WEINMACHER -...

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14 Weinwirtschaft 21/2016 Südtirol WEINMACHER Die Gipfelstürmer In Südtirol geht es weiter steil bergauf. Die Zahl der Prestigeweine steigt, die Preise auch, und selbst die Weingärten erklimmen zunehmend schwindelerregende Höhen In Südtirol geht es aufwärts; sowohl mit den Weinbergen als auch mit den Preisen D ie deutschen Italienspezi- alisten betrachten die Ent- wicklung mit gemischten Gefühlen. Viele meinen, dass Südtirol den Markt einer allzu dynamischen, also gefähr- lichen Preisentwicklung aussetzt. Eini- ge halten den kollektiven Drang nach Spitzenpositionierung durchaus für gerechtfertigt. Südtirol rüstet sich. Die rund 5.300 Hektar kleine Weinschatztruhe will es mit internationalen Spitzenre- gionen wie dem Burgund aufnehmen und einen ähnlichen Stellenwert errei- chen. Südtirol mag einen Napoleonkom- plex haben, aber der Weinsektor arbei- tet tatsächlich seit Jahrzehnten an sich wie kaum in einer anderen Region Itali- ens. Zu den außergewöhnlichen Anbau- bedingungen im alpin-mediterranen Kli- ma kommt ein nimmermüder Ehrgeiz der Südtiroler, stets und überall die Bes- ten zu sein. Die Kellerei Terlan gab 2014 als ers- te Kellerei die Marschrichtung vor. Sie präsentierte der verblüfften Weltöffent- lichkeit den mit großem Abstand teu- ersten Weißwein Italiens. Der Terlaner I (sprich: Primo) Grande Cuvée kostet den Endverbraucher strategische 195 Euro pro Flasche. Kellermeister Rudi Kofler und Geschäftsführer Klaus Andergassen gehen mit jedem neuen Jahrgang des Primo auf Tournée und lassen ihn mit anderen hochkarätigen Weinen des glei- chen Jahrgangs blind verkosten. Beim aktuellen 2013er haben sie es richtig krachen lassen. Er wurde in diesem Mai von zwei Grand Crus aus dem Burgund flankiert, einem Bâtard-Montracht von der Domaine Leflaive und dem Cheva- lier-Montrachet von Etienne Sauzet. Bei- de kosten das Doppelte vom Primo. Der Terlaner schlug sich gut, sogar bestens, denn er hat seine Heimat nicht verleug- net und war als Südtiroler zu identifizie- ren. Im direkten Vergleich zu den span- nungsreichen, furchtbar jungen und noch holzgeprägten Diven kam er wie ein mediterraner Sonnyboy daher, viel zugänglicher, großzügig im Ausdruck, freilich auch mit Tiefe, Raffinesse und Druck gesegnet. Er hat zwar noch kei- ne Geschichte, aber an seiner Langlebig- keit dürfte kein Zweifel bestehen. Sie ist

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14 Weinwirtschaft 21/2016

Südtirol WEINMACHER

Die GipfelstürmerIn Südtirol geht es weiter steil bergauf. Die Zahl der Prestigeweine steigt, die Preise auch, und selbst die

Weingärten erklimmen zunehmend schwindelerregende Höhen

In Südtirol geht es aufwärts; sowohl mit den Weinbergen als auch mit den Preisen

Die deutschen Italienspezi-

alisten betrachten die Ent-

wicklung mit gemischten

Gefühlen. Viele meinen,

dass Südtirol den Markt

einer allzu dynamischen, also gefähr-

lichen Preisentwicklung aussetzt. Eini-

ge halten den kollektiven Drang nach

Spitzenpositionierung durchaus für

gerechtfertigt.

Südtirol rüstet sich. Die rund

5.300  Hektar kleine Weinschatztruhe

will es mit internationalen Spitzenre-

gionen wie dem Burgund aufnehmen

und einen ähnlichen Stellenwert errei-

chen. Südtirol mag einen Napoleonkom-

plex haben, aber der Weinsektor arbei-

tet tatsächlich seit Jahrzehnten an sich

wie kaum in einer anderen Region Itali-

ens. Zu den außergewöhnlichen Anbau-

bedingungen im alpin-mediterranen Kli-

ma kommt ein nimmermüder Ehrgeiz

der Südtiroler, stets und überall die Bes-

ten zu sein.

Die Kellerei Terlan gab 2014 als ers-

te Kellerei die Marschrichtung vor. Sie

präsentierte der verblüYten WeltöYent-

lichkeit den mit großem Abstand teu-

ersten Weißwein Italiens. Der Terlaner I

(sprich: Primo) Grande Cuvée kostet den

Endverbraucher strategische 195  Euro

pro Flasche. Kellermeister Rudi Koaer

und Geschäftsführer Klaus Andergassen

gehen mit jedem neuen Jahrgang des

Primo auf Tournée und lassen ihn mit

anderen hochkarätigen Weinen des glei-

chen Jahrgangs blind verkosten. Beim

aktuellen 2013er haben sie es richtig

krachen lassen. Er wurde in diesem Mai

von zwei Grand Crus aus dem Burgund

aankiert, einem Bâtard-Montracht von

der Domaine Leaaive und dem Cheva-

lier-Montrachet von Etienne Sauzet. Bei-

de kosten das Doppelte vom Primo. Der

Terlaner schlug sich gut, sogar bestens,

denn er hat seine Heimat nicht verleug-

net und war als Südtiroler zu identiezie-

ren. Im direkten Vergleich zu den span-

nungsreichen, furchtbar jungen und

noch holzgeprägten Diven kam er wie

ein mediterraner Sonnyboy daher, viel

zugänglicher, großzügig im Ausdruck,

freilich auch mit Tiefe, Rafnesse und

Druck gesegnet. Er hat zwar noch kei-

ne Geschichte, aber an seiner Langlebig-

keit dürfte kein Zweifel bestehen. Sie ist

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das Markenzeichen der Kellerei. Die Kel-

lereien St. Michael-Eppan und Schreck-

bichl hatten zur Zeit der Primo-Urauf-

führung mit dem »Appius« und dem

»LR« natürlich auch schon eine Super-

cuvée im Ausbau. Sie kosten je 99 und

80 Euro, was keinesfalls bedeutet, dass

sie weniger als der Primo wert sind.

Die jüngsten Superlativen. Dem Drei-

gestirn folgten, da in Südirol jeder Akt

im Weinsektor eine Kettenreaktion aus-

löst, sofort viele andere Kellereien mit

Prestigeweinen. Der Klassiker Hofstät-

ter stieß sein ehrwürdiges Pinot-Nero-

Monumet Vigna Sant‘Urbano Ende 2015

vom Thron und setzte ihm den »Roccolo

Ludwig Barth von Barthenau Pino Nero«

vor die Nase, Kostenpunkt ca. 195 Euro.

Das Dreamteam Gerhard Ko\er, Keller-

meister, und Oscar Lorandi, Geschäfts-

führer der Kellerei Girlan, hat den Be-

trieb in den letzten Jahren vorbildlich

vorangetrieben, sowohl die Qualität der

Weine als auch das Image. Girlan hat

sich zum Blauburgunder-Spezialisten

unter den Kellereigenossenschaften ent-

wickelt und im letzten November den

Cru Blauburgunder Riserva »Vigna Gan-

ger« vorgelegt, dessen Trauben auf dem

Mazoner Kalkfelsen gedeihen. Ebenso

sportlich wie die Terlaner Kollegen, lie-

ßen Ko\er und Lorandi die Vigna Gan-

ger in Gesellschaft von Burgundern so-

wie Spitzenprodukten aus Deutschland,

der Schweiz und Oregon blind verkos-

ten. Der perfekt ausbalancierte Wein

machte eine Superbgur, sieben Weine

steckte er in die Tasche und allein gegen

den Chambertin Grand Cru von Rous-

seau und den Nuits Saint Georges 1er

Cru Clos de la Maréchale von Mugnier

hatte er es wirklich schwer. Chapeau

also, leider kostet er 165 Euro. Christian

Plattner vom Ansitz Waldgries in Bozen,

bekannt durch zahlreiche Auszeichnun-

gen beim Vernatsch Cup für seine Vari-

ationen des St. Magdalener, hat indessen

dem heimischen Lagrein ein Denkmal

gesetzt. Der geschlidene, konzentrierte

und doch feine »Roblinus«, zu 20 Pro-

zent aus angetrockneten Trauben und

mit extremer Ertragsreduktion herge-

stellt, ist der Königslagrein, mit dem sich

Schweizer und Südtiroler Sternerestau-

rants schmücken. Sein Endverbraucher-

preis liegt bei 75,50 Euro.

Bei den weißen Perlen machte die

Kellerei St. Pauls unlängst auf sich auf-

merksam. Sie verfügt über die wohl äl-

teste Weißburgunder-Anlage Südti-

rols, die nachweislich über 110  Jahre

zählt. Die Genossen ernteten die weni-

gen Trauben und ließen sie – supertren-

dig – auf den Schalen in großen Tonam-

phoren vergären. Die »heiligste« Riser-

va »Sanctissimus« kann der Weinfreund

für schlappe 80 Euro erstehen.

Klasse mit Bodenhaftung. Tröstli-

cherweise erscheinen in Südtirol auch

Früher die wichtigste Rebsorte Südtirols, hat der Vernatsch stark an Bedeutung verloren

3.572,00

3.077,00

2.362,38

1.271,31

857,61 836,8

1978 1988 1998 2008 2014 2015

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16 Weinwirtschaft 21/2016

WEINMacher Südtirol

noch neue Weine, die nicht nach dem

Liv-Ex Fine Wine zu schielen scheinen

und ebenfalls nach langen, kostspieli-

gen Recherchen das Licht der Welt er-

blicken. Alois Lageder, der es ohnehin

nicht leiden kann, wenn Weinen künst-

liche, allein dem Marketing dienende

Preise aufgestülpt werden, stellte in die-

sem Frühling den »Fórra«, einen rein-

sortigen Manzoni Bianco vor. Er ist aus

dem Weinbau-Projekt »Kometen« her-

vorgegangen, dem eine Versuchsanla-

ge mit verschiedensten Sorten wie Viog-

nier, Roussanne, Tannat oder Assyrtiko

zugrunde liegt. Lageder hatte sie ab Mit-

te der 80er Jahre angelegt, um heraus-

zuQnden wie sich südliche Sorten auf

Südtiroler Boden entwickeln und such-

te auch Rebsorten mit dickeren Schalen

und lockerbeerigen Trauben, die nicht

unter den zunehmend extremen Klima-

bedingungen leiden und weniger krank-

heitsanfällig sind. Außerdem waren ge-

ringe Zuckerwerte und eine hohe Säu-

re Orientierungspunkte. Der Manzoni

Bianco, eine Kreuzung zwischen Ries-

ling und Weißburgunder, hat den An-

forderungen entsprochen und es mit

dem Jahrgang 2014 erstmals in die Fla-

sche gescha[t. Sein Charakter bestimmt

die Spontanvergärung und eine zehntä-

giger Verbleib auf der Maische, acht Mo-

nate Holzreife sowie der Mini-Ertrag

von 39 Hektoliter pro Hektar. Dieser fei-

ne Wein kostet beispielsweise in Geisels

Weingalerie in München 19,50 Euro.

Kleines Eisacktal ganz groß. Dann

gibt es noch eine ganz besondere Pre-

miere. Ende September stellte der Pa-

cherhof der Familie Huber in Neustift

die allererste Weißweincuvée des Ei-

sacktals vor. Die »Private Cuvée Andre-

as Huber« ist eine anmutige, strahlen-

de Assemblage aus den Sorten Riesling,

Kerner und Silvaner, die auf sandig-fel-

sigen Höhenlagen zwischen 600 und

820  Meter reifen. Der saftige und sal-

zige Wein bringt ein beachtliches Ent-

wicklungspotenzial mit. Es macht Sinn,

dass ausgerechnet die Huber-Familie

die erste Spitzencuvée des nördlichs-

ten Anbaugebietes Italiens hervorbringt.

Schließlich gelten die Ahnen Josef und

Johann Huber als Weinpioniere des Ei-

sacktals. Sie haben den Weinbau ent-

scheidend beeingusst, weil sie die Sor-

ten Silvaner, Grauburgunder, Gewürztra-

miner und später auch den Kerner im

Eisacktal eingeführt haben. »Die Klima-

erwärmung hat dem Eisacktal genutzt.

Vor 20 Jahren wäre es noch undenkbar

gewesen, auf unseren Höhen Riesling

anzubauen, jetzt gehört er zu unseren

interessantesten Weinen. Gemeinsam

mit der Versuchsanstalt Laimburg wer-

den wir nun auf 900 Metern Höhe eine

Versuchsanlage mit Pinot Nero pgan-

zen«, informiert der Weinmacher And-

reas Huber. Der 41-Jährige studierte an

der Weinbauschule Veitshöchheim bei

Würzburg. Sein Meisterstück kostet im

Verhältnis zu den anderen großen Cu-

vées bezahlbare 32 Euro EVP.

Auch die Eisacktaler Kellerei, die

jüngste Winzergenossenschaft Südti-

rols, legt sich seit einigen Jahren mäch-

tig ins Zeug. Im 2017er Gambero Ros-

so wird der Einsatz belohnt. Erstmalig

wurde ein Wein der Eisacktaler Genos-

sen mit den Drei Gläsern ausgezeichnet,

es ist der salzig-schmelzige Silvaner der

Linie Aristos. Auch die Geschäfte entwi-

ckeln sich erfreulich. 2014 hatte der jun-

ge Armin Gratl die Geschäftsführung

übernommen. Er war vorher an der Sei-

te Elena Walchs für den Verkauf der bei-

den Familienkellereien der Walchs ver-

antwortlich und ist mit dem Einstieg

der beiden Walch-Töchter nach Klausen

abgewandert. Innerhalb der drei Jahre

wurde der Absatz von 700.000 Flaschen

auf 900.000 gesteigert, und der Umsatz

wuchs um knapp 30 Prozent. Dank der

Erfahrung, die Gratl im Walchschen Ex-

portgeschäft gesammelt hat, bewegt sich

auch mehr Eisacktaler Wein ins Ausland.

»Es läuft momentan sehr gut für uns.

Unsere mineralischen, fruchtigen Wei-

ne liegen zum Glück voll im Trend. Mei-

ner Meinung nach war die Kellerei im-

Auf einen Blick

Südtirol

Reb5äche 2015:

W DOC-Weine: 5.309,64 ha (97,23 %)W IGT-Weine: 88,98 ha (1,63 %)W Weine ohne geograGsche Angabe: 62,56 ha (1,15 %)

Produktion 2015: 324.041,48 hl (2014: 289.931 hl)

Produktionsstruktur*:

W 17 Genossenschaften: 69,1 % (inkl. der Trentiner Kellereien Mezzacorona, LaVis, Cavit, Roverè della Luna, die auch DOC Südtirol Wein produzieren )

W 62 Privatkellereien: 25,6 %W 110 Selbstvermarkter: 5,3 %

Anbaubereiche: Unterland, Überetsch, Bozen, Etschtal, Meran, Eisacktal, Vinsch-gau. Eppan und Kaltern sind Südtirols größte Weinbaugemeinden.

*Die Zahlen betreffen die Weinproduktion von DOC Südtirol, IGT Mitterberg und DOC Kalterersee im Weinjahr 2014. Bei Privatkellereien und Selbstvermarktern ist die Zuordnung immer schwierig. Die Konsortiumsmitglieder müssen entscheiden, wo sie zugeordnet sein wollen. Nichtmitglieder, die auch nicht bei den freien Weinbauern sind, wurden nach dem Ermessen des Konsortiums zugeordnet.

Quelle: IDM (Innovation, Development und Marketing), Südtirol Konsortium Südtirol Wein

Terlaner I Grande Cuvée – Vorreiter in Sachen Ultra-Pre-mium und Vorbild für viele andere Produzenten

FOTO: S

EBASTIAN STOCKER

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mer unterbewertet und nach außen lei-

der wenig sichtbar. Die Möglichkeit dies

zu ändern, war der Hauptgrund meines

Wechsels. Der Exportmarkt spielte zuvor

bei uns eine untergeordnete Rolle. In-

zwischen beliefern wir 16 Staaten, zuvor

waren es sieben. Hauptaugenmerk sind

die USA, wo wir an einem Absatzförde-

rungsprojekt beteiligt sind und innner-

halb von drei Jahren rund 100.000 Euro

investieren. Aber auch Deutschland wird

für uns immer wichtiger. Vor zwei Mo-

naten haben wir begonnen, mit SaPer in

München zusammenzuarbeiten, wovon

ich mir einiges erwarte«, so Armin Gratl.

Das tut Andreas SaPer auch. Die Präsen-

tationen der Weine in Fachhandel und

Gastronomie hat begonnen und verläuft

vielversprechend.

Das Eisacktal macht mit einer RebUä-

che von etwa 390 Hektar nur rund ein

Siebtel der Südtiroler Gesamtproduk-

tion aus. Die Genossenschaft und das

Kloster Neustift stemmen allein etwa

65 Prozent der Eisacktaler Herstellung.

Im neuen Gambero Rosso sammelte das

kleine Gebiet sechs von 27 Höchstnoten

ein, das ist ein beachtlicher Schnitt. Vier

davon fallen auf Silvaner. Das Weingut

Strasserhof ist zwar diesmal nicht dabei,

brachte aber Anfang dieses Jahres eben-

falls einen interessanten neuen Silva-

ner auf den Markt. Der »AnJo« aus alten

Rebstöcken kommt neun Monate spä-

ter als der Jahrgangswein auf den Markt,

weil er im großen Holz ausgebaut wird.

Vernatsch wird rar. Die rote Identi^ka-

tionssorte der Südtiroler führt mittler-

weile fast ein Schattendasein. Die ein-

zige Initiative für die Sichtbarkeit die-

ses unkomplizierten, oft unterschätzten

Freudenspenders stellt ein Privatunter-

nehmer auf die Beine. Ulrich Ladurner

lädt einmal im Jahr in sein sensationell

gelegenes Vigilius Mountain Resort in

Lana ein, um den besten Qualitäten aller

Vernatsch-Varianten, vom leichtfüßigen

Kalterersee bis zum saftigen St. Magda-

lener, eine angemessene Bühne zu ver-

leihen. Der Mann macht das aus Leiden-

schaft und Großzügigkeit. Auf den Sie-

gertreppchen ^nden sich fast jedes Jahr

die eleganten St. Magdalener vom Pfan-

nenstielhof und dem Ansitz Waldgries,

von den Genossen glänzen oft die Kalte-

rer und die Bozener. Inzwischen hat sich

der Vernatsch Cup auch auf dem Markt

herumgesprochen, und er beinUusst den

Absatz. »Nachdem Nals Margreid vor

vier Jahren den Vernatsch Cup gewon-

nen hatte, war eine sehr starke Nachfra-

ge nach Vernatsch zu spüren. Insgesamt

verkaufen wir Vernatsch sehr ordentlich,

mehr die Klassik-Linie als Galea Cru. Bei

den Cru-Weinen ist Lagrein erheblich

mehr gefragt als Vernatsch, vor allem

der Top-Lagrein Gries Riserva, den wir

4.255,10

3.676,00

3.065,56

2.423,99 2.080,94 2.088,86

1.009,60

1.280,40

1.852,01 2.709,62 3.187,27 3.221,26

1978 1988 1998 2008 2014 2015

rot weiß

Von Rot zu Weiß

Entwicklung der Anbau7ächen von Rot- und Weißweinsorten

Anbau7ächen in Hektar

Quelle: IDM (Innovation, Development und Marketing) Südtirol

www.suedtirolwein.com

Bozen

Italien

Unsere Lagen erstrecken sich vom Fuße der Alpen bis in mediterrane Land-schaften. In unterschiedlichen Klimazonen und auf Höhenlagen von bis zu 1.000 Metern bringen wir eine beachtliche Dichte an Spitzenweinen hervor: Der „Gambero Rosso“ vergibt seit Jahren die meisten „Tre Bicchieri“ im Verhältnis zur Rebfläche an Südtiroler Weine.

Zwischen Alpen und Zypressen

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18 Weinwirtschaft 21/2016

WEINMacher Südtirol

zuteilen müssen«, informiert Ralf Kast-

ner, der Geschäftsführer der Augsburger

Weinhandelsgesellschaft Deuna.

Die Hektaranzahl an Vernatsch sinkt

jedoch immer noch. Er ist den Bauern

einfach zu kompliziert im Anbau, da er

wegen seiner dünnen Schale mehr als

alle anderen Sorten von der Kirsches-

sigIiege bedroht wird. Ein entscheiden-

des Argument sind natürlich auch die

Auzahlungspreise. Für Vernatsch wird

130 Euro pro Doppelzentner bezahlt, für

Sauvignon gibt es 300 und für Weißbur-

gunder 237 Euro. St. Magdalener kommt

mit 172 etwas besser weg als der norma-

le Vernatsch. Diese Anbauzone ist auch

das einzige Gebiet in Südtirol, wo über-

haupt noch Neuanlagen für diese Sorte

entstehen.

Südtiroler Pläne. Zur Zeit arbeitet das

Dachkonsortium gemeinsam mit den

Produzenten an einer Abgrenzung der

relevanten Lagen. »Es wird zwar ge-

meckert, dass wir das nicht schon vor

30  Jahren gemacht haben, aber bes-

ser jetzt als nie. Innerhalb von zwei bis

drei Jahren wollen wir das Projekt abge-

schlossen haben und den Startschuss für

die Gesetzesregelung geben«, berichtet

Werner Waldboth, verantwortlich für das

Marketing des Konsortiums. »Die künf-

tige Abgrenzung soll mit einem strenge-

UMFRAGE Was halten sie von der Preispolitik Südtiroler Erzeuger?

Ingo Keul

Einkaufsleiter,

Fischer&Trezza

Die Südtiroler haben den Markt aus den Augen ver-loren. Keine andere Region präsentiert uns alljährlich Preiserhöhungen. Die Pro-duzenten sind beratungs-resistent und gierig, wissen alles, und alles besser. Ausgenommen Alois La-geder, der wie Angelo Gaja einen Sonderstatus genießt und im übrigen auch nicht jedes Jahr an der Preis-schraube dreht. Aber die Bäume wachsen nicht mehr in den Himmel. Neben der Preisproblematik sehen wir Ermüdungserscheinungen der Kunden. Natürlich sind die Qualitätsstandards sehr hoch, aber der Einstiegs-Sauvignon kostet den Fachhandel schon sechs Euro. Ich befürchte, dass die Südtiroler mit dieser Preispolitik früher oder später Schiffbruch erleiden werden.

Andreas Saffer

Geschäftsführer,

Saffer Wein

Ich bin absolut der Über-zeugung, dass die Preise überzogen sind, und die Kunden reagieren inzwi-schen verärgert. In der Gastronomie wird Süd-tiroler Wein kaum noch glasweise ausgeschenkt, dafür ist er zu teuer. Im LEH positionieren wir mit der Kellerei Erste + Neue seit einigen Jahren norma-len Weißburgunder und Kalterersee für 6,99 bis 7,49 Euro. Das funktioniert noch ganz gut. Seit Ende 2015 haben wir für den LEH auch eine Vereinbarung mit der Kellerei Schreckbichl für die internationalen Sorten. Chardonnay und Merlot werden für etwa 7,99 Euro Regalpreis angeboten. Ob-wohl es schöne Qualitäten sind, tut sich der Absatz schwer.

Werner Waldboth

Marketingleiter,

Konsortium Südtirol Wein

Südtirol braucht extrem hochwertige Weine. Wir möchten die Langlebigkeit unserer Weine beweisen, ein Thema, mit dem sich Italien im Weißweinbereich noch schwertut. Die Produzenten wollen Flaggschiffweine, aber ob diese kostspieligen neuen Weine alle überleben werden, entscheidet der Markt. Da wird es eine natürliche Grenze geben. Die Aubagen sind ohnehin gering mit etwa 2.000 bis 5.000 Flaschen. Und davon bießt noch die Hälfte in Degustationen, die andere will auf den Weinkarten der Spitzengastronomie untergebracht werden.

Ralf Kastner

Geschäftsführer,

Deuna

Wir waren auch 2015 sehr erfolgreich mit den gleichen Wachstumsraten wie in den Vorjahren von 12 bis 15 Prozent. Nals Margreid nimmt seit vier, fünf Jahren eine fast schon spektakuläre Entwicklung. Die Kellerei möchte unbedingt ganz an die Spitze in Südtirol und zeigt ein Maximum an Anstren-gungen in jedem Bereich. Damit einher geht selbstverständlich auch eine Neupositionierung im Markt – auch preislich. Die Qualität der Weine hat massiv zugelegt. Die Entwicklung ist rasant, die Neupositionierung am Markt benötigt aber meist etwas mehr Zeit. Die Absatzzahlen sind aber in allen vergangenen Jahren deutlich gestiegen, was die Richtigkeit dieser Strategie untermauert.

Dirk Röhrig

Geschäftsführer,

Weinkontor Freund

Für uns ist Südtirol schmückendes Beiwerk. Wir verkaufen im Jahr 15.000 Flaschen unse-res Vertragspartners Lun, dessen Weine in der Kellerei Girlan hergestellt werden. Viele Leute fahren nach Südtirol in Urlaub und kaufen die Weine vor Ort. Dort sind die Weine schon teuer, hier noch teurer. Pinot Bianco und Pinot Grigio kosten den Konsu-menten hierzulande zum Beispiel rund 11,95 Euro, der Lagen-Weißburgunder Sandbichler 15 Euro. Das ist eine Preislage, die in Deutschland schwer durch-zusetzen ist.

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: RITA MÄRZ

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: KRE

KLAU

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: ULR

ICH HELWEG

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Weinwirtschaft 21/2016 19

ren Regelwerk einhergehen, die Sorten-

auswahl wird festgelegt und die Höchs-

terträge werden gekürzt.« Um die Fehler

der Kollegen zu vermeiden, hat sich das

Konsortium auch schon mit Vertretern

des VDP, der Wachau, dem Piemont und

dem Chianti Classico beratschlagt.

Eine kleine Revolution bahnt sich bei

der ÖJentlichkeitsarbeit an. Die altehr-

würdige Weinkost hat nach 110 Dienst-

jahren ausgedient. 2016 ist sie abgesagt

worden. »Wir haben in Südtirol schon

eine Fülle von Veranstaltungen für das

große Publikum, die Weinkost hat sich

überholt. Im September 2017 starten wir

mit dem Wine Summit eine mehrtägi-

ge Veranstaltung auf internationalem

Niveau. Es wird eine erweiterte Antepri-

ma sein mit Einkäufern und Journalis-

ten aus aller Welt«, so Waldboth.

Der Südtiroler Exportanteil ist mit be-

scheidenen 22 Prozent der Produktion

allerdings ausbaufähig, auch wenn die

Kellereien ihren Wein mühelos zuhau-

se und auf dem nationalen Markt un-

terbringen. Das Konsortium investiert

in diesem Jahr 766.000  Euro Absatz-

förderung in Drittländern, die EU ko-

[nanziert also zur Hälfte. Neben den

USA, Japan und Russland werden auch

die Schweizer umworben. Der Fluss

an Schweizer Touristen hat sich deut-

lich vermehrt, sie zahlen gut und stehen

auf Lagrein, hört man unisono von den

Herstellern.

Fazit. Die Südtiroler Kellereien trei-

ben die Qualität weiter voran und stel-

len sich internationalen Vergleichen.

Verständlich, dass sie bei den geringen

Mengen und den großen Anstrengun-

gen höhere Preise erzielen möchten.

Das kann man in kleinen Schritten tun,

und die Produzenten verarmen sicher

nicht, wenn sie den Händlern mal eine

Nullrunde einräumen. Es wäre auch

nett, wenn die Kellereien trotz all des in-

zwischen erlangten Ruhmes nicht ver-

gessen würden, wer zum Beispiel ihre

Marke aufgebaut und erstes Vertrauen

geschenkt hat, als die Region noch im

Vernatsch versank. Das wünschen sich

zumindest die deutschen Partner, denen

auch schon mal die Adjektive »gierig«

und »arrogant« im Bezug auf die Süd-

tiroler entfallen. Sollte den Südtirolern

der deutsche Markt nicht mehr attraktiv

erscheinen, können sie versuchen, ihre

Preisvorstellungen auf Märkten von Ho-

nolulu bis Grönland durchzusetzen. Das

ist sehr anstrengend, unbequem und

nicht immer erfolgreich wie die Kolle-

gen aus den weniger privilegierten Regi-

onen bestätigen können, die tatsächlich

stark vom Auslandsgeschäft abhängen.

VERONIKA CRECELIUS

40%Südtirol

38%Italien (ohne Südtirol)

22%Export

Absatzmarkt »vor der Haustür«

Hauptabnehmer für Südtiroler Weine im Export sind Deutschland und

die Nachbarländer

Export

46% Deutschland

16% andere

8% Schweiz

18% USA

5% Benelux

7% Österreich

Quelle: IDM (Innovation, Development und Marketing) Südtirol