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Balladen Deutsch: Lyrik

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BalladenInhalte und Lernziele BALLADEN 2

INHALTE UND LERNZIELE 2BALLADEN – EIN BEISPIEL 5

DIE BRÜCK' AM TAY (THEODOR FONTANE) 5SINNERSCHLIESSENDES LESEN 6

1. den Sinn einer Ballade durch die Lesart erschliessen 6AUSGEWÄHLTE BALLADEN 7

INHALTSANGABEN 7AUFTRÄGE 10

VERSTÄNDNIS: 102. eine selbst gewählte Ballade lesen und verstehen 10

VORTRAGEN 103. eine Ballade mit dem Inhalt angepasstem Sprechtempo hersagen 104. eine Ballade in angemessener Lautstärke deutlich mit korrekter Aussprache rezitieren

105. den Inhalt einer Ballade mittels Sprachdynamik sowie Mimik & Gestik hervorheben 106. eine Ballade frei vortragen 10

BALLADE 10BEURTEILUNG 10BEWERTUNGSRASTER 10

VON DES CORTEZ LEUTEN 11(BERTOLD BRECHT) 11

DIE ALTE WASCHFRAU 12(ADALBERT VON CHAMISSO) 12

DER RECHTE BARBIER 13(ADALBERT VON CHAMISSO) 13

DER KNABE IM MOOR 14(ANNETTE VON DROSTE-HÜLSHOFF) 14

GORM GRYMME 15(THEODOR FONTANE) 15

HERR VON RIBBECK AUF RIBBECK IM HAVELLAND 16(THEODOR FONTANE) 16

JOHN MAYNARD 17(THEODOR FONTANE) 17

ERLKÖNIG 18(JOHANN WOLFGANG GOETHE) 18

DER TOTENTANZ 19(JOHANN WOLFGANG VON GOETHE) 19

BELSAZAR 20(HEINRICH HEINE) 20

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DIE FÜSSE AM FEUER 21(CONRAD FERDINAND MEYER) 21

DER FEUERREITER 23(EDUARD MÖRIKE) 23

DIE TRAURIGE KROENUNG 24(EDUARD MÖRIKE) 24

DIE BÜRGSCHAFT 25(FRIEDRICH SCHILLER) 25

DER HANDSCHUH 27(FRIEDRICH SCHILLER) 27

DER TAUCHER 28(FRIEDRICH SCHILLER) 28

DER ZAUBERLEHRLING 30(JOHANN WOLFGANG VON GOETHE) 30

NIS RANDERS 31(OTTO ERNST SCHMIDT) 31

DIE SCHNITTERIN 32(GUSTAV FALKE) 32

DAS KIND MIT DEM GRAVENSTEINER 33(DETLEV VON LILIENCRON) 33

KINDERKREUZZUG 1939 34(BERTOLD BRECHT) 34

DAS KIND AM BRUNNEN 36(FRIEDRICH HEBBEL) 36

PADDY FINGAL 37(WILHELM BRANDES) 37

DAS RIESEN-SPIELZEUG 38(ADALBERT VON CHAMISSO) 38

DER REITER UND DER BODENSEE 39(GUSTAV SCHWAB) 39

DER KLEINE ZAUBERER IN DER FAHRSCHULE (DER ZAUBERLEHRLING) 42(GESCHRIEBEN VON: VANESSA KLEINWÄCHTER) 42

DER ERLKÖNIG 43LORD VOLDEMORT (DER ERLKÖNIG) 44

(GESCHRIEBEN VON: STEPHANIE LUKKES) 44ERLKING 45

(GESCHRIEBEN VON: JONAS ZIERMANN) 45DER ERLKÖNIG AUF BMW 4DER ERLKÖNIG (EDV-VERSION) 5DER "EISENBAHNER"-ERLKÖNIG 6

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DER TORSCHÜTZENKÖNIG 7DER KÖNIG ERL 7EIN "STINKIGER" ERLKÖNIG 7EIN WEITERER "STINKIGER" ERLKÖNIG 7D' BÜRGSCHAFT (ALLGÄUERISCH) 8

(GESCHRIEBEN VON: LUKAS RIEF) 8

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Balladen – ein BeispielDie Brück' am Tay (Theodor Fontane)„Wann treffen wir drei wieder zusamm?“

„Um die siebente Stund am Brückendamm.“„Am Mittelpfeiler.“

„Ich lösche die Flamm.“„Ich mit.“

„Ich komme von Norden her.“„Und ich von Süden.“

„Und ich vom Meer.“„Hei, das gibt ein Ringelreihn,und die Brücke muss in den Grund hinein.“„Und der Zug, der in die Brücke trittum die siebente Stund?“

„Ei, der muss mit.“„Muss mit.“

„Tand, Tandist das Gebilde von Menschenhand! “

Auf der Norderseite das Brückenhaus –Alle Fenster sehen nach Süden aus,und die Brücknersleut ohne Rast und Ruhund in Bangen sehen nach Süden zu,sehen und warten, ob nicht ein Lichtübers Wasser hin „ich komme“ spricht,„ich komme, trotz Nacht und Sturmesflug,ich, der Edinburger Zug.“

Und der Brückner jetzt: „Ich seh einen ScheinAm anderen Ufer. Das muss er sein.Nun, Mutter, weg mit dem bangen Traum,unser Johnny kommt und will seinen Baum,und was noch am Baume von Lichtern ist,zünd alles an wie zum heiligen Christ,der will heuer zweimal mit uns sein –und in elf Minuten ist er herein.“

Und es war der Zug. Am SüderturmKeucht er vorbei jetzt gegen den Sturm,und Johnny spricht: „Die Brücke noch!Aber was tut es, wir zwingen es doch.Ein fester Kessel, ein doppelter Dampf,die bleiben Sieger in solchem Kampf,und wie’s auch rast und ringt und rennt,wir kriegen es unter, das Element.

Und unser Stolz ist unsre Brück;Ich lache, denk ich an früher zurück,an all den Jammer und all die Notmit dem elend alten Schifferboot;wie manche liebe Christfestnachthab ich im Fährhaus zugebrachtund sah unsrer Fenster lichten Scheinund zählte und konnte nicht drüben sein.“

Auf der Norderseite das Brückenhaus –Alle Fenster sehen nach Süden aus,und die Brücknersleut ohne Rast und Ruhund in Bangen sehen nach Süden zu;

denn wütender wurde der Winde Spiel,und jetzt, als ob Feuer vom Himmel fiel,erglüht es in niederschiessender Prachtüberm Wasser unten... Und wieder ist’s Nacht.

„Wann treffen wir drei wieder zusamm?“„Um Mitternacht, am Bergeskamm.“

„Auf dem hohen Moor, am Erlenstamm.“„Ich komme.“

„Ich mit.“„Ich nenn euch die Zahl. “

„Und ich die Namen. “„Und ich die Qual. “

„Hei!Wie Splitter brach das Gebälk entzwei.“

„Tand, Tandist das Gebilde von Menschenhand!“

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Der Hintergrund für dieses Gedicht ist ein tatsächliches Ereignis: die über drei Kilometer lange, 1878 erbaute Eisenbahnbrücke über die Mündung des Tay bei Dundee in Ostschottland stürzte während eines Sturms am 28. Dezember 1879 ein und der Zug von Edinburgh versank im Fjord. Das Unglück forderte viele Todesopfer. Eine neue Brücke wurde aufgebaut – doch noch heute (1996) sind die Stümpfe der Pfeiler der alten Brücke daneben zu sehen (siehe Bild). Fontane kannte Schottland von eigenen Reisen und verarbeitete das erwähnte Ereignis in einer Ballade. Zu Beginn und zum Ende des Gedichts sprechen die Winde miteinander, die sich vorgenommen haben, die Werke der Menschen zu zerstören.

Sinnerschliessendes Lesen1. den Sinn einer Ballade durch die Lesart erschliessen

LesehilfeGedichte lesen und vortragen will gelernt sein. Hier ein kleines Einmaleins für den Balladenvortrag. Mit den vorgeschlagenen „Lesezeichen“ lässt sich der Balladentext wirkungsvoller vortragen. Bearbeitet euern Balladentext mit den vorgeschlagenen Zeichen und fügt falls nötig Randnotizen an:Vorgehen:

1. Höre dir die Ballade an und lies mit: https://www.youtube.com/watch?v=LRBKFw-Db382. Überlege dir, wo der Schauspieler den Text mit folgenden Mitteln gestaltet und notieren ein

je Beispiel aus der Ballade in die Tabelle.

Beispiele (aus „Die Brück’ am Tay“)Sprechpause Klicken Sie hier, um Text einzugeben.

Einzelwörter hervorheben

Klicken Sie hier, um Text einzugeben.

betonen Klicken Sie hier, um Text einzugeben.

Zeilen verbinden Klicken Sie hier, um Text einzugeben.

mit der Stimme nach oben gehen

Klicken Sie hier, um Text einzugeben.

mit der Stimme nach unten gehen

Klicken Sie hier, um Text einzugeben.

erzählend Klicken Sie hier, um Text einzugeben.

dialogisierend (Zwiegespräch)

Klicken Sie hier, um Text einzugeben.

monologisierend(Einzelgespräch)

Klicken Sie hier, um Text einzugeben.

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3. Suche nun nach Stellen im Gedicht, wo der Autor den Text wie folgt gestaltet und halte erneut je ein Beispiel fest:

Beispiele (aus „Die Brück’ am Tay“)beschwörend Klicken Sie hier, um Text einzugeben.

bedrohlich Klicken Sie hier, um Text einzugeben.

fröhlich Klicken Sie hier, um Text einzugeben.

traurig Klicken Sie hier, um Text einzugeben.

Ausgewählte BalladenInhaltsangabenÜberlege dir, welche Ballade du gerne bearbeiten möchtest und wähle eine aus.

1Berthold Brecht erzählt in seiner Ballade „Von des Cortez Leuten“ wie diese Eroberer auf dem neu entdeckten Land nach einem fröhlichen Abendessen von Bäumen und Sträuchern langsam umwuchert werden. Ob dies für die Männer gefährlich werden kann, liest man am besten selber

nach.2

Die Ballade „Die alte Waschfrau“ von Adalbert von Chamisso erzählt das Leben einer 70-jährigen Frau mit allem Freud und Leid, das sie erlebt hat.

3Ein etwas seltsamer, bärtiger Fremder kommt ins Dorf. Er betritt ein Ladengeschäft und bietet

demjenigen, der an ihm einen bestimmten Auftrag perfekt ausführen kann, eine Menge Geld an. Doch niemand scheint an diesem Handel Gefallen zu finden. Kein Wunder, denn die

Dienstleistung ist an eine äusserst ungewöhnliche Bedingung gebunden, die alle abschreckt, ... ausser einen! Wer das Wagnis auf sich nimmt, erfährt man in der Geschichte „Der rechte

Barbier“ von Adalbert von Chamisso4

Ein kleiner Junge wagt sich auf ein gespenstisches Moor hinaus. Auf allen Seiten sieht er bedrohliche Schatten, er hat grosse Angst. Wie es dem Jungen bei seinem Gang über das Moor

ergeht, dies kann man in der Ballade „Der Knabe im Moor“ von Annette von Droste-Hülshoff nachlesen.

5Liest du gerne Geschichten von Königshäusern? Hier ist eine neue, die sich zwar vor einiger Zeit zugetragen hat. Der dänische König Gorm hatte nur einen einzigen Sohn und Thronfolger, den er

über alles liebte. Doch er hatte eine dunkle Vorahnung seinen Sohn zu verlieren, noch bevor dieser den Thron besteigen würde. Was kann der besorgte Vater unternehmen um das Schicksal zu seinen Gunsten zu beeinflussen und einen frühen Tod seines Sohnes zu verhindern? Möchtest

du mehr erfahren, dann lies die Ballade „Gorm Grymme“ von Theodor Fontane.6

Herr Ribbeck war immer ein sehr grosszügiger Mensch. Wann immer er konnte beschenkte er die Mädchen und Jungen aus der Nachbarschaft mit Früchten von seinem Birnbaum. Der alte

Ribbeck wollte, dass die Kinder auch nach seinem Tod noch von seinen Birnen essen konnten, doch er wusste auch dass sein geiziger Sohn dies nicht zulassen würde. Ob Vater Ribbeck eine

Lösung für sein Problem fand liest man am besten in der Ballade „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ von Theodor Fontane nach.

7Ein Schiff mit dem Namen „Schwalbe“ fährt auf dem Erie-See in Richtung Buffalo, als plötzlich Feuer an Bord ausbricht. Schafft der Steuermann die beinahe unmögliche Tat, die Leute an Bord zu retten oder gehen alle zu Grunde? Die Lösung dieser Frage ist in der Ballade „John Maynard“ von Theodor Fontane zu finden.

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8Ein Junge reitet mit seinem Vater durch die Nacht, als er mit einem Mal eine Stimme hört, die ihn

dazu überreden will, mit ihr mitzugehen. Diese Stimme verspricht dem Knaben wundervolle Dinge, doch er fürchtet sich und bittet seinen Vater um Hilfe. Ist der Junge wirklich in Gefahr?

Bildet er sich das alles nur ein? Kann der Vater seinem Kind helfen? Antworten auf diese Fragen finden sich in der Ballade „Der Erlkönig“ von Johann Wolfgang Goethe.

9Ein Türmer kann nachts von seinem Turm aus beobachten, wie aus den Gräbern beim Friedhof Gestalten herausklettern. Plötzlich will er unbedingt einen dieser Geister fangen und erkennt die Gefahren seines Unterfangens in seiner Gier nicht. Wie es ihm weiter ergeht, kann man in der

Ballade „Der Totentanz“ von Johann Wolfgang Goethe in Erfahrung bringen.10

Dies ist die Geschichte von einem machtgierigen und habsüchtigen Bösewicht, der vor nichts zurückschreckt um seine Feinde zu demütigen. Betrunken und völlig von Sinnen macht er sich lustig über die Gottheit der Feinde. Dabei ereilt ihn die gerechte Strafe. Leserinnen und Lesern,

die gerne sehen wenn der Bösewicht seiner gerechten Strafe zugeführt wird, sei die Lektüre vom Schicksal des Königs „Belsazar“ von Heinrich Heine empfohlen..

11Völlig durchnässt klopft nachts ein Ritter bei einem Haus an, um ein Nachtquartier zu erhalten. Er darf tatsächlich eintreten und als er sich beim Feuer wärmt, bemerkt er, dass er vor einiger Zeit

die Frau des Hausherrn umgebracht hat. Ob dieser bemerkt, wen er hier für eine Nacht aufgenommen hat und ob er sich an seinem Gast im Schlafe rächen will, kann man in der Ballade

„Die Füsse am Feuer“ von Conrad Ferdinand Meyer entdecken.12

Feuer löschen ohne Wasser? Ein mysteriöser Mann, den niemand so recht kennt, hat die übersinnliche Fähigkeit sofort zu merken, wenn irgendwo Feuer ausgebrochen ist. Zauberkundig

wie er ist, greift er auch zu unlauteren Mitteln um das Feuer zu bannen und setzt dabei sein eigenes Leben aufs Spiel. Gibt es Leute mit übersinnlichen Fähigkeiten oder ist dies nur Aberglauben? Wer gerne staunt, lese die Ballade „Der Feuerreiter“ von Eduard Mörike.

13Mord an einem unschuldigen Kind! Ein machtgieriger Onkel schreckt vor nichts zurück, nur um

selber auf den Thron steigen zu können. Dabei hat er auch noch die Unverfrorenheit diese unrechtmässige Thronbesteigung mit einem grossen Fest zu feiern. Doch der Tote weiss sich

noch aus dem Jenseits zu wehren und die Gerechtigkeit obsiegt. Wer sich fragt, wie das möglich ist, und wer sich gerne mit Schauergeschichten aus dem Königshaus beschäftigt, lese „Die

traurige Krönung“ von Eduard Mörike.14

Mit einem Dolch bewaffnet schleicht Damon zum Schreckensherrscher Dionys, um diesen zu töten. Leider wird er von den königlichen Wachen erwischt. Da er noch einen sehr wichtigen

Auftrag auszuführen hat, hinterlässt er seinen besten Freund als eine Art Pfand. Der König will diesen Freund hinrichten, wenn Damon nicht innerhalb von drei Tagen zurückkehrt und sich stellt.

Gelingt es Damon seine Aufgabe zu erfüllen und in der vorgegebenen Frist zu Dionys zurückzukehren, um so das Leben seines besten Freundes zu retten? Eine Antwort auf diese

Frage erhält man beim Lesen der Ballade „Bürgschaft“ von Friedrich Schiller.15

König Franz organisiert Raubtierkämpfe in seinem Löwengarten. Während einer solchen Veranstaltung fällt ein Handschuh von Kunigunde, einer Zuschauerin, in die Arena. Daraufhin

fordert sie ihren Geliebten auf, seine Liebe zu beweisen und den Handschuh vor den kämpfenden Bestien zu retten. Ob der tapfere Ritter sich darauf einlässt und sein Leben riskiert und welche

Auswirkungen dieser Auftrag von Kunigunde auf ihre Beziehung zu ihrem Freund hat, dies erfährt, wer die Ballade „Der Handschuh“ von Friedrich Schiller auswählt.

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16Ein König wirft einen goldenen Becher von einer Klippe herab in die tosende See. Er will den Becher demjenigen schenken, der ihm den Becher aus dem Wasser holt. Ein junger Knappe

taucht schliesslich nach den Becher und kann ihn mit Müh und Not dem König wiederbringen. Ist der König nun zufrieden oder will er, dass der Jüngling sein Leben erneut riskiert? Die Antwort auf

diese Frage ist in der Ballade „Der Taucher“ von Friedrich Schiller verborgen.17

Ein Lehrling ist ganz allein in seinem Betrieb, da sein Chef für kurze Zeit weg musste. Da packt ihn plötzlich das Verlangen, mal selber den Boss zu spielen. Er wagt sich denn an Dinge heran,

denen er nicht gewachsen ist. Ob das gut ausgeht, kann man in „Der Zauberlehrling“ von Friedrich Schiller erfahren.

18Nis sieht, dass auf einem brennenden Schiff das auf eine Sandbank aufgelaufen ist noch ein

Schiffsbrüchiger zurückgeblieben ist. Natürlich will er diesen mit seinen Kameraden retten, doch seine Mutter hält ihn zurück, um zu vermeiden, dass Nis im stürmenden Meer stirbt. Wie diese

Geschichte weitergeht, erfährst du in der Ballade „Nis Randers“ von Otto Ernst Schmidt.19

Die Mutter hat zwei ihrer Söhne, wie auch ihren Ehemann, verloren. Nun soll der dritte Sohn wegen eines Verbrechens hingerichtet werden. Verzweifelt kämpft sie um sein Leben. Wird sie ihn

retten können? Dies erfährst du in der Ballade „Die Schnitterin“ von Gustav Falke.20

Ein kleines Mädchen wird beim Verzehr eines Apfels aus Leichtsinn unter einem Holzstoss begraben. Panik breitet sich aus. Glaubst du, das arme Kind hat überlebt? Wenn du es genauer

wissen willst, dann wähle die Ballade „Das Kind mit dem Gravensteiner“ von Detlef von Liliencron.

21Kurz vor dem zweiten Weltkrieg verirrte sich eine Gruppe von Kindern in Polen. Sie suchten

verzweifelt nach dem Weg. In ihrer Not banden sie einem Hund ein Karton um, auf dem sie um Hilfe riefen. Wie der „Kinderkreuzzug“ von Bertold Brecht endet, erfährst du nur, wenn du diese

Ballade wählst.22

In „Das Kind am Brunnen“ erzählt Friedrich Hebbel die Geschichte eines Kindes, das von einem Kindermädchen gehütet wird. Nach seinem Schläfchen erwacht das Kind und geht unbemerkt

nach draussen in den Garten. Was wird wohl passieren, wenn es zum Brunnen gelangt und die Amme es nicht bemerkt?

23„Paddy Fingal“ ist ein Riesenkerl mit fast unmenschlichen Kräften. Niemand ist imstande es mit

Paddy aufzunehmen, bis eines Tages ein Riese von Schotte auftaucht, der seine Kräfte mit Fingal messen möchte. Nun bekommt es Paddy mit der Angst zu tun. Wie er diese bedrohliche Situation

meistert, beschreibt Wilhelm Brandes in dieser Ballade.24

Ein Riesen-Kind begibt sich eines Tages aus der Burg, um sich nach etwas umzusehen, mit dem es spielen könnte. Bald wird das Mädchen fündig und packt einen Bauern mitsamt seinem

Ochsen und Pflug ein. Was der Riesen-Vater dazu sagt und welche Folgen derlei Tun zeitigt kannst du in „Das Riesen-Spielzeug“ von Adalbert von Chamisso erfahren.

25Es ist kalt. Schnee liegt auf den Fluren. Ein Reiter will so schnell wie möglich zum See und merkt

nicht, dass er bereits auf dem Eis galoppiert. Die Geschichte erzählt Gustav Schwain seiner Ballade „Der Reiter und der Bodensee“ .

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AufträgeVerständnis:2. eine selbst gewählte Ballade lesen und verstehen

Lies die Ballade 2 – 3-mal gründlich durch. Kläre unbekannte Ausdrücke (Wörterbuch oder Lexikon). Rekonstruiere den Inhalt und besprich ihn. Kläre Unklarheiten. Lies die Ballade noch einmal strophenweise durch.

Vortragen Mache dir Lesezeichen (z.B. wo du „beschwörend“, „dialogisierend“, etc. siehe oben,

vorlesen möchtest) und probiere aus, wie du die Ballade vortragen willst. Ändere nach Bedarf ab und übe dann die Ballade: denke dabei an die nötige Dramatik!

(Lies sie jemandem vor und hole dir ein Urteil ein.) Bereite deine Ballade so vor, dass du sie am vortragen kannst, filme dich (oder lass

dich filmen) und sende das Video per Whatsapp an Herrn Ferrari: 078 607 47 11Lernziele:Ich kann …3. eine Ballade mit dem Inhalt angepasstem Sprechtempo hersagen4. eine Ballade in angemessener Lautstärke deutlich mit korrekter Aussprache

rezitieren5. den Inhalt einer Ballade mittels Sprachdynamik sowie Mimik1 & Gestik2

hervorheben6. eine Ballade frei vortragen

BalladeBeurteilung

Name Punkte /20 Note

BewertungsrasterKriterien 5 4 3 2 1 0

1 Sprechtempodem Inhalt der Ballade

angepasstes Sprechtempo

Sprechtempo entspricht einigermassen dem

Inhalt

zu langsam / zu schnell,Sprechtempo steht in keinem Bezug zum Inhalt der Ballade

2 Aussprache

angemessene Lautstärke, deutliche

und korrekte Aussprache

Lautstärke und Aussprache mehr oder weniger angemessen

zu laut / zu leise,undeutliche, falsche

Aussprache

3 Sprachdynamik

den Balladeninhalt unterstützende

Sprache, Mimik und Gestik

z.T. den Textinhalt hervorstreichende

Sprache, Mimik und Gestik

keinerlei dem Text angepasste

Sprachdynamik

4 Vortragsfähigkeit frei vorgetragen meist frei vorgetragen, gelegentlicher Blick komplett abgelesen

1 Mienenspiel, Wechsel im Ausdruck des Gesichts und in den Gebärden als Nachahmung fremden oder als Ausdruck eigenen Erlebens2 spontane oder bewusst eingesetzte Bewegung des Körpers, besonders der Hände und des Kopfes, die jemandes Worte begleitet oder ersetzt [und eine bestimmte innere Haltung ausdrückt]

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aufs Blatt

Von des Cortez Leuten(Bertold Brecht)Am siebten Tage unter leichten WindenWurden die Wiesen heller. Da die Sonne gut warGedachten sie zu rasten. Rollten BranntweinVon ihren Wägen, machten Ochsen los.Die schlachteten sie gegen Abend. Als es kühl wardSchlug man vom Holz des nachbarlichen SumpfesArmdicke Äste, knorrig, gut zu brennen.Dann schlangen sie gewürztes Fleisch hinunterUnd fingen singend um die neunte StundeMit Trinken an. Die Nacht war kühl und grün.Mit heisrer Kehle, tüchtig vollgesogenMit einem letzten, kühlen Blick nach den grossen SternenEntschliefen sie gen Mitternacht am Feuer.Sie schliefen schwer, doch mancher wusste morgensDass er die Ochsen einmal brüllen hörte.Erwacht gen Mittag, sind sie schon im Wald.Mit glasigen Augen, schweren Gliedern, hebenSie ächzend sich aufs Knie und sehen staunendArmdicke Äste, knorrig, um sie stehenHöher als mannshoch, sehr verwirrt, mit BlattwerkUnd kleinen Blüten süsslichen Geruchs.Es ist sehr schwül schon unter ihrem DachDas sich zu dichten scheint. Die heisse SonneIst nicht zu sehen, auch der Himmel nicht.Der Hauptmann brüllt als wie ein Stier nach Äxten.Die liegen drüben, wo die Ochsen brüllen.Man sieht sie nicht. Mit rauhen Flüchen stolpernDie Leute im Geviert, ans Astwerk stossendDas zwischen ihnen durchgekrochen war.Mit schlaffen Armen werfen sie sich wildIn die Gewächse, die leicht zittern, soAls ginge schwacher Wind von aussen durch sie.Nach Stunden Arbeit pressen sie die StirnenSchweissglänzend finster an die fremden Äste.Die Äste wuchsen und vermehrten langsamDas schreckliche Gewirr. Später, am AbendDer dunkler war, weil oben Blattwerk wuchsSassen sie schweigend, angstvoll und wie AffenIn ihren Käfigen, von Hunger matt.Nachts wuchs das Astwerk. Doch es musste Mond seinEs war noch ziemlich hell, sie sahn sich noch.Erst gegen Morgen war das Zeug so dickDass sie sich nimmer sahen, bis sie starben.Den nächsten Tag stieg Singen aus dem Wald.Dumpf und verhallt. Sie sangen sich wohl zu.Nachts ward es stiller. Auch die Ochsen schwiegen.Gen Morgen war es, als ob Tiere brülltenDoch ziemlich weit weg. Später kamen StundenWo es ganz still war. Langsam frass der WaldIn leichtem Wind, bei guter Sonne, stillDie Wiesen in den nächsten Wochen auf.

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Balladen

Die alte Waschfrau(Adalbert von Chamisso)Du siehst bei dem LinnenDie Alte dort in weissem Haar,Die rüstigste der WäscherinnenIm sechsundsiebenzigsten Jahr.So hat sie stets mit saurem SchweissIhr Brot in Ehr und Zucht gegessenUnd ausgefüllt mit treuem FleissDen Kreis, den Gott ihr zugemessen.

Sie hat in ihren jungen TagenGeliebt, gehofft und sich vermählt;Sie hat des Weibes Los getragen,Die Sorgen haben nicht gefehlt;Sie hat den kranken Mann gepflegt;Sie hat drei Kinder ihm geboren;Sie hat ihn in das Grab gelegtUnd Glaub und Hoffnung nicht verloren.

Da galt’s, die Kinder zu ernähren;Sie griff es an mit heiterm Mut,Sie zog sie auf in Zucht und Ehren,Der Fleiss, die Ordnung sind ihr Gut.Zu suchen ihren Unterhalt,Entliess sie segnend ihre Lieben,So stand sie nun allein und alt,Ihr war ihr heitrer Mut geblieben.

Sie hat gespart und hat gesonnenUnd Flachs gekauft und nachts gewacht,Den Flachs zu feinem Garn gesponnen,Das Garn dem Weber hingebracht;Der hat’s gewebt zu Leinewand.Die Schere brauchte sie, die Nadel,Und nähte sich mit eigner HandIhr Sterbehemde sonder Tadel.

Ihr Hemd, ihr Sterbehemd, sie schätzt es,Verwahrt’s im Schrein am Ehrenplatz;Es ist ihr Erstes und ihr Letztes,Ihr Kleinod, ihr ersparter Schatz.Sie legt es an, des Herren WortAm Sonntag früh sich einzuprägen;Dann legt sie’s wohlgefällig fort,Bis sie darin zur Ruh sie legen.

Und ich, an meinem Abend, wollte,Ich hätte, diesem Weibe gleich,Erfüllt, was ich erfüllen sollteIn meinem Grenzen und Bereich;Ich wollt, ich hätte so gewusst,Am Kelch des Lebens mich zu laben,Und könnt am Ende gleich LustAn meinem Sterbehemde haben.

Balladen 13

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Der rechte Barbier(Adalbert von Chamisso)„Und soll ich nach Philisterartmir Kinn und Wange putzen,so will ich meinen langen Bartden letzten Tag noch nutzen.Ja, ärgerlich, wie ich nun bin,vor meinem Groll, vor meinem Kinnsoll mancher noch erzittern!

Holla! Herr Wirt, mein Pferd! Macht fort!Ihm wird der Hafer frommen.Habt Ihr Barbierer hier im Ort?Lasst gleich den rechten kommen.Waldaus, waldein, verfluchtes Land!Ich ritt die Kreuz und Quer und fandDoch nirgends noch den rechten.

Tritt her, Bartputzer, aufgeschaut!Du sollst den Bart mir kratzen;Doch kitzlig sehr ist meine Haut,ich biete hundert Batzen;nur, machst du nicht die Sache gutund fliesst ein einz’ges Tröpflein Blut,fährt dir mein Dolch ins Herze.“

Das spitze, kalte Eisen sahMan auf dem Tische blitzen,und dem verwünschten Ding gar nahAuf seinem Schemel sitzenDem grimm’gen, schwarzbehaarten MannIm schwarzen, kurzen Wams, worannoch schwärzre Troddeln hingen.

Dem Meister wird’s zu grausig fast,er will die Messer wetzen,er sieht den Dolch; er sieht den Gast,es packt ihn das Entsetzen;er zittert wie das Espenlaub,er macht sich plötzlich aus dem Staubund sendet den Gesellen.

„Einhundert Batzen mein Gebot,falls du die Kunst besitzest;doch, merk es dir, dich stech ich tot,so du die Haut mir ritzest.“Und der Gesell: „Den Teufel auch!Das ist des Landes nicht der Brauch.“Er läuft und schickt den Jungen.

„Bist du der Rechte, kleiner Molch?Frisch auf! Fang an zu schaben;Hier ist das Geld, hier ist der Dolch,das beides ist zu haben!Und schneidest, ritzest du mich bloss,so geb ich dir den Gnadenstoss;du wärest nicht der erste.“

Der Junge denkt der Batzen, druckstnicht lang und ruft verwegen:„Nur still gesessen! Nicht gemuckst!Gott geb‘ Euch seinen Segen!“Er seift ihn ein ganz unverdutzt,er wetzt, er stutzt, er kratzt, er putzt:„Gottlob! Nun seid Ihr fertig.“ –

„Nimm, kleiner Knirps, dein Geld nur hin;du bist ein wahrer Teufel!Kein andrer mochte den Gewinn,du hegtest keinen Zweifel;es kam das Zittern dich nicht an,und wenn ein Tröpflein Blutes rann,so stach ich dich doch nieder.“ –

„Ei, guter Herr, so stand es nicht,ich hielt Euch an der Kehle;verzuckelt Ihr nur das Gesichtund ging der Schnitt mir fehleso liess ich Euch dazu nicht Zeit;entschlossen war ich und bereit,die Kehl‘ Euch abzuschneiden.“ –

„So, so! Ein ganz verwünschter Spass!“Dem Herrn ward’s unbehäglich;Er wurd auf einmal leichenblassUnd zitterte nachträglich:„So, so! Das hatt ich nicht bedacht,doch hat es Gott noch gut gemacht;ich will’s mir aber merken.“

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Balladen

Der Knabe im Moor(Annette von Droste-Hülshoff)O schaurig ist's übers Moor zu gehn,Wenn es wimmelt vom Heiderauche,Sich wie Phantome die Dünste drehnUnd die Ranke häkelt am Strauche, Unter jedem Tritt ein Quellchen springt, Wenn es aus der Spalte zischt und singt!-O schaurig ist's übers Moor zu gehn, Wenn der Röhrich knistert im Hauche!

Fest hält die Fiebel das zitternde Kind Und rennt, als ob man es jage;Hohl über die Fläche sauset der Wind- Was raschelt drüben am Hage? Das ist der gespenstische Gräberknecht, Der dem Meister die besten Torfe verzecht; Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind! Hinducket das Knäblein zage.

Vom Ufer starret Gestumpf hervor, Unheimlich nicket die Föhre, Der Knabe rennt, gespannt das Ohr,Durch Riesenhalme wie Speere; Und wie es rieselt und knittert darin! Das ist die unselige Spinnerin, Das ist die gebannte Spinnenlenor', Die den Haspel dreht im Geröhre!

Voran, voran! Nur immer im Lauf, Voran, als woll es ihn holen!Vor seinem Fuße brodelt es auf, Es pfeift ihm unter den Sohlen, Wie eine gespenstische Melodei; Das ist der Geigemann ungetreu, Das ist der diebische Fiedler Knauf, Der den Hochzeitsheller gestohlen!

Da birst das Moor, ein Seufzer geht Hervor aus der klaffenden Höhle; Weh, weh, da ruft die verdammte Margret:"Ho, ho, meine arme Seele!" Der Knabe springt wie ein wundes Reh; Wär nicht Schutzengel in seiner Näh, Seine bleichen Knöchelchen fände spät Ein Gräber im Moorgeschwele.Da mählich gründet der Boden sich, Und drüben, neben der Weide, Die Lampe flimmert so heimatlich, Der Knabe steht an der Scheide. Tief atmet er auf, zum Moor zurück Noch immer wirft er den scheuen Blick: Ja, im Geröhr war's fürchterlich, O schaurig war's in der Heide

Balladen 15

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Gorm Grymme(Theodor Fontane)König Gorm herrscht über Dänemark,er herrscht die dreissig Jahr,sein Sinn ist fest, seine Hand ist stark,weiss worden ist nur sein Haar,weiss worden sind nur seine buschigen Brau'n,die machten manchen stumm,im Grimme liebt er drein zu schau'n, -Gorm Grymme heisst er drum.

Und die Jarls kamen zum Fest des Jul,Gorm Grymme sitzt im Saal,und neben ihm sitzt, auf beinernem Stuhl,Thyra Danebod, sein Gemahl;sie reichen einander still die Handund blicken sich an zugleich,ein Lächeln in beider Augen stand, -Gorm Grymme, was macht dich so weich?

Den Saal hinunter, in offner Hall',da fliegt es wie Locken im Wind,Jung-Harald spielt mit dem Federball,Jung-Harald, ihr einziges Kind,sein Wuchs ist schlank, blond ist sein Haar,blau-golden ist sein Kleid,Jung-Harald ist heut fünfzehn Jahr,und sie lieben ihn allbeid'.

Sie lieben ihn beid'; eine Ahnung bangkommt über die Königin;Gorm Grymme aber den Saal entlangauf Jung-Harald deutet er hin,und er hebt sich zum Sprechen, - sein Mantel rotgleitet nieder auf den Grund:»Wer je mir spräche, 'er ist tot',der müsste sterben zur Stund'.«

Und Monde gehn. Es schmolz der Schnee,der Sommer kam zu Gast,dreihundert Schiffe fahren in See,Jung-Harald steht am Mast,er steht am Mast, er singt ein Lied,bis sich's im Winde brach,das letzte Segel, es schwand, es schied, -Gorm Grymme schaut ihm nach.

Und wieder Monde. Grau-Herbstestagliegt über Sund und Meer,drei Schiffe mit mattem Ruderschlagrudern heimwärts drüber her;schwarz hängen die Wimpel; auf Brömsebro-MoorJung-Harald liegt im Blut, -wer bringt die Kunde vor Königs Ohr?Keiner hat den Mut.

Thyra Danebod schreitet hinab an den Strand,sie hatte die Segel gesehn;sie spricht: »Und bangt sich euer Mund,ich meld' ihm, was geschehn«;ablegt sie ihr rotes Korallengeschmeid'und die Gemme von Opal,sie kleidet sich in ein schwarzes Kleidund tritt in Hall' und Saal.

In Hall' und Saal. An Pfeiler und WandGoldteppiche ziehen sich hin,schwarze Teppiche nun mit eigener Handhängt drüber die Königin,und sie zündet zwölf Kerzen; ihr flackernd Licht,es gab einen trüben Schein,und sie legt ein Gewebe, schwarz und dicht,auf den Stuhl von Elfenbein.

Eintritt Gorm Grymme. Es zittert sein Gang,er schreitet wie im Traum,er starrt die schwarze Hall' entlang,die Lichter, er sieht sie kaum,er spricht: »Es weht wie Schwüle hier,ich will an Meer und Strand,reich' meinen rotgoldenen Mantel mirund reiche mir deine Hand.«Sie gab ihm einen Mantel dicht,der war nicht golden, nicht rot,Gorm Grymme sprach: »Was niemand spricht,ich spreche es: er ist tot.«Er setzte sich nieder, wo er stand,ein Windstoss fuhr durchs Haus,die Königin hielt des Königs Hand,die Lichter loschen aus.

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Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland(Theodor Fontane)Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,Ein Birnbaum in seinem Garten stand,Und kam die goldene HerbsteszeitUnd die Birnen leuchteten weit und breit,Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,Und kam in Pantinen ein Junge daher,So rief er: »Junge, wiste 'ne Beer?«Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn,Kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn.«

So ging es viel Jahre, bis lobesamDer von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit,Wieder lachten die Birnen weit und breit;Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun ab.Legt mir eine Birne mit ins Grab.«Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,Trugen von Ribbeck sie hinaus,Alle Bauern und Büdner mit FeiergesichtSangen »Jesus meine Zuversicht«,Und die Kinder klagten, das Herze schwer:»He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer?«

So klagten die Kinder. Das war nicht recht -Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht;Der neue freilich, der knausert und spart,Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.

Aber der alte, vorahnend schonUnd voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,Der wußte genau, was damals er tat,Als um eine Birn' ins Grab er bat,Und im dritten Jahr aus dem stillen HausEin Birnbaumsprößling sproßt heraus.

Und die Jahre gingen wohl auf und ab,Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,Und in der goldenen HerbsteszeitLeuchtet's wieder weit und breit.Und kommt ein Jung' übern Kirchhof her,So flüstert's im Baume: »Wiste 'ne Beer?«Und kommt ein Mädel, so flüstert's: »Lütt Dirn,Kumm man röwer, ick gew' di 'ne Birn.«

So spendet Segen noch immer die HandDes von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.

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John Maynard(Theodor Fontane)John Maynard!„Wer ist John Maynard?“„John Maynard war unser Steuermann,aushielt er, bis er das Ufer gewann;er hat uns gerettet, er trägt die Kron‘,er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn.John Maynard.“_

Die „Schwalbe“ fliegt über den Erie-See,Gischt schäumt um den Bug wie Flocken von Schnee;von Detroit fliegt sie nach Buffalo –die Herzen aber sind frei und froh,und die Passagiere mit Kindern und Frau’nim Dämmerlicht schon das Ufer schaun,und plaudernd an John Maynard herantritt alles: „Wie weit noch, Steuermann?“Der schaut nach vorn und schaut in die Rund‘:„Noch dreissig Minuten ... Halbe Stund‘.“

Alle Herzen sind froh, alle Herzen sind frei –Da klingt’s aus dem Schiffsraum her wie Schrei.„Feuer!“ war es, was da klang.ein Qualm aus Kajüt‘ und Luke drang,ein Qualm, dann Flammen lichterloh,und noch zwanzig Minuten bis Buffalo.

Und die Passagier, bunt gemengt,am Bugspriet stehn sie zusammengedrängt,am Bugspriet vorn ist noch Luft und Licht,am Steuer aber lagert sich’s dicht,und ein Jammern wird laut: „Wo sind wir? Wo?“Und noch fünfzehn Minuten bis Buffalo.

Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht,der Kapitän nach dem Steuer späht;er sieht nicht mehr seinen Steuermann,aber durchs Sprachrohr fragt er an:

„Noch da, John Maynard?“„Ja Her, ich bin.“„Auf dem Strand! In die Brandung!“„Ich halte drauf hin!“Und das Schiffsvolk jubelt: „Halt aus! Hallo!“Und noch zehn Minuten bis Buffalo.

„Noch da, John Maynard?“ Und Antwort schallt’smit ersterbender Stimme: „Ja, Herr, ich halt’s!“Und in die Brandung, was Klippe, was Stein,jagt er die „Schwalbe“ mitten hinein;soll Rettung kommen, so kommt sie nur so.Rettung: Der Strand von Buffalo!_

Das Schiff geborsten. Das Feuer verschwelt.Gerettet alle. Nur einer fehlt!_

Alle Glocken gehen; ihre Töne schwell’nHimmelan aus Kirchen und Kapell’n,ein Klingen und Läuten, sonst schweigt die Stadt,ein Dienst nur, den sie heute hat:Zehntausend folgen oder mehr,und kein Aug‘ im Zuge, das tränenleer.

Sie lassen den Sarg in Blumen hinab,mit Blumen schliessen sie das Grab,und mit goldner Schrift in den Marmorsteinschreibt die Stadt ihren Dankspruch ein:

Hier ruht John Maynard! In Qualm und BrandHielt er das Steuer fest in der Hand;er hat uns gerettet, er trägt die Kron!,er starb für uns, unsre Liebe sein Lohn!John Maynard.

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Erlkönig(Johann Wolfgang Goethe)Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?Es ist der Vater mit seinem Kind;Er hat den Knaben wohl in dem Arm,Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.

Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? -Siehst Vater, du den Erlkönig nicht?Den Erlenkönig mit Kron und Schweif? -Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. –

»Du liebes Kind, komm, geh mit mir!Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;Manch bunte Blumen sind an dem Strand,Meine Mutter hat manch gülden Gewand.«

Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,Was Erlenkönig mir leise verspricht? -Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;In dürren Blättern säuselt der Wind. –

»Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?Meine Töchter sollen dich warten schön;Meine Töchter führen den nächtlichen ReihnUnd wiegen und tanzen und singen dich ein.«

Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dortErlkönigs Töchter am düstern Ort? -Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau:Es scheinen die alten Weiden so grau. –

»Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.«Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!Erlkönig hat mir ein Leids getan! –

Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,Er hält in den Armen das ächzende Kind,Erreicht den Hof mit Mühe und Not;In seinen Armen das Kind war tot.

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Der Totentanz(Johann Wolfgang von Goethe)Der Türmer, der schaut zu mitten der NachtHinab auf die Gräber in Lage;Der Mond, der hat alles ins Helle gebracht:Der Kirchhof, er liegt wie am Tage.Da regt sich ein Grab und ein anderes dann:Sie kommen hervor, ein Weib da, ein Mann,in weissen und schleppenden Hemden.

Das reckt nun, es will sich ergötzen sogleich,Die Knöchel zur Runde, zum Kranze,So arm und so jung und so alt und so reich;Doch hindern die Schleppen am Tanze.Und weil nun die Scham hier nun nicht weiter gebeut,Sie schütteln sich alle: da liegen zerstreutDie Hemdlein über den Hügeln.

Nun hebt sich der Schenkel, nun wackelt das Bein,Gebärden da gibt es, vertrackte;Dann klippert's und klappert's mitunter hinein,Als schlüg' man die Hölzlein zum Takte.Das kommt nun dem Türmer so lächerlich vor;Da raunt ihm der Schalk, der Versucher, ins Ohr:Geh! hole dir einen der Laken.

Getan wie gedacht! und er flüchtet sich schnellNun hinter geheiligte Türen.Der Mond, und noch immer er scheinet so hellZum Tanz, den sie schauderlich führen.Doch endlich verlieret sich dieser und der,Schleicht eins nach dem andern gekleidet einher,Und husch! ist es unter dem Rasen.

Nur einer, der trippelt und stolpert zuletztUnd tappet und grapst an den Grüften;Doch hat kein Geselle so schwer ihn verletzt,Er wittert das Tuch in den Lüften.Er rüttelt die Turmtür, sie schlägt ihn zurück,Geziert und gesegnet, dem Türmer zum Glück:Sie blinkt von metallenen Kreuzen.

Das Hemd muss er haben, da rastet er nicht,Da gilt auch kein langes Besinnen,Den gotischen Zierat ergreift nun der WichtUnd klettert von Zinnen zu Zinnen.Nun ist's um den armen, den Türmer getan!Es ruckt sich von Schnörkel zu Schnörkel hinan,Langbeinigen Spinnen vergleichbar.

Der Türmer erbleichet, der Türmer erbebt,Gern gäb' er ihn wieder, den Laken.Da häkelt - jetzt hat er am längsten gelebt -Den Zipfel ein eiserner Zacken.Schon trübet der Mond sich verschwindenden Scheins,Die Glocke, sie donnert ein mächtiges Eins,Und unten zerschellt das Gerippe.

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Balladen

Belsazar(Heinrich Heine)Die Mitternacht zog näher schon;In stiller Ruh' lag Babylon.

Nur oben in des Königs Schloss,Da flackert's, da lärmt des Königs Tross.

Dort oben in dem KönigssaalBelsazar hielt sein Königsmahl.

Die Knechte sassen in schimmernden Reihn,Und leerten die Becher mit funkelndem Wein.

Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht';So klang es dem störrigen Könige recht.

Des Königs Wangen leuchteten Glut;Im Wein erwuchs ihm kecker Mut.

Und blindlings reisst der Mut ihn fort;Und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort.

Und er brüstet sich frech, und lästert wild;Die Knechtenschar ihm Beifall brüllt.

Der König rief mit stolzem Blick;Der Diener eilt und kehrt zurück.

Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt;Das war aus dem Tempel Jehovas geraubt.

Und der König ergriff mit frevler HandEinen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand.

Und er leert ihn hastig bis auf den Grund,Und rufet laut mit schäumendem Mund:

«Jehova! die künd ich auf ewig Hohn, -Ich bin der König von Babylon!»

Doch kaum das grause Wort verklang,Dem König ward's heimlich im Busen bang.

Das gellende Lachen verstummte zumal;Es wurde leichenstill im Saal.Und sieh! und sieh! an weisser Wand,Da kam's hervor, wie Menschenhand;

Und schrieb, und schrieb an weisser WandBuchstaben von Feuer, und schrieb und schwand.

Der König stieren Blicks da sass,Mit schlotternden Knie'n und totenblass.

Die Knechtenschar sass kalt durchgraut,Und sass gar still, gab keinen Laut.

Die Magier kamen, doch keiner verstandZu deuten die Flammenschrift an der Wand.

Belsazar ward aber in selbiger NachtVon seinen Knechten umgebracht.

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Die Füsse am Feuer(Conrad Ferdinand Meyer)

Wild zuckt der Blitz. In fahlem Lichte steht ein TurmDer Donner rollt. Ein Reiter kämpft mit seinem RossSpringt ab und pocht ans Tor und lärmt. Sein Mantel saustIm Wind. Er hält den scheuen Fuchs am Zügel fest.Ein schmales Gitterfenster schimmert goldenhellUnd knarrend öffnet jetzt das Tor ein Edelmann ...

- "Ich bin ein Knecht des Königs, als Kurier geschicktNach Nîmes. Herbergt mich! Ihr kennt des Königs Rock!"- "Es stürmt. Mein Gast bist du. Dein Kleid, was kümmerts mich?Tritt ein und wärme dich! Ich sorge für dein Tier!"Der Reiter tritt in einen dunkeln Ahnensaal,Von eines weiten Herdes Feuer schwach erhellt,Und je nach seines Flackerns launenhaftem LichtDroht hier ein Hugenott im Harnisch, dort ein Weib,Ein stolzes Edelweib aus braunem Ahnenbild ...Der Reiter wirft sich in den Sessel vor dem HerdUnd starrt in den lebendgen Brand. Er brütet, gafft ...Leis sträubt sich ihm das Haar. Er kennt den Herd, den Saal ...Die Flamme zischt. Zwei Füsse zucken in der Glut.Den Abendtisch bestellt die greise SchaffnerinMit Linnen blendend weiss. Das Edelmägdlein hilft.Ein Knabe trug den Krug mit Wein. Der Kinder BlickHangt schreckensstarr am Gast und hangt am Herd entsetzt ...Die Flamme zischt. Zwei Füsse zucken in der Glut.

- "Verdammt! Dasselbe Wappen! Dieser selbe Saal!Drei Jahre sinds ... Auf einer Hugenottenjagd ...Ein fein, halsstarrig Weib ... `Wo steckt der Junker? Sprich!'Sie schweigt. `Bekenn!' Sie schweigt. `Gib ihn heraus!' Sie schweigt.Ich werde wild. Der Stolz! Ich zerre das Geschöpf ...Die nackten Füsse pack ich ihr und strecke sieTief mitten in die Glut ... `Gib ihn heraus!' ... Sie schweigt ...Sie windet sich ... Sahst du das Wappen nicht am Tor?Wer hiess dich hier zu Gaste gehen, dummer Narr?Hat er nur einen Tropfen Bluts, erwürgt er dich." -Eintritt der Edelmann. "Du träumst! Zu Tische, Gast ..."

Da sitzen sie. Die drei in ihrer schwarzen TrachtUnd er. Doch keins der Kinder spricht das Tischgebet.Ihn starren sie mit aufgerissnen Augen an -Den Becher füllt und übergiesst es, stürzt den Trunk,Springt auf: "Herr, gebet jetzt mir meine Lagerstatt!Müd bin ich wie ein Hund!" Ein Diener leuchtet ihm,Doch auf der Schwelle wirft er einen Blick zurückUnd sieht den Knaben flüstern in des Vaters Ohr ...Dem Diener folgt er taumelnd in das Turmgemach.

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Fest riegelt er die Tür. Er prüft Pistol und Schwert.Gell pfeift der Sturm. Die Diele bebt. Die Decke stöhnt.Die Treppe kracht ... Dröhnt hier ein Tritt? Schleicht dort ein Schritt? ...Ihn täuscht das Ohr. Vorüberwandelt Mitternacht.Auf seinen Lidern lastet Blei, und schlummernd sinktEr auf das Lager. Draussen plätschert Regenflut.

Er träumt. "Gesteh!" Sie schweigt. "Gib ihn heraus!" Sie schweigt.Er zerrt das Weib. Zwei Füsse zucken in der Glut.Aufsprüht und zischt ein Feuermeer, das ihn verschlingt ...- "Erwach! Du solltest längst von hinnen sein! Es tagt!"Durch die Tapetentür in das Gemach gelangt,Vor seinem Lager steht des Schlosses Herr - ergraut,Dem gestern dunkelbraun sich noch gekraust das Haar.

Sie reiten durch den Wald. Kein Lüftchen regt sich heut.Zersplittert liegen Ästetrümmer quer im Pfad,Die frühsten Vöglein zwitschern, halb im Traume noch.Friedselge Wolken schwimmen durch die klare Luft,Als kehrten Engel heim von einer nächtgen Wacht.Die dunkeln Schollen atmen kräftgen Erdgeruch,Die Ebne öffnet sich. Im Felde geht ein Pflug,Der Reiter lauert aus den Augenwinkeln: "Herr,Ihr seid ein kluger Mann und voll BesonnenheitUnd wisst, dass ich dem grössten König eigen bin.Lebt wohl! Auf Nimmerwiedersehn!" Der andre spricht:"Du sagsts! Dem grössten König eigen! Heute wardSein Dienst mir schwer ... Gemordet hast du teuflisch mirMein Weib! Und lebst ... Mein ist die Rache, redet Gott."

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Der Feuerreiter(Eduard Mörike)Sehet ihr am FensterleinDort die rote Mütze wieder?Nicht geheuer muss es sein,Denn er geht schon auf und nieder.Und auf einmal welch GewühleBei der Brücke, nach dem Feld!Horch! das Feuerglöcklein gellt:Hinterm Berg,Hinterm BergBrennt es in der Mühle!

Schaut! da sprengt er wütend schierDurch das Tor, der Feuerreiter,Auf dem rippendürren Tier,Als auf einer Feuerleiter!Querfeldein! Durch Qualm und SchwüleRennt er schon, und ist am Ort!Drüben schallt es fort und fort:Hinterm Berg,Hinterm BergBrennt es in der Mühle!

Der so oft den roten HahnMeilenweit von fern gerochen,Mit des heilgen Kreuzes SpanFreventlich die Glut besprochen -Weh! dir grinst vom DachgestühleDort der Feind im Höllenschein.Gnade Gott der Seele dein!Hinterm Berg,Hinterm BergRas't er in der Mühle!

Keine Stunde hielt es an,Bis die Mühle borst in Trümmer;Doch den kecken ReitersmannSah man von der Stunde nimmer.Volk und Wagen im GewühleKehren heim von all dem Graus;Auch das Glöcklein klinget aus.Hinterm Berg,Hinterm BergBrennts! –

Nach der Zeit ein Müller fandEin Gerippe samt der MützenAufrecht an der KellerwandAuf der beinern Mähre sitzen:Feuerreiter, wie so kühleReitest du in deinem Grab!Husch! da fällts in Asche ab.Ruhe wohl,Ruhe wohlDrunten in der Mühle!

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Balladen

Die traurige Kroenung(Eduard Mörike)Es war ein König Milesint,Von dem will ich euch sagen:Der meuchelte sein Bruderskind,Wollte selbst die Krone tragen.Die Krönung ward mit PrangenAuf Liffey-Schloss begangen.O Irland! Irland! warest du so blind?

Der König sitzt um MitternachtIm leeren Marmorsaale,Sieht irr in all die neue Pracht,Wie trunken von dem Mahle;Er spricht zu seinem Sohne:"Noch einmal bring die Krone!Doch schau, wer hat die Pforten aufgemacht?"

Da kommt ein seltsam Totenspiel,Ein Zug mit leisen Tritten,Vermummte Gäste gross und viel,Eine Krone schwankt in Mitten;Es drängt sich durch die PforteMit Flüstern ohne Worte;Dem Könige, dem wird so geisterschwül.

Und aus der schwarzen Menge blicktEin Kind mit frischer Wunde;Es lächelt sterbensweh und nickt,Es macht im Saal die Runde,Es trippelt zu dem Throne,Es reichet eine KroneDem Könige, des Herze tief erschrickt.

Darauf der Zug von dannen strich,Von Morgenluft berauschet,Die Kerzen flackern wunderlich,Der Mond am Fenster lauschet;Der Sohn mit Angst und SchweigenZum Vater raet sich neigen, -Er neiget über eine Leiche sich.

Balladen 25

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Die Bürgschaft(Friedrich Schiller)Zu Dionys, dem Tyrannen, schlichDamon, den Dolch im Gewande:Ihn schlugen die Häscher in Bande,»Was wolltest du mit dem Dolche? sprich!«Entgegnet ihm finster der Wüterich.»Die Stadt vom Tyrannen befreien!«»Das sollst du am Kreuze bereuen.«

»Ich bin«, spricht jener, »zu sterben bereitUnd bitte nicht um mein Leben:Doch willst du Gnade mir geben,Ich flehe dich um drei Tage Zeit,Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit;Ich lasse den Freund dir als Bürgen,Ihn magst du, entrinn' ich, erwürgen.«

Da lächelt der König mit arger ListUnd spricht nach kurzem Bedenken:»Drei Tage will ich dir schenken;Doch wisse, wenn sie verstrichen, die Frist,Eh' du zurück mir gegeben bist,So muss er statt deiner erblassen,Doch dir ist die Strafe erlassen.«

Und er kommt zum Freunde: »Der König gebeut,Dass ich am Kreuz mit dem LebenBezahle das frevelnde Streben.Doch will er mir gönnen drei Tage Zeit,Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit;So bleib du dem König zum Pfande,Bis ich komme zu lösen die Bande.«

Und schweigend umarmt ihn der treue FreundUnd liefert sich aus dem Tyrannen;Der andere ziehet von dannen.Und ehe das dritte Morgenrot scheint,Hat er schnell mit dem Gatten die Schwester vereint,Eilt heim mit sorgender Seele,Damit er die Frist nicht verfehle.

Da giesst unendlicher Regen herab,Von den Bergen stürzen die Quellen,Und die Bäche, die Ströme schwellen.Und er kommt ans Ufer mit wanderndem Stab,Da reisset die Brücke der Strudel herab,Und donnernd sprengen die WogenDem Gewölbes krachenden Bogen.

Und trostlos irrt er an Ufers Rand:Wie weit er auch spähet und blicketUnd die Stimme, die rufende, schicket.Da stösset kein Nachen vom sichern Strand,Der ihn setze an das gewünschte Land,Kein Schiffer lenket die Fähre,Und der wilde Strom wird zum Meere.

Da sinkt er ans Ufer und weint und fleht,Die Hände zum Zeus erhoben:»O hemme des Stromes Toben!Es eilen die Stunden, im Mittag stehtDie Sonne, und wenn sie niedergehtUnd ich kann die Stadt nicht erreichen,So muss der Freund mir erbleichen.«

Doch wachsend erneut sich des Stromes Wut,Und Welle auf Welle zerrinnet,Und Stunde an Stunde ertrinnet.Da treibt ihn die Angst, da fasst er sich MutUnd wirft sich hinein in die brausende FlutUnd teilt mit gewaltigen ArmenDen Strom, und ein Gott hat Erbarmen.

Und gewinnt das Ufer und eilet fortUnd danket dem rettenden Gotte;Da stürzet die raubende RotteHervor aus des Waldes nächtlichem Ort,Den Pfad ihm sperrend, und schnaubert MordUnd hemmet des Wanderers EileMit drohend geschwungener Keule.

»Was wollt ihr?« ruft er vor Schrecken bleich,»Ich habe nichts als mein Leben,Das muss ich dem Könige geben!«Und entreisst die Keule dem nächsten gleich:»Um des Freundes willen erbarmet euch!«Und drei mit gewaltigen StreichenErlegt er, die andern entweichen.

Und die Sonne versendet glühenden Brand,Und von der unendlichen MüheErmattet sinken die Knie.»O hast du mich gnädig aus Räubershand,Aus dem Strom mich gerettet ans heilige Land,Und soll hier verschmachtend verderben,Und der Freund mir, der liebende, sterben!«

Und horch! da sprudelt es silberhell,Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen,Und stille hält er, zu lauschen;Und sieh, aus dem Felsen, geschwätzig, schnell,Springt murmelnd hervor ein lebendiger Quell,Und freudig bückt er sich niederUnd erfrischet die brennenden Glieder.

Und die Sonne blickt durch der Zweige GrünUnd malt auf den glänzenden MattenDer Bäume gigantische Schatten;Und zwei Wanderer sieht er die Strasse ziehn,Will eilenden Laufes vorüber fliehn,Da hört er die Worte sie sagen:»Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen.«

Und die Angst beflügelt den eilenden Fuss,

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Ihn jagen der Sorge Qualen;Da schimmern in Abendrots StrahlenVon ferne die Zinnen von Syrakus,Und entgegen kommt ihm Philostratus,Des Hauses redlicher Hüter,Der erkennet entsetzt den Gebieter:

»Zurück! du rettest den Freund nicht mehr,So rette das eigene Leben!Den Tod erleidet er eben.Von Stunde zu Stunde gewartet' erMit hoffender Seele der Wiederkehr,Ihm konnte den mutigen GlaubenDer Hohn des Tyrannen nicht rauben.«

»Und ist es zu spät, und kann ich ihm nicht,Ein Retter, willkommen erscheinen,So soll mich der Tod ihm vereinen.Des rühme der blut'ge Tyrann sich nicht,Dass der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht,Er schlachte der Opfer zweieUnd glaube an Liebe und Treue!«

Und die Sonne geht unter, da steht er am Tor,Und sieht das Kreuz schon erhöhet,Das die Menge gaffend umstehet;An dem Seile schon zieht man den Freund empor,Da zertrennt er gewaltig den dichter Chor:»Mich, Henker«, ruft er, »erwürget!Da bin ich, für den er gebürget!«

Und Erstaunen ergreifet das Volk umher,In den Armen liegen sich beideUnd weinen vor Schmerzen und Freude.Da sieht man kein Augen tränenleer,Und zum Könige bringt man die Wundermär';Der fühlt ein menschliches Rühren,Lässt schnell vor den Thron sie führen.

Und blicket sie lange verwundert an.Drauf spricht er: »Es ist euch gelungen,Ihr habt das Herz mir bezwungen;Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn -So nehmet auch mich zum Genossen an:Ich sei, gewährt mir die Bitte,In eurem Bunde der Dritte!«

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Der Handschuh(Friedrich Schiller)Vor seinem Löwengarten,Das Kampfspiel zu erwarten,Sass König Franz,Und um ihn die Grossen der Krone, Und rings auf dem Balkone,Die Damen in schönem Kranz.

Und wie er winkt mit dem Finger,Auftut sich der weite Zwinger,Und hinein mit bedächtigem SchrittEin Löwe trittUnd sieht sich stummRings um,Mit langem GähnenUnd schüttelt die MähnenUnd streckt die GliederUnd legt sich nieder.

Und der König winkt wieder,Da öffnet sich behendEin zweites Tor,Daraus renntMit wildem SprungeEin Tiger hervor. Wie der den Löwen schaut,Brüllt er laut, Schlägt mit dem Schweif Einen furchtbaren Reif Und recket die Zunge, Und im Kreise scheu Umgeht er den Leu Grimmig schnurrend;Darauf streckt er sich murrend Zur Seite nieder.

Und der König winkt wieder,Da speit das doppelt geöffnete Haus Zwei Leoparden auf einmal aus,Die stürzen mit mutiger KampfbegierAuf das Tigertier; Das packt sie mit seinen grimmigen Tatzen, Und der Leu mit Gebrüll Richtet sich auf, da wird’s still; Und herum im Kreis, Von Mordsucht heiss, Lagern die greulichen Katzen.

Da fällt von des Altans Rand Ein Handschuh von schöner HandZwischen den Tiger und den Leun Mitten hinein.

Und zu Ritter Delorges, spottender Weis, Wendet sich Fräulein Kunigund: "Herr Ritter, ist Eure Liebe so heiss, Wie Ihr mir’s schwört zu jeder Stund, Ei so hebt mir den Handschuh auf!"

Und der Ritter in schnellem Lauf Steigt hinab in den furchtbaren Zwinger Mit festem Schritte Und aus der Ungeheuer Mitte Nimmt er den Handschuh mit keckem Finger.

Und mit Erstaunen und mit Grauen Sehens die Ritter und Edelfrauen, Und gelassen bringt er den Handschuh zurück. Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde,Aber mit zärtlichem Liebesblick —Er verheisst ihm sein nahes Glück — Empfängt ihn Fräulein Kunigunde. Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht: "Den Dank, Dame, begehr’ ich nicht!" Und verlässt sie zur selben Stunde.

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Der Taucher(Friedrich Schiller)„Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp‘,Zu tauchen in diesen Schlund?Einen goldnen Becher werf‘ ich hinab,Verschlungen schon hat ihn der schwarze Mund.Wer mir den Becher kann wieder zeigen,Er mag ihn behalten, er ist sein eigen.“

Der König spricht es und wirft von der Höh’Der Klippe, die schroff und steilHinaushängt in die unendliche See,Den Becher in der Charybde3 Geheul.„Wer ist der Beherzte, ich frage wieder,Zu tauchen in diese Tiefe nieder?“

Und die Ritter, die Knappen um ihn herVernehmen’s und schweigen still,Sehen hinab in das wilde Meer,Und keiner den Becher gewinnen will.Und der König zum drittenmal wieder fraget:„Ist keiner, der sich hinunterwaget?“

Doch alles noch stumm bleibt wie zuvor;Und ein Edelknecht, sanft und keck,Tritt aus der Knappen zagendem ChorUnd den Gürtel wirft er, den Mantel weg,Und alle die Männer umher und FrauenAuf den herrlichen Jüngling verwundert schauen.

Und wie er tritt an des Felsen HangUnd blickt in den Schlund hinab,Die Wasser, die sie hinunterschlang,Die Charybde jetzt brüllend wiedergab,Und wie mit des fernen Donners GetoseEntstürzen sie schäumend dem finstern Schosse.

Und es wallet und siedet und brauset und zischt,Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt,Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt,Und Flut auf Flut sich ohn‘ Ende drängtUnd will sich nimmer erschöpfen und leeren,Als wollte das Meer noch ein Meer gebären.

Doch endlich, da legt sich die wilde Gewalt,Und schwarz aus dem weissen SchaumKlafft hinunter ein gähnender Spalt,Grundlos, als ging's in den Höllenraum,Und reissend sieht man die brandenden WogenHinab in den strudelnden Trichter gezogen.

Jetzt schnell, eh die Brandung wiederkehrt,Der Jüngling sich Gott befiehlt,Und - ein Schrei des Entsetzens wird rings gehört,Und schon hat ihn der Wirbel hinweggespült,Und geheimnisvoll über dem kühnen SchwimmerSchliesst sich der Rachen, er zeigt sich nimmer.Und stille wird's über dem Wasserschlund,In der Tiefe nur brauset es hohl,Und bebend hört man von Mund zu Mund:"Hochherziger Jüngling, fahre wohl!"

Und hohler und hohler hört man's heulen,Und es harrt noch mit bangem, mit schrecklichem Weilen.

Und wärfst du die Krone selber hineinUns sprächst: Wer mir bringet die Kron,Er soll sie tragen und König sein -Mich gelüstete nicht nach dem teuren Lohn.Was die heulende Tiefe da unter verhehle,Das erzählt keine lebende glückliche Seele.

Wohl manches Fahrzeug, vom Strudel gefasst,Schoss jäh in die Tiefe hinab,Doch zerschmettert nur rangen sich Kiel und Mast,Hervor aus dem alles verschlingenden Grab.-Und heller und heller, wie Sturmes Sausen,Hört man's näher und immer näher brausen.

Und es wallet und siedet und brauset und zischt,Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt,Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt,Und Well auf Well sich ohn Ende drängt,Und wie mit des fernen Donners GetoseEntstürzt es brüllend dem finstern Schosse.

Und sieh! aus dem finster flutenden Schoss,Da hebet sich's schwanenweiss,Und ein Arm und ein glänzender Nacken wird bloss,Und es rudert mit Kraft und mit emsigem Fleiss,Und er ist's, und hoch in seiner LinkenSchwingt er den Becher mit freudigem Winken.

Und atmete lang und atmete tiefUnd begrüsste das himmlische Licht.Mit Frohlocken es einer dem andern rief:"Er lebt! Er ist da! Es behielt ihn nicht!Aus dem Grab, aus der strudelnden WasserhöhleHat der Brave gerettet die lebende Seele."

Und er kommt, es umringt ihn die jubelnde Schar,Zu des Königs Füssen er sinkt,Den Becher reicht er ihm kniend dar,Und der König der lieblichen Tochter winkt,Die füllt ihn mit funkelndem Wein bis zum Rande,Und der Jüngling sich also zum König wandte:

"Lange lebe der König! Es freue sich,Wer da atmet im rosigten Licht!Da unten aber ist's fürchterlich,Und der Mensch versuche die Götter nichtUnd begehre nimmer und nimmer zu schauen,Was sie gnädig bedeckten mit Nacht und Grauen.Es riss mich hinunter blitzesschnell -Da stürzt mir aus felsigtem SchachtWildflutend entgegen ein reissender Quell:Mich packte des Doppelstroms wütende macht,Und wie einen Kreisel mit schwindendelm DrehenTrieb mich's um, ich konnte nicht widerstehen.

3 Von Charybdis (griech.), in der „Odyssee“ von Homer als Meeresungeheuer beschriebene Meerenge in der Strasse von Messina (Sizilien)

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Da zeigte mir Gott, zu dem ich riefIn der höchsten schrecklichen Not,Aus der Tiefe ragend ein Felsenriff,Das erfasst ich behend und entrann dem Tod -Und da hing auch der Becher an spitzen Korallen,Sonst wär er ins Bodenlose gefallen.

Denn unter mir lag's noch, bergetief,In purpurner Finsternis da,Und ob's hier dem Ohre gleich ewig schlief,Das Auge mit Schaudern hinuntersah,Wie's von Salamandern und Molchen und DrachenSich regt' in dem furchtbaren Höllenrachen.

Schwarz wimmelten da, in grausem Gemisch,Zu scheusslichen Klumpen geballt,Der stachligte Roche, der Klippenfisch,Des Hammers greuliche Ungestalt,Und dräuend wies mir die grimmigen ZähneDer entsetzliche Hai, des Meeres Hyäne.

Und da hing ich und war's mit Grausen bewusstVon der menschlichen Hilfe so weit,Unter Larven die einzige fühlende Brust,Allein in der grässlichen Einsamkeit,Tief unter dem Schall der menschlichen RedeBei den Ungeheuern der traurigen Öde.

Und schaudernd dacht ich's, da kroch's heran,Regte hundert Gelenke zugleich,Will schnappen nach mir - in des Schreckens WahnLass ich los der Koralle umklammerten Zweig;Gleich fasst mich der Strudel mit rasendem Toben,Doch es war mir zum Heil, er riss mich nach oben."

Der König darob sich verwundert schierUnd spricht: "Der Becher ist dein,Und diesen Ring noch bestimm ich dir,Geschmückt mit dem köstlichsten Edelgestein,Versucht du's noch einmal und bringt mir Kunde,Was du sahst auf des Meeres tiefunterstem Grunde."

Das hörte die Tochter mit weichem Gefühl,Und mit schmeichelndem Munde sie fleht:"Lasst, Vater, genug sein das grausame Spiel!Er hat Euch bestanden, was keiner besteht,Und könnt Ihr des Herzens Gelüsten nicht zähmen,So mögen die Ritter den Knappen beschämen."

Drauf der König greift nach dem Becher schnell,In den Strudel ihn schleudert hinein:"Und schaffst du den Becher mir wieder zur Stell,So sollst du der trefflichste Ritter mir seinUnd sollst sie als Ehegemahl heut noch umarmen,Die jetzt für dich bittet mit zartem Erbarmen."

Da ergreift's ihm die Seele mit Himmelsgewalt,Und es blitzt aus den Augen ihm kühn,Und er siehet erröten die schöne GestaltUnd sieht sie erbleichen und sinken hin -Da treibt's ihn, den köstlichen Preis zu erwerben,Und stürzt hinunter auf Leben und Sterben.

Wohl hört man die Brandung, wohl kehrt sie zurück,Sie verkündigt der donnernde Schall -Da bückt sich's hinunter mit liebendem Blick:Es kommen, es kommen die Wasser all,Sie rauschen herauf, sie rauschen nieder,Den Jüngling bringt keines wieder.

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Balladen

Der Zauberlehrling(Johann Wolfgang von Goethe)Hat der alte HexenmeisterSich doch einmal wegbegeben!Und nun sollen seine GeisterAuch nach meinem Willen leben.Seine Wort und WerkeMerkt ich und den Brauch,Und mit GeistesstärkeTu ich Wunder auch.

Walle! walleManche Strecke,Daß, zum Zwecke,Wasser fließeUnd mit reichem, vollem SchwalleZu dem Bade sich ergieße.

Und nun komm, du alter Besen,Nimm die schlechten Lumpenhüllen!Bist schon lange Knecht gewesen:Nun erfülle meinen Willen!Auf zwei Beinen stehe,Oben sei ein Kopf,Eile nun und geheMit dem Wassertopf!

Walle! walleManche Strecke,Daß, zum Zwecke,Wasser fließeUnd mit reichem, vollem SchwalleZu dem Bade sich ergieße.

Seht, er läuft zum Ufer nieder!Wahrlich! ist schon an dem Flusse,Und mit Blitzesschnelle wiederIst er hier mit raschem Gusse.Schon zum zweiten Male!Wie das Becken schwillt!Wie sich jede SchaleVoll mit Wasser füllt!

Stehe! stehe!Denn wir habenDeiner GabenVollgemessen! -Ach, ich merk es! Wehe! wehe!Hab ich doch das Wort vergessen!

Ach, das Wort, worauf am EndeEr das wird, was er gewesen!Ach, er läuft und bringt behende!Wärst du doch der alte Besen!Immer neue GüsseBringt er schnell herein,Ach, und hundert FlüsseStürzen auf mich ein!

Nein, nicht längerKann ichs lassen:Will ihn fassen!Das ist Tücke!Ach, nun wird mir immer bänger!Welche Miene! welche Blicke!

O, du Ausgeburt der Hölle!Soll das ganze Haus ersaufen?Seh ich über jede SchwelleDoch schon Wasserströme laufen.Ein verruchter Besen,Der nicht hören will!Stock, der du gewesen,Steh doch wieder still!

Willst am EndeGar nicht lassen?Will dich fassen,Will dich haltenUnd das alte Holz behendeMit dem scharfen Beile spalten!

Seht, da kommt er schleppend wieder!Wie ich mich nur auf dich werfe,Gleich, o Kobold, liegst du nieder;Krachend trifft die glatte Schärfe.Wahrlich! brav getroffen!Seht, er ist entzwei!Und nun kann ich hoffen,Und ich atme frei!

Wehe! wehe!Beide TeileStehn in EileSchon als KnechteVöllig fertig in die Höhe!Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!

Und sie laufen! Naß und nässerWirds im Saal und auf den Stufen:Welch entsetzliches Gewässer!Herr und Meister, hör mich rufen! -Ach, da kommt der Meister!Herr, die Not ist groß!Die ich rief, die Geister,Werd ich nun nicht los.

"In die Ecke,Besen! Besen!Seids gewesen!Denn als GeisterRuft euch nur, zu seinem Zwecke,Erst hervor der alte Meister."

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Nis Randers(Otto Ernst Schmidt)Krachen und Heulen und berstende Nacht,Dunkel und Flammen in rasender Jagd -Ein Schrei durch die Brandung!

Und brennt der Himmel, so sieht man's gut:Ein Wrack auf der Sandbank! Noch wiegt es die Flut!Gleich holt sich's der Abgrund.

Nis Randers lugt - und ohne HastSpricht er: "Da hängt noch ein Mann im Mast!Wir müssen ihn holen."

Da fasst ihn die Mutter: "Du steigst mir nicht ein!Dich will ich behalten, du bliebst mir allein,I will's, deine Mutter!

Dein Vater ging unter und Momme, mein Sohn;Drei Jahre verschollen ist Uwe schon,Mein Uwe, mein Uwe!"

Nis tritt auf die Brücke. Die Mutter ihm nach!Er weist nach dem Wrack und spricht gemach:"Und seine Mutter?"

Nun springt er ins Boot und mit Ihm noch sechs:Hohes, hartes Friesengewächs!Schon sausen die Ruder.

Boot oben, Boot unten, ein Höllentanz!Nun muss es zerschmettern! - Nein: es blieb ganz! -Wie lange? Wie lange?

Mit feurigen Geisseln peitscht das MeerDie menschenfressenden Rosse daher;Sie schnauben und schäumen.

Wie hechelnde Hast sie zusammenzwingt!Eins auf den Rücken des anderen springtMit stampfenden Hufen!

Drei Wetter zusammen! Nun brennt die Welt!Was da? - Ein Boot, das landwärts hält...Sie sind es! Sie kommen! –

Und Auge und Ohr ins Dunkel gespannt...Still - ruft da nicht einer? - Er schreit's durch die Hand!"Sagt Mutter,'s ist Uwe!"

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Die Schnitterin(Gustav Falke)War einst ein Knecht, einer Witwe Sohn,Der hatte sich schwer vergangen.Da sprach sein Herr: "Du bekommst deinen Lohn,Morgen musst du hangen."

Als das seiner Mutter kundgetan,Auf die Erde fiel sie mit Schreien:"O, lieber Herr Graf, und hört mich an,Er ist der letzte von dreien.

Den ersten schluckte die schwarze See,Seinen Vater schon musste sie haben,Dem andern haben in Schonens SchneeEure schwedischen Feinde begraben.

Und lasst Ihr mir den letzten nicht,Und hat er sich vergangen,Lasst meines Alters Trost und LichtNicht schmählich am Galgen hangen!"

Die Sonne hell im Mittag stand,Der Graf saß hoch zu Pferde,Das jammernde Weib hielt sein GewandUnd schrie vor ihm auf der Erde.

Da rief er: "Gut, eh die Sonne geht,Kannst du drei Äcker mir schneiden,Drei Äcker Gerste, dein Sohn besteht,Den Tod soll er nicht leiden."

So trieb er Spott, gar hart gelaunt,Und ist seines Weges geritten.Am Abend aber, der Strenge staunt,Drei Äcker waren geschnitten.

Was stolz im Halm stand über Tag,Sank hin, er musst es schon glauben.Und dort, was war's, was am Feldrand lag?Sein Schimmel stieg mit Schnauben.

Drei Äcker Gerste ums AbendrotLagen in breiten Schwaden,Daneben die Mutter, und die war tot.So kam der Knecht zu Gnaden.

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Das Kind mit dem Gravensteiner(Detlev von Liliencron)Ein kleines Mädchen von sechs, sieben Jahren,Mit Kornblumenaugen und strohgelben Haaren,Kommt mit einem Apfel gesprungen,Hat ihn wie einen Ball geschwungen,Von einer Hand ihn in die andre geflitzt,Dass er blendend im grellen Sonnenlicht blitzt.

Sie sieht im Hofe hoch aufgetürmtEinen Holzstoß, und ist gleich hingestürmt.Und wie ein Kätzchen, katzenleicht,Hat sie schnell die Spitze erreicht,Und hockt nun dort, und will mit BegehrenDen glänzenden, goldgelben Apfel verzehren.

Da, holterdipolter! pardauz! pardau!Bricht zusammen der künstliche Bau.Wie bei Bergrutsch und FelsenbebenHaben Bretter und Scheite nachgegeben;Wie alle Neun im Kegelspiel,So alles übereinander fiel.

Die Leute im Hofe haben's gehörtUnd laufen hin entsetzt und verstört;Die Mutter liegt ohnmächtig, Gott erbarm,Einem raschen Nachbarn im hilfreichen Arm.Nun geht's ans Räumen der Trümmer von oben,Vorsichtig wird Stück für Stück gehoben,

Vorsichtig geht's weiter in dumpfem Schweigen,Der Atem stockt: Was wird sich zeigen?Da - sitzt in einer gewölbten HalleDas lächelnde Kind wie die Maus in der Falle,Hat schon vergessen den Purzelschrecken,Und beißt in den Apfel und lässt sich's schmecken.

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Kinderkreuzzug 1939(Bertold Brecht)In Polen, im Jahr Neununddreißigwar eine blutige Schlacht,die hat viele Städte und Dörferzu einer Wildnis gemacht.

Die Schwester verlor den Bruder,die Frau den Mann im Heer,zwischen Feuer und Trümmerstättefand das Kind die Eltern nicht mehr.

Aus Polen ist nichts mehr gekommen,nicht Brief noch Zeitungsbericht,doch in den östlichen Ländernläuft eine seltsame Geschicht.

Schnee fiel, als man sich's erzähltein einer östlichen Stadtvon einem Kinderkreuzzug,der in Polen begonnen hat.

Da trippelten Kinder hungerndin Trüpplein hinab die Chausseen,und nahmen mit sich andere, diein zerschossenen Dörfern stehn.

Sie wollten entrinnen den Schlachten,dem ganzen Nachtmahrund eines Tages kommenin ein Land, wo Frieden war.

Da war ein kleiner Führer,der hat sie aufgericht'.Er hatte eine große Sorge:den Weg, den wusste er nicht.

Eine Elfjährige schleppteein Kind von vier Jahr,hatte alles für eine Mutter,nur nicht ein Land, wo Frieden war.

Und zwei Brüder kamen mit,die waren große Strategen,stürmten eine leere Bauernhütt'und räumten sie nur vor dem Regen.

Und da war ein Hundgefangen zum Schlachten,mitgenommen als Esser,weil sie's nicht übers Herz brachten.

Da war auch eine Liebe,Sie war zwölf, er war fünfzehn Jahr.In einem verschlossenen Hofekämmte sie ihm sein Haar.

Die Liebe konnt' nicht bestehen,es kam zu große Kält':wie sollen die Bäumchen blühen,wenn so viel Schnee drauf fällt?

So gab es Glaube und Hoffnung,nur nicht Fleisch und Brot,und keiner schelt sie mir, wenn sie was stahl'n,der ihnen nicht Obdach bot.

Und keiner schelt mir den armen Mann,der sie nicht zu Tische lud:für ein halbes Hundert, da handelt es sichum Mehl, nicht um Opfermut.

Sie zogen vornehmlich nach Süden.Süden ist, wo die Sonn'mittages um zwölf Uhr steht,gradaus davon.

Sie fanden zwar einen Soldatenverwundet im Tannengries.Sie pflegten ihn sieben Tage,damit er den Weg ihnen wies.

Er sagte ihnen: Nach Bilgoray!Muss stark gefiebert habenund starb ihnen weg am achten Tag.Sie haben auch ihn begraben.

Und da gab es ja Wegweiser,wenn auch vom Schnee verweht,nur zeigten sie nicht mehr die Richtung an,sondern waren umgedreht.

Das war nicht etwa ein schlechter Spaß,sondern aus militärischen Gründen,und als sie suchten Bilgoray,konnten sie es nicht finden.

Sie standen um ihren Führer,der sah in die Schneeluft hineinund deutete mit der kleinen Handund sagte: Es muss dort sein.

Einmal kamen sie an eine Stadt,da machten sie einen Bogen.Bis sie daran vorüber waren,sind sie nur nachts weitergezogen.

Wo einst das südöstliche Polen war,bei starkem Schneewehnhat man die fünfundfünfzigzuletzt gesehn.

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Wenn ich die Augen schließe,seh' ich sie wandernvon einem zerschossenen Bauerngehöftzu einem zerschossenen andern.

Suchend nach dem Land mit Frieden,ohne Donner, ohne Feuer,nicht wie das, aus dem sie kommen,und der Zug wird ungeheuer.

In Polen, in jenem Januar,wurde ein Hund gefangen,der hatte um seinen mageren Halseine Tafel aus Pappe hangen.

Darauf stand: Bitte um Hilfe!Wir wissen den Weg nicht mehr.Wir sind fünfundfünzig.Der Hund führt euch her.

Wenn ihr nicht kommen könnt,jagt ihn weg.Schießt nicht auf ihn,nur er weiss den Fleck.

Die Schrift war eine Kinderhand.Bauern haben sie gelesen.Seitdem sind eineinhalb Jahre um.Der Hund ist verhungert gewesen.

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Das Kind am Brunnen(Friedrich Hebbel)

Frau Amme, Frau Amme, das Kind ist erwacht!Doch die liegt ruhig im Schlafe.Die Vöglein zwitschern, die Sonne lacht,Am Hügel weiden die Schafe.

Frau Amme, Frau Amme, das Kind steht auf,Es wagt sich weiter und weiter!Hinab zum Brunnen nimmt es den Lauf,Da stehen Blumen und Kräuter.

Frau Amme, Frau Amme, der Brunnen ist tief!Sie schläft, als läge sie drinnen!Das Kind läuft schnell, wie es nie noch lief,Die Blumen locken's von hinnen.

Nun steht es am Brunnen, nun ist es am Ziel,Nun pflückt es die Blumen sich munter,Doch bald ermüdet das reizende Spiel,Da schaut's in die Tiefe hinunter.

Und unten erblickt es ein holdes Gesicht,Mit Augen, so hell und so süße.Es ist sein eig'nes, das weiß es noch nicht,Viel stumme, freundliche Grüße!

Das Kindlein winkt, der Schatten geschwindWinkt aus der Tiefe ihm wieder.Herauf! Herauf! So meint's das Kind:Der Schatten: Hernieder! Hernieder!

Schon beugt es sich über den Brunnenrand,Frau Amme, du schläfst noch immer!Da fallen die Blumen ihm aus der Hand,Und trüben den lockenden Schimmer.

Verschwunden ist sie, die süße Gestalt,Verschluckt von der hüpfenden Welle,Das Kind durchschauert's fremd und kalt,Und schnell enteilt es der Stelle.

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Paddy Fingal (Wilhelm Brandes)

Paddy Fingal war von Riesenart: Sechs Ellen flog sein schwarzer Bart, seine Fäuste waren wie Tonnen groß, einen Mastbaum führt' er als Wurfgeschoß, so ein Kerl war Paddy Fingal!

Nun wuchs ein Hüne im Schottenland, der hörte von Fingals starker Hand; da wollt er erproben alsogleich, wer fester sei auf Stoß' und Streich, er oder Paddy Fingal.

Und als er stapfte durch den Sund, Paddy Fingal just am Ufer stund und maß von ferne klipp und klar, daß der Fremdling zehn Schuh größer war, noch größer als Paddy Fingal.

Da lief er heim in jähem Schreck: "O Schaya, birg mich im Versteck! Von Schottland kommt ein Kerl daher, wie ein Berg so groß - ich fürchte sehr, der sucht den Paddy Fingal."

Ins Bette Paddy Fingal kroch, Frau Schaya türmte die Kissen hoch; wie aus dem Hedesack die Maus, so guckte die Nase nur heraus, die Nase von Paddy Fingal.

Indem so schob der Schotte herein, an den Balken rührte sein Scheitelbein, und er schnob und wischte sich den Schweiß und rollte die Augen wild im Kreis: "Wo steckt der Paddy Fingal?"

"Tut leise, Fremder, und tretet sacht, daß Paddys Kindlein nicht erwacht! Denn wenn er schrie und Fingal käm, für euch kein gutes End es nähm: Nicht spaßen tut Paddy Fingal."

Doch wie sie warnte mit Wort und Wink, der Schotte neugierig ans Lager ging: O heiliger Patrick, wie ward ihm da, als er die Nase ragen sah, die Nase von Paddy Fingal!

"Beim Pfeifer, der vor Moses blies: welch heidenhafter Nasenspieß! Ist das ein Baby, wie Ihr sagt, ein Narr, wer's mit ihm selber wagt! Nicht wart ich auf Paddy Fingal."

Und er trollte davon mit scheuem Blick und stolperte durch den Sund zurück; fast wär ertrunken der gute Held, dieweil in der Eil er die Furt verfehlt, so lief er vor Paddy Fingal.

Der aber erhob ein Siegesgeschrei. Da kamen die Nachbarn rings herbei; die staunten den großen Fingal an, der den langen Schotten gejagt von dann, den tapfern Paddy Fingal.

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Das Riesen-Spielzeug(Adalbert von Chamisso)

Burg Niedeck ist im Elsaß der Sage wohlbekannt, Die Höhe, wo vor Zeiten die Burg der Riesen stand; Sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer, Du fragest nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.

Einst kam das Riesen-Fräulein aus jener Burg hervor, Erging sich sonder Wartung und spielend vor dem Tor, und stieg hinab den Abhang bis in das Tal hinein, Neugierig zu erkunden, wie's unten möchte sein.

Mit wen'gen raschen Schritten durchkreuzte sie den Wald, Erreichte gegen Haslach das Land der Menschen bald, Und Städte dort und Dörfer und das bestellte Feld Erschienen ihren Augen gar eine fremde Welt.

Wie jetzt zu ihren Füßen sie spähend niederschaut, Bemerkt sie einen Bauer, der seinen Acker baut; Es kriecht das kleine Wesen einher so sonderbar, Es glitzert in der Sonne der Pflug so blank und klar.

"Ei! artig Spielding!" ruft sie, "das nehm ich mit nach Haus." Sie knieet nieder, spreitet behend ihr Tüchlein aus, Und feget mit den Händen, was da sich alles regt, Zu Haufen in das Tüchlein, das sie zusammen schlägt;

Und eilt mit freud'gen Sprüngen, man weiß, wie Kinder sind, Zur Burg hinan und suchet den Vater auf geschwind: "Ei Vater, lieber Vater, ein Spielding wunderschön! So Allerliebstes sah ich noch nie auf unsern Höhn."

Der Alte saß am Tische und trank den kühlen Wein, Er schaut sie an behaglich, er fragt das Töchterlein: "Was Zappeliches bringst du in deinem Tuch herbei? Du hüpfest ja vor Freuden; laß sehen, was es sei."

Sie spreitet aus das Tüchlein und fängt behutsam an, Den Bauer aufzustellen, den Pflug und das Gespann; Wie alles auf dem Tische sie zierlich aufgebaut, So klatscht sie in die Hände und springt und jubelt laut.

Der Alte wird gar ernsthaft und wiegt sein Haupt und spricht: "Was hast du angerichtet? das ist kein Spielzeug nicht; Wo du es hergenommen, da trag es wieder hin, Der Bauer ist kein Spielzeug, was kommt dir in den Sinn!

Sollst gleich und ohne Murren erfüllen mein Gebot; Denn, wäre nicht der Bauer, so hättest du kein Brot; Es sprießt der Stamm der Riesen aus Bauernmark hervor, Der Bauer ist kein Spielzeug, da sei uns Gott davor!"

Burg Niedeck ist im Elsaß der Sage wohlbekannt, Die Höhe, wo vor Zeiten die Burg der Riesen stand, Sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer, Und fragst du nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.

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Der Reiter und der Bodensee(Gustav Schwab)

Der Reiter reitet durchs helle Tal, Auf Schneefeld schimmert der Sonne Strahl.

Er trabet im Schweiß durch den kalten Schnee, Er will noch heut an den Bodensee,

Noch heut mit dem Pferd in den sichern Kahn, Will drüben landen vor Nacht noch an.

Auf schlimmem Weg, über Dorn und Stein, Er braust auf rüstigem Roß feldein.

Aus den Bergen heraus, ins ebene Land, Da sieht er den Schnee sich dehnen, wie Sand.

Weit hinter ihm schwinden Dorf und Stadt, Der Weg wird eben, die Bahn wird glatt.

In weiter Fläche kein Bühl, kein Haus, Die Bäume gingen, die Felsen aus.

So flieget er hin eine Meil, und zwei, Er hört in den Lüften der Schneegans Schrei;

Es flattert das Wasserhuhn empor, Nicht anderen Laut vernimmt sein Ohr.

Keinen Wandersmann sein Auge schaut, Der ihm den rechten Pfad vertraut.

Fort gehts, wie auf Samt, auf dem weichen Schnee. Wann rauscht das Wasser? wann glänzt der See?

Da bricht der Abend, der frühe, herein: Von Lichtem blinket ein ferner Schein.

Es hebt aus dem Nebel sich Baum an Baum, Und Hügel schließen den weiten Raum.

Er spürt auf dem Boden Stein und Dorn, Dem Rosse gibt er den scharfen Sporn.

Und Hunde bellen empor am Pferd, Und es winkt im Dorf ihm der warme Herd.

"Willkommen am Fenster, Mägdelein, An den See, an den See, wie weit mags sein?"

Die Maid, sie staunet den Reiter an: "Der See liegt hinter dir und der Kahn.

Und deckt' ihn die Rinde von Eis nicht zu, Ich spräch, aus dem Nachen stiegst du."

Der Fremde schaudert, er atmet schwer: "Dort hinten die Ebne, die ritt ich her!"

Da recket die Magd die Arm in die Höh: "Herr Gott! so rittest du über den See!

An den Schlund, an die Tiefe bodenlos Hat gepocht des rasenden Hufes Stoß!

Und unter dir zürnten die Wasser nicht?

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Nicht krachte hinunter die Rinde dicht?

Und du wardst nicht die Speise der stummen Brut, Der hungrigen Hecht' in der kalten Flut?"

Sie rufet das Dorf herbei zu der Mär, Es stellen die Knaben sich um ihn her.

Die Mütter, die Greise, sie sammeln sich: "Glückseliger Mann, ja segne du dich!

Herein zum Ofen, zum dampfenden Tisch! Brich mit uns das Brot und iß vom Fisch!"

Der Reiter erstarret auf seinem Pferd, Er hat nur das erste Wort gehört.

Es stocket sein Herz, es sträubt sich sein Haar, Dicht hinter ihm grinst noch die grause Gefahr.

Es siehet sein Blick nur den gräßlichen Schlund, Sein Geist versinkt in den schwarzen Grund.

Im Ohr ihm donnerts wie krachend Eis, Wie die Well umrieselt ihn kalter Schweiß.

Da seufzt er, da sinkt er vom Roß herab, Da ward ihm am Ufer ein trocken Grab.

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Parodien

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Der kleine Zauberer in der Fahrschule (Der Zauberlehrling)(Geschrieben von: Vanessa Kleinwächter)Heute ist der Fahrschullehrerin die Stadt hinausgegangen,zu tun hat der Praktikant nun nichts mehr,fühlt sich in Langeweil´ gefangen.

Doch dann kommt ihm der Gedanke:Ein Autorennen wäre fein,und einem Zauberspruch zu Dankekommt er in die Garage rein.

Fahret, fahret um die Wette,jagt die Leute aus dem Bette,fahrt ein Rennen, eine Meile,befreit mich aus der Langeweile!

Und die Autos, zu seiner Freunde,rollen hupend aus dem Gebäude,fahren über Weg und Gras,ja, das macht dem Zaubrer Spaß!

Fahret, fahret um die Wette,jagt die Leute aus dem Bette,fahrt ein Rennen, eine Meile,befreit mich aus der Langeweile!

Doch er kann nicht lenken,die Autos, die da rasen,sie rasen, rasen kreuz und quer,und bald sieht er sie schon nicht mehr.

Stoppet, stoppet, wilde Wagen,

wer soll denn den Schaden tragen?Bleibet stehn!, so spricht der Zaubrer,doch sie brummen nur noch lauter.

Er kann keinen Ausweg sehn,wie bringt man die Autos nur zum stehn?Der richtge Spruch fällt ihm nicht ein,und er fühlt sich sehr allein.

Stoppet, stoppet, wilde Wagen,wer soll denn den Schaden tragen?Bleibet stehn!, so spricht der Zaubrer,doch sie brummen nur noch lauter.

Schließlich kommt in letzter Sekundeder alte Meister der Zauberkunde,der einst brachte die Zaubereidem armen Zauberlehrling bei.

Haltet an, haltet an! Zauberbann und weißer Mann,seihet wie ihr vorher wart;alles kehrt zurück zum Start!

Ja, jetzt ist der Lehrling froh,sein Gewissen quält´ ihn so!Und er verspricht dem alten Mann:Nie mehr stell ich Unsinn an!

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Der Erlkönig(auf Elsässisch)

Wär ritet so spät par le nuit et par le vent?Das isch dr Pappe mit sym enfant.Er het sy Schampedissle güet im ArmEr hebt en sicher und hebt en warm.

Mon cher enfant, dü bisch so pâle und so blassdi joli visage isch voll angoisse."Siesch nit dr Erlkeenig mit Schweif und Krone?""Das isch nur dr Nebelstreif qui veut nous verhohne."

"Mon cher enfant, kumm geh dü mit mirgar scheene jeux spiel ich mit dirgar scheene Bliemle on trouve am Strandund my Müeter hot mängg guldig vêtement."

"Mi Pappe, mi Pappe, ne veux-tu pas loosewas mer dr Erlkeenig verspricht für chose?""Bisch rüig, sois tranquille, holts Mül mon filsc'est seulment le ventö, mon petit Schampediss."

"Mon cher enfant, kumm mit mer waidleje veux te montrer scheene Maidlewo luschtig tanze, wo andri tüen schnorchetout les dimanches z'Hynige im Storche."

"Mi Pappe, mi Pappe, und sisch nit derteem Erlkeenig syne Techtere, ich tüe mi ferchte!""Sois tranquille, bisch rüeig, i sihs jo ganz gnoies schyne die alte Wydle so groi."

"Mon cher enfant, mich reizt ta belle Figürund kunsch nit, brüch ich Gwolt, je t'assure.""Mi Pappe, mi Pappe, ich kann dr nur sajescho het mit dr Erlkeenig packt an Kraje."

Dr Pappe kriegt Gänshüt, er rittet wifin syne bras tüets Kind e Schnüfer kunt zum Hof Appolinoresin syne bras isch dr Schampediss kapores.

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Lord Voldemort (Der Erlkönig)(Geschrieben von: Stephanie Lukkes)Wer reitet so spät durch Nacht und Gewitter ?Es ist der Harry im "Fahrenden Ritter".Er hat den Zauberstab wohl in der Hand.Er zaubert sicher, mit wachem Verstand.

Oh Harry, was birgst du so bang dein Gesicht ?Siehst Hermine du die todesser nicht ?Die Todesser, mit Mal und schwarzem Stoff.Nun Harry, das gibt mächt'gen Zoff.

"Du lieber Harry, komm kämpf mit mir !Gar schöne Zaubersprüche habe ich hier;Manch Todesgruß ist auch dabeiVon Voldi dem Bösen, komm herbei !"

Hermine, Hermine, und hörst du nicht,Was Voldemort eben so zu mir spricht ?Sei ruhig, bleib ruhig, mein guter Freund.Ich seh schon wie er überschäumt.

"Willst guter Zauberer du mit mir gehn ?Meine Todesser sollen dich foltern schön.Meine Todesser führen den Kampf mit dir.Und quälen und zaubern nur mit mir."

"Mein Stab, mein Stab, verzauber die dort.Die Todesser von dem grausigen Voldemort.""Mein Harry, mein Harry, ich seh dich genau.Ich zauber dich nun vom Jungen zur Frau!"

"Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt.Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.""Hermine, hermine, jetzt reißt es in mir.Voldemort verwandelt mich in ein tier:"

Hermine grauset's, sie zaubert geschwind,Da stößt sie um ein heftiger Wind.Der Harry ließ los einen mächtigen Furz.Hermine überlebt's nicht; ihr Leben war kurz.

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Erlking(Geschrieben von: Jonas Ziermann)Who rides so late through the night and wind?It's the father with his child;He has the boy safe in his arm,He holds him secure, he holds him warm.

“My son, what makes you hide your face in fear?” –Father, don't you see the Erlking?The Erlking with crown and flowing robe? –“My son, it's a wisp of fog.” –

“You dear child, come along with me!Such lovely games I'll play with you;Many colorful flowers are at the shore,My mother has many a golden garment.”

My father, my father, and do you not hearWhat the Erlking promises me so softly? –“Be quiet, stay quiet, my child;In the dry leaves the wind is rustling.” –

“Won't you come along with me, my fine boy?My daughters shall attend to you so nicely.My daughters do their nightly dance,And they'll rock you and dance you and sing you to sleep.”

My father, my father, and do you not see over thereErlking's daughters in that dark place? –“My son, my son, I see it most definitely:It's the willow trees looking so grey.”

“I love you; I'm charmed by your beautiful form;And if you're not willing, then I'll use force.”My father, my father, now he's grabbing hold of me!Erlking has done me harm! –

The father shudders, he rides swiftly,He holds in (his) arms the moaning child.He reaches the farmhouse with effort and urgency.In his arms the child was dead.

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Der Erlkönig auf BMW

Wer rattert so spät durch Nacht und WindEs ist der Vater mit seinem KindDer Vater Karl mit dem Sohne Fritzauf BMW mit Soziussitz.

"Mein Vater, mein Vater, mir wird es so bangSiehst Du denn nicht den Bahnübergangder unbewachte, in nebliger Ferne?""Sei ruhig, mein Sohn, wir haben Blendlaterne!"

"Mein Vater, mein Vater, siehst Du nicht jene Gestaltdie dort taumelt aus dem Wald?""Bleib ruhig, mein Sohn, wir überfahren sieich kann's nicht erklären; ich weiss nicht wie".

"Mein Vater siehst Du den Schugger dort nichtmit Bleistift, Papier und strengem Gesicht?""Bleib ruhig mein Sohn, der hält uns nicht anwir haben eine falsche Nummer dran!Und übrigens fahren wir viel zu schnell,die Nacht ist dunkel und gar nicht hell".

"Mein Vater, mein Vater, jetzt fahr aber zu,Dort hinten kommt einer auf NSU""Bleib ruhig, mein Sohn, ich erklär's Dir späterder hat nur 250 cm3".

Dem Vater grausets, er gibt mehr Gas"Halt Dich fest mein Sohn, sonst passiert noch was!"Die Telefonstangen werden zu WändenDer Vater zittert und friert an den HändenDoch endlich erreicht er das Haus am MeerDer Sozius hinter ihm - der war aber leer !!!

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Der Erlkönig (EDV-Version)

Wer tastet sich nachts die Finger klamm ?Es ist der Programmierer mit seinem Programm !Er tastet und hastet. Er tastet schnell,im Osten wird der Himmel schon hell.

Sein Haar ist ergraut, seine Hände zittern,vom unablässigen Kernspeicherfüttern.Da - aus dem Kernspeicher ertönt ein Geflüster"Wer poltert in meinem Basisregister ?"

Nur ruhig, nur ruhig, ihr lieben Bits,es ist doch nur ein kleiner Witz.Mein Meister, mein Meister, sieh mal dort !Da vorne schleicht sich ein Vorzeichen fort !

Bleib ruhig, bleib ruhig, mein liebes Kind,ich hole es wieder. Ganz bestimmt.Mein Meister, mein Meister, hörst du das Grollen ?Die wilden Bits durch den Kernspeicher tollen !

Nur ruhig, nur ruhig, das haben wir gleich,die sperren wir in den Pufferbereich.Er tastet und hastet wie besessen,Scheiße - jetzt hat er zu saven vergessen.

Am Kopf schwillt die Ader, das Keyboard erglüht,ein Runtime-Error zerfetzt sein Gemüt.Der Programmierer schreit in höchster Qual,da zuckt durch das Fenster ein Sonnenstrahl.Der Bildschirm flimmert im Morgenrot,Programm gestorben, Programmierer tot !

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Der "Eisenbahner"-Erlkönig

Wer rollt so gemütlich mit Rückenwind,den Schnellzug am Haken, die Frontscheibe blind,es ist der D 0815, mit Diesel bespannt,ist drei Stunden später, doch er fährt noch durchs Land.

Es ist fast ein Wunder, denn von den Motorenhat einer beim Anfahren zwei Pleuel schon verloren.Der andere hat Wasser und arbeitet hydraulisch,doch im großen und ganzen, die Fahrt ist erbaulich.

Das Strömungsgetriebe, das poltert und kracht,der Steuerölwächter hat sich auf und davon gemacht.Den Ölstand kann man mit Müh noch erkennen,und auch ein Magnetventil bekommt schon das Rennen.

Zwei Leistungsschutzschalter, die fielen schon raus.auch der Kraftstoff ist bald aus.Am hinteren Schaltschrank, da brennen die Lampen.und selbst die Spannung fängt an zu schwanken.

Mein Beimann, was birgst du so bang im Gesicht ?Siehst du, Meister die Rauchfahne nicht ?Da ist bestimmt eine Leitung gerissen,warum wir noch fahren, das möchte ich wissen !

Die Drehzahl sinkt, der Öldruck wird kleiner,von den Scheibenwischern geht nur noch einer,aus dem Lager pfeift es wie aus einem Vogelnest,am hinteren Drehgestell ist die Bremse fest.

Sie erreichen das Endziel mit Müh und Not,starten können sie nicht mehr, die Batterie ist tot,und doch sind sie glücklich, es war ihr letzter Kampf,ab morgen fahren sie beide, laut Dienstplan mit Dampf.

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Der TorschützenkönigWer humpelt so langsam da über den Platz,es ist der Stürmer auf einer Hatz.Er schießt den Ball wohl mit den Fuß,weil er ja auch was treffen muß.

"Mein Trainer, was birgst du so bang dein Gesicht?""Siehst, Stürmer du, den Schiedsrichter nicht?Und Linienrichter, mit Flagg' und Pfeif'?"Für die Karte, die rote, bist Du reif!"

Der König ErlWer reitet so spät durch Wind und Nacht?Es ist der Vater. Es ist gleich acht.Im Arm den Knaben er wohl hält,er hält ihn warm, denn er ist erkält'.Halb drei, halb fünf. Es wird schon hell.Noch immer reitet der Vater schnell.Erreicht den Hof mit Müh und Not---der Knabe lebt, das Pferd ist tot!

Ein "stinkiger" ErlkönigWer stinkt so spät durch Nacht und Wind?Es ist die Windel vom Findelkind!Du hältst es fest, du hältst es warm,doch es stinkt, auf dass es Gott erbarm.Von Kopf bis Fuss mit Kot beschmiert,mit Pampers wär' das nicht passiert.

Ein weiterer "stinkiger" ErlkönigWer reitet so spät durch Nacht und Wind?es ist der Vater, er muß geschwind.Er hält die Rolle sicher im Arm,doch in seiner Hose, da wird ihm schon warm ...

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D' Bürgschaft (allgäuerisch)(Geschrieben von: Lukas Rief)D’ Rudi schlich zum König Ludwig, mit am Messa im Kittel.Bled isch’ s glofa, d’ Soldat hond an kriet.Zum König hond se’n Rudi g’ schleppt.König Ludwig mault en Rudi massig, was er mit dem Messa tua wollt.Befreia wollt er s’ Land von deam Depp Ludwig.Du bock wüste Hund, d’ für kusch an Galge, schreit d’ Ludwig laut.I bi zum sterba gricht, moint da Rudi, und bettel it um mei Leba.Do frogt d’ Rudi: „Aba kasch mia vielloicht no dri Dag Urloub gäe, bis i mei Schwester verhoirat hon?“Hinterher moint’ a no, dass er sein Spezl, d’ Hans hong ka, a’s Pfand bis I wieda do bi.

Hinterlischtig lacht da Ludwig und gid em Rudi di dri Dag.Schadefreudig said a, wenn d’ Urlaub rum isch, und du bis zum Sonnauntergang id do bisch, dann wirsch id du Umbrocht, sonda dein Spezl.

D’ Hansl isch do, boide liegat sich in da Orm und verabscheidat sia.D’ Rudi und eilt um sei Schwesta zum verheira und rechtzitig wieda do zum sia.

Während d’ Hansl in d’ Gfangaschaft bei dem massiga Hund Ludwig isch,kummet em Rudi ouf em Hoimweag a baar blede Panna d’ zwischa.

No bevor d’ dride dog a gfange hot, hot sei Schwesta g’ heirat und b’ sorgt rennt da Rudi wieda hoim, bevor da Urlaub rum isch.

Kurz noch dem a ganga isch, hot’ s zum seucha agfanga was vom Himmel ra wied.Betsch naß isch a. Und an der Schlucht akomma, fliegt au no d’ Brug ins Lo nab.Es Blitza und’ s Donnra hot’ s au no agfanga.

Jetz hot da Rudi koin Bock me ket, weil er am Ufer rum g’ irrt isch wie im Irrehaus. Ganz verzwiflat isch er g’ wä, weil koi Schiff komma isch und en an’ d ander Sita na g’ hockt hot.

Auf eimal fangt er’s blärra und’s betta a.D’ Händ hebt a zum Himmel nauf und bettlat:„Gott, d’ Stund gangat rum, Midag homma und wenn d’ Sonn unter goht verreuch i d’ Stadt nimma. Dann muss d’ Hansl elend für mi verrecka.“

Do triebt en d’ Schieß wia boim Schumpa ie trieba glie so, dass er in d’ Strom ni springt der imma massiga wird.Beta do’ d er im Wassa allad no.

Jowohl packt hot as. Er isch dernad. Danka do’d er em lieba Gott und wieta eilt er.

Id lang isch er glofa, kut des näxte Hindernis, a Gruppa voller blöda Saubagage.D’ dreckade Räuba lond en Rudi wieta und wend des ganze Zeug was er dabie hot hong.Nix isch’ s worra für di Saubazis, woil se vom freche Hund Rudi hinterlischtig verschreckt worra sind. Abg’ haue sind se vorlauter Schieß.

Nua brennt d Sonn vom Himmel ra und d’ Rudi isch fast am verdursta.Hargott goht der an Dusel und findet a Bächle.G’ soffa hot’a, wieder hot er bettet, dass da liebe Gott en naus long hot aus d’ Schissfidles Räuberhänd und dass er’ n aus em Strom au naus long hot ans ander Land.

D’ Sonn goht unter und d’ Bäm molet bäuene Schatta.Dass da Hansl jetz oufghanget wird, schwetzed die zwoi Leud wo grad vorbie loufed.

Jetz rennt aba, ka des sei, dass der sich grad a wenig in’ d Hosa scheißt?Den jagt d’Qual der Sorge. Sea dud er se scho, d’ Zinna vo Noischwanastoi.

D’ Josef, Rudi’s Depp für olles, kut ums Eck rum und seid em, dass er’s Leba vo seinem Spezl Hansl eh nimme retta ka, weil der grad verreckt,er soll sei oiges retta.

Pech ket hosch, Ludwig, du kasch em Rudi d’ mutige Willa id nemma.

Scho wieda fangt er’s Rotz und Wassa blärra a.Mit trauriga Stimm, führt er Selbstgespräche in dena er moint,dass es z’ spät isch, dass d’ Hansl für ihn sterbe muss, dass er ihm id d’ Retta sei ka und dass er sich ihm deshalb mit em Tod vereina will.Em König gohts an seim Verwehrteschter vorbei, dass d’ Rudi em Hansl d’ Pflicht broche hot.

D’ rote Feuerball, auf deutsch said ma Sonn, isch scho fast fud,da kut da Rudi am Schloss wieder a.Erschmal huat er sich durch Menschemenge,bevor er schreit: „Ey, Henker. Mi hängsch auf, i bi der, für den er sterba sod!“

Boide flackat sich in d’ Arm und blärret sich aus, vor lauta Freud.D’Ludwig krit olles mit und holt di zwoi zu sich.

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Der guggt die zwoi ewiglang bled a.Heidanai, die zwoi hods na brocht.Di hond sogar den Sturra Bock Ludwig woich krit.Weil dena zwoi said, dass se’s na krit hond, sei

Herz zu b’zwinga.D’ König spricht Machtwort’: „D’ Treu gibt’s ja doch.Bitte lond mi in euer Freundschaft d’ dritte sei.“

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