WEINZEIT · 2020. 9. 25. · WEINZEIT HERBST 2020 3 COVERFOTO: Claudia Colombo FOTOS: Izabela...

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EINE VERLAGSBEILAGE DER WEINZEIT PORTRÄTS | REPORTAGEN | WISSEN WEIN IST WEIBLICH WIE WINZERINNEN ÖSTERREICHS WEINSZENE VERÄNDERN: VOM BIOANBAU BIS ZU NEUEN GESCHMACKSWELTEN.

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  • EINE VERLAGSBEILAGE DER

    WEINZEIT

    PORTRÄTS | REPORTAGEN | WISSEN

    WEIN IST WEIBLICHWIE WINZERINNEN ÖSTERREICHS WEINSZENE VERÄNDERN:

    VOM BIOANBAU BIS ZU NEUEN GESCHMACKSWELTEN.

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    Machen Frauen den besseren Wein? Sicher nicht. Machen sie an-deren Wein? Nein, auch das nicht. Frauen machen ganz einfach Wein, aber noch ist das Thema männlich besetzt – automatisch denken wir an „den Winzer“, selten an „die Winzerin“. Trotzdem gibt es mehr und mehr höchst erfolgreiche Win-zerinnen in Österreich. Ihnen sei die WEINZEIT 2020 gewidmet.

    Sechzehn Winzerinnen stel-len die Autorinnen im Kurzporträt und im Wordrap vor – nach einem Sektfrühstück mit Gabi Burian und einem Vormittag im Burgenland am Weingut Judith Beck, wo wir mit fünf Winzerinnen über Bioweinbau diskutieren und spannende Weine verkosten. Juliane Fischer führt ein Gespräch mit der Grande Dame des Bioweinbaus, Ilse Maier, und Luzia Schrampf beantwortet die Frage, ob Frauen tatsächlich mehr Talent zum Weinverkosten besitzen als Männer. Zudem erzähle ich, was eine Weinjournalistin in New York macht.

    Viel Wein- und Lesegenuss wünscht

    Daniela DejnegaIMPRESSUM:„WeinZeit 2020“ ist eine Verlagsbeilage der Wiener Zeitung.Medieninhaber, Verlagsort: Wiener Zeitung GmbH, Media Quarter 3.3, Maria-Jacobi-Gasse 1, 1030 Wien, T.: +43 1 20699-0Geschäftsführung: Martin FleischhackerChief Commercial Officer: Markus GrafLeitung Corporate Publishing & Content Production: Nadja JamesInhaltliches Konzept: Daniela DejnegaDesignkonzept & Art Direktion: Judit FortelnýLektorat: Clemens StachelAutorinnen: Gabriele Burian, Daniela Dejnega, Juliane Fischer, Luzia SchrampfAnzeigenleitung: Manfred SvecProduktion: Alexandra KauerHerstellungsort: Ferdinand Berger & Söhne GmbH, 3580 HornOffenlegung gem. § 25 Abs. 2 & 3 Mediengesetz: www.wienerzeitung.at/unternehmen/ impressum/95_Impressum.html

    GABRIELE BURIANDiplomsommelière

    PR-Beratung „Wein im Wort“

    LUZIA SCHRAMPFWeinjournalistin

    und Lektorin an der Weinakademie

    JULIANE FISCHERJournalistin und Hobbywinzerin

    DANIELA DEJNEGAWeinautorin und Weinakademikerin

    EDITORIALDIE AUTORINNENINHALT

    4 SEKTFRÜHSTÜCK Prickelndes Spiel

    8 RUNDER TISCH Biowinzerinnen im Gespräch

    16 INTERVIEW Ilse Maier, Weingut Geyerhof

    21 WINZERINNEN Zwölf Kurzporträts

    30 WORDRAP Was lesen Winzerinnen?

    34 PIEMONT IM FOKUS Experten-Tasting in New York

    40 WEINSENSORIK Vom Riechen und Schmecken

    46 WEINBILDUNGDer Weg zum Profi

    48 RENT A REBSTOCK Weinbau hautnah erleben

    50 WEINMYTHEN Von Käse und Silberlöffeln

    EINE NEUE WEINZEIT

    Weine aus ÖsterreichGRATISVERSAND*

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    Bunt wie die Natur:Wein, Kulinarik, Rad, Wandern, Thermen und Kultur.

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    PRICKELNDER LEICHTSINN

    Ist Sektfrühstück das morgenhelle Pendant zum Champagner-Dinner in nächtlichem Kerzenschein? Das Hinüberretten der funkelnden Eleganz einer Festtafel unter Sternen an den Frühstückstisch? Mit der Freude daran, sich die Sterne vom Himmel ins Glas

    geholt zu haben? Oder ein Anlass, mit Freunden beim Brunch höherfliegende Gespräche zu führen, als es bei Kaffee möglich wäre?

    Text: Gabriele Burian

    SEKTFRÜHSTÜCK

    öchst individuelle Gründe gibt es, ein Frühstück in Gesellschaft von Sekt einzu-nehmen. Aber was ist „Sekt“? Begriffe wie

    Frizzante, Perlwein, Schaumwein und Sekt werden oft beliebig gegeneinander ausgetauscht. Dabei ist nicht einmal Sekt gleich Sekt.

    In Österreich sind „Sekt“ und „Qualitätsschaum-wein“ gleichbedeutend und können synonym ver-wendet werden. Allerdings wird unterschieden zwi-schen „Sekt“ ohne nähere geografische Angabe und „Österreichischer Sekt mit geschützter Ursprungs-bezeichnung“, kurz: Sekt g. U., den es auf drei Qua-litätslevels gibt: Klassik, Reserve und Große Reser-ve. Die beiden letztgenannten repräsentieren die heimische Sekt-Königsklasse, hergestellt durch das aufwendige traditionelle Flaschengärverfahren mit vorgeschriebenen Hefelagerzeiten.

    DIE GLASFRAGE

    Ein schlankes, konisches Sektglas eignet sich für fruchtbetonte Sekte. Für Schaumwein mit längerer Hefelagerzeit steigert ein gutes Weißwein- bis Uni-versalglas den Genuss. Ein Moussierpunkt (winzi-ge aufgeraute Stelle) auf dem Glasboden fördert das gleichmäßige Aufsteigen der Perlen.

    SPIEL MIT SEX-APPEAL

    Sekt im Glas delektiert den Blick des Betrachters durch den verspielten Tanz winzig kleiner Perlen, die in Ketten aneinandergereiht mit verwegenem Schwung an die spiegelnde Oberfläche drängen. Dieses elegante Schauspiel wird am besten in hohen, hauchzarten Gläsern inszeniert. Wem der Geschmack von Sekt ebenso wichtig ist wie die Op-tik, sollte sich für eine konische Form entscheiden, die das Bukett der Nase zuträgt.

    Am Gaumen zeigt Sekt seinen Sex-Appeal durch lebendiges Schäumen (frz. Mousseux). Je feiner die Kohlensäurebläschen sind und je länger sie im Wein eingebunden bleiben, desto besser ist seine Quali-tät und umso zarter ist der anregende Kitzel von Zunge und Gaumen. Dazu kommt, dass die Kohlen-säure im Magen zu einer schnelleren Aufnahme des Alkohols im Blut führt. Und das zum Frühstück? Sekt scheint der Bruder Leichtsinn am Tisch zu sein. Man kann ihn genussvoll bändigen, wenn man seine sensorischen Eigenschaften gezielt einsetzt.

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    Grundsätzlich verstärkt die Kohlensäure im Sekt Aromen in der Speise, andererseits betont sie die ohnehin vorhandene Säure – ein Grund, warum ein Sekt Brut mit 10 g Restzucker herber schme-cken kann als ein trockener Weißwein mit 5 g Rest-zucker. Rosé oder weiß? Schilcher oder Burgunder? Farbe und Rebsorte sind für die ideale Kombination mit einem Gericht weniger relevant als die Struktur des Sekts (Säure, Kohlensäure, Süße, Gerbstoffe, Alkoholgehalt). Gut zu wissen ist auch, dass lang auf der Hefe gereifte Schaumweine mit brotigen Aromen mehr Durchsetzungskraft haben als junge,

    fruchtbetonte. Zwar gibt es Regeln zur Verbindung einzelner Komponenten im Wein und in der Spei-se, doch darf man nicht übersehen, dass stets alle beteiligten Komponenten zusammenspielen. Im Idealfall ergibt sich am Gaumen eine harmonische Partnerschaft zwischen Sekt und Speisen am Früh-stückstisch.

    Wie im Leben, so beim Essen und Trinken: Eine kleine Reiberei kann lauwarme Harmonie würzig auffrischen. Gönnen Sie sich also die Lust delikater Irrwege beim Ausprobieren. Es gilt: Besserer Sekt – mehr Freude.

    SEKT UND SPEISEN

    FRÜCHTESekt Orange, Bellini, Kir Royal – der Mix von Früchten mit Schaumwein ist beliebt, da ansprechend und erfrischend. Leider gehen bei den meisten Mischungen die zarten Aromen des Schaumweins unter. Spannender ist es, erstklassigen Sekt solo zu trinken, eine Frucht dazu zu naschen und dabei aufmerksam zu beobachten, welches Aromaspiel sich am Gaumen er-gibt. Beeren gewinnen an Frische und wer-den um einen Touch Herbe interessanter. Marillen und Pfirsiche streichen die Frucht-aromen von Rieslingsekt hervor. Exoten wie Mango, Litschi und Physalis können sowohl mit einem straffen Blanc de Blancs Extra Brut als auch mit einem schmeichelnden Rosé Extra Dry zu aufregenden Verführern werden.

    FISCH Sushi und Sashimi? Willkommen! Sofern der Sekt herb, leicht und

    frisch ist und beim Ausbau des Grundweins kein Holz im Spiel war. Auch von Aromasorten sollte man absehen und eher Sekt mit

    zurückhaltendem Charakter einsetzen. Ein feines Säurerückgrat lässt fettreichen Fisch wie Lachs, Thunfisch oder Makrele leichter erschei-

    nen, zerstört die feinen Fischaromen nicht und harmo niert sogar mit umamireicher Sojasauce. Wird marinierter Fisch serviert, ist zu

    beachten, dass sich die Säure der Marinade und die Säure im Wein addieren – ein unerwünschter Effekt, der

    durch Fett allerdings wieder ausgeglichen wird.

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    KÄSEFrischkäse, ob natürlich topfig oder affiniert mit Pfeffer, Kräutern oder Blüten, eignet sich vortrefflich für die Kombination mit frisch anmutenden Perl- oder Schaumweinen. Va-rianten mit sanftem Fruchtspiel harmonieren ebenso wie aromareiche aus Muskateller, Traminer, Sauvignon Blanc oder Schilcher. Die Brioche-Aromen von Sekt ab der Re-serve-Kategorie harmonieren elegant mit dem weichen Käseteig, die pilzigen Aromen der Rinde werden markant betont. Zudem verhindert die Kohlensäure, dass die Ge-schmackspapillen vom Käseschmelz gesät-tigt werden – der Gaumen bleibt frisch.

    SCHARFESChili, Wasabi, Kren, Senf – ihre Schärfe wird abgefedert durch eine zarte Rest-süße im Sekt oder den Fettgehalt einer be-gleitenden Sauce bzw. eines begleitenden Aufstrichs. Die Schärfe von Pfeffer hat viele Facetten, sie harmoniert gut mit einem Grü-ner-Veltliner-Sekt, der einerseits die Pfeffer-würze verstärkt, andererseits einen fruchti-gen Kontrapunkt setzt.

    SÜSSESKonfekt, Kekse, Kuchen, Torten, Soufflés, böhmische Germteig-Mehlspeisen, Marme-laden, Panna cotta – all diese Leckereien aus dem Schlaraffenland lassen sich willig von Schaumwein begleiten, der für einen Flirt dieser Art ruhig selbst eine feine Restsüße aufweisen darf. Kohlensäure lässt sowohl Zucker als auch Fett graziler erscheinen. Be-teiligte Früchte werden in ihrem Eigenaroma betont. Nicht umsonst sind Fruchtsorbets, umspült von Sekt, beliebte Dessert-Klassiker. ◊

    GUT ZUWISSEN

    PERLWEINSynonym: Frizzante Die Kohlensäure (CO2) kann aus natürlicher Gärung stammen, meist wird aber stillem Wein CO2 zugesetzt (Imprägniermethode). Druck: 1– 2,5 bar Die Bläschen sind eher grob und verflüchtigen sich leicht.

    SCHAUMWEINCO2 stammt aus erster oder zweiter Gärung. Druck: mind. 3 bar

    ÖSTERREICHISCHER SEKTSynonym: Österreichischer Qualitätsschaumwein Druck: mind. 3,5 bar Entweder die Trauben oder der Grundwein stammen aus Österreich. ÖSTERREICHISCHER SEKT G. U.Synonym: Österreichischer Qualitätsschaumwein mit geschützter Ursprungs-bezeichnung Ernte der Trauben in einem Bundesland (Klassik, Reserve) oder in einer Gemeinde (Große Reserve); weitere Bestimmungen zu Lese, Pressung, Herstellung, Hefelagerzeit u. a.

    Gold Mondial du Rosé - Cannes 2019__Gold Mundus Vini - Spring Tasting - Internationaler Weinpreis__ÖGZ-Gold Erster Platz__Gold Burgenländische Landesprämierung

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    BIOWEIN? KANN MAN TRINKEN!

    Fünf Biowinzerinnen trafen am Weingut Judith Beck zu einem angeregten Gespräch über Bioweinbau und Weingenuss zusammen. Die Verkostung von zehn Weinen – aus

    Österreich, Südafrika, dem Elsass und von der Loire – belebte die Diskussion.

    Text: Daniela Dejnega Fotos: Claudia Colombo

    VERKOSTUNGSRUNDE

    BIOWINZERINNEN IM GESPRÄCH

    JUDITH BECK Gols, Neusiedlersee

    BIRGIT BRAUNSTEIN Purbach, Leithaberg

    BIRGIT PFERSCHY-SEPER Mödling, Thermenregion

    STEFANIE RENNER Gols, Neusiedlersee

    ELISABETH RÜCKER Unterretzbach, Weinviertel

    „Hast du den eh geschüttelt?“, will Elisabeth wissen, als der von ihr mitgebrachte Wein ein-geschenkt wird. „Nein, hätt’ ich sollen?!“ „Ja, zumindest einmal umdrehen. Unten ist vielleicht gerade das Beste!“ So stöpseln wir die Flasche wieder zu, drehen sie behutsam auf den Kopf und zurück in die Ausgangsposition. Elisabeth nickt zufrieden, als der Wein daraufhin zart naturtrüb ins Glas fließt. Feine Hefeparti-kel, die sich am Boden der Fla-sche abgesetzt hatten, nun aber in Schwebe sind, sind die Ursa-che dafür. Unfiltriert und mit minimaler Schwefelgabe gefüllt, hält die Hefe den Wein nicht nur frisch, sondern verleiht ihm auch eine zusätzliche geschmackliche Dimension.

    „Baby Bandito – Follow your Dreams“ – so heißt dieser Wein von Kultwinzer Craig Hawkins

    aus Südafrika – kommt in der Runde bestens an. Mitgebracht hat ihn die Weinviertlerin Elisa-beth Rücker. Vorgabe war, dass jede Winzerin sowohl einen eige-nen Wein als auch einen „Fremd-wein“ – egal welcher Herkunft – zur Verkostung mitnehmen sollte. Die Idee gefiel und wir pro-bierten großartige Weine. Weine, die die Winzerinnen selbst gera-de spannend finden oder auch als Vorbild schätzen.

    BACK TO THE ROOTS

    „Die Weine von Craig Hawkins waren die ersten Natural Wines, in die ich mich total verliebt habe“, erklärt Elisabeth ihre Wahl. Zu jener Zeit arbeitete sie in einer Wein-&-Co-Filiale in Wien, bereits seit zwölf Jahren ist sie nun am elterlichen Wein-gut in Unterretzbach. „Es war

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    wie im Film“, lacht die Winzerin, „ich stand am Wiener Gürtel, ein Lkw fuhr vorbei, ich bekam eine enorme Abgaswolke ins Gesicht. Was tu ich da und was mach ich eigentlich in der Stadt, fragte ich mich plötzlich. Das gefällt mir doch gar nicht mehr. Ich fuhr weiter in die Arbeit, kündigte aber nach 20 Minuten den Job.“Seither macht Elisabeth Wein. Der Background zu Hause war ohnehin da, so war learning by doing angesagt und gleich im ersten Jahr übernahm sie die Verantwortung für den Keller. Die Umstellung auf Biowein-bau begann dann 2014, mit dem Jahrgang 2019 ist das Weingut offiziell biozertifiziert. Die Wei-terentwicklung in Richtung Bio-dynamie ist im Gang. „Mehr und mehr Verzicht im Keller wurde immer selbstverständlicher, ich hatte ohnehin nie verstanden, warum Winzer all diese Zusätze für ihre Weine verwenden“, be-tont Elisabeth. Ihr Grüner Velt-liner 2019 von der Riede Halb-lehen, den wir im zweiten Glas verkosten, strahlt große Trink-freude und Frische aus. „Ich lege viel Wert auf eine frühe Lese“, sagt die Winzerin, „damit der Alkohol niedrig und die Säure er-halten bleibt!“

    IM GLEICHGEWICHT

    Frische, Trinkfluss und Leben-digkeit kommen immer wieder zur Sprache – insbesondere beim Rotwein. „Einen leichtfüßigen und eleganten Rotwein zu ma-chen ist die wahre Kunst. Fett kann jeder“, bringt Stefanie Renner es auf den Punkt. Ge-meinsam mit ihrer Schwester Susanne führt sie das Weingut Renner in Gols, erst vor Kurzem stieß auch der jüngere Bruder

    „Das Wichtigste sind der Boden, die Rebstöcke und ihre Bearbeitung. Grundvoraussetzung ist, dass all das im Einklang mit der Natur steht.“Elisabeth Rücker

    WEINE

    ST. LAURENT RIED FRAUENFELD 2017Johanneshof Reinisch, Thermenregion

    ROTGIPFLER 2019Wein und Heuriger Pferschy-Seper

    www.pferschy-seper.at

    WEINE

    LOVE & GRAPES GLORIA 2016 Domaine de l'Ecu, Loiretal

    OUT 2018 (BLAUFRÄNKISCH & ZWEIGELT) Weingut Judith Beck

    www.weingut-beck.at

    WEINE

    GRÜNER VELTLINER HALBLEHEN 2019Bioweingut Elisabeth

    BABY BANDITO – FOLLOW YOUR DREAMS 2018 Testalonga, Swartland

    www.elisabeth-wein.at

    WEINE

    BRIGID PINOT BLANC 2017 Weingut Birgit Braunstein

    WILDWUX GRÜNER VELTLINER 2018 Weingut Geyerhof, Kremstal

    www.weingut-braunstein.at

    WEINE

    WAITING FOR TOM ROT 2018Weingut Renner & rennersistas

    SENTIER AU SUD – LIEU-DIT SUNNGASS 2016 Hubert & Heidi Hausherr, Elsass

    www.rennerundsistas.at

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    Seite 16) das Biodiversitätspro-jekt Wildwux, dessen Ziel es ist, Monokulturen in der Landschaft zu unterbrechen – durch Tüm-pel, Hecken, Obstbäume, Weide-flächen und Bienenhaltung. Die beiden Wildwux-Weine der Win-zerinnen – der eine weiß, der andere rot – sind die flüssigen Botschafter für dieses Erfolgspro-jekt.

    STOLZ AUF BIO

    „Biowein – kann man das über-haupt trinken?“ Noch vor zwan-zig Jahren besaß „bio“ bei vielen keinen guten Ruf. Vom großen Wandel in der Wahrnehmung von Bioprodukten erzählt Birgit Pferschy-Seper, Winzerin und Heurigenwirtin aus Mödling: „Ich erinnere mich sehr gut an die VieVinum 2002, als ich in der Hofburg ganz stolz zum ersten Mal mit meinem „Bio“-Schild am Messestand auftrat. Alle Leute gingen vorbei. Hinter vorgehal-tener Hand hörte ich Sätze wie ‚Das ist sicher sauer, das kosten wir lieber nicht‘ oder ‚A Frau is

    und bio is a no!‘“ Daraufhin habe sie die Biozertifizierung eine Zeitlang nicht mehr erwähnt, gibt Birgit zu, doch mittlerweile – eigentlich erst in den letzten zehn Jahren – habe sich viel ver-ändert: „Gott sei Dank! Heute ha-ben wir ‚bio‘ draussen am Haus, auf der Preisliste, im Prospekt und eigentlich überall stehen.“

    Das 300 Jahre alte Weingut Pferschy-Seper ist tatsächlich seit vier Generationen in Frauen-hand. Schon Birgits Urgroßmut-ter war in damals gemischter Landwirtschaft für den Wein und den Heurigen verantwortlich. Im Jahr 1996 stieg Birgit nach Aus-landsaufenthalten in Kalifornien und Südafrika in den Betrieb ihrer Mutter ein, 2000 kam der offizielle Umstieg auf Biowein-bau. Heute steht die fünfte Gene-ration – die älteste Tochter – in den Startlöchern.

    Da auch Regionalität ein Rie-senthema ist, hat die Niederös-terreicherin zwei für die Ther-menregion besonders typische Weine mitgebracht. „Der Sankt Laurent vom Johanneshof Rei-

    nisch in Tattendorf spricht für das Gebiet und ist sehr sorten-präzise ausgebaut. Als einer der großen Betriebe treibt der Johan-neshof bio wirklich voran“, zollt die Winzerin ihren Kollegen Res-pekt. Sie selbst widmet sich der-zeit verstärkt den Spezialitäten Rotgipfler und Zierfandler. Ihr Rotgipfler 2019, bewusst gehalt-voll ausgebaut und der Sorte ent-sprechend kein Leichtgewicht, hält wunderbar die Balance am Gaumen.

    QUALITÄT IMMER IM FOKUS

    Die Gastgeberin der Runde, Judith Beck, hebt hervor: „Die Umstellung auf biodynamischen Weinbau resultierte aus einer to-tal pragmatischen Entscheidung. Der einzige Grund, der einzige Gedanke, war, die Qualität der Weine zu verbessern. Schnell wurde klar, dass das nur geht, wenn wir an den Böden arbeiten und mit einem anderen Bewusst-sein an die Sache herangehen.“ Die ersten Schritte in Richtung

    Das disziplinierte Ausspucken fiel bei der Verkostung nicht immer leicht. Die Weine waren hervorragend.

    Georg dazu. Als Paradebeispiel für einen erfrischenden, balan-cierten Rotwein präsentiert Steffi den „Waiting for Tom“, eine nach dem Prinzip der minimalen Ein-griffe vinifzierte Cuvée aus Blau-fränkisch, Zweigelt und Pinot noir. Sie gehört zur Naturwein-Linie „rennersistas“, welche die Schwestern bei ihrem Einstieg in den Betrieb vor fünf Jahren gründeten, um nicht die beste-henden Kunden des Weinguts mit einer radikalen Änderung des Weinstils zu verschrecken.

    Für Bioweinbau hatten sich aber ohnehin schon die Eltern entschieden und die Zertifizie-rung 2012 erlangt. Der Schritt zum biodynamischen Anbau nach Demeter-Richtlinien geht auf das Konto der Töchter. „Der Anspruch an Qualität zeigt sich in Lebendigkeit und Trinkge-nuss, nicht darin, dass der Wein irgendwelche analytischen Para-meter erfüllt“, bekräftigt die Bur-genländerin und schenkt den Elsässer Weißwein „Sentier au Sud“ ins Glas, Riesling und Grau-burgunder von Hubert & Heidi

    Hausherr. „Was diese beiden auf ihrer kleinen biodynamisch be-wirtschafteten Fläche von vier Hektar machen, finde ich groß-artig“, lobt Steffi. „Die Elsässer Weine fallen ja meist kräftig aus, daher finde ich es umso schöner, dass dieser Wein leicht und ange-nehm zu trinken ist. Die richtige Balance im Weingarten spiegelt sich eben immer in den Weinen. Reben sollen nicht wuchern, son-dern dezent und ausgewogen wachsen.“

    DEN GESCHMACK EINFANGEN

    Vom Gleichgewicht in Biowein-gärten schwärmt auch Birgit Braunstein: „Ich liebe die Hand-arbeit im Weinberg und bekom-me so viel zurück, wenn ich durch meine Weingärten gehe. Da weiß ich, dass ich richtig bin.“ Für die Purbacherin war die Bio-Umstellung ein langsa-mer Prozess: „Von einem Tag auf den anderen hätte ich das nicht machen wollen und können. Bio-logisch-organisch kam offiziell

    2006, in die Biodynamie habe ich mich 2009 gewagt und seit 2015 ist das Weingut Demeter-zerti-fiziert. Es braucht eine gewisse Zeit bis sich das System umstellt – nicht nur im Weingarten, auch im Kopf.“

    Besonders am Herzen liegt der Winzerin der Pinot blanc „Bri-gid“, ein herrlicher Orange Wine, der drei Wochen auf der Mai-sche verbrachte. „Er kommt von einem besonderen Ort mit einem besonderen Ausblick, vor allem wenn im Herbst in den obersten Lagen von Purbach schon die Sonne scheint, unten aber noch Nebel liegt“, beschreibt Birgit. „Ich habe in die Trauben gebis-sen und dachte, dass ich genau diesen Moment und diesen Ge-schmack einfangen möchte. So begann ich, beim Weißwein mit Maischestandzeit und dann auch mit Maischegärung zu arbeiten.“

    Ins zweite Glas gelangt der Grüne Veltliner „Wildwux“ aus dem Kremstal. Vor zehn Jah-ren startete Birgit mit der Bio-pionierin Ilse Maier vom Wein-gut Geyerhof (vgl. Interview auf

    „Ein Wein soll fesseln, packen und begleiten,

    mit oder ohne Essen.“ Stefanie Renner

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    Gut zu wissen

    SO2

    Biodynamie erfolgten 2006 und 2007, heute ist Judiths Weingut-Teil der respekt-BIODYN-Gruppe. „Nicht nur im Weingarten, auch im Keller hat sich einiges ver-ändert“, sagt die Winzerin, „und damit die Stilistik der Weine. Es war eine unglaublich befreiende Sache, eine Loslösung. Die Weine sind viel lebendiger geworden!“

    Mit Lebendigkeit brilliert auch der ungeschwefelte Weißwein der Domaine de l'Ecu aus dem Loiretal. „Hier ist eine unglaub-liche Energie da“, sind sich die Verkosterinnen einig. Der Win-zer hat hier Vermentino-Trau-

    ben von einem befreundeten Weingut in der Toskana auf der Maische vergoren und in Ampho-ren ausgebaut – ein Naturwein der Linie „Love & Grapes“, ein Freundschafts projekt.

    Zum Abschluss verkosten wir Judiths Cuvée von Blaufränkisch und Zweigelt namens „Out“. Wie-der fällt die Frische im Rotwein auf. Steffi Renner freut sich: „Der Wein ist saftig und straff, Trink-fluss beim Rotwein ist einfach das Thema.“ „Und warum heißt er ‚Out‘?“, will Elisabeth Rücker wissen. Judith schmunzelt: „Er kommt vom Heideboden, doch die

    Lage darf man nur noch bei Wei-nen mit staatlicher Prüfnummer auf das Etikett schreiben. Prüf-nummern-Verkoster sind aller-dings sehr an den altmodischen, wuchtigen Rotweinstil gewöhnt und meine Weine mit 12 % Vol. fallen da mitunter durch. Feh-lender Alkohol als Ablehnungs-grund – da reiche ich lieber nicht mehr ein. Den Namen ‚Out‘ fand ich daher passend. Früher haben Männer ja sogar mitleidig kom-mentiert: ‚Sooo wenig Alkohol! Naja, mehr hat sie halt nicht zu-sammengebracht.‘“ Schallendes Gelächter in der Frauenrunde. ◊

    „Der Grund, warum man ein Weingut auf biodynamische Bewirtschaftung umstellt, kann nur das Streben nach höherer Qualität sein.“ Judith Beck

    Die Purbacher Winzerin

    Birgit Braunstein wollte Unternehmensberaterin

    werden, doch sie merkte rasch, wie sehr ihr der

    Bezug zur Natur fehlte.

    AMPHORENWEIN

    Die älteste Art der Weinherstel-lung folgt dem Low-Intervention-Prinzip, kam zuletzt wieder in Mode, bleibt aber die Ausnahme. Die großen Amphoren aus Geor-gien namens Qvevri werden im Boden vergraben. Kleinere Ton-gefäße aus Spanien oder Grie-chenland nutzen Winzer auch freistehend.

    NATURAL WINE

    Auch Naturwein genannt, was aber laut österreichischem Weingesetz nicht auf dem Eti-kett stehen darf. Natural Wines stammen von biologisch oder biodynamisch bewirtschafteten Weingärten. Naturwein-Winzer beschränken die Eingriffe im Keller (Low-Intervention-Wine-making) auf das Nötigste und ge-ben den Weinen mehr Zeit. Abge-füllt wird unfiltriert, geschwefelt wird wenig bis gar nicht.

    BIOLOGISCH- DYNAMISCHER

    WEINBAU

    Der biodynamische Weinbau ist eine besondere Form des Bio-weinbaus, die einem ganzheit-lichen Ansatz folgt und nach optimalem Gleichgewicht im Weingarten strebt. Dabei steht die Verbesserung der Boden-fruchtbarkeit im Zentrum, so Dr. Georg Meißner, Wissenschaftler und Lehrbeauftragter für bio-dynamischen Weinbau an der Hochschule Geisenheim. Um das Bodenleben und die Gesundheit der Reben zu fördern, kommen biodynamische Komposte und Präparate sowie Pflanzenstär-kungsmittel zum Einsatz. Für bestimmte Arbeiten werden die Mondphasen berücksichtigt. De-meter und respekt-BIODYN sind die wichtigsten Verbände. Etwa ein Zehntel der österreichischen Biorebfläche ist biodynamisch.

    ORANGE WINE

    Orange ist neben Weiß, Rot und Rosé die vierte Weinfarbe. Es handelt sich um maischevergo-renen Weißwein. Dafür vergären weiße Trauben mit ihren Scha-len – wie beim Rotwein. Diese Mazeration sorgt für eine kräfti-ge – manchmal orange – Farbe und einen höheren Tanningehalt (Gerbstoffe). Die Dauer des Mai-schekontakts kann wenige Tage oder viele Monate betragen. Der von herkömmlichem Weißwein abweichende Geschmack kann beim ersten Schluck ungewöhn-lich wirken.

    SCHWEFEL IM WEIN

    Schwefeldioxid ist ein Zusatz-stoff, der Weine haltbar macht. Bei perfekt gesunden Trauben braucht es weniger Schwefel (Sulfite) und manche Winzer versuchen ganz darauf zu ver-zichten. Dennoch gibt es keine „schwefelfreien“ Weine, da gerin-ge Mengen als Nebenprodukt bei der Gärung entstehen. Auf dem Weinetikett heißt es daher „ohne Schwefelzugabe“ oder „kein zu-gesetzter Schwefel“. Kopfschmer-zen stammen übrigens fast im-mer vom Alkohol, nicht von den Sulfiten. ◊

    BIOLOGISCHER WEINBAU

    Auch organisch-biologischer Weinbau genannt. Die Biorebflä-che ist in Österreich zuletzt stark gewachsen – auf etwa 15 Pro-zent der Gesamtrebfläche. Bio-winzerInnen verzichten auf che-misch-synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel sowie auf Herbizide (z. B. Glyphosat). Zum Einsatz kommen im Weingarten kupfer- und schwefelhaltige Prä-parate, aber auch Pflanzenstär-kungsmittel. Laut EU-Bio-Ver-ordnung dürfen Bioweine nur in einem reduzierten Maß geschwe-felt werden. Die Bio-Zertifizie-rung bekommt ein Weingut nach einer offiziellen Umstellungszeit von drei Jahren.

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    ie sind heute als Biowein-Pionierin bekannt, aber es gab auch eine andere Seite von Ilse Maier: Vor 40 Jahren tourten Sie als Weinkönigin durch

    das Land. Finden Sie eine Weinkönigin heute noch zeit-gemäß?Ilse Maier: Nein, das ist antiquiert. Ich habe meine Zeit als österreichische Weinkönigin auch vorzeitig beendet. Es ist einfach nicht mehr gegangen. An-fangs war es lustig und durchaus interessant, aber ich konnte mich am Ende mit dieser Rolle nicht mehr identifizieren.

    Aber diese Rolle prägte das Bild von Frauen im Zusam-menhang mit Weinbau?Genau. Erfolgreiche Kolleginnen wie Heidi Schröck und Birgit Braunstein haben das ja zum Beispiel auch gemacht. Für mich war es die Möglichkeit rauszukommen. Man lernt schon viel – das Reden-halten und Auftreten. Aber das Bild, das man ver-mittelt, und die Art, wie man als Weinkönigin wahr-genommen wird, war für mich untragbar. Die Rolle reduziert auf „das nette Mädel“ – ohne wirkliche Kompetenz. Ich hätte nie gewollt, dass eine meiner Töchter einmal diese Aufgabe übernimmt.

    Von derWeinkönigin

    zur Bio-Pionierin

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    Es herrscht Umbruchstimmung am Geyerhof in Oberfucha. Die junge Generation, Josef und Maria Maier, hat über den Sommer einen Hofladen eröffnet. Seniorchefin Ilse Maier ist, wie sie sagt, in Halbpension:

    also eigentlich in Rente, immer noch „dran werkelnd“.

    Interview: Juliane Fischer

    IM GESPRÄCH

    Wie und warum sind Sie dann Winzerin geworden? Gab es eine Art Erweckungserlebnis, an das Sie sich erinnern? Eigentlich war das automatisch klar für mich. Und ich hätte mir auch nichts anderes vorstellen kön-nen. Wir sind drei Schwestern. Die älteste, Chris-ti, hat relativ jung in den Nikolaihof eingeheiratet. Die mittlere Schwester wollte immer etwas anderes machen, so war ich als jüngste sozusagen der Sohn- Ersatz. Aber meine Begeisterung und vor allem meine Neugierde für den Weinbau waren von An-fang an vorhanden.

    Wie haben Sie den Weg in die Praxis gefunden? Nach der HAK-Matura habe ich daheim gearbeitet und es war sehr schwierig für mich, ohne weinbau-liche Ausbildung einen Platz im Betrieb zu finden. So habe ich mich entschlossen, an der Universität für Bodenkultur in Wien zu studieren. Während der BOKU-Zeit wuchs mein Interesse für die biologi-sche Landwirtschaft. Inspiration war der Wagramer Biowinzer Hans Diwald. Wir lernten uns bei einem Vortrag kennen.

  • 18 WEINZEIT HERBST 2020 WEINZEIT HERBST 2020 19

    Und nach der Uni?Ich bin in der Jugend viel gereist und habe mei-ne Diplomarbeit über Weinbau in Argentinien ge-schrieben, aber 1986, nach der Beendigung meines Studiums, bin ich sofort in den Betrieb eingestie-gen. Von meinen Eltern war es mutig, das Weingut zu übergeben, ohne dass ich einen Partner gehabt hatte. Meinen Mann, den Sepp, kannte ich damals noch nicht.

    Haben Sie dann gleich biologisch gearbeitet?Ich hab es schon 1986 mit einer Buckelspritze in einem kleineren Weingarten ausprobiert. Das hat natürlich nicht so gut funktioniert. Ich habe mich dann 1988 gemeinsam mit meinem Mann ent-schlossen, den gesamten Betrieb umzustellen. Es hätte für uns auch keinen anderen Weg gegeben, als biologisch zu arbeiten. Hans Diwald fungierte als Berater der ersten Stunde.

    Wie kann man sich die Zeit vorstellen, als Sie 1988 den Betrieb übernommen haben? Wir haben Arbeitsgruppen gegründet, uns bei Hans Diwald mit Kollegen wie den Mehofers und den Zil-lingers getroffen. Der Verband Bioveritas entstand, um dem Bioweinbau eine Stimme zu geben.

    Hat sich die Wahrnehmung von bio seither verändert? Der Begriff „bio“ war absolut negativ besetzt. Wir haben das anfangs nicht einmal unseren Kunden mitgeteilt, weil Biowein ein schlechtes Image hatte. Das hat sich vor etwa 15 Jahren gedreht. Wir haben sehr früh nach Deutschland exportiert und uns in den frühen Neunzigern zertifizieren lassen, weil dortige Bioläden ein Zertifikat benötigten.

    Wer waren neben Hans Diwald noch Vorbilder? Weinmäßig, was die Produktion angeht, war und ist mein Cousin Sepp Mantler, ein Tüftler und Wein fanatiker, ein großes Vorbild. Auch die frü-he Mitgliedschaft bei den Österreichischen Tradi-tionsweingütern brachte einen enormen Motivati-onsschub. Über die südliche Donauseite sagte man ja früher, da wachse kein guter Wein. Das wollte ich nicht auf mir sitzen lassen.

    Früher hat man zudem bio und Qualität nicht unbedingt miteinander in Verbindung gebracht.Genau. Den Ursprung der Biolandwirtschaft bil-deten Ackerbauern, die auch Weingärten hatten. Reine Biowinzer gab es wenige. Auch wir machten am Anfang viele Fehler, es gab keine Beratung und Literatur hauptsächlich für den Gartenbereich. Wir mussten aus unseren eigenen Erfahrungen lernen, die Zusammenhänge zwischen Begrünung, Boden-bearbeitung und Wasserhaushalt erkennen.

    Haben Sie deswegen das Praxisbuch zum Bioweinbau geschrieben? Ich wurde vom Österreichischen Agrarverlag ge-fragt und nach langem Nachdenken habe ich die-se Herausforderung angenommen. Ich wollte ein Nachschlagewerk für den Bioweinbau schreiben, in dem sowohl die Grundlagen des Weinbaus als auch die neuesten Erkenntnisse der Forschung zu finden sind. 2005 ist das Buch dann erschienen.

    Frauen in der Weinwelt, besonders

    Winzerinnen, sind heute in ihrer

    Kompetenz anerkannt. Ilse Maier

    Zum Geyerhof in Oberfucha im Kremstal gehören nicht nur Weingärten und Ackerflächen mit Weizen, Sonnenblumen und Kürbis, sondern auch die wesensgemäße Bienen- und eine extensive Rinderhaltung.

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    WEIN IST WEIBLICHDer Weinbau ist auch heute eine Männerdomäne. Büroarbeit, Marketing und

    Verkauf überlässt man den Frauen natürlich gerne – und ganz selbstverständlich. Als Verantwortliche im Keller und im Weingarten trifft man sie seltener. Doch schon

    vor 20 Jahren gründeten „Elf Frauen & ihre Weine“ ihr Winzerinnen-Netzwerk. Seither ist die Zahl erfolgreicher österreichischer Winzerinnen deutlich gewachsen.

    Zwölf von ihnen stellen wir in kurzen Porträts vor.Texte: Daniela Dejnega, Luzia Schrampf und Juliane Fischer

    ÖSTERREICHS WINZERINNEN

    BIRGIT WIEDERSTEIN ZU DEN PFLANZEN BERUFEN

    Winzerin, Pflanzenforscherin oder Landschaftsgestalterin wollte Birgit Wiederstein als Elfjährige werden. Als sie das damals in einem Stamm-buch vermerkte, ahnte sie noch nicht, dass ihr späterer Beruf all das vereinen kann und Traktorfahren die vergleichs-weise langweiligste Tätigkeit dabei ist. Mit 19 Jahren bemerkte sie auf einer Verkostung, dass es ihr leicht fällt, Ge-rüche und Geschmäcker in Worte zu fassen. Nach wie vor muss für sie guter Wein Geschichten erzählen und Bilder im Kopf entstehen lassen. Die Fines-se von Pinot noir liebt sie besonders. Wiederstein bewirtschaftet biologisch-dynamisch sechs Hektar Weingärten in Göttlesbrunn. Mutter Grete ist Edel-brennerin und gemeinsam ergeben die beiden ihre selbstbetitelte „Weiberwirt-schaft Wiederstein“.

    WEINGUT WIEDERSTEIN Göttlesbrunn, Carnuntumwiederstein.at

    Der Beruf der Winzerin ist sehr vielseitig. Was machten Sie am liebsten? Was mochten Sie gar nicht?Die Buchhaltung habe ich von Anfang an ausge-lagert, obwohl ich die Handelsakademie besucht habe. Als Jugendliche habe ich gern die Arbeiten mit dem Traktor gemacht, aber später hatte ich lei-der nicht mehr die Zeit dafür. Meine Liebe gilt aber der Arbeit im Keller. Es macht Freude, die Weine von der Presse bis zum Abfüllen zu begleiten. Mit den Jahren habe ich gelernt, den Weinen viel Frei-raum zu lassen und mit einem Grundvertrauen die Weinwerdung zu begleiten.

    Sie waren eine der elf Frauen, die sich im Jahr 2000 als Gruppe zusammengetan haben.Die „11 Frauen“ haben einen unglaublich positiven Impuls für den Betrieb geliefert. Wir haben uns un-geniert gegenseitig Fragen gestellt, Probleme dis-kutiert, interne und externe Verkostungen durch-geführt. Dieser offene Austausch war gerade am Anfang unglaublich erfrischend. Netzwerke sind wichtig, bei männerdominierten Vereinigungen steht vielleicht manchmal das Konkurrenzdenken stärker im Vordergrund.

    Glauben Sie, dass Frauen weniger Wettbewerbsdenken besitzen? Nein. Aber in unserer Konstellation von „11 Frauen & ihre Weine“ ist so etwas einfach nicht entstanden. Wir hatten das Glück, dass elf tolle Persönlichkei-ten zusammengefunden haben.

    Was sehen Sie als die positivste Entwicklung in Ihrer Schaffenszeit? Bio ist heute äußerst positiv besetzt und Kritik an dieser Arbeitsweise ist selten geworden. Frauen in der Weinwelt, besonders Winzerinnen, werden in ihrer Kompetenz anerkannt. Wenn ein Betrieb in der weiblichen Linie weitergeführt wird, dann ist das nichts Besonderes mehr. ◊

    WEINGUT GEYERHOF KREMSTAL

    Das Bioweingut mit 23 Hek-tar Reben und 27 Hektar Ackerflächen liegt südlich der Donau in Oberfucha bei Furth. Seit 1988 arbeitet die Familie Maier biologisch-organisch, seit 2019 off-ziell nach Demeter. Elegant, eigenständig und langlebig sind sowohl die Grünen Velt-liner als auch die Rieslinge.geyerhof.at

    Maria, Josef

    und Ilse Maier

  • 22 WEINZEIT HERBST 2020 WEINZEIT HERBST 2020 23

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    TAMARA KÖGL WINZERIN UND HEURIGENWIRTIN

    „Die Wein-Ausgebildeten in der Fami-lie waren immer die Frauen“, erzählt Tamara Kögl. Nach ihrer Matura in Graz wurde sie in der Weinbauschule Silberberg zur Weinbau- und Keller-meisterin ausgebildet, eine Schule, die bereits ihre Mutter absolviert hatte. 2012 übernahm Kögl die Verantwor-tung für den Betrieb, den ihre Eltern aus einer gemischten Nebenerwerbs-landwirtschaft aufgebaut hatten. Mit ihnen renovierte sie 2009 auch das 300 Jahre alte Bauernhaus der Familie am Stermetzberg – Hausname „Moar-jörgl“ – und gestaltete es zu einer Bu-schenschank um, auch „um es Men-schen leichter zu machen, in so einen kleinen Betrieb reinzugehen und Wein zu probieren“. Kögl liebt die Vielfalt: „Ich bin gern im Weingarten, in der Buschenschank, im Büro. Mir ist wich-tig, nicht immer nur ein und dasselbe zu machen.“

    WEINGUT KÖGL Ratsch/Ehrenhausen, Südsteiermarkweingut-koegl.com

    BIRGIT & GLORIA EICHINGER WEINKELLER ALS FRAUENDOMÄNE

    Der Keller ist die Domäne der Frauen am Weingut, sagt Birgit Eichinger. Die Männer im Team übernehmen bei-spielsweise die Traktorarbeiten in den Weingärten. Mutter Birgit und Tochter Gloria sind ausgebildete Weinbau- und Kellermeisterinnen. Birgit hat zu-dem das Weinmanagement-Kolleg ab-solviert, Gloria maturierte 2016 an der VinoHAK, beide in Krems. Gemeinsam entscheiden sie, was im Keller passiert und erledigen auch alle anfallenden Arbeiten. Birgit gründete den Betrieb 1992 und erweiterte die ursprüngli-chen dreieinhalb Hektar auf die heuti-gen 15. Ihre „Wanderjahre“ verbrach-te Birgit bei Frescobaldi in Montalcino, Gloria hingegen praktizierte in Neu-seeland und bei Bassermann-Jordan in der Pfalz, kam dazwischen immer wieder zu Hause zum Einsatz. Erst seit Februar 2020 ist sie fix am Weingut.

    WEINGUT EICHINGERStraß im Straßertale, Kamptalweingut-eichinger.at

    MICHAELA RIEDMÜLLERFEDERNELKE UND FRAUENZIMMER

    Die seltene Hainburger Federnelke, welche die Etiketten von Michaela Riedmüllers Weinen ziert, wächst im Naturschutzgebiet am Braunsberg. Als Carnuntiner Blaufränkisch-Lage ist zwar der Spitzerberg in Prellenkir-chen berühmter als der Braunsberg, dennoch – oder gerade deswegen – schlägt das Herz der Winzerin für ihren „Hausberg“ bei Hainburg. Ihr Ziel ist, Blaufränkisch vom Braunsberg in all seinen Facetten unverfälscht in die Flasche zu transportieren. Unter dem Label „Frauenzimmer“ vermarktet sie mit drei jungen Kolleginnen – Vik-toria Preiß, Sabrina Veigel und Victo-ria Kugler – drei gemeinsame Weine: „Frauenzimmer Weiß“, eine Cuvée aus dem Traisental und der Wachau, „Frauenzimmer Rot“ vom Leithaberg und Carnuntum sowie „Frauenzimmer Prickelnd“, ein Schaumwein, der alle vier Weinbaugebiete vereint.

    WEINGUT MICHAELA RIEDMÜLLER Hainburg an der Donau, Carnuntummichaelariedmueller.atfrauenzimmerwein.at

    BIRGIT BRAUNSTEIN LEBE FREUDE!

    Die Weingartenarbeit habe sie als Ju-gendliche eigentlich nicht gemocht, er-innert sich Birgit Braunstein, doch heute ist für sie der Weingarten der schönste Platz der Welt. Sie führt ihr 400 Jahre altes Weingut in Purbach am Neusied-lersee biodynamisch nach Demeter-Richtlinien. Im Fokus stehen besonders die Sorten Blaufränkisch, Chardonnay und Pinot blanc; die Naturwein-Linie „Birgit Pur“ reicht vom Pet Nat bis zum Amphorenwein. Auf jeder Flasche steht „Lebe Freude“, die Philosophie des Hauses. „Mit meinen Weinen möchte ich Genuss und schöne Stunden schen-ken“, sagt die engagierte Winzerin. „Hand in Hand“ heißt ihr neuestes Pro-jekt: Der Reinerlös zweier Weine wird in ausgesuchte Projekte, die benachtei-ligten Kindern und jungen Menschen eine Zukunft geben sollen, fließen.

    WEINGUT BIRGIT BRAUNSTEIN Purbach, Leithabergweingut-braunstein.at

  • 24 WEINZEIT HERBST 2020

    JUDITH BECKIN DEN REBEN

    Die Adresse des Weinguts lautet „In den Reben 1“ und könnte treffender nicht sein. Mitten in den Weingärten, am Ortsrand von Gols, lebt Judith Beck in, mit und für ihre Reben. Ein Ab-stecher nach Wien zum Studium der Germanistik und Publizistik währte nur kurz, schnell kristallisierte sich doch der Weinbau als Berufung heraus. Nach Aufenthalten in Bordeaux, Chile und im Piemont kehrte sie 2001 nach Hause zurück. Die Pannobile-Winzerin arbeitet seit 2007 biodynamisch und ist Mitglied der Gruppe respekt-BIO-DYN. Sie keltert besonders feine, au-thentische, lebendige Rote von St. Lau-rent, Pinot noir und Blaufränkisch. Ihre Naturwein-Linie „Bambule!“ reicht vom maischevergorenen Welschriesling bis zu mehreren Sorten von Pet Nat – al-lesamt nicht filtriert, teilweise naturtrüb und ohne Schwefelzusatz.

    WEINGUT JUDITH BECKGols, Neusiedlerseeweingut-beck.at

    DIE KÄSEMACHERWELT Litschauer Straße 18, 3860 Heidenreichstein

    Tel.: +43 (0) 2862/52 528-0, www.kaesemacherwelt.at

    Eingebettet in die malerische Landschaft des nördlichen Waldviertels liegt die KÄSEMACHERWELT in Heidenreichstein.

    Mit jährlich über rund 40.000 Besuchern zählt sie zu den Top-Ausflugszielen Niederösterreichs und wurde

    2017 mit dem NÖ-Tourismuspreis ausgezeichnet.

    Das Herzstück der KÄSEMACHERWELT ist die Käserei und Schaumanufaktur, die im Rahmen von

    Führungen besichtigt werden kann. Hier haben Käseliebhaber die einmalige Gelegenheit, den professionellen

    Käsemachern über die Schulter zu schauen und mit zu verfolgen, wie aus Milch

    köstliche Käsespezialitäten von DIE KÄSEMACHER entstehen.

    Im Restaurant KASKUCHL genießen Sie Käsespezialitäten und regionale Köstlichkeiten im an-

    genehmen Ambiente mitten in der Natur mit Blick auf den Teich. Vor allem im Herbst lädt die

    großzügige, windgeschützte Sonnen-Terrasse zu besonderen Genussmomenten ein.

    Schaukäserei Verkostung ShopRestaurant / Kaskuchl

    Saison 2021 bis 20. Dezember Geöffnet: Mittwoch bis Sonntag und feiertags 09:30 bis 17:00 Uhr Führungszeiten:September: 10:00 | 13:00 | 15:00 UhrOktober bis Dezember: 10:00 | 13:00 Uhr

    TIPP: Führungen unbedingt vorreservieren und am besten gleich mit einem Restaurantaufenthalt verbinden.

    Buchen Sie ihre Führung gleich online unter:

    www.kaesemacherwelt.at

    Hinweis: Für den Shopbereich und die Führungen gilt aktuell die Maskenpflicht.

    STEFANIE UND SUSANNE RENNERVOM DUO ZUM TRIO

    Dass der jüngere Bruder Georg nun mit an Bord ist, darf nicht verschwiegen werden! Für neuen Schwung am Weingut Renner sorgten aber ab 2015 die Schwestern – Su-sanne, früher beim Wiener Fashion-Label Schella Kann, und Stefanie, studierte Kul-

    turtechnikerin. Mit ihrer Linie „rennersistas“ machten die Golserinnen ab dem ersten Jahrgang in der Naturwein-Szene Furore. Sie stellten das biozertifizierte Weingut auf biodynamisch um und sind seit 2018 De-meter-Mitglied. „Die Reben kommen immer mehr in einen gewissen Rhythmus und ins Gleichgewicht“, sagt Steffi Renner. Die Reife der Trauben habe sich total verändert und

    die Beeren würden schon bei geringerem Zuckergehalt physiologisch reif. Das ist das Um und Auf für die Herstellung leichtfüßi-ger, frischer Rotweine, wie sie die drei Ge-schwister lieben.

    RENNER & RENNERSISTASGols, Neusiedlerseerennerundsistas.at

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    ELISABETH RÜCKERNEUE IDEEN IM RETZER LAND

    Als Elisabeth Rücker im Sommer 2008 am elterlichen Weingut landete, stürzte sie sich ins Weinmachen – von konven-tioneller Weinausbildung unbelastet, dafür mit neuen Ideen und voller Elan. In diesem Sinn gründete sie ihr eigenes Label „Elisabeth“, das für weniger Kel-lertechnologie, aber mehr Handwerk steht. Es folgten die Umstellung auf bio und die Zertifzierung im Jahr 2018. Nun denkt sie in Richtung Biodynamie und die Philosophie der minimalen Eingriffe bei der Weinbereitung. Von derzeit 21 Hektar möchte sie einige Flächen stilllegen, auf 15 Hektar redu-zieren, „damit die Natur ein paar Flä-chen zurückbekommt“. Grüner Veltliner ist – selbstverständlich – die Hauptreb-sorte, doch schätzt die Winzerin auch den Welschriesling, den sie neu aus-pflanzen will. Aus ihren roten Trauben macht sie mit Vorliebe Rosé.

    BIOWEINGUT ELISABETH RÜCKER Unterretzbach, Weinviertelelisabeth-wein.at

    INGRID GROISSKEINE NEWCOMERIN MEHR

    Sie sei angekommen, sagt Ingrid Groiss. 18 Hektar seien in ihrem Fa-milienverband gut bewirtschaftbar. Mit dem Jahrgang 2019 sind ihre Weine biologisch-organisch zertifiziert. Das Portfolio passe so, wie es ist, Rotwein bleibe ein Minithema für den Heuri-gen der Eltern. Dafür macht sie Rosé mit großer Freude. In die Schublade der „Newcomer“ wird sie kaum noch gesteckt. Als ihre Großmutter ihr 2007 die Obhut über einen Weingarten aus 1951 übertrug, entschied sich die En-kelin gegen eine Karriere im Marketing in Berlin und lieber dafür, Winzerin in Breitenwaida zu werden. 2010 mach-te sie sich unabhängig und entwickelte ihre Eigenständigkeit mit Verstand und viel Gefühl für die Dinge, die ihr da im Weinviertel in die Hände gegeben wurden, wie eben dieser uralte Ge-mischte Satz ihrer „Oma“.

    WEINGUT INGRID GROISSBreitenwaida, Weinviertelingrid-groiss.at

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    SILKE MAYRZWEI WEINLINIEN

    Mit 21 stieg Silke Mayr nach einem Praktikum im Piemont in den Betrieb ihrer Eltern ein, die in Droß ein Gast-haus mit Weingut führten, und entwi-ckelte den Ehrgeiz, „den Vorspannhof in jeder Hinsicht gut zu machen“. 2006 kam Walter Buchegger als Kellermeis-ter dazu, 2008 übernahm Silke die Verantwortung für das Weingut. Sie wurden ein Paar und führten bis zum viel zu frühen Tod von Buchegger 2018 zwei Betriebe mit unterschiedlichen Weinstilen am selben Ort der Verarbei-tung. Die Weingärten des Vorspann-hofs liegen im nördlichen, die Bucheg-ger-Weingärten rund um Gedersdorf im südlichen Kremstal. „Aus diesen Herkünften ergeben sich schmeckbare Unterschiede“, so Mayr, die das auch beibehalten möchte: geradlinig-kühl für die Vorspannhof-Weine, südlich-satt für die Buchegger-Weine.

    VORSPANNHOF MAYR Droß, Kremstalvorspannhof-mayr.at

    BIRGIT PFERSCHY-SEPERFEST IN FRAUENHAND

    Ein Weingut, das seit vier Generatio-nen von Frauen geleitet wird, hat Sel-tenheitswert. In Mödling gibt es eines. Der Ehemann Jurist, der Vater Filmtech-niker, von ihrer Mutter aber übernahm Birgit Pferschy das Weingut inklusive Heurigen. Sie erzählt: „Als ich in den Neunzigern einstieg, fing meine Mut-ter mit bio an. Ihre Methode war aber, einfach alles wegzulassen. Das hat so natürlich nicht funktioniert. Wir ent-schieden uns für einen Mittelweg und starteten 2000 den offiziellen Umstieg auf biologisch-organisch. Damals stie-ßen wir auf viel Skepsis, heute ist das zum Glück anders.“ Weißburgunder gilt als Aushängeschild des Weinguts, zudem rücken die regionalen Sorten Rotgipfler und Zierfandler in den Fokus. Die fünfte Frauengeneration, Birgit Pferschys älteste Tochter, steht in den Startlöchern.

    WEINGUT PFERSCHY-SEPER Mödling, Thermenregionpferschy-seper.at

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    HEIDI SCHRÖCKSÜSS UND TROCKEN

    Feuer und Flamme für ihren Beruf ist Heidi Schröck bis heute: „Es ist die Sache Wein an sich und auch die Menschen, Kunden, die Kolleginnen und Kollegen, der Austausch mit ihnen – und besonders mit den Jungen.“ Sie begann 1983, nach Praktika in Rhein-hessen und Südafrika und nach ihrer Regentschaft als Weinkönigin Heidi I. In den folgenden 37 Jahren gründete und initiierte sie Bleibendes, darunter den „Cercle Ruster Ausbruch“ oder „Elf Frauen & ihre Weine“. Gern wird übergangen, dass sie neben top Süß-weinen auch ebensolche trockene Weine macht. Furmint, derzeit im Burgenland vielerorts wiederbelebt, ist seit langem eine ihrer Leuchtturm-Rebsorten. Seit kurzem wird im Hause Schröck zu dritt gearbeitet. Ihre Söhne Georg und Johannes sind offiziell ein-gestiegen.

    WEINGUT HEIDI SCHRÖCK Rust, Leithabergheidi-schroeck.com

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    ARCADE FIRE UND DIE STAATLICHE KOSTKOMMISSION

    Katharina Tinnacher liest im alten Lesetagebuch ihres Urgroßvaters, Anna Faber-Köchl lieber Jane Austen, Dorli Muhr hört Nina Simones

    „Love me or Leave me“ zu Blaufränkisch vom Spitzerberg und Jutta Kalchbrenner mag es nicht, wenn ihr Wein als „saftig“ beschrieben wird.

    Es fragte: Juliane Fischer

    WORDRAP

    DORLI MUHR, CARNUNTUM

    Wer ist Ihr Vorbild jetzt und wer war es als Kind? Maggie Henríquez, CEO des Champagnerhauses Krug. Und als Kind: meine Oma.Ich wurde Winzerin, weil … ich den Spitzerberg in der Welt berühmt machen möchte.Der Jahrgang 2019 ist … noch im Fass.Traktorfahren … liebe ich.Ich freue mich jeden Tag auf … eine Runde Joggen über den Spitzerberg.Drei Begriffe zu Blaufränkisch? Eine Primaballerina mit Spannung und Eleganz.Der schönste Ort ist … in meinem ältesten Weingarten, Ried Spitzer, unterm Nussbaum.Wir bewirtschaften biologisch, weil … es eigentlich selbstverständlich ist.Aktuell trinke ich von meinen Weinen am liebsten … Spitzerberg 2012.Lieblingswein aus dem Inland? Uwe Schiefer, Blaufränkisch Reihburg 2011Lieblingswein aus dem Ausland? Lalama, Ribeira Sacra 2011Ein Begriff in der Weinbranche, der mich nervt, ist … Staatliche Kostkommission.Soundtrack zu meinen Weinen? Nina Simone, Love me or Leave meLieblingsbuch? „Kochen“ von Michael Pollan

    WEINGUT DORLI MUHR, Kirchengasse 24, 2472 Prellenkirchendorlimuhr.at

    KATHARINA TINNACHER, SÜDSTEIERMARK

    Ich wurde Winzerin, weil … es Teil meiner Familiengeschichte und Identität ist, weil ich die herausfordernde Arbeit mit der Natur liebe.Der Jahrgang 2019 ist … spannend, facettenreich und langlebig.Traktorfahren … ist in der Südsteiermark am Steilhang mit bis zu 85 % Neigung eine Arbeit am Limit. Danke an meine drei Traktorfahrer!Ich freue mich jeden Tag auf … den Blick in die Reben am frühen Morgen, einen abwechslungsrei-chen Arbeitstag und ein anregendes Gespräch mit einem guten Glas Wein am Abend.Drei Begriffe zu Sauvignon Blanc? Steinbach, Flamberg, Welles :)Der schönste Ort ist … für mich die Südsteiermark.Wir bewirtschaften biologisch, weil … es das Beste für den Boden, die Reben, den Wein und uns Menschen ist.Aktuell trinke ich von meinen Weinen am liebsten … Ried Flamberg Morillon 2017 und Ried Welles Sauvignon Blanc 2009 – der letzte Jahrgang meines Vaters und gleichzeitig mein erster.

    Lieblingswein aus dem Inland? Ich mag charakterstarke, handwerkliche, elegante und tiefgründige Weine von sympathischen Winzerinnen und Winzern.Lieblingswein aus dem Ausland? Es gibt auch hier nicht diesen einen Wein. Spannend ist, immer wieder Neues zu entdecken. Ein Wein, an den ich mich gern erinnere: Vega Sicilia Unico 1985, mein Geburtsjahrgang.Ein Begriff in der Weinbranche, der mich nervt, ist … kein Begriff, sondern eine Einstellung: Dogmatismus.Soundtrack zu meinen Weinen? The Cinematic Orchestra, MotionLieblingsbuch? Das alte Lesetagebuch meines Urgroßvaters aus den 1930er Jahren

    WEINGUT LACKNER-TINNACHERSteinbach 12, 8462 Gamlitztinnacher.at

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    JUTTA KALCHBRENNER, WIEN

    Wer ist Ihr Vorbild jetzt und wer war es als Kind? Jetzt habe ich kein Vorbild. In meiner Kindheit war es wohl mein Vater, er war ein rasanter Autofahrer.Ich wurde Winzerin, weil … es ein für mich notwendiger Schritt war.Der Jahrgang 2019 ist … aus heutiger Sicht ein gut gelaunter Zeuge eines Jahres großer Sorglosigkeit und Unbeschwertheit.Traktorfahren … überlasse ich den Profis.Ich freue mich jeden Tag auf … meinen Hund. Dass er nach bald 15 Jahren noch immer da ist.Drei Begriffe zu Gemischtem Satz? kunstlos, gewachsen, unberechenbarDer schönste Ort ist … Wölfnitz auf der Saualm.Aktuell trinke ich von meinen Weinen am liebsten … Riesling Utopie.Lieblingswein aus dem Inland? Silicium von Karl SchnabelLieblingswein aus dem Ausland? Les Varrons von der Domaine LabetEin Begriff in der Weinbranche, der mich nervt, ist … saftig.Soundtrack zu meinen Weinen? Arvo PärtLieblingsbuch? „Die Wand“ von Marlen Haushofer ◊

    WEINBAU JUTTA AMBROSITSCH Buschenschank in Residence Langackergasse 5a, 1190 Wienjutta-ambrositsch.at

    MARIA UND ANNA FABER-KÖCHL WEINVIERTEL

    Wer ist ihr Vorbild jetzt und wer war es als Kind? Greta Thunberg jetzt und Pippi Langstrumpf als Kind, weil beide unbequeme starke Frauen sind. (Maria)Ich wurde Winzerin, weil … ich gerne in der Natur bin und mir das handwerkliche Arbeiten mit der Rebe viel Freude macht. (Anna)Der Jahrgang 2019 ist … ein sehr schöner, ganz im Stil der traditionell guten 9er-Jahrgänge. (Maria)Traktorfahren … macht mir keinen Spaß, ist aber notwendig. (Anna)Ich freue mich jeden Tag darauf … zu sehen, dass unser Mutter-Tochter-Betrieb in die richtige Richtung geht. (Maria)Drei Begriffe zu Grünem Veltliner? Weinviertel, Trinkfreude, Fruchtigkeit (Anna)Wir bewirtschaften biologisch, weil … bio einfach besser schmeckt. (Maria)Der schönste Ort ist … bei Sonnenaufgang in unserer Riede Saazen. (Anna)Aktuell trinke ich von meinen Weinen am liebsten … den Hochzeitswein von Anna und Gabriel, GV Natural 2017. (Maria)Lieblingswein aus dem Inland? Es gibt zu viele gute Weine, um sich für einen zu entscheiden. (Anna)Lieblingswein aus dem Ausland? Pinotage von Kanonkop, Südafrika (Maria)Ein Begriff in der Weinbranche, der mich nervt, ist … Jahrhundertjahrgang, weil jeder Jahrgang seine Stärken und Schwächen hat. (Maria)Soundtrack zu meinen Weinen? Arcade Fire (Anna)Lieblingsbuch? Jane-Austen-Bücher (Anna)

    WEINGUT FABER-KÖCHLAm Schenkberg 11, 2130 Eibesthalfaber-koechl.at

    Die Herbstsonne im Rücken und den Heurigen vor sich: Radtouren und Wanderungen sind im Herbst im Kremstal die lustvollste Mög-lichkeit, Bewegung und Genuss zu verbinden. Ein feingesponnenes Netz von Pfaden und Wegen führt durch eindrucksvolle Landschaften, die der Wein-bau in Jahrhunderten geprägt hat: Die ins Urgestein geschlagenen Weinterrassen am Donauufer im Westen, die Lösslandschaften südlich und östlich von Krems, das enge, stark gewundene Flusstal der Krems im Norden sowie die wie auf sanften Wellen wogenden Weingärten auf der Hochebene Richtung Waldviertel.

    Fast überall anzutreffen ist der Löss, ein eiszeit-licher Flugsand, der im Kremstal tiefe Böden gebil-det hat, die den Weinreben einen sehr kompakten Untergrund mit hoher Wasserspeicherkapazität bieten. Der Löss ist auch für die vielen Kellergas-sen und Hohlwege verantwortlich, die im Verlauf von Jahrhunderten in den weichen Boden gegraben wurden. Beispielsweise der Zellergraben in Furth-Göttweig, dessen Lösswände eine Höhe von zwölf Metern erreichen. Hier nisten zahlreiche Wildbie-

    nen, aber auch der bunte Bienenfresser, der sich von Wespen und anderen Großinsekten ernährt. Ein Themenweg informiert hier mit zwölf Tafeln über Lössentstehung, Standfestigkeit, Funde im Löss, Bodeneigenschaften, Flora und Fauna und an-deres mehr.

    Wie die Weine vom Löss schmecken, das erfährt man am besten in den drei Kremser Vinotheken: sehr chic im Leopold, sehr gemütlich im Wein-himmel (beide im Zentrum) und sehr entspannt im gleich am Donauufer liegenden WellenSpiel – alle drei bieten eine feine Auswahl von Kremstaler Weinen.

    Mitten im Löss liegt auch die Weinerlebniswelt wein.sinn der Winzer Krems, die sich in der Groß-lage Sandgrube befindet und ihre Besucher zu einer besonderen Weinreise einlädt: In acht Statio-nen – darunter einem Duftfilm, einer Multimedia- Inszenierung und drei Weinproben – erlebt man den Kremstaler Wein von seinen schönsten Seiten.

    KREMSTAL: DA IST WAS LÖSS!Im Weinbaugebiet Kremstal prägt der Löss viele Weingärten

    nicht nur topografisch, sondern auch deren Weine geschmacklich. Die besten Plätze, den Löss zu sehen, zu schmecken und zu erleben!

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    Alle Infos über das Weinbaugebiet Kremstal, Urlaubstipps und Adressen:kremstal-wein.at

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    HÖCHSTWERTUNG IN NEW YORK

    New York City im Zeichen von Piemont. Beim Barolo & Barbaresco World Opening, kurz BBWO, präsentierten 148 Weinproduzenten über 400 Rotweine der Spitzen-klasse. 60 „Best Palates Judges“ beurteilten die neuen Jahrgänge – Barolo 2016

    und Barbaresco 2017 – bei einer großen Blindverkostung. Die Autorin war dabei.

    Text: Daniela Dejnega

    BAROLO & BARBARESCO WORLD OPENING 2020

    as Flugzeug von Wien landete pünktlich am John F. Kennedy International Air-port in New York. Als ich bei der Grenz-kontrolle dem Immigration-Officer

    wahrheitsgemäß sagte, in die USA einreisen zu wol-len, um Weine zu verkosten, erntete ich Stirnrun-zeln und einen misstrauischen Blick. Weitere Er-klärungen, dass ich auf Einladung des Konsortiums von Barolo und Barbaresco als Jurorin den neuen Jahrgang bewerten solle, ließen seine Skepsis eher wachsen. Verunsichert setzte ich nach: „I’m a wine journalist …?“ Die strenge Miene des Officers hellte sich eine Spur auf: „Ah, must be a nice job.“ Da ich zustimmend nickte und zudem bekräftigte, nach drei Tagen wieder auszureisen, winkte er mich end-lich weiter. BBWO – here I come!

    PIEMONT GOES OVERSEASAls Anfang Februar im Big Apple das BBWO 2020, die Premiere des Barolo & Barbaresco World Ope-ning, über die Bühne ging, war von Corona keine Rede. So kamen zu diesem Spitzenevent, der die

    Topweine des Piemont in den Fokus rückte, Wein-kritiker, Masters of Wine und Sommeliers aus aller Welt – Europa, Kanada, Hongkong, Singapur und natürlich den USA – als „Best Palates Judges“ nach New York. Matteo Ascheri, Präsident des „Consor-zio di Tutela Barolo Barbaresco Alba Langhe e Dog-liani“, erklärte den Hintergrund so: „Die USA sind für Barolo und Barbaresco der wichtigste Markt ge-worden, doch noch nie haben wir hier eine so große Präsentation organisiert. Mit dem BBWO wollen wir ein Zeichen setzen, unsere Weine den Konsumen-ten näherbringen und besonders unsere Einzel-lagen vorstellen.“

    Zum „Grand Tasting“ im Center415 auf der Fifth Avenue fanden sich dann etwa 1.600 Verkostungs-willige, zu Beginn Fachbesucher, später auch priva-te Weinfreunde, ein. Fast 150 Winzer standen mit ihren Weinen bereit. Selbst Großmeister Angelo Gaja war nach New York gereist und schenkte sei-nen Kult-Barolo Sperss vom Jahrgang 2015 höchst-persönlich in die Gläser der Gäste.

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    BEST PALATES TASTINGTags darauf stand für die Weinexperten das exklu-sive „World’s Best Palates Tasting“ im 17. Stock des Public Hotel auf dem Programm. An runden, weiß gedeckten Tischen bildeten jeweils sechs Personen eine Jury, deren Aufgabe es war, etwa 45 Weine „blind“ nach dem 100-Punkte-System zu beurteilen. Bunt zusammengewürfelt aus den USA, Australien, Brasilien, Polen und Österreich bildeten wir an Tisch C ein diskussionsfreudiges Verkosterpanel, das zwar unterschiedliche Zugänge und Erfahrun-gen mit Barolo und Barbaresco hatte, die verdeckt servierten Weinproben dennoch recht homogen be-wertete. Via Tablets und speziell programmierter App konnten wir unsere Weinbewertungen direkt online abgeben. Noch sehr junge Weine der Reb-sorte Nebbiolo zu probieren, ist auch für Profis im-mer eine Herausforderung, denn die sortentypisch hohe Menge an Gerbstoffen strengt den Gaumen gewaltig an. Nach einigen Stunden konzentrierten Verkostens hatten wir unsere Aufgabe schließlich gemeistert.

    GUT ZU WISSEN

    BAROLO DOCGLAGE: Piemont, elf Gemein-den südwestlich der Stadt AlbaREBFLÄCHE: 1.827 HektarREBSORTE: NebbioloPRODUKTION: 11 Mio. FlaschenWEIN: langlebig, charakterstark und elegant

    Ein Barolo DOCG reift min-destens 38 Monate, davon 18 in Holz. Zusätzlich kann eine Einzellage auf dem Etikett stehen – eine von 181 MGA („Menzioni geografi-che aggiuntive“ = geografi-sche Zusatzbezeichnungen).

    BARBARESCO DOCGLAGE: Piemont, östlich der Stadt Alba, rund um Barbaresco, Treiso, Neive und AlbaREBFLÄCHE: 690 HektarREBSORTE: NebbioloPRODUKTION: 4 Mio. Flaschen WEIN: langlebig, finessenreich

    Ein Barbaresco DOCG reift mindestens 26 Monate, davon 9 in Holz. Auf dem Etikett kann eine geografische Zusatzbe-zeichnung (offizielle MGA) stehen.

    REBSORTE: NEBBIOLOBarolo und Barbaresco bestehen zu 100 Prozent aus Nebbiolo. Die edle kleinbeerige Rotweinsorte bringt Weine mit mächtiger Tanninstruktur und großem Reifepotenzial hervor. In der Jugend wirken die Weine oft adstringierend (ein trocke-nes, zusammenziehendes Mundgefühl). Sie sind floral, duftig, fruchtig, erdig, tannin betont und besitzen ein ausgezeichnetes Säurerückgrat.

    Oben links: From Langhe to NYC lautete das Motto des Barolo & Barbaresco World Opening 2020.

    Oben rechts: Starwinzer Angelo Gaja und seine Tochter Gaia freuten sich über die vielen Fans ihrer Weine.

    Unten: Weinjournalistin Daniela Dejnega beim konzentrierten Verkosten.

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    QUINTESSENZDer Barolo-Jahrgang 2016 ist große Klasse! Die Wei-ne sind präzise, elegant und besitzen eine feine Säurebalance sowie Tannine von höchster Quali-tät. Die lange Vegetationsperiode im Jahr 2016 ließ die Nebbiolo-Trauben langsam reifen und brachte keine Alkoholbomben, sondern strukturierte, tief-gründige Weine hervor – Barolo mit großem Reife-potenzial.

    Die Weine der Herkunft Barbaresco kommen je-weils ein Jahr früher auf den Markt. Den Jahrgang 2017 prägte sehr heißes trockenes Wetter und seine Weine zeigten sich zugänglich, mit warmer Frucht-aromatik, manchmal aber etwas raueren Tanninen.

    GALA IM WORLD TRADE CENTERDen feierlichen Abschluss des Barolo & Barbaresco World Opening 2020 bildete ein großes Galadinner im Eataly Downtown im neuen World Trade Center. Das außergewöhnliche Menü des Abends kreierte der Starkoch Massimo Bottura von der Osteria Fran-cescana in Modena – ausgezeichnet mit drei Miche-lin-Sternen und dem Titel „Weltbestes Restaurant“ im Jahr 2018.

    Consorzio-Präsident Matteo Ascheri präsentierte zwischen den Gängen die Resultate des „Best Pala-tes Tasting“ und freute sich über die hervorragende Bewertung der Weine. Kombiniert mit der Einschät-zung der Produzenten sowie den Ergebnissen der Primeurverkostung „Nebbiolo Prima“ verlieh das Consorzio dem Barolo-Jahrgang 2016 erstaunliche 99,3 von 100 möglichen Punkten. Ein Kurzauftritt des bekannten Pop-Opera-Trios „Il Volo“ setzte dem Event die Krone auf. Das BBWO 2020 bescherte eine unvergessliche Zeit in New York. ◊

    TIPP FÜR DEN WEINKAUF

    Wiens führende Adresse für Weine aus dem Piemont befindet sich in der Leopold-stadt. Die Enoteca Barolista bietet eine hervorragende Auswahl an Barolo, Barbar-esco und piemontesischen Köstlichkeiten. Der großarti-ge Barolo-Jahrgang 2016 kommt nun in den Verkauf – auch im Onlineshop!

    Enoteca BarolistaInhaber Peter RoggenhoferAlliiertenstraße 12 1020 Wienbarolista.at

    Im Jahr 1986 wurde zum ersten Mal beschlossen einen Marken-wein zu kreieren. Damals leb-ten 27 Brutpaare eines bunten Zugvogels mit besonders melo-dischem Ruf in Göttlesbrunn. Das Vorkommen des exotischen Vogels „Bienenfresser“ in den Göttlesbrunner Weinrieden wur-de zum Anlass genommen, den besten Zweigelt des Hauses nach ihm zu benennen. Damals schon wollte man damit auf die beson-deren Böden und auf das bevor-zugte Klima hinweisen.

    Die selbst bewirtschafteten 22 Hektar wurden mit einem frei-willigen Verzicht auf Insektizide und Herbizide belegt. Die Wein-reben werden mit Erfahrung, Leidenschaft und viel Liebe zur Natur bewirtschaftet. Dadurch erwachsen dem Gut aus den Weingärten um Göttlesbrunn Jahr um Jahr sehr vielfältige und ausgezeichnete Weine.

    HARMONISCH UND MELODISCHSICHE

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    Über 50 % der Gesamtfläche ist mit Zweigelt bepflanzt. Merlot, Syrah, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc bilden den Rest der Rotweinfläche, die die Basis für viele beliebte Lagen- und Jahrgangsrotweine sind. Beson-ders diese werden wegen ihres Entwicklungspotenzials und der guten Lagerfähigkeit sehr ge-schätzt. Das kleine, aber feine Weißweinsortiment hält eben-falls einige Überraschungen be-reit.

    Nach telefonischer Voranmel-dung am Familienweingut sind Besucher in der Weinbergstraße jederzeit herzlich willkommen. ◊

    Für die Vinifizierung der Top-Weine aus dem Hause Pitnauer werden nur von Hand geerntete Trauben höchster Qualität aus Weingärten in

    besten Lagen genutzt.

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    Über 400 verschiedene Weine aus Barolo und Barbaresco konnte das Publikum beim Grand

    Tasting verkosten.

    Unten: Ein großes Galadinner krönte

    den Auftritt von Piemont in New York.

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    WEINGUT FAMILIE PITNAUERWeinbergstrasse 4 – 6 2464 GöttlesbrunnTel.: +43 2162 [email protected] weingutfamiliepitnauer

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    WEINVERKOSTEN IST KEINE

    GEHEIMWISSENSCHAFT

    AROMARADEin Aromarad macht Vorschläge für Begriffe, die einen Wein beschreiben. „Blumige Noten“ können dann beispielsweise zu Rosenblüten, Lindenblüten, Wiesenblumen, Veilchen oder Akazienblüten verfeinert werden.

    Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass Frauen besser verkosten können als Männer. Tatsächlich aber ist das Talent, Weine zu probieren, zu analysieren

    und zu beschreiben, keineswegs abhängig vom Geschlecht, sondern vielmehr von konkreten Erfahrungswerten.

    Text: Luzia Schrampf

    WEINSENSORIK

    ernünftige Gründe, weshalb Frauen bes-ser verkosten sollten, finden sich kaum.

    An der Anatomie kann es ja nicht liegen. Denn Geschmackspapillen haben alle, wenn

    auch, je nach Mensch, in höchst individueller Anzahl und Verteilung. Wesentlicher ist der per-sönliche Erfahrungshintergrund: Wer sein Leb-tag keine Pfefferminze, keinen Kakao oder keine Maracuja im Mund hatte, kann kaum wissen, wie so etwas schmeckt. Erfahrung würde auch als einziges für Frauen als die besser Verkostenden sprechen. Denn in vielen Kulturen sind sie für die Ernährung zuständig und haben laufend mit Lebensmitteln, Kochen und Abschmecken zu tun. Daher könnte es Frauen auch leichter fallen, Gerü-che und Geschmäcker zu benennen und einzuord-nen. Tröstlich bei all dem ist eines: Geruchs- und Geschmackswahrnehmungen sind nicht Chromo-somensatz-abhängig, sondern zu einem guten Teil trainierbar.

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    Tropische Früchte

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    Rote Früchte

    Dunkle Früchte

    Gewürznoten

    Erdige Noten

    Nussige Noten

    Rauchige Noten

    TabaknotenHolzige Noten

    Dörrobst-Noten

    Pflanzliche Noten

    Kräuterige Noten

    Blumige Noten

    Gelbe FrüchteZitrusnoten

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    schmackliche Vielfalt der Apfelsorten, wenn man in einem Wein „Apfel“ wahrnimmt. Dazu kommen verschiedene „Aggregatszustände“: reif oder un-reif, frisch oder gelagert, gekocht als Kompott, als Mus, im Strudel.

    „Florales“ beschreibt Blüten, wie Veilchen, Flie-der, Rosen, Jasmin oder Holunderblüten, und „wür-zig“ können ein Waldboden ebenso wie exotische Gewürze oder Küchenkräuter sein. Ein und der-selbe Geruch kann höchst unterschiedlich benannt werden, wiederum abhängig vom Erfahrungshin-tergrund: Gewürznelkenaromen werden die meis-ten eindeutig als Gewürz ansprechen, einige weni-ge assoziieren damit vielleicht Zahnarzt, weil sie den Geruch in einer Zahnarztpraxis erinnern, wo mit Nelkenöl desinfiziert wurde.

    STRUKTUR & MUNDGEFÜHL

    Spannender als die Aufzählung möglichst vieler Obstsalat-Bestandteile ist beim Weinverkosten, was sich im Mund abspielt. Ob die Mundhöhle austrock-net wie nach einem Löffel Mehl, sich rau anfühlt oder weich und cremig, oder „ob einem das Wasser im Mund zusammenrinnt“, sind interessantere In-dikatoren für die Qualität eines Weines, als nach

    DEN GESCHMACK BEIM NAMEN NENNEN

    Die Benennung dessen, was man schmeckt, ist vor allem bei Verkostungsanfängern ein Thema: Ein Ge-ruch oder Geschmack wird als vertraut erkannt, es fehlen aber die Worte, um ihn zu beschreiben. Hier kann die „Weinsprache“ helfen, die jedoch keines-wegs in Stein gemeißelt ist. Manche Begriffe gehen – wie das schöne Wort „Bouquet“ – oder kommen – wie die derzeit beliebten Ausdrücke „Mineralität“ und „Terroir“. Speziell im privaten Umfeld ist alles erlaubt, was verstanden wird.

    Während es für private Amateure – im Sinn von Weinliebhabern – beim Weinverkosten darum geht, Unterschiedliches zu probieren, um etwas für den eigenen Genuss zu entdecken, müssen jene, die den Wein zu ihrem Beruf gemacht haben, abstrahieren. Das heißt, selbst wenn man den eigenen Keller zum Beispiel nicht mit Gelbem Muskateller vollräumt, könnte dieser Wein ins Sortiment des Lokals oder Geschäfts passen, für das man als Sommelier oder als Einkäufer arbeitet. Wein-Journalisten wiederum sollten der geneigten Leserschaft berichten, was an einem Jahrgang, an einer Rebsorte oder in einer Re-gion gut und spannend ist, oder beispielsweise war-

    um seit kurzem so viele Schaumweine in Form von Pet Nat (Pétillant Naturel) fabriziert werden – egal ob sie selbst Pet Nats anrühren würden oder nicht.

    MEIN ERDBEER IST DEIN RHABARBER

    Weinverkosten hat in jedem Fall viel mit Selbst-erfahrung zu tun. Schon die Grundgeschmäcker – süß, bitter, salzig, sauer – nimmt nicht jeder gleich intensiv war: Dieselbe bittere Testflüssigkeit be-schrieben acht Probanden von „erfrischend herb“ bis „unangenehm bitter“. Analog zur Farbenblind-heit existiert Geschmacksblindheit, Anosmie, weil Rezeptoren für einen oder mehrere Geschmäcker in der Anatomie nicht angelegt sind oder durch Krankheit oder Verletzungen verloren gingen.

    Man beschreibt die Aromen eines Weines mit Assoziationen und Analogien, aus denen heraus man Schlüsse zur Qualität zieht. Zu Beginn orien-tiert man sich gern an den am leichtesten verständ-lichen Aromen – an Früchten. An Blumen und/oder Würziges denkt man interessanterweise immer erst später. Unter rotbeerigen Aromen zum Beispiel versteht man Erdbeeren, Himbeeren, Johannisbee-ren und dergleichen. Man denke auch an die ge-

    AUTHENTISCHE WEINE AUS EINER AUTHENTISCHEN

    REGION

    „Dieser Linie bleiben wir treu. Wer einen Wein aus dem Haus Jalits genießt,

    soll ein Stück Südburgenland schmecken – mineralisch, kraftvoll, voller Finesse.“

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    Profi-Verkostung in prächtigem Rahmen. Hilfreiche Servicekräfte bringen die gewünschten Weinserien jeweils zum zugewiesenen Sitzplatz.

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    „Es muss eine Leidenschaft sein, keine Wissen-schaft“, sagt Hannes Reeh immer gerne, wenn er übers Weintrinken spricht. Der Winzer kom-biniert langjährige Familientradition und die Authentizität eines echten Burgenländers mit der Weinerfahrung aus der Neuen Welt. Das Resultat seines Schaffens: Zugängliche Wei-ne, die sowohl Laien als auch eingefleisch-te Kenner überzeugen.

    Das alles tut er in einer Gegend, die in Österreich ihresgleichen sucht: Mitten im pannonischen Heideboden, östlich des Neusiedler Sees. Einem Naturparadies, geprägt von ausgedehnten Steppenland-schaften, Salzlacken – und reich bewachse-nen Reben. Nur wenige Kilometer von der ungarischen Grenze entfernt befindet sich die Gemeinde Andau, einer der sonnen-reichsten und regenärmsten Orte des Lan-des. Und an dessen Rande liegt das Weingut Hannes Reeh.

    Das pannonische Klima ist wie gemacht für gu-ten Wein, denn hier wachsen außerordentlich reife Trauben heran, die Weine von eleganter Kraft und Fülle hervorbringen. Vor allem Rotweine wie Zwei-gelt und Cabernet Sauvignon gedeihen am Heide-boden bestens. Doch auch andere Traubensorten

    wie Chardonnay oder Weißburgunder genießen die geologischen und witterungsbedingten Vor-züge der Region.

    Hannes Reeh verarbeitet eine Rebfläche von etwa 120 Hektar. Dabei ist es ihm wichtig,

    dass sich möglichst simple Verfahren durch den gesamten Prozess ziehen. Der Wein wird schonend und nachhaltig großgezo-gen und nach der Handlese im 2012 er-öffneten Weinkeller weiterverarbeitet, wo unterschiedliche Sorten über Monate im Barrique nachreifen und an der optimalen Zusammenstellung seiner Cuvées getüftelt wird.

    Hannes Reeh stellt einfache, aber exzel-lente, ausgewogene Weine her, die sowohl bei der festlichen Verkostung als auch beim gemütlichen Zusammensitzen gute Figur machen. ◊

    FÜHRUNG UNPLUGGEDBesuchen Sie unser Weingut, flanieren Sie durch die großzügig angelegte Gartenlandschaft des Hauses, verkosten & genießen Sie im Ab-Hof-Shop oder werfen sie im Zuge unserer UNPLUGGED-Führung einen Blick in die Kellerei des Weinguts. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

    HANNES REEH GMBH Augasse 11, 7163 Andau hannesreeh.at

    PASSION FÜR – NATÜRLICH – GUTEN WEIN

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    Hannes Reehs Wein ist kein Gentleman. Vielmehr ist er ein geselliger Freund, den man gerne in seiner Runde aufnimmt. Er möchte nicht ständig besprochen und befachsimpelt werden. Sondern einfach gut sein. Und leicht zu genießen.

    17 Früchten auch noch „einen Hauch Gojibeere“ entdeckt zu haben – auch wenn „viel Verschiede-nes“ schon ein Zeichen für einen komplexen Wein ist. „Erfühlt“ werden auch Säure, Gerbstoff vulgo Tannin, der weich, körnig, (jugendlich) ruppig und vieles mehr sein kann. All diese Komponenten in ihrem Zusammenspiel erzählen, was man für eine professionelle Einstufung der Weinqualität braucht – oder für das Erraten von Rebsorten oder Herkünf-ten in entspannter Freundesrunde.

    UTENSILIEN & RITUALE

    Basis für eine gute Vergleichbarkeit von Weinen sind idente, saubere Stielgläser, die sich nach oben hin verjüngen. Gute Gläser machen einen Unter-schied. Der Stiel ist zum Anfassen da. Hält man ein Glas am Kelch, erwärmt sich der Inhalt rasch und zuviel Wärme bringt manches deutlicher he-raus als notwendig, zum Beispiel den Alkohol. Das Schwenken des Glases hilft Aromen freizusetzen. Und gespuckt wird, um sich auch nach mehreren Proben noch die Urteilsfähigkeit und einen aufrech-ten Gang zu erhalten.

    Blindverkostungen mit verdeckten Etiketten sind im Beruf die Annäherung an größtmögliche Ob-jektivität und ein großer Ratespaß in Weinrunden. Beurteilt werden Vielfalt und Zusammenspiel aller Komponenten in Nase und Mund. Harmonie, Aus-gewogenheit, ein langes Finish deuten auf höhere Qualität hin, sich intensivierende Aromenvielfalt im Glas ebenfalls. Angeberei im Sinne eines her-ablassenden „Was? Du schmeckst die Brombee-re nicht?!“ oder „Eindeutig Grüner Veltliner! Wie kommst du da nur auf Chardonnay?“ gibt es immer wieder. Lassen Sie sich davon nicht beeindrucken. Denn bei all dem „Wein-Tamtam“ steht vor allem eines im Zentrum: die Freude am Entdecken der unendlichen Weiten der Weinwelt. ◊

    WAS DER GAUMENSCHMECKT

    SüßeTrocken, halbtrocken oder süß?

    SäureMild, frisch, rassig oder spitz?

    KörperZart, mittel, füllig oder opulent?

    Tannine (Gerbstoffe)Wenig oder viel? Pelzig, adstringierend, abgerundet oder weich?

    AromenFruchtig, blumig, kräuterig, erdig? Siehe Aromarad auf Seite 41!

    AlkoholLeicht, mittel, kraftvoll oder gar brandig?

    AbgangKurz, mittel oder lang?

    Frauen, die Wein verkosten

    und ihr Urteil abgeben, haben längst keinen

    Seltenheitswert mehr.

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    LUST AUF WEINWISSEN DAS KAMPTAL MACHT SCHULE Sie wollen mehr über das Getränk in Ihrem Glas wissen? Es gibt überraschend viele

    Möglichkeiten, in das Thema Wein einzutauchen. Das Schöne ist, Wein ist weniger kompliziert, als man glaubt – gleichzeitig lernt man nie aus.

    Weinwissen aus erster Hand: Bei der Kamptal Akademie vermitteln Winzer in zweistündigen Kursen auf charmante und genussvolle Weise Wein-Basics.

    WEINBILDUNG

    oran erkenne ich einen Grünen Velt-

    liner im Glas? Was zeichnet einen Wachauer Ries-ling aus? Wie stellt man einen Orange Wine her? Wo liegt Rioja? Was ist ein Gemischter Satz? Und was ein Weinviertel DAC? Zumin-dest die Basics zu kennen, gehört schon fast zum guten Ton und sich für Wein zu interessieren, ist sogar ziemlich hip.

    Woher aber kommt das gan-ze Weinwissen? Bevor man los-legt, sich durch die Weinwelt zu verkosten, schadet es jedenfalls nicht, einen Grundstein zu le-gen. Denn hat man das kleine „Weinmaleins“ intus, wird das Verkosten verschiedener Rebsor-ten, Gebiete und Weinstile gleich interessanter. Erstens, Fachlite-ratur, aber auch YouTube-Videos bilden weiter. Zweitens, wann immer sich die Gelegenheit er-gibt, löchern Sie die Winzer mit allen Fragen, die Ihnen einfallen. Und drittens, Seminare und Kur-se, bei denen Profis ihre Wein-begeisterung und ihr Fachwissen direkt beim gemeinsamen Wein-verkosten vermitteln, zahlen sich absolut aus.

    VOM WEINLAIEN ZUM EXPERTEN

    Die fundierteste Ausbildung für Weinkenner und vor allem für jene, die es werden wollen, bie-

    tet die Weinakademie in Rust im Burgenland. Das Programm reicht vom Weinschnuppertag bis zur mehrjährigen anspruchsvol-len Fachausbildung. Einsteiger beginnen mit dem Basisseminar, worauf zwei Aufbauseminare mit unterschiedlichen Schwer-punkten folgen, immer begleitet vom Verkostungstraining. Da-ran schließt das international ausgerichtete „Weinakademiker Diploma“ an. Bei der Abschluss-prüfung müssen die angehenden Weinakademiker unter anderem ein Dutzend Weine „blind“ ver-kosten, beschreiben und einen Tipp zu Herkunft, Rebsorte und Jahrgang abgeben.

    JE NACH ANSPRUCH

    Die klassische Ausbildung zum Diplomsommelier bzw. zur Dip-lomsommelière am WIFI ist eine eine Alternative, die den gastro-nomischen Zugang und auch die Kombination von Wein und Speisen in den Fokus rückt. Be-sonders kurzweiliges Eintauchen ins Weinwissen offeriert die erst 2019 gegründete Kamptal Aka-demie in Niederösterreich. Das Modul für Einsteiger wird von den Winzern selbst im Weinbau-gebiet abgehalten. Mit ihnen geht es im Anschluss an den Vortrag mitunter auch in die Weinberge oder in den Keller. ◊

    Wer einmal Weinexperten bei einer Weinbeschrei-bung zugehört hat, staunt, was man alles in einem Wein erriechen und erschmecken kann. Was be-deutet es, wenn ein Wein eine „fruchtbetonte Nase“ hat, „ganz trocken, aber doch saftig am Gaumen“ ist, und „einen langen Nachhall mit mineralischen Noten“ besitzt? Wer mehr über Weine im Allgemeinen und Kamp-taler Weine im Besonderen erfahren möchte, kann seit letztem Frühjahr einen Kurs in der Kamptal Akademie belegen. Die Vortragenden und die Kurs-räume verteilen sich dabei auf das ganze Weinbau-gebiet: Die Schulungen werden von rund 20 Win-zern in ihren Weingütern gehalten.Es sind keinerlei Vorkenntnisse nötig, die Kurse sind ganz bewusst für Weinliebhaber und Einstei-ger gedacht. Es gibt keine falschen oder peinlichen Fragen, Weine werden gemeinsam mit dem Vor-tragenden in entspannter Atmosphäre besprochen und verkostet. Der erste Teil ist theoretisch, in der zweiten Stunde werden gemeinsam sechs unter-schiedliche Weintypen aus dem Kamptal probiert. „Mit der Schaffung der Kamptal Akademie geht das Kamptal als erstes Weinbaugebiet Österreichs in puncto Wissensvermittlung einen vollkommen neuen Weg“, freut sich Winzer Fred Loimer, Ob-mann des Regionalen Weinkomitees Kamptal und der Weinstraße Kamptal. „Auf Teilnehmerseite sind die Kurse eine interessante Alternative für all jene, die kurzweilig in Weinwissen eintauchen möchten. Für das Kamptal ist die Akademie hingegen eine weitere Möglichkeit, sich als hochklassige und in-novative Weinbauregion zu präsentieren“, erklärt Loimer. ◊

    BUCHTIPP

    111 WEINE AUS ÖSTERREICH, DIE MAN GETRUNKEN HABEN MUSS

    Das handliche Taschen-buch ist kein herkömmlicher Weinführer, sondern erzählt in 111 unterhaltsamen Geschichten, die vollgepackt sind mit Weinwissen, von der lebendigen und vielfältigen österreichischen Weinszene.

    Von Daniela Dejnega & Luzia SchrampfEmons VerlagISBN 978-3-7408-0618-7 € 17,50

    Im Sommer finden die Kurse der Kamptal Akademie regelmäßig statt, ab sechs Personen sind aber auch individuelle Vereinbarungen möglich.

    ANMELDUNG & INFOS: Langenloiser Ursin Haus Tel.: +43 2734 2000-0 [email protected] kamptal-akademie.at

    Gibt es auch Rotwein im Land

    des Grünen Veltliners? Was

    könnte ein Brünnerstrassler

    sein? Und was ein Uhudler?

    Warum droht manchmal Gefahr

    beim Pet Nat? Und was hat

    Korea mit all dem zu tun?

    Entdecken Sie 111 köstliche

    Weine aus Österreich, von

    still bis prickelnd, von weiß bis

    maischevergoren. Seien Sie

    offen für neue Weinerlebnisse

    und lassen Sie sich von der

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    DANIELA DEJNEGA | LUZIA SC

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    RENT A REBSTOCKIM RETZER LAND

    Wer in die Welt des Weines eintaucht, will auch etwas über seine Herstellung erfahren. Eine perfekte Möglichkeit, sowohl Weingartenarbeit

    als auch Winzer kennenzulernen, bietet die Aktion „Rent a Rebstock“ im Weinviertel. Margreth Schinko und Georg Moravec aus Wien

    versuchten sich eine Saison lang als Hobbywinzer in Schrattenthal.

    IM GESPRÄCH

    Woher stammte die Idee, bei „Rent a Rebstock“ mitzumachen?Margreth Schinko: Mundpropa-ganda! Eine ehemalige Arbeits-kollegin hatte das selbst auspro-biert und war begeistert. Und fürmich war klar: Das ist das perfek-te Geburtstagsgeschenk für mei-nen Freund zum 40er. Denn er ist wie ich ein absoluter Weinfreak.

    Wie war der Start ins Winzer-leben? Beim ersten Termin im März des Vorjahres wurde unsere Gruppe – insgesamt 20 Weinliebhaber – ganz offiziell vom Bürgermeister im Gemeindeamt begrüßt und die sieben Rent-a-Rebstock-Win-zer boten Weine zur Verkostung an. Ein supernetter Einstieg.

    Danach hieß es ab in den Wein-garten? Genau. Der Winzer Martin Mühl-berger stellte für die Gruppe ei-nen Hektar mit Grünem Veltliner in Schrattenthal zur Verfügung. Dort bekamen wir eine eigene Rebzeile mit 40 Stöcken. An vier Terminen waren wir dann im Weinberg, gleich im März für den Rebschnitt inklusive Anbinden der Reben. Zwei Winzer zeigten die Arbeiten jeweils vor und ver-mittelten viel Wissen. Nach ein paar Stunden konnten wir uns beim Weingutsbesuch mit einer Winzerjause stärken.

    Wie ging es dann weiter?Mitte Juni war die Laubarbeit dran. Eine spezielle Herausforde-rung war das Ausdünnen, denn im Sinne der Qualität mussten

    wir bereits weit entwickelte Trauben auf den Boden schnei-den. Dann folgte Mitte Septemberdie Ernte und einige Monate spä-ter konnten wir den abgefüllten Wein verkosten und 40 Flaschen mit eigenen Etiketten versehen.

    Was hat am meisten Spaß ge-macht? Die Unternehmung an sich machte großen Spaß und die Zeit in der Natur war extrem schön. Dreimal haben wir im Gebiet übernachtet und festgestellt, wie toll die touristische Infrastruktur im Weinviertel ist. Wir lernten unterschiedliche Winzerper-sönlichkeiten und super Weine kennen. Auch die Hobbywinzer- Gruppe hat sich von Mal zu Mal besser verstanden.

    Was war am anstrengendsten? Die Lese! Die fand ich auch ein wenig desillusionierend. Man hat ja eine eher romantische Vor-stellung von der Weinlese. Wir kamen dabei aber ordentlich ins Schwitzen. Cool war, dass wir den frischen Saft der Trauben direkt von der Presse probieren konnten – der beste Traubensaft, den ich je getrunken habe!

    40 Flaschen Grüner Veltliner undein Winzerdiplom. Zufrieden?Absolut. Unser Wein kam auch in e