Weitere experimentelle Untersuchungen über die Quelle und den Verlauf der intraokularen...

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(_&us der Universit.~ts-Augenklinik zu Heidelberg. -- Direktor: Geh. Hofr~t Prof. Dr. Wagenmann.) Weitere experimentelle Untersuehungen iiber die Quelle und den Yerlauf der intraokuhren Saftstriimung. XXIV. Mitteilung, Uber ein einfaehes Yersuchsmodell zur Yeranschauliehung des Zu. sammenwirkens hydrostatischer und osmotiseher Triebkr~ite beim physiologisehen Fliissigkeitswechsel im Auge. Von Pro£ Dr. Erich Seidel, Oberarzt tier Klinik, Mit 3 Textabbildungen. Die wiehtige l~olle, die der osmofisehe Druek der Blutkoltoide zu- s~mmen mit dem hydrostatischen Augenbirmendruek als Triebkr~ft flit den Fliissigkeitsweehsel im Auge spielt, ka, nn man sich leicht, mit Abb, 1, Hilfe eines einfachea Ver- suehsmodells ver~nsehau- lichen, das ieh im folgen- den besehreiben m6ehte: Der kleine App~rat stellt einen Osmometer d~r mit einer fiir Blut- eiweig undurehl~ssigen KoUodiummembran, des- sen AuBenfliissigkeit, eine blutisotonisehe SaIz- 15sung, unter einen ver- sehieden hohen, dem Au- gendruek entspreehenden hydrostatischen Druek gesetzt werden kann. Wie man aus Abb. 1 ersieht, hgngt der mit mensehliehem Blur- serum angefiillte, mittels 4proz. Kotlodium hergestetlte Osmometersack in einem kleinen Glaszylinder von etwa 3 cm Durchmesser und 8 cm ttShe, der mit Ringert6sung oder kiinstlichem K~mmerwasser a]s AuBenfliissigkeit besehickt wird. Der Glaszy]inder, der gleichsam die Vorderk~mmer des Auges dar- stetlt, ist mit einem GummistSpsel was,serdicht abgesehlossen. Man kann

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Page 1: Weitere experimentelle Untersuchungen über die Quelle und den Verlauf der intraokularen Saftströmung

(_&us der Universit.~ts-Augenklinik zu Heidelberg. -- Direktor: Geh. Hofr~t Prof. Dr. Wagenmann.)

Weitere experimentelle Untersuehungen iiber die Quelle und den Yerlauf der intraokuhren Saftstriimung.

XXIV. Mitteilung,

Uber ein einfaehes Yersuchsmodell zur Yeranschauliehung des Zu. sammenwirkens hydrostatischer und osmotiseher Triebkr~ite beim

physiologisehen Fliissigkeitswechsel im Auge.

V o n

Pro£ Dr. Erich Seidel, Oberarzt tier Klinik,

Mit 3 Textabbildungen.

Die wiehtige l~olle, die der osmofisehe Druek der Blutkoltoide zu- s~mmen mit dem hydrostatischen Augenbirmendruek als Triebkr~ft flit den Fliissigkeitsweehsel im Auge spielt, ka, nn man sich leicht, mit

Abb, 1,

Hilfe eines einfachea Ver- suehsmodells ver~nsehau- lichen, das ieh im folgen- den besehreiben m6ehte:

Der kleine App~rat stellt einen Osmometer d~r mit einer fiir Blut- eiweig undurehl~ssigen KoUodiummembran, des- sen AuBenfliissigkeit, eine

blutisotonisehe SaIz- 15sung, unter einen ver- sehieden hohen, dem Au- gendruek entspreehenden hydrostatischen Druek gesetzt werden kann.

Wie man aus Abb. 1 ersieht, hgngt der mit mensehliehem Blur- serum angefiillte, mittels 4proz. Kotlodium hergestetlte Osmometersack in einem kleinen Glaszylinder von etwa 3 cm Durchmesser und 8 cm ttShe, der mit Ringert6sung oder kiinstlichem K~mmerwasser a]s AuBenfliissigkeit besehickt wird.

Der Glaszy]inder, der gleichsam die Vorderk~mmer des Auges dar- stetlt, ist mit einem GummistSpsel was,serdicht abgesehlossen. Man kann

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E. Seidel: ~reitere experimentelle Untersuehungen usw. 389

im Inneren des Glaszylinders Mcht einen hydrostatischen Druck ver- schiedener GrSBe herstellen mit Hitfe einer mi~ Ringerl6sung angefiillten Glasflasche, deren am Boden befindliche AusfluBSffnung mittels Gummi- schlauches mit einer Glascapillare komn~uniziert, welche dutch den Gummistopfen des Glaszylinders in dessert Inneres bis zur unteren tI~lfte hinabreieht. Dureh Erheben dieser Glasflasche str5m~ Fliissig- keit ins Innere des Glaszylinders ein, so dab man ]eden gewiinschten Druck yon 1--25 mm Hg im Inneren des Glaszylinders herstellen und dutch AbschlieBen des an der Capillare angebrachten Glashahnes kon- stan~ erhalten kann. Zum Ablesen des innerhalb des Glaszylinders vor- handenen Druckes dient ein Wasserstandsglas, eine GlasrShre yon 4 mm Durchmesser und etwa 35 cm L~nge, die den Gummistopfen des Glaszylin- ders ebenfalls durchbohrt und an dessen innerer Oberfl~ehe abschneidet.

Der im Inneren des Glaszylinders h~ngende Kollodiumsack, der, um eine vollkommene Stabilit~t seines Votumens zu erzielen, dutch ein platiniertes Metallsieb gestiitzt werden kann, besitzt einen Durch- messer yon etwa 1,5 cm und eine HShe yon 2,0 em und ist oben dureh einen Gummistopfen ebenfalls wasserdieht versehlossen. In diesem Gummistopfen finden sich 2 BohrlScher: ein engeres, durch welches eine 80 em lange dfinne Glascapillare mit einer Iichten Weite yon 1,13 mm als Steigrohr des Osmometers bis zur Mitre des Sackes hinabreicht, and ein weiteres, in welches eine kurze Glascapillare mit gr6gerem Durchmesser, etwa 3 mm, bis zur inneren Oberfl~ehe des Osmometer- stopfens eingeffihrt wird. Beide I~Shren durchdringen weiter oben den Gummistopfen des Glaszylinders. Die weitere kurze Glascapillare dient zur Beschickung des Osmometersaekes mit Blutserum and be- sitzt nahe ihrem oberen Ende einen Glashahn.

Die Beschickung des Osmometersackes mit Serum wird mit Hilfe einer Rekordspritze yon 10 cem Inhalt vorgenommen, auf die eine diinne Kaniile aufgesetzt wird, die man durch die weite Glascapillare in den Kollodiumsack hinabfiihrt. Ist der Sack vollst~ndig ohne Zuriiekbleiben yon Luftblasen mit Serum angefiillt, so kann man leieht verschiedene DruekhShen im Inneren des Kollodiumsaekes herstellen, indem man mit Hilfe der mit Serum gefiillten gekordspritze, die man mittels eines kur- zen Sehlauchstiickes mit dem oberen Ende der Beschiekungseapillare verbindet, eine entsprechende Menge Serum in den Kollodinmsack hineinpreBt und den Glashahn dann abschlieBt. Den im Inneren des Osmometersaekes vorhandenen hydrost.atischen Druek erkennt man am Stande des Serumspiegels im S~eigrohr des Osmometers.

Dcr kleine Apparat wird e~wa 1/2 Stunde vor Beginn des eigentliehen Versuehes in. einen Brutofen gestellt, in dem eine Temperatur yon 37 ° herrscht, und seine Beschiekung daselbst mi~ den entsprechenden Fliissigkeiten, die dieselbe Temperatnr besitzen, vorgenommen.

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390 E. Seidel: Weitere experimentelle Unter~uchungen

Mit Hitfe dieses e infachen A p p a r a t e s ka rm m a n sich teieht yon den Ta t saehen fiberzengen, auf die ieh in Mit tef lungen X X I 1) u n d X X I I I 2)

bere i ts hinwies. I e h besehr~nke mieh dar~uf, h ier n u t e inen Hauptversuch anzuf i ihren

und d u t c h 2 K u r v e n (Abb. 2 und 3) zu veransehaul iehen .

Man fiille den 4proz. Xollodiumsack des Osmomet.ers in angegebener Weise mit frischem, sterilem, yon einem gesunden Menschen stammenden Blutsernm yen etwa 8 - - 9 ~ Eiweiggehalt, so daft sich der Serumspiegel etwa am Anfang der Steigr6hre oder einige Zentimeter fiber dem Gumraistopfen des Glaszylinders be- finder. Ins Innere des Zylinders bringt man Ms Aul]enfltissigkeit Ringerl6sung his zur Mitts oder bis zum oberen Rande des Xollodiumsackes.

Man beobachtet dann in den folgenden Stunden, dag die Serumsi~ule im Steig- rohr des Osmometers langs~m in die HShe steigt und in etwa 16--20 Stunden ihren h6ehsten Stand erreieht hat. Der Serumspiegel steht zu dieser Zeit je naeh dem EiweiBgehalt des verwandten Serums etwa 35--40 cm fiber dem Ringer- spiegel und bleibt bei gleiehbleibenden. Versuchsbedingungen in den folgenden Tagen nnvera.nder~ auf dieser HShe stehen.

Steigert man jedoch, nachdera der h(iehste Stand des Serumspiegels yon etwa 40 em im Steigrohr des Osmometers erreicht ist, den Druek in der Aul?enfliissigkeit des Osmometers, indem man dutch langsames Erheben d e r m i t RingerlSsung geftilIten Glasflasehe dutch die entsprechende Glaseapillare RingerlSsung ins Inhere des Glaszylinders langsam eintrcten l~.Bt, his der Ringerspiegel um 33 em (25 mm Hg} gestiegen ist, was man am Wasserstandsglas ablesen kann, so beobachtet man, wie der Serumspiegel im Steigrohr des Osmometers wieder langsam zu steigen beginnt, und in etwa 24 Stunden seinen hSelasten Stand bei 66--70 em ~iber dem ursprting- lichen Ringerspiegel erreieht hat, um auf dieser HOhe nun (bei gleiehbMbenden Versuehsbedingungen) unver~nder~ zu verharren.

Senkt man jedoeh den Druek im Glaszylinder wieder auf die ursprfingliehe ItShe, indem maxt die RingertSsung wieder in die Glasflasche iibertreten IM~t, bis der ursprtingliehe Stand des Ringerspiegels (entsprechend etwa dem oberen P~nde des KoLlodiumsaekes) erreicht isg, so beobachtvt man, dag im Laufe der n~chsten Stunden der Serumspiegel im Steigrohr des 0smometers wieder langsam f~llt bis auf etwa 40 era, we er stehen bleibt, urn erst dann wieder zu steigen, wenn der hydrostatisehe Druek der Aul3enfltissigkeit vermehrt wird.

Man k a n n dera r t ige Versuche, die sich fiber mehrere Tags ers t reeken, a m bes ten fibersehen, wenn man sieh die dabe i gemaeh ten Beobaeh tun - gen graph iseh in K u r v e n f o r m atffzeiehnet, was in den be iden Versuehen gesehehen ist, de ren Kurven auf Abb. 2 und 3 wiedergegeben sind.

Die K u r v e n s ind so gewonnen, dab die a m Ste igrohr des Osmomete r s zu versehiedenen Zei~en ~bgelesene HShe des Serumspiegels als Ordi- na ten in s in reehtwinkel iges K o o r d i n ~ e n s y s * e m eingezeiehnet wurden, wghrend die en tspreehenden Zei ten auf der Abszissenaehse abzulesen s in&

Der ers te Tel l der Kurve , gleiehsgm die erste Stole , ze igt die Wasser - bewegung, die dureh den osmot isehen D r u e k der Blutkogoide allein hervorgerufen ist, ds~ der AuBendruek in der Ringerl6sung, der du tch die punk t i e r t e Linie angedeu te t wird, so gut wie 0 ist. Naeh e twa

~) v. Graefes Arch. f. Ophth. 113, 222. ~) v. Graefes Arch. f. Ophth, 114, 166.

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fiber die Quelle und den Yerlauf der intraok~flaren SaRstr6mung. XXIV. 391

16--20 Stunden war in diesen F~llen der hSchste Stand des Serumspiegels bei etwa 40 cm erreicht, was man daran erkennt, dab die ~rffangs steil nach anlw~rts strebende Kurve sieh wendet und ann~hernd horizontal verl~uR. Je tz t wurde, wie man aus der punktier ten Linie ersieht, der hydrostatische Druck der AuBenfl/iss~gkeR erhSht, was sofort in einer

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Abb. 3,

Aufw~rtsbewegung des Serumspiegels sich ~uBerte, die nach etwa 24 Stun- den beendet war, n.achdem derselbe eine H6he yon bald 68 cm (d. h. etwa 50 m m Hg), erreicht hatte. Senkte man jetzt den Druck in der Aul~en- fliissigkeit, so t ra t im Laufe der n~chsten 24 Stunden wieder ein Absinken des Serumspiegels ein his auf die urspriingliche ItShe yon etwa 40 cm.

Man erkennt aus solchen Kurven ohne weiteres, dab die dutch den osmotischen Druck der Blutkolloide hervorgerufene Wasserbewegung durch den hinzutretenden hydrostatischen Augendruck verst~rkt wird,

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392 E. Seidel: Weitere experimentelle Untersuchtmgen usw.

d . h . dM~ sich die Wirkungen der beiden gen~nnten physikMischen Kr~fte beziiglich des Wassertransportes direkt addieren.

Weiterhin ka, nn man sich auf Grand solcher Kurven eine gute Vor- stellung bilden fiber die Gr5Be des Abflu{]druckes nach einem bestimm- ten Gef/~Bbezirk, sobald man dessen Blutdruck lcennt.

Wie man sofort einsieht, wird die GrSBe des AbfluBdruckes dar- gestellt durch die Ordinate, die man veto hSehsten Punkt der Kurve auf diejenige HorizontMe a]s Abszissenachse f~llt, die die H6he des Blut- druekes in dem bet.reffenden Gef~l~bezirke angibt, man erkennt aus solchen Knrven, dab der dureh den osmotisehen Druek der Blutko]loide allein bewh'kte Abflu~(~druek nach den C~pillaren der Iris, in denen ein Blut- druck yon etw~ 30ram Hg herrscht~), verschw~ndend klein (Abb. 3), gleich Null oder gar negativ (Abb. 2) isL und dab nur durch das t t inzutreten des hydrostatischen Aul~endruckes yon 25 mm Hg, des Augendruckes, ein AbfluB yon Ka,mmerwasser in die Capillaren erfo]gen k~nn. Ferner erkennt man, dal] die Verh~ltnisse ffir den Schlemmsehen KanaI insofern anders liegen, als auch sehon dureh Osmose allein ein Wassertransport in die Sehlemmschen Venen, in denen ein Druck yon nur 15 ram Hg herrseht2), erfolgen kann, dab jedoeh dieser dureh Osmose allein bedingte Abflul~druek ganz betr~chtlieh durch den hinzutretenden hydrostatischen AuGendrnek yon 25 mm I=[g~ d. h~ den intraokularen Druek, verrr~ehrt wird, wie ieh das frfiher schon an der Hand yon Skizzen n£her erlguterteS).

Weiterhin wh'd dureh Betr~chtnng der Kurven ktar, dab in einem Gef~I~gebiet, in welchem ein Blutdruck yon fiber 50 mm Hg herrseht, selbst dutch die sich addiemnde Wirknng yon osmotisehem Druek der Blutkolloide und intraokularem Druck l~ein Kammerwasserabflul~ erfolgen k~nn, da der hOchs~e Stand des Serumspiegdts den Wert yon 50 mm Hg oder 70 em Serum in der Regal nicht erreicht und ]eden/alls hie merldich i~berschreitet, eine Tatsache, yon der ich reich endlieh noeh durch eine Reihe weiterer Versuehe fiberzeugte, die ieh so vornahm, da.l~ ieh gleieh zu Beginn des Versuehes bei einem Aul~endruek yon 25 mm Hg den Serum- spiegel im Steigrohr des Osmometers auf etwa. 65 em gShe einstellte. - -

Diese sehr ein~achen Versuche zeigen deutlieh, dal] die vereinigten hydrostatischen und osmotisehen IC~r/~fte im Auge in demseiben ]Srde~n- den Sinne auf den Fltissigkeitsabtransport aus dem Auge in die Blut- bahn wirken, am die entgegengesetzt gerieht, ete, abflufihem~nende Wir- kung des Blutdruckes in den betreffenden intraokul~ren Gef/~Ben zu i]berwinden.

1) v. Graefes Arch. f. Oph~h. 114, 163. 2) v. Gr~efes Arch. f. Oph~h. ll2, 252; Ill , 231; 114, 161. 3) v. Graefes Arch. f. Ophth. ll~, 222 und 114~ 166.