Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

72
Heimatkunde Heinrich-Böll-Stiftung D 10117 Berlin Schumannstraße 8 Telefon +49.30.2 85 34-00 www.heimatkunde.boell.de Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur Heimatkunde - Dossier November 2014

Transcript of Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Page 1: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Heimatkunde

Heinrich-Böll-Stiftung

D 10117 Berlin

Schumannstraße 8

Telefon +49.30.2 85 34-00

www.heimatkunde.boell.de

Welcome to Germany III

Visapolitiken und Willkommenskultur

Heimatkunde - Dossier

November 2014

Page 2: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 1

Page 3: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 2

Impressum

Herausgeberin: Heinrich-Böll-Stiftung

Redaktion: Elisabeth Gregull & Heimatkunde-Redaktion

V.i.S.d.P.: Julia Brilling

Erscheinungsort: www.heimatkunde.boell.de

Erscheinungsdatum: November 2014

Das gesamte Dossier und die einzelnen Beiträge stehen unter einer

Creative Commons Lizenz. (CC BY-NC-ND). Sie dürfen verbreitet,

vervielfältigt oder öffentlich zugänglich gemacht werden unter

folgenden Bedingungen:

• Namensnennung – Sie müssen den Namen des Autors/

der Autorin und des Rechteinhabers (Heinrich-Böll-Stiftung)

sowie die URL des Werks (Direktlink) nennen.

• Keine kommerzielle Nutzung - Dieses Werk darf nicht für

kommerzielle Zwecke verwendet werden.

• Keine Bearbeitung - Dieses Werk darf nicht bearbeitet,

abgewandelt oder in anderer Weise verändert werden.

Abweichungen von diesen Bedingungen bedürfen der Genehmi-

gung des Rechteinhabers: [email protected] -

ausführlicher Lizenzvertrag unter: http://creativecommons.org

Page 4: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 3

Heimatkunde – das migrationspolitische Portal der Heinrich-Böll-Stiftung

www.heimatkunde.boell.de

Das migrationspolitische Portal „Heimatkunde“ präsentiert Informationen, Analysen und

Meinungen zu den großen Themen Migrationspolitik, Teilhabegesellschaft, Diversity

Management. Darüber hinaus bietet es Raum für künstlerische Interventionen und

kulturelle Ausdrucksformen. So vielfältig wie die Gesellschaft sind auch unsere

Themen.

Eine Übersicht aller Dossiers ist online zu finden unter:

http://heimatkunde.boell.de/dossiers

Elisabeth Gregull studierte Germanistik, neugriechische Literatur und Geschichte in

Berlin und Thessaloniki. Sie arbeitete zehn Jahre für Stiftungen und Organisationen im

Bereich demokratischer und interkultureller Bildung. Nach ihrem Zweitstudium (Fach-

journalismus) ist sie seit 2011 als freie Journalistin zu den Themen Migration, Diversity

und Folgen der NS-Zeit tätig.

Page 5: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 4

„Welcome to Germany“ - Eine Dossier-Reihe zu

Migration und Willkommenskultur in Deutschland

Der Begriff „Willkommenskultur“ gewinnt auch in Deutschland immer mehr an Populari-

tät. Nachdem Deutschland realisiert hat, dass es ein Einwanderungsland ist, steht nun

immer mehr die Frage nach Teilhabe im Vordergrund: Willkommenskultur als Konzept

zur Förderung einer bundesdeutschen Teilhabepolitik, das Menschen aus EU- und

Drittstaaten Teilhabe in allen Teilen der Gesellschaft erleichtern soll. Der Begriff wird

derzeit vor allem im Kontext von Zuwanderung von begehrten Fachkräften aus dem

Ausland verwendet. Angesichts des demografischen Wandels soll der angestrebte

„Kulturwandel“ dazu dienen, dem Fachkräftemangel zu begegnen.

Doch wie sieht es mit der Willkommenskultur für jene Migrant_innen aus, die schon

(lange) in Deutschland leben? Rechtliche Regelungen, die mangelnde und sehr spät in

Gang gekommene Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse stell(t)en alltägliche

Hindernisse dar. Ganz besonders gilt dies für Asylsuchende und Geflüchtete. Was

bedeutet Willkommenskultur angesichts struktureller Diskriminierung im Bildungssektor

und auf dem Arbeitsmarkt?

Die Dossier-Reihe „Welcome to Germany“ möchte die zum Teil verengte Diskussion

um Willkommenskultur öffnen und in den Kontext „Migration – Arbeit – Menschenrech-

te“ stellen. Der erste Teil widmet sich der „Fachkräftemigration“, der zweite Teil dem

Thema „Flucht und Asyl“, der dritte dem Thema „Visa“ und der vierte dem Thema

„Menschenhandel“. Aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten die Dossiers die

Frage, wie eine Willkommenskultur aussehen müsste, die die Arbeits- und Menschen-

rechte aller Migrant_innen und People of Color umfasst.

Julia Brilling Elisabeth Gregull

Heinrich-Böll-Stiftung Dossier-Redaktion

Page 6: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 5

Inhaltsverzeichnis

„Welcome to Germany“ - Eine Dossier-Reihe zu Migration und Willkommenskultur in Deutschland 4

Über das Dossier 6

Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

Elisabet Poveda Guillén 9

Visa für Deutschland - wer kann sie bekommen und wie?

Sidonie Fernau 21

Ehegattennachzug und A1-Sprachtest: (K)ein Recht auf Familienleben und freie Partner_innenwahl für alle?

Mohamed Amjahid 29

Fachkräftemangel und Ausländerbehörde

"Deutschland braucht Ingenieure - keine Journalisten"

Elisabeth Gregull im Gespräch mit Simran Sodhi 33

„Das zeigt einfach, wie machtvoll Netzwerke sind“

Bente Scheller 40

Bleiben oder Gehen? Kein Weg aus der Ausweglosigkeit in Syrien

Iryna Sushko 48

“Strict or fair”? German visa policy in Ukraine

Harinjaka Andriankoto Ratozamanana 61

Unexpected Journey into „Hotel Charles de Gaulle“

Sheena Magenya 69

Getting a Schengen visa to Germany: How to support Kenyan travellers better

Page 7: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 6

Über das Dossier

Welcome to Germany III –

Visapolitiken und Willkommenskultur

„Visum: (...) seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts gebräuchliche Bezeichnung für

‚Sichtvermerk im Reisepass’“, so beginnt der Eintrag im Duden-Herkunftswörterbuch.

Schon im Mittelalter gab es „Geleitbriefe“, die privilegierte Reisende schützen sollten,

während arme Reisende mit Willkürmaßnahmen zu rechnen hatten. In den absolutis-

tisch regierten Staaten Europas wurde dann zur Kontrolle von Reisen der Reisepass

eingeführt.

Die Bedingungen für die Vergabe von Sichtvermerken/Visa und für Reisefreiheit haben

sich über die Jahrhunderte immer wieder geändert. Ob Kriegs- oder Friedenszeiten,

Visa-Bestimmungen unterlagen und unterliegen einem permanenten Wandel.

Aktuell können EU-Bürger_innen auf Grund bestimmter Abkommen in den meisten

Fällen ohne ein Visum in andere Länder der Welt einreisen oder leicht ein Touristenvi-

sum erhalten. Umgekehrt unterliegen vor allem Bürger_innen des globalen Südens

komplizierten und kostenpflichtigen Visa-Verfahren. Nicht immer sind diese Verfahren

transparent; Kriterien wie „Rückkehrbereitschaft“ sind schwer zu belegen und leicht in

Frage zu stellen. Während für Europäer_innen Reisefreiheit und Mobilität ein hohes

und vielgenutztes Gut sind, ist dieses Gut umgekehrt für Menschen aus dem globalen

Süden viel schwerer zugänglich. Sie müssen alle möglichen Nachweise erbringen, oft

lange auf die Bearbeitung von Anträgen warten und Gebühren zahlen, die für lokale

Verhältnisse horrende Summen sein können.

Das spiegelt sich auch auf der Website des Auswärtigen Amtes. Beim Thema Visum

gibt es zwei Rubriken: für Staatsangehörige von EU-Staaten, die für Deutschland kein

Visum benötigen, und für Staatsangehörige von Nicht-EU-Staaten, die bis auf be-

stimmte Ausnahmen grundsätzlich visumspflichtig sind. Dann folgt eine lange „Staaten-

liste zur Visumspflicht“.

Page 8: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 7

Doch Visapolitiken verteilen nicht nur die Möglichkeiten frei zu reisen – sie berühren

auch Bereiche wie Ausbildung und Studium, freiwilliges Engagement, Arbeit, Familien-

zusammenführung und humanitäre Notsituationen. Während es für deutsche und EU-

Bürger_innen dazu gehört, „die Welt gesehen“ oder im Ausland studiert oder gearbeitet

zu haben oder sich dort als Freiwillige_r zu engagieren -, bleibt dies für Bürger_innen

des globalen Südens oft ein hürdenreiches oder unmögliches Unterfangen.

Die Freiwilligenorganisation „Zugvögel“ etwa, die Freiwillige aus dem globalen Süden

an Einsatzstellen in Deutschland vermittelt, hat immer wieder Schwierigkeiten, wenn es

um die nötigen Visa geht. Nachdem der Antrag einer jungen Frau aus Uganda

endgültig abgelehnt wurde, entschied sich die Organisation deshalb, eine Visa-

Kampagne zu starten.

Die unterschiedlichen Visa-Regelungen führen auch dazu, dass beim Ehegattennach-

zug je nach Staatsbürgerschaft unterschiedliche Regelungen gelten, was den Sprach-

nachweis angeht. Ein Flyer des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gibt eine

Übersicht – offen bleibt, warum deutsche Sprachkenntnisse für bestimmte Staatsange-

hörige zwingend sind und für andere nicht. Das jüngste Urteil des Europäischen

Gerichtshofes zeigt, dass Visa-Bestimmungen wie die zum Sprachnachweis und EU-

Recht kollidieren können.

In Europa bietet zwar der Schengen-Raum durch den Wegfall von Binnenkontrollen

eine größere Reisefreiheit. Aber er deckt sich zum einen nicht mit dem Gebiet der EU-

Mitgliedsstaaten. Zum anderen bedeutet der Beitritt mitteleuropäischer Staaten für

Bürger_innen osteuropäischer Staaten neue Hürden bei der Aufrechterhaltung privater

und geschäftlicher Kontakte.

Eine restriktive Visa-Politik kann auch immer ein Einfallstor für Geschäftemacher_innen

sein. Der Handel mit Botschaftsterminen für die deutsche Botschaft in Beirut ist ein

Beispiel dafür, wie die Not syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge ausgenutzt wurde.

„Visapolitiken und Willkommenskultur“ – das ist ein komplexes Thema, das unser

Dossier nur in Ausschnitten beleuchten kann. Nach einer juristischen Einführung

nähern wir uns dem Thema vor allem durch Erfahrungsberichte von Menschen und

Page 9: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 8

Organisationen. Auf der einen Seite gibt es positive Erfahrungen und Einschätzungen

der deutschen Visapolitik als „hart, aber fair“. Auf der anderen Seite stehen aber auch

Beiträge, die ein anderes Licht auf die Willkommenskultur gegenüber Fachkräften oder

binationalen Familien werfen. Sie zeigen, wie man trotz Stelle als Integrationslotsin

oder trotz eines Volontariats bei einer renommierten Tageszeitung plötzlich um seinen

Aufenthalt bangen muss. Wie der 2007 eingeführte Sprachnachweis beim Familien-

nachzug völlig unterschiedliche Voraussetzungen schafft für Menschen mit ein und

demselben Anliegen – je nach Staatsbürgerschaft und lokalen Gegebenheiten. Wie

sich die deutsche Visapolitik aus Sicht einer ukrainischen Nichtregierungsorganisation

darstellt. Wie das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Beirut die Situation syrischer

Bürgerkriegsflüchtlinge erlebt. Und wie man trotz eines gültigen Schengen-Visums und

als eingeladener Referent für eine internationale Konferenz in Abschiebehaft landen

kann.

Julia Brilling Elisabeth Gregull

Heinrich-Böll-Stiftung Dossier-Redaktion

Page 10: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de

9

Elisabet Poveda Guillén

Visa für Deutschland - wer kann sie bekommen und

wie?

Bevor wir in diese Frage einsteigen, müssen wir kurz ein Paar Punkte klären, die für

unsere Rechtslage wichtig und maßgeblich sind. Denn Visum ist nicht gleich Visum.

1. Kurzer oder langer Aufenthalt?

So werden wir immer danach unterscheiden müssen, ob der geplante Aufenthalt im

Bundesgebiet kurzfristig oder langfristig ist. Kurzfristig ist ein Aufenthalt von maximal

90 Tagen in einem Zeitraum von 180 Tagen seit der ersten Einreise. Soll aber der

Aufenthalt länger als 90 Tage dauern, gilt dieser als langfristig.

Dieser Unterschied ist deshalb entscheidend, weil mit ihm die Visumsfreiheit von vielen

Staatsbürger_innen steht und fällt und weil die Voraussetzungen für die Erteilung eines

Visums sich grundlegend je nachdem verändern.

2. Wer braucht ein Visum und wofür?

Nicht alle Ausländer_innen brauchen selbstverständlich ein Visum, um ins Bundesge-

biet einzureisen. Hier können wir zwischen drei Gruppen nach dem Ampelprinzip

unterscheiden:

- Grünes Licht…

haben alle Unionsbürger_innen, denn sie brauchen nichts (außer einen Personalaus-

weis), um jederzeit einreisen und einen Wohnsitz im Bundesgebiet anzunehmen.

- Gelbes Licht…

haben privilegierte Staaten, mit denen auf europäischer Ebene die Visumsfreiheit

vereinbart worden ist:

Albanien, Andorra, Antigua und Barbuda, Argentinien, Australien, Ba-

hamas, Barbados, Bosnien und Herzegowina, Brasilien, Brunei, Chi-

Page 11: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de

10

le, Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Israel, Japan, Ka-

nada, Liechtenstein, Macau, Malaysia, Mauritius, Mazedonien, Mexi-

ko, Moldau, Monaco, Montenegro, Neuseeland, Nicaragua, Panama,

Paraguay, San Marino, Schweiz, Serbien, Seychellen, Singapur, St.

Kitts und Nevis, Südkorea, Taiwan, Uruguay, Vatikanstadt, Venezue-

la, Vereinigte Staaten (einschließlich Puerto Rico).

Hier ist aber Vorsicht geboten, denn die Visumsfreiheit gilt nur für den kurzfristigen

Aufenthalt. Die Staatsangehörigen dieser Staaten können deshalb ohne Visum ins

Bundesgebiet für bis zu 90 Tage zwar einreisen, aber sie können nicht ohne weiteres

nach der Einreise eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck eines weiteren Aufenthalts im

Bundesgebiet erfolgreich beantragen. Dieses rare Privileg ist nur für die Staatsangehö-

rigen

Andorras, Australiens, Brasiliens, El Salvadors, Honduras, Israels,

Japans, Liechtensteins, Monacos, Kanadas, Neuseelands, San Mari-

nos, Südkoreas und der USA

eingeräumt. Alle anderen Bürger_innen aber, die einen langfristigen Aufenthalt im

Bundesgebiet planen, müssen trotz der Visumsfreiheit immer noch ein Visum vorab bei

der deutschen Auslandsvertretung im Heimatland beantragen.

- Rotes Licht…

haben die Staatsangehörigen aller anderen Staaten in dem Sinne, dass sie immer ein

Visum für die Einreise ins Schengen-Gebiet benötigen, egal wie kurz oder lang ihr

Aufenthalt geplant ist. Dies betrifft alle Staatsangehörigen der Weltgemeinschaft, mit

denen keine Visumsfreiheit ausdrücklich vereinbart worden ist, wie etwa die Staaten

aus dem afrikanischen und arabischen Raum sowie großenteils der Nachfolgestaaten

der Sowjetunion, um nur einige Beispiele zu benennen.

3. Wo kann man das Visum beantragen?

Die Visa werden von den Ausländervertretungen, also den Botschaften und General-

konsulaten, der Schengen-Staaten vergeben. Zu den Schengen-Staaten gehören:

Page 12: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de

11

Deutschland, Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich,

Griechenland, Island, Italien, Lettland, Liechtenstein, Litau-

en, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Österreich, Po-

len, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien,

Tschechische Republik und Ungarn.

Wer nach Europa kommt und auch Deutschland besuchen will, braucht nicht unbedingt

ein deutsches Visum. Es reicht, wenn das Visum von einem der Schengen-Staaten

ausgestellt ist. Dies bedeutet also, dass man mit einem litauischen oder ungarischen

Visum, zum Beispiel, auch nach Deutschland reisen kann. Das ist möglich, weil die

Visavergabe im Schengen-Gebiet im Schengener Durchführungsübereinkommen

sowie in einer Fülle von europäischen Rechtsverordnungen für das gesamte Schen-

gen-Gebiet einheitlich geregelt ist. Dies führt dazu, dass das von einem Schengen-

Staat ausgestellte Visum auch für alle anderen Schengen-Staaten gültig ist, so dass

die Weiterreise innerhalb des Schengen-Gebiets unproblematisch innerhalb der

Gültigkeitsdauer sein wird.

Anders verhält sich aber mit einem Visum für einen geplanten langfristigen Aufenthalt

in Deutschland. In diesem Fall wird man das Visum bei der deutschen Botschaft bzw.

dem deutschen Generalkonsulat im Heimatland beantragen müssen.

4. Wie läuft das Antragsverfahren und wie lange dauert es?

Das Verfahren beginnt immer mit einem Antrag der interessierten Person.

Die Antragssteller_innen müssen grundsätzlich immer diesen Visumsantrag im

Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der deutschen Botschaft (oder dem

Generalkonsulat) in ihrem Heimatland stellen.

Es empfiehlt sich sehr, sich vorab über das Procedere auf der Webseite der jeweiligen

Botschaft zu erkundigen. Viele Auslandsvertretungen haben auf ihrer Webseite bereits

die Antragsformulare in verschiedenen Sprachen kostenlos zum Downloaden und

geben wichtige Auskunft über die erforderlichen Unterlagen, die man benötigen wird,

sowie über die Kontaktdaten und Öffnungszeiten. Zudem gibt es einige Auslandsver-

tretungen, die ihre Vorsprachetermine nur online vergeben, so dass man sich eine

lästige Reise umsonst ersparen kann, wenn man sich erst die Webseite anschaut. Das

Auswärtige Amt pflegt eine Liste der Webseiten der verschiedenen Botschaften unter

Page 13: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de

12

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/03-

WebseitenAV/Uebersicht_node.html

Bei der Antragsstellung ist, mit wenigen Ausnahmemöglichkeiten, eine Bearbeitungs-

gebühr in Höhe von 60,- Euro zu entrichten.

Die Dauer des Verfahrens schwankt sehr stark je nachdem, ob ein kurzfristiger oder

langfristiger Aufenthalt beabsichtig ist.

Für ein Geschäfts- oder Besuchsvisum dürfte innerhalb weniger Tage/Wochen eine

Entscheidung reif sein, während die Erteilung eines Visums für einen langfristigen

Aufenthalt mehrere Monate in Anspruch nehmen kann. Der Grund für diese lange

Bearbeitungszeit liegt vor allem darin, dass die Ausländerbehörde des zukünftigen

Wohnorts im Bundesgebiet in der Regel mitbeteiligt werden muss, damit sie ihre

Zustimmung erteilt. Auch die Bundesagentur für Arbeit muss manchmal eingeschaltet

werden und, wenn auch sehr selten, in manchen Fällen sogar das Auswärtige Amt.

Zudem werden üblicherweise für lange Aufenthalte Urkunden (wie etwa Geburts- oder

Heiratsurkunde, akademischen Titel usw.) benötigt, die in manchen Staaten von den

Vertrauensanwälten der Botschaft authentifiziert werden müssen. Hinzu kommen

immer wieder Schwierigkeiten mit den beglaubigten Übersetzungen.

Die Erteilung eines Visums für einen langfristigen Aufenthalt ist deshalb oft ein

beschwerlicher, steiniger Weg, den man aber den Antragssteller_innen leider nicht

ersparen kann.

5. Wie kann ich ein Schengen-Visa für einen kurzen Besuch bekom-

men?

Für alle Schengen-Staaten gelten die gleichen Voraussetzungen, um ein solches

Visum zu beantragen. Ob alle Schengen-Staaten die Voraussetzungen mit der

gleichen Gründlichkeit prüfen, sei dahingestellt.

Der Visakodex normiert die wichtigsten Voraussetzungen, nämlich:

Page 14: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de

13

1. Der Reisezweck muss plausibel sein, das heißt man muss nachvollziehbar

erklären können, was man im Schengen-Gebiet (Tourismus, Geschäftstref-

fen, Freund_innen/Verwandte besuchen usw.) vor hat.

2. Die Finanzierung muss gesichert sein, sei es weil die Antragssteller_innen

sich die Reise aus eigener Kraft leisten können, sei es weil sie von einer fi-

nanzstarken Person im Bundesgebiet eingeladen werden. Diese Einladung

wird dann in Form einer Verpflichtungserklärung abgegeben (mehr zu der

Verpflichtungserklärung im nächsten Abschnitt).

3. Außerdem müssen die Antragsteller_innen eine Reisekrankenversicherung

mit einer Mindestdeckungssumme von 30.000 Euro für den gesamten

Schengen-Raum und für die gesamte Aufenthaltsdauer nachweisen.

4. Zuletzt muss Rückkehrbereitschaft vorliegen, das heißt die Bereitschaft der

Visuminhaber_innen, vor Gültigkeitsablauf des Visums wieder aus dem

Schengen-Raum auszureisen und nicht im Bundesgebiet einen Antrag auf

Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für einen längeren Aufenthalt zu stel-

len oder sogar ohne gültigen Aufenthaltstitel unterzutauchen.

Die Erteilung vieler Visaanträge scheitert oft an der letzten Voraussetzung. Die

Erteilung des Schengen-Visums liegt im Ermessen der Auslandsvertretung, es gibt

also keinen Rechtsanspruch darauf. Die Auslandsvertretung prüft deshalb in jedem

Einzelfall wie wahrscheinlich es ist, dass die Antragssteller_innen vor Ablauf des

Visums wieder ins Heimatland zurückkehren. Wie eine solche Prüfung vorgenommen

wird, lässt sich nicht allgemein beschreiben. Die Auslandsvertretungen nehmen die

Umstände jedes Einzelfalls unter die Lupe, bevor sie über den Antrag entscheiden. Es

empfiehlt sich daher, von vornherein sehr transparent zu sein. Wo die korrekte

Ausübung des Ermessens endet und Willkür anfängt, ist aber manchmal schwer zu

sagen. Sicherlich entsteht aber zum Beispiel ein völlig anderes Gesamtbild, wenn man

im Bundesgebiet ansässige Verwandte zum ersten mal besucht (ein plausibler und

keineswegs verdächtiger Besuchsgrund) oder wenn eine junge ledige Frau ihren im

Bundesgebiet lebenden ledigen Freund besuchen will (wer weiß, ob sie auf die Idee

einer Blitzhochzeit in Dänemark kommen und trotz Ablauf des Visums im Bundesgebiet

zusammenbleiben wollen). Der erklärte Reisezweck gibt der Botschaft also Hinweise

über die Rückkehrbereitschaft, ebenso aber die Verwurzelung der Antragssteller_innen

im eigenen Heimatland (wer im eigenen Land Ehemann/-frau und Kinder zurücklässt,

Page 15: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de

14

Immobilien besitzt und eine stabile Arbeit hat, wird wohl kaum auf die Idee kommen, im

Bundesgebiet nach Ablauf der Visumsgültigkeit unrechtmäßig zu bleiben).

Im Übrigen werden Personen, für die eine gültige Einreisesperre im

Schengeninformationssystem (SIS) aufgrund einer früheren Abschiebung oder

Ausweisung eingetragen ist und/oder die als Gefahr für die öffentliche Ordnung,

Sicherheit und Gesundheit der Schengen-Staaten geführt werden, zunächst kein

Visum erhalten können.

Die Vergabe des Visums erfolgt im Übrigen mit einem Klebeetikett auf dem Reisepass.

Die Ablehnung des Antrags erfolgt schriftlich durch ein häufig vorformuliertes Schrei-

ben mit Angabe des Ablehnungsgrunds und mit einer Rechtshilfebelehrung.

6. Was ist eine Verpflichtungserklärung?

Eine Verpflichtungserklärung wird teilweise als „Einladung von Ausländer_innen“

verniedlicht, ist aber nichts anderes als eine Bürgschaft gegenüber dem deutschen

Staat für den Fall, dass die eingeladenen Ausländer_innen wider Erwarten Kosten

verursachen.

Die Verpflichtungserklärung wird gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde und

mancherorts auch dem Standesamt unter Nachweis von ausreichendem eigenem

Einkommen/Vermögen abgegeben.

Durch die Abgabe der Verpflichtungserklärung verpflichten sich die Erklärungsge-

ber_innen nach §§ 66, 68 des Aufenthaltsgesetzes zur Übernahme sämtlicher Kosten,

die der/die Eingeladene bis zur Erteilung eines neuen Aufenthaltstitels im Bundesge-

biet den deutschen Behörden verursachen könnte, wie etwa Leistungen nach dem

AsylbLG, evtl. Krankenbehandlungskosten sowie die Kosten einer etwaigen erforderli-

chen Abschiebung einschließlich Abschiebungshaft.

Eine Verpflichtungserklärung ist deshalb einem Blankoscheck sehr ähnlich. Besonders

hohe Kostenrisiken ergeben sich vor allem, wenn der/die Eingeladene nach der

Einreise einen Asylantrag im Bundesgebiet stellt; oder nötige medizinische Versorgung

von der Auslandskrankenversicherung nicht gedeckt wird; oder wenn nach Ablauf des

Page 16: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de

15

Visums keine freiwillige Ausreise erfolgt und eine Abschiebung veranlasst wird.

Diejenigen, die die Verpflichtungserklärung abgegeben haben, werden letztendlich all

diese Kosten begleichen müssen, obwohl sie viel zu oft darüber nicht in Kenntnis

waren, als sie die Verpflichtungserklärung abgegeben haben. Es empfiehlt sich

deshalb, mindestens eine Nacht darüber zu schlafen, bevor man eine Verpflichtungs-

erklärung abgibt.

7. Wie kann ich ein Visum für einen langfristigen Aufenthalt bekom-

men?

Die deutsche Bürokratie hätte sicherlich nicht den Ruf, den sie hat, wenn es eine

einfache Antwort auf diese Frage gäbe.

Die Erteilung eines Visums für einen langfristigen Aufenthalt nimmt eine lange Bearbei-

tungszeit in Anspruch und ist in der Regel mit einem hohen bürokratischen Aufwand

verbunden. Der Grund hierfür ist, dass die Auslandsvertretung - in der Regel in

Verbindung mit der Ausländerbehörde des zukünftigen Wohnortes in Deutschland - für

die Erteilung des Visums prüfen muss, ob die Antragsteller_innen anschließend eine

Aufenthaltserlaubnis in Deutschland erteilt werden kann. Die Prüfung über die Erteilung

der Aufenthaltserlaubnis wird deshalb auf das Visumsverfahren vorverlagert.

Die Visa werden anschließend zwar normalerweise nur für drei Monate erteilt. Die

Visainhaber können aber während dieser Zeit nach Deutschland einreisen, sich hier

anmelden und erhalten reibungslos eine Aufenthaltserlaubnis für den weiteren

Aufenthalt.

Deshalb muss man für solche Visaverfahren manchmal viel Geduld aufbringen und

sich immer wieder vor Augen führen, dass, einmal das Visum "geknackt" ist, alles

andere wie am Schnürchen laufen wird.

Bei den Voraussetzungen für die Erteilung des Visums muss man zwischen allgemei-

nen und spezifischen Voraussetzungen unterscheiden. Die allgemeinen Vorausset-

zungen sind für alle Antragsteller_innen gleich, während die spezifischen Vorausset-

zungen sich auf den geplanten Aufenthaltszweck (wie etwa Studium, Familienzusam-

menführung oder Beschäftigung) beziehen und deshalb sehr unterschiedlich ausfallen.

Page 17: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de

16

7. a Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

Die allgemeinen Voraussetzungen sind in § 5 Abs. 1 AufenthG geregelt und können

sich in wenigen Worten auf folgende Punkte zusammenfassen:

▬ 1. Der Lebensunterhalt der Antragsteller_innen muss gesichert sein (mehr

dazu unten).

▬ 2. Die Antragsteller_innen müssen einen Pass besitzen, so dass ihre Identi-

tät und Staatsangehörigkeit geklärt ist.

▬ 3. Die Antragsteller_innen dürfen in der Vergangenheit nicht in Konflikt mit

den Justizbehörden in Deutschland geraten sein, so dass ein Ausweisungs-

grund gegen sie vorliegen könnte. Und sie dürfen auch keine Beeinträchti-

gung oder Gefährdung der Interessen der Bundesrepublik Deutschland dar-

stellen.

Die Sicherung des Lebensunterhalts bedeutet nichts anders als dass die Antragstel-

ler_innen nachweisen müssen, dass sie in Deutschland keinen Anspruch auf Leistun-

gen nach dem SGB II (sogenanntes Hartz IV) haben werden, weil sie durch eigenes

Einkommen oder Vermögen oder durch verbindliche Unterstützung von Dritten durch

Verpflichtungserklärung ihren eigenen Lebensbedarf einschließlich Krankenversiche-

rung decken können werden. Zudem müssen die Antragsteller_innen ausreichenden

Wohnraum in Deutschland nachweisen können. Es gibt sehr wenige Sozialleistungen

(wie etwa Kinder- oder Elterngeld sowie Arbeitslosengeld I), deren Bezug ihnen

"verziehen" wird.

An der Sicherung des Lebensunterhalts scheitern auch viele Visumsanträge und, vor

allem, Anträge von Menschen, die bereits in Deutschland leben und ihre Aufenthaltser-

laubnis verlängern müssen, inzwischen aber ihren Arbeitsplatz verloren haben.

Für ausländische Studierende gilt eine Besonderheit in der Sicherung des Lebensun-

terhalts. Ihr Lebensunterhalt gilt als gesichert, wenn sie ein Sperrkonto mit dem BAföG-

Höchstsatz für ein Jahr (das heißt 8040 Euro für das Jahr 2014) besitzen. Ansonsten

können sie die Sicherung ihres Existenzminimums entweder durch regelmäßige

Einnahmen oder durch eine Verpflichtungserklärung nachweisen.

Page 18: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de

17

7. b Spezifische Erteilungsvoraussetzungen

Es ist unmöglich, im Rahmen dieses Beitrags eine detaillierte Auskunft über die

verschiedenen Fallkonstellationen zu geben. Allgemeine Aussagen darüber sind für

Jurist_innen ein Gräuel. Es empfiehlt sich daher, notfalls auf der Webseite der

jeweiligen Auslandsvertretung nach Information zu suchen oder eine professionelle

Beratung in Anspruch zu nehmen.

Meistens wird ein Visum für einen langfristigen Aufenthalt zum Zweck des Studiums,

der Beschäftigung oder der Familienzusammenführungen erteilt, obwohl das Aufent-

haltsgesetz durchaus andere Möglichkeiten wie etwa die Forschung, Ausübung einer

Selbständigkeit oder Aufnahme aus dem Ausland aus völkerrechtlichen Gründen

vorsieht.

Studium / Spracherwerb

Das Studienvisum wird für den Besuch von staatlichen oder staatlich anerkannten

Hochschulen oder vergleichbaren Ausbildungseinrichtung erteilt. Hierfür müssen die

Antragssteller_innen bei der zuständigen Auslandsvertretung das Visum unter Vorlage

von Nachweisen beantragen, dass sie von einer deutschen Universität zum Studium

zugelassen worden sind. Falls sie noch nicht so weit sind, weil sie etwa eine Zugangs-

prüfung noch zu bestehen haben, können sie stattdessen ein Visum zum Zweck der

Studiumbewerbung beantragen.

Außerdem gibt es die Möglichkeit, ein Sprachvisum zu beantragen. Dieses dient nicht

dem Studium, sondern ausschließlich dem Spracherwerb in einem Intensivkurs und

ermächtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

Beschäftigung

Das Aufenthaltsgesetz differenziert zwischen unqualifizierter, qualifizierter und

hochqualifizierter Beschäftigung.

Im Falle der unqualifizierten Beschäftigung bestehen leider kaum Chancen auf ein

Visum. Der Grund liegt darin, dass kein Bedarf an ausländischen Arbeitskräften für

ungelernte Arbeitstätigkeiten besteht.

Page 19: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de

18

Im Falle der qualifizierten Beschäftigung, das heißt mit mindestens zwei Jahren

Berufsausbildung, hängen die Chancen auf ein Visum vom jeweiligen Beruf ab. Gute

Chancen haben diejenigen, die sogenannten Mangelberufe wie etwa Klempner_innen

oder Altenpfleger_innen erlernt haben. In diesem Fall können sie ein Visum zusammen

mit einem Nachweis ihrer Qualifikationen und einem Arbeitsplatzangebot in Deutsch-

land mit guten Aussichten beantragen. Die Liste der Berufe, die Zugang zu diesem

Arbeitsvisum ermöglichen, wird von der Bundesagentur für Arbeit auch in English

veröffentlicht und auf ihrer Webseite unter dem Stichwort "Positivliste" gut auffindbar

geführt. Das Visum wird allerdings nur dann erteilt, wenn bereits ein konkretes

Arbeitsplatzangebot vorliegt und das vereinbarte Einkommen für die Sicherung des

Lebensunterhalts ausreichen wird.

Hochqualifizierte Ausländer_innen sind eigentlich die einzigen, für die der rote Teppich

ausgerollt wird. Für sie besteht die Möglichkeit, die Blaue-Karte zu beantragen. Hierfür

müssen sie aber einen Arbeitsplatz oder ein Arbeitsplatzangebot im Bundesgebiet mit

einem Jahresgehalt von mindestens 47.600 Euro (bzw. 37.128 Euro bei Fachkräfte-

mangel nach der oben genannten Positivliste) nachweisen, der ihren Qualifikationen

entspricht. Im Antragsverfahren werden sie zudem auch einen deutschen Hochschul-

abschluss oder vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss nachweisen

müssen. Wer sich unsicher ist, wie sein ausländischer akademischer Titel in Deutsch-

land anerkannt wird, kann auf der Webseite von anabin (http://www.anabin.kmk.org/)

wertvolle Information erhalten. Die Erteilung des Visums setzt allerdings auch hier

voraus, dass die Antragsteller_innen bereits ein konkretes Arbeitsangebot in Deutsch-

land haben. Im Übrigen besteht aber auch für Ausländer_innen, die in Deutschland

studieren, eine Arbeit aber noch nicht gefunden haben, die Möglichkeit der Einreise für

sechs Monate zur Arbeitsplatzsuche zu; dieses Visum erlaubt allerdings nicht die

Ausübung einer Beschäftigung.

Familienzusammenführung

Üblicherweise handelt es sich bei Visa zum Zweck der Familienzusammenführung um

getrennte Ehegatt_innen, die sich in Deutschland wieder vereinigen wollen, oder

Kinder, die zu einem in Deutschland lebenden Elternteil ziehen möchten.

Page 20: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de

19

Der Ehegattennachzug zu deutschen Ehegatt_innen setzt ausnahmsweise nicht die

Sicherung des Lebensunterhalts voraus, weil das Grundgesetzt diesen in Art. 6 ein

Grundrecht auf Familie garantiert. Deutschen kann somit nicht zugemutet werden, das

eigene Land zu verlassen, nur um das Eheleben fortzusetzen. Anders verhält es sich

leider, wenn beide Ehegatt_innen ausländisch sind. In diesem Fall ist die Sicherung

des Lebensunterhalts weiterhin eine Erteilungsvoraussetzung. Dies ist umso bitterer für

viele Familien, weil viele Ausländer_innen im Niedriglohnsektor arbeiten und selten

genug für sich, die Ehepartner_innen und die Wohnung verdienen.

Zudem wird das Visum nur dann erteilt, wenn die Antragsteller_innen Deutschkennt-

nisse A1 nachweisen können. Die Deutschkenntnisse müssen daher im Heimatland

erworben werden, weil das Visum ansonsten gar nicht erteilt wird. Für viele Betroffene

sind diese gesetzlichen Anforderungen absurd und bedeuten eine unfreiwillige

Trennung. Nun hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einer Entscheidung vom

10.07.2014 (C-138/13) im Falle eines türkischen Ehepaares die Sprachanforderungen

für europarechtswidrig erklärt. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen dies in der

Rechtslage und Behördenpraxis in Deutschland haben wird.

Der Kindernachzug, das heißt der Nachzug von Kindern zu ihren in Deutschland

lebenden Eltern, ist in der Regel nicht problematisch. Schwierig wird es nur dann, wenn

nur ein Elternteil in Deutschland lebt. In diesem Fall muss im Rahmen des Visumsver-

fahren nachgewiesen werden, dass der in Deutschland lebende Elternteil das alleine

Sorgerecht innehat. Zudem unterscheidet das Gesetz nach dem Alter des Kindes:

während Kinder bis 16 Jahren keine weiteren Voraussetzungen erfüllen müssen,

müssen Kinder ab 16 Jahren Deutschkenntnisse C1 nachweisen können, um zur

Mutter oder zum Vater nach Deutschland zu kommen.

Humanitärer Aufenthalt

Theoretisch ist die Erteilung eines Visums aus humanitären Gründen auch möglich.

Tatsächlich werden aber solche Visa nur tröpfchenweise und unter hohen Anforderun-

gen erteilt. Dies erfolgt in der Regel nach einer Entscheidung der Bundesregierung,

eine bestimmte Anzahl von Flüchtlingen aus einem Land aufzunehmen - sogenannten

Kontingentflüchtlinge. Beispielsweise wurde letztes Jahr die Aufnahme von 5.000

Menschen aus Syrien zunächst beschlossen und inzwischen auf insgesamt 20.000

Page 21: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de

20

Menschen erhöht. Solange das Kontingent nicht ausgeschöpft ist, können verfolgte

Bürger_innen aus Syrien ein Visum aus humanitären Gründen beantragen. Die Visa

werden aber nicht zwangsläufig an diejenigen erteilt, die am nötigsten Schutz bedür-

fen. Grund hierfür ist, dass weitere Erteilungsvoraussetzungen in der Regel auch hier

gelten. So müssen zurzeit auch die Kontingentflüchtlinge Freund_innen oder Familien-

angehörige im Bundesgebiet haben, welche bereit sind, die Antragsteller_innen

aufzunehmen und für ihren Lebensunterhalt aufzukommen. Wer keine finanziell

starken Familienangehörigen im Bundesgebiet hat, wird deshalb trotz der schön

geredeten Hilfsaktionen kaum Zugang zu einem Visum haben. Für diese Menschen

bleibt nur die Alternative der illegalen Einreise.

8. Was kann ich gegen die Ablehnung meines Visumantrags unter-

nehmen?

Gegen die Ablehnung kann man innerhalb eines Monats schriftlich remonstrieren. Das

Wort remonstrieren klingt zwar sperrig, heißt aber nichts anderes als widersprechen.

Die Auslandsvertretung prüft anschließend den Fall erneut. Mit etwas Glück wird dann

das Visum erteilt. Ansonsten trifft die Auslandsvertretung die endgültige Ablehnungs-

entscheidung in einem Remonstrationsbescheid. Dagegen kann vor dem Verwaltungs-

gericht Berlin innerhalb eines Monats ab Zustellung geklagt werden.

Elisabet Poveda Guillén (LL.M.) ist 1974 in Barcelona geboren. Sie hat sowohl in

Spanien als auch in Deutschland Jura studiert und ist in beiden Ländern als Rechtsan-

wältin und Abogada zugelassen. Ferner wurde ihr der Grad des Magistra Iuris mit

magna cum laude von der Universität Potsdam verliehen. Seit 2013 ist sie zudem

Fachanwältin für Sozialrecht. Bevor sie sich im Jahr 2009 in ihrer eigenen Kanzlei mit

großartigen Gleichgesinnten in Frankfurt am Main selbständig machte, sammelte sie

ihre Erfahrung im Europäischen Parlament in Luxemburg, in der Europäischen

Kommission in Brüssel sowie in verschiedenen Anwaltskanzleien in Berlin und

Potsdam. Als die Autorin im Jahr 1997 aus Barcelona kommend nach Berlin zog,

sprach sie kein Wort Deutsch. Jetzt kann sie die Sprache viel besser. Und wenn ihre

Erfahrung anderen Menschen Mut macht, dann wäre sie mächtig stolz.

Page 22: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de

21

Sidonie Fernau

Ehegattennachzug und A1-Sprachtest: (K)ein Recht auf

Familienleben und freie Partner_innenwahl für alle?

Unstrittig ist: um erfolgreich Zugang zum Arbeitsmarkt eines Landes zu erhalten und

um ein aktiver Teil der Gesellschaft vor Ort zu werden, ist das Beherrschen von

Grundkenntnissen der Sprache des Landes, in dem man lebt, eine Grundvorausset-

zung. Strittig ist, ob diese Grundkenntnisse bereits vor Einreise erbracht oder sinnvoll-

erweise im Land selbst erlernt werden sollten. Die Ehegatt_innen aus Nicht-EU-

Ländern stoßen bei der rechtlichen Anforderung des Erbringens eines Sprachnachwei-

ses in ihren Herkunftsländern auf sehr unterschiedliche Bedingungen. Die Rahmenbe-

dingungen und die unterschiedlichen individuellen Ressourcen der Paare verhindern

oftmals den Nachweis einfacher Deutschkenntnisse: die Teilnahme an einem achtwö-

chigen Kurs in einem Goethe-Institut, der nicht selten nur in größeren Städten angebo-

ten wird, ist neben einer Berufstätigkeit oftmals nicht zu leisten. In der Regel stellen

Arbeitgeber_innen ihre Angestellten nicht für diesen langen Zeitraum frei. Das bedeutet

ganz konkret: um den Sprachtest absolvieren zu können, muss der Job aufgegeben,

Unterkunfts- und Lebensunterhaltskosten sowie Kurs- und Prüfungsgebühren dennoch

gezahlt werden.

Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V. hat bereits die

Einführung der Regelung des zwingenden Sprachnachweisen 2007 kritisch begleitet

und in seinen Publikationen die große Betroffenheit seiner Zielgruppe sichtbar ge-

macht. In der Broschüre „Haben Sie noch eine Idee? Erfahrungen mit der Verschär-

fung beim Ehegattennachzug“, die 2008 erschien, ließ der Verband Betroffene selbst

zu Wort kommen. In einer Auswahl von Berichten, die den Verband in dem Jahr nach

der Einführung der Regelung erreichten, wurden persönliche Schicksale erfahrbar und

der massive Eingriff durch die eingeschränkten Zuwanderungsbestimmungen in

bürgerliche Grund- und Freiheitsrechte – das Recht auf freie Partner_innenwahl und

der Schutz der Familie – dokumentiert. Seitdem gehört die Forderung der Abschaffung

Page 23: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de

22

des Sprachnachweises im Rahmen der Familienzusammenführung zu einem der

Kernthemen des Verbandes.

Bemerkenswert ist: jedes Jahr entscheidet sich eine Vielzahl von Deutschen für einen

Sprachkurs in Frankreich, ein Freiwilliges Soziales Jahr in Südafrika oder ein Aus-

landssemester oder ein „Gap-Year“ in China. Die Gründe, weshalb sich viele Deutsche

zu diesem Schritt entschließen, liegen auf der Hand. Sie tun dies oftmals nicht

ausschließlich auf Grund der interkulturellen Kompetenzen, die sie erhoffen zu

erwerben, sondern auch weil die Rahmenbedingungen zum Erlernen einer Sprache vor

Ort erheblich besser sind. Das gilt nicht nur für Deutsche, die eine Fremdsprache

erlernen, sondern auch für Ehepartner_innen von Deutschen, die aus dem Ausland

nach Deutschland zuziehen. Die verpflichtenden Integrationskurse und die Bereitschaft

der Einwandernden, diese zu besuchen und die Sprache zu erlenen, sind vorhanden –

die Bereitschaft der Politik für ein Umdenken auch?

Am 10. Juli 2014 hat der europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil im Fall

Doğan entschieden: die Erteilung eines Visums zum Zwecke des Ehegattennachzugs

zu rechtmäßig in Deutschland wohnenden türkischen Staatsangehörigen darf nach

Unionsrecht nicht mit der Bedingung verknüpft werden, dass einfache Kenntnisse der

deutschen Sprache nachgewiesen werden können. Die 2007 eingeführte und in §30

des Aufenthaltsgesetzes verankerte Spracherfordernis ist demnach nicht mit der

Stillhalteklausel des Assoziierungsabkommens mit der Türkei vereinbar. Die Verpflich-

tung zur Erbringung eines Sprachnachweises für den Nachzug zu türkischen Ehepart-

ner_innen wurde somit gekippt. Für viele andere Paare bleibt der Sprachnachweis als

Hürde für ein Zusammenleben bestehen. Was das für diese Paare bedeuten kann,

zeigt sich am deutlichsten an einem Beispiel, die Geschichte von Michaela und Nadim1

– einem deutsch-algerischen Paar.

1 Namen und Geschichte des Paares wurden auf Wunsch der Interviewpartnerin leicht

verfremdet.

Page 24: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de

23

Michaela und Nadim – ein deutsch-algerisches Paar

Michaela und Nadim sind ein binationales Paar. Keine Seltenheit, wie die Statistik

belegt – allein 2012 war jede 8. Eheschließung in Deutschland eine binationale

(Statistisches Bundesamt 2013). Das bedeutet, dass 44.000 Menschen ihre Ehepart-

nerin oder ihren Ehepartner grenzüberschreitend gefunden haben. Nur zögerlich

erzählt Michaela, wie sie und ihr Verlobter sich kennengelernt haben. Und es scheint,

als sei ihr bewusst, welche Skepsis viele Menschen noch immer gegenüber einer Liebe

haben, die im Internet begonnen hat. „Mein Traum war es schon immer auszuwandern.

Nach Neuseeland oder Australien. Warum dann nicht das Nützliche mit dem Nützli-

chen verbinden und nach einem Mann dort suchen?“, fährt sie fort. Gefunden hat sie

Nadim. Nadim wohnt in Algier, der Hauptstadt von Algerien. Auch er suchte nach einer

neuen Liebe, nachdem seine Frau nur drei Monate nach der Hochzeit bei einem

Gasunfall ums Leben kam. Michaela erzählt, wie sie seit ihrem Kennenlernen jeden

Abend für ein oder zwei Stunden skypen. Da Nadim kein Deutsch spricht und sie

weder Arabisch noch Französisch, habe sie sich privaten Englisch-Unterricht genom-

men, um ihre Sprachkenntnisse aus der Schulzeit aufzufrischen.

Die Ehe als einziger Weg, gemeinsam leben zu können

„Als er dann nur wenige Monate später das erste Mal in Deutschland war und ich ihn

am Bahnhof gesehen habe, war das Liebe auf den ersten Blick!“, Michaela lächelt für

einen kurzen Augenblick und die Anspannung und der ernste Gesichtsausdruck, wenn

sie von sich und ihrem Verlobten spricht, scheinen wie verflogen. Die 38-jährige ist

eine attraktive Frau: zierlich, etwa 1.70 m groß mit kastanienbraunen, schulterlangen

Haare, die zu einem Dutt zusammengebunden sind. Sie sitzt auffallend gerade auf

ihrem Stuhl, die Beine übereinander geschlagen, die Hände in ihrem Schoß ruhend.

„Ich liebe Nadim. Im September werden wir heiraten, um miteinander in Deutschland

leben zu können“, sagt sie und ihre Stimme wird wieder ernst. Sie erzählt, dass – auch

wenn sie nicht an der Entscheidung zu heiraten zweifelt – sie gerne mehr Zeit gehabt

hätte, um Nadim besser kennenzulernen. In den letzten anderthalb Jahren hätten sie

sich gegenseitig vier Mal besucht. Ihr fehle die Routine, die man als Paar habe:

morgens beim Frühstück darüber sprechen, was auf der Arbeit ansteht, das ganze

Wochenende faul auf dem Sofa liegen und gemeinsam Filme anschauen oder sich

einfach zu streiten, wer mit dem Abwasch des Geschirrs an der Reihe sei. Wie Urlaub

sei es, wenn sie nach Algerien fliegt. Eine längere Zeit zusammenzuleben ist für die

Page 25: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de

24

beiden nicht möglich: Michaela arbeitet als Krankenschwester in einer bayrischen

Kleinstadt. Nadim ist Informatiker und arbeitet für das Arbeitsministerium in Algerien.

Das Ausländeramt riet den beiden zur Ehe, wenn sie gemeinsam in Deutschland leben

wollen. Nach Algerien auszuwandern, kann sich Michaela derzeit nicht vorstellen:

„Algerien ist ein wunderschönes Land, aber ich habe in Deutschland eine Tochter aus

erster Ehe, sie ist 15 Jahre alt und macht in zwei Jahren ihr Abitur. Sie jetzt aus ihrem

gewohnten Umfeld zu reißen, kann ich ihr nicht zumuten.“

Keine Familienzusammenführung ohne A1-Sprachnachweis

Voraussetzung, um nach der Hochzeit zu seiner Frau nach Deutschland ziehen zu

können, sei der Nachweis einfacher Deutschkenntnisse, sagte man Nadim in der

deutschen Botschaft. Seit 2007 müssen Drittstaater_innen einfache Deutschkenntnisse

(A1) nachweisen, wenn sie zu ihren Ehepartner_innen nach Deutschland nachziehen

wollen. Nadim belegt deshalb seit Februar einen Deutschkurs am Goethe Institut. Gar

nicht so einfach: zum einen arbeitet er durchschnittlich zehn Stunden am Tag – der

Deutschkurs, der zwei Mal die Woche stattfindet, ist daher nur schwer mit Nadims

Berufstätigkeit zu vereinbaren. Zum anderen belasten die Kosten für den Nachweis

das Paar schwer. Nadim verdient im Monat 360 €. Nicht wenig für algerische Verhält-

nisse. Der Sprachkurs alleine kostet 310 €, die Prüfung weitere 100 €. Michaela schickt

Nadim jeden Monat etwas von ihrem Gehalt, damit er seine Mehrkosten decken kann.

Durch die erste Prüfung im April ist Nadim durchgefallen – ihm fehlten drei Punkte, um

zu bestehen. Anfang August findet die nächste Prüfung statt. „Von 60 Teilnehmenden

haben beim letzten Mal nur fünf bestanden.“ Michaela wirkt verzweifelt. „Wenn nur so

wenige die Prüfung bestehen und manche dort schon das siebte Mal an der Prüfung

teilnehmen, dann möchte man meinen, es sei erkennbare Absicht, dass so wenige wie

möglich bestehen.“ Michaela und Nadim sind sich der Tatsache bewusst, dass sie trotz

allem Glück haben: „Wir haben von Paaren gelesen, die seit Jahren getrennt leben

müssen, weil der Partner hunderte Kilometer vom nächsten Goethe Institut entfernt

wohnt, von Paaren, die sich hoch verschuldet haben, um die Gebühren für den

Sprachkurs zu zahlen und von Paaren, bei denen der Partner es einfach nicht ge-

schafft hat, neben Beruf, Haushalt und Kindererziehung die lateinische Schrift zu

erlernen – ich meine, wie viele berufstätige, alleinerziehende Mütter wären in der Lage,

in zwei Monaten so gut Chinesisch zu lernen, dass sie sich damit verständigen

Page 26: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de

25

können?“ Michaelas größte Angst ist, dass ihre noch junge Beziehung an all den

Hürden zerbricht. Sollte Nadim die Prüfung Anfang August bestehen, dauert es drei bis

sechs Monate, bis er nach Deutschland einreisen kann, das ist die Bearbeitungszeit,

die die deutsche Botschaft benötigt: „Bis dahin hat Nadim vieles wieder vergessen. Es

wäre viel sinnvoller Deutsch in Deutschland zu lernen. Hier besteht sowieso die Pflicht

einen Integrationskurs besuchen.“

Als deutsche Staatsbürgerin im eigenen Land diskriminiert

Von dem EuGH-Urteil erfuhr Michaela am Donnerstagabend durch Zufall im Fernse-

hen: „Ich habe nicht gewusst, dass so ein Fall beim EuGH anhängig ist. Zuerst habe

ich mich gefreut, ich dachte, dass das Urteil auch für uns gelten würde.“ Michaela fühlt

sich als deutsche Staatsbürgerin diskriminiert: „Wäre ich Türkin, Amerikanerin oder

beispielsweise Israeli, dann müsste Nadim keinen Sprachnachweis erbringen.“ Denn

Unionsbürger_innen, Hochqualifizierte oder Drittstaater_innen, die zu Staatsbür-

ger_innen aus elf privilegierten Ländern nachziehen, sind von der Regelung ausge-

nommen: Australien, Israel, Japan, Kanada, Republik Korea, Neuseeland, USA,

Andorra, Honduras, Monaco, San Marino – und jetzt eben auch zu Staatsbürger_innen

der Türkei.

Sprachnachweis als geeignetes Mittel, um Zwangsehen zu verhin-

dern und Integration zu fördern?

Der algerische Ehemann einer Deutschen muss also den Sprachnachweis in Algerien

erbringen, um mit ihr in Deutschland in ehelicher Gemeinschaft leben zu können. Wäre

seine Ehefrau jedoch türkische Staatsbürgerin oder Französin, würde er von diesem

Nachweis befreit sein. Die gesamte Absurdität der Begründung für die Notwendigkeit

dieses Sprachnachweises wird mit dem Fall Doğan durch die Herausnahme einer

weiteren Personengruppe unterstrichen.

Der zu erbringende Sprachnachweis soll Zwangsehen verhindern und die Integration

von Zugewanderten in Deutschland fördern (vgl. Pressemitteilung des BMI zur Reform

des Zuwanderungsgesetzes 2007) – den Nachweis hierfür bleibt die Bundesregierung

schuldig. Zudem drängen sich im Hinblick auf die Begründung der Einführung des

Sprachnachweises und die vorhandenen Ausnahmen dieser Regelung Fragen wie

folgende auf: ist die Wahrscheinlichkeit für eine Zwangsehe höher, wenn beispielswei-

Page 27: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de

26

se eine türkische Ehefrau zu einem deutschen Mann nachzieht, als wenn sie zu einem

türkischen Mann nachzieht? Und ist eine Chinesin, die zu ihrem in Deutschland

lebenden australischen Ehemann nachzieht, tatsächlich „integrationswilliger“ als eine

Chinesin, die zu ihrem in Deutschland lebenden deutschen Mann nachzieht? Die durch

die Sprachregelung entstehende Diskriminierung der eigenen Staatsbürger_innen und

damit indirekt die Unterbindung der freien Partner_innenwahl für Deutsche ist nicht zu

rechtfertigen.

Einbürgerung von Staatsbürger_innen, zu deren Zuzug kein

Sprachnachweis erforderlich ist

Ebenfalls fragwürdig ist die Regelung im Hinblick auf die Einbürgerung von Staatsbür-

ger_innen, zu deren Zuzug kein Sprachnachweis erforderlich ist. Die größte Gruppe,

die das betrifft, ist nun die Gruppe der Türk_innen. Die Ehepartner_innen von türki-

schen Staatsangehörigen in Deutschland werden zukünftig befreit sein. Allerdings nur,

bis sie die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen. Denn dann geht es ihnen so, wie

vielen der anderen Paaren, die von dem EuGH-Urteil nicht profitieren: dann ist ein

Sprachnachweis im Herkunftsland zu erbringen und somit wird die Einreise von

individuellen Voraussetzungen und von den jeweiligen Rahmenbedingungen in den

Herkunftsländern abhängig gemacht. Wir müssen uns demnach fragen: welchen

Anreiz haben türkische Staatsbürger_innen für eine Einbürgerung, wenn ihnen dadurch

Rechte genommen werden? In der Umsetzung des Urteils liegt eine zusätzliche Hürde

zur Beantragung der deutschen Staatsangehörigkeit.

Eine vielfältige und zukunftsfähige Gesellschaft ermöglichen

Menschen haben ein Recht auf Familienleben und Deutschland benötigt Familien, die

bereit sind, ihre Arbeitskraft in unserem Land einzubringen und ihre Kinder in Deutsch-

land zu erziehen. Es gilt, ein Umdenken in der Willkommens- und Anerkennungskultur

vorzunehmen und diesem Umdenken Taten folgen zu lassen. Im Hinblick auf die

Familienzusammenführung bedeutet das: das Abschaffen der Notwendigkeit des

Erbringens eines Sprachnachweises vor der Einreise und das Ermöglichen des

Spracherwerbs in Deutschland. Die Not der Betroffenen muss endlich erkannt und

neue Wege des Zusammenlebens auf Basis von Anerkennung und Wertschätzung

ermöglicht werden.

Page 28: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de

27

Für die Bundesregierung ist der Zeitpunkt ideal, das Urteil im Fall Doğan zum Anlass

zu nehmen und das Erfordernis des Sprachnachweises beim Ehegattennachzug für

alle Staatsbürger_innen abzuschaffen. Ein wichtiger Teil in der Begründung des EuGH

im Fall Doğan lautet „Der Gerichtshof hebt hervor, dass die Familienzusammenführung

ein unerlässliches Mittel zur Ermöglichung des Familienlebens türkischer Erwerbstäti-

ger ist, die dem Arbeitsmarkt der Mitgliedstaaten angehören, und sowohl zur Verbesse-

rung der Qualität ihres Aufenthalts als auch zur Förderung ihrer Integration in diesen

Staaten beiträgt." Doch sollte das, was für türkische Erwerbstätige gilt, nicht ebenso für

alle anderen Menschen gelten, die ihre Lieben grenzübergreifend gefunden haben?

Literatur

Bundesministerium des Inneren (2013): Allgemeine Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats EWG/Türkei und zu Artikel 41 Absatz 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungs-abkommen, http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Themen/MigrationIntegration/Auslaender/Anwendungshinweise _zum_Assoziationsrecht_EWG_Tuerkei.pdf?__blob=publicationFile, abgerufen am 20.09.2014.

Bundesministerium des Inneren (2007): Pressemitteilung Reform des Zuwande-rungsgesetztes ist in Kraft getreten, http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2007/mitMarginalspalte/08/reform_des_zuwanderungsgesetzes.html, abgerufen am 05.09.2014.

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2013): §30 Ehegatten-nachzug, http://www.gesetze-im-internet.de/aufenthg_2004/__30.html, abgerufen am 22.09.2014.

Europäische Gerichtshof (EuGH) (2014): Urteil im Fall Dogan, http://curia.europa.eu/juris/documents.jsf?num=C-138/13, abgerufen am 21.09.2014.

Statistisches Bundesamt (2013): Eheschließungen zwischen Deutschen und Aus-ländern, https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Eheschliessungen/Tabellen/EheschliessungenDeutschAuslaender.html, abgerufen am 22.09.2014.

Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e.V. (2008): Broschüre „Haben Sie noch eine Idee? Erfahrungen mit der Verschärfung beim Ehegatten-nachzug“, http://www.verband-binationaler.de/fileadmin/user_upload/Stellungnahmen/broschuere_ehegattennachzug.pdf, abgerufen am 22.09.2014.

Page 29: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de

28

Sidonie Fernau ist Bundesvorstandsmitglied im Verband binationaler Familien und

Partnerschaften, iaf e.V. (www.verband-binationaler.de) und arbeitet als Fachberaterin

beim PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverband Hamburg e.V. Ihre Themenbereiche

umfassen Migrations- und Integrationspolitik, Diaspora-Radikalisierung, Public Affairs

und Nonprofit Management.

Page 30: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 29

Mohamed Amjahid

Fachkräftemangel und Ausländerbehörde

"Deutschland braucht Ingenieure - keine Journalisten"

Von einem, der auszog, um in Deutschland zu arbeiten: Tagesspiegel-Volontär

Mohamed Amjahid hat Praktika gemacht, sechs Sprachen gelernt, ein Studium

abgeschlossen und bei der "Zeit" hospitiert. Der Ausländerbehörde reicht das

aber trotzdem nicht. Hier erzählt er von seinem Kampf mit der Behörde.

In Raum 171 sitzt eine Frau, die über mein Leben richtet. Ich sehe sie noch nicht,

vorerst nehme ich im Wartesaal zwischen 20 Menschen Platz. Eine junge Chinesin

hockt in einer Ecke auf dem Boden und heult. Ein Libanese telefoniert mit seiner

Mutter, alles sei schwierig, seine Lage sehr kompliziert. Ich schaue aus dem Fenster.

Auf dem Hof wird ein schwarzer Mann in Handschellen von Zivilpolizisten abgeführt.

Im Innern der Berliner Ausländerbehörde starren die, die hier „Kunden“ genannt

werden, derweil gebannt auf einen Flachbildschirm. Das Amt stellt sich vor: „Wir sind

dafür da Ihren Aufenthaltsstatus zu klären, ihn aber auch zu beendigen, wenn nötig.“

Ein Schritt zurück. Schwer liegt die für Berlin zentrale Ausländerbehörde in der

betonierten Landschaft am Friedrich-Krause-Ufer des Berlin-Spandauer Schifffahrtska-

nals. Von der U-Bahnstation Amrumer Straße im Stadtteil Wedding wandern Afrikaner,

Araber, Südamerikaner hierher. Diejenigen, die keinen Termin bekommen, stehen

schon ab fünf Uhr morgens in der Schlange vor der Ausgabe der Wartemarken.

In Deutschland fallen immer und immer wieder dieselben Stichwörter: Demographi-

scher Wandel, Einwanderungsgesellschaft, Fachkräftemangel. Nun kommt der

Doppelpass – nicht für die ehemaligen Gastarbeiter, nur für ihre Enkel – aber er

kommt. Und man könnte sich getrost zurücklehnen und denken, dass Deutschland auf

einem guten Weg ist. Was passiert aber dort, wo die ebenso häufig erwähnte Will-

kommenskultur umgesetzt werden soll? Wie wirkt sich die Einwanderungspolitik von

oben auf die Einwanderer konkret aus?

Page 31: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 30

Neben meiner Vorgangsnummer leuchtet auf einer Tafel „Raum 171“ auf. Ich gehe

vorbei an der weinenden Chinesin, um eine Arbeitsgenehmigung zu beantragen.

Bisher trug der Sticker in meinem marokkanischen Pass die Aufschrift „Aufenthalt zum

Studium“. In Abteilung Z2 der Berliner Ausländerbehörde werden Studierende und

Wissenschaftler bedient. Hier warten die viel umworbenen Hochqualifizierten, dass ihre

Vorgangsnummer einem Raum zugeordnet wird. Einige von ihnen wollen bleiben und

arbeiten.

So wie ich auch. Eine Studie des Deutschen Akademischen Austauschdienstes

(DAAD) besagt, dass ein Drittel der ausländischen Studierenden für mindestens fünf

Jahre in Deutschland arbeiten und Steuern zahlen müssen, damit sich die Kosten von

13.000 Euro pro Jahr und Student aus Steuermitteln rentieren. Nach meinem Ab-

schluss im Fach Politikwissenschaften habe ich mich für ein Volontariat beim Tages-

spiegel beworben und es auch bekommen. Das ist, so hoffe ich zumindest, die Basis

für eine langfristige Beschäftigung im Journalismus, in Deutschland.

Raum 171. Ich nehme Platz. Es ist eine Amtsstube wie im Bilderbuch: Schreibtisch,

Aktenordner, Rechner, alles wirkt gräulich. Die Sachbearbeiterin ringt sich ein Lächeln

ab und spricht meinen Namen falsch aus. Ich schiele auf ihr Namensschild und

schildere dabei mein Anliegen. Frau H. ist an das Gesetz zur „Steuerung und Begren-

zung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland“ gebunden. Doch

trotz des ausführlichen Aufenthaltsgesetzes von 90 Seiten hat Frau H. einen durchaus

großen Interpretationsspielraum. Was eine vollwertige Beschäftigung, was eine

angemessene Bezahlung ist, damit ich in Deutschland arbeiten darf, entscheidet sie,

es liegt im Ermessen ihrer Behörde. Sie nimmt meine Papiere entgegen. Sie blättert.

Sie lacht. Sie schüttelt den Kopf: „Wir brauchen Ingenieure in Deutschland.“ Das, das

alte Mantra der einstigen Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, ist ihr erster Satz.

Während einer vor ihr sitzt, der offensichtlich kein Ingenieur ist.

"Sie sind ein Flop, würde ich mal sagen"

Ich bleibe wortkarg und höre mir Frau H.’s Kommentare an. „Mit diesem Gehalt

kommen Sie nicht weiter, im Gesetz steht die Empfehlung, dass Sie 64.000 Euro

verdienen müssen“, erklärt sie. Obwohl es mittlerweile „nur“ noch 47.000 Euro sind.

Der Arbeitsmarkt für Sozial- und Geisteswissenschaftler gebe das so oder so selten

Page 32: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 31

her, versuche ich zu intervenieren. Ihr Lächeln von vorhin ist da längst verschwunden,

ihr Lachen nicht. „Sie sind ein Flop, würde ich mal sagen“, begegnet mir Frau H. und

legt meine Akte auf den Tisch – sie fordert mich auf zu gehen. Ich solle in drei Monaten

wiederkommen, aber auch nur, wenn ich dann sämtliche ihrer Kriterien erfülle. Soll ich

nun ein Ingenieurstudium im Schnelldurchgang absolvieren, frage ich mich.

Auf dem Weg zur U-Bahn springt die rote Ampel eine Ewigkeit nicht auf Grün um. Ein

Zeichen, dass das doch alles umsonst war: die Arbeit, die Praktika, die Stipendien? Im

U-Bahnhof schaut mich die Backshopverkäuferin an, als würde sie mir sagen wollen:

„Schon wieder einer aus der Ausländerbehörde.“ Der nächste Zug kommt in drei

Minuten. Zeit, in meinem Kopf eine Szene abzuspulen, die ich vor drei Jahren auf der

anderen Seite des Atlantiks erlebt habe. Für eine Recherche war ich damals im New

Yorker Pendant zur Berliner Ausländerbehörde. Die Dame am Empfang des Immigrati-

on Service, im Bürgeramt von Brooklyn begrüßte mich mit den Worten: „Welcome to

New York, do you want to apply for a citizenship?“ (Willkommen in New York, möchten

Sie eine Staatsbürgerschaft beantragen?). Von dieser – wenn auch symbolischen –

Willkommenskultur sind wir in Deutschland weit entfernt.

Schlechte Arbeitsbedingungen in Behörden zum Nachteil des

Antragstellers

Ich schaue hoch: nächster Zug in drei Minuten, immer noch. Zeit um gedanklich nach

Köln zu reisen. Dort – erzählte mir neulich eine Freundin aus Weißrussland – sei die

Ausländerbehörde kein Horrortermin im Kalender. Sie habe nie Probleme gehabt und

alle anderen Kunden und Sachbearbeiter, die sie beobachtete, hätten einen freundli-

chen, produktiven Eindruck gemacht. Es geht anscheinend auch anders in Deutsch-

land. Als ich am selben Abend auf meinem Blog meine Erlebnisse schildere, schreiben

mir hunderte Freunde und Fremde. Viele Mails sind solidarisch, aber auch viele

Beschäftige von deutschen Ausländerbehörden schreiben mir. Anonym. Einige

beschweren sich pauschal über „respektlose Kulturkreise“, alle über ihre Arbeitsbedin-

gungen. Die Beamten in diesen Behörden, so der Eindruck, stehen unter besonderem

Zeitdruck. Sie arbeiten viel, sind schlecht gelaunt und wollen schnell wieder in eine

andere Behörde versetzt werden. Dass diese Arbeitsbedingungen zum Nachteil eines

Antragsstellers werden, ist nicht im Sinne der Einwanderungsgesellschaft. Ein Status,

mit dem Deutschland ja noch ringt.

Page 33: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 32

Drei Monate später: Der zweite Anlauf. Neben meiner Vorgangsnummer blinkt Raum

156 auf. Diesmal ist der Wartesaal leer. Ich bin an diesem Tag einer der letzten

Kunden. Meine neue Sachbearbeiterin ist respektvoll, etwas kühl, aber professionell.

Frau E. schaut auf meine Papiere, zu denen inzwischen auch ein Brief der Tagesspie-

gel-Chefredaktion an die Ausländerbehörde zählt – mit der Bitte, mir die für mein

Volontariat nötige Arbeitsgenehmigung auszustellen. Frau E. schüttelt den Kopf. Auch

sie kann und möchte mir keine Genehmigung ausstellen und führt ähnliche Argumente

wie ihre Kollegin Frau H. an. Aber wie gesagt, respektvoll. Als ich Einspruch einlege,

holt sie die Meinung ihres Abteilungsleiters im Nebenzimmer ein. Die Wände sind

dünn. „Nein, gib ihm 18 Monate, das war’s!“, sagt eine Männerstimme. Nun klebt in

meinem Pass ein Sticker mit fluoreszierendem Bundesadler und glitzernden Europa-

sternen. Ein Stier wandert über das Motiv mit traurig geneigtem Kopf, oder will er doch

angreifen? Ich habe vorerst 18 Monate Zeit, um der Behörde einen neuen Arbeitsplatz

zu präsentieren, steht daneben. Am besten als Ingenieur, mit einem unbefristeten

Arbeitsvertrag und einem Jahreseinkommen von 64.000 Euro. Immerhin darf ich

nebenbei mein Volontariat absolvieren. Das allerdings dauert 24 Monate.

Dieser Beitrag erschien am 22.5.2014 in der Samstagsbeilage "Mehr Berlin" des

Tagesspiegels.

Mohamed Amjahid hat als Stipendiat der Heinrich-Böll-Stiftung Politikwissenschaften

an der Freien Universität Berlin und an der Cairo University studiert. Er schreibt vor

allem zu Themen der Außenpolitik und zu Demokratiebewegungen rund um das

Mittelmeer. Er arbeitet beim Tagesspiegel in Berlin, vorher war er Reporter für die

Wochenzeitung die ZEIT und für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Page 34: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 33

Elisabeth Gregull im Gespräch mit Simran Sodhi

„Das zeigt einfach, wie machtvoll Netzwerke sind“

Simran Sodhi ist Integrationslotsin im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick. Doch als sie

bei der Ausländerbehörde ihren Aufenthalt verlängern will, wird dies abgelehnt. Die

Begründung: als Akademikerin verdiene sie zu wenig und ihre Arbeit sei nicht von

öffentlichem Interesse. Ihr Arbeitgeber, Vertreter_innen des Bezirks und der Senats-

verwaltung protestieren gegen ihre drohende Abschiebung – Freund_innen initiieren

eine Online-Petition. Über 73.000 Menschen unterzeichnen die Petition und bundes-

weit berichten Medien über ihren Fall. Am Ende kann Simran Sodhi in Berlin bleiben

und weiter arbeiten. Elisabeth Gregull traf Simran Sodhi, um mit ihr über ihre Erfahrun-

gen zu sprechen.

Frau Sodhi, Sie sind Integrationslotsin im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick. Wie genau

sieht Ihre Arbeit aus?

Sie besteht aus zwei Teilen. Im Allgemeinen geht es um die Unterstützung von

Menschen mit Migrationshintergrund, also eingewanderte Menschen, Aussied-

ler_innen, Menschen, die im Asylverfahren sind. Ich unterstütze sie bei der Wohnungs-

suche, Kitaplatzsuche, Sprachvermittlung, Behördengängen, beim Ausfüllen von

Formularen und so weiter. Das ist im Kern meine Arbeit.

Das zweite, worauf ich einen Schwerpunkt gelegt habe, ist, Begegnungsräume zu

schaffen. Wo Einheimische oder Menschen, die länger im Bezirk wohnen, und neu

Eingewanderte in Kontakt kommen.

Wir planen gerade ein Tandemprojekt bei zwei Schulen, wo es auch sogenannte

„Willkommensklassen“ gibt. In diesen Klassen sind Kinder von Asylsuchenden, aber

auch von Migrant_innen aus EU-Ländern. Das Projekt soll Begegnungen zwischen

Jugendlichen in den regulären Klassen und den „Willkommensklassen“ fördern. Das

begleiten wir über sechs Monate. Die Jugendlichen in den regulären Jahrgängen

werden sich auch mit der Frage beschäftigen, was Flucht und Asyl eigentlich bedeuten.

Page 35: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 34

Was haben Ereignisse in der Welt mit meinem Leben hier zu tun? Denn die Jugendli-

chen gehen in dieselben Schulen teilweise, kennen sich aber überhaupt nicht. Es

sollen Tandempaare entstehen, die sich regelmäßig treffen, im Schulhof oder auch für

Ausflüge oder um gemeinsam einen Film zu sehen.

Dann organisiere ich noch einen Frauentreff für Frauen aus zwei Asylheimen. Es gibt

einen Spielplatz für Kinder und ein Café. Die Idee ist, dass sie einen Raum außerhalb

des Heims haben, wo sie die Küche benutzen können, entspannen können. Dorthin

holen wir dann auch gelegentlich Beratungsangebote. Eine Mischung aus beidem also,

denn die Beratungsstrukturen für Migrant_innen und Asylsuchende im Bezirk sind

dünn. Es gibt nicht so viele Menschen mit Migrationshintergrund im Bezirk, aber

ziemlich viele Asylunterkünfte und das nimmt auch eher zu. Der Bedarf ist auf jeden

Fall da.

Sie sprechen mehrere Sprachen, das kommt Ihnen in der Arbeit sicher zugute?

Ja, ich spreche außer Deutsch Hindi, Urdu und Englisch. Und betreue eine Menge

Klient_innen aus Pakistan, Afghanistan, Indien und Bangladesch.

Sie sind zum Studieren nach Deutschland gekommen und haben an der Humboldt-

Universität Europäische Ethnologie studiert. Dazu haben Sie ein Studenten-Visum

bekommen?

Genau, ich habe den Zulassungsbescheid im Juli gekriegt und musste dann ein Visum

bei der Botschaft in Dehli beantragen, um nach Deutschland einzureisen. Ich kann

nicht einfach nach Deutschland oder Europa einreisen ohne Visum. Theoretisch sollte

das alles ganz schnell gehen und ich sollte dann auch zum Semesterbeginn hier sein

können. Aber es hat über drei Monate gedauert. Und ich hatte dann Stress mit dem

Zulassungsbüro, weil ich meinen Platz nicht annehmen konnte. Das Büro hat dann

eine Frist gesetzt, aber ich hatte noch kein Visum und konnte nichts machen.

Ich habe dann einen Professor vom Institut für Europäische Ethnologie angesprochen

und erklärt, worum es ging – dass ich die Zulassung bekommen habe, aber das

Zulassungsbüro meinen Platz nicht frei hält, weil ich noch kein Visum gekriegt habe.

Page 36: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 35

Und nur weil er dann gesagt hat, dass sie kein Problem damit haben, wenn ich später

anfange, hat das Zulassungsbüro meinen Platz dann auch freigehalten. Also aus-

nahmsweise. Aber es hat diese Intervention von dem Professor an dem Institut

gebraucht.

Hat man Ihnen bei der Botschaft erklärt, warum es solange dauert?

Die Botschaft hat gesagt, sie hätte alles an die Ausländerbehörde hier vor Ort weiter-

geleitet und warte darauf, dass die das Visum bewilligen, also einen Bescheid geben,

dass es geht. Und das hat halt sehr lange gedauert. Die Botschaft meinte, sie könnte

mir nicht weiterhelfen.

Dann sind Sie nach Berlin gekommen ...

Ja, ich habe dann Mitte November 2009 angefangen, es war das zweite Jahr der

Bachelor-Master-Studiengänge. Und ich war die einzige nicht europäische Studieren-

de. Das ist schon ein bisschen irritierend, besonders bei einem Fach wie Europäische

Ethnologie oder Kulturanthropologie, wo es viel um Kultur und Globalisierung oder

Wandel von Gesellschaften geht. Das fand ich schade, dass so eine Universität in

einer kosmopolitischen Stadt, dass die Fakultät für Anthropologie dort in gewisser

Weise sehr homogen ist. Ich kenne das anders aus anderen Fakultäten im Bereich

Sozialwissenschaften – ich habe noch in den USA studiert und in der Türkei gelebt. Bei

der Bewerbung scheint es hier kein Wert an sich zu sein, beziehungsweise es ist so

schwer reinzukommen. Also theoretisch geht es, aber praktisch ist es sehr schwer.

Und im Gegenteil, ich habe schon den Eindruck dass Studierende aus Indien, die

Naturwissenschaften oder Informatik oder Ingenieurwissenschaften studieren möchten,

dass die anders behandelt werden. Da geht es schneller und besser, es gibt auch

mehr Fördermittel. Das DAAD fördert auch ein Deutsch-Stipendium ...

Es ist interessant, auch diese Debatte um Fachkräftemangel und welche Fächer

wichtig sind. Mir scheint, die möchten das auch eng steuern und eng definieren, was

eine Fachkraft ist. Aber anscheinend funktioniert es auch nicht so, denn der Diskurs

über Fachkräftemangel besteht jetzt schon seit längerer Zeit. Und es gab Programme

Page 37: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 36

auch für Inder_innen, die im IT-Bereich tätig waren. Aber die Rahmenbedingungen

waren auch manchmal so eng und dann war es wiederum nicht so attraktiv.

Wie war das dann, als Sie nach Abschluss des Studiums eine Stelle gesucht haben?

Es gibt nach dem Studium die Möglichkeit, ein Visum für die Arbeitsplatzsuche zu

beantragen. Man hat Anspruch darauf, wenn man einen inländischen Hochschulab-

schluss hat. Dann fällt auch diese Vorrangprüfung beim Zugang zum Arbeitsmarkt

weg. Zwischen 2005 und 2012 hatte man ein Jahr Zeit, seit 2012 haben sie es auf 18

Monate verlängert. Das war auch für mich interessant, weil das heißt, dass sie es auf

der einen Seite ermöglichen möchten, dass Menschen auch blieben. Weil es gibt

einfach Schwierigkeiten bei der Jobsuche, auch wenn man gut etabliert ist hier.

Anfang 2014 haben Sie dann die Stelle bei Offensive 91 in Treptow-Köpenick bekom-

men, um die Arbeit zu machen, von der Sie vorhin erzählt haben. Und dann wollten Sie

Ihren Aufenthalt verlängern?

Genau, ich hatte jetzt diesen Arbeitsvertrag und wollte meinen Aufenthalt verlängern

und dachte, es funktioniert. Es geht jetzt glatt weiter. Bei meinem ersten Termin bei der

Ausländerbehörde wurde dann gesagt, dass ich zu wenig verdiene bei dieser Tätigkeit.

Wegen der Eingruppierung. Es wäre eine Tätigkeit, die jeder machen könne. Man

bräuchte keinen Hochschulabschluss oder eine besondere Qualifikation dafür.

Ich meine, es ist in Deutschland ein allgemeines Problem, dass viele Akademi-

ker_innen unterbezahlt sind. Aber bei meinem Gehalt, was ich von der Uni und von

den Verbleibestudien wusste, auch von Freund_innen, die hier studiert haben ... habe

ich ein ganz normales Gehalt verdient. Für Berufseinsteiger_innen, die in Sozialwis-

senschaften ihren Abschluss gemacht haben. Und von der Tätigkeit her auch – ich

finde auch nicht, das es eine Tätigkeit ist, die jede_r machen kann. Das Argument fand

ich sehr schwer zu verstehen. Das fand auch mein Arbeitgeber schwer zu verstehen,

weil es ist eine halbe Stelle und es ist kein großes Team und die wollten eben jeman-

den, die qualifiziert ist, im Bereich gearbeitet hat. Ich war ja auch in der interkulturelle

Bildungsarbeit von „with wings and roots“ tätig.

Page 38: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 37

Was haben Sie nach der Ablehnung unternommen?

Ich habe dann als ersten Schritt mit einem Anwalt innerhalb einer Frist noch Dokumen-

te eingereicht: einen Brief vom Arbeitgeber, wo es auch nochmal um die

Verbleibestudie von der Uni ging, die zeigt, dass mein Gehalt in der Norm liegt. Einen

Brief der stellvertretenden Bezirksbürgermeisterin von Treptow-Köpenick. Und von der

Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen, die das Landesprogramm zu

Integrationslotsen aufgelegt haben.

Auf dieser Basis hat dann mein Anwalt eine Arbeitserlaubnis auf Grund von „öffentli-

chem Interesse“ beantragt, nach § 18 Absatz 4 Satz 2 AufenthG ist diese Möglichkeit

vorgesehen. Denn in dem Paragraphen steht, dass wenn ein öffentliches Interesse zu

erkennen ist, kann auch in einem Einzelfall anders entschieden werden. Das hat er

geltend gemacht. Aber die Ausländerbehörde hat das alles ignoriert. Und „öffentliches

Interesse“ ganz anders definiert und gesagt, es wäre im öffentlichen Interesse, mich

fern vom Bundesgebiet zu halten und dass es eben kein öffentliches Interesse an

meiner Tätigkeit gab...

... die Arbeit in einem öffentlichen Förderprogramm, an dem es kein öffentliches

Interesse geben soll?

Ja. Und dann hat mein Anwalt dazu geraten, dass mein Arbeitgeber eine Pressemittei-

lung rausschickt, dass sie es unverständlich finden und die Entscheidung der Auslän-

derbehörde sehr bedauern. Und die Medien haben dann sofort auf die Pressemittei-

lung reagiert. Und mein Arbeitgeber hat sein politisches Netzwerk im Bezirk aktiviert

und die haben es dann auch auf Berlin-Ebene getragen.

Und es gab die Initiative zu einer Online-Petition bei change.org, wo über 73.000

Unterschriften zusammenkamen für die Forderung, dass sie bleiben können.

Meine Freund_innen von „with wings and roots“ haben dann die Petition online gestellt.

Und das war sehr überraschend, dass so viele Menschen unterschrieben haben. Wir

dachten, unser Netzwerk sind 1000 Menschen, aber dadurch, dass es dieses mediale

Interesse gab, waren es sehr viel mehr. Und das zeigt, dass es zumindest Interesse

Page 39: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 38

gibt, solche Diskussionen zu führen. Was sind die Werte um Migration? Geht es nur

um eng definierte wirtschaftliche Interessen? Oder geht es auch um andere Sachen?

Einfach dass so viele Menschen das unterschrieben haben, zeigt mir, dass es einen

Bedarf zur Diskussion gibt.

Und dann gab es ein Gespräch zwischen der Ausländerbehörde, Ihrem Arbeitgeber,

der Senatsverwaltung und dem Bezirksamt Treptow-Köpenick. Und Sie und Ihr Anwalt

waren auch dabei.

Ja. Und die gemeinsame Lösung, die gefunden worden ist, war, mich anders einzu-

gruppieren. Eben mit der Begründung, dass meine Tätigkeit schon eine qualifizierte,

anspruchsvolle ist ... so konnte die andere Eingruppierung begründet werden.

Es ist interessant, dass die Ausländerbehörde nicht vorher auf das „öffentliche

Interesse“ eingegangen ist. Das ist ein Ermessensspielraum, der im Gesetzbuch steht.

Den hätten sie auch ausschöpfen können. Und sagen können, wir haben jetzt eine

andere Rechtsgrundlage gefunden. Ich glaube, sie wollten das nicht definieren. Wie

übersetzt man „öffentliches Interesse“ dann in einen Aufenthalt? Vielleicht weil es

andere Menschen dann auch geltend machen ...

Auf der Grundlage des Gesprächs und der Vereinbarungen haben Sie dann erstmal

einen Aufenthaltstitel bis Ende des Jahres bekommen?

Der Arbeitsvertrag geht eben bis Ende des Jahres, weil das Projekt bis dahin bewilligt

ist. Für das nächste Jahr müsste ich dann nochmal einen neuen Antrag stellen. Aber

das Landesprogramm ist auf 2014 und 2015 ausgelegt und ich gehe davon aus, dass

es weitergeht und dann auch mein Vertrag reibungslos verlängert wird.

Kennen Sie andere Fälle, in denen Menschen ähnliche Probleme hatten wie Sie?

Ich kenne den Fall von Mohamed Amjahid, mit ihm habe ich mich im Mai und Juni auch

ausgetauscht. Und ich habe Freund_innen, die freiberuflich arbeiten, zum Beispiel aus

der Türkei, die dann immer wieder solche Schwierigkeiten haben.

Page 40: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 39

Wie war es für Sie, so viel Unterstützung zu bekommen?

Es war wirklich nicht möglich ohne diese Unterstützung, weil Bescheide sind eben

Bescheide. Und es ist eben sehr schwer etwas gegen einen Bescheid zu machen. Das

System ist auch nicht so angelegt, dass Einzelpersonen einen Widerspruch einlegen

können. Das zeigt einfach, wie machtvoll Netzwerke sind und sein können. Ich hoffe

auch, dass es für andere Arbeitgeber ein interessanter Punkt ist. Sie können eine

Stellungnahme formulieren und auch etwas bewirken. Viele Menschen haben aus ihrer

Position heraus gemacht, was sie konnten.

Page 41: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 40

Bente Scheller

Bleiben oder gehen? Kein Weg aus der Ausweglosig-

keit in Syrien

Deutschlands Politik gegenüber syrischen Flüchtlingen steht besser da als die der

meisten europäischen Staaten. Seit 2013 sind drei Programme zur Aufnahme von

insgesamt 26.000 Flüchtlingen aus insbesondere dem Libanon verabschiedet worden

– über diejenigen hinaus, die es auf anderen Wegen in die EU schaffen und in

Deutschland Asyl beantragen. Dem Ausmaß der Krise wird die bisherige Politik jedoch

noch nicht einmal ansatzweise gerecht. Deswegen fand auch am 28. Oktober eine

internationale Flüchtlingskonferenz in Berlin statt. Angesichts des Ausmaßes der Krise

ist jedoch auch das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Westliche Staaten konzent-

rieren sich auf eine Linderung der Symptome der Krise, die sie ohne eine politische

Untermauerung nicht in den Griff bekommen werden.

„Kannst Du irgendwie ein gutes Wort für uns einlegen?“ Das fragte mich im Frühjahr

2012 ein syrischer Freund. „Meine Tante möchte nach Deutschland reisen, aber wir

haben einfach keine Ahnung, wie wir an einen Termin kommen.“ Damals war die

deutsche Botschaft in Damaskus schon geschlossen, aber die Terminvergabe fand

weiterhin über ein syrisches Call-Center statt. Mit dem Anruf wurde eine Gebühr fällig,

so dass man sich nur mit einer eigens dafür zu kaufenden Telefonkarte bewerben

konnte. „Keiner wusste mehr, wo wir eine solche Karte auftreiben können. Die ein-

schlägigen Läden hatten sie nicht mehr. Wir haben einen Rechtsanwalt beauftragt,

eine für uns zu finden. Er hat uns nach ein paar Wochen das Geld zurückgegeben, weil

er einfach nicht fündig wurde.“ Die Michatis (dieser und alle folgenden Namen wurden

geändert) sind dann durch Zufall fündig geworden: „Eines Tages, an einem Kiosk in

der Vorstadt! Die Besitzer waren ganz verwundert, weil sie gedacht hatten, die Karten

seien gar nicht mehr gültig und sie schon fast weggeschmissen hätten.“

Page 42: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 41

Das Kartensystem bedingte, dass Syrer_innen nicht aus dem Ausland anrufen

konnten, um sich einen Termin zu beschaffen. Insofern argwöhnten einige rasch, dass

Deutschland sich hinter bürokratischen Hürden verschanze, um ja nicht zu viele

syrische Bewerber_innen sehen zu müssen. Insofern war es zunächst eine Erleichte-

rung, als die Botschaft auf Online-Terminvergabe umstellte. Doch die Freude währte

nicht lange: Egal, wie oft neue Termine freigeschaltet wurden, sie waren immer im

Handumdrehen belegt.

Online-Verfahren bei der Visa-Vergabe und neue Probleme

„Die Welt“ und Spiegel-Online berichteten über unsaubere Praktiken – „Hacker_innen“

hätten in Syrien und dem Libanon die Webseite genutzt, um die Termine unter der

Hand zu verkaufen. Doch ausgefeilter Computerkenntnisse hätte es gar nicht bedurft.

Eher Geduld und ein ständiges Beobachten, die sich rentieren, wenn man aufgrund der

hohen Nachfrage nach Visa-Terminen diese entsprechend teuer verkaufen kann. Ein

lukratives Geschäft in Zeiten, in denen die politische und wirtschaftliche Lage in Syrien

immer verheerender wurde und auch die Nachfrage stieg. Hier spielten aber sicherlich

auch andere Faktoren hinein: Die deutschen Aufnahmeprogramme weckten bei vielen

die Hoffnung, es werde einfacher sein, nach Deutschland zu gelangen. Befeuert wurde

dies auch durch die Kommunikation des Auswärtigen Amtes. Ob auf der eigenen

Webseite oder über soziale Medien wie Facebook und Twitter baten die Behörden,

Verzögerungen in der Bearbeitung von Anträgen zu entschuldigen, weil sie durch die

vielen Anträge und das Aufnahmeprogramm an den Rand ihrer Kapazitäten gelangten.

Der Vorwurf an die deutschen Behörden war, das Problem - obwohl bekannt - lange

nicht angegangen zu sein. Ob dem so ist, ist aus lokaler Perspektive schlecht nachzu-

vollziehen. Wer die Massen von Menschen, die sich zeitweise vor der deutschen

Botschaft drängten, vor Augen hat, kann sich vorstellen, wie groß die Herausforderung

ist. Wer weiß, wie beschwerlich es ist, allein für einen Antrag aus Syrien den Weg in

den Beiruter Vorort von Rabieh zu suchen, kann zu der Überzeugung gelangen, dass

ein Online-System nicht das schlechteste ist – sofern es funktioniert, was hier augen-

scheinlich nicht der Fall war.

Was sich jedoch in den Artikeln in der deutschen Presse nicht widerspiegelte: die

Probleme betrafen ausschließlich Bewerber_innen um Geschäfts- oder Touristenvisa,

Page 43: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 42

nicht das Flüchtlingsaufnahmeprogramm von Bund und Ländern, die ohnehin über

persönliche Vorstellung liefen.

Parallele Verfahren: Reisevisum und Aufnahmeprogramm

Ein Problem darin, nach Deutschland zu gelangen, ergibt sich aus der Natur der

Sache: Es ist eine besondere Situation, dass es einerseits ein Aufnahmeprogramm

gibt, das syrischen und palästinensischen Staatsbürger_innen aus Syrien einen

dauerhaften Verbleib in Deutschland zusichert, andererseits jedoch die normale Visa-

Vergabe von Geschäfts- oder Besuchsvisa weiterläuft. Das stellt die Bewerber_innen

vor eine sich eigentlich ausschließende Wahl. Um sich für das Aufnahmeprogramm zu

qualifizieren, muss ersichtlich sein, dass ein Verbleib in Syrien respektive der Region

quasi unmöglich ist, dass die Lage so drängend und im Zweifelsfall der Bezug zu

Deutschland so stark ist, dass die Betreffenden sich für einen dauerhaften Aufenthalt

qualifizieren. Wer sich um ein zeitlich begrenztes Besuchsvisum bewirbt, muss im

Gegenteil glaubhaft machen, dass er in der Region „verwurzelt“ ist und gute Gründe

hat zurückzukehren. Insgesamt gibt es Zusagen auf Bundesebene für 20.000 Flücht-

linge. Die Bundesländer haben sich zur Aufnahme weiterer 6000 Flüchtlinge bereiter-

klärt. Weil aber das Aufnahmeprogramm insgesamt in keinem Verhältnis zur Nachfrage

steht und im Wesentlichen Familienzusammenführung und eine Auswahl durch die

Vereinten Nationen nach Bedürftigkeit Erfolg verheißen, bewerben sich notwendiger-

weise auch viele um ein normales Reise-Visum, bei denen mehr oder weniger

begründete Zweifel daran bestehen, ob ein kurzzeitiger Aufenthalt ihr eigentliches Ziel

ist.

Diese Spannung könnte man nur dadurch aufheben, indem man sich für das eine oder

das andere entscheidet, was definitiv nicht im Sinne der jeweiligen Bewerber_innen

wäre.

Mit dem Verkauf der tatsächlich vorhandenen Visa-Termine war jedoch noch nicht das

Ende der Gewinnschöpfungskette erreicht. Sie speist sich wesentlich aus Hoffnungen,

aus dem verzweifelten Suchen danach, einen Ausweg aus der eigenen schwierigen

Lage zu finden, was Interessenten zu willfährigen Opfern der allgemeinen Gerüchtekü-

che macht.

Page 44: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 43

Einige Antragsteller_innen bei der deutschen Botschaft fielen aus allen Wolken, als sie

dort eintrafen und feststellten, dass sie einem anderen Betrug zum Opfer gefallen

waren. Sie hatten viel Geld für offiziell aussehende, aber keinem zweiten Blick

standhaltende Schreiben bezahlt, die ihnen einen Termin zusicherten, der gar nicht

existierte.

Aufnahme syrischer Flüchtlinge in der EU und in Deutschland im

Vergleich

Mit bislang insgesamt 20.000 Flüchtlingen, die über das Aufnahmeprogramm nach

Deutschland gelangen sollen, ist die Bundesrepublik einsame Vorreiterin in der EU und

nimmt nahezu doppelt so viele Flüchtlinge auf, wie die 27 anderen Staaten zusammen.

Schaut man sich jedoch an, wie viele in den Nachbarstaaten und der Region unterge-

kommen sind, ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Allein im Libanon mit rund 4

Millionen Einwohner_innen sind mittlerweile über eine Million syrischer Flüchtlinge

untergekommen, und ähnlich sieht es auch in der Türkei und Jordanien aus. 20.000 -

das sind so viele wie im Libanon zeitweise in einem einzigen Monat über die Grenze

kommen. Doch Europa, innenpolitisch beschäftigt mit einer Wirtschaftskrise und einem

Rechtsruck, der Ausländerfeindlichkeit den Boden bereitet, ist augenscheinlich nicht

bereit, hier aktiver zu werden. Die Aufnahmeprogramme anderer Staaten beschränken

sich auf wenige Hundert. Selbst aus fernen Teilen des globalen Südens, namentlich

Uruguay, das sich zur Aufnahme von 120 syrischen Flüchtlingen bereiterklärt hat,

kommen zum Teil großherzigere Angebote als aus europäischen Staaten.

Schweden, das unter Syrer_innen großes Ansehen für seine Politik genießt, steht in

diesem Bereich bei Lichte betrachtet auch nicht gut da. Zwar ist die Integration

Asylsuchender aus Syrien dort weitaus besser vorbereitet. Das gilt jedoch nur für

diejenigen, die es auf krummen Wegen dorthin schaffen. Ein Geschenk für die

Menschenschmuggler-Mafia, ein hoher Preis für all diejenigen, die sich gezwungen

sehen, ihr Leben diesen anvertrauen.

Die Situation syrischer Geflüchteter im Libanon

Dass viele westliche Staaten ein großes Interesse daran haben, dass Flüchtlinge in der

Region bleiben, trifft sich mit dem Bestreben vieler Syrer_innen: Vielen ist bewusst,

dass man im Westen nicht auf sie wartet, dass die Möglichkeit, dort auf sicherem

Page 45: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 44

Wege hinzukommen, nur der erste Schritt eines schwierigen Neuanfangs ist. Manche

empfinden sich nicht als Flüchtlinge, solange sie im Nachbarland sind. „Ich bin schon

fast zwei Jahre im Libanon und reise längst nicht mehr nach Damaskus gereist“, sagt

Roula, „aber bis vor kurzem habe ich auf die Frage, wo ich wohne, immer noch gesagt,

ich pendelte zwischen Syrien und hier.“ Für viele fühlt es sich im Libanon an, als seien

sie nur temporär hier und könnten jederzeit zurück. Sie haben Eltern, Geschwister,

Verwandte und Freund_innen, die noch in Syrien sind. Noch immer kann man an

Beiruts Busbahnhöfen die Fahrten nach Damaskus, Latakia und in andere syrische

Städte buchen, doch was nur wenige Kilometer entfernt ist, ist gleichzeitig für viele wie

die Rückseite des Mondes – unerreichbar. Gleichzeitig ist ihr Aufenthalt im Libanon

von Unsicherheiten geprägt. Es ist der einzige Nachbarstaat, der seine Grenzen

weitestgehend offen hält, aber einen Aufenthaltstitel oder eine Arbeitserlaubnis

bekommen die wenigsten. Einige leben vom Angesparten, das angesichts der hohen

Lebenshaltungskosten im Libanon zu zerrinnen scheint. Viele schlagen sich durch –

mit kleinen eigenen Geschäften, auf Baustellen, als Tagelöhner_innen oder als

Laufburschen für die Krämerläden.

Einige trauen sich nicht, sich bei den Vereinten Nationen im Libanon zu registrieren,

aber viele sind sich gewahr, dass sie durch diese auch kaum eine Unterstützung

erhalten können, die ihnen über die Runden hilft. Die Programme sind hoffnungslos

unterfinanziert. Gerade für Kinder, Jugendliche und Student_innen ist die Lage

verheerend. Ihr arabisch geprägter Bildungsweg ist mit dem mehrsprachigen Curricu-

lum im Libanon nicht kompatibel; Schulgelder und Studiengebühren im weitgehend

privatisierten Bildungssektor des Landes für viele Familien unerschwinglich. Immer

mehr prägen insbesondere bettelnde Frauen und Kinder, die Kaugummis und Rosen

verkaufen oder sich als Schuhputzer_innen verdingen, das Straßenbild libanesischer

Städte.

Selbst diejenigen, die in privilegierteren Positionen sind und mittels ihrer Qualifikation

oder Kontakte eine bessere Existenz aufbauen können, sind mit vielen Problemen

konfrontiert: Wer eine Organisation zu gründen versucht, kann sich kaum registrieren,

ja aufgrund der Sanktionen, die eigentlich gegen das syrische Regime gerichtet sind,

können viele Syrer_innen noch nicht einmal ein Bankkonto einrichten, weil sie unter

Page 46: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 45

einem internationalen Generalverdacht stehen, der libanesische Banken zurückscheu-

en lässt.

Sie wissen, dass der Libanon ihrer prekären Existenz von heute auf morgen den

dünnen Teppich unter den Füßen wegziehen könnte, und dennoch wirkt es für viele,

als würden sie eine Tür endgültig hinter sich zuschlagen, wenn sie nach Europa

gingen. Es ist nicht der Traum vom Schlaraffenland, der sie antreibt, sondern die

existenzielle Angst, der sie zu allen Strohhalmen greifen lässt, die Perspektivlosigkeit

und die bittere Erkenntnis, dass sie auf absehbare Zeit nicht in ihr vorheriges Leben

zurückkehren oder damit fortfahren können.

Das bedeutet eine enorme Belastung für Familien, ob in Syrien oder in der Diaspora.

„Mein Mann, meine Schwester und ich waren uns einig, lange können unsere Eltern

und Geschwister auch nicht mehr in Syrien bleiben“, sagt Rania. „Meine Schwester in

Frankfurt und wir in London, wir haben unser Möglichstes getan, um all die Papiere für

eine Familienzusammenführung zusammenzubekommen. Wir haben es auch nicht so

dicke, aber Geld nach Syrien zu schicken, sahen wir als unsere Pflicht! Wir sind

schließlich eine Familie. Aber mein Vater ist der Überzeugung, Syrien ist sein Land,

hier ist er geboren, hier wird er sterben. Meine Mutter hat Angst vor einem Neuanfang,

aber wir hatten sie schließlich überzeugt.“ Bis nach Jordanien waren sie schon

gekommen und mussten hier einige Wochen auf die letzten Dokumente warten. „Mein

Bruder hat gesagt, schau nur, wie wir hier leben. In Syrien können wir mit dem gleichen

Geld viel besser leben, wir ziehen den Kopf ein und warten, bis es vorüber geht“, dann

sind alle wieder nach Syrien gefahren, bis die Chance verpasst war. Rania schüttelt

den Kopf: „Erst haben wir uns die Füße wundgelaufen, dann den Mund fusselig

geredet – sie wollten einfach nicht mehr kommen.“ Ranias Schwester hat kurz darauf

einen befristeten Job in Amman gefunden. „Stell dir vor, im richtigen Moment hat sie

einen Rückzieher gemacht hat, und jetzt ruft sie mich an und sagt, sie habe bei einer

skandinavischen Airline einen Job als Flugbegleiterin gefunden, jetzt werde sie in

Schweden Asyl suchen. Ich habe sie gefragt, was ist das für eine Airline? Die kennt

doch keiner, hast Du überprüft, ob es die überhaupt gibt? Die angebliche Fluggesell-

schaft wollte kein Vorstellungsgespräch, aber erstmal die Maße meiner Schwester

wissen, „für die Uniform“ – das stinkt zum Himmel! Als ich ihr das gesagt habe, ist sie

wütend geworden: ‚Du willst doch nur, dass ich nichts Gutes je alleine finde. Wenn du

Page 47: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 46

mir diesen Traumjob jetzt madig machst, buche ich eben eine von den Schmugglertou-

ren mit dem Schiff.’“ Rania ist innerlich zerrissen – einerseits fühlt sie sich ihrer Familie

verpflichtet, andererseits hat sie die Grenzen dessen erreicht, was sie für sie leisten

kann.

Geschäftsleute des Elends

Echte und erfundene Visa-Termine sind nicht die einzige Einkommensquelle für die

gewieften Geschäftsleute des Elends. Für eine stetig größer werdende Gruppe

syrischer Bürger_innen stellt sich nämlich die Frage, wie sie überhaupt an gültige

Reisedokumente kommen. Um in den Libanon zu reisen, brauchen sie nur einen

Personalausweis. Alles darüber hinaus allerdings erfordert einen Reisepass, und hier

sind syrische Bürger_innen vom Gutdünken der syrischen Autoritäten abhängig. Von

jeher hat das Regime unliebsamen Opponent_innen einen Reisepass verweigert und

belegte selbst die, die einen hatten, willkürlich mit Ausreisesperren.

Dieser Willkür hat die derzeitige Situation die Türen noch weiter geöffnet. Das trifft

insbesondere – aber nicht ausschließlich - junge Männer, die ihren Militärdienst noch

nicht abgeleistet haben. Sie erhalten Passverlängerungen grundsätzlich nur für wenige

Monate, manchmal ein Jahr. Seit Beginn der Revolution ist es insbesondere – wenn-

gleich nicht nur - für sie noch schwieriger geworden. Der Gang zur syrischen Botschaft

ist zur Zitterpartie geworden. „Sie sagen einem nicht ins Gesicht, dass man aus

politischen Gründen keine Passverlängerung mehr bekommt“, sagt Hani. „Es heißt

dann, kein Problem, nur müsstest du zuvor nach Damaskus reisen, um einige Angele-

genheiten dort mit dem Geheimdienst zu klären. Hier fühle ich mich nicht sicher, aber

wenn ich erstmal wieder jenseits der Grenze bin, gibt es niemanden mehr, der mir

helfen kann.“ Aus Furcht vor einer Verhaftung hat er jemanden in Syrien beauftragt,

stellvertretend für ihn eine Passverlängerung zu beantragen. „Wenn man zahlen kann,

bekommt man alles.“ Für mehrere Tausend Dollar hatte Hani schließlich einen

verlängerten Pass in Händen. Manche bekommen dafür echte Dokumente, viele

gefälschte. Was manchen ausländischen Botschaften gut genug ist, geht bei den

libanesischen Behörden nicht durch. „Ich hatte Visa, ein permanentes für die USA, ein

frisches europäisches. Bei meiner Ausreise hat man mich am Flughafen in Beirut

verhaftet. Immerhin hat man mich nicht deportiert, aber eine Strafe von 1000 Euro

musste ich entrichten“, sagt Yahya. Sein teuer bezahlter Pass ist von den libanesi-

Page 48: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 47

schen Sicherheitsdiensten einbehalten worden, so dass er das Urteil nicht einmal

anfechten kann.

Viele Staaten der internationalen Gemeinschaft haben die Nationale Koalition aner-

kannt, als „eine“ oder gar „die“ legitime Vertretung des syrischen Volkes. Aber sie

haben sie nicht mit der Befugnis und den Möglichkeiten ausgestattet, Reisedokumente

auszustellen. So ist absehbar, dass immer mehr Syrer_innen auf Dauer festsitzen

werden. Das erlaubt dem Regime, weit über die Grenzen des eigenen Landes hinaus,

Macht über syrische Staatsbürger_innen auszuüben und auch über den Verbleib

derjenigen zu bestimmen, die für sich keine Zukunft in Syrien sehen.

Solange es keine aussichtsreichen Versuche gibt, den Konflikt zu beenden, solange

das Morden in großem Maßstab ungehindert fortschreitet, so lange werden Menschen

aus Syrien gezwungen sein, ihr Heil andernorts zu suchen. Es wäre höchste Zeit, sich

wenigstens der Millionen von Vertriebenen anzunehmen. Wichtiger noch, als sich

lediglich um die Symptome zu kümmern, wäre jedoch, endlich ernsthaft auf eine

politische Lösung zu dringen. Andernfalls wird der Strom syrischer Flüchtlinge anhal-

ten.

Bente Scheller leitet seit 2012 das Regionalbüro Nahost der Heinrich-Böll-Stiftung in

Beirut. Zuvor war sie Büroleiterin der hbs in Kabul. Sie promovierte an der Freien

Universität Berlin zu syrischer Außenpolitik und war von 2002 bis 2004 Referentin an

der Deutschen Botschaft Damaskus.

Page 49: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 48

Iryna Sushko

“Strict or fair”? German visa policy in Ukraine

Based on the official EU statistics for 2011–2013 and independent

monitoring findings for 2013

The visa practice of each EU Member State reflects both its administrative culture and

its goodwill standards regarding the country of origin and its citizens. Regardless of the

existing common EU legislative framework on visa procedure, some EU Member

States introduced stricter or, on the contrary, more “human” standards and require-

ments for visa applications. As important parameters have to be taken into considera-

tion: issuance of long-term visas, the number of supporting documents required for

submission from certain categories of applicants, the waiving of the consular fee.

„Europe without Barriers” has monitored visa policy and practice within the EU several

times. The German visa practice was recognized as “contrasting” that means when

“pluses” in some elements are balanced by “minuses” in others. For instance, the

German consulate has one of the highest refusal rates and requires the largest number

of documents at the same time. This visa practice has clear, understandable and

transparent requirements. This is the reason why Ukrainian applicants usually call

German visa procedures “strict but fair”.

German visa practice: current trends

Germany keeps a stable number of visas issued in Ukraine in recent years (about

100.000 annually), with a growth by about 2 percent in absolute numbers of visas.

While overall quantity of Schengen visas in Ukraine has been increased by 15-20

percent annually, that trend implies a reduction of the German share. Whereas 2-3

Page 50: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 49

years ago Germany occupied the 2nd position (after Poland) by absolute number of

visas, today it is the 4th, with Hungary and Czech Republic ahead2.

Table. 2011- 2013 selected visa statistics of Germany

Consu-

late

C issued Multiple entry C

uniform visas

MEV

share

C+A issued Applied for Refused (%)

Kyiv and

Sub-

Total

Ukraine,

2011

99 198 23 800 24,0% 99 222 105 149 5,64%

Total

German

visas in

the

World,

2011

1 588 594 237 953 15,0% 1 589 679 1 708 420

7%

Kyiv and

sub-total

in

Ukraine,

2012

100 390

31 347

31,23%

100 469 106 377 5,55%

Total

German

visas in

the

1 729 119

326 069

18,86%

1 735 522 1 851 547 6,27%

2 Oleksandr Sushko. Schengen visas issuance by German consulates in Ukraine. Policy briefs.

Kyiv, 2011

Page 51: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 50

World,

2012

Kyiv and

sub-total

in

Ukraine,

2013

104 800

35 605 34,0%

104 825 112 220 6,6%

Total

German

visas in

the

World,

2013

1 851 577 402 971 21,8% 1 887 051 2 049226 7,9%

Visa type C – Short-term Schengen visa with less than 90 days in period of 180 days

MEV – Multiple-entry visas

MEVs issued for Germany: only MEVs valid for more than 1 year are included

In 2011 Germany issued 1.589.679 Schengen visas (categories A and C), in 2012

1.729.119 and in 2013 1.851.577 (categories C).

Germany operates one consulate in Kyiv and five Visa Centres (Donetsk Visa Centre

doesn’t accept visa applications anymore because of the “Anti Terrorist Operation”). In

2007, Germany introduced a new practice of receiving and processing visa applications

in Ukraine with the participation of Visa Facilitation Service (VFS). This company

started its work in Kyiv by establishing the so-called “Visa Centres” as intermediaries

between consular and applicants and by providing information and primary processing

of visa documents. The appearance of VFS Company on the Ukrainian visa service

market provoked numerous questions from the civil society concerning the founders

and owners of the company. But the main issue related to the right of the applicants to

choose the place of submitting the documents as it was foreseen by the EU Visa Code.

The EU Visa Code establishes the right for visa applicants to choose whether to

address their visa applications directly to the consular department of the Embassy or to

Page 52: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 51

the external provider. The latter additionally charges for visa document processing,

therefore there is a significant increase of visa fee costs, despite the fact that a stable

fee of 35 Euro was fixed in the Visa Facilitation Agreement.

It appears that in most cases the consulate does not ensure adherence of this provi-

sion, moreover they directly or indirectly send visa applicants to submit their application

to Visa Centres.

In order to receive a comprehensive pattern of a country’s visa issuance practice it is

important to combine different parameters of visa procedure and make comparison

with the EC official visa statistics. The mentioned visa issuance practice monitoring,

which has its methodology and is based on sociological survey (polling) of applicants

near consulates, gives an opportunity to reveal more specific features of the visa

practice of a country. Below are those of the German visa policy.

German visa issuance practice has 10 distinctive features:

1. Submitting documents to obtain a visa

Document submission time: Practically all applicants at the Consulate of Germany (100

percent) mentioned that they managed to submit visa documents during the time slot

they had selected.

2. Waiting

Average document procession time: 70 percent of the surveyed respondents noted that

their documents were processed for 6-10 days, while 18,3 percent of the respondents

received their documents after less than 5 days in procession.

3. Confirming the purpose of a trip

Additional documents: Average number of additional documents that were submitted

by the applicants to obtain visas from the Consulate of Germany was seven, while the

maximum registered amount of such documents was 17.

4. What was requested and what was received?

Page 53: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 52

Visa validity period: 12,2 percent of the respondents at the Consulate of Germany

obtained visas for a term of over 6 months and 9,2 percent of the applicants managed

to obtain yearly visas.

5. Duration of stay in comparison with other Schengen states

< 10 11-20 21-30 31-

40

41-

50

51-

60 61-90

91-

180

181-

365 365+

Austria 38,1 1,6 9,5 0 1,6 3,2 39,7 6,3 0 0

Belgium 24,5 20,8 18,9 0 3,8 1,9 18,9 7,5 3,8 0

Great Britain 10,2 6,8 3,4 0 0 0 8,5 39,0 23,7 8,5

Greece 44,3 24,2 20,8 ,7 0 2,7 7,4 0 0 0

Estonia 10,6 29,8 14,9 0 2,1 2,1 34,0 2,1 4,3 0

Spain 19,7 31,1 26,2 1,6 1,6 3,3 11,5 4,9 0 0

Italy 37,9 22,4 12,1 0 3,4 1,7 15,5 0 5,2 1,7

Latvia 20,0 18,3 28,3 1,7 0 3,3 13,3 5,0 8,3 1,7

Lithuania 12,3 8,8 28,1 3,5 0 3,5 12,3 7,0 22,8 1,8

Netherlands 18,5 25,9 14,8 5,6 0 3,7 18,5 11,1 1,9 0

Germany 29,7 24,0 13,5 2,2 1,3 3,9 17,5 5,7 2,2 0

Poland 9,6 10,4 8,3 0 ,4 2,2 37,0 8,3 23,5 ,4

Portugal 16,4 32,8 27,9 0 0 6,6 3,3 8,2 4,9 0

Slovakia 11,9 11,0 11,0 2,5 2,5 3,4 57,6 0 0 0

Slovenia 33,3 21,2 15,2 0 0 0 21,2 3,0 3,0 3,0

Hungary 28,1 6,6 3,3 0 ,8 0 60,3 0 ,8 0

Finland 12,5 33,3 12,5 0 0 4,2 29,2 0 8,3 0

France 14,8 26,2 14,8 0 0 1,6 29,5 9,8 3,3 0

Czech Republic 19,2 11,0 15,1 ,6 ,6 8,7 30,8 5,2 7,6 1,2

Sweden 14,6 45,8 16,7 0 8,3 2,1 4,2 2,1 6,3 0

6. Number of entries

The survey data showed that 50,2 percent of the respondents obtained single-entry

visas, while the percentage of respondents who obtained multiple-entry visas was 42,4

percent.

7. Share correlation between multiple-entry and long-term visas

Page 54: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 53

Visa validity period longer than 3

months Duration of stay longer than 3 months

Multi

(multiple-entry)

20,6 percent 7,9 percent 42,4 percent

8. Visas without visa fee

According to the survey, the amount of applicants who paid consular fees to the

Consulate of Germany is 67,2 percent, while 32,0 percent obtained their visa free of

charge.

9. Justifying expectations

The majority of applicants (96,5 percent) expressed their overall satisfaction with the

results of the application process at the Consulate of Germany.

10. What the applicants say about the visa practice of Germany

The changes in the visa regime/ in the German Visa Centres introduced on 10 June

2013 considerably simplify the visa process for all citizens of Ukraine, and not only the

ones who had obtained at least two Schengen visas for the last two years. Visa

applicants from all over Ukraine do not have to travel to the Consulate of Germany in

Kyiv and to wait in queues.

Sometimes the consulate has not understandable requirements such as: the necessity

to provide a detailed handwritten explanation of a tourist trip day by day if the person

wants to go as an individual tourist; the requirement to sign a paper that will prove the

husband’s ability to support his wife’s trip even though the latter has its own means,

proved by submitting bank statement.

According to the independent monitoring outcomes provided by EWB in 2011-2013, the

overall rating of the German visa policy (generated on the basis of visa applicants

polling by the variety of parameters) is 5 among 20 Schengen zone countries investi-

gated. This indicates a rather positive assessment by Ukrainian applicants compared to

the most other Member States.

Page 55: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 54

At the same time some spectacular cases harmed the image of German visa services

in Ukraine, in particular scandalous visa refusals to prominent society leaders and

intellectuals.

▬ For instance, there is the case of the very popular writer Irena Karpa who got

a visa refusal from the Consular section of the Federal Republic of Germany

in June 2012 despite having expired 5 passports consecutively and being 10

years experienced traveler throughout the world.

▬ Another “refusal visa story” occurred with the distinguished photographer Ar-

thur Bondar who could not present his own photo exhibition at the Berlin

Browse Photo Festival due to visa refusal of the German Consular section in

May 2012.

▬ The anti-corruption NGO leader Olexiy Khmara (Head of TORO-TI, Trans-

parency International coordinator in Ukraine) couldn’t participate in the Anti-

Corruption Coordination Meeting, held by Transparency International, in

Germany in October 2011.

▬ Roland Mikiani, Ukrainian-Georgian civic activist, one of the project leader of

“Vladometr” (“Measuring the power”) checking politicians’ activities, member

of the civic movement “Chesno” (“Honestly”), providing civic audit of all

members and candidates for Ukraine’s parliament, couldn’t visit his brother,

legaly residing in Germany, due to two consecutive visa refusals by German

consulate in 2011 and 2012.

It is worth mentioning that in most of the cases described above the consular officers

granted the visas in the end after they obtained further clarification of the situation

because of the refusal story. Hence, these cases show that usually only law abiding

citizens suffer from visa barriers.

The described cases provoked a widespread resonance in the society and were largely

broadcasted by the media. Especially in view of the Visa Facilitation Agreement,

entered into force in 2008 and enhanced in 2013. The Agreement foresees simplifica-

tion of a visa procedure according to such parameters as: the duration of document

Page 56: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 55

processing, issuance of multiple-entry and longterm visas, free-of-charge visas and

minimal number of documents required for a visa.

The effective implementation of the Visa Facilitation Agreement allows the so-called

“positive visa record” applicants not only to use its advantages, but also to advance the

EU-Ukraine visa dialogue. Thus, it is of utmost importance that the consulates of the

EU Member States adhere to the main provisions of the Agreement more accurately .

Particularly considering the fact that the Agreement itself bears advisory character and

its implementation depends mainly on a consulate’s good will to implement those

provisions.

Page 57: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 56

The EU Visa Code and actual challenges

In 2010, visa legislation was significantly changed and amended as a result of the EU

Regulation № 810/2009 establishing a Community Code on Visas (Visa Code). This

Page 58: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 57

document, more known as the Visa Code, was approved by the EU Council on 13th

July 2009, entered into force on 5th April 2010 and establishes the procedures and

conditions for issuing visas for short stays on the territories of Member States. In the

last four years of its implementation a lot of strong as well as weak points became clear

which need to be adjusted and shall be addressed by the EU Commission.

In this regard the incident which occurred with seven Ukrainian tourists, detained in

Germany, will be very much expressive. It indicates the existing gaps both in the

Schengen Law and in the practice of enforcement. Controversial interpretation of

Schengen rules, exercised by German police during this incident, creates a potential

threat to more than 300.000 of Ukrainians who hold a Schengen multiple-entry visa.

This problem can be solved by amendments to the EU Visa Code, and it will require

time and political will. However, the situation requires an immediate response, so it is

important to create a judicial precedent that would plainly point out the inaccuracy of

German officers.

As any field of law, the Schengen law contains several “weak links” and gaps which

enable ambiguous interpretation or lack of clear provisions where they are needed.

One gap is the regulation of the use of multiple Schengen visas. As it is known, such

visas are issued to persons who require regular travels to the EU and have documen-

tary evidence. Most of such visas are issued to persons who have regular business

connections with partners in the EU and who carry out regular trips with the aim of

keeping business (professional and public) contacts. For such persons, according to

EU Visa Code (art. 24.2), a multiple Schengen visa is issued for a term up to 5 years

and gives the right to unlimited number of short-term visits for a period not exceeding

90 days within half a year.

Obviously, during the validity term of such visa, its owner often has the need of

travelling to the EU for purposes that differ from that specified during his paper work.

For example, visiting relatives, acquaintances, or tourist trip. In principle, the existing

multiple Schengen visa (category C) gives the right to stay on the territory of all

Schengen countries with different aims of the visit within the specified deadline.

Page 59: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 58

In addition to that, the same visa can contain “The aim of the visit” in the last column

“Remarks”, (Comments or Remarks), which appears, as a rule, as a digital code,

without decoding, and can often be quite baffling to the owner of visa. The following

notes or their lack are determined by regulatory norms of the Member States (article 9b

of the EU Visa Code provides the appropriate rights to the Member States).

For example, in the column “Remarks” on Schengen visas issued by consulates of

Poland, the words “cel wydania” and code 01 means “tourist trip”, 02 – “guest trip”, 03 –

“participation in sporting events”, 04 – “business trip, entrepreneurial activity”, 05 –

“participation in cultural activities, and international conferences”, etc. At the same time,

when the citizen is crossing the border, the guard has the right to verify whether the

purpose of the trip corresponds with the one mentioned when filling in the visa papers.

And such a test does not cause misunderstanding in the cases of a one-time visa, but

causes problems for the owners of multiple visa, who may have problems not just when

crossing the border but while staying on the territory of the Schengen zone.

Thus the problem lies in the fact that the actual Schengen Law lacks clear correlation

between pluralities of entries (the purpose of multiple entry visas) and plurality of

purposes of the journey. Obviously, the multiplicity of the purposes arises when the

traveler holds a multiple-entry visa with a long period of validity. Exactly this legal gap

constituted the legal ground for the actions undertaken by the German federal police.

The legal grounds for appeal against the police actions are the following: from the legal

standpoint the Schengen Law does not specify categories of visas such as “touristic”,

“private” or “business”. Also in general, the EU Visa Code does not include the

definition or notion of the abovementioned categories. By definition, the EU Visa Code

includes category “C” of the Schengen visa for short stay visits. However, a passport

cannot contain two valid visas of category “C” even if the person is constantly taking

short stay trips with different purposes.

According to the EU Visa Code, potential travelers do not have the right to possess two

valid visas. Therefore Ukrainian tourists do not have the possibility to apply for parallel

“touristic” Schengen visa once they have in their passport another Schengen visa, even

if this visa has been issued for business purposes. Theoretically, tourists could apply

Page 60: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 59

for a new short term Schengen visa for tourism purposes. But in such a case the valid

visa shall be annulled by the consulate, which is unacceptable for tourists.

The collision between conformity of journey purposes, declared during visa application

procedure, and the need of travelling to the EU with different purposes during the

period of validity of the visa caused the actions of the German Federal Police. The law

should provide the possibility to possess two or three valid Schengen visas parallel.

The problem mentioned above could be solved partly through the creation of a judicial

precedent that would foresee appeal of the affected persons to the Court of the Federal

Republic of Germany. The final solution of this problem requires amendments of the

EU Visa Code.

The problem revealed has broad civil relevance, as it creates a potential threat to more

than 300.000 Ukrainians who hold a Schengen multiple visa, who use those visas

within the frame of the Schengen Law, which does not directly demand justification of

purposes for all visits.

The Embassy of the Federal Republic of Germany made a comment with regard to the

incident, as follows:

“Upon the entry into the Federal Republic of Germany with a visa issued by other than

the Germany Diplomatic mission or consular institution of the EU Member State and

with other purpose than indicated in the visa, the following conditions are to be met:

▬ visa should be used for entry to the country of visa issuance with the purpose

indicated in visa;

▬ visa type should be proven;

▬ documentary evidence of the purpose of the trip to the Federal Republic of

Germany must be provided.

In case the visa was not used in conformity with the purpose of its issuance and very

often visa owners have the need of travelling to another country of the Schengen

Agreement but with another purpose, this type of visa shall be annulled and the

Page 61: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 60

applicant should submit his application to the consulate of the country of destination

according to his purpose of stay.”

Hence, in order to ensure friendly and understandable visa practice, political will and

readiness of consular departments’ officials is not enough. It is important that actual

regulations are adjusted and coordinated on the EU level as well as on the level of the

EU Member States’ national legislation. It shall be stressed that on one side the right to

travel for citizens who are in need of regular trips to the EU depends on accurate

implementation of the EU Visa Code regulations, on the other side it could promote

perception of the EU Member States, including Germany, as countries with the truly

highest law standards.

Iryna Sushko is the Head of EWB since its registration in 2009. The “Europe without

Barriers” civic initiative which Iryna is heading is a member of the international Visa-

free Europe Coalition that has united the efforts to support through advocating freedom

of movement for the citizens of the Eastern Partnership Countries.

Page 62: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 61

Harinjaka Andriankoto Ratozamanana

Unexpected Journey into „Hotel Charles de Gaulle“

In May 2013 I was invited to attend for the first time the conference re:publica in Berlin -

the largest conference on internet and society in Europe. And GIZ - the German

development corporation - invited me as a guest speaker and representative of

“Habaka - Madagascar Innovation Hub” and member of AfriLabs, a pan-African

network of technology innovation hubs.

The aim of the conference is to convene a global community of technology and

innovation hubs from Africa, South America, and Asia, and most minded technologist

from Europe.

My organisation Habaka, is an Innovation space for the technology community based

in Madagascar, a project initiated by and belonging to independent Malagasy technolo-

gists (bloggers, activists, developers and freelance workers online). Madagascar today,

is better known for the Hollywood cartoons than for its people.

This invitation from GIZ to attend re:publica was for me and my community an unprec-

edented opportunity for networking and knowledge exchange with top minded web and

creative entrepreuneurs around the world, something we could not afford to miss.

Africa has witnessed a growing number of tech hubs the last five years. Each of which

serves as a physical nexus for solving local problems with Information and Communi-

cation Technology (ICT).

Unfortunately, in this twenty first century, travelling to Europe is a challenge for

someone from Africa no matter the reason of their trip.

Page 63: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 62

The visa process

To travel to Europe we need a visa and the process of applying for a Schengen visa is

among the most difficult and most complicated in the world. I knew it because I had

studied in Europe for almost 10 years before going back to Madagascar a few years

ago.

One must ask for an appointment at the embassy months before the trip. In Madagas-

car, all the short stay Schengen visas are delivered at the French embassy regardless

if you want to travel to Germany or any other European country. Thankfully, I had my

appointment in time.

It is not guaranteed that they will accept the visa application because they only take a

certain number of people every day and the consulate accepts your demand only in the

morning. Staying in line for hours is part of the process.

The day of your appointment you have to prove your activities, give all information

about you and your family and everything that proves you will not run away or be an

illegal immigrant in their territory: long term local work contracts, family booklet, bank

account, insurance and a signed letter of engagement saying that you will come back

after your short stay in Europe.

Once you have all the papers, you gather the visa fee of about 60 €, an amount that

the French embassy will keep whether you get a visa or not and it has to be paid in

cash. Most of us earn about €1 / day for living as the World Bank says.

A few days after the day you apply for a visa you receive a SMS from the embassy

asking you to collect your passport with your visa or without. When you arrive there,

you can see people with different feelings - happy people because they get the visa, a

kind of liberation after so many stressful days or people crying because they were

denied the visa for different reasons. Mostly the reasons given are just unfair or against

human rights like the example of single women, who are not married and therefore

have a lower chance to travel to Europe than single men.

Page 64: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 63

I was lucky enough because I was invited by the GIZ - "an innovative partner for the

global challenges of tomorrow", as they said. GIZ was not only sponsor of my travel but

also covering my stay and insurance. I had all the necessary documents to travel and

my organization Habaka had paid my visa fees and per diem for my stay. I was very

confident and my visa application was accepted.

Intermediate stop at Paris

I took my flight on a Friday to Paris. Generally, a flight to Paris from Madagascar is

leaving just after midnight and we are flying all night. It takes 10 hours to reach Charles

de Gaulle Airport. Air Madagascar flights are generally good, we Malagasy people like

travelling with our local company to contribute to our economy but also for our national

pride.

At 10 a.m., after we landed, passengers are running to their connecting flights or for

their luggage if they arrived at their final destination. Myself, I had to catch up my flight

to Berlin and pass a check point. It was a very long line, after a very long walk in

different terminals plus 10 hours sitting in the plane.

When my turn comes, I show my passport and my ticket to the police and the border

control, the same documents that I used when I left Antananarivo Airport a few hours

ago. The same documents that allowed me to fly.

In my mind it were the two most important documents I needed for this travel because I

had already presented all the other information at the embassy. Considering the digital

era and the advancement in technology in Europe, I thought that all the given infor-

mation was saved inside my "biometric" visa stickers. So when I pass the borders, the

technology will help the police officers and will tell them where I go, who is hosting me,

where I am from and all the other questions they asked me. Unfortunately, administra-

tions and documents were not interconnected.

I did not print out the other documents I had with me and that was my incrimination.

Since I started using a computer, I was educated to care about the environment and

print as little as possible. The policeman in front of me started to ask me some

Page 65: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 64

questions like: how much money am I planning to spend in Europe? Were am I going

to sleep tonight? And he asked me to prove it at the end.

All documents were in my email account. Nowadays we use e-tickets, digital letters of

invitation and hotel reservations and on top of that, I was invited to attend Europe’s

largest and most prominent conference on the future of our society and all things

digital.

I asked the guy if there is a place where I can connect my laptop to the Internet and

download the requested documents, but he said, there is no internet at Charles de

Gaulle Airport.

More and more people were queing. We were talking about 15 minutes now and he

took me to their office up the stairs inside the airport. I thought, I will be able to connect

and print my documents there because I could not believe that a police office inside

Charles de Gaulle Airport does not have internet access at all.

I have been interrogated by another officer, my answer was the same. They asked me

to wait and he took my passport and airplane ticket with him. I was waiting in this office

until 4 p.m. I missed my flight to Berlin and I knew that I was in trouble. I had asked to

call my embassy, my family and my hosts but they told me to wait.

A hotel that turned out to be a detention centre

At 5 p.m. the person who interrogated me told me that they will take me to "a sort of

hotel" for the night and from there, I will be able to call. A bus drives me in the middle of

the landing place of the airport escorted by four policemen. We come to a white house

fenced with barbed wire and highly secured.

At the entrance of the detention centre, I had to leave all my electronic devices and

they gave me a room, indicated me a small Red Cross office at the end where four Red

Cross volunteers are helping hundreds of migrants with different problems and

languages. The volunteers are trying to help us as much as they can by handing out

phone cards for every new guest, toothbrush, soap but also lending their printer and

computer if information is needed from the web.

Page 66: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 65

I had to sleep at this place which they call hotel but it is more like a prison. The room

was small, 9m² plus a twin bed that I have to share with another traveler, whom I did

not know. The smell of the room was funny because it is not cleaned very often. Most

of the residents do not sleep at night, they are rather sitting outside the room - to talk to

each other or to go outside in the small garden on the day time to smoke for the

smokers, sitting and watching airplanes taking off or landing every minute, making new

friends, doing small walks, sometimes running for those who were there for weeks…

But I was hungry, I had not eaten since the morning and dinner was served at 7 p.m.

We had to make a line again and had funny food in a plastic pack. When you are new it

is okay but after two days you realise that you are eating the same breaded fish over

and over again and you also notice that most of the residents do not eat it and bring

them back. No one is allowed to throw away food especially when the packaging is

intact because they will recycle it and serve it again at the next dinner or lunch or

breakfast. It tastes awful.

With the phone card of 7,5 € I informed my contact at the GIZ about my case but also

called my family and friends in Paris to order better food, soft drinks and chocolates to

share with my new friends.

I didn't know, when I will be released from this place, it was the weekend and no

administration was open in Paris for GIZ people to defend my case. The re:publica

conference was also starting on that weekend and my friends in Germany had to take

care of their thousands other guests.

Time was moving slowly. It was like I was there for ages, I made new friends from all

other parts of the world, some were going to Lourdes for pilgrimage and tourism, some

were travelling to China for buying goods and doing business in Africa, some were

intellectual and looking for a better education in Europe or somewhere else, and some

were looking for a better future because they think that there is no future in their

country because of wars and politics. We all had our own dream but stacked in this no

man’s land at that time.

Page 67: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 66

Waiting in the detention centre

Every day during that weekend, and every time there is a flight going back to our

respective country, we have been asked to take that bus to the airport. When we arrive

there, they ask us if we want to go back to our country with the next flight. Most of the

time, no one wants to go back. Some have been doing this exercise for more than 20

times, so twenty days and are now forced and pushed violently by the police to go

home. They scream and cry and the police cannot do anything at the end because it

makes the "normal" passengers scared to take the flight... some are just tired and go

home with dignity.

Like animals, all of us were put inside a very small closed room at the airport. People

from different, non-European and non-North American countries treated like criminals.

Sometimes we were 30, sometimes 50 without the possibility to go to the toilet and

without any water to drink.

On Sunday evening, I was told that I have to go to the court of Bobigny on Monday

afternoon. If I had money I was able to hire a lawyer or if not, they will give me one

officially appointed. On a billboard of the detention centre I could see names of

solicitors based in Paris from each country and I recognized the one from Madagascar

because of our very very long names.

Few of the detained people can afford the cost of the solicitors, but they know all the

process of immigration and most of the time they succeed in helping their client.

At the detention centre, we make new friends every day, newcomers. Sometimes we

are sad and ask why are we in this place. Sometimes we are happy when someone we

met yesterday is not seen at the dinner anymore and we celebrate because we know

that this person has been released or is in a better place now.

Whatever the problem is which took us to this place, we have always remained human,

we take time to know each other, sharing cigarettes or lighter, and we all realise the

power of international inequality between a Western country and the rest of the world.

Page 68: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 67

Early on Monday morning, when all the offices were open, I received a phone call from

my friends in Germany saying that my case was now taken care of by the government

and that the French Foreign Office is informed about my case. I will be released really

soon and I do not have to go to the court in the evening. A few hours later, I heard my

name from the speakers at the corridor and I knew it is time to leave this strange place

...I packed my small hand bag, said good bye to the few inmates and now friends,

jumped into a special car (not the bus anymore), in direction to the police office to get

my passport back.

I saw that policeman again, I was looking at him while I was waiting in front of one of

the desks but he kept avoiding my eyes. Someone else was taking care of my case

and showed me the direction to the gate of my departure. A few minutes later I was

released and ready for the next flight to Berlin and joining my gang at re:publica.

Conclusion

Leaders, officials and economic actors often ask if ICT is really a chance for a better

world? My answer will always be yes.

In term of e-governace and e-migration, Africa has today adopted the freedom for all

African Union members to travel freely everywhere in the continent with the possibility

to have their visa electronically and stamped at the airport. This initiative is led by

Rwanda today and followed by the neighbourhood countries and soon by the rest of

the continent.

An experience like this is sad when I look back on what I have come through. But I am

an Afro-optimist who believes that one day this immigration will have improved

because of you and me and the kind of interaction that we are having now. No one

deserves a treatment like this nowaday. We cannot say it is a mistake because this is a

political will and a political decision.

This is happening at the gates of the European Union every day and we all know

someone with a visa issue around us if it is not us directly who have been victim of it

somewhere. The thing is everyone keeps it secret because visa issue is still a taboo

topic in many communites.

Page 69: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 68

Is it a problem of ignorance? Africans were the majority of the people I met at this

detention centre - if the answer is yes, I invite you to learn about the Africa you don't

know.

I accepted to write this story to help us improve how we will welcome each other in our

respective country because no one is a stranger on this planet earth.

Harinjaka Andriankoto Ratozamanana is a pioneer in web and new media in

Madagascar. He is co-founder and CEO of “Habaka - Madagascar Innovation Hub”

(www.habaka.org), a nonprofit organisation which leads Madagascar’s youth in

technology and entrepreneurship. Habaka is a technology innovation space that brings

together academics, private sector and investors around the tech community based in

Madagascar. Habaka's vision emphasizes the use of technology and entrepreneurship

skills in solving issues of concern to all in Madagascar and its continent, including the

most marginalized and impoverished. Habaka is member of AfriLabs

(http://afrilabs.com), a pan-African network of technology innovation hubs.

Andriankoto is an international consultant who understands how technology can be

applied to the purposes of the development of his continent. This year Andriankoto was

recognized as an outstanding young world leader who demonstrated achievement and

potential, especially in improving the lives of young people in his local communities. He

was listed among the “Choiseul 100 Africa. Economic Leaders for tomorrow” (France).

You can find him on Twitter @harinjaka

Page 70: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 69

Sheena Magenya

Getting a Schengen visa to Germany: How to support

Kenyan travellers better

Last year I was invited by the Heinrich Boell Foundation to participate in an interna-

tional workshop conference entitled ‘Energize, Polarize, Mobilize! Human Rights,

Participation, Activism, Internet’ which was to take place from March 21st to March 24th

2013 in Berlin. It would be my first time travelling to Europe, and I knew that I would

have to get a Schengen visa. Because the entire trip was being funded by the Heinrich

Boell Foundation, I think my process was very straightforward.

In order to prepare for my visa application process, I went onto the Embassy of the

Federal Republic of Germany in Nairobi website. The website is very clear about the

steps that a person has to follow when applying for a visa to travel to Germany. I found

the information online quite helpful. But at the same time, I am comfortable with online

processes and therefore I did not struggle with finding information on the website. They

also had a contact number, which I called to get further information, because I had

questions. As a person that had lived in another African country for a long while, I was

aware of immigration laws and requirements, I had some experience getting visas. I

think that for someone who has never travelled to a Schengen state, this process can

be very overwhelming. Also for people who are not familiar with online application

processes. For example, once an invitation to travel to Germany has been received,

the person who is supposed to travel has to set up an appointment to present their

papers online. Without the right kind of guidance, many people miss this step. On the

day that I went to present my papers, I encountered many people who had come to the

embassy to get more information from someone, but they were turned away because

they could not be helped. Access to the premises is very strictly guarded, which is

important for security reasons. I however feel that, for instances where people are

unsure about how the online and offline processes correlate - some assistance should

be made available at the gate, to assist people that are overwhelmed or unsure of the

online process. Another alternative would be for the inviting organisation or individual to

Page 71: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 70

support preliminary online processes, in the event the person cannot navigate their way

around the online process.

After making my appointment I went about gathering the necessary documents. For

this kind of visa and travel, all the documents, apart from my passport were to be

provided by the inviting organisation. The online list of requirements had stated that I

needed bank statements from my parents - as at the time I had just returned from

Namibia, and was not settled in Kenya, which is the country of my birth. I had not yet

sought employment in Kenya, nor did I have a bank account, therefore my guardians

had to prove that they were sufficiently financially stable. This has always been an

interesting consideration for me - that the person travelling to a Schengen state has to

prove financial solvency which is a kind of guarantee that they will return to their

country of origin. By the date of my appointment I had all the necessary documentation,

including the visa application fee of 60 Euro for a short term visa. 60 Euro is almost

7 000 Kenyan Shillings (Ksh.). This is a considerable amount of money for your

average Kenyan. In my case, because of the nature of my visit and invitation, the

application fee was waived. However, I feel that in a situation where travel to Germany

is fully covered by an organisation or company, that the request of a visa fee of Ksh.

7 000 is reasonable.

I found the process at the Embassy very organised and straightforward. The local staff,

such as the guards at the gates were very helpful and attentive. The atmosphere at the

Embassy was also welcoming. I have been through many processes that were really

cold and distant. I found the staff that processed my application quite friendly and

engaging. Again, I feel that my process was quite different from the other processes

because of why I was travelling to Germany, who had invited me, and also the duration

of my stay. Because this was my first visit to Germany, and my first Schengen visa, my

biometric data was to be collected - but this did not happen. I was not given an

explanation as to why this did not happen. All in all the process was fast.

A surprise that I did not expect was that I was required to pay a courier fee to have my

passport sent back to me. This was not made clear on the website - as the courier

service was presented as optional, not mandatory. The lady from the courier company

stated that I had to secure their services before I could move onto the next phase of the

Page 72: Welcome to Germany III Visapolitiken und Willkommenskultur

Dossier Welcome to Germany III – Visapolitiken und Willkommenskultur

http://heimatkunde.boell.de 71

visa application process. I did not have the amount of money needed to pay for the

service in cash on me. Fortunately they accepted mobile money payments, and I was

able to contact someone who could remit the needed money. I think the Embassy

needs to be clear about this on their website so that people are prepared to pay this

additional cost and are not caught off guard.

I would say overall that the process of getting a visa to Germany is very straightfor-

ward. I think some of the requirements are a bit stringent, but not unusually so. Also

more support can be given for people who are unfamiliar with online processes and the

internet. Perhaps the option of a toll-free number that visa applicants can call and get

all the necessary information. I would apply for a visa again, if the services and the

process remains the same. I would say that it was a positive experience. Especially

compared to other visa application processes that I have gone through.

Sheena Magenya is a Kenyan born but Africa based feminist activist, writer and

communications consultant and mother. Educated in Media and Psychology, she is

passionate about communication as a tool for the empowerment of women and the free

expression of activists.