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Was Melker verdienen können“, ist auch Berater Ingo Schimmelpfeng (Koes- lingAnderson) überzeugt. Auch ausländische Melker, meist vermittelt über Personalagenturen, möchten heute mehr verdienen. Denn je mehr sich der Lebensstandard in dem Her- kunftsland verbessert, desto weniger sind die Men- schen bereit, für einen niedrigen Lohn im Ausland zu arbeiten. Dazu kommt eine andere Mentalität: Arbeit- nehmer werden in Rumänien oft gefeuert, sobald der Arbeitgeber sie nicht mehr benötigt. Anders herum sind die Arbeitnehmer aber auch nicht bereit, schlechte Arbeitsbedingungen lange zu akzeptieren. Automatisierung kann helfen, einen Arbeitsplatz attraktiver zu gestalten und Arbeitskräfte einzuspa- ren. Doch die oft höheren Anforderungen an einen Mitarbeiter (Umgang mit der Technik, gezielte Kont- rolle, Überwachung statt Selbermachen) müssen sich zusätzlich zu den Anschaffungskosten dann auch in einem höheren Lohn widerspiegeln. Um das vorhandene Personal zu halten und neue Mitarbeiter zu akquirieren, müssen die Löhne künftig deutlich über den Mindestlohn steigen. Raum für mehr Lohn? Aber: „Die Wirtschaftlichkeit der Milchproduktion ist schwach und in den letzten Jahren insgesamt rück- läufig“, berichtet Ingo Schimmelpfeng. „Pauschale Lohnerhöhungen sind leider nicht drin.“ Die ostdeut- schen Betriebe haben die verkaufte Milchmenge je Kuh in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestei- gert. Nur so konnten sie die Personalkosten trotz stei- Alle beklagen, dass Arbeitskräfte fehlen. Gleichzeitig dürfen aber gerade Mitarbeiter, welche Routinearbeiten ausführen, nur wenig kosten. Wie lassen sie sich halten? J e größer die Milchkuhbetriebe, desto spezialisier- ter werden die Tätigkeiten. Häufig ist die Arbeit dann körperlich anstrengend, manchmal eintönig und schmutzig. Kein Job, den Menschen sich wün- schen! So klagen viele Milchkuhbetriebe, dass es immer schwieriger wird, Mitarbeiter für diese „einfa- chen“ Tätigkeiten zu finden und zu halten. Große Unterschiede im Lohnniveau In Deutschland liegt, je nach regionaler Lage, der typische Melkerlohn 10 bis 40 % über dem Mindest- lohn. Obwohl viele Betriebe besser zahlen, ist dies im Vergleich zu anderen Branchen niedrig. Zudem zeigt sich ein deutliches Lohngefälle zwischen West und Ost, Nord und Süd, sowie zwischen strukturschwa- chen und strukturstarken Regionen (Industrienähe). Dazu kommen Unterschiede zwischen den Betrie- ben, weiß Hermann Dorfmeyer, Personalvermittlung farmconnect: „Zum Teil unterscheiden sich die Löhne so stark wie zwischen den Regionen. Klare Maßstäbe gibt es nicht.“ Ein Landwirt verdient in Deutschland im Schnitt gut 2.000 €, Tierwirte 1.800 € brutto. Auf den ersten Blick sind Löhne kaum vergleichbar (Leistungszulagen, Sonntags- und Nachtzuschläge, Mahlzeiten, Unterkunft, Tankgutscheine etc.). Wichtig ist daher, die Summe der tatsächlichen Vergütungen zu betrachten und durch die gearbeiteten Stunden zu teilen. Tipp: Wer genauer wissen möchte, was ein- zelne Berufsgruppen in der Region verdienen, findet dies im Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit. Mindestlohn reicht nicht „Der Melkerjob sollte nicht unterschätzt werden“, sagt Hermann Dorfmeyer. Vom Charakter her handelt es sich um eine Fließbandarbeit, die in vielen Melk- ständen körperlich anstrengender und weniger kom- fortabel ist, als an manchem Fließband in der Indust- rie. Zudem haben Melker oft zusätzliche Aufgaben, die Tierkenntnis und Beurteilungserfahrung erfor- dern. „So gesehen wäre für manchen Melker ein hö- herer Stundenlohn gerechtfertigt, als in der Maschi- nenindustrie gezahlt wird“, so Dorfmeyer. Dazu kommt, dass bei steigenden Lebenshaltungskosten (Wohnen, Ernährung, Mobilität, Freizeit) der Mindest- lohn von ca. 1.200 € netto kaum ausreicht. „Die Zahlung des Mindestlohns ist bestenfalls in Einzelfällen und in der Probezeit akzeptabel. Mittel- fristig muss das Lohn-Niveau deutlich steigen, denn die Mitarbeiter müssen auch von ihrer Arbeit leben 1. Kaum Potenzial für pauschale Lohnerhöhungen -10 0 10 20 30 40 50 Quelle: KoeslingAnderson Cent/kg Erlöse Gesamt Personalkosten Gewinn Betriebszweig ’06 ’08 ’09 ’10 ’11 ’12 ’13 Jahre ’14 ’15 ’16 ’17 ’18 ’19 Grafik: Atalan Melker verdienen in den neuen Bundesländern mehr als Min- destlohn. Personalkosten bleiben nur mit mehr Milch stabil. Hermann Dorfmeyer, farmconnect Dr. Matthias Heyder, LWK Niedersachsen Ingo Schimmel- pfeng, Koes- lingAnderson 36 Elite 6/2018 BETRIEBSLEITUNG

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Was Melker verdienen

können“, ist auch Berater Ingo Schimmelpfeng (Koes-lingAnderson) überzeugt.

Auch ausländische Melker, meist vermittelt über Personalagenturen, möchten heute mehr verdienen. Denn je mehr sich der Lebensstandard in dem Her-kunftsland verbessert, desto weniger sind die Men-schen bereit, für einen niedrigen Lohn im Ausland zu arbeiten. Dazu kommt eine andere Mentalität: Arbeit-nehmer werden in Rumänien oft gefeuert, sobald der Arbeitgeber sie nicht mehr benötigt. Anders herum sind die Arbeitnehmer aber auch nicht bereit, schlechte Arbeitsbedingungen lange zu akzeptieren.

Automatisierung kann helfen, einen Arbeitsplatz attraktiver zu gestalten und Arbeitskräfte einzuspa-ren. Doch die oft höheren Anforderungen an einen Mitarbeiter (Umgang mit der Technik, gezielte Kont-rolle, Überwachung statt Selbermachen) müssen sich zusätzlich zu den Anschaffungskosten dann auch in einem höheren Lohn widerspiegeln.

Um das vorhandene Personal zu halten und neue Mitarbeiter zu akquirieren, müssen die Löhne künftig deutlich über den Mindestlohn steigen.

Raum für mehr Lohn?

Aber: „Die Wirtschaftlichkeit der Milchproduktion ist schwach und in den letzten Jahren insgesamt rück-läufig“, berichtet Ingo Schimmelpfeng. „Pauschale Lohnerhöhungen sind leider nicht drin.“ Die ostdeut-schen Betriebe haben die verkaufte Milchmenge je Kuh in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestei-gert. Nur so konnten sie die Personalkosten trotz stei-

Alle beklagen, dass Arbeitskräfte fehlen. Gleichzeitig dürfen aber gerade Mitarbeiter, welche Routinearbeiten ausführen, nur wenig kosten. Wie lassen sie sich halten?

Je größer die Milchkuhbetriebe, desto spezialisier-ter werden die Tätigkeiten. Häufig ist die Arbeit

dann körperlich anstrengend, manchmal eintönig und schmutzig. Kein Job, den Menschen sich wün-schen! So klagen viele Milchkuhbetriebe, dass es immer schwieriger wird, Mitarbeiter für diese „einfa-chen“ Tätigkeiten zu finden und zu halten.

Große Unterschiede im Lohnniveau

In Deutschland liegt, je nach regionaler Lage, der typische Melkerlohn 10 bis 40 % über dem Mindest-lohn. Obwohl viele Betriebe besser zahlen, ist dies im Vergleich zu anderen Branchen niedrig. Zudem zeigt sich ein deutliches Lohngefälle zwischen West und Ost, Nord und Süd, sowie zwischen strukturschwa-chen und strukturstarken Regionen (Industrienähe). Dazu kommen Unterschiede zwischen den Betrie-ben, weiß Hermann Dorfmeyer, Personalvermittlung farmconnect: „Zum Teil unterscheiden sich die Löhne so stark wie zwischen den Regionen. Klare Maßstäbe gibt es nicht.“ Ein Landwirt verdient in Deutschland im Schnitt gut 2.000 €, Tierwirte 1.800 € brutto.

Auf den ersten Blick sind Löhne kaum vergleichbar (Leistungszulagen, Sonntags- und Nachtzuschläge, Mahlzeiten, Unterkunft, Tankgutscheine etc.). Wichtig ist daher, die Summe der tatsächlichen Vergütungen zu betrachten und durch die gearbeiteten Stunden zu teilen. Tipp: Wer genauer wissen möchte, was ein-zelne Berufsgruppen in der Region verdienen, findet dies im Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit.

Mindestlohn reicht nicht

„Der Melkerjob sollte nicht unterschätzt werden“, sagt Hermann Dorfmeyer. Vom Charakter her handelt es sich um eine Fließbandarbeit, die in vielen Melk-ständen körperlich anstrengender und weniger kom-fortabel ist, als an manchem Fließband in der Indust-rie. Zudem haben Melker oft zusätzliche Aufgaben, die Tierkenntnis und Beurteilungserfahrung erfor-dern. „So gesehen wäre für manchen Melker ein hö-herer Stundenlohn gerechtfertigt, als in der Maschi-nenindustrie gezahlt wird“, so Dorfmeyer. Dazu kommt, dass bei steigenden Lebenshaltungskosten (Wohnen, Ernährung, Mobilität, Freizeit) der Mindest-lohn von ca. 1.200 € netto kaum ausreicht.

„Die Zahlung des Mindestlohns ist bestenfalls in Einzelfällen und in der Probezeit akzeptabel. Mittel-fristig muss das Lohn-Niveau deutlich steigen, denn die Mitarbeiter müssen auch von ihrer Arbeit leben

1. Kaum Potenzial für pauschale Lohnerhöhungen

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Melker verdienen in den neuen Bundesländern mehr als Min­destlohn. Personalkosten bleiben nur mit mehr Milch stabil.

Hermann Dorfmeyer, farmconnect

Dr. Matthias Heyder, LWK Niedersachsen

Ingo Schimmel­pfeng, Koes­lingAnderson

36 Elite 6/2018

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gender Löhne halbwegs stabil halten (Übersicht 1). Um trotz geringem Potenzial höhere Löhne umzuset-zen, kann man gute Leistung entlohnen. Die Parame-ter müssen die Mitarbeiter aber beeinflussen können:

■■ Brunsterkennung (Prämien von 2 bis 5 € für jedes besamte Tier, aufzuteilen auf das gesamte Team)

■■ Totgeburtenrate und Kälberaufzuchtverluste■■ Abgänge in der Frühlaktation bis 60 Tage in Milch■■ Fehltage (freiwillige Sonderprämie am Jahresende

zusätzlich zum vereinbarten Gehalt; Kürzung je Fehl-tag um bis zu 25 % des täglichen Entgelts)

Eine Sondervergütung geht auch durch Waren-gutscheine (steuerfreier Sachbezug, bis 44 €/Monat).

Die Arbeitsplatzqualität entscheidet

Die Wirkung einer Lohnerhöhung verblasst nach einiger Zeit. Gerade jüngere Arbeitnehmer legen aber heute Wert auf ein geregeltes und ausgegliche-nes Zusammenspiel von Freizeit und Arbeit (Work- Life-Balance). Auch das Betriebsklima wird wichtiger: einheitliche Arbeitskleidung, ein Aufenthaltsraum mit Küche, Sozialräume mit modernen Sanitäranlagen, teambildende Maßnahmen (gemeinsame Pausenzei-

ten, Betriebsfeiern, Messebesuche, Vorträge, …). Alle Mitarbeiter sollten gerecht beurteilt, regelmäßig fort-gebildet und wertgeschätzt werden. Dazu gehören auch würdige Unterkünfte und geregelte Arbeitszei-ten für ausländische Arbeitskräfte. „Zudem sollte es regelmäßig Personalgespräche unter vier Augen geben“, rät Ingo Schimmelpfeng.

„Viele Menschen möchten heute einen Sinn in ihrer Arbeit sehen“, ergänzt Matthias Heyder, Land-wirtschaftskammer Niedersachsen. „Da kann die

■■ Löhne müssen sich künftig transparent am Durchschnittsniveau der Region orientieren ( Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit). Lohnerhöhungen leistungsbezogen gewähren.

■■ Neben einem besseren Einsatz der Mitarbei-ter (Arbeitsorganisation!) gewinnen Arbeitsplatz-gestaltung, geregelte Arbeitszeit, Wertschätzung und Fortbildungen an Bedeutung.

KOMPAKT

Acht Stunden Melken ist anstrengend. Trotzdem bekommen viele Melker nur wenig mehr als den Mindestlohn. Immer mehr Betriebe können offene Stellen schwer besetzen. Wer nicht mehr zahlen kann, muss mit Arbeitsplatzqualität punkten.

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Milchkuhhaltung punkten.“ So erreichte die Landwirt-schaft in einer Umfrage zur Sinnhaftigkeit der eige-nen Arbeit Platz zwei (Zustimmung von 94,5 %).

Tipp: Auch Quereinsteiger berücksichtigen. Kran-ken- oder Altenpfleger z. B. sind verantwortungsbe-wusstes und hygienisches Arbeiten gewohnt. Für diese Menschen könnte die Milchkuhhaltung ein at-traktives Arbeitsfeld bieten. In den Gesundheits- und sozialen Berufen leiden nach Angaben des Statisti-schen Bundesamts 20,5 % der Beschäftigten unter Zeitdruck. In der Landwirtschaft sind dies nur 7,9 %.

Weil gute Mitarbeiter künftig noch knapper und teurer werden, wird es für die Betriebe wichtiger, sie effizient einzusetzen, sagt Matthias Heyder: „Gute Ar-beitsorganisation macht sich bezahlt!“

C. Stöcker-Gamigliano

Immer weniger „Angebot“Bis 2060 geht die Zahl der erwerbsfähigen

Menschen zwischen 20 und 65 Jahren im Ver-gleich zu 2010 um 30 % zurück. Milchkuhbetriebe konkurrieren mit anderen Arbeitgebern also um immer weniger Bewerber. Heute fehlen offiziellen Statistiken zufolge in der Landwirtschaft vor allem Fachkräfte (Übersicht 2). Als „Fachkräfte“ bezeich-net der Arbeitsmarktmonitor der Agentur für Ar-beit Menschen, die eine Berufsausbildung abge-schlossen haben. „Spezialisten“ weisen zudem eine Meisterprüfung oder einen Abschluss zum staatlich geprüften Agrarbetriebswirt auf. Als „Ex-perten“ gelten Absolventen von Fachhochschu-len oder Universitäten. Seit 2015 kommen immer weniger Arbeitssuchende auf die offenen Stellen.

0 1 2 3 4 5 6 7 8

Fachkräfte

Spezialisten

Experten

2,4

4,3

5,8

6,1

3,1

4,2

Quelle: LWK Niedersachsen, Arbeitsmarktmonitor

20172015

Arbeitslosen-Stellen-Relation

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Auch in der Landwirtschaft gibt es heute weniger Menschen, die für eine offene Stelle infrage kommen.

2. So viele Arbeitslose kommen auf eine Stelle

Leistungsbezogene Zuschläge, z. B. eine freiwillige Sonderzahlung für Einsatz, kann die Zahl der Fehltage reduzieren, ohne die Liquidität zu belasten.

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