Welten im Holzkasten - Kreativwerkstatt Karlstrasse Heleana.pdf · 2008-04-23 · Interview mit...

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Mit Kindern wachsen 2 In der Gestaltpädagogik steht das erfahrungsorientierte Lernen im Vordergrund. Der Prozess des ein- zelnen Kindes hat immer Vorrang. Die Aufgabe für Erwachsene besteht darin, ein „Erfahrungsfeld“ bereitzu- stellen, das kreatives und lebendiges Lernen ermöglicht. Die Kinder erar- beiten sich damit spielend, werkelnd und experimentierend ein Verständ- nis von der Welt, das auf echter Erfahrung und nicht auf Belehrung beruht. Vor diesem Hintergrund hat Heleana Jehle Spiel- und Experi- mentierfelder entwickelt, die eine besondere Möglichkeit der vorberei- teten Umgebung darstellen. Wie ist die Idee zu den Spielkästen entstanden? HJ: Zu Hause im Spiel mit meinem dritten Kind, bei dem ich mehr Mut hatte, mit unstrukturiertem Materi- al in der Wohnung zu experimentie- ren als bei den ersten beiden Kin- dern. Auf der Suche nach einem „Rahmen“ für das Spiel mit un- strukturiertem Material hatte ich eine Kiste im Keller gefunden und sie zunächst mit wenig Vogelsand gefüllt. Der Sand war anfangs noch trocken. Später, als wir feststellten, dass man daraus tolle Landschaften formen kann, feuchteten wir ihn auch an. Ich bemerkte schnell, dass auch die größeren Kinder Interesse daran hatten, und dass der Kasten mit vielerlei Spielmaterial, das ich dazulegte, intensiv bespielt wurde. Auch in meiner späteren Arbeit im Kindergarten habe ich dann mit ver- schiedensten Kästen gearbeitet. Dort war es wichtig, darauf zu ach- ten, dass nicht zu viele Kinder daran spielten. Kinder brauchen Zeit und eine Begleitung, bis sie gelernt haben, gemeinsam an einem Kasten zu spielen und nicht um das Materi- al oder den Platz zu kämpfen und bis sich ein gemeinsames Rollenspiel entwickeln kann. Sie brauchen Zeit sich mit der eigentlich einzigen Regel vertraut zu machen, dass das Material im Kasten bleibt – das kön- nen sie mit ca. 2 Jahren schon gut. Jetzt sind die Kästen ein wichtiger Bestandteil meiner Kindergruppen in der Spiel- und Kreativwerkstatt. Was für unterschiedliche Arten von Kästen gibt es und wie sehen sie aus? HJ: Der erste und der vom Alter her am längsten bespielte Kasten ist der Weltensandkasten. Das ist auch der größte Kasten. Er hat die Maße 90 x 90 cm, ist ca. 30 cm hoch und mit Sand gefüllt. Dazu gibt es verschiede- ne Materialien wie kleine Bäume aus dem Modelleisenbahnspiel, Tiere, kleine Puppen, Autos, Steine, Hölzer, Wurzeln, Muscheln, Mo- saikplättchen, Stoffreste, Siebe, eine Körbchenseilbahn. Der Weltensand- kasten ermöglicht den Kindern das Sichtbarmachen ihrer inneren Wel- ten. Es kann eine eigene kleine Welt gestaltet, bespielt und verändert wer- den, wie es gerade den Bedürfnissen der Kinder entspricht. Mit Hilfe des Rollenspiels kann diese Welt dann belebt und können verschiedene Gefühle spielerisch nachvollzogen und bearbeitet werden. Emotionen aus schwierigen Situationen im Alltag wie Wut, Eifersucht oder der Wunsch nach Schutz und Geborgenheit – all diese Gefühlswelten können im Rol- lenspiel ausgedrückt werden. Fällt Ihnen gerade eine Situation ein? HJ: Oft wird die eigene Familiensi- tuation in einer Tierfamilie darge- stellt. Oder unbewusste Aspekte von einem selbst, wie bei einem Jungen, der einen sehr zerstörerischen Teil in sich hatte, den er in einem kleinen Geist darstellte. Der Geist baute, genau wie der Junge, vieles auf und machte es dann wieder kaputt. Der Junge gab dem Geist auch einen bestimmten Namen. So hat er einen Aspekt von sich herausgeholt und benannt. Das hatte etwas Heilendes für ihn. Ein anderer Junge spielte Welten im Holzkasten Interview mit Heleana Jehle

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Mit Kindern wachsen2

In der Gestaltpädagogik steht daserfahrungsorientierte Lernen imVordergrund. Der Prozess des ein-zelnen Kindes hat immer Vorrang.Die Aufgabe für Erwachsene bestehtdarin, ein „Erfahrungsfeld“ bereitzu-stellen, das kreatives und lebendigesLernen ermöglicht. Die Kinder erar-beiten sich damit spielend, werkelndund experimentierend ein Verständ-nis von der Welt, das auf echterErfahrung und nicht auf Belehrungberuht. Vor diesem Hintergrund hatHeleana Jehle Spiel- und Experi-mentierfelder entwickelt, die einebesondere Möglichkeit der vorberei-teten Umgebung darstellen.

Wie ist die Idee zu den Spielkästenentstanden?

HJ: Zu Hause im Spiel mit meinemdritten Kind, bei dem ich mehr Muthatte, mit unstrukturiertem Materi-al in der Wohnung zu experimentie-ren als bei den ersten beiden Kin-dern. Auf der Suche nach einem„Rahmen“ für das Spiel mit un-strukturiertem Material hatte icheine Kiste im Keller gefunden undsie zunächst mit wenig Vogelsandgefüllt. Der Sand war anfangs nochtrocken. Später, als wir feststellten,dass man daraus tolle Landschaftenformen kann, feuchteten wir ihnauch an. Ich bemerkte schnell, dass

auch die größeren Kinder Interessedaran hatten, und dass der Kastenmit vielerlei Spielmaterial, das ichdazulegte, intensiv bespielt wurde.Auch in meiner späteren Arbeit imKindergarten habe ich dann mit ver-schiedensten Kästen gearbeitet.Dort war es wichtig, darauf zu ach-ten, dass nicht zu viele Kinder daranspielten. Kinder brauchen Zeit undeine Begleitung, bis sie gelernthaben, gemeinsam an einem Kastenzu spielen und nicht um das Materi-al oder den Platz zu kämpfen undbis sich ein gemeinsames Rollenspielentwickeln kann. Sie brauchen Zeitsich mit der eigentlich einzigenRegel vertraut zu machen, dass dasMaterial im Kasten bleibt – das kön-nen sie mit ca. 2 Jahren schon gut.Jetzt sind die Kästen ein wichtigerBestandteil meiner Kindergruppenin der Spiel- und Kreativwerkstatt.

Was für unterschiedliche Arten vonKästen gibt es und wie sehen sie aus?

HJ: Der erste und der vom Alter heram längsten bespielte Kasten ist derWeltensandkasten. Das ist auch dergrößte Kasten. Er hat die Maße 90 x90 cm, ist ca. 30 cm hoch und mitSand gefüllt. Dazu gibt es verschiede-ne Materialien wie kleine Bäume ausdem Modelleisenbahnspiel, Tiere,kleine Puppen, Autos, Steine, Hölzer,

Wurzeln, Muscheln, Mo-saikplättchen, Stoffreste, Siebe, eineKörbchenseilbahn. Der Weltensand-kasten ermöglicht den Kindern dasSichtbarmachen ihrer inneren Wel-ten. Es kann eine eigene kleine Weltgestaltet, bespielt und verändert wer-den, wie es gerade den Bedürfnissender Kinder entspricht. Mit Hilfe desRollenspiels kann diese Welt dannbelebt und können verschiedeneGefühle spielerisch nachvollzogenund bearbeitet werden. Emotionenaus schwierigen Situationen im Alltagwie Wut, Eifersucht oder der Wunschnach Schutz und Geborgenheit – alldiese Gefühlswelten können im Rol-lenspiel ausgedrückt werden.

Fällt Ihnen gerade eine Situationein?

HJ: Oft wird die eigene Familiensi-tuation in einer Tierfamilie darge-stellt. Oder unbewusste Aspekte voneinem selbst, wie bei einem Jungen,der einen sehr zerstörerischen Teil insich hatte, den er in einem kleinenGeist darstellte. Der Geist baute,genau wie der Junge, vieles auf undmachte es dann wieder kaputt. DerJunge gab dem Geist auch einenbestimmten Namen. So hat er einenAspekt von sich herausgeholt undbenannt. Das hatte etwas Heilendesfür ihn. Ein anderer Junge spielte

Welten im Holzkasten

Interview mit Heleana Jehle

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viel mit einem winzigen Dinosau-rierkind, das von einem großen Dra-chen versorgt wurde, der sein Bei-stand in schweren Zeiten sein sollte.Das entstand vor dem Hintergrund,dass der Junge erste Erfahrungen imKindergarten machte und dort ohneseine Mutter unglücklich war.

Was gibt es noch für Kästen undhaben Sie für ein bestimmtes AlterPrioritäten herausgefunden?

HJ: Kleine Kinder schätzen denMehl-, Wasser-, Siebe- oder Knet-kasten. Auch der Bohnenkasten istsehr gefragt, da es für kleinere Kin-der oft wichtig ist, Dinge zu befüh-len, umzufüllen und zu sortieren.Dann gibt es den Glassteinkasten,den Tonkasten, den Maispops oderFluppy–Kasten (Verpackungsmate-rial aus Maisstärke) den Steckkasten,den Magnetkasten und für die etwas

älteren den Elektrokasten. DieseKästen sind übrigens alle 60 x 80 cmgroß und ca. 7-10 cm hoch, je nachMaterial. Wenn mir ein Materialbegegnet, das ich für sinnvoll halte,dann stelle ich einfach einen neuenKasten zusammen – das mache ichauch mit den anderen Kästen –immer wieder neu zusammenstellen,kombinieren, so dass sich für dieKinder neue Spielsituationen erge-ben können.

Der Weltensandkasten ist bei allenbeliebt, und je älter die Kinder wer-den, desto wichtiger wird das Rol-lenspiel. Es ist auch zu beobachten,dass das Rollenspiel tiefer und inten-siver wird, wenn ich mitspiele odermit meiner Präsenz das Spiel beglei-te. Manchmal entsteht geradedadurch, dass ich selbst eine kleineWelt gestalte, ein Spiel, das die Kin-

der dazu bewegt, einzusteigen, alsbräuchten sie einen Teil unsererEnergie um sich wieder auf sichselbst einzulassen.

Wie alt sind die Kinder in IhrenGruppen in der Kreativwerkstatt?

HJ: Zwischen 2 und 10 Jahren,wobei die Älteren immer schwererzu erreichen sind. Sie haben mehrAngebote und ein großes Pensumnoch neben der Schule. Gleichzeitighöre ich jedoch oft von Eltern, dassgerade der kreative Bereich imLeben ihrer Kinder viel zu kurzkommt. Die Gruppe der 7-10jähri-gen genießt zum einen sehr die freieAuswahl der Materialien, sind je-doch auch am Erlernen von neuenTechniken interessiert, z. B. etwaskleines zu filzen, zu nähen, einenTonkopf oder eine Gipsmaske zumachen, während die Jüngeren sich

viel mehr vom Material oder vonden Farben leiten lassen. Die 2-3jäh-rigen kommen in Begleitung ihrerEltern. Sie sind hauptsächlich anden Kästen interessiert – und hinzukommt dann immer ein altersent-sprechendes Werkangebot.

Wie ist es mit den Erwartungen derEltern?

HJ: Wenn die Eltern ihre Kinder fürdie Kreativwerkstatt anmelden,dann versuche ich gleich zu klären,dass es mir darum geht, dass dieKinder hier einen freien Raumhaben, wo sie ihrem Inneren, ihremRhythmus und ihrem Tempo folgenkönnen, dass ich sie zu nichts nötigeund sie frei wählen können was siegerne machen. Es geht mir nicht umdas Endprodukt, sondern um den

Prozess, den die Kinder im Spiel undim kreativen Arbeiten erleben.

Für viele Eltern ist das neu undvielleicht auch fremd in unsererdoch sehr leistungsorientiertenWelt. Manchmal spüre ich schoneine Enttäuschung, wenn ihre Kin-der aus der Kreativwerkstatt „nichts“mitbringen und „nur“ spielen. Aberoft sind die Eltern auch berührt vonder Lebendigkeit und Zufriedenheitder Kinder, sie spüren, dass ihreKinder sehr gerne kommen und sichüber einen so langen Zeitraumintensiv mit etwas beschäftigen undungewohnt lange und still an einemder Kästen sitzen. Meistens sind sienoch gar nicht „fertig“, wenn ihreEltern sie abholen.

Die Kinder genießen es sehr, dasssie einfach tun können, was siemöchten, sie wissen oft schon beimHereinkommen, was sie machenwollen und sind froh, den Erwar-tungsdruck loszuwerden. Ich habeoft das Gefühl, sie müssen sich vomLeben erst einmal ausruhen.

Was ist Ihre Rolle?

HJ: Ich stelle einen Raum zur Verfü-gung und mache mich vorher inner-lich leer, um mich ganz einzulassenauf das, was kommt. In diesemerwartungsfreien Raum erhalten sieaber jederzeit Unterstützung vonmir, wenn sie diese benötigen: dieKinder spüren, dass sie einfach gese-hen werden, in dem was sie tun. Ichüberlege mir vorher ein Angebot,wenn jemand gar nicht weiß, was ermachen möchte oder frage nach,wenn ein Kind zu schüchtern ist,um sich zu äußern.

Manchmal nehmen sich Kinderfür ihr Alter sehr schwierige Werk-projekte vor. Ein 4jähriger wolltez.B. ungedingt einen Kran bauen.Er hatte jedoch ungewöhnlich vielGeduld. So hat er über viele Stun-den – Schritt für Schritt (wir habenalles immer wieder gemeinsam

Sonderheft Kreativität & Erziehung 3

Es geht mir nicht um das Endprodukt, sondern um denProzess, den die Kinder im Spiel und im kreativenArbeiten erleben.

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durchgesprochen) sich seinen Krangebaut. Dafür brauchte er vielZuwendung und auch Anleitung –doch für dieses Kind schien mirdiese Art der Unterstützung richtig.

Und worauf liegt dann derSchwerpunkt bei den Eltern-Kind-Gruppen?

HJ: Hier steht für mich der Kontaktzwischen Eltern und dem Kind imSpiel oder im kreativen Tun imVordergrund. Hier ist Raum undZeit (es gibt keinen Haushalt, keineArbeit) wo sich Eltern und Kinderintensiv begegnen können, Eltern,Freude im Zusammensein mit demKind erfahren und Inspiration fürdas Spiel zu Hause bekommen.

Die Kästen helfen auch Elternmit der Aufmerksamkeit bei ihremKind zu bleiben und so kann es zueinem feinen Raum der Begegnungwerden. Kinder in diesem Altersind so experimentierfreudig undoffen und im Schutz ihrer Elternkönnen sie vieles ausprobieren.Mütter oder Väter bekommen soein Gefühl für die Entwicklungsbe-dürfnisse ihres Kindes, was es gera-de braucht und mit welcher inne-ren Haltung sie es im Spiel und imkreativen Tun begleiten können.Neben den Kästen biete ich immerkleine altersgemäße Werk-Angebo-te an. Die unterschiedlichen undzum Teil ungewöhnlichen Materia-lien machen auch den ErwachsenenSpaß und helfen so mit, sich aufspielerische Prozesse einzulassen.Außerdem ist es für einige Kinderauch ein behutsames Hineinwach-sen in eine Gemeinschaft. Hinzukommt immer noch ein Eltern-Abend, wo wir uns mit dem ThemaSpiel und Kreativität oder Themen,die in diesem Zusammenhang vonden Eltern kommen, beschäftigen.

Lassen sich die Eltern inspirieren?

HJ: Viele Eltern sind fasziniert vonden unstrukturierten Materialien,von der Einfachheit und von derÄsthetik der Kästen, sie fühlen sichan eine Sinnlichkeit erinnert, dieoft verloren gegangen ist, und mitder sie selber gerne wieder in Kon-takt sind.

Manche Eltern überlegen gleich,wie sie das zu Hause umsetzen kön-nen und wieder andere sind froh,dass ihr Kind das hier erleben kann– denn einen Sandkasten oder einenMehlkasten zu Hause im Kinder-zimmer zu haben, ist dann doch zuweit weg! Zwar sehen sie, wie zufrie-den die Kinder sind, aber dieBefürchtung vor zuviel Chaos istdann doch größer. Tatsächlichbraucht es bei den Kästen auch eineZeit, bis die Kinder die Regeln

gelernt haben, z.B. dass das Materialim Kasten bleibt und dass nur inner-halb dieser Grenze gespielt wird, dieso etwas wie einen schützendenRahmen bildet. Es ist wichtig, dassEltern am Anfang viel dabei sindund das braucht Zeit und Geduld.Wahrscheinlich bringt man das nurauf, wenn man auch selbst Freude andieser Art des Spielens hat. Hinzukommen manchmal auch kleinereGeschwister, die noch keine Regelneinhalten können – und das brauchtungewöhnliche und kreative Raum-lösungen.

Sie haben im Kindergarten gearbei-tet und machen jetzt die Kurse inder Spiel- und Kreativwerkstatt.Was haben Sie für eine Ausbildung?

HJ: Nach dem Abitur habe ichzuerst in einem Heim für schwererziehbare Kinder gearbeitet, an-schließend Sozialpädagogik studiertund dann ein Jahr mit schwachbegabten Mädchen gearbeitet.Das Studium hatte ich zwischen-

durch unterbrochen um durchIndien zu reisen. Dort besuchte ichMeditationskurse z. B. bei Christop-her Titmus, bei dem ich auch späterin England weiterlernte. Bei Lehrernaus der Schule von Karlfried GrafDürckheim vertiefte ich diese Erfah-rungen. Danach war ich zwölf Jahrelang Mutter, meine wirkliche Schu-lung. Als mein jüngstes Kind in dieSchule kam, habe ich angefangen imKindergarten zu arbeiten und eineWeiterbildung zur Werkstattpädago-gin gemacht. Meine eigentliche unddie mir wichtigste Ausbildung waraber die in essentieller Gestaltarbeitbei Katharina Martin.

Was ist Ihnen wichtig in IhrerArbeit mit den Kindern?

HJ: Spielräume für Kinder zu schaf-fen, in denen sie ihren innerenImpulsen folgen können, vielfältigeErfahrungsmöglichkeiten haben undfrei ihren persönlichen Ausdruck imSpiel und Formen entwickeln kön-nen. Jedes Kind bringt etwas anderesmit in die Spiel- und Kreativwerk-statt. Hier ist Raum für individuelleEntwicklungsprozesse. Jedes Kindmit neuen Augen zu betrachten istimmer auch ein Weg der Selbster-ziehung und jedes Kind erfordertetwas Neues – bringt mich eventuellauch an meine Grenzen... Manch-mal bin ich einfach nur Zeuge vondem, was geschieht, im Sinne von„ich sehe dich“. Es geht mir nichtdarum, etwas zu fördern, sondern

Mit Kindern wachsen4

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dem Eigenen und Ursprünglichendes Kindes Entfaltungsmöglichkei-ten zu geben.

Das Interview führte Marie Martin

Eine Welt im KleinenKatharina Martin

Das sogenannte Isomorphiegesetzaus der Gestalttheorie besagt, dasswir uns auf dieselbe Art und Weisebewegen, egal auf welcher Ebene derKonkretheit wir uns befinden, alsoz.B. dass wir in unserer Phantasieauf dieselbe Art handeln wie im„wirklichen“ Leben. Das heißtumgekehrt auch, dass der Wirklich-keitsgrad bei einem Sandkastenspielfür ein Kind dem unserer Bankge-schäfte entspricht. Auf der symboli-schen Ebene kann die konkreteWirklichkeit dargestellt und erfah-ren und der vorhandene Handlungs-spielraum erweitert werden, dieErprobung neuen Verhaltens istgefahrlos möglich. So bilden dieWeltenkästen mannigfaltige Erleb-nis- und Handlungsräume, die inihrer Begrenztheit der noch labilenIch-Struktur der Kinder Schutz undHalt bieten, im Umgang mit dengrenzenlosen Möglichkeiten wirkensie strukturbildend.

Wir erschaffen alle unsere Weltund unser Weltbild. Kinder lassenbeim Spielen ihre eigenen für siebedeutsamen Wirklichkeiten entste-hen. Dass sie Schöpfer sind, bestärktsie in ihren Möglichkeiten, in ihremSelbstbewusstsein. Ihre Spielräumesind ihre Arbeitsfelder so wie unsereBüros, Fabriken, Banken ...

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