Was Karten verraten - Westdeutscher Rundfunk

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Skript zur wdr-Sendereihe Quarks&Co Was Karten verraten und wie sie lügen Westdeutscher Rundfunk Köln Appellhofplatz 1 50667 Köln Tel.: 0221 220-3682 Fax: 0221 220-8676 E-Mail: [email protected] www.quarks.de Dienstags um 21.00 Uhr im wdr Fernsehen

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Skript zur wdr-Sendereihe Quarks&Co

Was Karten verratenund wie sie lügenWestdeutscher Rundfunk Köln

Appellhofplatz 150667 Köln

Tel.: 0221 220-3682Fax: 0221 220-8676

E-Mail: [email protected]

Dienstags um 21.00 Uhr im wdr Fernsehen

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Herausgeber: Westdeutscher Rundfunk Köln; Verantwortlich: Öffentlichkeits arbeit;Text: Carsten Binsack, Thomas Hillebrandt, Ulf Kneiding, Peter Krachten, Vladimir Rydl,Eva Schultes; Redaktion: Anne Preger; Copyright: wdr, September 2009; Gestal tung:Design bureau Kremer & Mahler, Köln

Bildnachweis: alle Bilder Freeze wdr 2009 außer: Innenteil: S. 11/12/13/16 r./17 –Rechte: DLR

4 Die Macht der Karten

9 Du bist, wo du wohnst

11 Unsere Augen im All

14 Neue Karten vom Dach der Welt

16 Herumgezerrt und zusammengestaucht

20 „Sie haben Ihr Ziel erreicht!“

22 Karten, die das Leben erleichtern

26 Lesetipps

26 Karten-Links

InhaltInhalt

Karten waren und sind mehr als bloßes Abbild der Welt oder Hilfe zur Navigation von A nach B.

Sie haben auch Einfluss auf die Machtverhältnisse einer Gesellschaft. Wer sie hat und weiß,

wo es lang geht, kann Rivalen ausstechen, andere Mächte übertrumpfen, als Erster ans Ziel

kommen. Die Geschichte der Karten ist immer auch eine Geschichte der Macht.

Quarks & Co erzählt die spannendsten Geschichten um die Macht der Karten, erklärt, wie

Satelliten die Erde vermessen und wann Kartographen sich noch selbst ein Bild vor Ort

machen müssen.

Weitere Informationen, Lesetipps und interessante Links finden Sie auf unseren Internetseiten. Klicken Sie uns an: www.quarks.de

KartenWas Karten verraten und wie sie lügen

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von Bäumen, wurden bei der AV Maßstäbe unre-gelmäßig verzerrt, das Gitternetz verändert undwichtige Orientierungspunkte oder bedeutsameKarteninhalte wie Industrie-Anlagen, Armee-Ein-richtungen, bestimmte Gebäude oder Eisenbahnli-nien entweder weggelassen oder stark vereinfachtdargestellt. Fachleute sind sich einig, dass diesesVerzerren und Weglassen für die Volkswirtschaftder DDR fatale Folgen hatte, da zum Beispiel Pla-nungen für Industriestandorte, neue Straßen oderselbst Kiesgruben erheblich erschwert wurden. Teil-weise griffen die DDR-Betriebe daher sogar auf Kar-tenbestände aus der Vorkriegszeit zurück.

Auch neue Karten zeigen nicht alles

Aber auch nach dem Ende des Kalten Krieges wer-den Karten weiter manipuliert und gefälscht. Trotzmodernster Satellitensysteme ist zum Beispiel eineexakte Darstellung militärischer Sperrgebiete aufLandkarten immer noch nicht zu finden. An Sperr-gebieten enden auf der Karte plötzlich Straßen,Wege, Bebauung. Den Flughafen der US-Air Forcein Ramstein findet man beispielsweise kaum auf

Gitternetz

Als Gitternetz bezeichnet man in der Geometrie,Geographie und Kartografie ein Netz aus sich inder Regel im gleichen Abstand schneidenden Linien.Als Linie in diesem Zusammenhang versteht mannicht in jedem Fall Geraden, sondern zum Beispielauch die Längenkreise und Breitenkreise, die alsEinteilung über den Erdglobus gelegt sind. In derRegel ist eine weitere Bedingung, dass sich dieLinien im rechten Winkel schneiden.

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Die Macht der KartenSeit Anbeginn der Zeit versucht der Mensch, sichein Abbild der Oberfläche zu machen, auf der erlebt. Die Erweiterung des menschlichen Horizontes,im eigentlichen wie im übertragenen Sinn, war undist immer mit der Erstellung neuer Karten verbun-den. Karten dokumentieren wie kaum ein zweitesObjekt den menschlichen Drang nach Erkenntnisund Entdeckung des Unbekannten – sie begleitenden Menschen daher schon seit Jahrtausenden. Be-reits vor etwa 12.000 Jahren wurde ein Stadtplanauf einen Mammutzahn geritzt, es folgten Darstel-lungen der Griechen und Römer. Ein wahrhafterBoom der Kartenherstellung setzte dann zu Endedes Mittelalters ein – befeuert von den Möglichkei-ten des Buchdrucks und den Entdeckungen derSeefahrer.

Die ersten Karten

Seit dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts treibteine bestimmte Form der Seekarte, die sogenanntePortolankarte, die Entdeckung neuer Welten voran.Das Hauptmerkmal solcher Karten ist das sichtbareLiniennetz, das für die Kursbestimmung mit Hilfe

des Kompasses benutzt wurde. Das Netz bestehtaus verschiedenfarbigen Geraden, die sowohl vomZentrum der Karte als auch von gleichmäßig auf ei-ner Kreislinie verteilten Punkten ausstrahlen. Andiesen Linien entlang konnten See- fahrer navigie-ren. Mehr als vier Jahrhunderte wurde dieses Prinzipunverändert beibehalten.

Manipulation und Fälschung

Wer Macht hat, der lügt auch oft – das lässt sichauch an Karten ablesen. Hier kann ein Federstrichdie Realität verändern, Grenzen verschieben,Geheim nisse verbergen oder klare ökonomische In-teressen verfolgen.

In der Kartenabteilung der Staatsbibliothek Berlinlagert zum Beispiel der komplette Satz der topo-graphischen Karte der DDR im Maßstab 1:25.000.Hier existierten zwei Ausgaben nebeneinander: DieAusgabe für die Volkswirtschaft (AV) und die Aus-gabe Staat (AS). Während in der AS die geographi-schen Verhältnisse exakt wiedergegeben wurden,bis hin zu Höhe, Stammdurchmesser und Abstand

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Die Macht der KartenWas Karten verraten und wie sie lügen

Karten begleiten den Menschen seitJahrtausenden

Zeichen wirtschaftlicher Macht:Der Atlas Major

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Behaim gibt auf dem Globus die Vorstellungsweltvon Antike und Mittelalter mit den drei KontinentenAsien, Europa und Afrika wieder. Amerika und derPazifik fehlen. Außerdem ist der Erdumfang viel zuniedrig angesetzt. Es ist dieselbe Weltsicht, auf de-ren Basis auch Christoph Kolumbus seine berühmteReise wagte.

Und der Behaim-Globus bietet viel Raum für Phan-tasie: Da gibt es die Insel Brazil westlich von Irland,die Insel Antillia oder die Brendan-Insel, die einstein irischer Mönch erreicht haben soll. Es sind aufdem Globus verewigte Phantom-Inseln, die nochlange durch die Weltkarten geisterten. Und: BeiMartin Behaim ist das Rote Meer wirklich rot.

Ein Karte sagt mehr als Worte

Es gibt auch Karten, die politische, wirtschaftlicheoder soziale Inhalte ausdrücken.

Dies gilt vor allem für thematische Karten. Hier stehtnicht die Darstellung der exakten geographischenVerhältnisse im Vordergrund, sondern die Karten-

darstellung ist kombiniert mit Symbolen. So lassensich kurz und prägnant Informationen mit geogra-phischen Räumen verbinden: Von der Weltweizen-ernte über den Vergleich von Unfallzahlen bis hinzur Verteilung von Wählerstimmen.

Und gerade solche Karten werden zur Propagandagenutzt. In einem Geopolitischen Atlas vom Anfangder 1930er-Jahre zum Beispiel sorgt die Kombina-tion von Karte, tendenziöser Wortwahl (Deutsch -lands Einriegelung) und überdeutlicher Symbolik– groß gezeichnete französische Soldatenfigurenstehen gegen kleine deutsche – für den gewünsch-ten Propagandaeffekt. Karten sagen mehr alsWorte.

Alles auf eine Karte

Symbole statt realitätsgetreue Geographie – dasgab es schon vor über 700 Jahren. Auch in der be-rühmten Ebstorfer Weltkarte geht es nicht um dengenauen Weg von A nach B. Es ist eine mittelalter-liche Weltkarte von circa 3,57 Meter Durchmesserauf 30 zusammengenähten Pergamentblättern –

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Die Macht der Kartenhandelsüblichen Karten, stattdessen meist einenunstrukturierten hellen Fleck – und der gehört an-geblich zum Staatsforst Kaiserslautern. Jeder weiß:Der Flughafen ist da – doch wer sucht, sieht nurdie Symbole für Wiese und Sumpfland.

Karten als Statussymbol

Wer Karten besitzt, hat Macht oder auch einfachnur sehr viel Geld. Der Atlas Maior von 1663, dervom niederländischen Kartographen und Kupfer-stecher Joan Blaeu entworfen wurde, gilt als über-ragendes Werk barocker Buchmacherkunst und alsgrößter und prachtvollster Atlas, der je veröffent-licht wurde. Zumindest war er das teuerste Karten-werk seiner Zeit. Das zwölfbändige Werk enthält600 Karten, die die damals bekannte Welt in einerbis dahin ungekannten Präzision darstellen. Für denAdel und reiche Kaufmannshäuser war der Besitzdieses Atlas ein Statussymbol ersten Ranges. Manzeigte seine Offenheit, seinen Wissensdurst, vorallem aber seine finanzielle Leistungskraft.

Auf hochwertiges Papier gedruckt und mit auf-wändigen Details verziert, war der Atlas daher einZeichen wirtschaftlicher Macht. Und er zeigt dengeographischen Wissensstand des 17. Jahrhun-derts: Manchmal beeindruckend genau, manch-mal, etwa am damals noch nicht erforschten Nord-pol, natürlich spekulativ.

Der erste Erd-Globus

Beim Kartenmachen waren spekulative AngabenJahrhunderte lang oft die Regel. Auch beim Behaim-Globus, dem ältesten noch erhaltenen Erdglobus.

Die Darstellung der Erde in Kugelform bedeutetedabei keine grundsätzliche neue Weltsicht, denndas gesamte Mittelalter hindurch war den Gelehrtenbereits klar, dass die Erde keine Scheibe ist. Abervor 1492 gab es in der Regel nur Himmelsgloben.Die Entscheidung des Nürnberger TuchhändlersMartin Behaims, die Erde in der Kugelform darzu-stellen, war neu.

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Kartographische Phantasie: Die Insel Brazilwestlich von Irland auf dem Behaim-Globus

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Sie brauchen einen Kredit? Mit möglichst niedrigenZinsen? Einfach beim nächsten Umzug in eine guteGegend mit solventen Nachbarn ziehen – daskönnte nämlich dafür sorgen, dass Sie bei einerBank einen günstigen Kredit bekommen. Wie esdazu kommen kann: Wer einen Bankkredit möchte,kann sich mittlerweile kaum noch dagegen wehren,dass die Banken spezielle Auskunfteien zu seinerPerson befragen. Die Auskunftei liefert die Informa-tion in Form eines Score-Wertes, der aussagen soll,wie kreditwürdig ein Kunde ist.

Wenn aber eine Auskunftei kaum Informationen zujemandem hat, kann sie durch die Adressinforma-tion wenigstens das Wohnumfeld ermitteln. Dannmüssen die Daten der Nachbarn zum Teil herhalten,um die Kreditwürdigkeit einer Person zu beurteilen.Dieses Vorgehen nennt man Geoscoring. Quarks &Co hat im Sommer 2009 die größten Auskunfteiennach dem Einsatz von Geoscoring befragt. Einzigdie SCHUFA, die größte und bekannteste Auskunf-tei, wollte die Verwendung von Adressdaten zur Be-rechnung des Scorewertes völlig ausschließen. Esgibt aber noch Dutzende von Mitstreitern, die eben-falls Daten über mögliche Kreditkunden sammelnund mit Banken, Telekommunikationsdiensten und

Versandhändlern zusammenarbeiten. Die davon be-fragten Unternehmen konnten nicht ausschließen,dass Adressdaten in ihre Beurteilung einfließen.

Willkürlicher Zinssatz

Der Score-Wert bestimmt häufig den Zinssatz: Jeschlechter er ist, desto höher können die Zinsenausfallen, die der Kunde für den Kredit zu bezahlenhat. Die Daten, die der Berechnung zugrunde liegen,stammen aus unterschiedlichen Quellen: Öffentli-che Schuldnerverzeichnisse oder die Infor mationen,die bei Antragstellung angegeben werden. Abereben auch Daten, die auf den ersten Blick nichts mitder Kreditvergabe zu tun haben, wie Informationenzum Wohnumfeld, oder die Adressdaten des Kun-den, können in die Berechnung eingehen. Ob undwie gewichtet wird, ist Ge schäfts geheimnis der Aus-kunfteien.

Im Auftrag der Verbraucherzentrale Bundesverbandwurden die Score-Werte im Herbst 2007 in derPraxis getestet. Dabei konnte kein Zusammenhangzwischen der wirtschaftlichen Lage der Testkunden,und den ihnen mitgeteilten Score-Werten festge-

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Du bist, wo du wohnstDu bist, wo du wohnstGeoscoring – wenn die Adresse mit entscheidet

Jerusalem ist der Mittelpunkt. Die Ebstorfer Welt-karte ist die größte Mappa Mundi (Weltkarte) desMittelalters.

Benannt ist die Karte nach ihrem Fund- und wahr-scheinlichen Herstellungsort, dem Benediktinerin-nenkloster in Ebstorf in der Lüneburger Heide, wosie 1830 gefunden wurde. Das Original verbrannte1943 bei einem Luftangriff auf Hannover, heute sinddaher nur noch verkleinerte Faksimile vorhanden.

Die unbekannten Macher setzten um das Jahr 1300bei der Ebstorfer Weltkarte alles auf eine Karte:Das historische, mythologische und theologischeWissen ihrer Zeit.

So findet man das Paradies, aber auch die Insel Si-zilien und zahlreiche Städte aus der Bibel, die ArcheNoah, den Turm zu Babel, aber auch Städte wie Lü-neburg, Braunschweig, Meißen, Aachen, Kulmbach,Rom und Köln.

Faksimile

Der Begriff Faksimile kommt aus dem Lateinischenund heißt: Mache es ähnlich. Als Faksimile bezeich-net man daher eine originalgetreue Kopie bzw.Reproduktion einer Vorlage, häufig eines historischwertvollen Dokumentes. Ein gutes Faksimile ent -spricht der Vorlage sowohl in Größe, als auch inFarbe und Erhaltungszustand. Ist dies aus diversenGründen nicht möglich, so werden auch technischnotwendige Verkleinerungen oder etwa, bei sehralten Dokumenten, Änderungen des Zustandes (altund zerfasert sieht nun neu und ganz aus) als Fak-simile bezeichnet.

Eine Abbildung des reinen Textes im nicht original-getreuen Layout bezeichnet man hingegen alsNachdruck.

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Die Macht der Karten

Eine ganze Welt voller Symbole: Die Ebstorfer Weltkarte

Beim Geoscoring wird der Einzelne nachseiner Nachbarschaft bewertet

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Der Blick aus dem All beschert uns Menschen völligneue Einsichten. Erst seitdem es Satellitenfotosgibt, wissen wir, dass und wie Ökosysteme globalvernetzt sind. Die Erkenntnis, dass sich das Erd-klima wandelt, verdanken wir auch den Satellitenim All.

Heute haben Erdbeobachtungssatelliten konkreteAufgaben: sie beobachten den Zustand der Regen-wälder, die Ausbreitung von Wüsten und dasSchrumpfen der Gletscher. Sie messen die Luft-ströme über den Meeren und liefern Daten zur Farbeder Ozeane. Sie untersuchen die Ozonschicht unddie chemische Zusammensetzung der Erd at -mosphä re.

Jeder der etwa 100 Erdbeobachtungssatelliten trägtdazu bei, dass wir Veränderungen auf der Erde er-kennen und Rückschlüsse ziehen können. Das Ziel:ein möglichst genaues Bild vom Zustand der Erde,um mögliche Gegenmaßnahmen zur Rettung vonKlima, Regenwald und den Weltmeeren entwickelnzu können.

Erdbeobachtungssatelliten

Erdbeobachtungssatelliten sind ausschließlichzivile Satelliten, die zu wissenschaftlichen For -schungszwecken die Erde beobachten. Sie kreisenin niedrigen Erdumlaufbahnen, im so genanntenniedrigen Erdorbit, zwischen 400 und 1.000 Kilome-tern Höhe. Zur Zeit sind es etwa 100 Satelliten.

Der weitaus größte Teil der 900 aktiven Satellitensind nicht militärische, sondern kommerzielle Satel -liten. Über 500 transportieren Daten für das Fern-sehen oder die mobile Kommunikation. Sie um - runden die Erde meist in Höhen von bis zu 36.000Kilometern.

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Unsere Augen im AllUnsere Augen im AllSatelliten zeigen den globalen Wandel

stellt werden. Die Kriterien der Kreditvergabe ließensich nicht nachvollziehen und die Zinshöhe er-schien laut Verbraucherzentrale willkürlich.

Redlining – Unheil bringende Karten

Für den Bankenexperten der VerbraucherzentraleBundesverband, Frank Pauli, ist alarmierend, dassviele Auskunfteien Adressdaten zur Beurteilungvon Kunden verwenden. Dies erinnert ihn an einelängst verbotene Praxis in den USA. Vor 80 Jahrenmarkierte man dort Gebiete mit vielen säumigenSchuldnern auf Karten mit der Farbe Rot – Redliningnannte man dieses Verallgemeinern. Wer in solchenGebieten wohnte, bekam kaum noch einen Kredit.Dies führte seinerzeit dazu, dass in solchen Gebie-ten wirtschaftlich kaum jemand mehr eine Chancehatte und sich in einem solchen Bezirk auch kaumetwas wirtschaftlich entwickeln konnte. BesondersFarbige, deren Viertel häufig betroffen waren, wur-den dadurch ausgegrenzt, ganze Regionen ineine Spirale der Armut getrieben.

Bankenexperte Pauli hat sich intensiv mit Forschun-gen amerikanischer Wissenschaftler beschäftigtund sieht auch in Deutschland Risiken für die Ver-braucher durch solches Geoscoring.

Geoscoring – wenn die Adresse mit entscheidet

Für Pauli ist das Diskriminierende an Geoscoringdie Verallgemeinerung: „Wenn ich in einem Stadt-gebiet wohne, in dem es viele Menschen gibt, dieeine schlechte Schuldenbilanz haben, dann wirddas auf mich projiziert, völlig ungeachtet, ob ich einguter oder ein schlechter Schuldner bin. Ich werdesozusagen in Sippenhaft genommen...“. Und daskönnte zur Folge haben, dass man mehr für einenKredit zahlt, nur weil man im falschen Viertel wohnt.

Geoscoring ist eine legale Methode. Es sollte zwarursprünglich verboten werden. Doch im neuenBundesdatenschutzgesetz, das 2010 endgültig inKraft tritt, bleibt es auch weiterhin erlaubt. Ob-wohl die Auskunfteien dann mitteilen müssen,woraus sie den Score-Wert berechnen, ist Kon-trolle nahezu unmöglich – Geschäftsgeheimnis.

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Du bist, wo du wohnst

Links:Michael Wilken füllt nach dem Bankbesuch einen Testbogen aus

Mitte:Amerikanische Historiker haben die Wurzeln des Geoscorings erforscht

Rechts:Das Satellitenbild zeigt, wie der Amazonas seinen Lauf mit der Zeit verändert hat

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baugleichen Satelliten umkreisen als Messeinheitdie Erde. Der Effekt: Die Zwillinge schauen wieein Mensch mit zwei Augen gleichzeitig auf dieErde. Dadurch erhalten sie sofort ein dreidimen-sionales Bild der gemessenen Region. Bei besterAuflösung erfassen die Tandem-Satelliten Streifenvon zwölf Metern Breite – das entspricht etwa derBreite einer Straße. Bis 2014 soll die gesamteLandfläche neu vermessen werden, und es wirddas bislang genaueste digitale Höhenmodell derErde entstehen. Wissenschaftler unterschiedlich-ster Disziplinen versprechen sich davon neue Er-kenntnisse, etwa über hochwassergefährdete Ge-biete oder den Einfluss der Höhenreliefs einesGebiets auf die Entwicklung des lokalen und glo-balen Klimas.

TerraSAR-X

TerraSAR-X ist ein deutscher Erdbeobachtungs -satellit, der am 15. Juni 2007 vom Weltraumbahnhofin Baikonur in den sogenannten niedrigen Erdorbitzwischen 400 und 1.000 Kilometern startete.

Der Name TerraSAR-X setzt sich zusammen aus demlateinischen terra (Erde) und der Bezeichnung derangewandten Messmethode.

SAR steht dabei für Synthetic-Aperture-Radar (etwa:künstlich geöffnete Abstandsmessung), das X stehtfür X-Band, die Frequenz der genutzten Mikrowellen(Frequenz: 1.000 MHz).

Radarstrahlen

Radar bedeutet Radio Detection and Ranging (freiübersetzt: Funkortung und -abstandsmessung). DieSatelliten senden Wellen im Mikrobereich, die Wel -lenlänge beträgt etwa 30 Millimeter. Die Strahlungs-kraft liegt aber weit unter der eines gewöhnlichenHandys, auf der Erde ist sie etwa um ein tausend-faches geringer.

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Unsere Augen im AllFoto oder Radar

Erdbeobachtungssatelliten liefern unterschiedlicheAnsichten der Erde. Die Bilder, mit denen man sicham heimischen Computer seine Stadt oder ein Ur-laubsziel anschaut, gehören dabei zu den unge-naueren Abbildungen. Es sind Fotos von Hoch leis -tungskameras. Das Prinzip ist das gleiche wie beiüblichen Fotokameras: Sie bilden Gegenstände ab,die Sonnenlicht reflektieren – eine passive Mess-methode.

Die zweite Form der Fernerkundung nutzt soge-nannte aktive Methoden. Ein Beispiel ist der Deut-sche Radarsatellit TerraSAR-X. Er sendet aktiv Ra-darstrahlen im Kurzwellenbereich auf die Erde undmisst das Wellenecho. Das hat zwei entscheidendeVorteile. Erstens ist der Satellit, der seine Mess-wellen selbst mitbringt, generell unabhängig vomSonnenlicht und kann deswegen zu jeder Tageszeiteingesetzt werden. Zweiter Vorteil der Radarmes-sung: Die Wellen gehen durch Wolken hindurch,die Messung ist also auch unabhängig von der Wet-terlage. Dadurch kann ein Radarsatellit zum Beispielsehr schnell Bilder von Erdbeben- oder Über-schwemmungsgebieten liefern – eine große Hilfefür Rettungsorganisationen.

Satellit erkennt Höhenunterschiede

Durch die Zeitspanne, die ein Radarsignal zur Erdehin und zum Satelliten zurück benötigt, erkennt dasMessprogramm die Entfernung zwischen Satellitund der zu messenden Fläche. So erhalten die Be-treiber des TerraSAR-X, das Deutsche Zentrum fürLuft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen, einHöhenrelief der Landoberfläche. Überfliegt derSatellit einen Ort mehrfach, erfasst er Veränderun-gen in dessen Struktur und Höhe. Auf diese Weisebeobachtet das DLR seit 2007 Gletscher in der Ant-arktis und gewinnt Informationen darüber, in wel-chem Maße deren Eismassen abnehmen.

Ein anderes Beispiel: Nach einer gescheiterten Erd-wärme-Bohrung 2007 hebt sich die Altstadt derbadischen Stadt Staufen um rund einen Zentimeterpro Monat. Auch diese Beulen-Entwicklung kannTerraSAR-X genau messen.

Ein Tandem aus Satelliten

Der Satellit TerraSAR-X erhält im Oktober 2009 Un-terstützung. Dann startet vom russischen Weltraum-bahnhof in Baikonur sein Zwilling TanDEM-X. Die

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Der Satellit TerraSAR-X umkreist seit 2007 die Erde

TerraSAR-X und TANDEM-X umkreisen die Erde gemeinsam in 514 Kilometern Höhe

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Der lange Weg zur Karte

Über sechs Wochen waren die Wissenschaftler da-mals unterwegs – und erst drei Jahre später habensie alle Daten der Expedition analysiert, mit existie -renden Himalaya-Karten verglichen und erkannt,wo Fehler liegen und was zu korrigieren ist. Dennin keiner aktuell existierenden Karte waren die Glet-schergrenzen bislang richtig eingezeichnet. Oft hat-ten die Kartenmacher die Grenzen einfach willkür-lich gezogen. Das ist zumindest im Unter suchungs- gebiet nun anders.

„Dadurch, dass wir die Gletscher nun deutlicherabgrenzen können“, sagt Tobias Bolch, „ist es unsviel genauer möglich, die Wasserressourcen, die indem Gletscher gespeichert sind, abzuschätzen undwiederum vorherzusagen, wie viel Wasser wird ausdiesem Gletscher der Bevölkerung zur Verfügungstehen.“

Himalaya

Der Himalaya ist das höchste Gebirge der Erde, er liegtnördlich des indischen Subkontinents und süd lichdes Tibetischen Hochlands. Er erstreckt sich zwischenPakistan und Burma mit einer Breite von 250 bis 350Kilometern und einer Länge von rund 3.000 Kilo -metern. Im Himalaya liegen zehn der vierzehn höchs-ten Berge der Welt. Höchster Gipfel ist der MountEverest (nepalesisch: Sagarmatha, tibetisch: Chomo -lungma) mit 8.848 Metern über dem Meeresspiegel.

Gletscher

Gletscher sind die größten Süßwasserspeicher der Weltund nach den Ozeanen die größten Wasser speicherder Erde überhaupt. Daher sind Gletscher auch bedeu-tend als Wasserzulieferer für viele Flusssysteme undhaben entscheidenden Einfluss auf das Weltklima. DieGletscher des Himalaya gehören zu den größtender Erde und fließen im Durchschnitt mit 500 bis1.500 Meter im Jahr, also zwei bis vier Meter am Tag.

Die Durchschnittstemperaturen im Himalaya sind inden letzten 50 Jahren um etwa zwei Grad angestiegen.Wenn der gegenwärtige Trend anhält, ist ein kom -p letter Verlust aller Himalaya-Gletscher noch im21. Jahrhundert sehr wahrscheinlich.

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Neue Karten ...Von den gewaltigen Eismassen des höchsten Ge-birges der Welt hängt die Wasserversorgung einesganzen Kontinents ab. Schmelzen die Gletscher desHimalaya, die die großen Ströme Asiens mit Wasserversorgen, sind Millionen Menschen an Ganges,Brahmaputra, Mekong oder Indus bedroht. Die Glet-scher und ihre Veränderungen kartographisch zuerfassen, ist daher von enormer Bedeutung für denganzen Kontinent. Denn die Klimaveränderungender letzen Jahrzehnte machen auch vor diesen ge-waltigen Eismassen nicht halt. Einige, so glaubenFachleute, schmelzen schneller ab als bislang an-genommen. Bei anderen, so vermutet man, habengewaltige Hangrutschungen die Fließrichtung ver-ändert oder es haben sich im Inneren der Gletscherriesigen Seen gebildet, die jederzeit ausbrechenkönnen.

Doch Genaues weiß man nicht, da die Vermes-sung, etwa per Satellit, hier an ihre Grenzen stößt.Die Himalaya-Gletscher sind zumeist kilometer-lang mit Schutt bedeckt, ihre wahren Dimensionenlassen sich daher aus dem Weltall überhaupt nichterfassen.

Expedition zum Dach der Welt

2006 startete eine Expedition der TU Dresden unterder Leitung des Kartographen Manfred Buchroithnerund des Gletscherforschers Tobias Bolch in das Ge-biet rund um das Chunkung Tal im Himalaya. Hiertreffen sich auf engstem Raum fünf  große schutt-bedeckte Gletscher. Die Wissenschaftler wolltendirekt vor Ort erforschen, wie sich die Grenzenzwischen Eis und Geröll an den Gletschern am bes -ten erkennen lassen. Dazu gingen sie unter ande-rem auf die gewaltigen Schuttflächen des Glet-schers am 7.861 Meter hohen Nuptse, um die realenVerhältnisse mit dem zu vergleichen, was Satellitenaus dem Weltall sehen.

Mit einem Spektrometer erfassten sie zum Beispieldie Reflektion der Oberflächen und konnten so fest-stellen, wo Eis und wo Geröll war. Das können Sa-telliten auch – aber nur ungenauer, weil sie in meh-reren hundert Kilometern Höhe arbeiten. Mit einerexakten Ortsbestimmung per GPS lieferte die Ex-pedition so Daten, mit deren Hilfe die Kartenmacherdie Fehler der Satellitenbilder erfassen, quantifi-zieren und herausrechnen konnten.

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Neue Karten vom Dach der WeltWarum die richtige Diagnose so wichtig ist

Links:Reicht nicht aus: Der Blick aufs Satellitenbild

Mitte:Spektrometer-Messung im Himalaya

Rechts:Die Kombination von Satellitenbild und Daten der Expedition ist entscheidend

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Ausrollen einen Halbkreis. Für eine Weltkarte istdas zwar eine untypische Ansicht. Für Länderan-sichten in unseren Breiten wird der Kegel als Hilfs-körper jedoch gern verwendet. Der Grund: Je näherdie Projektionsfläche des Hilfskörpers an der Erdeliegt, desto weniger Verzerrungen entstehen. Undder Kegel liegt in den mittleren Breiten besonderseng an der Erdkugel und liefert deswegen Kartenmit nur wenig Verzerrungen.

Karten lügen immer

Eine sehr bekannte Art, eine Weltkarte zu zeichnen,wurde von dem Kartographen Gerhard Mercatorentwickelt – die Mercatorkarte. Das besondere anseiner Karte ist, dass sie Winkel richtig darstellt.Die richtige Darstellung aller Winkel auf einer Kartewar von großer Bedeutung, da das die Navigationauf See sehr vereinfachte. Doch führt sein Projekti-onsverfahren zu starken Flächenverzerrungen. Län-der, die näher an den Polen liegen, erscheinen größer,und so wurde die Mercatorkarte in der Zeit des Kalten

Krieges auch zu Propagandazwecken missbraucht.Denn auf dieser Karte erschien die Sowjetunion, dierote Gefahr, gerade im Vergleich zu den USA deutlichgrößer als sie flächenmäßig wirklich war.

Egal wie man die Erde abbildet, es entstehen im-mer Verzerrungen. Eine Karte kann nie gleichzeitigdie Winkel und die Flächen richtig wiedergeben –zwei Eigenschaften die sich gegenseitig ausschlie-ßen. Eine flächentreue Karte eignet sich besondersum die räumliche Verteilung von Ländern, also dieRäume unmittelbar zu vergleichen.

Während manche Karten auf das Ziel der flächen-treue oder auf die winkeltreue spezialisiert sind,gibt es auch Karten auf denen keine der Eigen-schaften mit der Erde übereinstimmen. Diese Ab-bildungen verzerren die Wirklichkeit in allen Be-reichen, allerdings in allen Bereichen nur sehrgering.

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Die Welt im KleinformatDen guten alten Atlas kennt jeder – zumindest ausseiner Schulzeit. Und auch im täglichen Leben be-nutzen wir Karten, um von A nach B zu kommenoder eine Stadt zu erkunden. Karten richtig zu lesen,ist für einige Menschen ein Kinderspiel, für andereeine zu abstrakte Aufgabe. Eine Karte selbst zu er-stellen ist noch viel schwieriger – eine Wissenschaftfür sich.

Die Erde als Laterne

Versuchen Sie einmal, eine Orangenschale flachauf einen Tisch zu drücken. Es wird Ihnen nie gelin-gen, eine gleichmäßige Ebene zu erhalten. Egal,wie Sie sich auch bemühen, es bleiben Dellen undFalten. Dasselbe Problem haben auch Kartogra-phen. Unsere Erde ist wie eine Orange in allen Rich-tungen gekrümmt. Die Lösung der Kartenmacher:Man stelle sich die Erde als lichtdurchlässigen Kör-per vor und schalte im Erdinneren eine imaginäreLampe ein. Hält man auf der Außenseite eine Lein-wand hin, fallen die Schatten der Kontinente auf

diese Leinwand. Das nennt der Kartograph Ebenen-projektion – die Ebene ist in dem Fall die Leinwand.Durch Verschieben der Ebene als auch der Lampekann man bestimmen, was auf der Karte abgebildetwerden soll. Heute werden solche Projektionen imComputer berechnet – für den Karto graphen einegroße Hilfe.

Ebene, Zylinder oder Kegel

Neben einer Ebene können zur Herstellung vonWeltkarten auch andere Hilfskörper verwendetwerden. Zum Beispiel umrollen Kartographen dieErde auch mit einem imaginären Zylinder. DieLampe positionieren sie in dem Fall genau an denErdmittelpunkt. Nach der Projektion schneiden sieden Zylinder auf, rollen ihn aus und erhalten einetypische Ansicht für Weltkarten.

Als dritten Hilfskörper verwenden Kartographen beiihren Computerberechnungen einen Kegel. Wennman den auf die Erde setzt, erhält man nach dem

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Herumgezerrt und zusammengestauchtDie Welt im Kleinformat

Links:Eine Weltkarte zu erstellen ist eine hoheKunst

Mitte:Kartographen projizieren das Abbild der Erdeauf einen Hilfskörper, hier eine Ebene

Rechts:Kegelprojektionen sind üblich für Länderkar-ten in unseren Breiten

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Globenbau zwischen Tradition und Massenproduktion

Einzig ein Globus kann die Welt korrekt darstellen. Um einen Globus zu erschaffen, könnte man einfach dieKontinente per Hand aufmalen. Das wäre jedoch mühselig und würde sehr viel Zeit kosten. Stattdessengreift man auf eine besondere Karte zurück. Auf ihr wird das Abbild der Welt nicht zusammenhängend son-dern in zwölf zigarrenförmige Segmente aufgeteilt dargestellt. Jedes Segment wird im Anschluss per Handausgeschnitten und auf eine Kugel geklebt. Diese Technik ist zwar aufwendig, jedoch sehr präzise. Aufdiese Art und Weise werden Globen schon seit hunderten von Jahren gemacht.

Inzwischen gibt es aber auch eine Methode, die für eine moderne Massenproduktion geeigneter ist.Hierbei wird ein Abbild der Erde auf zwei runde Plastikfolien gedruckt, eine Folie für die Nordhalbkugel,eine für den Süden. Bis zu 18 Farben kann so eine Erdscheibe haben. Es folgt das so genannteTiefziehen. Die Folien werden dabei eingespannt, erwärmt und angesaugt, so dass zwei Halbkugelnentstehen. Da diese Halbwelten aber noch recht instabil sind, bekommen sie einen Plastiküberzugund werden anschließend zusammengeklebt. Durch das Aufkleben des Äquators wird am Ende dieNaht verdeckt.

Vergleicht man Grönland mit Afrika wird der Unterschied besonders deutlich zwischen einer winkeltreuenKarte (links) und einer flächentreuen Karte (rechts)

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Die Welt im Kleinformat

Globenproduktion ist teilweise immernoch Handarbeit

winkeltreu flächentreu

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Signal ergibt, kann sich nur in einem Punkt mitden anderen beiden Kreisen scheiden. Der eindeu-tige Aufenthaltsort ist gefunden.

Dennoch benötigt das Navi noch einen vierten Sa-telliten. Ein Grund ist die Ungenauigkeit derQuarzuhren in den Navigationsgeräten. Ein Mess-fehler von nur einer Millisekunde bedeutet schoneine räumliche Abweichung von etwa 300 Metern.Um das auszugleichen, nutzt das Gerät das vierteSignal. Dieses ist wie in allen Satelliten von einergenaueren Atomuhr gesteuert und dient als Kor- rekturwert. Moderne Navigationsgeräte könnenmithilfe verschiedener Korrekturdaten ihre Posi-tion bis auf unter 30 Zentimeter genau bestim-men.

Das GPS-System heißt eigentlich NAVSTAR GPSund wurde ab den 1970er-Jahren vom US-Verteidi-gungsministerium entwickelt. Es gibt inzwischenmehrere Betreiber solcher satellitengestütztenNavigationssysteme. Das Navigationssystem von

Russland heißt GLONASS, das der VolksrepublikChina Compass (ist nur in Asien verfügbar). Daserste ausschließlich zivile Navigationssystem, daseuropäische Galileo-System, befindet sich im Auf-bau und soll 2013 in Betrieb gehen.

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„Sie haben Ihr Ziel erreicht!“Navigationssysteme orientieren sich mithilfe vonSatelliten. Dabei nutzen sie die sogenannte GPS-Ortung. Die Abkürzung GPS steht für Global Posi-tioning System. GPS-Satelliten umkreisen die Erdein festgelegten Bahnen in einer Höhe von etwa20.000 Kilometern. Jeder Satellit sendet ständigSignale mit drei grundsätzlichen Informationen:

• Von welchem Satelliten das Signal genau kommt

• Die genaue Position• Die genaue Uhrzeit

Diese Informationen ermöglichen dem Navigations-gerät, die Entfernung zwischen ihm und dem Sa-telliten zu errechnen, und zwar mithilfe der soge-nannten Laufzeitmessung. Dabei wird ausgenutzt,dass sich die Signalwellen mit einer bekannten Ge-schwindigkeit, nämlich der Licht ge schwin digkeit,fortbewegen. Das Navigationsgerät vergleicht dieSendezeit der Signale mit der Empfangszeit auf der

Erde und errechnet so die Laufzeit des Signals.Durch diese Laufzeit kann das Navigationsgerätschließlich die Entfernung zum Satelliten berech-nen.

Aber ein einziger Satellit reicht zur genauen Or-tung aber noch nicht aus. Es gibt viele Orte, diegleich weit von einem Satelliten entfernt sind.Diese Orte beschreiben auf der Erdoberflächeeinen Kreis. Das Empfangsgerät könnte sich theo-retisch überall auf dem Rand des Kreises befin-den. Ist ein zweiter Satellit in Reichweite, der diegleiche Art von Informationen sendet, kann dasNavigationsgerät einen zweiten Kreisrand berech-nen, auf dem sich die eigene Position befindenmuss. Die Kreise der beiden Satelliten schneidensich an zwei Stellen. Die möglichen Aufenthalts-orte sind somit auf zwei Punkte reduziert.

Um die eindeutige Position zu erhalten, benötigtdas Empfangsgerät noch das Signal eines drittenSatelliten. Der Kreis, der sich aus dem dritten

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„Sie haben Ihr Ziel erreicht!“Woher Navis wissen, wo wir gerade sind

Links:Navigatiossysteme benötigen GPS-Satelliten

Mitte:GPS-Satelliten umkreisen die Erde in festgelegten Bahnen in einer Höhe von etwa20.000 Kilometern

Rechts:Um die eindeutige Position zu erhalten, benötigtman mindestens drei Satelliten

Page 12: Was Karten verraten - Westdeutscher Rundfunk

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Wenn Rollstuhlfahrer in der Stadt unterwegs sind,benötigen sie ganz andere Informationen als Men-schen, die zum Beispiel zu Fuß oder mit dem Fahr-rad durch die Straßen eilen. Oft versperren zumBeispiel Bordsteinkanten oder Treppen den Weg– ein Problem vor allem, wenn ein Rollstuhlfahreralleine unterwegs ist. Geographen von der Uni-versität in Bonn wollen deshalb genau die Infor-mationen sammeln, die Rollstuhlfahrer brauchenund bisher meist nicht bekommen. Daraus solldann eine Karte im Internet entstehen – ein Rou-tenplaner, der den Rollstuhlfahrern zeigt, welcherWeg der Beste ist.

Wikipedia als Landkarte

Der Rollstuhl-Routenplaner der Bonner Geographenist Teil von OpenStreetMap, der größten freien Welt-karte im Internet. Seit 2004 gibt es das Projekt. Hier-bei sammeln Freiwillige alle möglichen geographi-schen Informationen in einer Datenbank – zumBeispiel den Verlauf von Straßen, Flüssen oder Ei-senbahnlinien. Aus all diesen Daten können dannKarten oder Navigationsprogramme wie der Rou-tenplaner für Rollstuhlfahrer entstehen. OpenStreet-

Map ist ein loser Zusammenschluss von Leuten, diediese Informationen sammeln. Weltweit schreibenrund 100.000 Menschen am OpenStreetMap-Projektund verfeinern es mit immer mehr Details. So ent-steht eine immer genauere Karte, die in manchenGegenden beispielsweise auch schon die Positionvom Löwengehege im Zoo oder die Lage der bestenSkipiste anzeigen kann. Doch die OpenStreetMap-Karte ist noch lange nicht fertig. Es gibt viele Orte, andenen zahlreiche Daten fehlen. Eigentlich wird dieseKarte auch nie richtig fertig, da ständig weitere geo-graphische Details aufgenommen werden können.Und die Erdoberfläche verändert sich ja ständig:Neue Straßen werden gebaut, Häuser werden ab-gerissen und neue errichtet, U-Bahn und Eisen-bahnlinien gebaut oder Wanderwege werden ein-gerichtet.

Das Prinzip von OpenStreetMap ist in etwa das-selbe wie beim Online-Lexikon Wikipedia: Jederkann mitmachen. Außerdem sind die Daten freiund kostenlos. Das heißt, ohne eine Lizenzgebührkann eine Karte von OpenStreetMap verwendetund zum Beispiel auch auf die eigene Homepagegestellt werden. Das macht das Projekt einzigartigim Vergleich zu anderen Internetkarten.

Mit Winkelmesser und Wasserwaage

Um Straßen und Wege zu vermessen und die Datenfür OpenStreetMap zu sammeln, benötigt man einGPS-Gerät. Darüber kann ständig der Ort bestimmtwerden, an dem man sich befindet. Mit Bleistift undPapier notieren sich die Mapper die Daten und Ei-genschaften ihrer aktuellen Aufenthaltsorte.

Für den Rollstuhlfahrer-Routenplaner sind diesganz besondere Informationen. Mit einem Zoll-stock vermessen die Bonner Geographen zum Bei-spiel die Höhe der Bordsteinkante. Bis zu dreiZentimeter sollte sie eigentlich nur hoch sein, da-mit die Rollstuhlfahrer dort ohne Probleme raufund runter kommen. Auch das Gefälle beziehungs-weise die Steigung einer Straße ist eine wichtigeInformation für Rollstuhlfahrer. Sechs Prozentsollte jeder Rollstuhlfahrer schaffen. Doch auchschon vier Prozent können auf einem langen Stückanstrengend werden. Alles wichtige Daten, diedie Bonner Geographen mit Winkelmesser undWasserwaage vermessen und notieren. Auch Park-plätze oder Toiletten für Behinderte sollen in derKarte verzeichnet sein – wichtige Informationenfür einen Rollstuhlfahrer unterwegs.

Zeichnen der Karte

Aus all den gesammelten Daten wird aber ersteine Karte, wenn die Mapper nach ihren Streifzü-gen durch die Stadt die gesammelten Daten insSystem von OpenStreetMap übertragen. Dazuwird als ers tes das GPS-Gerät an einen Computerangeschlossen. So werden die aufgenommenenWegmar kierungen ins Programm überführt. Zuden GPS-Koordinaten müssen dann die Eigen-schaften der Wege, zum Beispiel die Höhe derBordsteinkante, das Gefälle der Straße oder dieLage der Behindertentoilette eingetragen undhochgeladen werden. Aus all diesen Daten ent-wickeln die Bonner Geographen schließlich denRoutenplaner für Rollstuhlfahrer.

Diesen Spezial-Routenplaner gibt es zwar erst malnur für Bonn – als Testgebiet. Doch wenn auchanderswo Mapper ausschwärmen und vermessen,dann entstehen hoffentlich bald mehr OpenStreet-Map-Karten speziell für Rollstuhlfahrer.

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Karten, die das Leben erleichternRoutenplaner für Rollstuhlfahrer

Links:In einer Stadt ist nicht jeder Weg für Rollstuhlfahrer geeignet

Mitte:OpenStreetMap ist das Wikipedia der Karten – die Internetkarte bekommt immer mehr Details

Rechts:Hohe Bordsteinkante – Hürde für Rollstuhlfahrer

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Mehr Selbstbestimmung mit demRoutenplaner für Rollstuhlfahrer

Karten, die das Leben erleichtern

OpenStreetMap ist ein loser Zusammenschluss vonLeuten, die geographische Daten sammeln – überStraßen, Eisenbahnverläufe, Flüsse, Wälder, Häuserund alles andere, was auf Karten zu sehen ist oderwas man dort einmal gerne sehen würde. DieseDaten stehen allen Benutzern der Internetseite kos -tenfrei zur Verfügung. Jeder kann zum Beispiel Aus-schnitte aus bestehenden OpenStreetMap-Kartenkopieren und auf die eigene Homepage setzen oderaus den Daten eigene Landkarten oder Routenpla-ner erstellen.

Das Projekt basiert auf dem gleichen Prinzip wiedas Online-Lexikon Wikipedia – jeder kann mitma-chen. Man benötigt lediglich ein Benutzerkonto.Dabei müssen außer einer gültigen Email-Adressekeinerlei persönlichen Daten wie Name oderAdresse angegeben werden.

Hauptarbeit bei dem OpenStreetMap-Projekt istdas Kartieren, also die Lage von Objekten wie Stra-ßen oder Flüssen zu erfassen und abzubilden undihnen die entsprechenden Eigenschaften zuzuwei-sen. Für das Sammeln der Daten benötigt man üb-licherweise ein GPS-Gerät – für das Eintragen derDaten einen internetfähigen Computer. Aber auchohne eigenes GPS-Gerät kann man sich bei Open-StreetMap beteiligen, indem man zum Beispiel seinWissen über die Gegend einbringt und eventuellentstandene Fehler meldet. Die Funktion Neulingauf der Internet-Seite von OpenStreetMap ver-schafft einen ersten guten Überblick über das Pro-jekt und zeigt, wie man sich daran einbringen kann.

Wie werde ich ein Mapper?Wie man an den Karten von OpenStreetMap mitzeichnen kann

zungen der Bewohner der anatolischen Siedlung CatalHüyük, die als erste Darstellung raumbezogener Informa-tionen in generalisierter Form gilt, bis zu den aufwändigenKartenwerken der Entdeckungszeit, die Instrumente derMacht waren, und dem ersten Plan der Londoner U-Bahn,der in seiner bahnbrechenden Darstellung zum Vorbildaller U-Bahn-Pläne wurde. Spannend zu lesen und auf-wändig bebildert.

Globaler Wandel – Die Erde aus dem AllAutoren: Stefan Dech, Rüdiger Glaser,

Robert MeisnerVerlag: Frederking & Thaler, Herausgeber: DLR, September 2008ISBN-10: 3-89405-701-7Sonstiges: 260 Seiten, 50 Euro

150 spektakuläre Satellitenfotos zeigen auf beeindru -ckende und eindringliche Weise, in welchem Maße derMensch das Bild der Erde mit gestaltet. Kreisrunde Be-wässerungsfelder in der Wüste, rechteckige Abholzungs-muster im Regenwald, das Wachstum der Mega cities: dieBilder sind faszinierend – und alarmierend!

Im Zweiten Teil ergänzen Infotexte und Grafiken die Fo-tografien. Ästhetisch wertvoll und faszinierend, aberauch ein Appell an jeden, seinen Teil zum Erhalt der Erdezu leisten.

Das Buch der Karten: Meilensteine der Kartographie ausdrei Jahrtausenden Herausgeber: Peter BarberVerlagsangaben: PRIMUS-Verlag, Darmstadt, 2006 ISBN-10: 3896782991Sonstiges: 360 Seiten, 24,90 Euro

Abbildungen von 180 Karten und Globen zeigen die Ent-wicklung der Kartographie – vom 2. Jahrtausend v. Chr. biszu den Satellitenbildern von heute.

Spannend stellt das Buch dar, in welcher Zeit die jeweili-gen Karten entstanden sind, stellt jedes Werk in den histo-rischen Zusammenhang und geht der Frage nach: Was warSinn und Zweck der jeweiligen Karte? Wie wurden sie auchals Machtinstrument eingesetzt? Und wie veränderten sichdie Karten, wenn Entdeckungsreisende neues Wissen überdie Welt gesammelt haben?

Buchtitel: 100 Karten, die die Welt veränderten Autor: Jeremy HarwoodVerlagsangaben: NATIONAL GEOGRAPHIC

Deutschland, 1. Auflage 2007ISBN-10: 3866900252Sonstiges: 192 Seiten, 34,95 Euro

Das Buch stellt beispielhaft vor dem Hintergrund histori-scher Ereignisse herausragende Werke der Kartographievor. Von den ersten, mehr als 8.000 Jahre alten Steinrit-

Lesetipps Lesetipps

Page 14: Was Karten verraten - Westdeutscher Rundfunk

DGfG – Deutsche Gesellschaft für Geographiehttp://www.geographie.de Die Deutsche Gesellschaft für Geographie ist die Dachor-ganisation der geographischen Verbände und Gesellschaf-ten in Deutschland. Sie vertritt die Interessen vonGeographinnen und Geographen und setzt sich dafür ein,die Inhalte und die Bedeutung der Geographie als Schul-fach, als Wissenschaft und als praxisnahe Disziplin in derÖffentlichkeit zu vermitteln.

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Deutsche Gesellschaft für Kartographiehttp://www.dgfk.net Neuigkeiten, Veranstaltungen, Aus- und Weiterbildung:Die gesamte Kartographie-Forschung in Deutschland isthier zusammengefasst.

Kartographische Abteilung der Vereinten Nationen (engl.)http://www.un.org/Depts/Cartographic/english/htmain.htmDie UN verfügt über 80.000 Karten, 3000 Atlanten undzahlreiche digitalisierte kartographische Dokumente. Aufder Website der kartographischen Abteilung der UN stehenzahlreiche Landkarten und Karten zu den UN-Friedensmis-sionen zur Verfügung.

ESA – Das Europäische Tor zum Weltraumhttp://www.esa.int/esaCP/Germany.htmlDie Europäische Weltraumorganisation ESA entwickelt daseuropäische Satellitennavigationssystem Galileo für die zi-vile Nutzung. Hier finden Sie weiterführende Informationendazu.

Planet Wissen – Das Gesicht der Erdehttp://www.planet-wissen.de/natur_technik/ordnungssysteme/kartografie/index.jspDie von WDR, SWR und BR gemeinsam produzierte Wis-senssendung Planet Wissen schildert hier die Geschichteder Karten und der Kartographie.

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Karten-Links Karten-Links

Die Welt der Kartenhttp://www.maps.ethz.ch Die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich hat einPortal für Karten und Geodaten eingerichtet. Eine umfang-reiche Sammlung von Karten-Informationen, die im Inter-net zur Verfügung stehen.

Bundesamt für Kartographie und Geodäsiehttp://www.bkg.bund.deDas Bundesamt hat die Aufgabe, Geodaten über die Bun-desrepublik zur Verfügung zu stellen, entsprechende Tech-nologien zu entwickeln und die Bundesregierung aufdiesem Gebiet zu beraten. Außerdem bildet das Bundes-amt auch Kartographen aus.

Mercator Atlas (engl.)http://www.bl.uk/onlinegallery/ttp/ttpbooks.htmlAuf diesen Seiten der British Library gibt es in der rechtenSpalte ganz oben einen Link zum Online-Mercator-Atlas,in dem man blättern kann und den der Kartograph undGlobenhersteller Gerhard Mercator Ende des 16. Jahrhun-derts anfertigte. Gerhard Mercator gehört zu den bedeu-tendsten Persönlichkeiten der modernen Kartographie. Erhat die Bezeichnung Atlas als feststehenden Gattungs - begriff für Kartensammelwerke eingeführt.

Kartographie – Eine EinführungAutor: Peter Kohlstock Verlagsangaben: UTB, Stuttgart 2004ISBN: 978-3-8252-2568-1 Sonstiges: 227 Seiten, 16,90 Euro

Das Werk von Kohlstock ist nicht in allen Bereichen leichteKost. Man findet leicht verständliche Einführungstexte mitguten Grafiken, aber auch tiefgehende Berechnungsver-fahren, die bis ins kleinste Detail erklärt werden. Das Bucheignet sich am besten für Leute, die sich sehr umfassendmit dem Thema beschäftigen wollen.

Lesetipps