Wenn der börsenwert zum maß der dinge wird
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Als „Free Cash Flow“ (freier Geldstrom) wer-den die für Ausschüttungen und Kapital-dienst (Zinsen und Tilgung von Darlehen) zurVerfügung stehenden liquiden Mittel bezeich-net. Rechnerisch ergibt er sich aus der Dif-ferenz des Cash Flow aus operativer Ge-
schäftstätigkeit und der Netto-Auszahlungenfür Investitionen in Sachanlagen (Bild 1).
Seine besondere Bedeutung erlangteder Free Cash Flow durch die in den letztenzwanzig Jahren weitverbreitete „wertorien-tierte Unternehmensführung“. Deren grund-legende Gedanken kommen aus dem an-gelsächsischen Raum und sind von der dortvorherrschenden Börsenkultur bestimmt,die Unternehmen in erster Linie als Finanz-anlagen betrachtet. Der Wert einer Finanz-anlage (zum Beispiel einer Aktie) ergibt sichzum einen aus den ausschüttbaren Zinsen(bei Aktien als Dividenden) und zum ande-ren aus dem Verkaufswert der Anlagepapie-re (bei Aktien deren Kurs). Der Free Cash
S E R V I C E BWL-Begriffe
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BETRIEBSWIRTSCHAFTLICHE BEGRIFFE FÜR QUALITÄTSMANAGER
Wenn der Börsenwert zum Maß der Dinge wird
Immer dringlicher müssen Qualitätsmanager über die wirt-
schaftlichen Aspekte ihres Tuns Rechenschaft ablegen.
Die Zusammenarbeit von Qualitätsmanagement und kauf-
männischem Bereich erfordert das Beherrschen einer ge-
meinsamen Sprache. Betriebswirtschaftliche Schlüssel-
begriffe, denen Sie besonders häufig begegnen, stellen wir
Ihnen in unserer Beitragsreihe vor. In Fortsetzung der letz-
ten Ausgabe erläutern wir diesmal den:
Free Cash Flow
Millionen €,einem davon abzuziehenden Ka-pitaldienst von 5 Millionen Euro und einereingeschätzten risikoadäquaten Kapitalver-zinsung von 10 Prozent ergibt sich ein Un-ternehmenswert von (15 – 5)/0,1 = 100 Mil-lionen Euro. Bezogen auf 10 Millionen um-laufender Aktien entspricht dem ein zu er-wartender Kurswert von 10 Euro pro Aktie.Auf Basis dieser „Faustformel“ kann sichein Investor orientieren,ob der aktuelle Kurs-wert der Aktie eher einen Kauf oder einenVerkauf nahelegt.
Langfristrechnungen und
Trendbetrachtungen
In der Praxis werden meist komplexere Be-rechnungen durchgeführt. Die Abschätzungdes Free Cash Flow erfolgt normalerweiseauf der Grundlage von Planungen für einenZeitraum von drei bis fünf Jahren und einerTrendbetrachtung für den Folgeraum. Der ri-sikoadäquate Zinssatz wird mithilfe von Ver-gleichen der Kursbewegungen des eigenenUnternehmens mit den durchschnittlichenBewegungen der relevanten Branche unterBerücksichtigung der allgemeinen wirt-schaftlichen Entwicklung und der zu zahlen-den Steuern ermittelt. Außerdem werden dergeplante Verschuldungsgrad und die Ent-wicklung der Fremdkapitalzinsen einbezo-gen. Kritiker bezweifeln allerdings, ob ange-sichts der Ungewissheit zukünftiger Entwick-lungen ein Fehler der Basisdaten die ange-strebte Genauigkeit solch komplexer Berech-nungen tatsächlich erlaubt. Sofern die Kri-tiker „recht haben“, ist die obige grob ver-einfachte Faustformel als schnelle Orientie-rung eher zu empfehlen.
© Carl Hanser Verlag, München QZ Jahrgang 55 (2010) 9
Flow spielt für beide Aspekte eine maßgeb-liche Rolle. Im ersten Fall begrenzt er – ab-züglich des erforderlichen Kapitaldienstes– die ohne Aufnahme von Darlehen aus-schüttbare Geldmenge. Im zweiten Fall bil-det er die Berechnungsgrundlage für den
Erwartungswert, zu dem die Anteile des Un-ternehmens zukünftig veräußert werdenkönnen. Die dabei vorwiegend eingesetzteMethode ist das sogenannte „Discounted-Cash-Flow (DCF)-Verfahren“. Sehr verein-facht verknüpft es die erwartete Erwirtschaf-tung vom Free Cash Flow der kommendenJahre mit der Einschätzung des spezifi-schen Risikos, das ein Investor beim Kaufder Anteile (Aktien) eines Unternehmenseingeht:
Beispiel: Bei einem durchschnittlich zu er-wartenden jährlichen Free Cash Flow von 15
UnternehmenswertFree Cash Flow
risikoadäquat= ∅
eer Zinssatz
EBIT (Ertrag vor Zinsen und Steuern � Betriebsergebnis)
– Steuern
+ Abschreibungen±D Langfristige Rückstellungen± Gewinn/Verlust aus Abgang des Sachanlagevermögens±D Working Capital
= Cash Flow aus operativer Geschäftstätigkeit
– Auszahlungen für Investititonen in Sachanlagen, netto (Capital Expenditure = Capex)
= Free Cash Flow
Bild 1. Free Cash Flow (vereinfachte Darstellung)
014-015_QZ310044_QZ9 23.08.2010 9:28 Uhr Seite 14
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Die auf der Börsenkultur beruhendeFührung von Unternehmen als Finanzanla-ge fand in den letzten zwanzig Jahren vorallem durch die 1986 von Alfred Rappaportveröffentlichte Theorie zum „ShareholderValue“ weltweite Verbreitung. Damals trafRappaport den Nerv der Zeit: Die Welle derComputerisierung und der internetgebun-denen New Economy hatte gerade begon-nen. Viele Firmengründungen versprachendurch ihre Börsenkapitalisierung eineschnelle und hohe Verwertung des einge-setzten Kapitals. Aufgrund der gegenseiti-gen Abhängigkeit von Eigentümern (Share-holdern) und anderen Anspruchsgruppen(Stakeholdern) erschien es äußerst hilf-reich, dass sich im Rahmen einer Partner-schaft alle für die Wertsteigerung ihres Un-ternehmens einsetzen.
Rappaport definierte den ShareholderValue als Marktwert des Eigenkapitals (Un-ternehmenswert abzüglich Fremdkapital,Bild 2). Aus dem auf dieser Basis „errech-neten“ Kurswert der entsprechenden Aktie,multipliziert mit der Summe der gehaltenenAnteile, besteht der Vermögenswert (Value),den ein Anteilseigner (Shareholder) einer Ak-tiengesellschaft verbuchen kann. Eine aufden Shareholder Value ausgerichtete Unter-nehmenspolitik wird demnach versuchen,den Kurswert der Aktien zu maximieren. Da-bei unterstellt die Theorie, dass ein Unter-nehmen auch den Interessen aller anderenAnspruchsgruppen (Stakeholdern) dient,
wenn es sich an den Interessen der Anteils-eigner orientiert. Außerdem wird als implizi-te Bedingung vorausgesetzt, dass eine Stei-gerung des Shareholder Values eine langfris-tige Entfaltung der Wettbewerbsfähigkeit undProfitabilität des Unternehmens einschließt.Für diesen Zweck gilt es, die erforderlichenWerttreiber (vor allem Humanpotenzial, In-novationen, Kommunikation und Beziehun-gen) zu identifizieren und konsequent zu ent-wickeln.
Missbrauch des
Shareholder Values
Die Praxis ist der Theorie allerdings nichtgefolgt. Insbesondere institutionelle Anle-ger erhoben den Shareholder Value zur be-vorzugten Konzeption für kurzfristige Wert-steigerungen. Denn für diese sehr einfluss-reiche Gruppe des Finanzkapitals bestehtder Zweck ihrer Organisationen darin, mög-lichst schnell das eingelegte Geld ihrer Kun-den mit einem hohen Prozentsatz zu ver-mehren. Insofern ist der kurzfristig aus-schüttbare Free Cash Flow und der auf die-ser Basis berechnete Veräußerungswert dergehaltenen Geschäftsanteile das ultimati-ve Erfolgskriterium – weitgehend unabhän-gig davon, ob es den beherrschten Unter-nehmen langfristig nutzt oder schadet, undebenso unabhängig von den Auswirkungenauf die übrigen Stakeholder, die Umweltoder die Gesellschaft.
Das hat die theoretische Verknüpfungvon Shareholder Value und Werttreibernpraktisch ad absurdum geführt und ins Ge-genteil verkehrt – es öffnete einer Entwick-lung Tür und Tor, die das internationaleFinanz- und Wirtschaftssystem bis heuteschwer erschüttert. Friedmund Malik sprachdeshalb bereits im Jahre 2005 von der Shareholder-Value-Doktrin als der „schäd-lichste(n) und gefährlichste(n) Entwicklungder letzten zehn bis fünfzehn Jahre, und zwarin jeder Dimension: für das Unternehmenselbst, für seine Gesellschafter und für dieWirtschaft als Ganzes“. �
QZ Jahrgang 55 (2010) 9
Zielkapitalstrukturzu Marktwerten
Shareholder Value
Unternehmenswert
Freier Cash Flow
Prognose-horizont
Wachstums-und
Überschuss-rate desUmsatzes
Investi-tionen
Werttreiber
Pflege derBeziehungenzu Kunden
Pflege derBeziehungen
zuLieferanten
Ent-lohnungs-
system
Führungs-system undQualitäts-manage-
ment
Aus- undWeiter-bildung
Wirkung indie Gesell-
schaft
Pflege derBeziehun-
gen zuInvestoren
Auswirkungen auf Dividenden undVerkaufswert der Geschäftsanteile
AnteilEigenkapital
Eigenkapital-zinsen
risikoadäquaterZinssatz
Fremdkapital-zinsen
AnteilFremdkapital
-x
+
x
Strategie und Innovationen
Fremdkapital (Marktwert)
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ergebnis, Deckungsbeitrag, Controlling,
Working Capital und Cash Flow.
Alle bisher erschienenen Teile unserer Se-
rie finden Sie online zum Download unter:
www.qm-infocenter.de/bwl-begriffe
AutorenDr. Walter Schmidt, geb. 1950, ist frei-
beruflicher Strategie- und Controlling-Bera-
ter in Berlin sowie Mitglied im Vorstand des
Internationalen Controller Vereins (ICV).
Dipl.-Ing. Rainer Vieregge, geb. 1953,
ist freiberuflicher Unternehmensberater
für Organisationsentwicklung in Aachen
sowie Leiter zweier Fachkreise im ICV.
KontaktWalter Schmidt
Rainer Vieregge
www.qm-infocenter.deDiesen Beitrag finden Sie online unter der Dokumentennummer: QZ310044
Bild 2. Wertorientierung eines Unternehmens (Shareholder-Value-Theorie)
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