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© Dr. Christoph Thoma
Katholischer Religionsunterricht – Kompetenzblatt 118
Freiheit
Schon häufig werdet ihr gemerkt, vielleicht auch
beklagt haben: Ihr wollt frei und selbstbestimmt
leben, handeln und entscheiden. Ihr wollt in das
eigene Leben springen. Zugleich aber macht ihr
die Erfahrung, dass euer Drang nach
Selbstbestimmung und Freiheit an Grenzen
stößt. Es ist gar nicht so einfach, ‚Herr / Frau im
eigenen Haus‘ zu sein …
Vielleicht kennt auch ihr das Gefühl, an
irgendwelchen Fäden zu hängen, die von anderen Menschen hin und her gezogen werden. Oder ihr
merkt bei euren Freundinnen und Freunden, wie
sie an solchen Fäden hängen. Diese Fäden
können dünn oder dick sein. Einige von euch
befinden sich vielleicht oft, andere vielleicht nur
selten in den Fäden und Händen anderer
Menschen. Wir wollen einige dieser Fäden und
Hände etwas genauer anschauen.
Aufgaben:
1. Gib der Karikatur einen Titel. [Transfer]
2. Trage in die Tabelle in Stichworten ein, von
welchen Fäden der Fremdbestimmung und
Unfreiheit du dich gerne befreien würdest. [Denken/Reflexion]
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... möchte ich mich befreien von …
Wenn ich an die
Schule denke, …
Wenn ich an zu
Hause denke, …
Wenn ich an die
Gesellschaft denke,
…
Wenn ich an
Instagram denke, …
Wenn ich an meine
berufliche Zukunft
denke …
Wenn ich an meine
Gewohnheiten
denke …
1 Handlungsfreiheit
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Alltägliches Leben ist handelndes, ist aktives
Leben. Auch Tiere können aktiv sein, etwa
dann, wenn der Hund sich seinen Knochen
holt, wenn das Pferd durch den Wald
galoppiert oder des Morgens, wenn der Hahn
kräht. Derartige (tierische und alle anderen
nicht bewusst kontrollierten) Aktivitäten
werden als ‚Verhalten‘ und nicht als
‚Handeln‘ bezeichnet. Hier wie dort, dem Menschen nicht anders als dem Tier, ist (spezifische)
Aktivität möglich. Sie ist möglich, wenn und insofern ihr kein Hindernis im Weg steht. Denn ein
kranker Mensch treibt keinen Sport, in der Dunkelheit können wir keine Buch lesen, ein
eingeschlossener Hund kann seinen Knochen nicht aus dem Garten holen. Erst dann, wenn diese
Hindernisse beseitigt sind, kann der Mensch und kann das Tier frei, können sie aktiv sein. Beim
Menschen sprechen wir dann von Handlungsfreiheit. Frei zu sein im Sinne der Handlungsfreiheit
bedeutet, beim Handeln bzw. Tun nicht gehindert zu sein.
Kein Handeln aber – und auch nicht das freie
Handeln – ist vollständig und in jeder
Hinsicht beliebig. So kann man als Mann
nicht Frau, als Kind eines
Sozialhilfeempfängers nicht Sohn eines
Millionärs und als Fußballspieler im Moment
des Fußballspielens nicht zugleich Handballer
sein. All dieses ist selbstverständlich, und
wohl kaum jemand käme auf die Idee, zu
behaupten, wir wären deswegen in einer der
besagten Situationen unfrei. Und kaum
jemand würde verlangen, man möge ihn
diesbezüglich befreien. Frei zu sein im Sinne
der Handlungsfreiheit bedeutet also nicht,
bedingungslos und beliebig handeln zu
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Handlungsfreiheit(Ich werde in meinem Handeln nicht
gehindert)
Frei sein von äußeren Zwängen und Einschränkungen.
Ist unmöglich, wenn ich unterdrückt bin oder gezwungen werde.
Hierüber lesen wir u.a. bei Aristoteles, Thomas Hobbes, John Locke und Voltaire.
Frei sein von psycho-physiologischen Blockaden und Widerständen (Neurosen, Triebe, …)
Ist unmöglich, wenn ich von Trieben, Instinkten und Abwehrmechanismen geleitet werde.
Hierüber lesen wir u.a. in der Stoa, bei Jean-Jacques Rousseau, Arthur Schopenhauer und Sigmund Freud.
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können. Damit wir eine Handlung zurecht als ‚frei‘ bezeichnen, reicht es, dass sie ‚nicht gehindert‘
wird.
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2 Vielfältige Freiheit
(1) Die schönsten Träume von Freiheit werden ja im Kerker geträumt.Friedrich Schiller (1759-1905), Briefe über Don Carlos, 2. Brief
(2) Was hilft es dir, damit zu prahlen,dass du ein freies Menschenkind?
Muss du nicht pünktlich Steuern zahlenObwohl sie dir zuwider sind.“
Wilhelm Busch (1832-1908), Schein und Sein, Unfrei
(3) Freedom’s just another word for nothin‘ left to lose.Janis Joplin (1943-1970)
(4) Was nützt die Freiheit des Denkens, wenn sie nicht zur Freiheit des Handelns führt? Jonathan Swift (1667-1745), Abhandlung über die Abschaffung des
Christentums
(5) Völlig frei wird der Mensch nur dann, wenn es ihm einerlei wird, ob er lebt oder nicht. Das ist das Ziel aller Bestrebungen.Fjodor Dostojewski (1821-1881), Die Dämonen
(6) Der Mensch ist frei geboren, und überall ist er in Ketten. Mancher hält sich für den Herrn seiner Mitmenschen und ist trotzdem mehr Sklave als sie.
Jean-Jacques Rousseau (1712-1778), Vom Gesellschaftsvertrag
Aufgaben:
3. Lest die Zitate zur „vielfältigen Freiheit“ langsam und aufmerksam durch.
4. Begründe, welchen Zitaten du zustimmt und welchen nicht. [Denken/Reflexion]
3 Freiheit: Wahl und Wille
Da offenkundig recht verschieden und auch widersprüchlich davon gesprochen wird, dass etwas
oder jemand frei oder unfrei ist, müssen wir uns detaillierter darüber verständigen, was wir unter
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‚Freiheit‘ verstehen. Bis jetzt haben wir immerhin schon geklärt, dass ‚Handlungsfreiheit‘ meint,
‚bei einer Aktivität bzw. Handlung nicht gehindert zu werden‘.
Nun müssen wir noch versuchen, jenes
vielfältige Sprechen von der Freiheit zu
ordnen und genauer zu verstehen. Und
noch völlig unklar ist, was wir meinen,
wenn wir vom ‚freien Willen‘, von der
‚freien Entscheidung‘, von den ‚freien
Gedanken‘ oder gar von der ‚freien Liebe‘
sprechen: Was bedeutet es, wenn von
‚Freiheit‘ in Verbindung mit einem
abstrakten Wort (‚Wille‘, ‚Entscheidung‘,
‚Gedanke‘, ‚Liebe‘, …) gesprochen wird?
Über all diese Fragen wurde im Laufe der Geschichte Europas und der außereuropäischen Länder
und Kulturen oft gesprochen und viel gestritten. Dabei diente das Wort ‚Freiheit‘ ursprünglich
lediglich zur Unterscheidung des rechtsfähigen Bürgers von einem Sklaven (so z.B. im
Germanischen oder Römischen Recht). Im Zuge der philosophischen, kulturellen und
gesellschaftspolitischen Aufklärungsepoche im 18. Jahrhundert wurden dem einzelnen Menschen
dann unabhängig von Standeszugehörigkeit und Herkunft bestimmte und unauflösliche
grundsätzliche Rechte zuerkannt (die ‚Menschenrechte‘). Denn jeder Mensch sei frei und diese
Freiheit müsse unbedingt geschützt werden. Diese Einsicht war auch bei der Erklärung der
Menschenrechte im Rahmen der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung (1776) und in der Parole
der Französischen Revolution (1789)
leitend. Sie ist bis heute der Leitspruch
Frankreichs: Freiheit – Gleichheit – Brüderlichkeit (Liberté – Égalité – Fraternité).
Aufgaben:
5. Begründe, inwiefern die junge Frau auf dem u. a. Bild frei ist. Inwiefern muss sie fremdbestimmt
handeln? Inwiefern kann sie selbstbestimmt handeln? [Denken/Reflexion]
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Eugène Delacroix (1830): La liberté guid
Wahlfreiheit(Ich wähle etwas)
Frei zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten aussuchen (z.B. einen Gegenstand oder Sachverhalt wählen).
Ist unmöglich, wenn ich unentschlossen bin und/oder mir alles egal ist.
Hierüber lesen wir u.a. bei Spinoza, David Hume und George Edward Moore.
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Hinter all dem steht der von den
Philosophen der Aufklärungszeit formulierte
Gedanke, dass jeder einzelne Mensch (jedes
Individuum) nicht nur nach den Gesetzen der
Natur und der Gesellschaft leben kann und
leben soll. Jeder Mensch sei anderes und
mehr als ein gut funktionierender Automat
im Dienste fremder Herren. Seitdem ist es
den meisten Menschen selbstverständlich:
Frei ist der Mensch, insofern er nicht von
außen gezwungen oder eingeschränkt wird. Wir haben dies soeben als ‚Handlungsfreiheit‘
kennengelernt. Nicht (völlig) fremdbestimmt zu sein, zählt seitdem zu den Rechten, die der einzelne
Mensch hat. Aber die Philosophen der Aufklärung sprachen noch in einem anderen, in einem
zweiten Sinn von der Freiheit des einzelnen Menschen. Auch hier griffen sie auf philosophische
Traditionen zurück: Anders als das Tier ist der Mensch auch in seinem Denken und Wollen frei. Die
Philosophen waren überzeugt: Die Gedanken, die ein Mensch hat, werden nicht von jemandem
außerhalb seiner, sondern ausschließlich von ihm selbst ausgebildet und gelenkt. Und daher seien
auch Handlungen, die von diesen Gedanken gelenkt werden, frei. In seinem vernünftigen Handeln
sei der Mensch frei. Und damit bedeutet ‚Freiheit‘ nicht nur ‚Freiheit von Fremdbestimmung‘ (auch
‚Handlungsfreiheit‘ genannt), sondern auch ‚Freiheit zur Selbstbestimmung‘. Diese
Selbstbestimmung wird ihrerseits nochmals unterschieden, zum einen nämlich als ‚Wahlfreiheit‘,
zum anderen a als ‚Willensfreiheit‘.
Allen westlichen Demokratien liegen diese Freiheiten (Handlungsfreiheit, Wahlfreiheit,
Willensfreiheit) zugrunde. Wir können sagen: Philosophie hat Staat und Politik gemacht – sie steht
am Beginn unseres modernen, aufgeklärten und freien Lebens.
Die Handlungsfreiheit wird auch als ‚negative‘, Wahl- und Willensfreiheit als ‚positive‘ Freiheit
bezeichnet.
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Junge Frau vor einer Jobbörse
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Willens- bzw. Entscheidungsfreiheit (Ich will etwas und bestimme mich selbst)Frei sein zu vernünftiger, selbstständiger und unabhängiger Ausbildung des eigenen Willens, der eigenen Absichten und Ziele (des eigenen Lebens)
Frei entscheiden kann ich mich nicht, wenn ich unvernünftig bin und / oder meine selbstaufgetragenen Pflichten vergesse.
Hierüber lesen wir u. a. bei René Descartes, Immanuel Kant, Martin Heidegger und Jean-Paul Sartre.
Aufgaben:
6. Vervollständige folgende Sätze: [Reproduktion]
Das Bild „Die Moral“ wendet sich kritisch gegen .............................................. Es
konfrontiert die Betrachter damit, dass ............................................................ Es fordert
dazu auf, die eigene Freiheit nicht nur als ........................................... ‚im Kopf‘ zu haben,
sondern aktiv ………….....……......................……………................…..
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7. Ordne die sechs Zitate zur ‚vielfältigen Freiheit‘ der Handlungs-, Wahl- oder Willensfreiheit zu. [Transfer]
Zitatnummern
Handlungsfreiheit
Wahlfreiheit
Willensfreiheit
Quelle:
Christoph Thoma, Grundlagen der Ethik, in: Praxisbuch Ethik für Jugendliche 1, Linz (Veritas) 2016.
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