Warum Gott? Für Menschen, die mehr wissen wollen - Leseprobe

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Warum Gott?

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Theologie für die Gemeinde

Im Auftrag der Ehrenamtsakademie der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens herausgegeben von Heiko Franke und Wolfgang Ratzmann

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Wilfried Härle

Warum Gott? Für Menschen, die mehr wissen wollen

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Bibliographische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographischeDaten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2013 by Evangelische Verlagsanstalt GmbH · LeipzigPrinted in Germany · H 7593

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheber-rechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig undstrafbar.

Das Buch wurde auf alterungsbeständigem Papier gedruckt.

Cover und Coverfoto: Kai-Michael Gustmann, LeipzigLayout und Satz: Steffi Glauche, LeipzigDruck und Binden: BELTZ Bad Langensalza GmbH

ISBN 978-3-374-03143-6www.eva-leipzig.de

Wilfried Härle, Dr. theol., Jahrgang 1941,ist Professor em. für Systematische Theo-logie/Ethik an der Universität Heidelberg.Von 2002 bis 2005 war er Mitglied derEnquetekommission des Deutschen Bun-destages »Ethik und Recht der modernenMedizin« und bis 2010 Vorsitzender derKammer für Öffentliche Verantwortungder EKD. Heute lebt Härle als theologi-scher Autor und Vortragsreisender in Ost-fildern.

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»Gottes bedürfen ist des Menschen höchste Vollkommenheit« (S. Kierkegaard)

(Vier erbauliche Reden von 1844, in: GW 13./14. Abtlg.,

Gütersloh 1981, S. 5)

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Vorwort

Als ich in den Ruhestand ging, erhielt ich kurz hintereinandervon mehreren Personen die Aufforderung, nun solle ich –nach meiner »Dogmatik« – so etwas wie einen Laiendogmatikschreiben, also eine allgemein verständliche, aber nicht ober-flächliche Einführung in den christlichen Glauben. Ein solchesBuch werde heute dringend benötigt und werde auf großesInteresse stoßen. Diese Anregung fiel bei mir auf fruchtbarenBoden, sie traf »zufällig« kurze Zeit später mit dem Plan derEVA zusammen, eine mehrbändige »Theologie für die Ge-meinde« herauszugeben, deren ersten Band über Gott dieHerausgeber und die Verlagsleitung mir antrugen. Das istzwar weniger als eine komplette Laiendogmatik, aber im-merhin ein grundlegendes Stück daraus bzw. dafür.

Ich nahm dieses Angebot gerne an und machte mich andie Arbeit. Dabei halfen mir die Ergebnisse von Umfragenunter kirchlich engagierten Christenmenschen, die schrift-lich geäußert hatten, was sie sich von einem solchen Buchwünschten. Die Arbeit ging mir gut von der Hand, und sostand schon nach wenigen Monaten ein Rohentwurf, derverschiedenen Personen ohne wissenschaftliche theologi-sche Ausbildung zur Probelektüre gegeben wurde. Gleich-zeitig bat auch ich einige mir nahestehende Personen (theo-logischer und nicht-theologischer Herkunft) um einensolchen Lektüretest. Die Rückmeldungen zeigten, dass derRohling zwar für theologische Fachleute gut zu verstehenund interessant zu lesen war, theologischen Laien aber docherhebliche Verstehensprobleme bereitete.

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Ich hatte die Übersetzungsaufgabe offenbar unterschätztund musste mich noch einmal ans Werk machen. Dabei be-mühte ich mich, vor allem die Elemente zu vereinfachenoder wegzulassen, die als »schwierig« empfunden wordenwaren. Das waren einerseits Zitate von großen Theologenund Philosophen, andererseits Darstellungen und Erläute-rungen zu theologischen Auseinandersetzungen aus der Ge-schichte des Christentums. Ich erhielt wiederholt die Auf -forderung: »Schreiben Sie doch nicht, was andere dazugesagt haben, sondern schreiben Sie, was Sie selbst denken.«Das kommt dem sehr entgegen, wie ich meine bisherigenLehrbücher verstanden und geschrieben habe, aber ichmusste mich offenbar noch von vielen Auseinandersetzun-gen mit traditionellen Diskussionen (über Gottesbeweise,altkirchliche Dogmen, theologische Unterscheidungen etc.)lösen, die zwar zu meinem »inneren Haushalt« gehören,aber im Leben der allermeisten Menschen heute nicht ein-mal dem Namen nach bekannt sind und auch keine Rollespielen. Mich davon zu lösen, fiel mir schwer, weil es mir et-was undankbar denen gegenüber vorkam, die sich über Jahr-hunderte hin ernsthaft und scharfsinnig mit grundlegendenGlaubensfragen beschäftigt und respektable Ergebnisse er-zielt hatten. Ich vermerke das hier als eine Art Dankes- Ersatz, weil ich mich schließlich davon überzeugen ließ, dassder »Umweg« über die Riesen, auf deren Schultern wir sit-zen, für viele Menschen keine Hinführung zur Sache ist,sondern wie eine überflüssige Komplizierung wirkt.

Zugleich habe ich erneut gemerkt, wie heilsam der Zwangist, so einfach und direkt wie möglich zur Sache zu reden. Ichdanke deshalb den vielen Menschen, die in den zurücklie-genden Monaten einen Teil ihrer Lebenszeit verwendet

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(manches Mal sogar geopfert) haben, um mir beim Verfas-sen dieses Buches durch ihre Rückmeldungen, Fragen undAnregungen zu helfen, ein verständlicheres und doch nichtinhaltsärmeres Buch zu schreiben, als mir das ohne ihreHilfe möglich gewesen wäre. In mehreren Fällen war es so,dass Familienangehörige der genannten Personen ebenfallsTeile des Manuskripts gelesen und kommentiert haben.Auch davon habe ich profitiert. Sie seien darum in den Dankmit einbezogen.

Namentlich möchte ich ganz herzlich meiner Frau dan-ken, der ich jeweils als der ersten Zuhörerin die neu entste-henden Texte vorlesen durfte und aus deren spontanen undnachdenklichen Reaktionen ich eine Vielzahl an Verbesse-rungsvorschlägen erhalten habe. Ihr ist darum dieses Buchauch gewidmet.

Sodann möchte ich (in alphabetischer Reihenfolge) herz-lich danken Dr. Melanie Beiner, Dr. Rüdiger Gebhardt, Dr. Harald Goertz, Gertraud Kramer, Christoph Pfundstein,Carlos und Selma Steenbuck, die sich alle mit großer Auf-merksamkeit und Hingabe (teilweise mehrfach) in die neuentstehenden Texte vertieft und mir außerordentlich wert-volle Hinweise zu ihrer Bearbeitung gegeben haben. Durchsie hat das Buch erheblich gewonnen. Rüdiger Gebhardt undGertraud Kramer waren mir darüber hinaus beim Korrek-turlesen behilflich und haben mich so durch ihre diesbezüg-lichen Fähigkeiten spürbar entlastet.

Danken möchte ich auch den Herausgebern der Reihe»Theologie für die Gemeinde«, die geduldig, beharrlich, aberauch entgegenkommend dazu beigetragen haben, dass mirdie von ihnen anvisierte Leserschaft nicht aus dem Blick ge-riet. Dazu hat auch – und nicht zuletzt – Frau Dr. Weidhas als

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Verlagsleiterin beigetragen, die in dem sensiblen Kraftfeldzwischen Herausgebern, Autor und Verlag immer wiederfür die nötige Balance sorgte und so zum Finden von Lösun-gen beitrug, die von allen Beteiligten akzeptiert werdenkonnten.

Über den Aufbau des Buches gebe ich in Kap. 2.4 Aus-kunft. Die acht Kapitel haben alle denselben Aufbau: Siewerden eröffnet durch eine kleine (von mir erlebte) Szeneoder einen kurzen Text, durch die die praktische Bedeutungdes jeweils behandelten Themas veranschaulicht werdensoll. Es folgt dann als ausführlichster Teil die inhaltliche Entfaltung und Darstellung des jeweiligen Themas. Sie wirdabgeschlossen durch eine kurze Zusammenfassung des Kapitels, die nur wenige Zeilen umfasst. Der sich daran an-schließende Anhang enthält ergänzende Texte zum Themaaus der Bibel, aus der Dogmen- und Theologiegeschichte sowie aus der Philosophie und Literatur.* Die Worte »sieheunten« verweisen im Buch auf diese Anhänge.

Eine Vorform dieses Buches erschien in wesentlich kürze-rer Fassung unter dem Titel »Gottesverständnis« in dem vonPetra Freudenberger-Lötz und Ulrich Riegel herausgegebe-nen Jahrbuch für Kindertheologie (Sonderband), Stuttgart2011, S. 21–61. Ich danke rückblickend für diese Möglichkeiteiner Vorübung.

Eine Frühform des Buchmanuskripts trug den Arbeitsti-tel: »Sich auf Gott einlassen«. Sie hatte vor allem Menschenim Blick, die der christlichen Botschaft fremd, skeptisch oderablehnend gegenüberstehen. Ich habe mich aber schließlichdavon überzeugen lassen, dass dies nicht die Adressaten füreine Buchreihe sind, die »Theologie für die Gemeinde« ent-halten und fördern soll. Nach wie vor bin ich freilich davon

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überzeugt, dass es eine lohnende und wichtige Aufgabe dar-stellt, sich auch an die inzwischen große Zahl der »Fernste-henden« zu wenden, bei denen das Interesse am christlichenGlauben und an der Frage nach Gott nicht schon vorausge-setzt werden kann. Wenn das auch im einen oder anderenFall durch dieses Buch gelingen sollte, wäre mir das einegroße Freude.

Unser Land, dem der Glaube an Gott als Orientierungs-möglichkeit und Kraftquelle immer mehr abhanden kommt,braucht beides dringend: das Vertrauen auf Gott und dasVerstehen des Glaubens, und eines kommt ohne das anderenicht aus.

Ostfildern, den 23. September 2012 Wilfried Härle

* Bei allen Texten in diesem Band, die mit * gekennzeichnet sind,

wurde die Sprache zum Zwecke besserer Verständlichkeit leicht mo-

dernisiert. Einfügungen in Texten in runden ( ) und spitzen < >

Klammern stammen von den Verfassern der Texte, Einfügungen in

eckigen Klammern [ ] stammen vom Autor dieses Buches.

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Inhaltsverzeichnis

1 Wie kommen Menschen dazu, nach Gott zu fragen und von Gott zu reden? . . . . . . . . . . . . . . 17

1.1 Über die Anfänge des Suchens nach Gott in der Menschheitsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

1.2 Wie kommen Menschen in ihrer Lebensgeschichte mit »Gott« in Berührung?. . . . . . 21

1.3 Welche Gründe gibt es für die Frage nach Gott und das Reden von Gott? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

1.4 Wie gewinnen Menschen Erkenntnis Gottes? . . . . . 301.5 Die Bedeutung des Glaubens für die Erkenntnis

Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331.6 Welche Sprache ist dem Reden von Gott

angemessen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Ergänzende Texte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

2 Was meinen wir, wenn wir das Wort »Gott« gebrauchen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

2.1 Lässt sich das Wort »Gott« überhaupt inhaltlich bestimmen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

2.2 Ist »Gott« ein Begriff oder ein Name? . . . . . . . . . . . 522.3 Bedeutungen des Begriffs »Gott« . . . . . . . . . . . . . . . 532.4 Vom Gottesbegriff zum christlichen

Gottesverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Ergänzende Texte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

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3 In Jesus Christus Gott begegnen. . . . . . . . . . . . . . . . 793.1 Jesu Botschaft von der nahekommenden

Gottesherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 803.2 Der bis zum Kreuzestod Erniedrigte und

zu Gott Erhöhte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 873.3 Jesus Christus als der Sohn Gottes . . . . . . . . . . . . . . 923.4 Andere Zugänge zum Glauben an Gott . . . . . . . . . 101 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Ergänzende Texte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

4 Durch den Heiligen Geist Gott erkennen . . . . . . . 1124.1 Die Bedeutung der Lehre vom Heiligen Geist . . . . 1134.2 Die Bedeutung des Redens vom »Geist« . . . . . . . . 1164.3 Warum ist vom Heiligen Geist die Rede? . . . . . . . 1204.4 Der Heilige Geist als Gabe und als Geber . . . . . . . 1244.5 Was bewirkt der Heilige Geist?. . . . . . . . . . . . . . . . 1284.6 Die Gaben des Heiligen Geistes . . . . . . . . . . . . . . . 135 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Ergänzende Texte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

5 An Gott als den allmächtigen und gütigen Vater glauben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

5.1 Was bedeutet die Rede von »Gott dem Vater«? . . . 1445.2 Gott der Vater als der Schöpfer . . . . . . . . . . . . . . . . 1475.3 Die Eigenschaften Gottes des Vaters. . . . . . . . . . . . 1495.4 Ist das Leiden nicht »der Fels des Atheismus«? . . . 166 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Ergänzende Texte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

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6 Den dreieinigen Gott denken und bekennen . . . . . 1796.1 Die Bedeutung und Problematik

der Trinitätslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1806.2 Ein biblischer und dogmengeschichtlicher

Zugang zur Trinitätslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1846.3 Die Lehre von der ökonomischen und

immanenten Trinität Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1926.4 Ist die Trinitätslehre zu vermitteln? . . . . . . . . . . . . 197 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Ergänzende Texte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

7 Gottes Wirken erleben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2097.1 Von Gottes Wirken reden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2107.2 Gottes erlösendes und erhaltendes Wirken . . . . . . 2137.3 Gott wirkt nicht wie die Heinzelmännchen . . . . . . 2177.4 Wunder und Naturgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2217.5 Vom Sinn des Betens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Anhang: Die Lasten des Lebens besser tragen

können . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Ergänzende Texte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

8 Was fehlt(e) unserem Leben ohne den Glauben an Gott? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

8.1 Die Mehrdeutigkeit der Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . 2408.2 Die Bedeutung des Glaubens an Gott

für das Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2418.3 Die Bedeutung des Gottesverlustes . . . . . . . . . . . . 2598.4 Noch einmal: Woran du dein Herz hängst,

das ist dein Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

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Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Ergänzende Texte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

Hinweise auf neue Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272

Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 A Bibelstellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 B Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 C Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

Editorial zur Reihe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304

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1 Wie kommen Menschen dazu, nach Gott zufragen und von Gott zu reden?

Ein fünf Jahre altes Mädchen, das mit seinem Vater regel -mäßig sonntags in die Kirche ging, fragte eines Tages seineMutter: »Mama, warum gehst du eigentlich nicht mit in dieKirche?« Die Mutter antwortete: »Weil ich nicht an Gottglaube«. Darauf fragt das Kind ganz entgeistert: »Du weißtnicht, dass es Gott gibt?«

Die Mutter hatte das früher auch einmal »gewusst«. Siewar sogar Kindergottesdienstmitarbeiterin gewesen. Aberder Glaube an Gott war ihr abhanden gekommen. Für dasKind war er dagegen eine Selbstverständlichkeit.

Wie wird diese Geschichte weitergehen? Wird das Kindeines Tages auch ehrlicherweise sagen müssen: »Ich glaubenicht (mehr) an Gott«? Wird die Mutter eines Tages ehr -licherweise sagen können: »Ich glaube (wieder) an Gott«?Wie kommen Menschen zum Glauben an Gott? Oder sollteman lieber fragen: Wie kommt der Glaube an Gott zu Men-schen?

Die Frage, wie Menschen dazu kommen, nach Gott zu fra-gen, von Gott zu reden und an Gott zu glauben, ist für diesesganze Buch grundlegend wichtig, weil sie darauf hinweist,dass der Glaube an Gott sich nicht von selbst versteht. Gottunterscheidet sich von anderen »Gegenständen« unseres Er-kennens dadurch, dass er für unsere sinnliche Wahrneh-mung und für unser Denken nicht direkt zugänglich ist. Wirkönnen Gott nicht zeigen oder beweisen – uns nicht und an-deren nicht. Deswegen ist das Dasein Gottes auch umstrit-

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ten. Wer nicht über das hinaus Aussagen machen möchte,was für unser Erkennen verfügbar ist, wird dazu neigen, ent-weder (mit dem Atheismus) die Wirklichkeit Gottes zu be-streiten oder (mit dem Agnostizismus) zu behaupten, dasswir von Gott nichts wissen können. Wer jedoch nach Gottsucht, an Gott glaubt und darüber auch mit Nichtglauben-den ins Gespräch kommen möchte, tut gut daran, sich selbst,aber auch anderen darüber Rechenschaft zu geben, wie manzum Glauben an Gott und zur Erkenntnis Gottes gekommenist. Warum Gott? Das hat immer mit dem eigenen Denken,Leben und Erleben zu tun.

Will man verstehen, wie Menschen dazu kommen, nachGott zu fragen und von Gott zu reden, so kann man seineAufmerksamkeit auf unterschiedliche Aspekte richten:

– auf die Anfänge des Suchens nach Gott in der Mensch-heitsgeschichte (1.1),

– auf die Anlässe, durch die Menschen in ihrer Lebensge-schichte mit dem Wort »Gott« in Berührung kommen(1.2),

– auf die Gründe dafür, dass Menschen nach Gott fragen undvon Gott reden (1.3),

– auf die verschiedenen Weisen, wie Menschen zur Erkennt-nis Gottes gelangen (1.4).

Alle diese Fragen sind sinnvoll und wichtig. Sie sollen des-halb im Folgenden behandelt werden. Und daraus werdensich schließlich auch noch zwei weitere Fragen ergeben:

– welche Bedeutung bei alledem der Glaube hat (1.5) und – welche Sprache dem Reden von Gott angemessen ist (1.6).

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1.1 Über die Anfänge des Suchens nach Gott in derMenschheitsgeschichte

Die Frage nach den Anfängen des Gottesglaubens in derMenschheitsgeschichte lässt sich nicht mit Sicherheit be -antworten, weil sie sich auf etwas bezieht, was sich weitge-hend der Erforschung entzieht. Wir haben dafür keine ge-eigneten (zum Beispiel schriftlichen) Quellen, sondern sindauf undeutliche Spuren und Vermutungen angewiesen. Umso nahe wie möglich an die frühesten Wurzeln des Glaubensan Gott zu gelangen, kann man sich nicht auf Phänomenebeschränken, in deren Zusammenhang ein Wort für Gottvorkommt, sondern muss auch andere religiöse Phänomene,insbesondere Rituale, Symbole und andere Zeichen, in dieBeobachtungen einbeziehen.

In der menschlichen Entwicklungsgeschichte gab es zahl-reiche Einschnitte. Sie bezogen sich zum Beispiel auf die Le-bensräume und Werkzeuge, auf Ernährungs- und Jagdge-wohnheiten, auf die Beherrschung und Nutzung des Feuerssowie auf die Ausdrucksmöglichkeiten von Sprache undKultur. Einen besonders auffälligen und charakteristischenEinschnitt bildet das Aufkommen von Gebräuchen und Riten, die dafür sprechen, dass Menschen anfingen, über dieGrenzen des irdischen Lebens hinauszudenken. Das war al-lem Anschein nach erstmals beim Neandertaler der Fall:

»Die Neandertaler bestatteten ihre Toten und gaben ihnen Grab-

beigaben mit. Zum ersten Mal in der langen Geschichte der

Menschheitsentwicklung nahm man sich der Verstorbenen

an … Möglicherweise deuten die Bestattungen auch den Beginn

religiösen Verhaltens an, und es ist nicht völlig auszuschließen,

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dass die Neandertaler an ein Leben nach dem Tode glaubten«

(F. Schrenk, Die Frühzeit des Menschen, München 20034, S. 113 f.).

Damit entstand für die weitere Menschheitsentwicklung einVermächtnis von lang anhaltender Bedeutung, das auchnach dem Aussterben der Neandertaler übernommen undweitergetragen wurde. So ist für den Menschen der zurück-liegenden ca. 50 000 Jahre rituelle Praxis, die religiöse Be-deutung hat, ein charakteristisches Merkmal geworden. Dadurch unterscheidet sich dieser sogenannte »moderneMensch« von früheren menschlichen Entwicklungsstufenund von anderen Entwicklungslinien in der Evolution desLebendigen, da religiöse Rituale – soweit wir wissen – imTierreich nirgends vorkommen. Religion zeigt sich in derEvolution als etwas charakteristisch Menschliches.

Auch wenn im Blick auf solche frühen Bestattungsritualedie Frage, was über den Tod hinaus erwartet oder erhofftwurde, nicht eindeutig beantwortet werden kann, ist es dochvon Bedeutung, dass der Mensch in seiner Entwicklungsge-schichte den Zugang zur Religion anscheinend dadurchfand, dass er über das Lebensende hinaus dachte und fragte.Diese Sorge um das Schicksal der Toten verdient Beachtung.Die Körper der Verstorbenen verwesten doch sichtbar, löstensich also allmählich in ihre organischen Bestandteile auf.Warum gab man ihnen bei ihrer Bestattung trotzdem Nah-rungsmittel, Schminke und Amulette mit? Glaubte man anein Weiterleben nach dem Tod? Die in solchen Grabbeigabenzum Ausdruck kommende Vorsorge für die Existenz nachdem Tod blieb von da an ein fester Bestandteil menschlicherKultur und Religion. Sie weckt und nährt die Vermutung,dass der Mensch ein Ziel, eine Bestimmung und darum eine

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Bedeutung hat, die über den Tod als das Ende seiner irdi-schen Existenz hinausreicht. Damit ist zumindest der Bodenbereitet, auf dem sich Vorstellungen von Geistern und Gott-heiten entwickeln konnten, die als Richter, Begleiter, Retteroder Bundesgenossen im Jenseits gedacht werden konnten.Die menschliche Sehnsucht nach einer über dieses irdischeLeben hinausreichenden Erfüllung fand offenbar einen ihrerersten Haftpunkte in einer Hoffnung über den Tod hinaus.Das religiöse Fragen und Suchen verdankt sich also von An-fang an einem menschlichen Wissensdurst und dem Gefühleiner besonderen menschlichen Bestimmung. Neben demtechnischen Wissensdrang, der die Welt immer besser zu er-fassen, zu erklären und zu beherrschen versucht, gibt es imMenschen ein Fragen, Suchen und Verstehen-Wollen, dassich auf sein eigenes Dasein als Ganzes bezieht. Der Menschgibt sich nicht mit dem zufrieden, was vor Augen liegt, son-dern will verstehen, wohin das menschliche Leben ausge-richtet ist und worauf es letztlich hinausläuft.

1.2 Wie kommen Menschen in ihrer Lebensgeschichte mit »Gott« in Berührung?

Über viele Jahrhunderte hinweg kamen Kinder ganz selbst-verständlich durch das familiäre und kirchliche Leben, durchLieder, Geschichten, Tisch- und Abendgebete sowie durch denBesuch von Kirchen, Synagogen, Moscheen, Tempeln etc. undGottesdiensten mit »Gott« in Berührung. Das ist auch heut-zutage noch weithin (und außerhalb von Westeuropa sogarin zunehmendem Maße) der Fall, aber es ist nicht mehr überallselbstverständlich. Und Eltern, für die der Glaube an Gott

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selbst keine Rolle spielt, können ihren Kindern in dieser Hin-sicht auch kaum etwas davon vermitteln. Damit entschwindet»Gott« dem Leben vieler Menschen und verliert für die Ge-sellschaft an Bedeutung. Das gilt zwar nicht weltweit, wohlaber für große Teile Europas.

Die Frage nach Gott kann im Leben eines Kindes freilichauch gewissermaßen von selbst auftauchen, etwa in Formder Frage, wo die verstorbenen Großeltern jetzt seien. Unddamit meldet sich dann auch schon früh im Leben eines Kin-des ein Denken über den Tod hinaus an. Aber im Zentrumdes kindlichen Fragens steht doch eher das Wissenwollen,»wer das gemacht hat«: die Wolken, den Sand, das Meer, denHimmel, die Farben, die Luft, die Welt bzw., »woher das alleskommt«. Und im Zusammenhang mit der Beantwortungsolcher Fragen, die kein Ende nehmen wollen, lernen Kinderdann auch oft das Wort »Gott« kennen, wenn es ihnen nichtschon aus familiärer oder kirchlicher Praxis bekannt ist. Da-bei kann das Reden von Gott das aus Überzeugung kom-mende Bekenntnis zum Schöpfer der Welt sein, vielleicht istes aber gelegentlich auch nur Ausdruck der Verlegenheitmangels einer anderen, besseren Antwort.

Es scheint so, als führte die Frage nach dem »Woher?«und die immer neue Anwendung des Prinzips von Ursacheund Wirkung beim Nachdenken über die Welt fast vonselbst zum Gottesgedanken. Dabei wird Gott dann verstan-den als die erste Ursache für alles, was es als Welt und in derWelt gibt, oder als »Baumeister«, der die Welt so weise undgut geordnet hat, wie sie aus reinem Zufall wohl nie hätteentstehen und werden können.

Dieser Gedanke entspricht dem Empfinden und Denkenvieler Menschen im Blick auf die Frage nach Gott. Er zeigt,

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wie das Fragen und Suchen nach Gott aus der aufmerksamenBetrachtung der Welt entstehen und zum Glauben an Gottführen kann, ohne dass dies ein Beweis für Gott als Schöpferder Welt wäre. Zwischen der naturwissenschaftlichen Erfor-schung der Welt und dem Glauben an Gott als Schöpfer be-steht eine Wechselwirkung, die sich darin zeigt, dass derGlaube an einen Schöpfergott durch das Studium der Naturunterstützt wird und dass dieser Glaube zugleich das genaueStudium der Natur anregt. Am Beginn der Neuzeit war derSchöpfungsglaube deshalb ein starkes Motiv für die immergenauere Erforschung der Natur und hat die Entstehung derneuzeitlichen Naturwissenschaften entscheidend gefördert.

Auch in der individuellen Entwicklungsgeschichte desMenschen und in der Kulturgeschichte der Menschheit ist esalso das Bestreben nach einem besseren, umfassenderen Ver-stehen der Welt und des Lebens, das zum religiösen Nach-denken, Fragen und Suchen hindrängt. Dabei empfinden inunserer Zeit freilich viele Menschen die naturwissenschaft-lichen Hinweise auf »den Urknall« oder auf »die Evolution«als hinreichende und befriedigende Antworten, die sie nichtzum Weiterfragen veranlassen und die darum das diesbe-zügliche religiöse Interesse nicht wecken, sondern eher still-stellen.

Aber das Fragen nach Gott hat nicht nur eine Bedeutungfür das menschliche Verstehen (des Lebens und der Welt),sondern auch eine, die sich auf die normative Orientierungfür das menschliche Handeln bzw. Verhalten bezieht. Gottwird dabei häufig verstanden als der Gesetzgeber, der durchWerte und Normen, Gebote und Verbote der Welt eine ver-bindliche Ordnung gibt. Wenn diese Normen jedoch nicht imZusammenhang mit den Grundfragen nach dem Woher und

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Wohin menschlichen Lebens gesehen, sondern davon isoliertwerden, können sie wie willkürliche Gehorsamsforderungenseitens einer absolut überlegenen Macht wirken, die auf Be-folgung und Übertretung mit Belohnung und Bestrafung rea-giert. Aber religiöse Ge- und Verbote wollen als Hilfestellun-gen und Wegweiser für das Gelingen des Lebens verstandenwerden. Sie sind – biblisch gesprochen – »zum Leben gegeben«(Röm 7,10). Damit spielen sie nicht nur eine wichtige Rolle,um vor dem Urteil Gottes bestehen zu können, sondern dienenzugleich dem möglichst gedeihlichen Zusammenleben derMenschen. Solche Normen beziehen sich vor allem auf dieAchtung der Würde jedes Menschen, auf das soziale Leben,auf den Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit,auf die Respektierung und auf die Sozialpflichtigkeit des Eigentums sowie auf die Einhaltung der Rechts- und Frie-densordnung. Sie können sich aber auch auf den Umgang mitder außermenschlichen Natur beziehen. Dabei umfassen sieoft auch Vorschriften über Aussaat und Ernte, über Tierhal-tung und den Verzehr von Pflanzen und Tieren. Schließlichbeziehen sich solche Normen auch auf das religiöse Leben,sei es im Sinne allgemeiner Vorschriften für die Gottesbezie-hung oder im Sinne speziellerVorschriften für die Gestaltungkultischer Feiern, wie sie dem Willen Gottes entsprechen.

1.3 Welche Gründe gibt es für die Frage nach Gottund das Reden von Gott?

Gründe für die Frage nach Gott und für das Reden von Gotttauchten bereits in den beiden vorangegangenen Abschnit-ten auf. Sie lassen sich zusammenfassen in der Formulie-

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rung: Menschen versuchen, ihr Leben und ihre Welt im Ganzen zu verstehen, zu ordnen und zu gestalten, und siewerden dabei veranlasst, in jede Richtung über das hinaus zufragen, was ihrem Wahrnehmen und Denken unmittelbarzugänglich und insofern verfügbar ist. Das lässt sich verste-hen als Ausdruck einer für das Menschsein charakteristi-schen Sehnsucht nach Ganzheit und Erfüllung, ohne diedem Menschen Entscheidendes fehlen oder verloren gehenwürde.

Diese Sehnsucht stößt im Tod an eine unüberwindbar er-scheinende Grenze. Sie verschwindet dadurch jedoch nichtund kommt nicht zum Erliegen, sondern verwandelt sich ineine tastende Hoffnung über den Tod hinaus. AndereGründe für die Frage nach Gott und das Reden von Gott er-geben sich daraus, dass Menschen Erfahrungen machen,durch die sie – im Positiven oder im Negativen – tief bewegtoder sogar erschüttert werden und die förmlich nach einerMöglichkeit der Deutung und Verarbeitung schreien. SolcheErfahrungen können zum Anlass werden, die Gottesbezie-hung bewusster zu gestalten und zu vertiefen oder – siegrundlegend zu verändern, wenn nicht sogar zu verabschie-den. So ist für viele Menschen die Geburt eines eigenen Kin-des oder der Tod eines nahen Menschen ein Grund dafür,grundsätzlich über ihre Weltsicht nachzudenken. Ebensosind unerwartete Erfahrungen großen Glücks und Gelin-gens, aber auch unvorstellbare Einbrüche schweren Un-glücks oder Scheiterns Gründe dafür, nach einer umfassen-den Deutung der Wirklichkeit zu fragen, in der solcheErfahrungen und Erschütterungen ihren Ort finden kön-nen. Das Gemeinsame all dieser Gründe kann man wohl da-rin sehen, dass in solchen Krisen bisherige, vertraute und

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eingeübte Verstehens- und Deutungsmuster durch neue Er-fahrungen in Frage gestellt werden. Das kann dann nach einem veränderten Verständnis der Wirklichkeit verlangen,durch das die neuen, irritierenden Erfahrungen verarbeitetwerden können.

Dass es solche Erfahrungen im menschlichen Leben im-mer wieder gibt oder jedenfalls geben kann, würden vermut-lich auch die Menschen nicht bestreiten, die keinen Zugangzur Frage nach Gott oder gar zum Glauben an Gott haben.Aber von ihnen könnten gegen die bisherigen Überlegungenzwei Einwände erhoben werden. Sie könnten erstens fragen,wieso denn zur angemessenen Deutung der Lebenswirklich-keit oder zur Neuorientierung des Wirklichkeitsverständ-nisses eine Fragestellung nötig sei, die sich über das hinausrichtet, was unserer Wahrnehmung und unserem Denkendirekt zugänglich und verfügbar ist. Und sie könnten zwei-tens hinzufügen, was denn ein solches Fragen an zusätz -licher Erkenntnis erbringen könne, wenn doch klar sei, dassauf diesem Weg allenfalls ein »Glaube« gewonnen werdenkönne, der sich – im Unterschied zum Wissen – durch Un -sicherheit auszeichnet. Ist es demgegenüber nicht ehrlicherund nüchterner, auf alle »jenseitigen Spekulationen« zu ver-zichten und sich mit der innerweltlichen, aber durch Wissengestützten und insofern »sicheren« Erkenntnis zufriedenzu-geben? Das sind ernst zu nehmende Fragen, die übrigensauch den meisten Menschen, die an Gott glauben, nichtfremd sein dürften.

Warum sollte also die Frage über das hinaus, was uns un-mittelbar zugänglich ist, für die Gewinnung eines umfas-senden Lebens- und Wirklichkeitsverständnisses hilfreichoder gar notwendig sein? Die Antwort darauf ist implizit

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schon im Wort »umfassend« enthalten. Denn für alles, waswir umfassend, also im Ganzen und als Ganzes erkennenoder verstehen wollen, gilt, dass wir – zumindest in Gedan-ken – darüber hinausgehen müssen, um es überhaupt ganzwahrnehmen und erfassen zu können. Das gilt schon in demganz schlichten Sinn, dass die Grenzen bzw. Begrenzungeneines Erkenntnisgegenstandes sich nur bestimmen lassen,wenn man (zumindest gedanklich) über ihn hinausgeht, umseinen Anfang und sein Ende, das, was zu ihm gehört undwas nicht zu ihm gehört, das, was er ist und was er nicht ist,erfassen zu können. Darum gilt auch vom Menschen: Werden Menschen umfassend bzw. im Ganzen wahrnehmenund erkennen will, muss mehr als den Menschen in denBlick nehmen, muss über den Menschen hinaus denken,muss nach einem weiteren Horizont zumindest suchen oderfragen. Und in dem Maße, in dem sich dieses Erkenntnisin-teresse nicht nur auf das Verständnis des Menschen, sondernauf das Verständnis der Welt im Ganzen richtet, reicht eininnerweltlicher Zusammenhang, wie ihn zum Beispiel »dieGesellschaft« oder »die Geschichte« oder »die Evolution«oder »die Natur« darstellt, für das Verstehen nicht aus. Dennalle diese innerweltlichen Zusammenhänge sind ja selbstTeile der Weltwirklichkeit, die wir zu verstehen versuchen.

Damit ist aber die Frage noch nicht beantwortet, inwie-fern eine »Erkenntnis«, die den Charakter einer (bloßen)Glaubensgewissheit hat, einen Gewinn bringen könne, dertatsächlich über das für uns verfügbare Wissen hinausführt.Ja, man könnte die Frage sogar zu dem Einwand verschärfen,dass das bescheidene Eingeständnis des Nichtwissens überden Ursprung, die Verfassung und den Sinn der Wirklichkeitim Ganzen sogar den Vorzug verdiene gegenüber einer reli-

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giösen Deutung, weil es nicht in der Gefahr stehe, das eigeneNichtwissen durch angebliches Wissen zu überspielen undzu verleugnen.

Nun geht diese zweite Frage von einem Gegensatz aus,auf den man immer wieder stößt, der sich aber nicht nur austheologischer Sicht, sondern auch durch die philosophischeTheorie des Wissens und der Wissenschaft als unzutreffendund irreführend erweisen lässt: den Gegensatz zwischenWissen und Glauben. Dass es sich dabei um einen bloßscheinbaren Gegensatz handelt, wird allerdings erst dannsichtbar, wenn man gründlich und kritisch nach dem fragt,was wir wissen (können) und wodurch wir es wissen (kön-nen). Wolfgang Stegmüller ist dieser Frage nach dem, waswir nachweisbar wissen können, in seinem Werk »Metaphy-sik, Skepsis, Wissenschaft« (19692) nachgegangen. Das Er-gebnis, zu dem er im Durchgang durch die empirischen, alsodie auf Erfahrung gestützten Wissenschaften sowie durchMathematik und Logik gekommen ist, hat er (unter Anspie-lung auf Kant) in folgender Aussage zusammengefasst:

»Man muss nicht das Wissen beseitigen, um dem Glauben Platz

zu machen. Vielmehr muss man bereits etwas glauben, um

überhaupt von Wissen und Wissenschaft reden zu können«

(a. a. O. S. 33).

Wie kommt ein Wissenschaftstheoretiker von Format zu einer solchen überraschenden Aussage? Die Begründunghierfür ist relativ einfach: Jeder Beweis, den wir für irgend-eine These oder Theorie führen (wollen), basiert zumindestauf logischen Regeln bzw. Gesetzen, zumeist aber auch aufempirischen Aussagen, die durch sinnliche Wahrnehmunggewonnen werden. Nun wissen wir aber aus eigener Erfah-

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rung, dass wir uns sowohl hinsichtlich logischer Gesetze, diewir für gültig halten, als auch in den sinnlichen Wahrneh-mungen, die wir für zuverlässig halten, irren können. Zwarkönnen wir solche Irrtümer gelegentlich durch erneutesNachdenken oder durch genauere Beobachtung entdeckenund überwinden, aber es gibt keine Möglichkeit, solche Irr-tumsmöglichkeiten ganz auszuschließen.

Dabei gibt es zweifellos unterschiedliche Formen undGrade von Plausibilität, die auch erklären, warum mancheAussagen ungeteilte Zustimmung finden, während anderenur von wenigen Menschen akzeptiert werden. Aber es isttrügerisch, wenn man aus breiter oder allgemeiner Zustim-mung folgert, dass wir es dabei mit unfehlbarem Wissen zutun haben. Viele große wissenschaftliche Entdeckungen –zum Beispiel über die Form der Erde und über die Beschaf-fenheit des Weltalls – haben sich erst allmählich und müh-sam gegen allgemeine Überzeugungen durchsetzen müssen.Auch bei den Sachverhalten, die uns absolut gewiss sind, ha-ben wir keinen Beweis dafür, dass sie tatsächlich frei von Irr-tum sind. Zwar ist es »vernünftig« und »ratsam«, sich in derRegel auf das zu verlassen, was uns gewiss geworden ist.Aber das ist immer auch ein Akt des Glaubens, das heißt: einAkt des Sich-Verlassens auf etwas, worüber wir nicht durchBeweise, also mit Sicherheit verfügen.

Daraus ist nicht abzuleiten, dass wir Menschen uns in derRegel irren, auch nicht, dass wir nichts wissen könnten, son-dern »nur«, dass wir das, was wir wissen oder zu wissen mei-nen, nicht letztgültig beweisen können, selbst wenn wir unsdessen ganz gewiss sind. Und das gilt für alle menschlichenErkenntnisse, gleichgültig, ob sie sich auf logische Regeln,auf naturwissenschaftliche Theorien, auf empirische Be-

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schreibungen, auf metaphysische Annahmen oder auf reli-giöse Aussagen beziehen. Konsequenterweise gilt diese Un-beweisbarkeit sogar für diese These von der Unbeweisbar-keit selbst: Auch sie lässt sich nicht beweisen, aber man kannihrer aufgrund überzeugender Argumente gewiss sein undsollte sie dann auch akzeptieren.

Problematisch ist nicht der kritische Hinweis darauf, dassGlaubensaussagen irrig sein können und insofern unsichersind. Problematisch ist aber die Annahme, das gelte nur fürGlaubensaussagen und nicht auch für wissenschaftlicheAussagen, die sich auf Wahrnehmung und Vernunft stützen.Glaube ist kein Gegensatz zu Wissen, sondern Glaube isteine Voraussetzung für alles Wissen. Der berühmte Schrift-steller und Zeichner Wilhelm Busch hat den Satz formuliert:»Nur was wir glauben, wissen wir gewiss« (siehe Hans Bal-zer, Nur was wir glauben, wissen wir gewiss, Berlin 19587,bes. S. 66). Damit macht er auf seine Weise bewusst, dass esohne Glauben kein Wissen gibt.

1.4 Wie gewinnen Menschen Erkenntnis Gottes?

Auf die Frage, wie Menschen zur Erkenntnis Gottes kommenkönnen, enthalten die vorangehenden Abschnitte bereits meh-rere Antworten. Bedenkt man sie aber etwas genauer, so zeigtsich, dass sie alle in gewisser Hinsicht noch unzureichendsind. Sie zeigen, durch welche Ereignisse, Erfahrungen oderÜberlegungen Menschen veranlasst werden (können), nachGott zu fragen, aber sie zeigen noch nicht, auf welche WeiseMenschen Antworten erhalten, durch die sie Gotteserkenntnisgewinnen können. Darum soll es nun gehen.

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Dabei müssen wir uns kurz (sozusagen im Vorgriff auf dasfolgende Kapitel) darüber verständigen, dass wir mit demWort »Gott« nicht einen Teil der Welt bezeichnen, auch nichtdie Welt im Ganzen, sondern den »Ganz Anderen« bzw. das»Ganz Andere« im Verhältnis zur Welt. So hat das RudolphOtto in seinem weit verbreiteten Buch: Das Heilige, 1917,Sonderausgabe München 1963, S. 28, als Erster formuliert.Viele andere Theologen haben diese Aussage aus Überzeugungübernommen. Zwischen Gott und der Welt besteht ein grund-legender, also ein kategorialer Unterschied. Das heißt: Gottund die Welt lassen sich nicht unter einen gemeinsamenOberbegriff (zum Beispiel als »Seiendes«) erfassen und dannin zwei Arten unterscheiden, sondern »Gott« und »Welt« ge-hören unterschiedlichen Grundbegriffen (Kategorien) an. Dasheißt zugleich: Wenn wir es mit Gott zu tun bekommen, wirdunser Dasein mit dem Heiligen als dem Ganz Anderen kon-frontiert, das auch die Grenzen, Brüche und Fragwürdigkeitenunserer Existenz ans Licht bringt.

Aber wie können endliche, begrenzte Menschen über-haupt den Gott erkennen, der nicht ein Teil der Welt, son-dern der Ganz Andere ist? Erkenntnis setzt doch immer eineBegegnung oder Berührung und damit eine Form der Ge-meinsamkeit zwischen dem Erkennenden und dem Erkann-ten voraus. Wie soll man sich diese Gemeinsamkeit vorstel-len, durch die Gott für Menschen erkennbar ist?

Auf diese wichtige Frage geben die verschiedenen Reli-gionen und Weltanschauungen unterschiedliche Antworten.Die christliche Antwort soll letztlich durch dieses Buch imGanzen gegeben werden, aber in knapper Form muss siedoch schon hier vorab angedeutet werden, weil davon allesWeitere mitbestimmt wird.

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