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Von Null auf Marktführer Ein außergewöhnliches Unternehmen aus Thüringen erobert den Weltmarkt für Kurbelwellen Es ist eine erstaunliche unternehmerische Erfolgsgeschichte, die sich seit elf Jahren im thüringischen Nordhausen abspielt. Die Feuer Powertrain GmbH und Co. KG startete 2002 praktisch aus dem Nichts mit der Produktion von Kurbelwellen. Seitdem hat sich das Unternehmen zu einem Global Player entwickelt und ist in Europa die Nr. 1. Nordhausen. Das ganze Vorhaben lag irgendwo zwischen Wahnsinn und Genie. Dieter Feuer und Oliver Wönnmann beschlossen im Jahr 2002, einbaufertige Kurbelwellen zu produzieren. Kein leichtes Unterfangen, wie sich schnell herausstellte. Der konzernunabhängige Markt für dieses spezielle Segment war klein und es fand sich keine Bank, die, ohne die Sicherheit von festen Aufträgen, einen Kredit für den Aufbau einer solchen Firma geben wollte. Aber wie überzeugt man mögliche Auftraggeber, wenn man weder eine Werkhalle noch eine einzige selbst produzierte Kurbelwelle vorweisen kann? „Mit

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Page 1:  · Web viewOhne eigenes Werk wurde ein Auftrag von Volkswagen akquiriert. Und der hatte es in sich. Es ging um die Produktion von Zehnzylinder-Kurbelwellen für die VW-Spitzenmodelle

Von Null auf Marktführer

Ein außergewöhnliches Unternehmen aus Thüringen erobert den Weltmarkt für Kurbelwellen

Es ist eine erstaunliche unternehmerische Erfolgsgeschichte,

die sich seit elf Jahren im thüringischen Nordhausen abspielt.

Die Feuer Powertrain GmbH und Co. KG startete 2002

praktisch aus dem Nichts mit der Produktion von Kurbelwellen.

Seitdem hat sich das Unternehmen zu einem Global Player

entwickelt und ist in Europa die Nr. 1.

Nordhausen. Das ganze Vorhaben lag irgendwo zwischen

Wahnsinn und Genie. Dieter Feuer und Oliver Wönnmann

beschlossen im Jahr 2002, einbaufertige Kurbelwellen zu

produzieren. Kein leichtes Unterfangen, wie sich schnell

herausstellte. Der konzernunabhängige Markt für dieses

spezielle Segment war klein und es fand sich keine Bank, die,

ohne die Sicherheit von festen Aufträgen, einen Kredit für den

Aufbau einer solchen Firma geben wollte. Aber wie überzeugt

man mögliche Auftraggeber, wenn man weder eine Werkhalle

noch eine einzige selbst produzierte Kurbelwelle vorweisen

kann? „Mit Überzeugungskraft“, sagt Oliver Wönnmann mit

einem gewinnenden Lachen, um gleich darauf zu betonen,

dass natürlich auch „die nötige Portion Glück“ nicht fehlen

dürfe.

Beides kam zusammen. „Wir waren damals keine Greenhorns

ohne Beziehungen zur Automobilindustrie“, sagt Wönnmann.

Partner Dieter Feuer führte nämlich zuvor in Thüringen einen

Automobilzulieferer. „Mit dem Verkaufserlös und dem

unternehmerischen Know how wollten wir uns den Traum

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verwirklichen und eine „Hightech-Schmiede“ aufbauen“. Die

sollte aber auch gleich mit einer gewagten Vision verbunden

sein: „Unser Ziel war es, bis spätestens 2010 Marktführer in

Europa zu werden.“ Doch zuerst musste mal ein Auftrag her.

„Es galt also, diesen Knoten zu zerschlagen“, umschreibt

Wönnmann die Situation.

Ob es nun die Überzeugungskraft, die Portion Glück oder

andere Faktoren waren, sei dahingestellt. Jedenfalls geschah

etwas für die Automobilbranche Ungewöhnliches. Ohne

eigenes Werk wurde ein Auftrag von Volkswagen akquiriert.

Und der hatte es in sich. Es ging um die Produktion von

Zehnzylinder-Kurbelwellen für die VW-Spitzenmodelle Phaeton

und Touareg. Das überzeugte auch die Banken, und es begann

eine außergewöhnliche Unternehmensgeschichte, die Feuer

Powertrain in ihrem Segment mittlerweile zur Nummer 1 in

Europa und zur Nummer 4 in der Welt gemacht hat.

Von Nordhausen aus den Weltmarkt aufgemischtDabei fing es eher unspektakulär an. Mit dem Eigenkapital,

Bankkrediten und Fördergeldern des Landes Thüringen und der

Stadt Nordhausen wurde auf einer Industriebrache in der

Rothenburgstraße 27 acht Monate lang gebaggert, gebaut und

die Feuer Powertrain GmbH & Co. KG im wahrsten Sinne des

Wortes aus dem Boden gestampft. Rund 48 Millionen Euro

wurden hier, am südlichen Rande des Harzes, investiert. Am

1. Oktober 2003 lief dann die erste Kurbelwelle vom Band.

Wenig später hatte die Firma bereits 100 Mitarbeiter und mit

Bernd Gulden kam ein dritter Mann als Vorsitzender der

Geschäftsführung hinzu. Oliver Wönnmann, der als

Gründungsgeschäftsführer heute für Finanzen, Förderung und

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Verwaltung zuständig ist, freut besonders, dass mit Feuer

Powertrain die alte Tradition des Nordhäuser Kurbelwellenbaus

weiterlebt. Auch ist es für ihn selbstverständlich, „dass

Unternehmen in Deutschland dafür Sorge tragen, dass gerade

in den neuen Bundesländern etwas passiert“. Das treibt ihn bis

heute an.

Und in Nordhausen passiert nach wie vor unglaublich viel. Der

Enthusiasmus der Gründungsphase, das merkt man im

Gespräch mit Oliver Wönnmann sehr schnell, scheint noch

immer ungebrochen zu sein: „Wir haben den Markt der

Zulieferer aufgemischt und das wollen wir weiter tun.“ Nach wie

vor herrscht also Aufbruchsstimmung. Denn das Unternehmen

befindet sich quasi im kontinuierlichen Aufbau. In regelmäßigen

Abständen wurden am Standort neue Werke errichtet. Das

vorläufig letzte, die Nummer 5, im ersten Quartal dieses Jahres.

Selbst in der Krise wurde bei Powertrain kräftig investiertEtwa 230 Millionen Euro wurden dafür insgesamt bis heute

investiert. Die Zahl der Mitarbeiter hat sich auf über 400 erhöht

und 50 junge Menschen finden einen Ausbildungsplatz. Die

Ausbildungsquote liegt über zehn Prozent und ist damit deutlich

höher als der Branchendurchschnitt. Selbst auf dem Höhepunkt

der letzten Krise hat man bei Powertrain kräftig investiert und

für 15 Millionen Euro Werk 3 errichtet. Am Ende dieses Jahres

wird sich der Umsatz seit 2009 fast vervierfacht haben. Dass

man bei Feuer Powertrain da keine Probleme mit dem

Selbstbewusstsein hat, versteht sich fast von selbst.

Die Liste der weltweiten Kunden liest sich wie das Who is Who

des Automobil- und Motorenbaus. Der Firmenslogan „We crank

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the world“, was so viel heißt wie: „Wir kurbeln die Welt an“,

kann man da schon fast wörtlich nehmen. Und die Perspektiven

sind weiter rosig. Bis 2016 soll die Belegschaft auf über 600

Mitarbeiter anwachsen. Das sei keinesfalls zu optimistisch, sagt

Wönnmann, da die Zahl der Anfragen und Aufträge sich

ungebrochen weiterentwickele. Seit September 2009 ist die

Produktion vollständig ausgelastet. Gearbeitet wird mit einer

Sondergenehmigung an sieben Tagen der Woche in drei

Schichten – mehr geht nicht.

Bleibt die Frage: Was macht das Unternehmen so erfolgreich?

Die Antwort von Geschäftsführer Wönnmann fällt kurz aus:

„Geschwindigkeit und Flexibilität.“ Und was ist mit der Qualität?

Die sei selbstverständlich, sagt der agile Manager. „Wenn man

die nicht hat, braucht man sich keine weiteren Gedanken über

das Geschäft zu machen.“ Die Schnelligkeit, mit der man bei

Feuer Powertrain auf Kundenwünsche reagieren könne, sei das

entscheidende Alleinstellungsmerkmal, das sie von den

Wettbewerbern unterscheide. „Wenn andere durchschnittlich

sechs bis acht Monate brauchen“, so Wönnmann nicht ohne

Stolz, „sind wir nach zwei Monaten lieferbereit.“

Überdurchschnittliche Flexibilität als ErfolgsfaktorDamit das so funktioniere, sei aber auch eine

„überdurchschnittliche Flexibilität“ notwendig. Die ermöglicht,

dass die Fertigung sehr schnell und mit wenig Aufwand

umgerüstet werden kann. Mit dem Effekt, dass mehrere

Kurbelwellentypen, vom Vier- bis zum Zwölfzylinder fast

gleichzeitig gefertigt werden können. Mehr als 2.400

Kurbelwellen verlassen heute täglich die vollautomatisierte

Produktion. „Wir haben dabei nicht eine Fertigungslinie pro

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Kurbelwellentype, sondern durchgängig flexible Anlagen“,

betont Wönnmann. Das sei von Anfang an Hauptbestandteil

des Unternehmenskonzepts gewesen. So wurde der

Maschinenpark in enger Kooperation mit den Herstellern

geplant und entsprechend verkettet aufgestellt. „Das war

wirklich etwas Besonderes“, erinnert sich der Geschäftsführer.

Schließlich sei die Fertigung einer Kurbelwelle eine echte

technologische Herausforderung. Bis zu 26 Arbeitsschritte

seien notwendig und erforderten eine perfekte Taktung der

Maschinen.

Menschen greifen in diese ausgeklügelten Abläufe kaum noch

ein. Wenn man sich beispielsweise im Werk 2 umschaut, einer

etwa 200 Meter langen Halle mit zwei Produktionslinien, kann

einem schon einsam werden. Emsig flitzen wie von

Geisterhand gesteuerte Gabelstapler durch die langen Gänge

und transportieren große Paletten mit Kurbelwellen von einer

Bearbeitungsstation zur anderen. Menschen sieht man kaum.

Ab und an tauchen dann doch einzelne Mitarbeiter auf, die die

Abläufe kontrollieren, oder in der Endkontrolle tätig sind. „Das

sind alles hoch qualifizierte Mitarbeiter“, sagt Wönnmann.

„Leute, die lediglich An- und Ausknöpfe drücken, brauchen wir

nicht.“

Da die geforderte Präzision bei Kurbelwellen bei drei

Mikrometern liege, sei zudem die Temperaturempfindlichkeit

der Werkstücke eine Herausforderung. Feuer Powertrain hat

dazu ein eigens nachhaltiges Klimakonzept entwickelt. Mit Hilfe

von Brunnenwasser wird in den Hallen konstant eine

Temperatur von 22 Grad gehalten, sowohl im Sommer als auch

im Winter. Überhaupt würde die Nachhaltigkeit künftig eine

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immer stärkere Rolle im Unternehmen spielen, betont der

Geschäftsführer. So werde man spätestens 2016 einen eigenen

Windpark mit der entsprechenden Infrastruktur in Betrieb

nehmen und das Unternehmen somit selbst mit Energie

versorgen. „Mit außergewöhnlichen Konzepten“, so

Wönnmann, „kennen wir uns schließlich aus.“

Ansprechpartner:FEUER powertrain GmbH & Co. KG

Oliver WönnmannTel: 03631 – 470 300

[email protected]

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Fotos zum Artikel

Geschäftsführer Oliver Wönnmann Penible Endkontrollen garantieren höchste Qualität

Menschen greifen in die automatisierten Abläufe nur in Ausnahmen ein.

Rund 2.400 Kurbelwellen, für Vier- bis Zwölfzylinder-Motoren, verlassen täglich das Unternehmen

Fotos: Gesamtmetall/Pit Junker

Die Bilder können Sie als Farbfoto auf unserer Internet-Seite

(www.gesamtmetall.de, Pressestelle – Reportagen) herunterladen.