Wenn es regnet, dann richtig. ALLES IM FLUSS - GDV...33 % LUFTHANSA 10,82 63 2016% EON 5,57 32 % BMW...

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Wenn es regnet, dann richtig. Wie wir uns schützen können ALLES IM FLUSS VERTRIEBSREVOLUTION Wie die Digitalisierung den Kontakt zum Kunden verbessert BOND – COMPLETION BOND Der Film läuft pünktlich an, selbst wenn’s am Set Probleme gibt SENIOR-STUDENTEN Wann Ältere beim Lernen unschlagbar sind #3_2016 DAS MAGAZIN DER DEUTSCHEN VERSICHERER

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Wenn es regnet, dann richtig.Wie wir uns schützen können

ALLES IM FLUSS

VERTRIEBSREVOLUTIONWie die Digitalisierung den Kontakt zum Kunden verbessert

BOND – COMPLETION BOND Der Film läuft pünktlich an, selbst wenn’s am Set Probleme gibt

SENIOR-STUDENTENWann Ältere beim Lernen unschlagbar sind

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D A S M A G A Z I N D E R D E U T S C H E N V E R S I C H E R E R

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NICHT LEICHT, AUS SCHADEN KLUG ZU WERDEN

Als am 1. Juni erste Regentropfen ins Inntal fielen, ahnte niemand, dass ein Starkregen wenig später eine Flutkatastrophe auslösen würde: Das Wasser ergoss sich mit Wucht und Wut durchs Städtchen Simbach. Sieben Menschen starben, schwerste Schäden an Häusern und Infrastruk-tur waren zu beklagen. Bereits heute steht Simbach als neues Synonym für die Verheerungen, die ein Stark- regen anrichten kann.

Noch nie haben Unwetter mit heftigen Regenfällen innerhalb so kurzer Zeit so hohe Schäden verursacht. Unsere Branche listet mittlerweile versicherte Schäden von 1,2 Milliarden Euro auf. Direkt nach der Katastrophe haben wir uns vor allem um die Menschen vor Ort gekümmert, um zumindest die wirtschaftlichen Schäden zu

dokumentieren und so schnell wie möglich zu lindern. Wir Versicherer wissen, wie wichtig es ist, in der Not an der Seite unserer Kunden zu stehen. Überdies gilt: Die schnelle und verlässliche Regulierung von Schäden ist für das Vertrauen unse-rer Kunden entscheidend.

Vor Ihnen liegen die neuen „Positionen“ mit dem Schwerpunkt Naturgefahren. Wir lassen mit dem Meteorologen Mojib Latif einen Experten zu Wort kommen, der überzeugt ist von der Realität des Klimawandels. Baden-Württem-bergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann macht sich im Inter- view für eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden stark –eine Position, die wir Versicherer nicht teilen. Aber wir freuen uns über die Debatte! Und in unserer Titelgeschichte appellieren wir an die Verantwortung der Stadtplaner, Kommunalpolitiker und auch Häus-lebauer, die Risiken von schweren Naturereignissen mitzudenken. In diesem Sinn ist Prävention unser aller erste Bürgerpflicht.

Ich wünsche Ihnen eine span-nende Lektüre und uns allen, dass wir beim Schutz vor Naturgefahren gut und schnell vorankommen.

Ihr

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Nachrichten .............................................................................04

TITEL

Naturgefahren: Schutz vor Unwettern und

Starkregen ist möglich – die besten Tipps,

nicht nur zur passenden Versicherung ......08

Interview: Baden-Württembergs Minister-

präsident Winfried Kretschmann zieht

Lehren aus der Braunsbacher Flut ................... 14

Verortet: Wie gut ist Deutschland gegen

Elementarschäden versichert? .............................17

Infografik: So kann sich jeder vor den

Folgen starker Regengüsse schützen ............18

Kolumne: Der Klimanwandel ist da, erklärt

Wetterforscher Mojib Latif .................................... 46

ERFINDEN

Digitaler Vertrieb: Was Versicherer von

Amazon, Apple und Insurtechs lernen – und

wo sie einen längeren Atem haben ................. 20

Maklerkommunikation 4.0: Die Zusammen-

arbeit von Versicherungsmaklern mit ihren

Partnern in der Assekuranz wird von

Oktober an entscheidend leichter ....................25

SCHÜTZEN

7 Jahre länger: Mit 60 Jahren noch Tango

lernen oder mit 70 gar Französisch? Geht

alles, denn das Lernen hört niemals auf ......28

ALEXANDER ERDLAND Präsident des GDV

»EXTREME WETTER EREIGNISSE WERDEN ZUNEHMEN UND DIE MENSCHEN SICH DARAUF EINSTELLEN MÜSSEN«WINFRIED KRETSCHMANN, Ministerpräsident

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Ein Grüner im Grünen: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann im „Positionen“- Interview – er erwägt mehr Vorsorge-maßnahmen

Deutschlands Blade Runner: Wir reden mit David Behre, der bei einem Unfall beide Füße und Unterschenkel verlor – und jetzt bei den Paralympics in Rio de Janeiro startet

Hand drauf: Die Digitalisierung im Vertrieb erlaubt den

Versicherungs- mitarbeitern einen

selbstverständlicheren neuen Umgang mit

ihren Kunden

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7 Jahre länger – das Interview: Monika Stadtmüller und Björn Beinhorn sind Kommilitonen – aber an ihr Studium haben die 72-Jährige und der 21-Jährige ziemlich konträre Ansprüche ................................31

Um den Globus: In Kolumbien sind Bestattungsversicherungen gefragt – denn die bezahlen auch Exhumierungen .................35

Reden wir über Sicherheit: David Behre startet bei den Paralympics über 400 Meter Sprint. Angst vor Rio hat er nicht ......................36

REGELNBlockchain: Die dezentrale Datenbank kann die Vertragsabwicklung revolutionieren, und das nicht nur in der Assekuranz .............38

Pro und Contra: Schadet die Geldpolitik der EZB mehr, als sie nützt? ............................................... 41

Completion Bonds: Wird während der Film- produktion das Budget überzogen, springen Experten ein – mit Geld und Know-how .... 42

Leserumfrage: Was schätzen unsere Leser an „Positionen“? In der vorigen Ausgabe hatten wir gefragt – hier die Antworten ..44

Zahlen, bitte!: Wie die Angst vor dem Ab- stieg die „Generation Mitte“ beschäftigt ..47

Schönste Versicherungssache der Welt: Der alte Mann und das Watt – sicher durch Schlick und Gezeiten ......................................................48

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Rums, Dong, auweia: Genick gebrochen! Zum Glück ist es nur ein Dummy. Sein Mo-torroller knallt mit 55 Stun-denkilometern auf den Pkw

– so wie das eben passiert in Deutsch-lands Städten, wenn jemand nicht auf-passt. Ein menschlicher Rollerfahrer wäre gestorben, trotz Helm. Das liegt am Tempo: Der Roller ist getunt, ge-nauso wie wahrscheinlich mehr als die Hälfte aller Mofas und Mopeds.

Ein Ergebnis nach dem Geschmack von Siegfried Brockmann, Chef der Un-fallforschung der Versicherer (UDV), in der vor zehn Jahren mehrere Vor-läuferinstitute aufgingen. Brockmann und seine 20 Mitarbeiter warnen vor den Folgen unerlaubten Tunings, for- dern Polizeikontrollen und nach Un- fällen einen Check auf Tuning. Passiert ist: wenig. „Wenn man in der Öffentlich- keit etwas erreichen will, braucht man Bilder“, sagt Brockmann. Deshalb gibt es den Roller-Crashtest bei Youtube, 60.000-mal aufgerufen. Irgendwann ändert sich dann etwas. In Gesetzen. Bei den Herstellern. Im Fahrverhalten.UDV-Untersuchungen haben einiges

bewegt: bessere Autokindersitze etwa oder Differenzialgetriebe, die Quads in Kurven beherrschbarer machen.

Hinter den Bildern der Crashtests steckt viel wissenschaftliche Vorar-beit. 1,3 Millionen Euro kann die UDV jährlich für Studien ausgeben. Und auf einen mächtigen Datenspeicher zur Erklärung von Unfällen zurückgreifen: die Unfalldatenbank der Versicherer.

In ihr werden schwere Unfälle dokumentiert. Gut 10.000 davon aus den Unfallakten der Versicherer sind elektronisch hinterlegt, mit bis zu 700 Einzelheiten. So lassen sich auf Knopf-druck viele Fragen sofort beantworten. Wer etwa wissen will, wo im Reisebus die gefährlichsten Plätze sind, was es gebracht hat, angeschnallt zu sein, oder wie häufig bei Bussen das Dach eingedrückt wurde, wird hier fündig.

Die UDV habe das Ziel, die Ver-kehrssicherheit für alle zu erhöhen, sagt Brockmann. Ein Beispiel dafür ist die Fahrradstaffel der Polizei, die in Berlin seit gut einem Jahr für spürbar mehr Sicherheit im Straßenverkehr sorgt – und vom GDV als Modell mit-finanziert und evaluiert wird. Nicht immer aber ist diese Einsicht leicht zu vermitteln. Der Fahrradlobby etwa missfällt, dass die UDV Radspuren an Kreisverkehren gern abgeschafft sähe. „Wenn Radfahrer sich dadurch unsicherer fühlen, führt das am Ende zu mehr Sicherheit“, sagt Brockmann.

Er weiß, dass er damit eine unbe-queme Wahrheit ausspricht. Es wird nicht die letzte sein.

CRASHS MIT FOLGENOb Eltern mit Kindern im Auto, Motorroller- oder Traktorfahrer:

Sie alle werden durch die Crashtests der

UNFALLFORSCHUNG DER VERSICHERER

aufgescheucht. Jetzt feiert die

GDV-Tochter ihr zehnjähriges Bestehen

Der Crashtest als Beweis: Kollisio-nen mit Traktoren sind zwar selten, aber gefährlich

Der Helm hilft nicht: Prallt der

Motorroller mit 55 km/h aufs Auto,

ist der Fahrer tot

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DIE HEISSE MASCHE FÜR SAUBERE PAPIEREBrandstifter helfen ungewollt Autoschiebern: Die kaufen abgefackelte Autos. Oder sie legen einfach selbst Hand an

Brennen nachts in deutschen Städten Autos, scheint klar: politisch motivierter Schwachsinn. Doch auch gewöhnli-che Kriminelle könnten Autos abfackeln, um an saubere Autopapiere zu kommen. Gar nicht schwachsinnig, sagt Steffen Krefft, sondern Folge einer Regelungslücke. Krefft kennt sich aus mit abgefackelten Autos: Als Chef des Amts für regionalisierte Ordnungsaufgaben obliegt es ihm und seinen Mitarbeitern, Schrottautos aus ganz Berlin von den Straßen zu holen. Das waren allein in diesem Jahr bereits mehr als 350. Deshalb kennt Krefft den Ablauf aus dem Effeff: Hat die Polizei die Spuren gesichert, gibt sie das Autowrack frei. Es gilt als gefährlicher Abfall und wird schnellstmöglich entsorgt. Zuvor schickt meist der Kfz-Versicherer einen Gutachter vorbei, um zu prüfen, ob irgendwelche Teile noch weiterverwertet werden können; oft werden die Wracks anschließend vom Versicherer über eine Restwertbörse im Internet angeboten. Wer solch eine verkohlte Ruine kauft, erhält auch die Papiere dazu. „Saubere Papiere!“, betont Krefft.

Autodiebe müssen jetzt nur noch auf Bestellung den gleichen Wagentyp stehlen und dessen Fahrgestellnum-mer manipulieren. Dass sei faktisch nicht zu erkennen, sagt Krefft. Schon hätten die Autodiebe aus zwei Autos eines gemacht, das sie mit sauberen Papieren, ohne behelligt zu werden, ins Ausland verschieben könnten.

Krefft setzt sich mit ein paar Mitstreitern für eine Ge-setzesänderung ein: kein Weiterverkauf bei wirtschaftli-chem Totalschaden, stattdessen Verwertungspflicht durch zertifizierte Verwerter. Damit erhielten womöglich die Versicherungen zumindest einen Teil des Schadenssumme zurück. Und die Gemeinschaft der Versicherten profitierte davon, dass sie statt zwei Autos – dem abgebrannten und dem gestohlenen – nur eines ersetzen müsste.

GRAPH ZAHL

NIEDRIGE ZINSEN, STEIGENDE LASTENWarum große deutsche Unternehmen immer mehr unter Altersrückstellungen ächzenDie niedrigen Zinsen entlasten zwar deutsche Konzerne bei Krediten, sie schlagen aber andernorts ins Kontor: bei den Pensionsrückstellungen. Sie müssen nun in den Bilan-zen deutlich höher angesetzt werden, weil der Rechnungs-zins – ähnlich wie bei Lebensversicherungen – gesunken ist: Betrug er laut Berechnungen der Unternehmensbera-tung Mercer Ende 2015 für die im Dax gelisteten Konzerne noch im Schnitt 2,4 Prozent, so waren es Ende Juni weniger als 1,4 Prozent. Zum Ausgleich haben laut „Handelsblatt“ im ersten Halbjahr die Dax-Unternehmen ihre Pensions-rückstellungen um im Schnitt 28 Prozent aufgestockt.

Quelle: Mercer, Handelsblatt

Pensionsverpflichtungen2007: 206 Mrd.€2016: 428 Mrd.€

Planvermögen*2007: 146 Mrd.€2016: 247 Mrd.€

Deckungsgrad2007: 70,9 %2016: 57,7 %

WAS DIE KONZERNE ZU SCHULTERN HABEN

DECKUNGSGRAD DER PENSIONS- VERPFLICHTUNGEN DER DAX-KONZERNE

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VW 35,2528 %

13,54SIEMENS34 %

11,49DAIMLER33 %

10,82LUFTHANSA63 %

5,57EON32 %

4,74BMW58 %

MERCK: 2,4835 %

LINDE: 1,6554 %

INFINEON: 0,5836 %

Pensionsrückstellungen zum 30. 6. 2016 (in Milliarden Euro)

Veränderung gegenüber 31. 12. 2015 (in Prozent)

52 %BASF 9,63

Die Planvermögen wurden seit 2007 um immerhin 101 Milliarden Euro erhöht.

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ER KENNT AUCH DASKLEINGEDRUCKTEWas ein computer speichert, das kann er jederzeit abrufen – das gilt auch für Computer auf zwei Beinen. 100 Exemplare des Robo-ters „Pepper“ laufen demnächst in 80 Filialen des japanischen Lebensversicherers Meiji Yasuda herum, „um beim Verkauf zu helfen“. Genauer gesagt: Sie sol-len Produkte und Dienstleistun-gen, nun ja, erklären. Gern auch ihren menschlichen Kollegen aushelfen, sollten die kurz mal ein Detail vergessen haben. Oder zumindest Neugierige in die Meiji-Yasuda-Filialen locken, die einen Roboter mit Fragen löchern wollen – um so herauszufinden, wie sinnvoll „Pepper“ sein abge-speichertes Wissen abrufen kann.

»UNS GIBT’S ALL-INCLUSIVE«Die Angst vor Terroranschlägen wächst. Man kann sich

gegen die Folgen versichern. Extremus-Vorstand DIRK HARBRÜCKER über den Sinn der Policen – und ihre Grenzen

Terroristen bevorzugen Menschen­massen als Ziel, Herr Harbrücker. Ließe sich beispielsweise das Oktoberfest versichern? DIRK HARBRÜCKER: Extremus versi-chert ausschließlich Sachschäden und sich daran anschließende Betriebs- unterbrechungen. In der Personen-versicherung sind die Versicherungs-summen deutlich niedriger, und Ex- tremus wurde gegründet, um gerade für Großrisiken Deckungsschutz zu gewähren.Was passiert, wenn die Polizei aufgrund einer Bombendrohung alles räumt, anderthalb Tage sucht und nichts findet – ist der damit verbundene Verdienstausfall versichert?

H:D Wenn wirklich etwas passiert, sind Sachschaden und Verdienstausfall durch die Betriebsunterbrechung versichert. Kommt es nach einer Drohung zur Absage einer Veranstaltung, etwa bei dem Oktoberfest oder einem Open-Air-Festival, ließe sich dies durch eine Ausfallversi-cherung abdecken. Wir ar-beiten gerade daran, Veran-staltungsausfall über eine zweite Säule ab 2017 anzubieten. Welche Art von Unternehmen schließen eine Terrorversicherung ab?

H:D Grundsätzlich alle, aber Extre-mus versichert vor allem Immobilien: also Werke von Unternehmen, alle Flughäfen und große Bahnhöfe. Auch Fußballstadien, Krankenhäuser und Hotels sind über uns versichert. Als Extremus nach den Ereignissen vom 11. September 2001 mit politischer Un-terstützung vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) gegründet wurde, war die Idee, vor allem die Industrie vor den Folgen von Terroranschlägen zu schützen.Gibt es unterschiedliche Versicherungs­ arten, je nach Bedrohungsszenario?

H:D Nein, das ist ein All-inclusive-Pa-ket. Eine Wahl haben die Unternehmen

allerdings: Sie können sich entweder nur gegen Sachschäden versichern oder auch zusätzlich die darauf folgen-de Betriebsunterbrechung. Aber ob ein Flugzeug gezielt in ein Hochhaus ge-lenkt wird oder eine Bombe hochgeht – es ist alles gedeckt. Einzige Ausnahme sind Angriffe mit ABC-Waffen, die da-raus resultierenden Schäden würden unsere Gesamtkapazität von 10 Milli-arden Euro übersteigen. Ist das der einzige Grund, warum ABC­Angriffe ausgenommen sind?

H:D Wir halten solche Angriffe für sehr unwahrscheinlich. Solche Waffen her-zustellen – wenn man überhaupt an

das Material herankommt – ist hochkomplex. Und selbst Terroristen haben kein In-teresse, sich etwa mit radio- aktivem Material zu konta-minieren. Was kostet eine Terrorversicherung?

H:D Mindestens 3.000 Euro im Jahr für ein Objekt mit ei-nem Wert von 25 Millionen Euro; die Prämien reichen bis zu 2 Millionen Euro, abhängig von der Versicherungssum-

me, der Lage und eventuellen individu-ellen Risikofaktoren. Steigt die Nachfrage?

H:D Die Nachfrage hat in den beiden letzten Monaten deutlich angezogen. Oft sind es Anfragen von Maklern, die ihre Kunden umfassend beraten wol-len. Wir haben derzeit 1270 Kunden, dahinter verbergen sich 7600 Risiko- standorte. Um dies zu veranschauli-chen: In Berlin haben wir 470 Risiko- standorte mit einer Versicherungs-summe von 33 Milliarden Euro und in Frankfurt 355 Risiken mit einer Sum-me von 30 Milliarden Euro versichert.Was ist die höchste Summe, die Extre­mus jemals hat auszahlen müssen?

H:D Bislang hatten wir noch keinen Schaden – das darf gern so bleiben. Man sagt zwar, Schäden erhöhen die Nach-frage, aber darauf verzichten wir gerne.

Billionen Euro haben die Menschen in Europa im vergangenen Jahr insgesamt an Versicherungs-

prämien gezahlt. Das ist ein Plus von 1,3 Prozent gegenüber dem Jahr zuvor, wie der europäische

Branchenverband Insurance Europe berechnet hat. Im Schnitt zahlte

jeder Versicherte 2015 etwas mehr als 2000 Euro an Prämien für seine

Versicherungen.

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Dirk Harbrücker vom Spezia l- versicherer Extremus

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WENN OPFER WIE KUNDEN BEHANDELT WERDEN

Kriminelle, die RANSOMWARE auf Computer schmuggeln, zeigen sich oft erstaunlich hilfsbereit. Kein Wunder – sie wollen

ja schnell an ihr Lösegeld

Christine Walters reagierte überrascht: „Sie haben die falschen Daten verschlüs-selt – nämlich meine. Da liegt bestimmt ein Fehler

vor. Könnten Sie bitte meine Dateien wiederherstellen?“, schrieb sie an Jig-saw und erhielt zur Antwort: „Daten-verschlüsselung ist ein Virus, und den haben Sie heruntergeladen. Um das aufzuheben, müssen sie bezahlen, und zwar 225 Dollar.“

Wer Lösegeld erpressen wollte, musste früher Menschen entfüh-ren. Der damit verbundene Aufwand lässt sich in der digitalen Welt ver-meiden: Es reicht, die passende Soft-ware, sogeanannte Ransomware, über E-Mail-Anhänge oder Links auf frem-de Rechner zu schmuggeln. Die macht sich umgehend über die Dateien her und verschlüsselt sie. Ist das Werk vollbracht, blinkt eine Botschaft auf: Lösegeld her – oder die Daten bleiben

auf ewig verschlüsselt. Wer nicht zahlt, sitzt auf einem Wust von unzugängli-chen und damit unbrauchbaren Daten.

Schlimm für Privatpersonen, für Unternehmen ein Desaster. Ohne ihre Daten sind sie nicht arbeitsfähig, also bezahlen viele – trotz aller Vorbehalte – das Lösegeld (ransom). Eine Garantie auf wieder zugängliche Daten gibt es nicht. Was es aber gibt: zunehmend mehr freundliche Erpresser, mit FAQs und Websites in verschiedenen Spra-chen. Sogar einen elektronischen Ser-vice haben einige im Angebot – und der reagiert fix. Schließlich wollen sie dem zum Kunden erklärten Opfer ja helfen, wieder an seine Daten zu kommen.

Offen für VerhandlungenDie finnische IT-Sicherheitsfirma F-Secure hat die kriminellen Organi-sationen mit der virtuellen „Christine Walters“ daraufhin untersucht, wie sehr Kundenservice nur zynisch zu

verstehen ist – und wer sich offenkun-dig Mühe gibt. Zu Preisverhandlungen bereit waren drei von vier „Familien“, wie F-Secure sie nennt: Durchschnitt-lich konnte die Lösegeldsumme um 29 Prozent gedrückt werden. Und: Deadlines sind nicht in Stein gemeißelt. Die Fristen ließen sich in jedem Fall verlängern. Ach ja: Das Lösegeld wird zwar in Euro oder Dollar gefordert, aber immer in Bitcoins gezahlt. Einige der Erpresser geben auch detaillierte Anweisungen, wie das funktioniert.

„Natürlich sind es Verbrecher, aber im Austausch mit ihren ,Kunden’ verhalten sie sich vorbildlich“, sagt Erka Koivunen, Berater für Cyber Se-curity bei F-Secure. „Davon könnten sich viele andere, legale Online-Unter-nehmen einiges abgucken.“ Auch wenn die wohl kaum so stark mit dem Preis heruntergehen werden wie Jigsaw bei Christine Walters: Jigsaw wäre auch mit 125 Dollar zufrieden gewesen.

Ransomware: So sieht es auf dem

Monitor aus, wenn Jigsaw ein Lösegeld

fordert

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Die Donau im Zentrum: Nach dem Regen kam die

Flut. Auf 12,89 Meter stieg der Pegel der Donau im Juni

2013 in Passaus Altstadt

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NATURGEFAHREN IN DEUTSCHLAND

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V on wegen milder Sommerregen. Sobald der Himmel seine Schleusen öffnet, schüttet es richtig. Wie aus Kübeln. Meteorologen drücken sich weniger bildlich aus, sie reden von

Starkregen-Ereignissen. Und stellen fest: Der Ein-druck täuscht keineswegs. Solche „Ereignisse“, bei denen mindestens 15 Liter Regen pro Quadratmeter und Stunde auf den Boden prasseln, häufen sich laut Deutschem Wetterdienst (DWD). Und weil kaum je-mand auf solche Fluten vorbereitet ist, kann Stark- regen immense Schäden anrichten. Und Menschen in den Tod reißen.

Sechs Menschen kamen im Juni im nieder-bayerischen Simbach am Inn ums Leben. Nach ta-gelangen Regenfällen brach ein Damm, die Was-sermassen wälzten sich wie eine Flut durch das Städtchen und rissen Autos, Straßenlaternen und Passanten mit, fluteten Keller und spülten ganze Straßenzüge weg. Mehr als 500 Häuser werden wohl abgerissen werden müssen: nicht mehr zu retten. Der Gesamtschaden allein in Simbach wird auf mehr als 1 Milliarde Euro geschätzt.

Wenige Tage vor Simbach wurde das schwä-bische Braunsbach heimgesucht. Dort hatten Re-

genfälle drei Bäche im Kochertal zu reißenden Flüssen anschwel-len lassen. Eine Gerölllawine schob sich durch die Straßen und hinterließ eine Schneise der Verwüstung. Die Gesamt-schäden werden auf mehr als 100 Millionen Euro geschätzt.

Braunsbach ist, zumindest potenziell, überall. Es könne je-

des Dorf und jede Stadt in Deutschland treffen, jederzeit und immer wieder, sagt Andreas Becker, Leiter des Referats Niederschlagsüberwachung beim Deutschen Wetterdienst. „Solch ein Ereig-nis kann einmal alle 100 Jahre auftreten – was nicht heißt, dass es im nächsten Monat genau am selben Ort auf keinen Fall schon wieder so stark regnen kann.“

Düstere PrognosenDie Wahrscheinlichkeit solcher Katastrophen steigt. Die Zahl verheerender Stürme, Regenfälle und anderer wetterbedingter Naturgefahren hat sich in Deutschland seit den 1970er-Jahren mehr als verdreifacht, belegen Daten des Rückversi-cherers Munich Re. Eine Studie des GDV und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) prognostiziert, dass Sturmschäden um 50 Pro-zent bis 2100 zunehmen, während sich die Überschwemmungsschäden verdoppeln, mög-licherweise sogar verdreifachen könnten. Diese Naturgefahren stehen auch im Mittelpunkt einer Konferenz, zu der der Gesamtverband der Deut-schen Versicherungswirtschaft (GDV) am 14. Sep-tember nach Berlin eingeladen hat.

In dem Trend zu mehr Stürmen und Über-schwemmungen sieht Mojib Latif, Klimaforscher am Helmholtz-Zentrum Geomar, eine Folge des Klimawandels. Für Starkregen reiche zwar die Datenlage nicht aus, um den Einfluss des Men-schen festzulegen. „Das heißt jedoch nicht, dass es diesen Einfluss nicht gibt“, schreibt Latif in sei-ner Kolumne für „Positionen“ (Seite 46). Wärmere Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen, etwa sieben Prozent pro Grad Temperaturanstieg.

FEUCHT-GEBIETEDas Wetter schlägt Kapriolen: Unerwarteter STARKREGEN sorgt für zerstörerische Schlammfluten und setzt ganze Städte unter Wasser. Dagegen kann man sich schützen, als Stadt – und als Bürger TEXT: MICHAEL PRELLBERG, MITARBEIT: OLAF BURGHOFF, KATHRIN JAROSCH UND JÖRG SCHULT

STÜRMISCHE SOMMER

Die fünf schwersten Sommerunwetter der vergangenen

15 Jahre*

Andreas (2013)

1.600 Mio. €

Hilal (2008)330 Mio. €

Norbert (2013)250 Mio. €

Frank (2011) 290 Mio. €

Ela (2014)440 Mio. €

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Und da die Lufttemperatur durch den Klimawandel steigt, erhöhe sich die Wahrscheinlichkeit für mehr und heftigere Niederschläge in unseren Breiten.

Die Menschen in Glehn wissen, wovon Latif spricht. Ende Juli fielen in dem Nordeifel-Dorf in nur zwei Stunden 83 Liter Wasser. „Dann steht auf jedem Quadratmeter das Wasser acht Zentimeter hoch und will ins Tal. Kein Erdboden kann solche Wassermassen komplett aufnehmen“, erklärt der Meteorologe Michael Köckritz. Waldboden nimmt allein in seinen oberen zehn Zentimetern rund 30 bis 40 Liter Wasser auf, kurzfristig sogar 50 Liter. In Industrie- oder Wohngebieten sind die Böden weniger saugfähig. Das betrifft vor allem Städte, wo Gebäude und Asphalt den Boden versiegeln. Köckritz fragt: „Wo soll das Wasser dann hin?“

Keineswegs eine rhetorische Frage. Stadtplaner neh-men das Thema ernst. Fabian Dosch vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung hat sich Projekte in Großstädten wie Berlin, München und Potsdam und in Gemeinden wie Nordwalde im Münsterland angesehen. Allen gemein ist die Erkenntnis, dass die Kanalisation nie ausgelegt ist für solche Wassermassen. Dosch hat von seiner Deutschlandreise zwei Anregungen mitgebracht. Erstens: mehr Flächen, wo Wasser versickern kann. Weil das, zweitens, in größeren Städten nicht ausreicht, emp-fiehlt er, das Wasser gezielt dorthin zu leiten und zu sam-meln, wo es keine Schäden anrichtet. In Hamburg etwa werden Straßen im Bedarfsfall zu Kanälen, die Fluten da-hin leiten, wo sie hinsollen – etwa in einen Park, in dem Wassermassen „zwischengespeichert“ werden.

Das verwundbare HausDas Mitdenken der Stadtplaner entlässt allerdings kei-nen aus der Pflicht, selbst vorzusorgen. „Der Einzelne ist ein unverzichtbarer Teil des Systems“, sagt Oliver Hau-ner, beim GDV zuständig für Sach- und Technische Ver-sicherung und damit für Schadenverhütung. „Alle müs-sen mitarbei ten.“ Das heißt: Prävention. „Oft geht es um ganz simple Sachen – man muss sie nur machen.“

Verwundbare Gebäudeteile gilt es zu schützen. Vom „Widerstehen“ sprechen Experten, und das beginnt da-mit, Wasser bestmöglich vom Haus fernzuhalten. Ein leichtes Gefälle hilft, Flutmulden sind effektiver. Kommt das Wasser, helfen schon kleine – fest installierte – Barrieren, etwa eine Schwelle an der Garageneinfahrt. Und drei Treppenstufen bis zur Tür sind eine echte Bar-riere. Auch der Keller kann geschützt werden, etwa durch Fenster, die nach außen geöffnet werden. Bei einer Flut werden sie fest- statt eingedrückt. Und die Umrandung der Lichtschächte dient als Sperre, damit das Wasser dort nicht hineinfließt. „Hochwirksamen Schutz der Keller bie-ten die weiße Wanne – Wände und Sohlen aus wasser-dichtem Beton – und die schwarze Wanne: Kellerwände abgedichtet mit Bitumen“, sagt Hauner. Weiter wichtig: Rückstausicherungen. Sie verhindern, dass Wasser aus der Kanalisation zurück in Haus-Abwasserrohre drückt.

Für normalen Starkregen sollte das ausreichen. Aber was tun, wenn es zum Ärgsten kommt, die Stadt

LAUNENDER NATUR

INSGESAMT

1.000

MIO

. €20

0

MIO

. €Sach versicherung Wohngebäude, Hausrat, Indus trie, Gewerbe und Landwirtschaft

1,2MRD. €

Kfz-VersicherungVoll- und Teilkasko

Quelle: GDV

Schadenaufwand (geschätzt) durch Frühjahrsunwetter Elvira und Friederike (Mai/Juni 2016)

Der stärkste je gemessene Regen ging 2002 im Erz-

gebirge nieder, das Wasser floss auch

durch Glashütte

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geflutet und der Strom ausgefallen ist? „In erster Linie sollte sich jeder Haushalt darauf vorbereiten, mehrere Tage ohne Strom und ohne Hilfe von außen auskommen zu können“, rät Stefan Mikus vom Bundesamt für Be-völkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Damit stellt sich die Frage, an was zu denken ist, um sinnvoll vorzusorgen. Mikus zählt auf: Lebensmittel und Trink-wasser, Medikamente und Energie – von der Taschen-lampe über das batteriebetriebene Radio bis hin zum Gas- kocher. „Das sollte jeder jederzeit bereit haben, egal wo in Deutschland.“ Bloß bitte nicht im überfluteten Keller.

Elementarversicherung unverzichtbarWenn der Keller später leer gepumpt ist, greift die Ele-mentarversicherung. Sie schützt vor Schäden durch Hochwasser und Starkregen. Trotzdem haben nur 37 Pro- zent der Hausbesitzer in Deutschland diese Police, die seit einigen Jahren standardmäßig zum Paket der Wohn-gebäudeversicherung gehört. Bei älteren Verträgen fehlt sie hingegen oft. Vorbildlich versorgt sind die Häusle-bauer Baden-Württembergs: 94 Prozent haben eine Ele-mentarversicherung. In Bremen sind es nur 15 Prozent – bundesweit der schlechteste Wert.

Die Erkenntnis, dass jeder bedroht ist, kommt lang-sam in den Köpfen an. „Glauben Sie, dass Starkregen in Ihrer Wohngegend zu stärkeren Überschwemmungen führen kann?“, fragten GfK-Meinungsforscher für den GDV. Nein, antworteten 66 Prozent der Befragten. Nach den Unwettern des Frühsommers wurden Hausbesitzer nochmals gefragt, immer noch antworteten 58 Prozent mit Nein. Die GfK-Zahlen belegen zudem, dass viele Hausbesitzer sich besser abgesichert fühlen, als sie es in Wirklichkeit sind. „Sie fühlen sich vollkasko-, sind aber meist nur teilkaskoversichert“, fasst Hauner die Kernerkenntnis der Studie zusammen. Sie unterschätzen zudem den Wert einer Elementarversicherung. „Die er-setzt nicht – wie beim Auto – nur den Zeitwert, sondern stellt im Schadenfall ein komplett neues, nach neuesten Standards gebautes und damit höherwertiges Haus hin.“

Ausgerechnet Baden-Württembergs Ministerprä-sident Winfried Kretschmann (Grüne) plädiert dafür, die Elementar- zur Pflichtversicherung zu machen. „Der Staat muss also nicht oder nur in wenigen Extremfällen helfen“, argumentiert Kretschmann (siehe Interview auf Seite 14), während anderswo der Staat häufiger helfen müsste: „Dahinter verbirgt sich eine Ungerechtigkeit.“

Durch die Pflicht gehe „der Anreiz für Eigenvorsor-ge und Prävention verloren“, entgegnet GDV-Präsident Alexander Erdland, „schließlich würde im Schaden- fall immer gezahlt – egal ob in Schutz investiert wurde oder nicht.“ Die Folge wäre eine Spirale aus mehr Schä-den und höheren Kosten. Erdland will die Spirale zurück-drehen: weniger Schäden dank besserer Prävention.

Der Weg dahin ist nicht leicht. „Viele Menschen glau-ben irrtümlich, sie seien vor Naturkatastrophen sicher“, so Erdland. Dieser Glaube lässt sich durch Statistiken kaum erschüttern – selbst der Beweis des Gegenteils hilft wenig. Das zeigte sich im Juli 2014 in Münster, wo innerhalb ›

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von sieben Stunden 292 Liter Regen pro Quadratmeter auf die Stadt prasselten. Das Wasser lief in Keller und Häuser, drückte über die Abwasserrohre nach oben. In vielen Woh-nungen stand das Wasser kniehoch. Zwei Menschen starben. Zwei Jahre später ist der Anteil der Münsteraner, die sich gegen solche Naturgefahren versichert haben, zwar deutlich gestiegen. Doch noch immer sind die meisten Häuser nicht gegen Elementarereignisse abgesichert. „Wahrscheinlich aus dem Gedankengang heraus: Solch ein Unwetter passiert nur alle paar Jahrzehnte, und wir sind jetzt damit durch“, vermutet GDV-Experte Hauner. „Die Folge: Die Menschen verzichten selbst auf den elementarsten Schutz.“

Am fehlenden Angebot von Elementarversicherungen, das macht ebenfalls die GfK-Umfrage klar, kann es nicht lie-gen: Selbst die von den Forschern interviewten Hausbesit-zer, deren Immobilien in den am meisten von Hochwasser bedrohten Gebieten stehen, gaben fast alle an, stets einen Versicherer gefunden zu haben. Lediglich zwei Prozent der Besitzer von Häusern in dieser sogenannten Zone 4 antworteten, ihr erster Antrag sei abgelehnt worden. Ein Überschwemmungsschaden bedroht schnell die wirtschaft-liche Existenz. Beim Starkregen in Folge des Quintia-Tiefs 2014 regulierten die Versicherer Einzelschäden von bis zu 468.000 Euro – ohne die Erstattung hätten die betroffenen Hausbesitzer wahrscheinlich ihr Vermögen ganz eingebüßt.

Schöne Aussicht mit NebenwirkungenMangelndes Gefahrenbewusstsein gibt es nicht nur bei Stark- regen. Wer sein Haus der schönen Aussicht wegen am Hang baut, will nichts hören von drohenden Rutschpartien. Und wer sich nah am Wasser ansiedelt, mag nichts wissen von Überschwemmungsrisiken. Ist ja immer gut gegangen. Bis es nicht mehr gut geht. In Röderau bei Riesa war es 2002 so weit. In den zehn Jahren zuvor war hier in Elbnähe eine Siedlung für gut 300 Menschen entstanden. Dann brach im August ein Deich und die Elbe kam nach Röderau-Süd. 2,90 Meter hoch stand das Wasser, teilweise bis zum Dachgiebel. Drei Monate später beschloss das sächsische Kabinett: Die Siedlung wird abgerissen, alle Menschen werden umgesie-

delt. Mehr als 35 Millionen Euro kostete die Aktion – die Abrisskosten nicht mitgerechnet. Das Ganze hätte man sich sparen können: Schon zu DDR-Zeiten war bekannt, dass die Elbe dieses Gebiet oft überflutet. Ein Schildbürgerstreich, dem GDV-Experte Hauner trotzdem etwas Gutes abgewin-nen kann: „Das war ein Weckruf. Seitdem ist das Bewusst-sein deutlich gewachsen, hochwassersicher zu planen und zu bauen – und zwar nur dort, wo es überhaupt sinnvoll ist.“

Risiken werden genauer erfasstWo das ist, erkunden Forscher immer genauer. Das nutzt auch Häuslebauern: Der Umfang der gefährdeten Zone-4- Regionen schrumpft, da sich immer genauer eingren-zen lässt, wo ein hohes Risiko besteht – und wo nicht. Auf www.kompass-naturgefahren.de können Mieter, Hausbe- sitzer und Unternehmer bereits für vier Bundesländer er-fahren, wie stark ihr Gebäude durch Hochwasser gefährdet ist. Zudem aufgeführt sind Risiken für Sturm, Blitzschlag, Erdbeben und Starkregen, aufgefächert in einer Farbskala. Gelb steht für mäßiges, Rosa für mittleres Risiko, Violett für große Gefahr. Wer „Starkregen“ anklickt, sieht ganz Deutschland in Rosa: mittleres Risiko. Mehr lässt die Daten-lage nicht zu, aber das ändert sich gerade. So hat der GDV mit einem Ingenieurbüro ein Geländemodell für das Testgebiet Nordrhein-Westfalen ausgewertet, dessen Strukturen mit Schadendaten der Versicherer abgeglichen wurden. Das Ergebnis bestätigt naheliegende Annahmen: Es gibt dort mehr Schäden, wo es mehr und häufiger regnet. Und es tre-ten mehr Schäden an Gebäuden in Senken auf, weil dort das Wasser länger stehen bleibt. Diese Geländeauswertung soll nun auf ganz Deutschland ausgeweitet werden.

Mehr Details strebt der GDV mit dem DWD in einem wei-teren Projekt an. Die Versicherer steuern Informationen bei, wo es wann welche Schäden durch Starkregen gab; der Deut-sche Wetterdienst kombiniert sie mit erfassten Regenmengen und -zeiten. Gut 10.000 Starkregen-Ereignisse werden abge-glichen, um zu tieferen Erkenntnisse zu gelangen. Ziel: eine umfassende, aussagekräftige deutsche Gefahrenkarte.

Damit man in Zukunft nicht immer alles in Rosa sieht.

DAS WÜTEN DER ELEMENTE Die teuersten1 Ereignisse 1997 bis 2016

900

Sturm Kyrill (2007) 90 % 900 € 2.060152.000 €

1.6005.360 € 400.000 €592 %Hagel Andreas (2013)

100370.000 €3.700 €91 %Tornado Zaza (2010)

306k. A.460 €76 %Blitz & Überspannung Rainer (2009)

240468.000 €8.100 €37 % Starkregen Quintia (2014)

1.0005k. A.k. A.k. A.Starkregen Elvira/Friederike (2016)

13.500 € 400.000 €19 % Hochwasser Augusthochwasser (2002) 1.800

Versicherungs- dichte2

Schadens- durchschnitt3

Größter Einzelschaden4

Schadenaufwand Sachversicherung in Mio. Euro

1) umfasst Wohngebäude, Hausrat, Gewerbe und Industrie; 2) Versicherungsdichte Wohngebäudevers., außer: Augusthochwasser/Quintia (Wohngebäudevers. inkl. Elementar), Rainer (Hausratvers.); 3) bei Wohngebäudeversicherung 4) an Einfamilienhaus mit Versicherungssumme bis 500.000 Euro 5) vorläufig, davon 800 Mio. Euro Elementar, 200 Mio. Euro Sturm/Hagel; 6) Hausrat Q: GDV

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Spuren des Stroms: Das Inn-Städtchen Simbach im Juni 2016, am Tag nach der Flut

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Herr Ministerpräsident, Sturzfluten haben binnen weniger Minuten nicht nur einen ganzen schwäbischen Ort, Braunsbach, verwüstet, sondern auch Menschenleben ge­kostet. Sind das erste Folgen des globalen Klimawandels?WINFRIED KRETSCHMANN: Es sind vermutlich Folgen des Klimawandels, aber auch in Baden-Württemberg sicher nicht die ersten. Denken Sie zum Beispiel an den Berg-rutsch in Mössingen-Öschingen vor drei Jahren – eben-falls nach tagelangem Starkregen. Ich befürchte, dass extreme Wetterereignisse zunehmen werden und dass sich die Menschen darauf einstellen müssen.Auf UN­Konferenzen vereinbaren Politiker zwar ehrgei­zige Klimaziele, aber an der Umsetzung hapert es. Muss Klimapolitik in Regionen wie Baden­Württemberg nicht oft ein Lippenbekenntnis bleiben, um Jobs zu erhalten?

K:W Nein, keineswegs. Gerade industriell geprägte Re-gionen wie Baden-Württemberg können zeigen, dass Wachstum und Klimaschutz zusammen funktionieren. Und zwar in doppelter Weise. Wir haben in Baden-Würt-temberg die Nutzung der regenerativen Energien deut-lich ausgebaut und haben beim Thema Windkraft den Fuß von der Bremse genommen. Und vor allem: Gerade aus Baden-Württemberg kommt die Technologie, um den Klimawandel zu stoppen. Hier werden die Verfah-ren entwickelt, mit denen der Schadstoffausstoß von Verbrennungsmotoren reduziert wird. Hier sitzt der Weltmarktführer für E-Bike-Antriebe. Und in der Lan-deshauptstadt ist inzwischen eine der deutschlandweit größten Elektroautoflotten unterwegs.Sie haben mit Kaliforniens Gouverneur Jerry Brown eine Klimaallianz begründet, der sich global gut 100 Regionen angeschlossen haben. Was können die besser als Staaten?

K:W Handeln. In einem föderalen System wie Deutsch-land können wir das, weil es tatsächlich noch Regelungs-kompetenzen vor Ort gibt. Es war zwar nicht so einfach, aber wir können die Hürden für den Ausbau der Wind-kraft kleiner machen und so die Entwicklung in eine bestimmte Richtung lenken. Aber vor allem kann man auf regionaler Ebene mit den Beteiligten sprechen und sie motivieren. Mit den Kommunen, mit den Energie-versorgern, mit den Unternehmen. Und dann zeigt sich

plötzlich, dass viele an einem Strang ziehen.Zum Schutz vor Naturgefahren wie Starkregen gehört die Prävention. Wurden etwa zu unbedacht Häuser an Stellen errichtet, an denen man sie besser nicht gebaut hätte?

K:W Hinterher ist man immer schlauer. Es mag in Einzel-fällen so sein, dass an Orten gebaut wurde, von denen man heute und nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre weiß, dass man es besser nicht getan hätte. Aber wenn die Häuser vor 50 Jahren gebaut wurden, als nie-mand etwas vom Klimawandel ahnen konnte – da kann man niemandem einen Vorwurf machen.Was muss geschehen, damit sich solche Szenen wie in Braunsbach oder Simbach am Inn nicht wiederholen?

K:W Naturkatastrophen können wir leider auch künftig nicht ausschließen. Wir können ja schließlich kein Gesetz erlassen, in dem Starkregen verboten wird. Wir können und wir müssen aber, so wie das in der Vergangenheit auch gemacht wurde, die Prävention verbessern. Wenn die Unwetterereignisse der vergangenen Monate zu neuen Erkenntnissen über besonders gefährdete Gebiete führen, dann müssen wir darauf reagieren und zum Bei-spiel zusätzliche Überflutungsflächen schaffen. Und wir müssen dafür sorgen, dass im Schadensfall das Risiko für Menschen möglichst gering bleibt. Müssen wir unseren Lebensstil anpassen?

K:W Natürlich müssen wir unseren Lebensstil anpassen, indem wir alle gemeinsam versuchen, den Klimawandel durch unser Verhalten zu stoppen. Dazu können wir bei-tragen zum Beispiel durch die Art der Fortbewegung, der Heizung oder beim Autokauf.Sie haben sich bei einem Besuch Braunsbachs von Ein­wohnern vorwerfen lassen müssen, zu wenig für sie zu tun. Erwarten die Bürger inzwischen bei Katastrophen eine Vollkaskoversicherung von Vater Staat?

»WIR KÖNNEN HANDELN«Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident WINFRIED KRETSCHMANN über Starkregen, Klimaschutz, die Bürger von Braunsbach und sein Eintreten für eine Pflichtversicherung INTERVIEW: THOMAS WENDEL · FOTOS: DENNIS WILLIAMSON

»ICH HABE VIEL VERSTÄNDNIS, WENN MENSCHEN, DIE IN NOT SIND, LAUT HILFE RUFEN.«WINFRIED KRETSCHMANN

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WINFRIED KRETSCHMANNMister Baden-Württemberg

Jahrzehntelang galt Baden- Württemberg als unein-nehmbare CDU-Hoch-

burg. Dann explodierten 2011 kurz vor der Landtagswahl Atomreaktoren in Fukushima – und mit Winfried Kretsch-mann wurde ausgerechnet im Hightech- und Auto-Ländle der erste Grüne zum Minister- präsidenten gewählt. In die Rolle des Landesvaters hat sich der Schullehrer Kretsch-mann, 1948 in Spaichingen geboren, schnell hineingefun-den: Er verkörpert perfekt das Bodenständige wie das Pfiffi-ge, das Baden und Schwaben wirtschaftlich so erfolgreich gemacht hat. Und wurde im März 2016 im Amt bestätigt.

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K:W Ich habe viel Verständnis, wenn Menschen, die in Not sind, laut Hilfe rufen, zumal wenn der Ministerpräsident vor Ort ist. Und die Aufgabe der Landesregierung ist es dann, ab-zuwägen, wo Soforthilfe nötig ist und wie wir das am besten machen. Genau so haben wir es im Fall Braunsbach gemacht. Müssen die Bürger nicht selbst mehr zu ihrem Schutz tun?

K:W Ich habe mir angeschaut, wie die Menschen in Brauns-bach und Schwäbisch Gmünd nach den Unwettern aktiv ge-worden sind, und habe größten Respekt davor. Insbesondere auch vor der Arbeit der Rettungsorganisationen, die gerade im ländlichen Raum großenteils durch das Ehrenamt, also durch die Bürgerschaft selbst gespeist werden.Wie beurteilen Sie die Arbeit der Versicherer in Zusammen­hang mit den Überschwemmungen der vergangenen Monate?

K:W Darüber kann ich mir kein Urteil erlauben.Müssen Länder und Kommunen nicht mehr tun, um auf Naturkatastrophen besser vorbereitet zu sein?

K:W Wenn aus den Erfahrungen der vergangenen Monate neue Erkenntnisse gewonnen werden, dann müssen wir darauf reagieren. Ich persönlich habe mich ja bereits für die Wiedereinführung der Pflichtversicherung bei Elementar-schäden eingesetzt. Ich halte das angesichts der guten Erfah-rungen, die wir damit gemacht haben, für sinnvoll.In Baden­Württemberg sind bereits weit mehr als 90 Prozent aller Gebäude gegen Elementarschäden versichert. Warum fordern ausgerechnet Sie eine Versicherungspflicht?

K:W Wir haben in Baden-Württemberg gute Erfahrungen mit der hohen Versicherungsquote gemacht. Und am Ende bedeutet das ja, dass die Menschen hier selbst Verantwor-tung für ihr Hab und Gut übernehmen. Der Staat muss also nicht oder nur in wenigen Extremfällen helfen. In Gebieten mit geringerer Versichertenquote muss der Staat häufiger helfen, und am Ende verbirgt sich dahinter eine Ungerech-tigkeit. Und da das System der Pflichtversicherung in Baden- Württemberg viele Jahrzehnte hervorragend funktioniert hat – warum sollen die anderen nicht von uns lernen?Eine bedingungslose Pflichtversicherung für alle lässt aber das Interesse an Prävention erlahmen. In Großbritannien sind nach einem solchen Schritt die Prämien für Policen durch die Decke gegangen. Warum nehmen Sie dieses Risiko in Kauf?

K:W Ich mache mich nicht für eine bedingungslose Pflicht-versicherung stark, sondern für eine vernünftige. Und die jahrzehntelangen Erfahrungen in Baden-Württemberg ha-ben keineswegs dazu geführt, dass das Interesse am Hoch-wasserschutz zurückgeht – oder die Versicherungsprämien durch die Decke.Entspringt Ihre Forderung nach einer Pflichtversicherung nicht auch politischen Motiven? Andere Landeschefs vertei­len publikumswirksam Hilfsgelder, Sie können das nicht.

K:W Darauf habe ich eine ganz kurze Antwort: Nein.

»ICH MACHE MICH NICHT FÜR EINE BEDINGUNGSLOSE PFLICHT-VERSICHERUNG STARK, SONDERN FÜR EINE VERNÜNFTIGE«WINFRIED KRETSCHMANN

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WVERORTET

Jedes dritte Gebäude in Deutschland ist gegen Elementarschäden versichert. Weiterhin unterschätzen viele Hausbesitzer die Gefahr – etwa von Starkregen

er glaubt schon, dass das Wasser kniehoch im Wohn-zimmer stehen könnte? Wer vom Fenster auf einen Fluss-lauf blickt, muss zwar mit derlei rechnen, alle anderen fühlen sich geschützt – zu Unrecht. Starkregen kann überall in Deutschland Häu-

ser fluten. Die Folgen fan-gen Elementarschadenver-sicherungen auf. Sie gibt

es als Zusatz zur Wohn-gebäude- und Hausrat-versicherung, wobei

immer mehr Versi-cherer diese Option von vornherein ins Angebot einbauen. Diese Chance nutzen

zunehmend mehr Eigentümer und Mieter: War im Jahr 2002 nicht

einmal jedes fünfte Gebäude in Deutschland gegen Elementar-

schäden versichert, so steigt der Anteil

seitdem kontinuierlich: 2008 war jedes vierte, 2013 jedes dritte Gebäude gegen Starkregen, Hochwasser, Schneedruck, Lawinen und Erdrutsche, Erdbeben und Vulkanausbrüche versichert. Mittlerweile ist die Quote auf 37 Prozent angestiegen – allerdings ungleich verteilt. Während in Baden-Würt-temberg die Policendichte

wegen der früheren Versi-cherungspflicht sehr hoch ist, wird woanders oft mehr auf fest gedrückte Daumen denn auf effizienten Versi-cherungsschutz gesetzt.

DIE DEUTSCHLANDKARTE setzt vierteljährlich

wichtige Zahlen aus der Versicherungslandschaft

prägnant ins Bild.

Quelle: GDV, Stand: 31.12.2015

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RückstausicherungDie Rückstausicherung verhindert, dass Wasser durch den

Betriebsschacht ins Haus gedrückt wird  

INFOGRAFIK: DIETER BRAUN

DAMIT DAS WETTER DRAUSSEN BLEIBTRegnet es länger und stärker, laufen schnell die ersten Keller voll. Dabei können Haus und Garage mit ein paar einfachen Kniffen besser geschützt werden. „Positionen“ zeigt, worauf es ankommt

AUF REGEN FOLGT SCHADENVon Starkregen geprägte Naturkatastrophen

Elvira/Friederike (2016) k.A.

Quintia/Renate/Susanne (2014) 32.000

Norbert (2013) 27.000

Hilal (2008) 19.000

Rainer (2009) 18.000

Lucia/Michaela (2014) 11.000

ANZAHL DER SCHADENAUFWAND IN DER SACH-ELEMENTARVERSICHERUNG SACHSCHÄDEN (ohne Kfz-Versicherung) in Millionen Euro

7085

100145

240800

DAS HAUSHauseingang

Es dauert, bis das Wasser die zwei, drei Stufen zum Eingang hochkommt

TerrasseSchon eine Barriere

von wenigen Zentimetern Höhe hält

oft das Wasser ab

Treppe runter zum Keller

Eine leichte Barriere hindert das Wasser daran, gleich nach

unten zu fließen

DER GARTENFlutmuldeEine Flutmulde lenkt das Wasser weg vom Haus und hin zur Straße und zum Park

Lichtschächte Wasser fließt nach unten. Eine wenige Zentimeter hohe Barriere hält es vorerst auf

Kellerfenster Kellerfenster und

Kellertür gehen nach außen auf. Kommt die Flut,

werden sie fest- und nicht

aufgedrückt

DIE GARAGEGrünes Dach

Begrünte Dächer können Regen

aufsaugen und vorüber-gehend halten

Schwelle vor Einfahrt

Schon eine leichte Schwelle vor der

Garageneinfahrt hält Wasser ab

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QUELLEN Täuschend sicher:

GfK-Umfrage 2016 im Auftrag des GDV.

Alle anderen: GDV

DIE EXTREMSTEN STARKREGEN IN DEUTSCHLAND

Braunsbach (2016) in 1 Stunde

Zum Vegleich: deutschlandweit

pro Jahr

Füssen (1920) in 8 Minuten

Simbach (2016) in 24 Stunden

Münster (2014) in 7 Stunden

Zinnwald (2002) in 24 Stunden 312 Liter / m2

292 Liter / m2

170 Liter / m2

126 Liter / m2

60 Liter / m2

789 Liter / m2

* Schadenaufwand durch Sturm/Hagel, ab 1999 inkl. Elementarversicherung: Überschwemmungen/Starkregen, Hochwasser, Erdbeben, Erdsenkungen, Schneedruck, Lawinen/Erdrutsche, Vulkanausbrüche

1970 1975 1980

4,9 5,0

8,2

6,6

4,6

5,8

1,9

1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015

1

2

3

4

5

6

7

8

WAS STURM, HAGEL UND REGEN SO ALLES ANRICHTEN*Jahresschadenaufwand Sachversicherung, in Milliarden Euro (Hochrechnung Bestand/Niveau 2015)

TÄUSCHEND SICHERGründe, warum sich Hausbesitzer nicht gegen Elementarschäden

versichert haben:

StraßeEine leichte Schräge

sorgt dafür, dass das Wasser ablaufen kann

DER PARKRegnet es heftig,

werden Parks oder andere Grünflächen kur-zerhand umfunktioniert

zu Regenwasser- auffangbecken

DIE STRASSEGully

Regnet es stärker, ist die Kanalisation

überfordert und die Gullys können das Wasser nicht mehr

aufnehmen: Es bleibt auf der Straße

»Ich fühle mich nicht

davon bedroht«

89%

»Kenne mich nicht aus, denke aber, mein Versicherungsschutz

ist ausreichend«

67%

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WISCH UND

KLICKDie Versicherer denken um und lernen, ihr Geschäft jederzeit auf die Bedürfnisse und Erwartungen des Kunden auszurichten. Der

DIGITALE VERTRIEB erlaubt einen neuen Umgang miteinander: auf Augenhöhe

TEXT: OLAF WITTROCK, MITARBEIT: JOHANNA SAGMEISTER

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Berater und Kunde beugen sich ge-meinsam übers Tablet. Was soll denn, was muss denn rein in die Police? Wisch und klick. Das hier nicht? Kein Problem: Wisch und

klick. Der Vertrieb wird digital, und dabei persönlicher. Weg mit Laptops, bei denen die Kunden nur die Rückseite sehen. Weg mit vielseitigen Papierverträgen, die nach der Unterschrift häufig ein Unwohlsein hinterlassen: Worauf habe ich mich da nur eingelassen? Künftig agieren beide Seiten verstärkt auf Augenhöhe.

Versicherungen sind notwendig, aber komplex. Berater brechen diese Kom-plexität seit jeher für jeden Kunden neu herunter: Was will er, was braucht er, was passt? Das bleibt. Was sich ändert, ist der Umgang der Kunden mit dem ungleichen Wissensstand. Sie checken Preise und Konditionen auf Vergleichs- portalen, machen sich bei Problemen in Foren schlau und schließen kurz mal eine Unfallversicherung für den fünf-

tägigen Ski-Urlaub ab.

Was Kunden erwarten, und worauf sie gern verzichtenKunden haben Ansprüche, und sie erwarten, dass sie erfüllt werden. Nicht ihre Bedürfnis-se sollen sich irgendwelchen Vertragsmoda-litäten anpassen, sondern umgekehrt sollen sich diese Modalitäten ihren Wünschen fü-gen. Da hat sich etwas verschoben: „Unsere Erwartungen werden nicht mehr nur von den Versicherern, ihren Angeboten und Ta-rifmodellen geprägt“, sagt Andrea Cornelius von IBM Cognitive Solutions, die Versiche-rer in Sachen Datenanalytik berät. Von der Assekuranz werde jetzt das erwartet, was Apple oder Amazon anbieten. „Das Kunden- erlebnis dort hat unsere Ansprüche radikal verändert“, sagt Cornelius. Darauf müssten

die Versicherer reagieren.

Was sie längst tun. So gründete der Au-toversicherer HUK-Coburg schon 2000 die HUK24. Die Online-Tochter gilt als Pionier im digitalen Versicherungsvertrieb. „In den vergangenen Jahren hat das Thema Inter-net in der Branche deutlich an Dynamik und Breite gewonnen“, sagt Detlef Frank, der im HUK24-Vorstand die Ressorts Betrieb und Prozesse verantwortet. Der Online-Vertrieb werde die Berater und Versicherungsver-mittler nicht ersetzen – sondern ergänzen, sagt Frank: „Allerdings wird sich der tradi-tionelle Vertrieb verändern, vielleicht sogar stärker als die Online-Geschäftsmodelle.“

Tatsächlich nutzen viele Berater heute nicht nur selbstverständlich digitale Unter-stützung durch Apps auf ihren Tablets oder Smartphones und verarbeiten die meisten Anträge digital. Auch soziale Medien sind bei ihnen längst etabliert: Facebook etwa wandelt sich von einer Image-Plattform immer mehr zum Vertriebskanal, über den sich neue Abschlüsse anbahnen lassen. Jün-gere Berater experimentierten auch ver-stärkt mit WhatsApp. Ein weiteres Thema im Markt ist die Video-Beratung.

Die Digitalisierung, die jetzt im Vertrieb ankommt, beschäftigt die Branche ohnehin schon länger – schließlich fußt ja das Pro-dukt selbst auf einer höchst digitalen Idee: der Kalkulation von Risiken und Prämien. Nur haben sich Versicherer zuerst auf die Technisierung im Innendienst konzentriert, den effizienten Umgang mit den Nullen und Einsen – und nicht auf den Wisch-und-Klick-Vertrieb per Smartphone. Viele können sol-che Anfragen bis heute gar nicht bearbeiten, schon weil die IT davon überfordert wäre.

Das ändert sich nun, und zwar rasant. IBM-Expertin Cornelius zeigt sich „beein-druckt, wie stark das Thema digitale Inno-vation neuerdings die Manager in der Versi-cherungsindustrie bewegt“. Die Assekuranz stellt sich die grundsätzliche Frage, wie sie künftig wohl am besten ihre Policen unters Volk bringt. Wo man hinschaut, werden alte Mauern eingerissen, neue Plattformen an-gebaut und vorhandene renoviert.

Fast alle Anbieter tauschen derzeit das immer noch reichlich vorhandene Papier im

Verkaufsgespräch gegen Bildschirm-präsentationen. Im Jargon heißt

es „Dunkelverarbeitung“, wenn Versicherer Verträge nicht mehr in mehreren Versionen irgendwo abheften, sondern von der Unterschrift bis

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zum Schadensfall möglichst nie mehr zu Gesicht bekommen. Heer-scharen von Spezialisten programmieren dazu in den Häusern derzeit dutzendfach sogenannte „fallabschließende Prozesse“.

Die Provinzial Rheinland hat ihre Berater mit neu programmierten Fach-Apps ausgestattet, um ihnen den Vertrieb zu erleichtern. Auch Süddeutsche Lebensversicherung und Württembergische – zwei Bei-spiele von vielen – haben neue digitale Beratungsmappen im Einsatz.

Das ist erst der Anfang. Marktführer Allianz etwa kündigte an, 200 Millionen Euro in die Digitalisierung zu stecken: „Nah am Kunden – online und offline“. Konkurrent Ergo möchte gar 1 Milliarde Euro in digitale Angebote investieren. Auch hier geht es darum, Vertriebs- kanäle besser zu verzahnen. Im kommenden Jahr geht dazu ein neu-er reiner Digitalanbieter online, während der klassische Vertrieb im Außendienst zurückgefahren wird.

Was die Etablierten von den Neuen im Markt lernenDabei lernen die Etablierten von den Neuen. „InsurTechs“ werden die Startups der Versicherungsbranche genannt. Frank Kettnaker, Vor-stand Vertrieb und Marketing bei der Alten Leipziger/Halleschen, hat einige von ihnen besucht, um mit ihnen ins Gespräch beziehungsweise ins Geschäft zu kommen. „Die haben oft innovative Ideen und Ansätze“, sagt Kettnaker. „Vor allem aber besitzen sie etwas, von dem wir alle lernen müssen: den Willen und die Einsicht, ihr Geschäft jederzeit vom Grundbedürfnis des Kunden her zu denken.“

Simplesurance ist so ein InsurTech. Das Berliner Unternehmen vermittelt unter der Marke „Schutzklick“ Ver-sicherungen für Smartphones, Laptops, Brillen, Fahrräder und Musikinstrumente und Garantie-verlängerungen für Kühlschänke und Bohrma-schinen. Auch wenn die sogenannten Schutz-briefe nicht zum absoluten Muss-Portfolio zählen, so ist der Umgang mit den Kunden für die Branche gleich aus zwei Gründen interessant. Erstens werden die Policen gleich beim Erwerb der Geräte mitverkauft – meist geschieht beides mit einem Klick online. Zweitens kümmert sich Simplesurance im Schadensfall um die Abwick-lung. Die Kunden haben mit den Versicherern im Hintergrund nichts zu tun. Dort haben sich gleich mehrere Branchengrößen platziert, um Erfahrungen mit dem neuen Vertriebskanal zu sammeln: Ergo Direct, R+V, Mannheimer, Arag und die Allianz, die im Sommer sogar als Investor bei dem 100-Mann-Startup einstieg.

InsurTechs picken sich bestimmte Teile aus dem Geschäft heraus und gestalten vor al-lem die Schnittstelle zum Kunden mit moder-ner Technik um. In den USA etwa verkauft der Hersteller der internetfähigen elektrischen Zahnbürste Beam Brush auch Zahnzusatz-versicherungen, deren Preis sich nach dem Putzverhalten richtet. Und der reine Online- Krankenversicherer Oscar reichert seine Ver-sicherungen durch neue Dienstleistungen an – etwa den schnellen Kontakt zu Ärzten. Der Fahrdienst Uber, der normale Auto- ›

»DIE DIGITALE INNOVATION BEWEGT DIE VERSICHERUNGS- INDUSTRIE«ANDREA CORNELIUS, IBM Cognitive Solutions

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WO INFORMIEREN SIE SICH VOR ALLEM, BEVOR SIE EINE VERSICHERUNG ABSCHLIESSEN?

Angaben in Prozent

FeuerBankberater

EINFACHE PRODUKTE

Kundenservice des Versicherers Versicherer (z.B. Website)

27

1611

11

17Versicherungs-vertreter

Vergleichs-portal

Freunde und Bekannte

Versicherungs-makler

andere Quellen /weiß nicht

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KOMPLEXE PRODUKTE

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37Versicherungs-vertreter

16andere Quellen

/ weiß nicht

15Versicherungs-makler

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Bankberater

Versicherer (z.B. Website)

Kundenservice des Versicherers

Vergleichs portal

Freunde und Bekannte

Quelle: Studie Multikanal

Management Vergleichsportal

WO HOLE ICH AM LIEBSTEN INFORMATIONEN EIN?Mehrfachnennungen möglich

Quelle: Kundenmonitor e-Assekuranz/YouGov

ZU HAUSE MIT VERMITTLER

ÜBERS INTERNET

alle 2005

alle 2005

alle 2015

alle 2015

Kunden bis 30 Jahre, 2015

Kunden bis 30 Jahre, 2015

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fahrer per App in Taxifahrer ver wandelt, ver-treibt Kfz-Policen von Metromile, deren Prämien sich nach der Fahrleistung bemessen. Ähnliches gibt es längst auch in Deutschland: Das Online- Portal Helpling vermittelt Putzkräfte und neben- bei gleich den nötigen Haftpflicht- und Unfall- versicherungsschutz von der Axa dazu.

All diese Ideen tragen Versicherungen näher an die Lebenswelt der Kunden heran. Und doch eint viele InsurTechs eine eklatante Schwäche, sagt Vertriebsvorstand Kettnaker von der Alten Leipziger/Halleschen: „Wir leben in einem engen regulativen Rahmen“, in dem sich die Startups kaum auskennten. „Deshalb werden viele gegen die Wand der Regulierung fahren mit ihren Inno-vationen, wenn sie nicht mit uns kooperieren.“ Das habe sich in den Gesprächen gezeigt: Wenn es ans Eingemachte gehe, etwa die Feinheiten der Beraterhaftung, sei das Know-how des erfahre-nen Risikoträgers gefragt – und nicht mehr nur IT-Wissen und Vertriebsgeschick der InsurTechs.

Die Digitalisierung als gigantisches VersprechenAuch deshalb klaffen Welten zwischen dem, was neue Anbieter an der Kundenschnittstelle veran-stalten – und dem, was bei den Etablierten an Digi-talisierungsprojekten läuft. „Die Herausforderung besteht darin, das gigantische Versprechen ein-zulösen, das die Digitalisierung aus Kundensicht bereithält“, sagt Markus Franke, Partner bei der Management- und Technologieberatung Bearing-Point. Dabei hätten sich einige Versicherer anfangs auf den Holzweg begeben, sagt Franke, sie hätten „zu groß gedacht und wollten das eine neue große System für alle Sparten, alle Funktionen schaffen“. Inzwischen orientierten sich viele am Vorgehen der Startups, probierten im kleinen Maßstab aus und passen ihr Angebot an. „Das ist der richtige Weg im Umgang mit der Digitalisierung.“

Was ebenso notwendig ist: sich auf neue Partner einzulassen. In der Kfz-Versicherung etwa arbeiten mehrere Versicherer verstärkt mit Autovermietern zusammen, mit Telematik- Dienstleistern und mit Herstellern. Sie experi-mentieren mit Policen, die sich am Fahrverhalten orientieren. In der Krankenversicherung sind der-zeit viele neue Modelle im Test, die Versicherten Zusatzleistungen versprechen, wenn sie gesünder leben – vor allem in den USA. Und bei den Sach-versicherungen hält die Digitalisierung unter dem Schlagwort „Smart Home“ Einzug. Hier geht es beispielsweise darum, durch vernetzte Rauchmel-der Feuerschäden zu vermeiden.

Das sind allesamt keine Vertriebsthemen, den- noch wirken sie auf den Vertrieb zurück. Denn

erstens sind differenzierte Preise immer auch ein Verkaufsthema. Und wenn zweitens der Kunde seine Prämie über das eigene Verhalten steuern kann, empfindet er die Versicherung womöglich erstmals nicht nur als Retter in der Not, sondern als Ratgeber im Alltag. So verschaffen die neuen Systeme den Anbietern im Alltag neue, häufige-re Kundenkontakte – die auch den Kunden etwas bringen. Im Idealfall geht der Versicherer ge-nau dann auf seinen Kunden zu, wenn der etwas braucht. Die Crux: vorherzusagen, was der Kunde wann brauchen könnte – und zwar rechtzeitig und das mit Angeboten, die sich rechnen.

Manche Vertriebsideen nämlich, wie eine schnell noch im Lift abgeschlossene Skibruch- Police etwa, bedrohen womöglich den Risikopool eines Versicherers: „Solche Policen will niemand im Bestand haben, der darauf achtet, dass seine Produkte ertragreich sind“, sagt Kettnaker. Des-halb hält er auch Smartphone-Versicherungen für schwierig, weil hier das Missbrauchspotenzial er-fahrungsgemäß hoch ist.

So kritisch wie der Manager der Alten Leip-ziger/Halleschen sehen das beileibe nicht alle in der Branche. Andere betonen den Wert der Erfah-rungen, die sich mit solchen Instant-Abschlüssen für ein Versicherungsunternehmen sammeln ließen. Oder die vergleichsweise hohen Prämien, die damit erzielbar seien. Doch Kettnaker steht auch nicht allein da mit seinen Befürchtungen. Schließlich ist eine Kehrseite des allzu schnellen und bequemen Online-Abschlusses womöglich, dass ganze Versicherungskollektive geschädigt werden. Die entscheidende Frage für die Branche laute, sagt Kettnaker: „Wie kommen wir zum Kun-den, bevor der Kunde zu uns kommt?“

Sorgt besserer Kundenservice auch für mehr Abschlüsse?Es gibt noch eine zweite Frage: Steigt der Wertbei-trag von Kunden, mit denen sich der Versicherer regelmäßig digital austauscht? Liefert jemand, der langsamer fährt, weniger isst und sich mehr bewegt, einen höheren Deckungsbeitrag für die Assekuranz? Dazu gibt es bislang keinerlei Er-fahrungswerte, ebenso wenig wie darüber, ob die Digitalisierung über den Kundenservice hinaus tatsächlich zu mehr Abschlüssen führt.

Die InsurTechs jedenfalls konzentrieren sich bislang auf einfache Produkte mit geringem Beratungsbedarf. Angebote etwa zur Altersvor- sorge dürften auch künftig kaum massenhaft online über den Tisch gehen. Jedenfalls nicht ohne menschliche Beratung. Wenn die dann allerdings per Video, Facebook oder WhatsApp stattfindet, ist sie ebenfalls: digital.

aller Versicherten würden das persönliche Vertrauens-

verhältnis zu einem Versicherungs- vertreter auch

finanziell entlohnen.Für „wichtig“ halten

dieses Vertrauens-verhältnis 83 Pro-

zent der Befragten.Quelle: Kundenmonitor

e-Assekuranz/YouGov

37 %

aller Versicherten sind willens,

für kompetenteBeratung zu zah-

len. Für wichtig halten sie 95 %.

14 %

aller Versicherten gehen auf Infor-

mationssuche ins Internet, aber

73 %

lassen sich lieber von einem

Menschen beraten.Prognose für 2020,

Quelle: ad cubum

56 %

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REISEFREIHEIT FÜR MAKLER

Bislang müssen sich Versicherungsmakler bei jedem ihrer Assekuranz-Partner neu

ausweisen und anmelden. Das kostet Zeit und Nerven. Die MAKLERKOMMUNIKATION 4.0,

die im Oktober anläuft, macht Schluss damit: Einmal anmelden, dann mit allen

Versicherern kommunizieren TEXT: HENNING ENGELAGE

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W ie ein Flickenteppich sah Deutschland im 18. Jahrhundert aus: Zwei Städtchen wei-ter begannen neue

Hoheitsgebiete, mit unterschiedli-chen Dialekten, eigenen Gesetzen und Grenzkontrollen, die Reisende auf-hielten. Die Route vom Kurfürstentum Hannover nach Frankfurt am Main: eine Odyssee mit vielen Hindernissen.

Versicherungsmakler fühlen sich bis heute allzu oft wie Reisende im 18. Jahrhundert, wenn sie mit Versiche-rern kommunizieren: überall Schran-ken, eigene Gesetze und befremdliche Dialekte. „Diese Hindernisse wollen wir zum Vorteil der Vermittler, aber auch der Kunden beseitigen“, sagt Christian-Hendrik Noelle, Geschäfts-führer Digitale Agenda, IT und Ser-vices beim Gesamtverband der Deut-schen Versicherungswirtschaft (GDV). Nach monatelanger Entwicklungsar-beit startet im Oktober eine neue Ära, die Maklerkommunikation 4.0.

Dieses GDV-Projekt soll Versi-cherer, Makler und Softwareherstel-ler sicher, effizient und standardisiert vernetzen. So können Versicherungs- makler bald die Bestandsdaten ihrer Kunden digital in Echtzeit aktualisie-ren. Der Datenaustausch mit den Ver-sicherern funktioniert dann so weit wie möglich automatisiert und nicht mehr händisch. Und schon gar nicht auf Papier, was bei einigen Anbietern durchaus noch üblich ist.

Die Hürdenparcours der VersichererWill ein Versicherungsmakler etwa für seinen Kunden überprüfen, ob die neue Adresse in seine Hausratversicherung übernommen worden ist, muss er sich in das Extranet des Versicherers ein-loggen. Für die Haftpflichtversiche-rung bei einem anderen Versicherer muss sich der Makler im nächsten Portal identifizieren. Und suchen. Denn weil es derzeit keine branchenweiten

Standards gibt, unterscheiden sich Zu-gangswege, Menüführung und Design. Und was der eine Versicherer bereits digital anbietet, liefert ein anderer noch in Papierform. Weil Makler mit bis zu 100 Versicherern zusammenar-beiten, können sie sich angesichts der Vielfalt schnell verheddern.

Ab Oktober wird es einfacher. Das Brancheninstitut für Prozess- optimierung, kurz BiPro, hat Normen für verschiedene Datensätze ent-wickelt, mit denen Vertragsdaten, schaden- und leistungsbezogene Do-kumente, Angebote, Tarifierungen und Vermittlerabrechnungen über-mittelt werden. Diese Standards sind zwar nicht verbindlich, verbreiten sich aber und sind auf dem Weg, die elektronischen Kommunikations- prozesse in der Assekuranz zu verein-heitlichen – als gemeinsame Sprache für Makler und Versicherer. Auf sie greift auch die Maklerkommunikati-on 4.0 zurück und verbindet sie mit den Vorteilen der Trusted German Insurance Cloud (TGIC).

Endlich weg mit all dem PapierDie einheitliche Sprache sieht Stefan Hammersen, Geschäftsführer der Finas Versicherungsmakler GmbH, als Vo-raussetzung dafür, damit Makler als Kundenberater agieren und nicht überwiegend als Verwalter. „Es ist unmöglich, all die Kundenakten und Kommunikationsvorgänge noch mit Papierdokumenten zu erledigen“, sagt Hammersen. Auf seinem Schreibtisch verteilen sich übersichtlich ein Telefon, Bildschirm, Tatstatur und Maus. „Wir leben hier bereits das papierlose Büro“, sagt Hammersen und lächelt. Finas be-treut 200 weitere Versicherungsmak-ler und somit mehr als 72.000 Kunden, und das komplett elektronisch.

Hammersen ist gespannt, wie die Maklerkommunikation 4.0 die Digi-talisierung vorantreiben wird, „denn ich kenne Makler, die arbeiten immer

Prozent aller

Versicherungs- verträge werden

abgeschlossen bei Vermittlern, die

Policen mehrerer Versicherer anbieten.

Den größten Anteil daran

haben die Makler.

Versicherungsmakler gibt es in Deutschland.

Die Zahl der selbstständigen Versicherungsvermittler

und -berater beträgt rund 230.000.

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noch mit Kundenakten komplett in Papierform“. Auf elektronische Kom-munikation umzusteigen ist zeitinten-siv, und diese Zeit haben die Makler sinnvoller genutzt. Denn Umsteiger wussten bislang von vornherein: Jeder Versicherer spielte sein eigenes Spiel.

Viele Makler warten daher seit Langem auf eine branchenweite Initi-ative. „Durch die Standardisierung und Automatisierung von Verwaltungs-prozessen gewinnen Makler mehr Zeit für ihre Kernaufgabe – die Beratung der Kunden“, sagt Andreas Vollmer, Vizepräsident des Bundesverbands der Versicherungskaufleute (BVK). Das Projekt leiste einen wichtigen Beitrag, die Zusammenarbeit zwischen Mak-lern und Versicherern in das digitale Zeitalter zu überführen.

„Entscheidend für den Erfolg ist, dass möglichst alle Beteiligten teil-nehmen“, sagt Hans-Georg Jenssen, Vorstand des Verbands Deutscher Ver-sicherungsmakler. Die Basis dafür ist gelegt: Aufseiten der Versicherer wird das Projekt bereits von 15 Gesellschaf-ten unterstützt. Tendenz steigend, sagt GDV-Geschäftsführer Noelle. „Wir ha-ben den Anspruch, dass sich Makler künftig mit einem Großteil ihrer Part-ner sicher, einfach und vernetzt aus-tauschen können.“ Im ersten Schritt wird der Abruf von Bestandsdaten und sogenannten Deep-Links in die Maklerportale integriert, später sollen Dienstleistungen wie die Übersendung von Schadendaten folgen.

Die Grenzkontrollen fallen wegGerade bei den sensiblen Angaben aus Verträgen und Schadenbeschreibungen ist es wichtig, dass diese Datensätze nicht ungeschützt versendet werden. Daher setzt die Maklerkommunikati-on 4.0 auf die bundesweit erste sicher- heitszertifizierte Cloud-Lösung, um Makler und Versicherer zu identifi-zieren: die Trusted German Insurance Cloud. Sie löst die ständigen Grenzkon-

trollen beim Wechsel zwischen den verschiedenen Extranets ab, identifi-ziert die Nutzer und bestätigt dem Ver-sicherer, dass der anfragende Makler wirklich der ist, der er vorgibt, zu sein.

Die weit verbreitete TGIC un-terscheidet die Maklerkommunika-tion 4.0 von anderen Initiativen, die sich der digitalisierten Kommunikati-on zwischen Makler und Versicherer verschrieben haben. Schon jetzt sind 18.000 Makler in der TGIC registriert, da über die Cloud auch die Weiterbil-dungsinitiative „gut beraten“ läuft.

Daten der Kunden werden in der Cloud nicht gespeichert. Die verschlüs-selten Daten werden direkt vom Mak-ler an den Versicherer gesendet. Aus dem TGIC erhält die Makler-Software lediglich einen Token, der dem Versi-cherer die Identität bestätigt. So wird der übertragene Datensatz abgesichert und mit einem sicheren Verschlüsse-lungsprotokoll über das Internet zum Empfänger übertragen. Die Benutzer haben die Gewissheit, dass Daten im-mer nur beim gewünschten Empfänger landen, Fremdzugriff ausgeschlossen.

Einmal anmelden, immer drinbleibenDie Kundenverwaltungsprogramme der Makler werden eine größere Rol-le spielen. Makler sollen sich künftig nicht mehr manuell gegenüber dem Versicherer authentifizieren müssen. Das erledigt in Zukunft die Software automatisch mithilfe von Sicherheits-zertifikaten. Auch der Datenaustausch läuft automatisiert im Hintergrund. Zudem ermöglicht die Authentifizie-rung dem Makler den Wechsel von einem Unternehmens-Extranet ins andere, ohne sich erneut einloggen oder auszuweisen müssen. Wer drin ist, bleibt auch drin.

Die ständigen Grenzkontrollen gehören bald der Vergangenheit an. Die Maklerkommunikation 4.0 sorgt für Reisefreiheit in der Versicherungs-welt.

Konten haben Makler bereits in der

Versicherungscloud TGIC eingerichtet,

über die Weiterbildungs initiative

„gut beraten“.

Versicherungs- unternehmen

unterstützen das Projekt Makler -

kommunikation 4.0.

18.000

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ans meint, er sei fein raus. Zu alt, um Englisch zu lernen? Am Computer ar- beiten? Dafür ist’s erst recht zu spät. Solche Vorschläge kontert er immer mit dem Spruch: „Was Hänschen

nicht lernt ...“ Wie’s weitergeht, weiß jeder: „… lernt

Hans nimmermehr“. Sorry, Hans, eines musst du jetzt doch lernen: Dieses Sprichwort ist Blödsinn. „Die Lernfähigkeit lässt im Alter nicht nach“, sagt Christian Stamov Roßnagel von der Bremer Jacobs University. Es schwin-det höchstens die Überzeugung, als erwach-sener Mensch weiterhin lernen zu können.

Hans steht sich selbst im Weg. „Es ist eher die Selbsteinschätzung, die ältere Mitarbeiter hemmt“, hat Stamov Roßnagel beobachtet. „So kommt eine sich selbst stabilisierende Wahr-nehmung zustande.“ Der Organisationspsy-

chologe veranschaulicht das Phänomen an einem Beispiel: „Wenn ein Mann um die

70 am Fahrkartenautomaten steht und nicht zurechtkommt, zweifelt man

gleich an seinen kognitiven Fähig-keiten: Der ist wegen seines Alters überfordert. Wenn aber ein 30-Jäh-riger dort Probleme hat, denkt je-der: Die Dinger sind einfach nicht benutzerfreundlich.“

Die Unterschiede zwischen Hänschen und Hans werden erst erkennbar, wenn es darum geht, was und wie gelernt wird. „Wäh-rend sich das Tempo verringert und die reine Aufnahme neuer In-formationen schwerer fällt, nimmt

die Effektivität zu. Ältere wählen aus, was sie lernen möchten und was

nicht“, sagt Regina Egetenmeyer, Pro-fessorin für Erwachsenenbildung an

der Universität Würzburg. „Sie knüpfen

Vokabeln oder Formeln lernen, das können Jüngere besser. Doch wenn es darum geht, neue Erkenntnisse mit Wissen und Lebenserfahrung zu verknüpfen, sind

Ältere unschlagbar. Warum das Lernen niemals aufhört – und das ein Glück istTEXT: MICHAEL PRELLBERG • ILLUSTRATIONEN: LARS WUNDERLICH / PEACHBEACH

HÄNSCHEN CHANCENLOS

HWO GELERNT WIRD Wer lernen will, muss sich schon bald nicht mehr in überquellende Vorlesungs-säle quetschen: Das Wissen ist überall abrufbar – und von jedem

SEIT ZWEI JAHR­ZEHNTEN GELINGT ES UNS MENSCHEN, DIE GLOBALEN ENERGIEVORRÄTE NICHT WEITER AUSZUBEUTEN.

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an ihre Lebenserfahrung und an ihr Vorwissen an.“

Das dürfte vor allem die deutschen Unternehmen freuen. Die haben Fortbil-dungen früher vor allem jüngeren Mitarbeitern spendiert. Warum in einen 55-Jährigen investieren, der übernächstes Jahr in Frührente geht? Und der sowieso nur dasitzt wie der Ochs vorm Berg?

Die Frührente hat sich ebenso erledigt wie der Ochse. Die Jacobs University bewies das mit einem Praxistest: Or-ganisationspsychologen zeigten einer Gruppe von 50- bis 60-Jähri-gen in „Lernexperimenten“, dass sie genauso gut lernen wie ihre 30-jähri-gen Kollegen. „Und siehe da“, sagt Chris-tian Stamov Roßnagel, „einige Monate später schnitten sie bei Lerntests genauso gut ab wie die jüngeren Kollegen und brauchten 20 Prozent weniger Lernzeit.“

Jeder Zweite bildet sich fortEs lässt sich darüber streiten, wie weit diese Erkenntnis in den Unternehmen verinnerlicht worden ist. „Nur neun Prozent beziehen Ältere ausdrücklich in die betrieblichen Weiterbildungs-maßnahmen ein, und nur ein Prozent bietet spe-zielle Weiterbildungsmaßnahmen für Ältere an“, steht im Fortschrittsreport des Bundesarbeits- ministeriums. Nur zwei Seiten weiter folgt aller-dings eine optimistisch stimmende Information: Während sich 1979 nur elf Prozent der 50- bis 64-Jährigen im Betrieb fortbildeten, sind es heute mehr als 40 Prozent, also bald jeder Zweite. Das lässt sich übersetzen in: Weiterbildung ja, Extra-wurst nein.

Die hätte Berndt Otte auch nicht gewollt. Im Alter von 50 Jahren schrieb sich der damalige Ausbildungsleiter der Berliner Wasserbetriebe bei der DUW ein, der Deutschen Universität für Weiterbildung. Im Masterstudium Bildungs- und Kompetenzmanagement wollte er dazulernen, sich professionalisieren und nebenbei seine Kontakte zu anderen Personalern erweitern. „Ich brauchte einen

beruflichen Wendepunkt“, sagt der heute 56-Jäh-rige. Ihn bewegte „der Wunsch, einen Schnitt zu machen, das Vergangene zu reflektieren und sich noch einmal zu verändern“. Immerhin hatte er ja noch 16 Jahre Berufsleben vor sich, heute aller-dings als strategischer Fachexperte im Bereich Personalentwicklung der Berliner Wasserbetriebe.

Veränderung, zumindest Abwechslung im Job bräuchten Mitarbeiter jeden Alters, sagt die Al-ternsforscherin Ursula Staudinger, Gründungsdi-rektorin des Columbia Aging Centers der Columbia University in New York. „Je höher die Komplexität der Arbeit ist, desto geistig gesünder kommt man im Alter an“, sagt sie. „Leider ist nicht jeder Job komplex.“

Das allerdings kann durch Abwechslung aus-geglichen werden, hat eine Langzeitstudie ergeben. „Arbeiter, die auf der gleichen Ebene der Hierarchie öfter die Tätigkeit wechselten, waren später geistig leistungsfähiger“, sagt Expertin Staudinger.

Neurobiologen wie etwa Gerald Hüther über-rascht das nicht. „Das Gehirn kann seine Ver-

WANN GELERNT WIRD Wer sich weiterbilden will, kann das tun, wenn es zeitlich passt – und wo es passt

„Du lebst 7 Jahre länger, als du denkst.“ Diese Botschaft trägt der GDV derzeit ins Land. Wie wir die „geschenkten“ Jahre gut leben und nutzen können, zeigen wir in dieser „Positionen“-Serie.

STIMMT, DIESE VORLESUNG KENNE ICH AUCH – DIE IST WIRKLICH SEHR INTERESSANT.

NOCH DREI VORLESUN­GEN, UM DEN SCHEIN ZU BEKOMMEN.

DIE GESCHICHTE DER ENERGIE­WENDE

VORLESUNG STARTEN

DER HYPER­LOOP ER­REICHT SEIN ZIEL IN 45 MINUTEN.

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2007 34

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netzungen ein Leben lang verändern.“ Hirnfor-scher wie er sprechen von Neuroplastizität: Bei Bedarf entwickeln sich neue Verschaltungen und Synapsen. „Alles hängt davon ab, ob man sich im Alter noch einmal für etwas begeistern kann.“

Der Experte erklärt das so: Die emotiona-len Zentren im Mittelhirn besitzen lange Fort-sätze, die in alle anderen Hirnregionen hin-einreichen. Im Zustand der Begeisterung und Freude werden diese Zentren stark angeregt und am Ende der langen Fortsätze neuroplas-tische Botenstoffe ausgeschüttet. „Die wirken wie Dünger und bringen die dahinterliegenden Nervenzellen mitsamt ihren Netzwerken dazu, all das, was im Zustand der Begeisterung beson-ders aktiviert ist, zu festigen und zu stärken“, sagt Hüther. „So werden im Hirn neue Kontak-te geschmiedet und bestehende ausgebaut.“ Anders ausgedrückt: wieder was gelernt! Weil es Freude gemacht hat. Sonst wäre kaum etwas hängen geblieben.

Das macht nicht nur Spaß, es schützt auch vor Alzheimer. Diverse Studien legen nahe, dass das Risiko einer Erkrankung für geistig rege Men-

schen deutlich geringer ausfällt. „Geistig rege“ heißt: offen und neugierig bleiben.

Das hört ja im Ruhestand nicht auf, vielmehr eröffnen sich neue Optionen – weil das „Keine Zeit“-Argument nicht mehr gilt. Was also tun? Endlich Spanisch, Tangotanzen oder Saxofon lernen? Ab in die Volkshochschule oder in die Universität (siehe Interview rechts)!

Doktortitel mit 73 JahrenGasthörer, das war Sabine Omland zu wenig. Sie wollte selbst wissenschaftlich arbeiten und da-mit die Welt vielleicht um ein, zwei Erkenntnis-schritte voranbringen. Deshalb beschäftigte sich die frühere Lehrerin intensiv mit der national-sozialistischen Schülerzeitschrift „Hilf mit!“ und analysierte, wie sie während der Zeit des Dritten Reichs als Unterrichts- und Propaganda-Instru-ment genutzt wurde. Daraus wurde ihre Doktor-arbeit, 700 Seiten dick. Mit 73 Jahren wurde die Münsterländerin promoviert, heute ist sie Dr. Sa-bine Omland.

„Das Thema ist wichtig, aber hätte mir jemand vorher gesagt, wie lange das dauern würde, hät-te ich es vielleicht nicht gemacht“, sagt Omland rückblickend, dabei lässt das Thema sie bis heute nicht los. Auf Anfrage hält sie auch Vorträge, und sie teilt ihre Erkenntnisse bei Führungen über den Jüdischen Friedhof und durch die frühere Synago-ge von Drensteinfurt, ihrer Heimatstadt.

Auch das ist typisch: Wer geistig aktiv bleibt, tritt gern vor die Haustür und engagiert sich. „Wir lernen ja schon beim Austausch mit den Nachbarn“, sagt Bildungsexpertin Egetenmeyer. „Lernen kann nicht abgeschaltet werden – egal in welchem Alter.“

Gewöhn dich dran, Hans.

WARUM GELERNT WIRD

Die Anforderungen im Arbeitsleben

ändern sich schnel-ler als je zuvor. Das heißt: Alle müssen

dazulernen – unab-hängig vom Alter

»MICH HAT DER WUNSCH BEWEGT, EINEN SCHNITT ZU MACHEN

UND MICH NOCH MAL ZU VERÄNDERN«BERNDT OTTE, 56 Jahre, Berliner Wasserbetriebe

* bezogen auf den Bevölkerungsanteil in dieser Altersgruppe. Quelle: AES, BSW, IAW

DAS LERNEN HÖRT NIE AUFZahl der 50- bis 64-Jährigen, die sich beruflich weiterbilden, in Prozent*SEMINAR

FLACHE HIERARCHIEN IM UNTERNEHMENS­ ALLTAG LEBEN

WARUM SOLLTE ICH MIR VON EINEM JUNG­SPUND ETWAS SAGEN LASSEN?

Page 31: Wenn es regnet, dann richtig. ALLES IM FLUSS - GDV...33 % LUFTHANSA 10,82 63 2016% EON 5,57 32 % BMW 4,74 58 % MERCK: 2,48 35 % LINDE: 1,65 54 % INFINEON: 0,58 36 % Pensionsrückstellungen

Erst in den Ruhestand, dann wieder zur Uni: Frau Stadtmüller, das klingt ganz schön anstrengend.

ONIKA STADTMÜLLER:M Ist es aber gar nicht. Als ich mich mit 67 aus dem Berufsleben verabschiedet habe, bin ich jodelnd die Treppe runtergegangen. Ich woll-te nur noch das machen, was ich wirklich möchte. Also bin ich auf Konzerte gegangen, ins Kino und vieles mehr. Das hielt drei Monate, danach wollte ich wieder etwas selbst organisieren und machen. Mein Sohn gab mir den Tipp, an die Universität zu gehen. Ich habe mich für die Kulturwissenschaf-ten entschieden – mit normalem Zu-gang zu Seminaren und Vorlesungen. Mir war wichtig, nicht nur mit Senio-ren, sondern auch mit jungen Leuten zusam-menzuhocken.Sie klingen so, als ob Neugier Ihr ständiger Antrieb ist.

S:M Mit 47 Jahren habe ich Altenpflege gelernt. Ich muss-te mich auf meine eigene Beine stellen, weil mein Mann mich und die drei Kinder verlassen hat-te. Nach der Ausbildung habe ich Be-triebswirtschaft studiert, also BWL.

Mit 67 Jahren nimmt MONIKA STADTMÜLLER ihr Leben wieder in die Hand – indem sie sich an der Universität Hannover einschreibt. Dort trifft sie beispielsweise

auf den 21-jährigen BJÖRN BEINHORN und wundert sich: Wann bleibt den jungen Studenten bei all der straffen Lernerei überhaupt noch Zeit zum Leben?

»WER NEUGIERIG BLEIBT, KANN VON ALLEN LERNEN«

INTERVIEW: CHRISTIAN OTTO • FOTOS: ALEXANDER KÖRNER

Kommilitonen: Björn Beinhorn und Monika Stadtmüller studieren beide in

Hannover

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Nachts eine Vollzeitstelle als Nachtwache, tags-über das Studium an der Fachhochschule in Osna-brück. Danach bin ich in der Hierarchie nach oben geklettert. Von der Pflegedienstleitung zur Heim-leitung mit Prokura bis zur Geschäftsführung mit Personalverantwortung für bis zu 400 Mitarbeiter. Ich war zu dieser Zeit 365 Tage im Jahr erreichbar – was makabre Züge hatte. Da steht man im Urlaub auf der Chinesischen Mauer und bekommt einen Anruf, ob die Fenster in einem Pflegeheim aus Holz sein sollen oder nicht. Deshalb war ich nach dem Berufsleben heilfroh, dass ich nicht mehr für alles und jeden erreichbar sein musste.Staunt man als junger Mensch darüber, was Frau Stadtmüller schon auf die Beine gestellt hat und weiterhin tut?

JJRN BEINHORN:B Vor solch einem Weg und so viel Elan habe ich großen Respekt. Wenn ich von der Uni nach Hause komme, bin ich kaputt und falle ins Bett. Dann ist erst mal Schicht im Schacht. Vielleicht mache ich anschließend noch mal etwas für mich oder mit Freunden oder gehe Fußball spielen. Aber tagsüber studieren und nachts jobben, das könnte ich nicht. Das wäre mir zu viel. Manchmal sehe ich diesen großen Berg an Dingen vor mir, den ich noch lernen soll. Daran kann man auch verzweifeln.Warum studieren Sie trotzdem?

B:B Gute Frage. Ich studiere Sportjournalismus

und Sportmarketing, weil ich Lust hatte, etwas mit Sport zu machen. In den Leistungssport

habe ich es aus verschiedenen Gründen nicht geschafft. Aber ich habe so viel Sportler-Gene in mir, dass ich unbedingt etwas mit Sport machen will. Also habe ich mir eine Probevorlesung an der Fachhochschule in Hannover angehört und mir war schnell klar: Das mache ich.Und wie lernt es sich so?

B:B Am Anfang war es erdrückend, jeden Tag von 8 bis 16 Uhr in der Uni zu sein. Mittlerweile bin ich im dritten Trimester, und der Stress hat sich ein bisschen gelegt. In Kürze steht eine Praxisphase mit einem Praktikum an. Und insgesamt habe ich mich besser darauf einstellt, was man als Student zu bringen hat. Jetzt weiß ich auch, dass ich nicht wie an der Uni mit 500 anderen im Hörsaal sit-ze. Bei uns geht es fast wie in der Schule zu mit 14 Kommilitonen in einem Raum. Und der Profes-sor vorne rattert nicht einfach sein Skript runter, sondern geht auf jeden Einzelnen ein und nimmt sich Zeit. Das finde ich sehr gut. Wer etwas nicht versteht, bekommt es noch mal erklärt.

S:M Der Unterschied zwischen uns ist: Du weißt, dass du innerhalb einer bestimmten Zeit etwas möglichst gut schaffen musst, um gute Berufs-chancen zu haben. Ich hatte schon einen Job, als ich mit dem BWL-Studium begonnen habe. Ich musste einfach nur bestehen und hatte nicht diesen Druck. Vor den Studenten von heute habe ich große Ach-tung. Aber sie tun mir irgendwie auch leid, weil sie ständig so konzentriert und fokussiert bleiben müssen. Sie können nicht mehr wie wir früher je-den Abend weggehen. Bei den Studenten, die ich an der Uni treffe, erkenne ich, wie wenig Zeit ihnen für Privates bleibt. Ich weiß nicht, ob ich unter sol-chen Umständen durchgehalten hätte.Fällt Ihnen das heute bei den Kulturwissenschaf­ten leichter?

S:M Ich wollte nicht schon wieder mit harten Zah-len oder Formeln zu tun haben. Also habe ich mich für die Kulturwissenschaften mit den Schwer-

»MANCHMAL SEHE ICH DEN BERG AN DINGEN VOR MIR, DEN ICH NOCH LERNEN SOLL. DARAN KANN MAN AUCH VERZWEIFELN«BJÖRN BEINHORN,21, wollte nach dem Abitur nicht gleich weiterlernen und schob ein freiwilliges soziales Jahr ein. Anschließend fasste er den Entschluss, sein Hobby Sport zum Beruf zu machen. Drei von neun Trimestern sind an der Fachhochschule des Mittelstands in Hannover geschafft. Beinhorn studiert

Sportjournalismus und Sportmarketing.

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punkten Politikwissenschaft und Geschichte ent-schieden. Vor allem das Europarecht interessiert mich, weil mir das so ganz nebenbei für meine ehrenamtliche Tätigkeit im Seniorenbeirat der Stadt Hannover hilft. Ich kapiere dank des Studi-ums, warum manche Dinge im Gesundheitswesen und im Arbeitsrecht so laufen, wie sie im Moment laufen. Und deshalb weiß ich auch, warum ich jun-gen Leuten nur empfehlen kann, an ihre private Altersvorsorge zu denken.Entsteht heute durch ein Studium mehr Fach­ oder mehr Anwendungswissen?

B:B Beides. Das Fachwissen ist die Grundlage, da-mit ich weiß, wie es geht. Und ich bin sehr froh darüber, dass wir das Erlernte auch gleich prak-tisch anwenden sollen. Bestes Beispiel: Wir ler-nen in meinem Studiengang wirklich, wie man einen aktuellen Sportbericht über ein Fußball-spiel schreibt. Unser Dozent hat uns das WM-Fi-nale von 1974 per Beamer gezeigt. Und wir sollten während des Spiels einen Bericht schreiben, der fünf Minuten nach Spielende vorliegt. Da spürt man schon den Druck, der künftig im Job als Jour-nalist entsteht.Wie lernt es sich am besten: mit oder ohne Druck?

B:B Eigentlich lerne ich immer noch unter Druck am besten. Es ist leider wirklich so. Man macht als Student eben oft nur das, was von einem ver-langt wird. Vor zusätzlichen Aufgaben sitze ich oft und frage mich: Mache ich das jetzt wirklich? Hinterher, wenn eine Klausur ansteht, denke ich mir dann oft – hättest du dir das eine oder andere doch besser zusätzlich angesehen.Welche Lehren zieht man als Student daraus?

B:B Meine Dozenten reden immer vom Arbeits-lernen. Die Seminararbeit ist geschrieben und das eben Gelernte sofort wieder vergessen. Wie schon in der Schulzeit: Du lernst manches, und plötzlich ist es auch schon wieder weg. Wie mit einem Ra-diergummi ausgelöscht. Hinterher ist das natürlich ärgerlich bis tragisch. Ich habe ja früher auch mal Spanisch gelernt – aber was nützt das? Du fährst nach Spanien und denkst: Das Vokabular habe ich noch drauf. Aber wenn ich mich heute in Madrid

oder Barcelona unterhalten will, komme ich ohne Wörterbuch nicht mehr aus.

S:M Mein Vater hat mich, als ich 15 Jahre alt war, für ein paar Wochen nach Cambridge geschickt. Aber in dem Alter hatte ich ganz andere Dinge im Kopf. Ich habe ein bisschen Englisch in der Zeit gelernt – und ganz viel fürs Leben. Und das Ver-blüffende ist: Je älter ich werde, desto besser wird mein Englisch. Ich kann mit jedem sprechen. Und dabei kommen wieder Redewendungen zutage, die ich irgendwie ganz tief in meinen Synapsen gespeichert habe.Frau Stadtmüller, von wem lernt man in Leben am besten?

S:M Ich lerne in vielen Bereichen vor allem von den jungen Leuten. EDV zum Beispiel könnte ich ohne meine Kinder gar nicht. Und ich habe meh-rere Enkelkinder. Auch von denen lerne ich eine ganz Menge und muss erkennen, dass sie mit ihrer Sichtweise oft recht haben. Man muss einfach of-fen sein und zuhören. Dann ist es beim Lernen egal, ob die Menschen jung oder alt sind.Wie wichtig ist der Respekt vor dem, der Wissen vermittelt?

B:B Man sollte jedem Respekt entgegenbringen. Das ist grundlegend, um miteinander auszukom-men. Meine Dozenten wollen mir doch etwas ver-mitteln. Und die machen das sehr gerne. Schwierig ist es doch nur, wenn einer sein Wissen einfach nur herunterrattert. Viele meiner Dozenten wählen Praxisbeispiele und berichten von eigenen Erfah-rungen, die sie gesammelt haben. Dann hört

»ICH WILL DIE DINGE NICHT NUR EINFACH LERNEN,

SONDERN SIE KAPIEREN«MONIKA STADTMÜLLER,

72, hat sich lange Zeit um ihre Familie mit drei Kindern gekümmert. Der Trennung von ihrem Mann folgte eine Ausbildung

als Pflegerin plus Studium der Betriebswirtschaftslehre. Neugier und Wille bleiben ihre treuen Begleiter: Stadtmüller

ist Mitglied des Seniorenbeirats der Stadt Hannover und studiert erneut, dieses Mal Kulturwissenschaften.

Besuchen Sie uns auf Facebook:

www.facebook.com/ 7jahrelaenger

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man als Student ganz anders zu und erarbeitet die gewünschten Dinge viel eigenständiger.

S:M Das mit dem Respekt sehe ich auch so. Und ich habe bisher nur ganz wenige Dozenten erlebt, vor denen ich nicht den Hut gezogen hätte. Ich finde es sehr gut, dass sich das Verhältnis zwischen Do-zent und Student geändert hat. Man spricht mit-einander. Aber ich genieße es auch, dass ich nicht mehr auf jede Frage in einer Vorlesung antwor-ten muss. Mir macht es Spaß, weil es freiwillig ist. Wenn ich unter Zwang lerne, dann ist der selbst gemacht. Das ist wirklich befreiend.

B:B Wenn etwas richtig Spaß macht, dann lernt es sich auch leichter. Aber natürlich komme ich im Studium auch mit Dingen in Berührung, die eigentlich gar nicht lernen will.Zum Beispiel?

B:B BWL zum Beispiel. Nach den ersten zwei Stun-den in der Vorlesung habe ich mir gedacht: Die Zeit hätte ich auch anders nutzen können. Aber da muss man sich eben zusammenreißen und an später denken. Im Job oder in der eigenen Agentur werde ich das BWL-Wissen bestimmt noch gut gebrauchen können.

S:M Meine Eltern hatten sehr viel historisches Wissen und haben mich als Kind oft damit ge-nervt. Meine Mutter hat mich mit sieben, acht Jahren in jedes Museum geschleppt und mir die Muster von irgendwelchen Perserteppichen er-klärt. Mein Vater hat mir Fabriken gezeigt und erklärt. Damals war das furchtbar. Heute möchte ich meinen Eltern im Himmel danken, dass ich damals so viel von ihnen gelernt habe und sie so breite Grundlagen für mich gelegt haben.Gibt es Dinge, die Sie im Alter einfach nicht mehr lernen wollen?

S:M Ehrlich gesagt: Ich habe keine Lust, mich mit

den ganz neuen Medien auseinanderzusetzen. Wenn ich sehe, wie die jungen Leute nur noch mit dem Kopf nach unten schweigend durch die Stadt gehen, dann ist das nervig ohne Ende. Ich mag das Reden sehr gerne. Aber ein Smartphone, das will ich nicht mehr. Mit dem Computer hin-gegen arbeite ich unendlich gerne.Wie lernt es sich für Sie leichter: digital oder analog, also klassisch mit Buch und auf Papier?

B:B Am Anfang lerne ich durch das Internet als Informationsquelle. Aber dann ertappe ich mich immer wieder dabei, dass ich das, was ich auf dem PC schreibe, in jedem Fall ausdrucke. Erst dann findet man Fehler und erfasst den gesamten Inhalt. Am Ende ist ein Buch, ist das Gedruckte die bessere Absicherung, damit Wissen sich ver-ankert. Das Digitale verführt dazu, über etwas hinwegzufliegen oder etwas wegzulassen. Dann lernt man sich nur ein Halbwissen zusammen und nicht das, worauf es ankommt.

S:M Zum echten Lernen brauche ich das Papier. Die ganz wichtigen Dinge wie Gesetze und be-stimmte Textstellen hole ich mir gezielt aus dem Internet. Aber um die Dinge wirklich in den Kopf zu kriegen und zu lernen, brauche ich das Papier und mein fotografisches Gedächtnis. Denn unter dem Strich will ich die Dinge nicht einfach nur lernen, sondern sie kapieren.Klappt das ohne Zeitdruck besser?

S:M Das Schöne ist: Ich kann mir ganz viel Zeit lassen und werde wohl niemals einen Abschluss machen. Mein Sohn finanziert mir mein Studium. Er findet, dass ich so viel für meine drei Kinder gemacht habe. Und er hat jetzt das Geld, um mich zu unterstützen. Bis ich 100 Jahre bin, will er mein Studium bezahlen. Danach müssen wir wohl noch mal neu verhandeln.

Ohne Druck: Monika Stadtmüller gönnt

sich den Luxus, nicht auf Prüfungen hin

lernen zu müssen

Unter Druck: Björn Beinhorn will in zwei Jahren einen Job und braucht dafür einen möglichst guten Abschluss

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UM DEN GLOBUS: KOLUMBIENKaum Innovationen, komplizierte Verträge und eine kulturell verankerte Skepsis:

Freiwillig versichern sich Kolumbianer nur, wenn‘s nicht anders geht

GESUNDHEIT„La ley 100“, das Gesetz 100, refor-mierte 1994 das Gesundheitswesen. Ziel: durch die Kombination staat-licher Beiträge (jeder Beschäftigte muss obligatorisch 14 Prozent seiner Einkünfte an die Kranken-versicherung abführen) und eines komplexen Systems privater Ange-bote eine flächendeckende Gesund-heitsversorgung zu etablieren. Das ist nicht wirklich gelungen. Wer zum Arzt geht und die verschriebe-nen Medikamente kauft, zahlt da-für 46.000 Pesos (rund 14 Euro). Die überwiegende Mehrheit der Be-schäftigten sieht sich gezwungen, private Versicherungspakete zu erwerben, die zugleich die Familie mit absichern. Ein Beispiel ist der „Goldene Plan“, den der Versicherer Coomeva anbietet.

DIEBSTAHLDiebstahl ist der wichtigste Grund für

den Abschluss einer Versicherung, für Autos (siehe rechts) ebenso wie für Handys. 2014 wurde offiziellen

Quellen zufolge alle 30 Sekunden ein Mobiltelefon geklaut. Jeder dritte Handy-Besitzer wurde Opfer, zur Anzeige kamen nicht einmal zwei

Prozent der Fälle. Die betroffensten Städte: Bogotá, gefolgt von

Medellín und Cali.

AUTOVerkehrsunfälle sind in Kolumbien die siebthäufigste Todesursache. Deshalb muss, wer sich privat ein Auto kauft, seit 2002 obligatorisch die staatliche Haftpflichtversiche-rung SOAT abschließen. Allerdings deckt die SOAT nur Schäden bis zu 16 Millionen Pesos ab, das sind nicht einmal 5.000 Euro. Das reicht selten aus, um etwa Kosten für ei-nen Krankenhausaufenthalt, Pfle-ge und Rehabilitation zu decken. Die häufigste von Kolumbianern freiwillig abgeschlossene Versi-cherung sichert Risiken rund ums Auto weitaus umfassender ab und übernimmt verursachte Schäden in höherem Maße. Die erweiterten Kfz-Versicherungen umfassen häufig außerdem Rechtsschutz, Pannenservice, Anspruch auf einen Ersatzwagen – und versichern das Auto vor allem gegen Diebstahl.

BESTATTUNGENNicht verpflichtend, aber nachgefragt

sind Bestattungsversicherungen. Sie kommen für die Beerdigungskosten

inklusive Sarg, Grabstätte sowie – das ist der Clou – Exhumierung auf. Ein

möglicher Grund für diese Nachfrage ist das Verbot, Personen einzuäschern,

die ermordet wurden oder eines gewaltsamen Todes gestorben sind.

Da die Polizei sich das Recht vorbehält, jederzeit eine neue Untersuchung der Leiche vorzunehmen, sind die betroffenen Familien verpflichtet,

die Toten herkömmlich zu bestatten und das Grab angemessen zu pflegen. Mord und Totschlag (homicidio) ist in

Kolumbien übrigens die zweithäufigs-te Todesursache. Nicht zu vernach-

lässigen ist aber auch ein kultureller Aspekt: Viele Kolumbianer fühlen sich zuständig für bis zu drei Generationen

verstorbener Familienangehöriger.

LEBENWer bei einer Bank einen Kredit auf-

nehmen will, muss zuvor eine Lebens-versicherung abschließen. Auch Hypo-

theken und alle anderen Kredite ma-chen den vorherigen Abschluss einer

Lebensversicherung erforderlich. Auf diese Weise stellen die Banken sicher, dass sie ihr Geld zurückzubekommen,

sollte der Kreditnehmer sterben.

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Trainingsgelände des TSV Bayer 04 Leverkusen: Die Leichtathleten sind vor der Sonne geflüchtet. Nur David Behre trainiert draußen, kurze

Sprints mit Gewichten. Danach hat Deutschlands schnellster Blade Runner endlich Zeit zum Reden – über den Unfall, der alles änderte,

seinen Weg bis Rio und die Angst vor dem Ende INTERVIEW: TOM RADEMACHER • FOTOS: SASCHA STEINBACH

REDEN WIR ÜBER SICHERHEIT – MITDAVID BEHRE

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Herr Behre, gutes Training heute? David Behre: Ja, sehr gut sogar. Das eben war gerade Bestzeit. Aber bitte: David! Okay. Nicht zu heiß heute für dich?

B:D Wir Sprinter lieben heißes Wetter. Da sind die Muskeln schön warm. Deine Spezialität ist die 400­Meter­ Strecke, worauf kommt es da an?

B:D Vor allem auf Strategie. Nach gut 300 Meter Sprint ist jeder Akku leer. Also musst du deinen Körper kennen und dir das Rennen richtig einteilen.Dein Körper ist dein Kapital. Kannst du von der Leichtathletik leben?

B:D Dank meiner Sponsoren kann ich den Sport praktisch hauptberuflich be- treiben. Ginge anders auch kaum: Ich trainiere rund 30 Stunden pro Woche.Du bist 2007 in deiner Heimatstadt Moers schwer verunglückt. An was erinnerst du dich?

B:D Ich radle an einem Wintermorgen früh nach Hause von einem Freund. Am Bahnübergang ist die Schranke offen. Also fahre ich rüber. Dann höre ich nur noch einen dumpfen Schlag und danach meine eigenen Schreie.150 Meter wurdest du vom Zug mitge­schleift, der Lokführer hatte den Unfall gar nicht bemerkt. Was passierte dann?

B:D Gut drei Stunden muss ich be-wusstlos im Gebüsch neben den Glei-sen gelegen haben. Als ich zu mir kam, war es hell. Meine Füße waren weg, al-les war voller Blut. Ich habe um Hilfe geschrien und bin mit letzter Kraft den Bahndamm hochgekrochen. Da hat mich eine Nachbarin gefunden. Du hattest Glück ...

B:D Ja, weil es so kalt war, habe ich sehr wenig Blut verloren. Die Ärzte meinten aber, ich wäre wohl erfroren, wenn ich eine halbe Stunde länger gelegen hätte. Wie denkst du heute über den Unfall?

B:D Ich liebe mein Leben und bin heute erfolgreicher, als ich es vorher je hätte

sein können. Insofern ist der Unfall das Beste, was mir je passiert ist. Das klingt verrückt, ich weiß. Aber so sehe ich das heute. Auch wenn der Weg lang war. Was hat dir dabei geholfen?

B:D Das Netz um mich herum: die Ärz-te, die Physiotherapeuten, meine Fa-milie, meine Freunde. Ich habe meinen 21. Geburtstag noch im Krankenhaus gefeiert – mit über 80 Leuten in der Kantine. Ein wichtiger Faktor war auch meine Unfallversicherung. Das musst du jetzt sagen! Dein Ver­sicherer von damals ist heute dein Sponsor …

B:D (lacht) Im Ernst: Bei all der Unge-wissheit, wie es weitergeht, wenigs-tens finanziell abgesichert zu sein, das war schon wichtig. Bezahlt der Versicherer deine Blades?

B:D Nein, das geht übers Sponsoring. Die normalen Prothesen übernimmt die Versicherung, die sind aber nicht wesentlich billiger. Die Karbon-Blades kosten 15.000 Euro das Stück, die All-tagsprothesen um die 12.000 Euro. Die trage ich halt länger und kann viel mehr damit machen – sogar Motorrad fahren. Tut das nicht weh? Oder anders ge­fragt: Was ist mit den Schmerzen?

B:D Die waren anfangs schlimm. Erst die OPs. Die Unterschenkel auf glei-cher Länge amputiert. Dann die Reha. Nach fünf Wochen konnte ich zwar auf Prothesen gehen. Aber die Belastung

und der Bewegungsablauf waren völlig neu – und schmerzhaft. Wie steht man das durch?

B:D Man braucht ein Ziel. Noch im Krankenhausbett habe ich im Fernse-hen eine Doku über Oscar Pistorius gesehen.Den berühmtesten Blade Runner und damaligen Weltrekordhalter. Hast Du da beschlossen: „Das kann ich auch“?

B:D An gesundem Selbstbewusstsein jedenfalls hat es mir nie gefehlt. Das hat mir vielleicht das Leben gerettet. Wie denn das?

B:D Ich treffe heute viele Menschen, die sich plötzlich in ähnlichen Situationen finden. Nicht wenige werden depres-siv, und nicht jeder findet einen Weg da raus. Es gibt nicht nur Happy Ends.Bist du heute vorsichtiger als früher?

B:D Nein. Mein Unfall hat ja auch das gezeigt: Es kann alles passieren, ohne dass man etwas falsch macht. Pistorius wurde dein Vorbild. Hast du ihn mal getroffen?

B:D Ja, wir waren befreundet. Nach der Mordanklage gegen ihn habe ich mich distanziert. Aber ich habe ihm persön-lich unendlich viel zu verdanken – wie auch der Behindertensport generell. Jetzt reist du zu den Paralympischen Spielen nach Rio. Was nimmst du wahr von der Diskussion um die Sicherheit vor Ort?

B:D Das blende ich völlig aus. Ich bin na-türlich nicht völlig furchtlos. Die Ter- roranschläge in Deutschland und Frank-reich machen auch mir Sorgen. Aber als Leistungssportler muss man ganz reale Risiken ausblenden. Schon jeder Wettkampf birgt ein Verletzungsrisiko. Wenn du das ständig im Kopf hast, kannst du gar nicht mehr starten. Wovor hast du dann Angst?

B:D Vor dem Loch nach der Karriere. Wie sieht dein Plan aus – Trainer werden?

B:D Nein, das ist nichts für mich. Ich könnte mir vorstellen, eine Reha auf-zumachen für Leute wie mich damals. Das wäre ein langfristiges Ziel. Und dein kurzfristiges Ziel?

B:D Natürlich in Rio Gold zu holen.

ZUR PERSONDer Blade Runner

David Behre ist Sprinter beim TSV 04 Bayer Leverkusen, einem von Deutschlands

größten Leichtathletik- und Behindertensportvereinen. Seit einem Unfall 2007 fehlen dem 30-Jährigen beide Füße und die untere Hälfte seiner Unterschen-kel. Vor seinem Unfall fuhr Behre

Motocross, die Leichtathletik entdeckte er erst danach für sich. Behre läuft auf „Blades“ genannten Karbonprothe-sen. Bei den Paralympischen Spielen in London 2012 errang er in der 400-Me-ter-Staffel die Bronze- medaille. Bei der Welt-meisterschaft 2015 in Doha holte er Gold über die 400 Meter.

REDEN WIR ÜBER SICHERHEITJeder möchte sich sicher fühlen, doch für jeden bedeutet Sicherheit etwas anderes. Was das ist, darüber sprechen wir in jeder Ausgabe mit Menschen, die ein besonderes Verhältnis zur Sicherheit haben.

Hartes Training in Leverkusen: David Behre vor dem Aufbruch zu den Paralympics in Rio

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Das System aus den Angeln heben, Banken überflüssig machen und so den Kapitalismus ins Herz treffen: Es steckt ein anarchistischer Impuls hinter der Bitcoin-Bewegung. Wäh-rend die virtuelle Währung vorerst weit-gehend passé ist, reden heute alle über das

dahinterliegende Betriebssystem, die Blockchain. Nicht weil es Banken überflüssig macht, sondern weil es im Gegenteil dabei hilft, das Finanzsystem neu zu erfinden. Und mögli-cherweise die Assekuranz gleich mit dazu.

Die Datenbank-Technik einer Blockchain verspricht eine nie da gewesene Effizienz, denn sie gilt als weitgehend betrugssicher. „Was das Internet für die Kommunikation ist, wird Blockchain für die Transaktion sein“, prophezeit das Schweizer Gottlieb Duttweiler Institut.

Bei Blockchain werden alle Transaktionen minutiös erfasst, abgespeichert und dezentral verifiziert, von ei-ner „Crowd“ aus Tausenden beteiligten Rechnern. Dieser Crowd kann jeder beitreten, indem er Rechner-Ressour-cen zur Verfügung stellt. Ein internes Belohnungssystem sorgt dafür, dass sich dafür genügend Rechner finden. Alle zehn Minuten generiert zum Beispiel der Algorithmus von Bitcoin eine feste Zahl neuer digitaler Münzen, die in ei-ner Art Lotterie unter allen verteilt werden, die sich an der aufwendigen Überprüfung von Transaktionen beteiligen. Nach diesem Prinzip funktionieren alle Blockchains, von denen Bitcoin nur ein Beispiel, wenngleich das weltweit bekannteste ist.

WENN – DANN Sie schützt vor Betrügern, wickelt Ansprüche an Rückversicherer reibungslos ab und ermöglicht Mikroversicherungen: Die Blockchain wird als Wunderwerkzeug gepriesen. Was sie wirklich kann – und wie die Technologie dahinter funktioniert TEXT: STEFAN MEY

Will etwa Frau Schulz einen Bitcoin an Herrn Schmidt schicken, wird die geplante Überweisung kritisch begutach-tet und mit den Daten aus dem Blockchain-Kassenbuch ab-geglichen: Ist Frau Schulz wirklich die aktuelle Besitzerin des konkreten Bitcoins, hat sie ihn vielleicht zuvor schon ausge-geben? Ist alles in Ordnung, wird die Transaktion zusammen mit allen anderen Überweisungen der letzten zehn Minuten abgespeichert und mit mathematischen Berechnungen in ei-nem digitalen sogenannten Block zusammengefasst. Dieser neue Block wird an die Kette anderer Blöcke gehängt – die Blockchain. Diese Datenbank liegt auf den Rechnern aller Teilnehmer und wird automatisch synchronisiert.

Banken interessieren sich für solche Geld-Transaktionen, in Euro statt mit Bitcoins, Versicherer eher für Verträge – „Smart Contracts“, wie sie bei Blockchain heißen. Es lässt sich nämlich als Grundlage für solche Verträge in die Meta- daten eine Wenn-Dann-Bedingung einprogrammieren. Ist das Wenn erfüllt, folgt automatisch das Dann, sobald es von der Crowd verifiziert wird.

Weg mit den ZwischenhändlernDas klappt tatsächlich, wie Allianz und Munich Re herausge-funden haben. Allianz Risk Transfer hat kürzlich Katastro-phen-Swaps und -Anleihen getestet. Grob vereinfacht funk-tioniert das folgendermaßen: Zwei Vertragspartner setzen sich zusammen und legen fest, wie viel Geld im Falle einer be-stimmten Katastrophe gezahlt wird; dieses Wenn-Dann wird im Smart Contract festgehalten. Die Experten von der Allianz

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haben nicht auf den nächsten Hurrikan oder das nächste Erd-beben gewartet, sondern das Ganze simuliert und festgestellt: Wenn-Dann klappt. Und spart Kosten, sagt Richard Boyd, Chief Underwriting Officer bei Allianz Risk: Bislang müssen Intermediäre wie Makler oder Banken die Transaktionen freigeben und legitimieren – das kostet Zeit und Geld.

Das dürfte erst der Anfang sein. Die Vordenker bei McKinsey skizzieren bereits weitere Einsatzmöglichkei-ten. Dazu zählen Mikroversicherungen mit niedrigen Ab-wicklungskosten, mit denen sich beispielsweise Landwirte in Schwellenländern gegen Ernteausfälle schützen können. Bislang ist das Geschäft für beide Seiten wenig lukrativ. Der Versicherer muss seinen gesamten Verwaltungsapparat in Bewegung setzen, selbst bei überschaubaren Summen. Das macht die Police teuer. Folge: Mangels Angebot und Nach-frage kommen selten Verträge zustande.

Abschlusskosten: nahe null Das wird sich laut dem McKinsey-Papier „Blockchain in In-surance – Opportunity or Threat?“ ändern, denn dank der Blockchain sinken die Abschlusskosten auf fast null. Das ist gut für beide Seiten. Die Versicherten genießen einen weite-ren Vorteil: Die Klimadaten belegen objektiv, dass der Ernst- fall eingetreten ist, das spart langwierige Auseinanderset-zungen. Das Geld fließt prompt und automatisch.

Ein anderes McKinsey-Szenario beschäftigt sich mit dem „Internet der Dinge“ und was es im Haushalt verän-dert. So werden künftig auch Geschirrspüler, Mixer

»WAS DAS INTERNET FÜR DIE KOMMUNIKATION

IST, WIRD DIE BLOCKCHAIN FÜR DIE TRANSAKTION SEIN«

KARIN FRICK, Research-Leiterin des

Gottlieb Duttweiler Instituts

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SO FUNKTIONIERT DIE BLOCKCHAIN

Person A möchte Person B Geld überweisen

Die Transaktion erscheint als Teil eines

Datenblocks im Netz

Der Datenblock ist für alle Blockchain-Teilnehmer

einsehbar

Teilnehmer prüfen die Richtigkeit des Blocks

Der Datenblock wird der Blockchain zugeführt

Das Geld von A wird an Person B überwiesen

und Kühlschrank ans Internet angeschlossen sein. Über die Blockchain könnten diese einzeln versichert werden. Kommt es zu einem Schaden, ist der über das Internet verifizierbar. Und die Versicherung greift, sofort und automatisch.

Was im Kleinen klappt, könnte auch im großen Stil funk-tionieren. Deshalb ist Munich Re so interessiert an Block-chain, ein ganzes Team erforscht beim Rückversicherer mögliche Einsatzmöglichkeiten. „Es könnten beispielsweise administrative Abläufe zwischen Erst- und Rückversicherern schneller, transparenter und kostengünstiger abgewickelt werden“, sagt Markus Tradt, Systementwickler beim Rück-versicherer. So weit sei Munich Re aber noch nicht. Zuvor müssten technische Hürden genommen werden, Sicherheits-, regulatorische und rechtliche Fragen geklärt werden.

Tatsächlich ist bei der Blockchain vieles noch offen und ungewiss, beispielsweise die Skalierbarkeit. Das Netzwerk der Bitcoin-Blockchain kann derzeit nur sieben Transakti-onen pro Sekunde abwickeln. Und inwiefern Regulatoren und Gerichte eines Tages die Abläufe von Smart Contracts anerkennen, das bleibt auch abzuwarten.

Ein paar Newcomer wagen sich derweil schon mal vor, wenn auch kaum weiter als in einem Testbetrieb: Das Start-up InsurETH etwa arbeitet an einer Flugversicherung auf Blockchain-Basis. Kommt es zu einer Flugverspätung, die über anerkannte Datenquellen erfasst wird, wird der jeweils vereinbarte Betrag über einen Smart Contract automatisch an den Versicherten ausgeschüttet.

Register für DiamantenAuf dem Markt aktiv ist InsurETH noch nicht, anders als Everledger. Das Londoner Startup verpasst Diamanten ein eindeutiges Profil auf Grundlage von mehr als 40 indivi-duellen Merkmalen und vermerkt diese in der Blockchain. Everledger hat nach eigenen Aussagen bisher Hundert- tausende Diamanten-Identitäten in die Blockchain eingetragen. Dieses Herkunftsregister soll einen Versi- cherungsbetrug unmöglich machen. „Wir erwarten so schnell noch keine direkten Einflüsse auf die Wertschöp-fungskette der Versicherer durch die Blockchain-Technolo-gie“, sagt Christian Noelle, Geschäftsführer Digitale Agenda, IT und Services beim Gesamtverband der Deutschen Versiche-rungswirtschaft (GDV). „Aber durch Blockchains angestoßene Veränderungen in anderen Branchen könnten auch zu positi-ven Effekten für Versicherer führen.“

Dazu passt die Prognose von McKinsey, dass wir erst in fünf Jahren sehen werden, welches Potenzial in der Block-chain steckt. Bis dahin muss die digital-dezentrale Buchhal-tung zeigen, wie verlässlich sie ist. Deshalb rät McKinsey: „Jetzt ist für den Versicherungssektor der beste Zeitpunkt, die Blockchain-Technologie und ihre Potenziale weiter zu erforschen.“ Genau so sehen das viele Versicherer auch.

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Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die beherzten Maßnahmen der EZB geholfen haben,

Wirtschaft und Finanzmärkte zu stabilisieren. Jedoch kom-men immer mehr Zweifel auf, ob die Strategie massiver An-leihekäufe und negativer Einlagenzinsen noch zielführend ist. So vergrößert der Verfall der Kapitalmarktrenditen die Probleme beim Aufbau einer adäquaten Altersvorsorge. Weil Sparziele wegen der Nullzinsen nicht mehr erreicht werden können, wird verstärkt konsumiert – zulasten der künftigen Kaufkraft. Es wäre aber ein Fehler, zu glauben, dass die Leistungskraft der gesetzlichen Rente ausreicht, um auch künftige Rentnergenerationen adäquat abzusichern.

Ein zweiter gravierender Bereich sind die Pensionsver-pflichtungen der Unternehmen. Allein für die im Dax vertre-tenen Konzerne sind sie wegen der Niedrigzinsen auf ein Re-kordhoch gestiegen. Damit müssen die Firmen immer mehr Geld zugunsten ihrer Pensionspläne nachschießen; Geld, das für Investitionen fehlt. Und schließlich gehen die extrem niedrigen Zinsen zulasten der Geschäftsbanken. Zinsmargen sind kollabiert, und das Parken liquider Mittel wird mit Ne-gativzinsen bestraft. Wegen ausbleibender Erträge aus dem Zinsgeschäft wird den Banken die Möglichkeit genommen, Eigenkapital aufzubauen, um mehr Kredite zu vergeben. Ohne Kredite aber wird es keinen Aufschwung geben.

Die EZB läuft so Gefahr, das Gegenteil von dem zu bewirken, was sie will: höheres Wachstum und höhe- re Inflation. Deshalb ist es an der Zeit, dass sie den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik vorbereitet. Wie jüngst vom Sachverständigenrat, dem IWF und der Bank für Inter-nationalen Zahlungsausgleich attestiert, droht sie andern-falls selbst zum größten Stabilitätsrisiko zu werden.

Die Europäische Zentralbank steckt in einem Dilemma zwischen Deflation und Marktver-

zerrung. Als sie im Frühjahr 2015 mit dem sogenannten Quantitative Easing (QE) – also dem massenhaften Ankauf von (Staats-)Schuldscheinen – begann, da war dies ange-sichts der bereits nahe null liegenden Zinsen gut begrün-det. Schließlich musste den erkennbaren Deflationsgefahren wirksam entgegengetreten werden.

Tatsächlich haben sich im Jahresverlauf 2015 die Inflati-onserwartungen für die darauffolgenden zwölf und 24 Mo-nate immerhin leicht erhöht. Damals wäre ein Nichtstun für die EZB keine bessere Strategie gewesen, weil sie angesichts der lang anhaltenden Verfehlung ihres Inflationsziels von zwei Prozent sonst Gefahr gelaufen wäre, Glaubwürdigkeit und Reputation gänzlich zu verlieren.

Je länger nun aber das QE läuft, desto schwerer wird eine Rückkehr zur Normalität, desto nachhaltiger wirken die Verzerrungen zwischen Vermögensklassen und in den Vermögensstrukturen. Die EZB-Entscheidungen vom März 2016 überzeugen insoweit nicht: Ohne definierte Frist wur-de das Programm zum Aufkauf von Vermögenswerten auf 80 Milliarden Euro pro Monat erhöht. Überdies werden nun auch Unternehmensanleihen erworben. Die damit verbun-denen Kollateralschäden in den betroffenen Märkten sind beachtlich und nur zu rechtfertigen, wenn dadurch die EZB ihr Mandat wirklich erfüllt.

Allerdings sollte man nicht vergessen, dass die Noten-bank nur zu heilen versucht, was die Politik versäumt hat: die rasche, unbedingt notwendige Rekapitalisierung der Banken und eine Forcierung der Strukturreformen in den Euro-Staaten.

KLAUS WIENERist Chefvolkswirt des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)

MICHAEL HÜTHERist Direktor des Instituts der

Deutschen Wirtschaft (IW)

SCHADET DIE EZB-GELDPOLITIK MEHR, ALS SIE NÜTZT?

Die Europäische Zentralbank will die Wirtschaft ankurbeln, indem sie die Zinsen gen null drückt: Sparen allein lohnt nicht mehr – wer sein Geld mehren will,

muss investieren. Aber sorgt dieser Gedanke tatsächlich für den angestrebten Effekt?

PRO&CONTRA

PRO CONTRA

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W ir schreiben das Jahr 2018, die USA schicken Astronauten auf den Mond und stören eine geheime Nazikolonie auf. Die Wehrmachtssoldaten ergattern ein Smartphone,

mit dem sie ihr Riesenkampfschiff „Götterdäm-merung“ in Gang setzen und die Welt erobern können: „Iron Sky“, der 2012 ins Kino kam und nächstes Jahr mit „The Coming Race“ fortgesetzt wird, wurde vor allem für seine Spezialeffekte ge-lobt, die trotz des knappen Budgets von 5,5 Mil-lionen Euro überzeugten. Um ein Haar hätte die Produktion dieses Budget gesprengt – wegen Problemen, mit denen niemand gerechnet hatte.

Jede Filmproduktion ist ein fragiles Unter-fangen, abhängig vom Wetter, vom Verkehr, vom reibungslosen Funktionieren vieler Menschen und Geräte. Einige Risiken fängt die klassische Filmversicherung auf, etwa wenn sich der Haupt- darsteller ein Bein bricht. Doch wenn ein Hoch-wasser das Set wegschwemmt oder der Regisseur

Kinofilme zu drehen kostet Millionen. Was tun, wenn während der Produktion das Geld ausgeht? Dann hilft der Completion Bond und sorgt mit Kapital und

Expertise von Versicherern dafür, dass das Werk pünktlich ins Kino kommt

MISSION COMPLETEDTEXT: HILTRUD BONTRUP

im kreativen Rausch jede Szene 20-mal dreht, rei-chen irgendwann Zeit und Geld nicht mehr aus, um das Werk planmäßig ins Kino zu bringen. Und dann? Haben die Investoren Millionen in ein Pro-jekt versenkt, das nie fertig wird.

Oder der Produzent hat für seine Finanziers einen Completion Bond gezeichnet, eine Fertig-stellungsgarantie. Diese stellt die Versicherung; mit Geld und Expertenrat sorgt sie dafür, dass der Film rechtzeitig und im Rahmen des Budgets vollendet wird. Und falls sich keine Lösung findet, erhalten Investoren ihr Kapital zurück.

Maximal 2,5 Prozent des Gesamtbudgets kos-tet ein Completion Bond. Er lohnt sich vor allem, wenn der Dreh aufwendig ist: bei Produktionen, die an mehreren Orten arbeiten, oder bei histo-rischen Stoffen wie „Race“, der im Juli anlief und 80 Jahre nach den Olympischen Spielen in Berlin von dem Athleten Jesse Owens erzählt. In solchen Fällen werden die Aufnahmen nach dem Dreh in historische Bilder hineinmontiert – der Aufwand lässt sich im Vorfeld nur schwer abschätzen.

Auch bei „The Coming

Race“, dem zwei-ten „Iron Sky“-Teil, setzen die

Produzenten auf Completion Bonds – sicher ist sicher.

Nazis from outer Space im Trash- Action-Spektakel „Iron Sky“

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„Man kann solide planen, Überraschungen gibt es immer“, sagt Udo Happel. Der 48-Jährige hat schon etliche Filmproduktionen begleitet und geleitet. Seit 2005 reist er bei Bedarf als Trouble- Shooter ans Set, um im Auftrag eines Bond-Gebers gegenzusteuern, sobald Arbeitsschritte oder Aus-gaben aus dem Takt geraten.

Für „Iron Sky“ flog er ans andere Ende der Welt: „Das Team drehte in Australien und hatte wegen schlechten Wetters die Nachtaufnahmen in Brisbane vorgezogen“, erzählt Happel. „Danach fanden die Kollegen nicht in den Tagesrhythmus zurück.“ Das Problem: Für Arbeit nach 20 Uhr sind in Australien hohe Nachtzuschläge fällig. „Es brauchte etliche Besprechungen mit den Pro-duktionsteams vor Ort, aber schließlich haben wir aus dem Teufelskreis herausgefunden“, sagt Happel. Gerade noch rechtzeitig, denn die Mise-re hatte schon einen Großteil der Überziehungs- reserve gekostet.

Mit dem Budget war Happel bereits vor seinem Auslandseinsatz bestens vertraut, denn Bond-Geber werden oft schon in der Planungs-phase einbezogen. Wer die Versicherung ab-schließen will, muss detailliert erklären, wie er produzieren will. Sogenannte Monitorer spüren im Auftrag der Versicherung Risiken in jeder Liste auf: Ist die Schauspielerin notorisch unpünktlich, der Regisseur ein Despot, der immer wieder sei-ne Crew durchtauscht? Überzeugt das Drehbuch, passen Drehplan und Budget dazu? Steht die Fi-nanzierung? „Ich frage mich immer: Würde ich den Film selbst so machen?“, sagt Happel. „Und selbst wenn ja, kommt es oft vor, dass wir uns noch mal zusammensetzen und nachbessern.“

Für „Iron Sky“-Produzent Oliver Damian sind die Monitorer gute Sparringspartner. „Auch wenn es ein Kampf ist, die Gebühr aufzubringen, und auch wenn man das Geld gern in den Film selbst stecken würde – gerade bei internationalen Produktionen lohnt sich ein Completion Bond.“ In Skandinavien, Kanada, Australien, den USA und in Großbritannien, wo die Bürgschaft ihren Ur-sprung hat, machen Geldgeber ihn zur Bedingung.

Die klassische deutsche Finanzierung über die Filmförderung, über Fernsehsender und Verleih- garantien ist dagegen so konstruiert, dass rein deutsche Projekte nicht auf Bonds zurückgreifen – geht etwas schief, sind es teilweise Steuergel-der, die verschwendet werden. Doch auch hierzu-lande, wo immer mehr Banken Filme zwischen-finanzieren und private Investoren sich beteiligen, ist die Absicherung zunehmend gefragt.

Das spürt auch die Deutsche Filmversi-cherungsgemeinschaft (DFG) in Hamburg. Seit 80 Jahren sichert sie Film- und TV-Produzenten gegen die Risiken ihrer Projekte: von „Fack ju Göhte“ und „Victoria“ über „Wer wird Millionär?“ bis hin zu „Alarm für Cobra 11“. Im Jahr 2009 hat

Nach dem Dreh explodierten die Kosten – dank

Completion Bond startete

„Race“, das Biopic um Jesse Owens bei den Olympi-

schen Spielen 1936 in Berlin, Ende Juli

in den Kinos.

die DFG sich mit der skandinavischen Gesellschaft European Film Bonds zusammengetan, gemein-sam bonden sie rund 45 Produktionen pro Jahr – europaweit und bei internationalen Koproduk-tionen. Der größte Versicherer hinter der DFG, die den halben europäischen Markt abdeckt, ist die Axa-Gruppe. Die andere Hälfte versichern Film-Finances/Allianz und HDI.

Ist der Fall geprüft, die Finanzierung gesi-chert und der Bond gezeichnet, heißt es für die Filmschaffenden täglich Bericht zu erstatten: Regieassistenten dokumentieren die gedrehten Szenen, Produktionsassistenten listen auf, was ausgegeben wurde und welche Ausgaben geplant sind. Häufen sich Unregelmäßigkeiten, steht der Monitorer bald am Set. „Früher wurde der Bond oft als reiner Controller gesehen, der zu stark eingreift in künstlerische Vorstellungen“, sagt DFG-Geschäftsführer Robert von Bennigsen. „Mittlerweile aber ist klar: Er versucht mit den Kreativen und dem Produzenten gemeinsam an dem Film zu arbeiten. Manchmal muss man sich zusammenraufen, aber meist funktioniert das.“

Auch Happel sieht sich „nicht als Sheriff, der mit seinem Aktenkoffer anrückt“, sondern als Kollege, der mit den Menschen am Drehort auf Augenhöhe spricht. Immerhin kennt er viele Filmleute aus anderen Projekten. Kann sich der kaufmännische Herstellungsleiter nicht gegen Regisseur oder Kameramann durchsetzen, greift der Monitorer durch, immerhin muss er die Fi-nanzierer und letztlich auch die Versicherung vor Schaden bewahren.

Dann übernimmt er vom Produzenten die Verantwortung für die Fertigstellung. „Unange-nehm für den Produzenten, aber um die Finanzie-rung zu sichern, akzeptiert er diese Lösung“, sagt Bennigsen. Und die Leute am Set? „Sind erleich- tert, weil sie wieder bezahlt werden und ihre Ar-beit in ein Ergebnis mündet.“ Der DFG-Geschäfts- führer arbeitet gern mit Menschen aus der Film-branche: „Es sind überwiegend Freelancer, die zu-verlässig ihren Job machen und ein riesiges Com-mitment zu ihrem Beruf mitbringen. Unglaublich, in welchem Gesundheitszustand sich Schauspieler manchmal ans Set schleppen.“ Selten kommt es so weit, dass er tatsächlich Geld zuschießen muss. Das passiert nur bei jedem hundertsten Film, so groß ist das Engagement der Beteiligten und so erfolgreich das Risikomanagement des Bonds.

Schwierig für Produzenten sei vor allem das „komplizierte, zeitaufwendige Regelwerk“ des Bonds, sagt Oliver Damian. „Man sollte ihn nur abschließen, wenn man ihn wirklich braucht.“ Bei „Iron Sky II“ hat der Produzent ihn gebraucht: Gap- und Equity-Finanzierer machten ihn zur Bedingung. Sie wollten sichergehen, dass auch im kommenden Jahr die Nazis vom Mond die Menschheit heimsuchen.

Durch eine Film-versicherung

abgeschirmt war der Kassenschlager

„Fack ju Göhte“ (7,3 Millionen

Besucher).

140 Minuten, kein Schnitt:

„Victoria“ war inhaltlich wie

formal 2015 einer der spannendsten

deutschen Filme – und das

versichert.

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Unser Magazin „Positionen“ hat sich stark verändert: moderneres Lay-

out, mehr Geschichten, mehr Debat-ten. Corporate-Publishing-Experten haben uns dafür bereits zweimal für

Inhalte und Gestaltung des Magazins ausgezeichnet. Im vorigen Heft woll-ten wir wissen, was unsere Leser von uns denken. Über die Reportagen und Hintergrundberichte lernen gar Bran-

chenkenner ständig etwas Neues, lau-tet ein Ergebnis der Umfrage. Vielen Dank, liebe Leserinnen und Leser! Wir nehmen das zum Anlass, die eigene Ansprüche noch etwas höher zu legen.

WELCHE THEMEN INTERESSIEREN DIE LESER VON „POSITIONEN“?

WAS IST FÜR „POSITIONEN“-LESER DIE SPANNENDSTE LEKTÜRE?

MEHR UND NEUES

der Leser fühlen sich gut informiert,

lernen durch „Positionen“ immer noch etwas

Neues kennen

der Leser lernen durch „Positionen“ neue

Aspekte der Branche kennen

56 %

41 %

Politik Wirtschaft

72 %

Reportagen und Hintergrundberichte

40 %

Kommentare und Kolumnen

59 %

Nachrichten

61 %

Statistiken

69 %

Infografiken

Gesellschaft Versicherungsthemen

Verbandsthemen Sonstiges (Umwelt, Energie,

Kultur, Ethik, Datenschutz, Digitalisierung)

Wir haben Sie gefragt, wie Ihnen das „Positionen“-Magazin gefällt. Das Ergebnis hat uns sehr gefreut – wir verstehen

das gleichwohl als Arbeitsauftrag

EINE GLATTE 2

51 % 69 %

96 %50 %

6 %45 %

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AUF EINER SKALA VON 1 BIS 6: WIE BEWERTEN SIE AUFBAU UND INHALT VON „POSITIONEN“?

Alles andere als Durch-schnitt: „Positionen“ kommt auf die Gesamt- note 2,1.

Mehr als 36 % der Befragten geben der Aufmachung des Magazins die Note 1.

Die Schulnoten 4, 5 und 6 kamen insgesamt nur 68 Mal zum Einsatz; insgesamt wurden 972 Noten vergeben.

WÜRDEN SIE „POSITIONEN“ LIEBER DIGITAL

STATT IN GEDRUCKTER FORM LESEN?

der Leser bevorzugen „Positionen“ als

gedrucktes Magazin

bevorzugen die digitale Variante

81 %

10 %

WELCHE WORTE

BESCHREIBEN „POSITIONEN“

TREFFEND?

interessant85 %

seriös83 %

hochwertig82 %

modern75 %

klar72 %

aktuell67 %

kritisch35 %

werblich22 %

WIE VIEL LESEN SIE FÜR GEWÖHNLICH IN EINER AUSGABE VON „POSITIONEN“?

DIE TEILNEHMER DER LESERBEFRAGUNG 2016

31 % 67 % 1 % 1 %Ich lese

alle ArtikelIch lese

ausgewählte ArtikelIch blättere nur durch

Ich gebe „Positionen“ an andere weiter

über 80 4

71 bis 80 9

61 bis 70 21

51 bis 60 41

41 bis 50 48

31 bis 40 25

bis 30 14

16Frauen

147Männer

Aufmachung des Magazins Textmenge Bildsprache Sprachstil Themenwahl Infografiken

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Zahlen im Kreis: So häufig wurde die Schulnote vergeben

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Starkregen, Gewitter, Hagelschauer und Überschwemmungen: Viele Menschen haben das Gefühl, das Wetter spielt verrückt. Dieses Gefühl trügt nicht. Das Klima wandelt sich tatsächlich

WIR SIND SPÄT DRAN

Die Wetterextreme des Sommers haben die Deutschen alarmiert. Kaum eine Woche verging ohne heftige Gewitter mit Starkregen und Überschwemmungen. Der

Eindruck verdichtet sich, dass solche Ereig-nisse häufiger auftreten und immer öfter ganze Landstriche unter Wasser setzen. Bei-spiele sind das Rheinhochwasser 1993, das Oderhochwasser 1997, die Flut an der Elbe 2002 oder die Hochwasser an Donau und Elbe 2013. Und jetzt die zum Teil sehr lokalen, ex-tremen Regenfälle vielerorts in Deutschland. Viele Menschen sind besorgt und fragen sich, inwieweit die Unwetter bereits Vorboten des Klimawandels sind.

Der Klimawandel findet statt, ohne je-den Zweifel. So ist die Temperatur der Erde im Zeitraum von 1950 bis 2015 im weltwei-ten Durchschnitt um ungefähr 1 Grad Celsius gestiegen. Auch in Deutschland gibt es einen deutlichen Temperaturanstieg. Der Welt-klimarat IPCC schreibt in seinem Synthese-bericht aus dem Jahr 2014: „Der Einfluss des Menschen auf das Klimasystem ist klar.“ Außerdem stellt der IPCC fest, dass es „äu-ßerst wahrscheinlich“ ist, dass die von Men-schen verursachten Treibhausgasemissionen „die Hauptursache der beobachteten Erwär-mung seit Mitte des 20. Jahrhunderts sind“.

Die Datenlage bei den Niederschlägen ist allerdings nicht ausreichend, um den Einfluss des Menschen zu identifizieren, insbesondere wenn es um einzelne Regionen geht. Das heißt jedoch nicht, dass es diesen Einfluss nicht gibt.

Wärmere Luft kann mehr Wasser in Form des gasförmigen Wasserdampfs aufnehmen, etwa sieben Prozent pro Grad Temperaturan-stieg. Allein das erhöht die Wahrscheinlich-keit für mehr und heftigere Niederschläge in unseren Breiten. Leider sind nur von einigen wenigen europäischen und deutschen Wetter-

stationen qualitativ hochwertige und zeitlich hochauflösende Messungen verfügbar, die es erlauben, den Zusammenhang zwischen Lufttemperatur und Extremniederschlägen im Detail zu untersuchen. Wer die täglichen Niederschläge an diesen Messstationen be-trachtet, kann den oben erwähnten Zusam-menhang nachvollziehen: Die Extrema ver-stärken sich um etwa sieben Prozent, wenn die Lufttemperatur um ein Grad steigt.

Hinzu kommen weitere Faktoren, die Ex-tremniederschläge begünstigen. So können sich bei kurzfristigen, sehr lokalen Schauern – den sogenannten konvektiven Niederschlags-ereignissen – die Winde in den Wolkensyste-men verstärken und die Extremniederschläge noch weiter intensivieren. Die einstündigen Extremniederschläge zeigen tatsächlich eine Verstärkung um mehr als zehn Prozent pro Grad Temperaturanstieg. Und schließlich hat sich in den vergangenen Jahrzehnten das Mittelmeer deutlich erwärmt. Die bei uns ge-fürchteten und als Vb-Zyklonen bezeichneten Mittelmeertiefs haben deswegen mehr Was-ser im Gepäck. Die Oderflut 1997 und die Elbe-flut 2002 waren von Vb-Zyklonen verursacht.

Die allermeisten regionalen Klimamodel-le prognostizieren für Europa bei steigenden Treibhauskonzentrationen eine Zunahme und Intensivierung der Extremniederschläge. Die Modelle können immer nur eine grobe An- näherung an die reale Welt sein: Wir müssen mit der Unsicherheit leben.

US-Präsident Barack Obama zitierte 2015 zu Beginn der Klimakonferenz in Paris unter dem Eindruck der schmelzenden Gletscher in Alaska, die er kurz zuvor besucht hatte, den Bürgerrechtler Martin Luther King Jr.: „There is such a thing as being too late“. Es gibt so et-was wie Zuspätkommen. Und er fügte hinzu, dass dieser Zeitpunkt in Bezug auf den Klima-wandel schon fast überschritten sei.

Mojib Latif, habilitierter Meteorologe und Klima- forscher, leitet den Forschungsbereich Klima- dynamik am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und lehrt an der Christian-Al- brechts-Universität zu Kiel

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Herausgeber: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. V.i.S.d.P.: Christoph Hardt Konzeption und Realisierung: Axel Springer SE Corporate Solutions Projektmanagement: Christopher Brott Druck und Vertrieb: Möller Druck Redaktion: Jörn Paterak, Thomas Wendel (GDV); Michael Prellberg (Axel Springer) Autoren: Hiltrud Bontrup, Olaf Burghoff, Henning Engelage, Flavia Gonzalez Mariño, Kathrin Jarosch, Volker Kühn, Stefan Mey, Christian Otto, Tom Rademacher, Johanna Sagmeister, Jörg Schult, Olaf Wittrock Fotoredaktion: Anni Tracy Art-Direktion: Christian Hruschka, Stefan Semrau (twotype design)

Layout: Christina Maria Klein, Uwe Holländer (twotype design) Herstellung: Thomas Amthor, Olaf Hopf Lektorat: Matthias Sommer Redaktionsanschrift: Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V., Kommunikation, Wilhelmstraße 43/43 G, 10117 Berlin Telefon: 030 / 20 20 – 59 14 Fax: 030 / 20 20 – 69 14 Fragen zum Abo: [email protected]: Sean Gallup/Getty Images: S. 1 Privat (2): S. 2, 6, 41 Sascha Steinbach/Action Press: S. 3, S. 36-37 Dennis Williamson: S. 3, 15, 16

IMPRESSUMUDV – Unfallforschung der Versicherer (2): S. 4 Daniel Bockwoldt/dpa: S. 5 BleepingComputer.com: S.7 Andreas Gebert/dpa: S. 8 Patrick Pleul/ZB/dpa: S. 10-11 Christoph Stache/AFP/Getty Images: S. 13 Alexander Koerner/Action Press (4): S. 31-34 Ute Grabowsky/Photothek/Getty Images: S. 41 Ironsky.net (2): S. 42 Forecast Pictures: S. 43 Constantin Film: S. 43 Adopt Films: S. 43 Martin Stöver/Action Press: S. 48Illustrationen: iStock Photo (6): S. 3, 20-27, 38-40 Michael Stach (2): S. 17, 35 Dieter Braun: S. 18-19 Lars Wunderlich/Peachbeach (3): S. 28-30 Jacqueline Urban: S. 46

42 %sehen den kommenden

zwölf Monaten mit Skepsis entgegen

65 %sehen die Ausländer in ihrem Bekanntenkreis

als „gut integriert“

62 %sehen eine zunehmende Gefahr, in Deutschland

sozial abzusteigen

Der „Generation Mitte“ der 30- bis 59-Jährigen geht es meist hervorragend. Was fehlt, ist das Vertrauen, dass es weiterhin so bleibt.

Das zeigt die aktuelle IfD-Umfrage im Auftrag des GDV

ANGST VOR DEM ABSTIEG

Quelle: Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) im Auftrag des GDV

* 2 % unentschieden, keine Angaben

UNS GEHT’S GUT ...Wie schätzen Sie Ihre eigene Lebensqualität ein?

* 11 %

sehr gut

64 %gut

20 %weniger gut

3%

gar nicht gut

64 %

... ABER PROBLEME GIBT ES TROTZDEM ZUHAUFWas sind für Sie die größten Gefahren für Deutschland? (Auswahl)

43 %Mängel im Bildungssystem

36 %Die niedrigen Zinsen

56 %Die demografische Entwicklung

Die vielen Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen

68 %Die Unterschiede zwischen Arm und Reich werden größer

Die steigende Fremdenfeindlichkeit 68 %

40 %

... DIE STIMMUNG NICHTWas bereitet Ihnen persönlich Sorge? (Auswahl. Veränderung zu 2015 in Prozentpunkten)

25 %Dass ich Opfer einer Gewalttat werde

22 %Dass ich Terror-Opfer werde

40 %Dass das Geld an Wert verliert und damit auch meine Ersparnisse

Dass Einkommen und Lebensstandard sinken

60 %Dass ich meinen Lebensstandard im Alter nicht mehr halten kann

Dass mein Einkommen in den nächsten Jahren nicht ausreichen könnte 44 %

DIE ZEITEN SIND GUT ...Geht es Ihnen heute wirtschaftlich besser als vor fünf Jahren?

2016

2013 besser 35 %

besser 39 %20 % schlechter

23 % schlechter

WAS WIRD AUS DER RENTE?Wenn ich die Diskussion über das Rentensystem höre, bin ich verunsichert.

65 %

16 %

19 %ja

keine Abgabe

geht mir nicht so+6 %

+5 %

+3 %

+5 %

+15 %

+12 %z

Ah

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Page 48: Wenn es regnet, dann richtig. ALLES IM FLUSS - GDV...33 % LUFTHANSA 10,82 63 2016% EON 5,57 32 % BMW 4,74 58 % MERCK: 2,48 35 % LINDE: 1,65 54 % INFINEON: 0,58 36 % Pensionsrückstellungen

DIE SchÖnSTE VERSIchERUngSSAchE

DER WELT

MILLIONEN EURO

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DER ALTE MANN UND DAS MEER – SICHER DURCH SCHLICK UND GEZEITEN SONNENLICHT SPIEGELT SICH IM WASSER, dieMöwen schreien, die Insel in der Ferne löst sich im Dunst auf. Es ist leicht, der Faszination des Wattenmeers zu erliegen. Und ebenso leicht, seine Gefahren zu unterschätzen: plötzlicher Nebel, Regen- güsse, scharfkantige Muscheln und nicht zuletzt die unerwartete Flut. Wer sich ins Watt traut, sollte sich gut auskennen. Hans Ortelt kennt sich aus. Seit mehr als 40 Jahren führt er Menschengruppen zu den Ostfriesischen Inseln, meist nach Baltrum. In ernsthafte Schwierigkeiten ist der 73-Jährige bislang noch nie gekommen, trotzdem ist er vorbereitet. In seinem Rucksack finden sich: eine 30 Meter lange Rettungsleine, Verbandsmaterial, Kompass, Trillerpfeife und – allerdings virtuell – eine Versicherung. „Dass ich mal von der Flut überrascht werde, kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Ortelt, dafür sei er zu erfahren und zu gut vorbereitet. Er fürchtet eher kleine Malheurs, wenn ihm etwa das teure Fernrohr eines Mitwanderers kaputtgeht. Seine Haftpflicht würde allerdings auch die großen Unfälle abdecken – mit bis zu 5 Millionen Euro.

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