Wem gehoert die oekonomische Bildung? · ner« die Deutsche Bank AG ab (man stelle sich stattdessen...

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Wem gehört die ökonomische Bildung? Bildungspolitik Wem■gehört■die■■ ökonomische■Bildung? Unternehmen und Lobbyverbände nehmen Einfluss auf den Unterricht – eine Studie aus der Universität Bielefeld Die■ einen■ wissen■ nicht■ recht,■ wie■ sie■ ihren■ Hartz■ IV-Antrag■ ausfüllen■sollen,■den■anderen■sollen■in■jungen■Jahren■Finanz- produkte■schmackhaft■gemacht■werden.■Lehrkräfte■in■Sozial- kunde/Politik■fühlen■sich■oft■nicht■fit■in■diesen■Themen■–■und■ greifen■gern■zu■Materialien,■die■ihnen■von■vermeintlich■unab- hängigen■ Instituten■ angeboten■ werden.■ Eine■ Studie■ hat■ un- tersucht,■welche■Interessen■dahinter■stehen. Reinhold Hedtke Finanzielle Allgemeinbildung Wie so oft verspricht Bildung Abhil- fe: der Unterricht soll das nötige Fi- nanzwissen vermitteln. Aber Lehre- rinnen und Lehrer haben oft nicht die erforderliche Expertise in Versiche- rungs- und Finanzfragen und sie ha- ben vielfach nicht die Zeit, sich diese anzueignen. Unterrichtsmaterialien externer Anbieter versprechen will- kommene Hilfe, beispielsweise die Unterrichtseinheit »Finanzielle Allge- meinbildung«. Sie wird vom Handels- blatt und vom Oldenburger Institut für ökonomische Bildung (IÖB) kos- tenlos vertrieben. Das IÖB kämpft seit Jahren für »Mehr Wirtschaft in die Schule« und kooperiert dazu vor allem mit Wirt- schaftsverbänden, Konzernen, kon- servativen und unternehmernahen Stiftungen. Diese sichern durch Auf- träge und Projekte nicht nur einen erheblichen Teil seiner Einnahmen, sondern reden auch im Institutsbei- rat wesentlich mit. Von dort knüpfte der CDU-Wissenschaftsminister Lutz Stratmann, bis 2010 im Amt, jahre- lang die passenden politischen Ver- bindungen. So sorgen die niedersäch- sischen Fraktionen der CDU und FDP für die staatliche Grundfinanzierung des An-Instituts an der Universität Oldenburg durch Finanzmittel des Landes. Wie viele andere Produkte des IÖB, entstand auch das Lernma- terial zur Finanzbildung im Rahmen von Public-Private-Partnership. Einige Wochen lang arbeiten sich Schülerinnen und Schüler der Klasse 11 oder 12 durch die knapp 80 Seiten umfassenden Materialien. Sie lernen, wie man ein Girokonto führt, was Kreditgeschäfte bedeuten, wie man in die Schuldenfalle rutscht, welche Lebensrisiken drohen, wie man sich sinnvoll versichert, warum man für das Alter vorsorgen muss, mit wel- chen Anlageformen man wie Vermö- gen bilden kann und was man da- bei riskiert. Auch über die Bedeu- tung von Regeln für den finanziellen Sektor und die Rolle des Staates er- werben sie Wissen. Das stammt vom Deutschen Aktieninstitut, einer Lob- byorganisation der Finanzindustrie. Kontroversen kommen hier nicht vor. Später dokumentiert eine Dis- kussionsrunde aus dem Handelsblatt unterschiedliche Positionen zum Anlegerschutz. Im Rollenspiel simuliert die Klasse ein Beratungsgespräch über einen Ra- tenkredit für die erste Wohnungsein- richtung. Die Lehrerin nimmt Kon- takt mit »der Praxis« auf, am Ende der Reihe steht eine Expertenbefra- gung in der Schule. Dazu lädt sie eine Vertreterin der Deutschen Ver- mögensberatung AG (DVAG) ein, die Kontakte vermittelt das Handelsblatt. Die Klasse bereitet sich darauf vor, in- dem sie das Leitbild dieses Finanzver- triebskonzerns durcharbeitet (»Men- schen brauchen Menschen!«, »König Kunde«). Dabei lernt sie Vermögens- beratung als »eine spannende Tätig- keit« kennen, auch im Nebenberuf. Die Kontaktdaten zur DVAG gibt es gleich dazu. Auch die DVAG pflegt übrigens ein dichtes Netzwerk zu prominenten konservativen und li- beralen Politikern. Einseitigkeit durch Weglassen In der aktuellen Auflage dieser Unter- richtseinheit löst die DVAG als »Ko- operations- und Praxiskontaktpart- ner« die Deutsche Bank AG ab (man stelle sich stattdessen einmal vor, Se- xualerziehung würde mit dem Praxis- partner Beate Uhse AG oder Verkehrs- erziehung mit der BMW AG durchge- führt!). Die DVAG steht seit Jahren wegen zweifelhafter Geschäfts- und Personalführung in der Kritik, doch in der Unterrichtsreihe wird sie in ein positives Licht gerückt. Kritik an den Praktiken der Finanz- und Bera- tungsindustrie fehlt im Lernmateri- al, nur der Lehrerkommentar spricht sie knapp an. Im Geschäftsfeld des Partners vermeiden die Arbeitsblät- 46 PÄDAGOGIK 9/11 Garantiert OFF Sponsoring - Ein Beitrag Ohne fremde Finanzierung

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Wem gehört die ökonomische Bildung?Bildungspolitik

■■ Wem■gehört■die■■ökonomische■Bildung?Unternehmen und Lobbyverbände nehmen Einfluss auf den Unterricht – eine Studie aus der Universität Bielefeld

Die■ einen■ wissen■ nicht■ recht,■ wie■ sie■ ihren■ Hartz■ IV-Antrag■

ausfüllen■sollen,■den■anderen■sollen■in■jungen■Jahren■Finanz-

produkte■schmackhaft■gemacht■werden.■Lehrkräfte■in■Sozial-

kunde/Politik■fühlen■sich■oft■nicht■fit■in■diesen■Themen■–■und■

greifen■gern■zu■Materialien,■die■ihnen■von■vermeintlich■unab-

hängigen■ Instituten■ angeboten■ werden.■ Eine■ Studie■ hat■ un-

tersucht,■welche■Interessen■dahinter■stehen.

Reinhold Hedtke

Finanzielle Allgemeinbildung

Wie so oft verspricht Bildung Abhil-fe: der Unterricht soll das nötige Fi-nanzwissen vermitteln. Aber Lehre-rinnen und Lehrer haben oft nicht die erforderliche Expertise in Versiche-rungs- und Finanzfragen und sie ha-ben vielfach nicht die Zeit, sich diese anzueignen. Unterrichtsmaterialien externer Anbieter versprechen will-kommene Hilfe, beispielsweise die Unterrichtseinheit »Finanzielle Allge-meinbildung«. Sie wird vom Handels-blatt und vom Oldenburger Institut für ökonomische Bildung (IÖB) kos-tenlos vertrieben.

Das IÖB kämpft seit Jahren für »Mehr Wirtschaft in die Schule« und kooperiert dazu vor allem mit Wirt-schaftsverbänden, Konzernen, kon-servativen und unternehmernahen Stiftungen. Diese sichern durch Auf-träge und Projekte nicht nur einen erheblichen Teil seiner Einnahmen, sondern reden auch im Institutsbei-rat wesentlich mit. Von dort knüpfte der CDU-Wissenschaftsminister Lutz Stratmann, bis 2010 im Amt, jahre-lang die passenden politischen Ver-bindungen. So sorgen die niedersäch-sischen Fraktionen der CDU und FDP für die staatliche Grundfinanzierung

des An-Instituts an der Universität Oldenburg durch Finanzmittel des Landes. Wie viele andere Produkte des IÖB, entstand auch das Lernma-terial zur Finanzbildung im Rahmen von Public-Private-Partnership.

Einige Wochen lang arbeiten sich Schülerinnen und Schüler der Klasse 11 oder 12 durch die knapp 80 Seiten umfassenden Materialien. Sie lernen, wie man ein Girokonto führt, was Kreditgeschäfte bedeuten, wie man in die Schuldenfalle rutscht, welche Lebensrisiken drohen, wie man sich sinnvoll versichert, warum man für das Alter vorsorgen muss, mit wel-chen Anlageformen man wie Vermö-gen bilden kann und was man da-bei riskiert. Auch über die Bedeu-tung von Regeln für den finanziellen Sektor und die Rolle des Staates er-werben sie Wissen. Das stammt vom Deutschen Aktieninstitut, einer Lob-byorganisation der Finanzindustrie. Kontroversen kommen hier nicht vor. Später dokumentiert eine Dis-kussionsrunde aus dem Handelsblatt unterschiedliche Positionen zum Anlegerschutz.

Im Rollenspiel simuliert die Klasse ein Beratungsgespräch über einen Ra-tenkredit für die erste Wohnungsein-richtung. Die Lehrerin nimmt Kon-takt mit »der Praxis« auf, am Ende der Reihe steht eine Expertenbefra-gung in der Schule. Dazu lädt sie

eine Vertreterin der Deutschen Ver-mögensberatung AG (DVAG) ein, die Kontakte vermittelt das Handelsblatt. Die Klasse bereitet sich darauf vor, in-dem sie das Leitbild dieses Finanzver-triebskonzerns durcharbeitet (»Men-schen brauchen Menschen!«, »König Kunde«). Dabei lernt sie Vermögens-beratung als »eine spannende Tätig-keit« kennen, auch im Nebenberuf. Die Kontaktdaten zur DVAG gibt es gleich dazu. Auch die DVAG pflegt übrigens ein dichtes Netzwerk zu prominenten konservativen und li-beralen Politikern.

Einseitigkeit durch Weglassen

In der aktuellen Auflage dieser Unter-richtseinheit löst die DVAG als »Ko-operations- und Praxiskontaktpart-ner« die Deutsche Bank AG ab (man stelle sich stattdessen einmal vor, Se-xualerziehung würde mit dem Praxis-partner Beate Uhse AG oder Verkehrs-erziehung mit der BMW AG durchge-führt!). Die DVAG steht seit Jahren wegen zweifelhafter Geschäfts- und Personalführung in der Kritik, doch in der Unterrichtsreihe wird sie in ein positives Licht gerückt. Kritik an den Praktiken der Finanz- und Bera-tungsindustrie fehlt im Lernmateri-al, nur der Lehrerkommentar spricht sie knapp an. Im Geschäftsfeld des Partners vermeiden die Arbeitsblät-

46 PÄDAGOGIK 9/11 Garantiert OFF Sponsoring - Ein Beitrag Ohne fremde Finanzierung

Wem gehört die ökonomische Bildung? Bildungspolitik

ter eine klare Fachsprache, Verkäu-fer heißen Berater, Verkaufsgesprä-che Beratung.

Das Material steht für ein typi-sches Muster. Das zeigt die Bielefel-der Studie »Wem gehört die ökono-mische Bildung?«, die die Initiative für eine bessere ökonomische Bildung veröffentlicht hat. Vertreter von Un-ternehmen und ihren Verbänden ha-ben einen privilegierten Zugang zu Schulen und Unterricht. Dabei bil-den Materialien nur ein Mosaikstein-chen im bunten Bild von Experten-gesprächen, Partnerschaften, Sponso-ring, Betriebserkundungen, Praktika und Fortbildungen. In den Materia-lien mischt sich meist seriöses, auch nützliches ökonomisches Wissen mit politischen Positionen und mit wirt-schaftlichen Interessen, die als »Pra-xis« und »Expertise« verkleidet einsi-ckern. Kritiker der Unternehmen und ihrer politischen Positionen kommen, wie im Unterrichtsbeispiel zur Fi-nanzbildung, nicht zu Wort.

Typischerweise entsteht das ten-denziell einseitige politische Profil mittels Auslassung, selten durch di-rekte Manipulation. Die Schüler hö-ren nichts über die engen Verflech-tungen zwischen Finanzindustrie und Politikern, nichts über die Macht der Banken, nichts zur Deregulierung der Finanzmärkte als Selbstentmach-tung der Politik. Schweigen schont: kein Artikel zur »Logik der Mafia« in der Finanzindustrie, keine Texte zur »Willfährigkeit der Politik«, Phäno-mene, die etwa Wolfgang Hetzer, Ab-teilungsleiter und Berater zur Korrup-tionsbekämpfung beim Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (Olaf), für typisch hält. Auch über die ela-borierten Manipulationstechniken in Verkaufsgesprächen, den oft vorsätz-lichen Verrat der Verkäufer an ihren Kunden und die übliche Irrationali-tät von Anlegern fällt im Schülerma-terial kein Wort.

Der Mix aus seriöser, aber selekti-ver Wissensvermittlung und unseri-ösem finanzindustriellem Marketing macht Lehrenden und Lernenden eine kritische Haltung schwer. Mit den erkennbar manipulativen, bunt aufgepeppten Materialien, wie sie zum Beispiel die Initiative Neue Sozia-le Marktwirtschaft vertreibt, können sie dagegen leichter umgehen. Bei die-sen verraten Aufmachung, Sprache und Inhalt die Absicht, bei jenen, die

staubtrocken daherkommen, muss man die sachsystematischen Lücken, Entpolitisierungen und Weichzeich-nungen erst mühsam herausarbeiten. Eine kritische finanzielle Allgemein-bildung braucht für den Unterricht geeignetes Gegen-Material. Genau daran mangelt es noch.

Ökonomisches Wissen und wirtschaftliche Interessen

Wo liegen die Interessen der Ver-sicherungs- und Finanzkonzerne? Natürlich verhält sich niemand so dumm, im Klassenzimmer für Ver-tragsabschlüsse zu werben. Viel klü-ger ist es, im Rahmen der öffentlichen Schule als neutrale, quasi staatlich le-gitimierte Experten aufzutreten. Die Vertreter der »Praxis« wollen bera-ten, nicht verkaufen, sie bringen das Wissen, das Lehrern und Schülern scheinbar fehlt.

Finanzielle Allgemeinbildung lie-fert zukünftige Kunden, sie stabili-siert und erweitert die Märkte der Fi-nanzindustrie. Bei den Jugendlichen erzeugt sie die Illusion, durch das neue Finanzwissen rational handeln zu können. Die breiten Börsen- und Anlageinformationen der Medien tra-gen dazu bei. Das Selbstvertrauen wächst, die faktischen Fähigkei-ten nicht, was in schlechteren Ent-scheidungen resultiert. Und je akti-ver das Anlegerverhalten, umso flo-rierender auch das Provisions- und Prämiengeschäft.

Der professionelle Auftritt sympa-thischer Vertreter reduziert auch das Misstrauen gegenüber den Geschäf-ten der Finanzindustrie. Dabei wäre eine der wichtigsten Aufgaben aller Finanzbildung, Skepsis und Miss-trauen als basale Finanzkompetenz zu fördern. Das aber wäre wohl »ge-schäftsschädigend« und scheint des-halb nicht erwünscht. Auch brauch-te es eine institutionalisierte öffentli-che, unabhängige Beratung, aber der Staat hält die Verbraucherberatung seit langem kurz.

Finanzielle Bildung statt Zähmung der Finanzindustrie

Finanzielle Allgemeinbildung ist nicht nur Marktpflege, sondern auch Politik. Sie transformiert das politi-sche Problem, die Finanzmärkte und ihre Produkte zu regulieren und die

Macht der Anbieter zu begrenzen, in ein privates Problem der Vorsorger und Anleger. Wer fleißig lernt und recherchiert, kann sich vor falschen Entscheidungen selber schützen. Wer das nicht tut, ist selber schuld. Der Staat agiert im Klassenzimmer, nicht gegenüber den Märkten.

Dies entlastet die Konzerne von po-litischem Druck und verhindert ins-titutionelle Regeln, die die hohen Ge-

winne bei geringen Risiken gefähr-den würden. Die politische Frage der Zähmung der Finanzindustrie und der fairen Verteilung von Chancen und Risiken, verkümmert so zur päd-agogischen Frage, wie man durch Un-terricht die (Markt-)Position der klei-nen Anlegerinnen stärken kann. Ein praktisch nahezu aussichtsloses Pro-jekt. Das ist gut für die Anbieter von Materialien und Fortbildungen und stärkt nebenbei die Forderung nach einem Schulfach Wirtschaft. Denn ei-nes ist sicher: das individuelle Wissen reicht niemals aus. Dafür sorgt die Fi-nanzindustrie selbst, die immer kom-plexere Produkte erfindet.

Vertreter■von■Unternehmen■und■ihren■Verbänden■haben■einen■privilegierten■

Zugang■zu■Schulen■und■Unterricht.

Abb. 1: Studie »Wem gehört die Bildung« – Download: http://www.iboeb.org/moeller_hedtke_netzwerkstudie.pdf

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Klare Verhältnisse

Das Lernmaterial »Finanzielle Allge-meinbildung« ist Teil eines gut durch-organisierten Anbieternetzes. Neben solchen Unterrichtseinheiten bieten Handelsblatt und IÖB mit »Handels-blatt macht Schule« einzelne Arbeits-blätter für die tägliche »last minute«-Vorbereitung, der Verein »Wirtschaft am Gymnasium« präsentiert Unter-richtsmaterial aus Handelsblatt-Arti-keln. Das hilft Lehrkräften, die vie-le Klassen und Fächer unterrichten und wenig Zeit zur Unterrichtspla-nung haben. Der Unterricht ist mit Artikeln aus dem Handelsblatt immer aktuell. Das wirbt überall, produziert mit dem IÖB die kostenlose »Handels-blatt Newcomer Zeitung für Schüler«, das IÖB sichert durch seine vielfälti-gen Projekte und Materialien den Zu-gang zu den Schulen.

Das Handelsblatt organisiert auch den Jahreskongress »Wirtschaft und Schule«. Hier dominieren Referenten aus Konzernen, Wirtschaftsverbän-den und ihren Vorfeldorganisationen im Bildungsbereich sowie Politiker aus liberalen oder konservativen Parteien. Für die Wirtschaftsdidaktik spricht dort fast nur das IÖB. Diese Kongresse sind gewerkschaftsfreie Zonen, auch Verbraucher-, Umwelt- und Sozialver-bände haben dort keinen Platz.

Zahlreiche Unternehmen und Ver-bände der Finanzbranche sowie ihr nahe stehende Stiftungen und Orga-nisationen tummeln sich auf dem Feld der ökonomischen Bildung. Als Pro-duzenten, Geldgeber oder Vertriebs-helfer agieren z.B. Citigroup Foundati-on, Bundesverband Deutscher Banken, Initiative Finanzstandort Deutschland, Allianz AG und McKinsey, Bundesver-band Investment und Asset Manage-ment, Boston Consulting Group und Institut der Deutschen Wirtschaft Köln. Ganz allgemein, so die Bielefel-der Studie, sind viele Akteure der öko-nomischen Bildung personell, ideolo-gisch, organisatorisch und finanziell mit dem konservativ-liberalen Partei-enspektrum und diversen Unterneh-merlobbies vernetzt.

Nachhaltiger Imageausbau für 120 000 Euro

Unter dem Motto »Wir erklären die Wirtschaft« stellt Focus-Money mo-natlich Unterrichtsmaterialien ins

Netz. Unternehmen und Organi-sationen können sich dort als Ex-klusivsponsoren ein PR-Paket für 120 000 Euro pro Jahr kaufen. An-zeigenkampagnen, Presse- und Öf-fentlichkeitsarbeit und das Schüler-material selbst rücken den Sponsor in

das rechte Licht: »Sie profitieren vom nachhaltigen Imageausbau … in al-len allgemein- und berufsbildenden Schulen Deutschlands«.

Als Hauptsponsor zahlt derzeit die arbeitgebergesteuerte, marktradika-le Initiative Neue Soziale Marktwirt-schaft. Die Türen zu den Schulen, so Focus-Money, öffnen die 160 000 Mit-glieder der Lehrerverbände im Deut-schen Beamtenbund, darunter der Verband Deutscher Reallschullehrer und der Philologenverband. Zu den Partnern zählt auch die Initiative Schule-Wirtschaft des arbeitgeberei-genen Instituts der Deutschen Wirt-schaft Köln.

Politischer Druck

Allzu zimperlich verhalten sich Sponsoren der ökonomischen Bil-dung nicht. Instituten, die zu plu-ralistische oder kritische Positio-nen zulassen, entziehen sie schon mal die Fördermittel, manchmal so-gar auf Initiative von Wirtschafts-didaktikern. Das spricht sich her-um und wirkt weit über den Einzel-fall hinaus. Auch wissenschaftliche Einrichtungen hängen immer stär-ker von extern eingeworbenen Gel-dern ab. So wächst die Gefahr von Abhängigkeitsverhältnissen und qua-si-korrupten Verhaltensweisen. Ab-wehrmechanismen gegen wirtschaft-liche Abhängigkeiten sind in der Dis-ziplin der Wirtschaftsdidaktik noch eher schwach entwickelt. Mit skep-tischer Distanz gegenüber Positionen der Unternehmerlobby oder mit kla-rer Kritik an einseitigen Lehr-Lern-Materialien fiel sie bisher nicht be-sonders auf. Schließlich hat sich die

Die■Schüler■hören■nichts■über■die■Macht■der■Banken,■

nichts■zur■Deregulierung■der■Finanzmärkte■als■Selbstentmachtung■

der■Politik.

Juventa

Andreas Lange, Margret Xyländer (Hrsg.)

Bildungswelt FamilieTheoretische Rahmung, empirische Befunde und disziplinäre Perspektiven

Juventa Materialien. 2011, 324 S., br. € 29,95 (0719-0)

Wie und durch wel-che Praktiken ent-wickeln sich basale Kompetenzen und übergreifende Bil-dungserfahrungen im Familienalltag?

Der Band präsentiert ausgewählte Aufsätze zu beiden Fragestellungen. Empirische wie konzeptionelle Bei-träge aus der Familien-, Bildungs- und Medienforschung belegen den hohen Stellenwert der „Bildungs-welt Familie“ sowie die Vielfalt familialer Bildungspraktiken.

Heinz Streib, Carsten Gennerich

Jugend und ReligionBestandsaufnahmen, Analysen und Fallstudien zur Religiosität Jugendlicher

Jugendforschung, hrsg. von W. Heitmeyer, K. Hurrelmann, J. Mansel und U. Sander. 2011, 212 S., br. € 23,00 (1755-7)

In diesem Band werden vier grund-legende Zugänge zur Religion unter Jugendlichen auf der Basis ihrer Lebenserfahrungen und Bedürfnisse unterschieden und in exempla-rischen Fallstudien portraitiert.

Doris Bühler-Niederberger

Lebensphase KindheitTheoretische Ansätze, Akteure und Handlungsräume

Grundlagentexte Soziologie, hrsg. von M. Diewald und K. Hurrelmann. 2011, 256 S., br., € 19,95 (1488-4)

Eine systematische und umfassende Einführung in die aktuelle sozialwis-senschaftliche Kindheitsforschung, ihre theoretischen Grundlagen und Konzepte, ihre Datenquellen und ihren empirischen Ertrag stand bisher noch aus und soll mit diesem Band geleistet werden. Die verschie-denen theoretischen Ansätze werden vorgestellt und auf ihre Stärken und Schwächen hin gesichtet.

Juventa Verlag, Werderstr. 10, D-69469 Weinheim

Mehr Info im Internet: http://www.juventa.de

ökonomische Bildung – wie andere Bildungsfelder auch – zu einer klei-nen, aber feinen und auf Geldzufluss und Wachstum angewiesenen Wirt-schaftsbranche entwickelt. Finanzi-elle Allgemeinbildung ist nur eines ihrer Geschäftsfelder. Das nährt den politischen Druck, ein eigenes Schul-fach Wirtschaft einzurichten.

Den Druck erhöhen soll auch die Serie von Konzeptionen der ökonomi-schen Bildung, in die Wirtschaftsver-bände und konservativ-liberale Stif-tungen investiert haben; das IÖB ist fast immer dabei. Unter den Geldge-bern und Promotoren finden sich das Deutsche Aktieninstitut (1999), die Konrad-Adenauer-Stiftung (2001), der Bundesverband Deutscher Ban-ken (2008) und jüngst die im Gemein-schaftsausschuss der deutschen ge-werblichen Wirtschaft organisier-ten Interessenverbände (2010). Hinzu kommen in einiger Regelmäßigkeit Auftragsforschungen, die u. a. belegen sollen, dass Schulbücher wirtschafts- und unternehmerfeindlich sind.

Irrelevante Informationen im Wochentakt

Fast im Wochentakt lesen oder hö-ren wir, dass wir über Wirtschaft und Finanzen viel zu wenig wissen oder falsche Einstellungen zu ökono-mischen Fragen pflegen. Mehr ökono-mische Bildung tut also Not! Wirk-lich? Bereits im letzten Jahrzehnt ha-ben Kultusministerien und Schulen die ökonomische Bildung stark aus-gebaut. Dabei beruft man sich auf eine höchst fragwürdige Faktenla-ge. Ist unser ökonomisches Wissen wirklich schlechter als unser rechtli-ches oder politisches, als unser medi-zinisches, mathematisches, naturwis-senschaftliches oder technisches Wis-sen? Darüber weiß man fast nichts. Ist (mehr) ökonomisches Wissen re-levanter als diese anderen Wissens-formen? Auch dazu fehlt die Antwort. Die empirische Forschung deutet da-rauf hin, dass wir die Bedeutung des »Wirtschaftlichen« für ein gelunge-nes Leben systematisch überschätzen.

Bewirkt besseres ökonomisches Wissen tatsächlich besseres wirt-

schaftliches Handeln? Eine empiri-sche Prüfung steht auch für die fi-nanzielle Bildung noch aus. An deren Versprechen übt die amerikanische Jura-Professorin Lauren E. Willis heftige Kritik. Die Finanzindustrie werde immer über mehr Ressourcen verfügen, die Anleger zu beeinflus-sen, als die Schulen. Der Glaube an die Finanzbildung schiebe die Ver-antwortung für finanzielle Schwie-rigkeiten allein den Konsumenten zu. Dies verhindere eine effektive Markt-regulation. Finanzielle Bildung als Täuschungsmanöver? Ein Schulfach Wirtschaft als Fach der Wirtschaft?

Die politische Kampagne für noch mehr ökonomische Bildung an den Schulen kennt solche Zweifel nicht. Lobbyverbände der Unternehmen und konservativ-liberale Kreise wol-len das Schulfach Wirtschaft end-lich durchsetzen. Ginge es nach ih-nen, hätten kritische Ansätze auf dem Stundenplan nichts zu suchen. Ihre Mission zielt vielmehr auf den un-gebrochenen Glauben an ökonomi-sche Effizienz und Rationalität, freien Markt und starkes Wachstum und an »das Unternehmertum«. Dies brächte eine ökonomische Alphabetisierung der ganz besonderen Art. Auf »Öko-nomisch« Lesen lernte man dann wohl, doch verstehen würde man die Wirtschaftswirklichkeiten kaum.

Literatur

Möller, L./Hedtke, R. (2011): Wem ge-hört die ökonomische Bildung? No-tizen zur Verflechtung von Wissen-schaft, Wirtschaft und Politik. Bie-lefeldOnline unter: http://www.iboeb.org/moeller_hedtke_netzwerkstudie.pdfhttp://www.medialine.de/deutsch/mediadaten/focus-money/epapers/wir-erklaeren-die-wirtschaft.html Letzter Zugriff am 9. 6.2011

Dr. Reinhold Hedtke, Jg. 1953, ist Professor für Didaktik der Sozialwissen-schaften und Wirtschaftssoziologie an der Universität Bielefeld. Jüngste Veröffentlichung: Konzepte der ökonomischen Bildung. Adresse: Universität Bielefeld, Fakultät für Soziologie, Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld E-Mail: [email protected]

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