Mehrheit stellen, in die

    Minderheit zu setzen.20

    Die regionale Verteilung kann ebenfalls zum Problem werden. Auch wenn der Schlssel einer

    gerechten Reprsentation bercksichtigt wird, kann es zu Verzerrungen kommen. In der Regel

    werden nmlich die Wahlkreise nicht einheitlich gebildet, das heit mit gleich vielen Einwohnern

    und gleich viel zu Whlenden, sondern nach Verwaltungseinheiten. Das kann dazu fhren, dass in

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

    und Auswirkungen

    29

    den Ballungszentren groe Wahlkreise gebildet werden und am Lande kleinere, mit den eben

    beschriebenen Folgen fr die kleineren Parteien, die am Lande, in den kleineren Wahlkreisen

    benachteiligt wren.

    Die Gre des Wahlkreises beeinflusst nicht nur das Verhltnis zwischen Stimmen und Mandaten,

    sondern auch das Verhltnis zwischen Whlern und Gewhlten. Im Einerwahlkreis hat der Whler

    die Auswahl zwischen verschiedenen Persnlichkeiten, die er besser kennt, als in groen anonymen

    Wahlkreisen, wo die Kandidaten oft kaum bekannt sind. Wenn es sich zudem um starre Listen

    handelt, bei denen es keine Vorzugsstimmen gibt, wird die Beziehung zwischen Whler und

    Gewhlten weiter entfremdet.21

    20

    Vergleich Kap 3.2.3 Die Wahlreform von 1923 und der Untergang der Demokratie. 21

    Nohlen, D. (2007) S 86-102.

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

    und Auswirkungen

    30

    1.1.5 Die Wahlsysteme nach der Stimmenverrechnung: Majorz und Proporz

    Abb. 7: Die Einteilung der Wahlsysteme nach Majorz und Proporz

    Nach der Wahlkreis-Einteilung ist die Stimmenverrechnung und Umwandlung in Mandate der

    zweitwichtigste Mechanismus. Dafr gibt es grundstzlich zwei Systeme, das Mehrheits-

    Wahlsystem (Majorz) und das Verhltnis-Wahlsystem (Proporz). Dazwischen gibt es verschiedene

    kombinierte Formen. Je nachdem welches von den beiden Systemen berwiegt, werden diese

    kombinierten Systeme dem Majorz oder dem Proporz zugeteilt. Dieter Nohlen hat die meisten der

    verschiedenen Mischformen klassifiziert und einem der beiden Systeme zugeteilt und kommt dabei

    auf je fnf Wahlsysteme fr den Majorz und den Proporz.22

    Trotzdem verbleiben einige

    kombinierte Formen, die sich nur schwerlich dem einen oder anderen System zuteilen lassen.

    22

    Nohlen, D. (2007) S 192.

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

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    31

    Abb. 8: Die Klassifizierung der Wahlsysteme nach Nohlen

    1.1.6 Das Mehrheitswahlsystem (Majorz-System)

    Abb. 9: Die Mehrheitswahl

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

    und Auswirkungen

    32

    Beim Mehrheitswahlsystem, wird das Staatsgebiet in viele kleine Einer-Wahlkreise aufgeteilt. In

    jedem Wahlkreis wird ein einziger Kandidat gewhlt. Die Wahl gewinnt, wer die meisten Stimmen

    erzielen kann. Er allein gewinnt, alle anderen Stimmen sind verloren.

    Die Mglichkeiten, die sich beim Mehrheitswahlsystem bieten, sind grundstzlich zwei. Man

    verlangt vom Sieger entweder die einfache (relative) Mehrheit, oder die absolute Mehrheit.

    - Die einfache Stimmenmehrheit (Relatives Mehrheitswahlsystem, Plurality-System): Wer mehr

    Stimmen im Wahlkreis erzielt als die Mitbewerber (relative Mehrheit), ist der oder die

    Gewinner/in.

    - Die absolute Stimmenmehrheit (Absolutes Mehrheitswahlsystem, Majority-System). Es

    gewinnt, wer im Wahlkreis die absolute Mehrheit (mehr als 50%) der Stimmen erzielt; wenn

    diese im ersten Wahlgang nicht erreicht wird, erfolgt eine Stichwahl. Die politische Bedeutung

    der Stichwahlen, liegt in der Bedeutung, die kleine Parteien erhalten, weil sie fr die groen

    Parteien die entscheidenden Stimmen liefern knnen.

    Abb. 10: Gliederung des Majorz

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

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    33

    1.1.6.1 Das relative Mehrheits-Wahlsystem in Grobritannien

    Grobritannien ist ein klassisches Beispiel fr die relative Mehrheits-Wahl. Das ganze Land wird

    (seit 2010) in 650 Wahlkreise (Constituencies) eingeteilt. In jedem Wahlkreis gewinnt, wer die

    Mehrheit erzielt, also mehr Stimmen hat als seine Herausforderer.

    Abb. 11: Relative Mehrheitswahl in Grobritannien

    Abb. 12: Wahlkreise in Grobritannien

    Quelle: http://www.parliament.uk/about/how/elections/general.cfm.

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

    und Auswirkungen

    34

    Fr die Sitzverteilung im Unterhaus (House of Commons) und die Regierungsbildung ist demnach

    alleine die Zahl der gewonnenen Wahlkreise ausschlaggebend, nicht der prozentuale Stimmenanteil

    insgesamt. Das bedeutet, dass der Prozentsatz an Whlerstimmen, den eine Partei insgesamt

    landesweit auf sich vereinen kann, nicht entscheidend ist fr die Zahl ihrer Sitze im Unterhaus. So

    erreichte zum Beispiel die Labour Party bei den Unterhauswahlen im Jahr 2005 mit rund 35% der

    Stimmen ber 55% der Sitze im Parlament.

    Das Mehrheitswahlrecht kann in seltenen Fllen auch dazu fhren, dass Parteien mit den meisten

    Whlerstimmen sich in der Opposition wiederfinden, wie die Labour Party bei den Wahlen 1951

    oder die Konservative Partei bei den Wahlen im Februar 1974. Die Befrworter des

    Mehrheitswahlrechts verweisen darauf, dass das bestehende britische Wahlrecht in der Regel fr

    klare politische Verhltnisse sorge, d.h., die relative Stimmenmehrheit einer Partei fr eine absolute

    Zahl der Sitze im Unterhaus ausreichend sei. 23

    1.1.6.2 Das absolute Mehrheits-Wahlsystem in Frankreich

    Frankreich bietet das klassische Beispiel fr das absolute Mehrheitswahlsystem. Die Assemble

    Nationale besteht aus 577 Abgeordneten, die in ebenso vielen Einer-Wahlkreisen gewhlt werden.

    Abb. 13: Absolute Mehrheitswahl in Frankreich

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

    und Auswirkungen

    35

    Um gewhlt zu werden, muss man die absolute Mehrheit im Wahlkreis erringen und mindestens ein

    Viertel der Wahlberechtigten muss an der Wahl teilgenommen haben. Anderenfalls erfolgt eine

    Stichwahl eine Woche spter. Daran nehmen die Kandidaten teil, die mindestens 12,5% der

    gltigen Stimmen des Wahlkreises erzielt haben. Wenn nur ein Kandidat dieses Quorum erreicht,

    wird auch der nchste Meistgewhlte zugelassen, auch wenn er nicht die 12,5% erreicht hat. Bei der

    Stichwahl gengt die relative Mehrheit der Stimmen.

    Abb. 14: Wahlkreise in Frankreich

    Ein Mehrheitswahlsystem, besonders mit der einfachen Mehrheit (nach dem Plurality-System)

    bevorzugt grundstzlich die groen Parteien, whrend kleinere Parteien, die keine territoriale

    Konzentration darstellen, riskieren keinen einzigen Sitz zu erzielen. Das gilt allerdings nicht

    unbedingt fr ethnoregionale Parteien oder Minderheiten, die eine konzentrierte Prsenz in einem

    oder mehreren Wahlkreisen aufweisen.

    23

    Bartsch, K./ Krmer, J. (2010).

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

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    36

    Abb. 15: Auswirkungen der Mehrheitswahl

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

    und Auswirkungen

    37

    1.1.6.3 Die Einteilung der Mehrheitswahl nach Nohlen

    Nohlen teilt die Mehrheits-Systeme in fnf Kategorien ein und weist die kombinierten Systeme,

    wenn das Mehrheitssystem berwiegt, diesem System zu. Die ersten beiden Systeme sind die

    klassischen, die anderen kombinierte Systeme.

    Abb. 16: Die fnf Mehrheitswahl-Systeme nach Nohlen

    Sogar die Verhltniswahl in kleinen Wahlkreisen wird de facto zu Recht dem Mehrheits-

    Wahlsystem zugeordnet: Je kleiner der Wahlkreis und damit je weniger zu Whlende, desto mehr

    nhert man sich dem Majorz. Wenn der Wahlkreis nur mehr einen zu Whlenden vorsieht, handelt

    es sich um das klassische Majorz-System.

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

    und Auswirkungen

    38

    1.1.7 Das Verhltniswahlsystem (Proporz-System)

    Abb. 17: Verhltniswahl

    Whrend bei der Mehrheitswahl gewinnt, wer die relative oder absolute Mehrheit der Stimmen

    gewinnt, entscheidet bei der Verhltniswahl der Anteil der Stimmen ber die Verteilung der

    Mandate.24

    Grundstzlich sollen alle Parteien entsprechend ihrer verhltnismigen Strke im

    Parlament vertreten sein. Damit kommen auch kleine Parteien zum Zuge, auch wenn sie territorial

    versprengt sind, aber auf Staatsebene die notwendigen Stimmen fr mindestens einen Sitz im

    Verhltnis dazu erzielen knnen. Das System fhrt in der Regel zu einer starken Zersplitterung der

    Parteienlandschaft und kennzeichnet auch das italienische Parteien-System bis herauf zu den

    jngsten Wahlreformen.

    Damit kommen auch kleine ethnoregionale Parteien zum Zug, und zwar im Verhltnis zu ihrer

    Strke. Allerdings bedeutet das nicht grundstzlich, dass dieses System besser fr ethnoregionale

    Parteien sei. Wenn diese nmlich territorial konzentriert in den entsprechenden Wahlkreisen den

    Charakter einer lokalen Mehrheitspartei aufweisen, knnte das Mehrheitswahlsystem fr sie

    vorteilhafter sein. Auch das soll Gegenstand dieser Untersuchung sein.

    24

    Nohlen, D. (2007) S 140.

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

    und Auswirkungen

    39

    1.1.7.1 Kategorien der Verhltniswahl

    Bei der Klassifizierung der Wahlsysteme weist Nohlen die kombinierten Systeme weist er der

    Mehrheits- oder der Verhltniswahl zu, je nachdem welche Charakteristika berwiegen. Wenn also

    die proportionalen Zge berwiegen, zhlt er sie zum Proporz. Die klassischen Proporz-Systeme

    sind:

    - die Verhltniswahl in relativ groen Mehrpersonen-Wahlkreisen (die erste in der Abbildung),

    wie in Spanien, Portugal und zT in Italien und

    - die reine Verhltniswahl, wie in den Niederlanden und in Israel, ohne jegliche Hrden (letzte in

    der Abbildung): Es gibt nur mehr einen einzigen Wahlbezirk. Das ist ohne jegliche

    Verzerrungen - das perfekte Proporzsystem.

    Dazwischen liegen verschiedene kombinierte Systeme (in der Abbildung die Systeme 2 bis 4).

    Abb. 18: Die fnf Verhltniswahl-Systeme nach Nohlen

    1.1.7.2 Natrliche und normative Hrden

    Je hher die Hrden und je kleiner die Wahlkreise (natrliche Hrden), desto mehr nhert man sich

    dem Gegenteil, nmlich dem Mehrheits-Wahlsystem.

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

    und Auswirkungen

    40

    Abb. 19: Natrliche und normative Hrden

    1.1.8 Methoden der Mandatszuteilung beim Proporz

    Im Proporzsystem werden die Sitze den Parteien im Verhltnis zu ihrem Wahlergebnis zugeteilt.

    Abb. 20: Zuteilung der Sitze im Verhltnis der Stimmen

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

    und Auswirkungen

    41

    Mandats- oder Sitzzuteilungsmethoden sind Verfahren der proportionalen Vertretung, wie sie bei

    der Verhltniswahl bentigt werden, um Whlerstimmen in Abgeordnetensitze umzurechnen. Man

    unterscheidet zwei Gruppen von Sitzzuteilungsverfahren:

    a. das Hchstzahlverfahren (auch Divisorenverfahren genannt) und

    b. das Wahlzahlverfahren oder Quotaverfahren.

    Abb. 21: Was sind Mandats- oder Sitzzuteilungsmethoden?

    O.Peterlini: Wahlsysteme

    Univ.Innsbruck 12.4.2010

    31

    Mandatszuteilungsmethoden

    Sind Verfahren der proportionalen Vertretung, wie sie bei der Verhltniswahl

    bentigt werden, um Whlerstimmen in

    Abgeordnetensitze umzurechnen

    Man unterscheidet zwei Gruppen von Sitzzuteilungsverfahren:

    Hchstzahlverfahren

    oder Divisorenverfahren

    Wahlzahlverfahren

    oder Quotenverfahren

    Abb. 22: Die zwei Methoden der Mandats- oder Sitzzuteilung beim Proporz

    O.Peterlini: Wahlsysteme

    Univ.Innsbruck 12.4.2010

    32

    Proporz

    Verfahren der

    Mandatszuteilung

    Hchstzahlverfahren oder

    DivisorenverfahrenWahlzahlverfahren oder

    Quotenverfahren

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

    und Auswirkungen

    42

    1.1.8.1 Das Hchstzahlverfahren (oder Divisorenverfahren)

    Bei diesem Verfahren versucht man alle Mandate schon in der ersten Zuteilung so zu verteilen, dass

    keine Restsitze in einem Restverfahren zugeteilt werden mssen. Das Ziel ist dabei auch eine

    mglichst gleichmige Stimmenanzahl (Wahlziffer oder Wahlzahl) festzulegen, die es fr einen

    Sitz braucht.

    Die Kosten fr einen Sitz sollen fr alle mglichst gleich hoch sein, was beim Wahlzahlverfahren

    (Quotaverfahren) nicht der Fall ist, weil Restsitze brig bleiben und diese gnstiger (um weniger

    Stimmen) zu erhalten sind, was eine Chance fr kleine Gruppen darstellt.

    Um eine Zuteilung aller Sitze in einer einzigen Division ohne Restsitze zu erzielen, kann man auch

    die Stimmenanzahl schtzen, die es fr einen Sitz braucht, ohne dass Restsitze brig bleiben. Jede

    Partei erhlt dann soviel Sitze, wie oft sie diese Stimmenanzahl voll aufbringen kann. Wenn

    beispielsweise die Wahlzahl 7.000 ist und eine Partei 21.000 oder mehr Stimmen erhalten hat,

    bekommt sie drei Sitze, ab 28.000 vier Sitze.

    Die notwendige Stimmenanzahl fr einen Sitz wird Wahlzahl oder Wahlziffer genannt. Um sie zu

    errechnen, dividiert man die Gesamtzahl aller Partei-Stimmen durch einen gemeinsamen Divisor

    (Zahl der Mandate + n), der geschtzt werden muss. Man schaut dann, wie oft diese Wahlzahl in

    der Stimmenanzahl der Parteien Platz hat. Diesen Divisor muss man schtzen und so lange

    probieren und austauschen, bis er so passt, dass alle Sitze in einem Gang vergeben sind. Dieses

    Verfahren, bei dem man den Divisor probieren muss, nennt man Zweischrittverfahren.

    Abb. 23: Die Schtzung der Wahlzahl

    O.Peterlini: Wahlsysteme

    Univ.Innsbruck 12.4.2010

    39

    Schtzung der Wahlzahl

    Mandate werden schon in der 1.Zuteilung so verteilt, dass keine Restsitze brigbleiben.

    Ziel: gleichmige Wahlzahl fr alle, Kosten fr einen Sitz fr alle gleich hoch, was bei den Restsitzen nicht der Fall ist.

    Stimmen durch einen Divisor teilen, der geschtzt (oder probiert) werden muss (Sitzzahl + x), so dass alle Mandate in der 1. Zuteilung verteilt werden.

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

    und Auswirkungen

    43

    Zweischrittverfahren: Die Stimmen der Parteien werden durch einen geeigneten zu schtzenden

    Divisor (Stimmen pro Sitz) dividiert. Die Zahl lsst sich durch Probieren ermitteln. Eine gute

    Schtzung ist immer der Quotient aus Gesamtstimmenzahl und Gesamtsitzzahl. Die sich ergebenen

    Quotienten werden nach der Rundungsregel des Verfahrens auf ganze Zahlen gerundet. Ist die

    Summe der gerundeten Zahlen kleiner oder grer als die Anzahl der zu vergebenden Sitze, wird

    das Verfahren mit einem etwas kleineren bzw greren Divisor wiederholt, bis die festgelegte

    Gesamtsitzzahl vergeben wird. Der geeignete Divisor kann durch dieses zweistufige Verfahren

    effektiv bestimmt werden. Dieser Weg ist der schnellste fr Computerprogramme.25

    Hchstzahlverfahren: Viel einfacher kommt man mit dem Hchstzahlverfahren (oder

    Divisorenverfahren) zu einem vergleichbar hnlichen Ergebnis. Die Stimmen der Parteien werden

    durch eine Folge von Divisoren (zB durch 1, dann 2, dann 3 usw) geteilt. Dividiert werden immer

    die ursprnglichen Stimmen der jeweiligen Parteien (also nicht die sich ergebenden Quotienten).

    Die bei der Division erhaltenen Bruchzahlen werden auf- oder abgerundet. Bei der

    Standardrundung wird ein Bruchteilsrest ab- bzw. aufgerundet je nachdem, ob er kleiner oder

    grer als 0,5 ist; in den seltenen Sonderfllen, in denen mehrere Reste genau gleich 0.5 sind,

    entscheidet das Los.

    Abb. 24: Ein Beipiel fr das DHondt-Verfahren

    25

    Pukelsheim, F. (2002) S 83.

    O.Peterlini: Wahlsysteme Univ.Innsbruck 12.4.2010

    35

    D Hondt System (H ufig f r Restsitz - Verteilung)

    Stimmen Sitze Stimm. Sitze Stimm. Sitze Stimm. Sitze Stimmen Sitze

    Stimmen geteilt durch

    1 132.291 1 51.106 - 30.073 1 45.091 - 42.343 : 1

    1 66.145 - 25.333 - 15.036 - 22.545 - 21.166 : 2

    1 44.097 - 17.035 - 10.024 -

    15.030 - 14.111 : 3

    DC Laici MSI SVP PCI

    Verteilung von 5 Sitzen

    Wahlprognose Senat 1987 Peterlini

  • 1 Wahlsysteme, Typologien, Grundstze

    und Auswirkungen

    44

    Quelle: Peterlini, O. (1988c, de).

    Die hchsten Quotienten werden als Hchstzahlen bezeichnet. Sie werden danach absteigend nach

    ihrer Gre geordnet. Die Sitze werden in der Reihenfolge der grten sich ergebenen

    Hchstzahlen (den hchsten Quotienten) aller Parteien zugeteilt, solange, bis alle verfgbaren Sitze

    vergeben sind.

    Man schafft praktisch eine Tabelle, in der man die Parteien und darunter ihre Stimmen auf einer

    horizontalen Linie anfhrt. Vertikal hingegen werden links untereinander die Divisoren angefhrt,

    zB 1, 2, 3 usw, durch die die Parteistimmen nacheinander, Zeile fr Zeile, dividiert werden. Die

    hchsten Ergebnisse (Quotienten) sind eben die Hchstzahlen, denen die Mandate in absteigender