Weide.Siestolpertemehralszulaufen.DieTränenstan- · 2019. 4. 26. · 30 4Steinkreis...

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    4 Steinkreis

    Wütend rannte Nala in das Eichenwäldchen hinter derWeide. Sie stolperte mehr als zu laufen. Die Tränen stan-den in ihren brennenden Augen. Sie übersah Steine undWurzeln und musste sich immer wieder fangen, um nichtzu stürzen. Wenigstens hatte Nala das Weinen zurückhal-ten können, solange sie in Sichtweite dieser fiesen Jackieund des hundsgemeinen Leo war. Zum Teufel mit den bei-den! Erstaunlich, wie geschickt sie das eingefädelt hatten,und Nala war voll in die Falle getappt. Ein Moment der Un-achtsamkeit und schon war sie wieder zur Außenseiteringeworden. Ein Pferd hatte sich verletzt! Das war ja nichtauszuhalten!

    Bloß weg hier! Stöhnend und nach Luft ringend, rann-te sie so lange, bis ihr der Atem und die Kraft ausgingen.Auf einer Wiese sank Nala keuchend zu Boden und lehntesich an die mächtige Eiche, die hier wuchs. Endlich ließ sieihre Tränen fließen. Es dauerte eine ganze Weile, bis siesich vom Schock erholte. Als Nala wieder klar sah, ent-deckte sie den Zauber dieser Lichtung mitten im Wald.Das Mädchen sah sich genauer um und bemerkte, dassrund um den Baum Steine lagen. Sie bildeten einen Kreis.Zwar überwucherten Moos und Farn die hellgrauen Fels-brocken zum Teil, aber es sah eindeutig wie ein Steinkreisaus. Wer den wohl gebaut hatte? Und wie alt war dieserPlatz hier?

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    Langsam breitete sich in Nala ein wohliges Gefühl aus.Ihr Atem beruhigte sich. Erschöpft legte sie sich auf dasvon der Sonne aufgeheizte Gras und genoss es, sich amBoden auszustrecken. Das Mädchen dehnte ihren vomLaufen angespannten Körper und räkelte sich wie eineKatze. Die Wärme der Erde tat gut. Wie durch Zauberhandwurden ihre Schmerzen mit jedem Atemzug weniger.

    Seltsam. So entspannt und sicher fühlte Nala sichsonst nur, wenn sie in einem Buch verschwand oder zeich-nete. So wie sie da auf dem Rücken lag und nach oben indie Luft schaute, blickte sie in die Krone der Eiche. DieBlätter raschelten leicht im Sommerwind. Auch die Bäumerings um die Lichtung bildeten mit ihren Wipfeln einenKreis vor dem Blau des Himmels. Die Wolken zogen mitdem Wind vorüber und nahmen ihre Gedanken mit auf dieReise. Eine wunderbare Leichtigkeit durchströmte Nala. Esfühlte sich an, als ob sie schweben würde. Schwerelos glittsie in einen eigenartigen Zustand zwischen Traum undWirklichkeit.

    Was war denn das? Da vorne, gleich bei den Brombeer-sträuchern, stand doch jemand? Eine schwarzhaarige, dun-kelhäutige Gestalt, so schien es Nala. Oder war das nur einBusch, an dem etwas Weißes, Flatterndes hing? Ein StückStoff vielleicht? Nein, nein, da war tatsächlich eine Frau zuerkennen. Sie trug ein helles, mit Perlen besticktes Leder-kleid und sah genau so aus, wie sie sich eine Indianerinvorstellte. Sie verschlang alle Geschichten über die altenVölker Amerikas und interessierte sich brennend für ihrespezielle Beziehung zu Pferden. Nala hatte gelesen, dassdie Reiter tief und innig mit ihren Ponys verbunden waren.

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    Auf einer Schulter der geheimnisvollen Frau saß einVogel, der sein schwarzblau glänzendes Gefieder putzte. Erplusterte sich dabei immer wieder auf, als wollte er sichgroß und wichtig machen. Er benahm sich witzig undwirkte auf eine amüsante Art großspurig.

    „Moment, er sieht ja aus wie der Rabe, den ich auf derWeide bei Lilou beobachtet habe. Ist er das? Ach was,wahrscheinlich schauen diese schwarzen Vögel alle gleichaus“, dachte sie.

    Nala hörte die leisen Geräusche, die der Rabe von sichgab. Kratzend und gurrend klang seine raue Stimme. Odersprach er mit der Unbekannten? Die näherte sich der Stel-le, an der Nala vor Aufregung und um besser zu sehen, auf-gesprungen war. Der Rabe war von der Schulter der dun-kelhaarigen Frau weggeflattert und hüpfte neben ihr amBoden. Aus der Nähe erschienen die pechschwarzen Au-gen des Vogels listig und weise. Nala hörte, dass er knar-rend, doch deutlich „Tendo“ krächzte.

    „Wie du hörst, das ist Tendo, und mein Name ist BlaueFeder. Wie wirst du genannt, kleine Schwester?“, fragte dieFremde.

    „Ich heiße Nala“, stotterte sie überrascht.

    Verwundert betrachtete Nala sie jetzt aus der Nähe. Ih-re Füße steckten in weichen Mokassins. In ihrem Haar wa-ren eine blaue und eine schwarze Feder eingeflochten undeine lange Kette aus Türkisen schmückte ihren Hals. Sieließ langsam ihren Blick über die Lichtung schweifen.

    Dort drüben war aus dem Wäldchen eine Herde vonfünf Mustangs aufgetaucht. Die Pferde näherten sich. Eine

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    fuchsrote Stute mit vier hellen Stiefeln begann neben ih-nen zu grasen.

    Eine zweite Mustangstute war braun-weiß geschecktund hatte eine schwarze Mähne. Die beiden langbeinigenFohlen und ein schokoladebrauner Hengst standen weiterweg bei den Büschen am Rand der Lichtung. Alle Tieresenkten gelassen ihre Köpfe Richtung Erde. Sie rupftenund kauten das trockene Gras. Die frei lebende Herde boteinen atemberaubenden Anblick. Nala konnte ihre Neugiernicht mehr im Zaum halten.

    „Wer bist du?“ „Wo bin ich hier?“ „Träume ich?“,schoss es ihr durch den Kopf.

    „Das sind ja viele Fragen“, stellte Blaue Feder fest. Sieließ sich auf dem Boden nieder und klopfte sachte auf dasGras, um Nala aufzufordern, sich neben sie zu setzen.

    „Ich bin hier, weil du mich gerufen hast. Du bist ver-wirrt und sehnst dich danach, Freundschaft mit den Pfer-den zu schließen. Manchmal bekomme ich Besuch vonLehrlingen aus verschiedenen Welten, wenn sie offen ge-nug sind, um sich auf eine besondere Art mit Tieren zuverbinden. Du hast diese Offenheit und die Gabe, in ande-re Wirklichkeiten einzutauchen.“

    „Was ist das für eine Welt?“ Hastig war Nala die Frageherausgerutscht. Sie brannte in ihr, denn das Mädchenkonnte nicht fassen, was sie da erlebte. Heimlich hatte Naladas Bein ausgestreckt und wie versehentlich mit ihrem Fußdas Knie der Fremden berührt. Sie wollte unbedingt wis-sen, wie echt dieser Traum war. Als Nala das Knie mit ihrenZehen anstupste, lächelte Blaue Feder ihr zu und nicktewissend mit dem Kopf.

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    „Bei meinem Stamm bin ich eine Medizinfrau undSchamanin. Medizinmenschen unterstützen andere bei ih-rer Heilung. Wir unterscheiden nicht zwischen seelischerund körperlicher Gesundheit. Alles gehört zusammen. Ichhöre die inneren Fragen, die hinter den Sätzen der Men-schen versteckt sind. Und darum bist du hier, du stellst in-teressante Fragen. Du wirst sehen: Fragen sind wichtigerals Antworten. Sei aber vor allem bereit für Antworten aufFragen, von denen du bisher nichts gewusst hast.“

    „Hmm, das klang rätselhaft. Eine Medizinfrau, eineSchamanin! Wie seltsam!“, dachte Nala.

    „Und bist du eine Indianerin?“, fragte sie nun neugie-rig.

    „Wir selbst nennen uns entweder Native Americansoder benutzen den Namen unseres Stammes, wie zum Bei-spiel Lakota, Cherokee und Hopi“, erzählte Blaue Feder.

    Nala war begeistert. Diese Begegnung war vielleichtdas Beste, was ihr passieren konnte! Möglicherweise halfdie Schamanin dabei, eine Lösung für das Schlamassel zufinden, in dem sie steckte. Das war zumindest eine Chance,dass endlich etwas Abenteuerliches, Ungewöhnliches in ih-rem Leben geschah. Nala war bereit für jede Unterstüt-zung, die sie kriegen konnte.

    „Die Erfahrungen, die du hier machst, werden dichverändern, mehr als du es dir jetzt vorstellen kannst. Esbraucht einen mutigen Schritt, um sich auf mich und diesemagische Welt einzulassen. Du musst eine Entscheidu-ng treffen und eindeutig JA sagen, wenn ich deine Lehre-rin sein soll.“

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    „Ja natürlich will ich von dir lernen!“

    Es gab kein Zögern in Nala, keine Überlegung, keinenZweifel, nichts davon. Dieses JA kam direkt aus ihrem Her-zen. Sie wunderte sich selbst über die Bestimmtheit, mitder sie ihr Einverständnis gab.

    „Wenn du so sicher bist, dann wirst du ab jetzt meineSchülerin, ein schamanischer Lehrling sein“, sagte BlaueFeder feierlich.

    Das Mädchen blickte auf die Lichtung. Alles war fried-lich. Nur der freche Rabe hüpfte aufgeregt herum undschimpfte vor sich hin. Aus ihm wurde Nala nicht ganzschlau. Fasziniert versuchte sie, sein Gekrächze zu verste-hen. Sinnlos, es gelang ihr nicht.

    „Willst du nicht endlich die Pferde begrüßen?“, fragteBlaue Feder in die abendliche Stille hinein.

    „Nichts lieber als das!“, dachte oder sagte Nala. Siewusste nicht, ob das Gespräch nur in Gedanken stattfand,oder ob sie ihre Stimme benutzte, wenn sie sich mit derMedizinfrau unterhielt. Trotzdem fühlte sich das, was Nalain diesem Steinkreis erlebte, echter an, als alles, was siebisher kannte.

    Schnell und zielstrebig stand sie auf und ging schnur-stracks auf den fuchsroten Mustang zu. Nur mehr zwei Me-ter von ihm entfernt, streckte sie dem Pferd ihre Hand ent-gegen. Die Stute hob den Kopf, drehte dem Mädchen ihrkräftiges Hinterteil zu und wich ein Stück zur Seite aus.Bei jedem weiteren Versuch, den Nala startete, um sich der

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    in der Sonne glänzenden Fuchsstute zu nähern, wandte siesich wieder ab.

    Beim nächsten Anlauf zuckte das Mädchen zusammen,denn eine Nuss traf sie schmerzhaft, aus großer Höhe, aufden Kopf.

    „Autsch!“ Sie blickte nach oben. Da flog doch der fre-che Rabe? Hatte der sie mit einer Nuss beworfen?

    Kopfschüttelnd und lächelnd unterbrach Blaue Federdie vergeblichen Annäherungsversuche und winkte Nala zusich. Tendo machte Geräusche, als ob er lachen würde.Was war nur schief gelaufen?

    „Beobachte zuerst, wie die Pferde sich gegenseitig nä-herkommen. Sieh genau zu! Denn, wenn du dich mehr wieihresgleichen benimmst, verstehen die Mustangs besser,was du möchtest“, sprach Blaue Feder. „Die Herde bleibtfreiwillig bei mir, keines der Tiere ist angebunden. Nur inder Freiheit erkennst du, ob eine Beziehung echt ist. Dazugehört, dass ein Tier dir vertraut und dich respektiert. Derrote Mustang, den du dir ausgesucht hast, heißt TanzendesFeuer und ist die Itancan [ii-TAHN-chun]. So nennen wirin der Sprache der Lakota die Leitstute. Alle, ob Menschenoder Pferde, die eine Gruppe anführen, werden so ge-nannt.“

    Still und konzentriert beobachtete Nala die weidendeHerde. Glücklicherweise bewegten sich die Mustangs lang-sam, sonst hätte sie nie einen Überblick bekommen. Gra-send schritten die Pferde in Schlangenlinien über die Wie-se. Manchmal kamen sie sich näher und kratzten sich ge-genseitig am Widerrist. Hin und wieder hob TanzendesFeuer ihren Kopf. Die anderen Tiere taten es ihr nach.

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    Entspannte sich die Leitstute, fraßen alle weiter. Der kräfti-ge Hengst kontrollierte mit seinem Blick die Umgebung.Die beiden Fohlen, eines schwarz-weiß gefleckt, eines ganzdunkel, sprangen herum. Sie rasten mit wilden Galopp-sprüngen über die Weide, buckelten, stiegen und schlugenaus. Wenn eines von ihnen zu frech wurde, genügte derBlick oder eine winzige Bewegung der Stuten. Die Fohlenberuhigten sich, wedelten mit ihren kurzen Schweifen undkauten in der Luft, als ob sie stumm sprechen würden.Was sollte das nun wieder bedeuten?

    „Was hast du herausgefunden?“ Blaue Feder schautedas Mädchen offen an. Ihre Augen waren fast schwarz undgleichzeitig leuchtend. Der Blick der Medizinfrau traf Nalaim Innersten.

    Sie berichtete der Schamanin alles, was sie beobachtethatte.

    „Am wichtigsten ist, dass die Tiere Vertrauen habenund sicher sind, dass du in einer freundschaftlichen Ab-sicht kommst,“, sagte die Medizinfrau. „Raubtiere nähernsich bei einem Angriff direkt und schnell, heben ihre Pfo-ten mit den todbringenden Krallen oder springen auf denRücken der Pferde. Bei deinen misslungenen Versuchen,Tanzendes Feuer zu berühren, hast du dich wie ein Raub-tier benommen. Du bist direkt und mit hochgehobener,zur Tatze geformter Hand, auf sie zu gegangen. Wenn dumit leicht gesenktem Kopf und in einem Bogen zur Stuteschlenderst, bewegst du dich wie ein anderer Mustang, derentspannt grast. Du näherst dich ihr von der Seite! Rennnicht schnell auf sie zu, wie ein gefährlicher Puma.“

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    Dass sie wie ein Raubtier wirkte und Pferde vor Men-schen mit ihren schnellen und zielgerichteten Bewegungenzurückschreckten, wäre dem Mädchen nie in den Sinn ge-kommen. Es dämmerte Nala, dass sich all ihre Ansichtenüber diese Tiere verändern, vielleicht sogar umkehren wür-den.

    „Die Mustangs haben, genauso wie wir Menschen, emp-findliche und intime Körperstellen, wie zum Beispiel denBauch oder den Kopf. Wie würdest du es finden, wenn einFremder auf dich zu kommt und dir direkt ins Gesichtgreift?“

    „Furchtbar wäre das.“

    „Siehst du, und ein Pferd fühlt genauso. Es zieht sichzurück.“

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    „Wo soll ich denn Tanzendes Feuer zuerst berühren?“

    „Am besten an der Schulter oder am Widerrist. Das istfür sie so, als ob dir jemand die Hand geben würde“.

    „Okay, das kann ich mir vorstellen.“

    „Die Augen dieser Fluchttiere liegen an den Seiten desKopfes. Pferde sehen damit fast rundum. Vorne und hintenhaben sie eine Art blinden Fleck. Sie können niemandenerkennen, der dort steht. Da du dich ab jetzt seitlich annä-hern wirst, gibst du den Mustangs die Chance, zu beobach-ten und einzuschätzen, ob du vertrauenswürdig bist.“

    Blaue Feder sprach weiter: „Hebe langsam die Handvon unten vor die Nase der Stute, damit sie daran schnup-pern kann. Tanzendes Feuer erkennt deinen Geruch. Ersagt dem Mustang, ob du ängstlich bist, wo du vorherwarst, was du gegessen hast und vieles mehr. Pferde habeneinen sehr feinen Geruchsinn und sie verlassen sich aufihn.“

    Nala, die das Wissen der Medizinfrau aufsog wie einSchwamm, nickte zustimmend und fasziniert. Blaue Federlegte die Hand auf ihr Herz und sprach weiter: „Das Wich-tigste ist dein offenes Herz. Sei bereit in die Seele desPferdes zu sehen, um sein Wesen zu erkennen. Sei gleich-zeitig darauf gefasst, dass diese wundervollen Tiere dichsofort durchschauen. Du kannst nichts verstecken, keinGefühl, keine Stimmung, keine Absicht. Ein freies, unge-brochenes Pferd spürt dein Innerstes und das solltest duwollen und zulassen. Jede einzelne Begegnung ist kostbarund etwas Besonderes. Eins-Sein, Iyuptala [ii-yoo-P´TAH-lah], nennen wir das Verbundensein mit der Natur, demHimmel, der Erde und mit dem Wesen, dem du gegen-

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    überstehst. Für mein Volk ist es selbstverständlich, dass al-le Tiere unsere Brüder und Schwestern sind.“

    Tendo war zur Fuchsstute geflogen. Der schwarzblauschimmernde Vogel hüpfte vor dem Pferd herum. Er flogwieder zu Nala zurück und landete zwischen der Medizin-frau und ihr. Forderte der Rabe sie auf, mit dem MustangKontakt aufzunehmen? Im Moment schien dieser schwarzeVogel nicht mehr frech, sondern eher aufmunternd zusein.

    Nala stand ruhig auf und ging in langgezogenenSchlangenlinien über die Lichtung zur Fuchsstute, umsich ihr von der Seite zu nähern. So hatten es die Mustangsvorhin getan. Die Leitstute, Itancan, hob kurz den Kopf,schaute das Mädchen an und ließ ihr Maul wieder Rich-tung Gras sinken. Sie atmete tief durch, denn sie durftenun die Schulter und den Hals des Pferdes berühren. Nalaspürte das sonnenwarme, weiche Fell unter ihren Fingern.Nala wurde leicht ums Herz. Sanft kraulte sie TanzendesFeuer am Widerrist und wurde dafür mit einem leisenSchnauben belohnt. Sie hatte zum ersten Mal ein frei le-bendes Pferd berührt! Kein Strick, kein Zaun, kein Zwang,nichts hielt diese Stute fest. Wie Blaue Feder ihr geratenhatte, ließ sie sich beschnuppern und Tanzendes Feuersenkte ihre weiche Nase in Nalas offene Hand.

    „Ich will dich kennen lernen“, flüsterte sie dem star-ken, wilden Pferd zu. Danach sehnte sie sich aus tiefstemHerzen.

    Nach einer kurzen Weile, die Nala ewig erschien,krächzte Tendo und begann einen aufgeregten Hüpftanz.

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    Sie nahm die restliche Herde wieder wahr und kam erfülltzur alten Eiche zurück. Dort saß schmunzelnd Blaue Feder.

    „Und, wie war es?“

    „So etwas Außergewöhnliches habe ich noch nie er-lebt.“

    „Der erste Schritt ist getan. Genug für heute. Was dueinmal gelernt hast, ist ein Geschenk und gehört für immerdir. Geh jetzt, aber du darfst jederzeit wiederkommen,wenn du mich brauchst.“

    Nala wachte auf. Sie fröstelte ein wenig. Die Sonne standtief. Der Schatten des Baumes fiel auf das Mädchen. DieLichtung war leer, ein sanfter Wind wehte und die Blätterraschelten leise. Was war geschehen, hatte sie geträumt?Durcheinander, aber glücklich. Ja, so fühlte sie sich.Wahnsinn, sie hatte ein frei lebendes Pferd berührt! EineMedizinfrau kennengelernt! Ihre Sorgen waren im Momentweit weg. Sie machte sich auf den Rückweg zum Reiterhofund beschloss, niemandem von diesem Erlebnis zu erzäh-len. Niemand, außer vielleicht Lilou.