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1 WENN IDEEN SCHULE MACHEN ANREGUNGEN ZUR VERBREITUNG VON FÖRMIG-PRINZIPIEN UND BEWÄHRTER PRAXIS DR. MICHAEL JÄGER, ERLANGEN MICHAEL. JAEGER@UNTERRICHTSEVALUATION. DE 1 Wenn gute neue Ansätze sich leicht verbreiten würden… ......................................................................................... 3 2 Was ist eigentlich Transfer von Innovationen? .......................................................................................................... 3 2.1 Zwei aktuelle Transferprozesse ......................................................................................................................... 4 2.1.1 Die PISA-Studie und Transfer ........................................................................................................................ 4 2.1.2 Der Deutsche Schulpreis und Transfer .......................................................................................................... 5 2.1.3 Schlussfolgerungen für FörMig ..................................................................................................................... 6 2.2 Warum ist Transfer so schwer? ......................................................................................................................... 8 2.2.1 Selbstreferentialität und operative Geschlossenheit ................................................................................... 9 2.2.2 Die Unwahrscheinlichkeit gelingender Kommunikation ............................................................................... 9 2.3 Transfer als Lernprozess .................................................................................................................................. 10 2.3.1 Was bewegt Menschen dazu, eine Innovation anzunehmen? ................................................................... 10 2.3.2 Wie kann eine Organisation lernen? .......................................................................................................... 12 3 Wie funktioniert denn nun Transfer? ....................................................................................................................... 13 3.1 Das Wellenmodell des Transfers in Entwicklungsprojekten ........................................................................... 13 3.1.1 Inhalt ........................................................................................................................................................... 14 3.1.2 Person ......................................................................................................................................................... 15 3.1.3 Struktur ....................................................................................................................................................... 16 3.2 Transfer praktisch fördern .............................................................................................................................. 16 3.2.1 Zur Planung von Transfer ............................................................................................................................ 17 3.2.2 Zur Umsetzung des Transfers ..................................................................................................................... 19 4 Werkstattteil ............................................................................................................................................................. 21 4.1 Transfer vorbereiten und planen .................................................................................................................... 21 4.1.1 Checkliste zum Start eines Qualitätszirkels................................................................................................. 21 4.1.2 Ziele definieren ........................................................................................................................................... 23

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WENN IDEEN SCHULE MACHEN ANREGUNGEN ZUR VERBREITUNG VON FÖRMIG-PRINZIPIEN UND BEWÄHRTER PRAXIS

DR. MICHAEL JÄGER, ERLANGEN [email protected]

1 Wenn gute neue Ansätze sich leicht verbreiten würden… ......................................................................................... 3

2 Was ist eigentlich Transfer von Innovationen? .......................................................................................................... 3

2.1 Zwei aktuelle Transferprozesse ......................................................................................................................... 4

2.1.1 Die PISA-Studie und Transfer ........................................................................................................................ 4

2.1.2 Der Deutsche Schulpreis und Transfer .......................................................................................................... 5

2.1.3 Schlussfolgerungen für FörMig ..................................................................................................................... 6

2.2 Warum ist Transfer so schwer? ......................................................................................................................... 8

2.2.1 Selbstreferentialität und operative Geschlossenheit ................................................................................... 9

2.2.2 Die Unwahrscheinlichkeit gelingender Kommunikation ............................................................................... 9

2.3 Transfer als Lernprozess .................................................................................................................................. 10

2.3.1 Was bewegt Menschen dazu, eine Innovation anzunehmen? ................................................................... 10

2.3.2 Wie kann eine Organisation lernen? .......................................................................................................... 12

3 Wie funktioniert denn nun Transfer? ....................................................................................................................... 13

3.1 Das Wellenmodell des Transfers in Entwicklungsprojekten ........................................................................... 13

3.1.1 Inhalt ........................................................................................................................................................... 14

3.1.2 Person ......................................................................................................................................................... 15

3.1.3 Struktur ....................................................................................................................................................... 16

3.2 Transfer praktisch fördern .............................................................................................................................. 16

3.2.1 Zur Planung von Transfer ............................................................................................................................ 17

3.2.2 Zur Umsetzung des Transfers ..................................................................................................................... 19

4 Werkstattteil ............................................................................................................................................................. 21

4.1 Transfer vorbereiten und planen .................................................................................................................... 21

4.1.1 Checkliste zum Start eines Qualitätszirkels................................................................................................. 21

4.1.2 Ziele definieren ........................................................................................................................................... 23

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4.1.3 Ansprechpartner finden .............................................................................................................................. 24

4.1.4 Kommunikation planen ............................................................................................................................... 26

4.2 Transfer umsetzen........................................................................................................................................... 27

4.2.1 Ressourcen steuern .................................................................................................................................... 27

4.2.2 Teams entwickeln ....................................................................................................................................... 28

4.2.3 Evaluation planen ....................................................................................................................................... 29

5 Nach vorn geblickt! ................................................................................................................................................... 30

6 Literatur .................................................................................................................................................................... 31

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1 WENN GUTE NEUE ANSÄTZE SICH LEICHT VERBREI-

TEN WÜRDEN… … gäbe es nur gute Schulen oder Kindergärten.

Warum verbreiten sich neue Ideen (übrigens nicht nur im Bildungssystem!) so zögerlich?

Möglicherweise halten Sie selbst die Idee einer schnellen und mühelosen Verbreitung spon-

tan für unrealistisch, ja vielleicht sogar für gefährlich. Sie ist auf jeden Fall unwahr-

scheinlich, das zeigen uns viele Beispiele aus anderen Bereichen, so etwa der Verbrei-

tung neuer Technologien.

Und dennoch würden wir, die wir an einer Idee und deren Umsetzung im Kleinen

lange gearbeitet haben, gerne den weiteren Erfolg dieser Arbeit sehen. Schließlich

steckt in dieser Entwicklung so viel Mühe und Zeit, dass doch die Qualität und der

Sinn dieser Entwicklung allen unmittelbar klar sein muss. Oder etwa nicht?

Wie funktioniert denn dieser Verbreitungsprozess? Warum bleiben so viele Ideen in der

Umsetzung und Verbreitung stecken? Was zeichnet erfolgreiche Transferprozesse aus? Wo

steht das BLK-Programm Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshinter-

grund FÖRMIG mit seinen Ideen – wie kann hier der Transfer gefördert werden?

Dieser Text soll helfen, Transferprozesse besser zu verstehen und die Verbreitung guter und

bewährter FÖRMIG-Entwicklungen mit praktischen Beispielen zu unterstützen. Den Anfang

macht dabei – wie so häufig – die Theorie. Aber: „Es gibt nichts Praktischeres als eine gute

Theorie.“ Diese Erkenntnis von Kurt Lewin (1951) hat sich glücklicherweise weit verbreitet.

Betrachten wir also zunächst den Transferprozess aus theoretischer Perspektive anhand ei-

nes einfachen Marktmodells, das Auskunft über grundlegende Prozesse beim Transfer gibt.

Mithilfe zweier Beispiele und der Erfahrung aus FÖRMIG lassen sich typische Transferbarrie-

ren und Schritte zu deren Bewältigung ableiten – Transfer ist nämlich auch eine Art

Lernprozess.

Im nächsten Schritt zeigen wir ein weiteres Modell, um zu erklären, wie Transfer

beeinflusst werden kann und welche praktischen Konsequenzen daraus für die Ge-

staltung des Transfers von FÖRMIG abgeleitet werden können. Den Abschluss bildet

ein Werkstattteil, also eine Sammlung von Instrumenten und Verfahren zur Diagnose

und Förderung von Transferprozessen.

Transfer braucht vor allem Ihre Ideen – lassen Sie sich durch die hier zusammengestellten

Vorschläge nicht einengen. Dieser Text ist ein Transfererfolg, wenn Sie sich dadurch zu ei-

genen neuen Ideen anregen lassen und diese in FÖRMIG einbringen.

2 WAS IST EIGENTLICH TRANSFER VON INNOVATIO-

NEN? Um diese Frage zu beantworten, lohnt es sich, etwas weiter auszuholen und mit zwei prak-

tischen Beispielen für Transferprozesse im Bildungssystem zu beginnen – der PISA-Studie

sowie dem Deutschen Schulpreis (Kap. 2.1). Aus diesen beiden Beispielen lässt sich ablesen,

weshalb Transfer eine so schwere Aufgabe ist (Kap. 2.2).

Transfer ist

schwer – und

das ist auch gut

so!

Von der Theorie

über Barrieren

zu Lösungen –

ein Überblick

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Im Kapitel 2.3 wird Transfer für einzelne Personen sowie für Organisationen als Lernprozess

ausgearbeitet.

2.1 ZWEI AKTUELLE TRANSFERPROZESSE Betrachten wir zwei Beispiele, denen in zwei kurz aufeinander folgenden Artikeln in der

Wochenzeitung Die Zeit viel Aufmerksamkeit eingeräumt wurde: Die Veröffentlichung der

internationalen Ergebnisse von PISA 2006 und die dadurch erneut ausgelöste Diskussion um

die Deutung dieser Ergebnisse sowie die Verleihung des deutschen Schulpreises 2007. Bei-

de wurden in derselben Ausgabe der Wochenzeitung Die Zeit aufgegriffen (Kahl, 2007a,

2007b).

Über die PISA-Studie wird seit der ersten Veröffentlichung der internationalen Ergebnisse

im Herbst 2001 (Deutsches PISA Konsortium, 2001) diskutiert. Wie sieht das aber mit dem

Deutschen Schulpreis aus? Eine kurze Recherche mittels www.google.de ergab – nur jeweils

deutschsprachige Seiten betrachtet – für den Deutschen Schulpreis ca. 921 Nennungen auf

den von dieser Suchmaschine erfassten Seiten. Das Stichwort „PISA-Studie“ fand sich auf

mehr als 375.000 Seiten.

Worin unterscheiden sich also diese beiden Ereignisse im Hinblick auf den Transfer der zu-

grunde liegenden Innovationen? Diese Frage ist – so allgemein gestellt – nicht beson-

ders hilfreich. Wir brauchen ein Suchmuster, eine sinnvolle Einteilung der zahlreichen

möglichen Unterschiede, um auf diese Frage auch praktikable Antworten zu bekom-

men. Mehr als 375.000 Seiten als mögliche Antwort auf die Besonderheiten der PISA-

Studie stiften mehr Verwirrung, als sie zur Klärung der Unterschiede beitragen. Wir

brauchen zunächst also eine sinnvolle Einteilung der Unterschiede. Betrachten wir daher

zunächst einmal den „Markt“ für diese beiden Initiativen mithilfe eines Modells (Abbildung

1).

Transferangebote Transfernachfrage

Auswahl -/

Anpassungsprozess

u.a.

• Sortimentsgestaltung /

Produktnutzen

• Produktverpackung

u.a.

• Bedarfsforschung

• Produktanpassung

u.a.

• Bedarfsweckung

• Information

• Kundenbeziehung

ABBILDUNG 1: EIN MARKTMODELL FÜR TRANSFER (EULER, 2001)

Was haben der Deutsche Schulpreis und die PISA-Studie anzubieten, auf welche Nachfrage

treffen beide Angebote und welche Anpassungsroutinen gibt es bei beiden Initiativen?

2.1.1 D IE PISA-ST UDI E UN D TR AN SFER

Mit der Entscheidung der Kultusministerkonferenz (KMK), an der PISA-Studie teilzunehmen,

ergab sich für Deutschland eine spannende Situation. Schließlich sollten in allen Bundeslän-

dern die Schulen zur Mitwirkung an der Studie bewegt werden, um die von der OECD ge-

forderte Quote der Mitarbeit zu erreichen. Welche Schulen schließlich für eine Teilnahme

ausgewählt würden, blieb nach den Vorgaben der Studie eine zufällige Entscheidung.

Transfer als

Marktmodell

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Neben den von der OECD geforderten Quoten strebte die KMK noch eine Erweiterung an,

nämlich den Vergleich der einzelnen Bundesländer durch die Erfassung von insgesamt 1460

Schulen statt der von der OECD für den internationalen Vergleich realisierten 219 Schulen.

Für PISA-E 2000, der nationalen Ergänzungsstudie, gelang dies jedoch nur eingeschränkt –

sowohl in Hamburg als auch in Berlin wurde die für den Vergleich der Bundesländer nötige

Quote nicht erreicht. In den dort ausgewählten Schulen nahmen nicht genügend Schülerin-

nen und Schüler teil. Bei den darauf folgenden Studien aus den Jahren 2003 und 2006 (in-

ternational, die nationalen Ergebnisse werden erst noch veröffentlicht) wurden die Quoten

jedoch auch in diesen Ländern erreicht.

Was bedeutet dies im Hinblick auf das oben angeführte Marktmodell?

AN G E B O T D E R PISA -S T U D I E

PISA verspricht eine Rückmeldung über den Leistungsstand des Schulsystems als

Ganzes mithilfe des Vergleichs mit den Leistungen anderer Staaten. Im Grunde ge-

nommen wird hier ein Wettbewerbsgedanke angesprochen. Solchen Vergleich nennt

man „sozialen Vergleich“.

Diese Form des Vergleichs (Benchmarking) wird in Unternehmen häufig gewählt, um

eigene Prozesse zu optimieren. Sie genießt also zumindest in der Fachöffentlichkeit auch

eine hohe Akzeptanz.

Zudem ist PISA auf dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung, wird durch in-

ternationale Kooperation verstärkt und genießt die Unterstützung der politischen Entschei-

dungsträger.

NA C H F R A G E N A C H D E R PISA-S T U D I E

Die vorher gestartete, auf Mathematik und Naturwissenschaften ausgerichtete TiMS-

Studie (BAUMERT/BOS/LEHMANN, 2000) erreichte die Verbreitung der PISA-Studie nicht,

machte aber möglicherweise neugierig auf deren Ergebnisse und bereitete damit den

Boden für die Nachfrage nach PISA.

Auf Seiten der Schulen wurde die Nachfrage durch den Erlass der Kultusminister er-

reicht. Die Nachfrage wurde jedoch nicht nur in der Fachöffentlichkeit, sondern über

Zeitungen, Zeitschriften und schließlich Rundfunk und Fernsehen hoch gehalten. PISA

wurde zu einer „Marke“, unter deren Dach sich unterschiedlichste Vorhaben mit Bezug zu

Schule und Bildung versammeln, so z. B. „Forum PISA“, eine wöchentliche Radiosendung

des Deutschlandfunks mit Bildungsthemen, oder die PISA-Show, eine Samstag-Abend-Show

der ARD, bei der unterschiedliche Gruppen gegeneinander in einer Quizsendung antreten.

Schließlich berührt die Frage nach der Schulbildung der Kinder im Prinzip alle Eltern – und

über den Anspruch, die Leistung des deutschen Schulsystems insgesamt abzubilden, be-

dient PISA diese Nachfrage.

PISA ist, das sollte also nicht übersehen werden, ein Riesen-Medienerfolg. Dazu hat vieles

beigetragen – nicht zuletzt eine sehr professionelle Öffentlichkeitsarbeit.

2.1.2 DER DEUT SCHE SCHULPR EIS UN D TRAN S FER

Der Deutsche Schulpreis (http://schulpreis.bosch-stiftung.de) wurde 2006 eingerichtet und

wird seither jährlich von der Robert-Bosch-Stiftung, der Heidehof-Stiftung, der Zeitschrift

„Stern“ sowie dem Zweiten Deutschen Fernsehen vergeben.

PISA verspricht

fundierten Ver-

gleich der Bil-

dungssysteme

PISA wurde zum

Synonym sowohl

für Missstände

als auch für

Entwicklung im

Bildungssystem

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Der Deutsche Schulpreis versteht sich als eine Auszeichnung der besten deutschen

Schulen. Ein umfassendes Bildungsverständnis mit sechs Qualitätsbereichen (Leis-

tung, Umgang mit Vielfalt, Unterrichtsqualität, Verantwortung, Schulleben und Schule

als lernende Institution) wird als Grundlage angeführt. Daneben unterstützt die Aka-

demie des Deutschen Schulpreises Schulen dabei, von den Preisträgerschulen zu ler-

nen. Auf der Internetseite http://schulpreis.bosch-stiftung.de werden die einzelnen

Aktivitäten ausführlich dargestellt.

Welche Erkenntnisse bringt die Anwendung des Marktmodells auf den Deutschen Schul-

preis?

AN G E B O T D E S DE U T S C H E N S C H U L P R E I S E S

Der Deutsche Schulpreis funktioniert als Wettbewerb: Schulen, die sich Chancen auf den

Gewinn ausrechnen, werden möglicherweise mit einer Bewerbung auf das Angebot reagie-

ren. Hier sind also Schulen freiwillig bereit, Einblick in ihre Arbeit zu geben.

Die Gewinner werden drei Jahre lang gefördert und miteinander vernetzt, um durch die Ko-

operation die erfolgreichen Konzepte weiter zu verbreiten.

Weiterhin bietet die Akademie des Deutschen Schulpreises Fortbildungen und Hospitatio-

nen an, um die als erfolgreich prämierten Ideen zu verbreiten. Dieses Angebot richtet sich

an andere an Weiterentwicklung interessierte Schulen.

NA C H F R A G E N A C H D E M D E U T S C H E N S C H U L P R E I S

In den Jahren 2006 und 2007 haben sich insgesamt 651 Schulen um den Deutschen Schul-

preis beworben.

Das Echo der Medien auf die Initiative blieb jedoch trotz der Beteiligung des Stern

und des ZDF eher verhalten. Bis auf kurze Berichte direkt im Umfeld der Preisverlei-

hung wurde es schnell wieder ruhig in den Medien. Eine aktuelle Suche mithilfe der

Suchmaschine Paperball.de, die aktuelle Nachrichten und Zeitungsartikel auflistet,

ergab für das Stichwort „Deutscher Schulpreis“ keine Treffer, während PISA 156 mal

genannt wurde – in der Regel im Zusammenhang mit Bildungsthemen.

Die Nachfrage nach dem Deutschen Schulpreis ist also einerseits zeitlich sehr be-

schränkt, andererseits inhaltlich fokussiert auf entwicklungswillige oder von sich selbst

überzeugte Schulen.

AB G L E I C H V O N AN G E B O T U N D NA C H F R A G E I N N E R H A L B D E S DE U T S C H E N S C H U L -

P R E I S E S

Während PISA in seinem Ansatz und seinen Ergebnissen zu Widerspruch anregt und sich

damit Befürworter, Gegner, Nutznießer, Warner und alle anderen unabhängig von ihrer

fachlichen Qualifikation zum Thema äußern und damit die Aufmerksamkeit für das Thema

hoch halten, bleibt der Deutsche Schulpreis als Projekt für die Engagierten aus dem allge-

meinen Medieninteresse weitgehend ausgeschlossen.

Angebot und Nachfrage werden hier also nur im Dialog mit dem Projektteam oder den un-

terschiedlichen Unterstützern abgeglichen – die Verbreitung geschieht deutlich langsamer.

2.1.3 SCHLUSS FO LGER UN GEN FÜ R FÖRM I G

Aus den beiden Beispielen werden unterschiedliche Verbreitungsstrategien deutlich:

Der Deutsche

Schulpreis – ein

Wettbewerb der

Ideen in Schulen

Noch geringe

Reichweite und

kurzfristige

Aufmerksamkeit

der Öffentlich-

keit

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PISA setzt auf verpflichtende Teilnahme, kontroverse Diskussion, Unterstützung durch poli-

tische Entscheidungsträger und eine professionelle Öffentlichkeitsarbeit, während der

Deutsche Schulpreis sich an engagierte Schulen wendet, die freiwillig über sich und

ihre Arbeit Auskunft geben. PISA ist mittlerweile längst zu einer „Marke“ geworden,

die mit der eigentlichen Studie nur noch am Rande verknüpft ist – dennoch bleibt der

Kern, nämlich Vergleich von Bildungssystemen erhalten. Der Deutsche Schulpreis

dagegen hat diesen Schritt der Verbreitung noch nicht erreicht – wird dies mögli-

cherweise auch nie tun, da dazu die konstante Medienaufmerksamkeit, die kontroverse

Diskussion, also der Nachrichtenwert zu gering ist.

Wo steht nun aber FÖRMIG im Hinblick auf dieses Marktmodell? Die drei Fragen, die das

Marktmodell aufwirft, sind jedenfalls auch für FÖRMIG relevant: (1) Was und für wen ist das

Angebot von FÖRMIG? (2) Wie bzw. wonach ist die Nachfrage? (3) Was wird zum Abgleich

von Angebot und Nachfrage getan – und durch wen?

AN G E B O T V O N F Ö RM I G

Das Angebot von FÖRMIG wirkt derzeit in der Darstellung deutlich heterogener und komple-

xer als sowohl die PISA-Studie als auch der Deutsche Schulpreis. Sowohl Heterogenität als

auch Komplexität sind Transferbremsen. Nur was von einer Zielgruppe schnell erfasst, ver-

standen und eingesetzt werden kann, lässt sich auch leicht transferieren. Aber auch eine zu

einfache Botschaft hat Tücken: Bei PISA geht die Vereinfachung häufig so weit, dass nur das

Schlagwort, nicht aber die dahinter stehenden Konzepte verbreitet und genutzt werden.

Das Angebot von FÖRMIG muss also klar herausgestellt werden: Als Angebot können erfolg-

reiche Prozesse und Produkte aus FÖRMIG dienen, die an anderer Stelle Probleme

lösen helfen. Dabei wird sich zwar die Qualität der Angebote erst durch die Auswer-

tung der summativen Evaluation abschließend einschätzen lassen. Um Transferaktivi-

täten in die Wege zu leiten, müssen aber die Angebote nicht bis ins Detail untersucht

sein – wichtiger ist, die Nachfrageseite aufzugreifen. Schließlich wird ein einfaches

Übernehmen des Angebots nur in seltenen Fällen – etwa bei diagnostischen Verfah-

ren und Tests – möglich sein.

Die bestehenden Konzepte der Sprachstandsdiagnostik, die Kooperationsmodelle der

Basiseinheiten oder Förderkonzepte für Deutsch als Zweitsprache, die bereits im Programm

umgesetzt werden, sind somit gute erste Angebote, deren Nutzen für die jeweilige Ziel-

gruppe herausgestellt werden kann.

Die Zielgruppen für die unterschiedlichen Angebote von FÖRMIG müssen ebenso differen-

ziert betrachtet werden. Wer sind die Zielgruppen? Wie können diese angesprochen

werden? Welche Medien sind sinnvoll? Ergebnisse aus dem Umfeld von SINUS-

Transfer (Jäger, 2006) zeigen beispielsweise, dass die erhoffte Breitenwirkung eines

Internetangebots nicht erreicht wird – für bereits informierte und beteiligte Personen

stellt dieses Medium aber eine wichtige Informationsquelle dar. Im Werkstattteil am

Ende des Textes finden Sie einige Anregungen, wie die Ansprache der unterschiedlichen

Zielgruppen geplant und durchgeführt werden kann.

NA C H F R A G E N A C H F Ö R M I G

Aus den Länderberichten werden einige Initiativen der Öffentlichkeitsarbeit deutlich, die

FÖRMIG einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machen können. Allerdings bleibt offen, ob

FörMig im Spie-

gel des Markt-

modells

Angebote klar

herausstellen

und für die Ziel-

gruppe ange-

passt formulie-

ren

Zielgruppenana-

lyse: Wer soll

angesprochen

werden?

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die einzelnen Initiativen, über die in den Medien berichtet wird, auch dem gemeinsamen

Dach „FÖRMIG“ zugeordnet werden können. Dies wäre hilfreich, um eine gezielte Nachfrage

nach den Produkten von FÖRMIG zu ermöglichen. Interessenten für einzelne Elemente – wie

beispielsweise Sprachstandsdiagnostik – könnten so leichter auf die Internetseiten von

FÖRMIG gelenkt werden.

Die Nachfrage scheint sich derzeit vor allem auf die Fachöffentlichkeit zu konzentrieren, die

über Fachzeitschriften, Kongresse oder Fortbildungen auf die Konzepte von FÖRMIG auf-

merksam wird. FÖRMIG bewegt sich im Hinblick auf die Verbreitung somit in einem ähnli-

chen Umfeld wie der Deutsche Schulpreis – eine breite Verankerung des Begriffs ähnlich ei-

ner Wortmarke wie bei PISA erfolgt nicht. Gelänge eine solche Verankerung, dann wäre

FÖRMIG in der politischen Diskussion stärker präsent. Diese erhöhte Aufmerksamkeit dürfte

dann allerdings nicht nur Unterstützer, sondern auch Gegner deutlicher auf den Plan rufen.

Somit gilt die Aufmerksamkeit wahrscheinlich auch weiterhin der Frage, wie die Nachfrage

der Fachöffentlichkeit aufgegriffen werden kann.

Ratsam wäre jedenfalls, das gemeinsame „Markenzeichen FÖRMIG“ öffentlich stark zu ma-

chen – es wird damit auch den Länderprojekten einzeln mehr Aufmerksamkeit zukommen.

NA C H F R A G E U N D AN G E B O T – AB G L E I C H I N F Ö R M I G ?

Aus der Perspektive dieser Marktbetrachtung wäre es also hilfreich, wenn die Nachfragesei-

te genauer analysiert würde. In vielen Ländern wird über Zeitprobleme und Schwierigkeiten

bei der Weitergabe der Konzepte aufgrund von Überlastung der Zielgruppen berich-

tet. In wie weit die Ideen aus FÖRMIG hier helfen können, wird dann wirklich deutlich,

wenn die inhaltlichen Interessen der Zielgruppen, also deren Nachfrage und Lö-

sungswünsche, aufgenommen und im Zusammenhang mit FÖRMIG betrachtet wer-

den.

Dieser Prozess wurde bereits zu Beginn des BLK-Programms durchlaufen. Das Programm-

gutachten (GOGOLIN/NEUMANN/ROTH, 2003) entstand aus der Nachfrage nach besseren För-

derkonzepten – nicht zuletzt alarmiert durch die Ergebnisse der PISA-Studie. Die im No-

vember 2007 erfolgte Anpassung (siehe www.blk-foermig.uni-hamburg.de) zeigt, dass die-

ser Abgleich auf der Programmebene weiter stattfindet. Wie sieht dies aber auf der opera-

tiven Ebene, der konkreten Umsetzung der Konzepte in den Basiseinheiten aus? Welche

Nachfrage wird dort erfasst? Wie individuell geschieht dies? Im Werkstattteil am Ende die-

ses Textes finden Sie einige Anregungen, wie diese Fragen praktisch geklärt werden kön-

nen.

2.2 WARUM IST TRANSFER SO SCHWER? Transfer ist doch gar nicht so schwer! Es braucht nach dem Marktmodell doch nur ein pas-

sendes Angebot, eine vorhandene Nachfrage und die Möglichkeit, beides aufeinander ab-

zustimmen. Der Transfer von FÖRMIG sollte also eigentlich gelingen, wenn da nicht diese

Probleme auf der Empfängerseite wären, die Forderungen nach mehr Zeit, mehr Ressour-

cen, mehr Unterstützung oder mehr erkennbarem Nutzen der Innovation.

An dieser Stelle bietet sich ein kleiner Ausflug in systemtheoretische Überlegungen zu

Transferbarrieren an; die ausführlichere Fassung hat Helmut Willke in einer Expertise zum

Transfer dargestellt (GRÄSEL/JÄGER/WILLKE, 2006 S. 453 ff.).

Was sind die

inhaltlichen Inte-

ressen der Ziel-

gruppen?

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2.2.1 SELBST R EFER ENTI ALIT ÄT UND OP ERA TIV E GESCH LO SS EN HEIT

Ein System arbeitet selbstreferentiell, wenn Operationen des Systems wieder auf Operatio-

nen des Systems verweisen. Was heißt das? Das menschliche Bewusstsein arbeitet selbstre-

ferentiell, da Gedanken zu anderen Gedanken führen. In sozialen Systemen führt eine

Kommunikation zu einer weiteren Kommunikation. Solange die Kommunikation fortgeführt

wird, bleibt dieses soziale System bestehen.

Identität und Autonomie entstehen über den Selbstbezug innerhalb der Systeme; dieser

Selbstbezug ist nicht schädlich, sondern notwendig, und das Aufgreifen äußerer Anregun-

gen (Transfer!) bedeutet eine Störung des inneren Gleichgewichts. Dafür braucht es dann

gute Gründe.

Zur Wahrnehmung einer Identität gehört die operative Geschlossenheit. Menschen

sehen sich als Individuen, indem jeder einzelne seine und nur seine Gedanken erlebt.

Bei Menschen, die von dieser Norm abweichen, also eigene Gedanken als die anderer

Personen wahrnehmen, diagnostiziert man eine psychische Störung.

Für die Identität von Organisationen gelten ähnliche Bedingungen: Sie überdauern

aufgrund ihrer internen, selbstreferentiellen Regeln und Strukturen. Die Profilierung

von pädagogischen Einrichtungen, beispielsweise der Trend zu Schulprogrammen,

sorgt für eine Fokussierung der Anstrengungen auf die für diese Organisation wichtigen Zie-

le – und filtert externe Einflüsse weitestgehend aus.

Wenn Basiseinheiten in FÖRMIG ein Konzept oder Produkt erprobt haben, dann haben sie

dies in ihr soziales System integriert – also neue Strukturen und Regeln geschaffen, zu der

diese Innovation passt. Die Teilnahme wird möglicherweise von der jeweiligen Leitung un-

terstützt, von Kollegen geschätzt, von den einzelnen Personen als sinnvoll und passend im

Sinne der Werte der Organisation (und der eigenen Werte!) erlebt.

2.2.2 D IE UNWAHRS CHEIN LI CHK EIT GELIN GEN DER KOMMUNIK ATION

Soziale Systeme beruhen auf Kommunikation, wobei die Kommunikation selbst zahlreiche

Möglichkeiten der Fehlinterpretation aufweist. Ein fachsprachlich formulierter Text – mögli-

cherweise der vorherige Abschnitt oder schon der vorherige Satz dieses Textes – bietet da-

für gute Ansätze.

Sie kennen vielleicht die plastischen Beispiele, mit denen Schulz von Thun

(1981/2006) die vier Botschaften einer Nachricht (Information, Appell, Selbstoffenba-

rung und Beziehungsbotschaft) demonstriert. Wenn eine Schulleiterin zu einem Leh-

rer sagt „Ihre Klasse ist unruhig.“, dann ist bereits mit diesem einfachen, aber unbe-

stimmt formulierten Satz das Tor für Missverständnisse geöffnet. Der Empfänger

muss raten, welche Botschaft die Senderin eigentlich übermitteln will; je nach der

Erwartung des Lehrers wird dieser den Satz interpretieren – als Appell im Sinne von

„Sorgen Sie bitte für Ruhe!“ oder als Beziehungsaussage („Sie sind mein Mitarbeiter,

ich kann Ihnen eine Anweisung geben!“) oder als eine oder mehrere andere mögliche Bot-

schaften.

Kommunikation kann gelingen, wenn die Erwartungen des jeweiligen Kommunikationspart-

ners berücksichtigt werden. Erwartungen sind aber Gedanken, die – siehe vorheriger Ab-

schnitt – schwer zugänglich sind.

Transfer greift

Autonomie und

Identität von

Personen und

Organisationen

an.

Kommunikation

gelingt, wenn

die Erwartungen

des Empfängers

getroffen wer-

den.

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2.3 TRANSFER ALS LERNPROZESS Transfer muss also – ähnlich wie gelingende Kommunikation – aus der Perspektive des

Empfängers betrachtet werden. Aus diesem Blickwinkel ist die Verbreitung von FÖRMIG-

Konzepten ein Lernprozess. Lernen findet einerseits für die beteiligten Personen, anderer-

seits für die Organisation als Ganzes statt. Es geht nicht um ein einfaches Trainieren von

Verhaltensweisen, sondern um ein reflektiertes, auf die jeweilige Situation des Nutzers an-

gepasstes Aufgreifen neuer Verhaltensweisen.

Unterscheiden wir also zwischen dem individuellen Prozess der Akzeptanz und Übernahme

einer Innovation bei Personen und der Veränderung einer gesamten Organisation:

2.3.1 WAS BEW EGT MEN S CHEN DAZU , EI NE IN N OVATION AN ZUN E H-

MEN?

Wie kommen Menschen dazu, eine neue Idee, z. B. eine neue Unterrichtsmethode zu ak-

zeptieren? In der Diffusionstheorie (Rogers, 2003) wird die Übernahme einer Innovation, al-

so der Transfer von Erkenntnissen, aus der Perspektive einer Zielperson analysiert und als

ein Entscheidungsprozess beschrieben. Ob die Erkenntnisse von FÖRMIG transferiert

werden, wird leider nicht von der Projektleitung, den Ministerien oder den entwi-

ckelnden Basiseinheiten entschieden, sondern in den Organisationen, die diese Er-

kenntnisse akzeptieren, übernehmen und anwenden. Dieser Entscheidungsprozess

umfasst nach Rogers (2003) sechs Schritte:

I. Wissen II. Überzeugung III. Entscheidung IV. Umsetzung V. Bestätigung

Rahmen-

bedingungen

1. Vorerfahrung

2. wahrgenommener

Bedarf

3. Innovativität

4. soziale Normen

und Werte

1. Sozioökonomische

Charakteristika

2. Personen-

eigenschaften

3. Kommunikations-

verhalten

Charakteristika

des

Entscheidenden

Wahrgenommene

Charakteristika der

Innovation

1. Relativer Vorteil

2. Kompatibilität zu

bisherigem Handeln

3. Komplexität

4. Ausprobieren

möglich?

5. bei anderen

beobachtbar?

1. Akzeptanz

2. Ablehnung

fortdauernde Akzeptanz

verspätete Akzeptanz

nachträgliche Ablehnung

fortdauernde Ablehnung

Kommunikationskanäle

ABBILDUNG 2: INDIVIDUELLER ENTSCHEIDUNGSPROZESS ZUR ÜBERNAHME EINER INNOVATION (ROGERS,

2003, ÜBERSETZT DURCH DEN AUTOR)

An erster Stelle dieses Prozesses muss der Empfänger etwas über die Innovation

erfahren. Wissen über FÖRMIG zu verbreiten, ist als grundlegende Voraussetzung

eines Transfers schwieriger zu erreichen, als es möglicherweise auf den ersten Blick

erscheint. An folgende Aspekte – äußere Rahmenbedingungen und Personeneigen-

schaften – muss beispielsweise gedacht werden:

Wie ist die Vorerfahrung der betreffenden Person im Hinblick auf FÖRMIG – oder

auf ähnliche Entwicklungsprogramme?

Wie wird der Bedarf nach den Konzepten von FÖRMIG eingeschätzt – ohne diese be-

reits zu kennen?

Wie aufgeschlossen ist die Person neuen Ideen gegenüber allgemein?

Wissen als

Grundlage

Überzeugen als

Aufgabe indivi-

duellen Trans-

fers

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Wie vernetzt ist diese Person in ihrem jeweiligen sozialen Umfeld? Welche soziale

Stellung hat sie inne? Welche weiteren Rollen und Aufgaben nimmt sie wahr?

Wie unterstützend oder hemmend sind die Normen und Werte des jeweiligen sozi-

alen Systems, also etwa einer Schule, einer Kita oder einer Nachbarschaft in einem

Ort, im Hinblick auf FÖRMIG?

Im zweiten Schritt erfolgt die Bewertung von FÖRMIG vor dem Hintergrund der eige-

nen Aufgaben und Erfahrungen. Dieser Schritt baut auf dem vorher erworbenen Wis-

sen auf und beinhaltet eine Einschätzung der Innovation nach fünf unterschiedlichen

Kriterien. Diese einzelnen Teilschritte zur Überzeugung müssen nicht alle im Sinne des

Empfängers positiv bewertet werden; denkbar ist auch, dass die positive Antwort auf

eine der Fragen eine andere negative Antwort ausgleicht. Die Fragen lauten:

Welche Vorteile hat diese neue Handlungsweise gegenüber bisherigen? Wenn in

der individuellen Einschätzung der Nutzen der Innovation nicht deutlich wird, dann

fehlt ein wesentlicher Antrieb für die Umsetzung und Anwendung. Die Einschät-

zung der inhaltlichen Relevanz kann zwar durch einen äußeren Druck zur Verände-

rung (z. B. durch ein bereits aktives Kollegium, durch ministerielle Vorgaben) be-

einflusst werden, hier sind jedoch auch negative Einflüsse auf die individuelle Ver-

änderungsmotivation denkbar.

Ist die Innovation denn kompatibel zum bisherigen Handeln? Gerade im Hinblick

auf Veränderungen in pädagogischen Institutionen droht an dieser Stelle ein Schei-

tern des Transfers, falls mit einer Entscheidung für die Innovation gleichzeitig eine

Abwertung aller bislang praktizierten Verhaltensweisen verbunden ist.

Wie komplex sind eigentlich die angestrebten Veränderungen? Die Innovation

muss letztendlich auch angewandt werden können, d. h. in den Zielorganisationen

müssen die Kompetenzen vorhanden sein, um das neue Verfahren, die veränderte

Methode einsetzen zu können. Je komplexer aber die angestrebten Veränderun-

gen sind, desto schwieriger wird die Anwendung im neuen Umfeld.

Die beiden letzten Fragen drehen sich schließlich um die Frage nach der

Erfahrbarkeit der Innovation. Kann das geänderte Sprachförderkonzept mögli-

cherweise in einem geschützten Umfeld getestet werden oder sind zumindest die

Auswirkungen anderswo direkt erfahrbar? Ein Bericht über die erfolgreiche Einfüh-

rung zählt allerdings nicht als eine direkte Erfahrung!

Spätestens nach diesem Teilschritt fällt die Entscheidung über die Akzeptanz der Neuerun-

gen. Diese Entscheidung bedeutet jedoch nicht mehr als das Zugeständnis, es doch mal mit

FÖRMIG zu probieren.

Würde hier der Entscheidungsprozess zum Kauf eines Autos beschrieben, dann wären

wir nun bei der Probefahrt. Beim Kleiderkauf befänden wir uns bei der Anprobe.

Genau dabei zeigen sich die Tücken in der Umsetzung: Fährt das Auto so, wie wir uns

das vorstellen? Einige Hebel und Funktionen sind möglicherweise an einer unge-

wohnten Stelle, neue Funktionen überraschen während der Fahrt. Vielleicht kneift die

Hose an der einen Stelle, oder die Beine sind etwas zu kurz. Während der Umsetzung

suchen wir somit nach Unterstützung: Wer kann die Funktionen des Fahrzeugs erklä-

ren, wo kann man gefahrlos üben? Kann das Kleidungsstück geändert werden? Wie

viel Aufwand und Kosten sind damit verbunden?

Transfer wird

vom Empfänger

bestimmt – nicht

vom Sender.

Erst während der

Umsetzung fällt

die Entschei-

dung für oder

gegen die Inno-

vation

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Im letzten Schritt wird die Entscheidung anhand der persönlichen Erfahrungen seit der Ent-

scheidung für oder gegen die Akzeptanz und Anwendung der neuen Erkenntnisse überprüft.

Erst wenn diese Hürde genommen ist, ist der Transfer der Erkenntnisse erfolgreich verlau-

fen, sind das Fahrzeug oder das Kleidungsstück gekauft oder eben eine Idee von FÖRMIG an

einer neuen Stelle etabliert.

2.3.2 W IE K ANN EIN E OR GAN ISATION LE RN EN?

Organisationen verändern sich – trotz aller Beharrungskräfte –, indem sie ihre Ziele und

Strukturen, ihre Methoden und Ressourcen verändern. Als Auslöser dienen dabei leichter

innere als äußere Anreize, insbesondere dann, wenn die bisherige Arbeit als erfolg-

reich wahrgenommen wurde. Ob diese Wahrnehmung von Personen außerhalb die-

ser Organisation geteilt wird, ist dabei zweitrangig.

Somit trifft das Anliegen, Ideen und Konzepte von FÖRMIG zu transferieren, bei poten-

ziellen Zielorganisationen nicht nur aufgrund persönlicher Entscheidungsprozesse auf

Widerstand, sondern auch aufgrund der etablierten Strukturen und Methoden sowie

möglicherweise konkurrierenden Zielen und Ressourcen.

Wenn wir versuchen, für den Lernprozess einer Organisation ein ähnliches Schema wie in

Abbildung 2 zu verwenden, werden die Schwierigkeiten schnell deutlich. Wenn wir Lernen

als einen Vorgang der Wissensvermehrung sehen, dann stellt sich als erstes die Frage: Wo-

rin liegt das Wissen einer Organisation?

Natürlich liegt das Wissen über die Konzepte und Ergebnisse von FÖRMIG zuerst bei den be-

teiligten Personen; das ist jedoch nicht die Lösung, sondern das eigentliche Problem. Erst

wenn dieses Wissen strukturell in den Zielorganisationen verankert wird, ist es für diese

verlässlich verfügbar.

Stellen Sie sich beispielsweise vor, eine Schule würde neu gegründet werden, der Unterricht

müsste aber ohne Rückgriff auf einen Lehrplan, ohne Schulbücher, ohne Stundenplan ab-

solviert werden. Es wären also nur noch die individuellen Kenntnisse und Fertigkeiten der

Lehrkräfte im Unterricht nutzbar. Was würde geschehen? Das Kollegium wird sich

zunächst auf seine Fertigkeiten und Kenntnisse konzentrieren, wobei neben den fach-

lichen Schwerpunkten auch schnell Einfluss und soziale Stellung in dieser Gruppe

geklärt werden. Hier würden also Prozesse der Teamentwicklung ablaufen. Diese neu

gegründete Organisation hätte nach kurzer Zeit eine soziale Struktur sowie ein Curri-

culum, das sich auf die Kenntnisse und Fertigkeiten der einzelnen Personen stützt.

Veränderte sich nun die personelle Zusammensetzung des Kollegiums, dann veränderten

sich sowohl Inhalte als auch die soziale Struktur dieser Schule, so dass eine zuverlässige Pla-

nung ebenso wenig möglich wäre wie eine einfache Kommunikation der Inhalte oder Zu-

ständigkeiten.

Mehr Zuverlässigkeit erhält diese Schule erst dann, wenn die Inhalte und Strukturen grund-

legend von den Personen getrennt werden. Ein neuer Fachleiter in Mathematik kann eigene

Akzente setzen, an Wettbewerben teilnehmen, Kontakte zu externen Organisationen su-

chen, auch wenn dies sein Vorgänger nicht getan hat. Er bleibt aber verantwortlich für das

Fach und dessen weitere Lehrkräfte. Die Rolle eines Fachleiters ist als Bestandteil der Schul-

struktur definiert, unabhängig von der diese Rolle ausfüllenden Person.

Organisationen

lernen über die

Veränderung

von Strukturen

und Prozessen.

Nachhaltigkeit

durch Veranke-

rung von FörMig

in Prozessen

und Strukturen

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Eine wesentliche Aufgabe beim Transfer von FÖRMIG besteht somit darin, den Schritt von

interessierten und engagierten Personen hin zur Verankerung in Rollen, Prozessen und

Strukturen gelingen zu lassen. Möglich wäre dies beispielsweise über Prozesse des Quali-

tätsmanagements in den einzelnen Zielorganisationen.

3 WIE FUNKTIONIERT DENN NUN TRANSFER? Wie kann diese Verankerung erreicht werden? Der beschriebene individuelle Prozess der

Überzeugung hilft, die richtigen Akzente zur Unterstützung der Entscheidung einzel-

ner Personen zu setzen. Ohne die darüber hinausgehende strukturelle Verankerung in

den Zielorganisationen werden die Personen jedoch mit der Umsetzung alleine gelas-

sen. Ob die Umsetzung für die gesamte Organisation gelingt, bleibt ohne diese weite-

re Unterstützung dem Geschick und dem Einfluss der bereits überzeugten Einzelper-

sonen überlassen.

Wie kann diese Unterstützung zur strukturellen Verankerung angegangen werden?

Es ist wichtig, die IN H A LT E zu betrachten, z. B. Angebot und Nachfrage inhaltlich zu analy-

sieren, um dann beispielsweise FÖRMIG an die jeweiligen Zielgruppen angepasst zu kommu-

nizieren.

Es ist wichtig, auf die PE R S O N E N einzugehen, ihren individuellen Entscheidungsprozess zu

verstehen und an den wesentlichen Stellen zu unterstützen.

Es ist wichtig, das soziale System, die S T R U K T U R E N der jeweiligen Zielorganisation zu ver-

stehen und bei der Umsetzung von FÖRMIG zu unterstützen.

Alle drei Einflussmöglichkeiten sind eng miteinander verknüpft und werden nachfolgend in

einem gemeinsamen Modell zusammengefasst.

3.1 DAS WELLENMODELL DES TRANSFERS IN ENTWICKLUNGS-

PROJEKTEN Die drei Aspekte Inhalt, Person und Struktur wirken nicht isoliert voneinander, sondern

müssen im Zusammenhang betrachtet werden. Dieser Zusammenhang der Bereiche kann

als Wellenmodell des Transfers (Jäger, 2004) veranschaulicht werden (siehe Abbildung 3):

Inhalt, Person und Struktur bilden einen gemeinsamen Kontext. Transfer findet somit

statt, wenn Erkenntnisse aus einem Kontext A (innerer Kreis) in einen Kontext B (äu-

ßerer Ring) übertragen werden. Die beiden Kontexte unterscheiden sich dabei in

einem oder mehreren der sie konstituierenden Bereiche.

Beispielsweise umfasst Kontext B andere Personen; möglich wäre auch, dass diesel-

ben Personen einen Inhalt in einer neuen Struktur (Fachbereich, Schule etc.) anwen-

den. Wenn also Sprachstandsanalysen (Inhalt) in FÖRMIG (Kontext A) erprobt werden, dann

setzt der Transfer an eine bislang nicht beteiligte Einrichtung (Kontext B) voraus, sich mit

den dort arbeitenden Personen und der Struktur dieser Einrichtung auseinanderzusetzen.

Einflussfaktoren auf den Transfer werden an den Schnittstellen der einzelnen Bereiche

deutlich. So weist die Verbindung von PE R S O N U N D IN H A LT beispielsweise auf Motivation

und Kompetenz als wesentlichen Einflussfaktor hin. Aus der Verbindung von I N H A L T U N D

ST R U K T U R kann auf Ziele und Steuerung geschlossen werden. Die Schnittstelle von PE R -

Personen, Inhal-

te und Struktu-

ren müssen ge-

meinsam be-

trachtet werden.

Transfer passiert

nicht automa-

tisch – Unter-

stützung ist

sinnvoll

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S O N U N D S T R U K T U R definiert die Bedeutung von Kooperation und Führung im Rahmen des

Transfers.

Motivationsunterstützung

Change Agent

Person

Inhalt

Str

ukt

ur

Inhaltliche Relevanz / N

utzen

Change A

gent Pro

jekt

man

agem

ent

Cha

nge

Age

nt

Kooperation

Führung

Motivation

Kompetenz

Ziele

Steuerung

Kontext A

Person

Inhalt S

trukt

ur

Kontext B

Konte

xt B K

onte

xt B

ABBILDUNG 3: WELLENMODELL DES TRANSFERS IN ENTWICKLUNGSPROJEKTEN (JÄGER, 2004, S. 126)

In allen Bereichen kann und sollte Transfer gefördert werden, beispielsweise durch die Klä-

rung der inhaltlichen Relevanz der Entwicklung, durch Motivationsunterstützung im Rah-

men der Einführung sowie durch professionelles Projektmanagement. Eine Unterstützung

durch Personen, die sowohl mit dem Fachthema als auch mit der Zielgruppe vertraut sind

(sog. Change Agents: Fullan, 1998), erscheint dabei in den meisten Fällen zur Begleitung des

Transfers sinnvoll.

Betrachten wir zunächst die Elemente des Wellenmodells im Einzelnen:

3.1.1 IN HALT

Einige Entwicklungen besitzen eine so hohe inhaltliche Anziehungskraft, dass die Verbrei-

tung bzw. der Transfer auch ohne weitere Unterstützung geschieht. Der Nutzen von Mobil-

telefonen beispielsweise musste nicht durch ein staatliches Förderprogramm bekannt ge-

macht werden. Mobiltelefone entwickelten sich vom Statussymbol in den 1980’er Jahren

hin zu einem Allerweltsgegenstand. Das Problem bestand nicht darin, den Nutzen und die

Möglichkeiten von Mobiltelefonen zu verdeutlichen, sondern die Kosten auf ein für

einen Großteil der Bevölkerung akzeptables Niveau zu senken.

Betrachtet man diese Verbreitung, dann wird ein Muster deutlich, das nach der Diffu-

sionstheorie (Rogers, 2003) für unterschiedliche Bereiche (z. B. Medikamente, Saat-

gut, Nachrichten oder ein Mathematikcurriculum) immer wieder auftaucht. Trägt

man die Verbreitungshäufigkeit (z. B. die Anzahl der Mobilfunknutzer) auf einer Zeit-

achse ab, dann resultiert daraus eine s-förmige Kurve mit einem flachen Beginn, einer stei-

len Mittelsektion sowie einem wieder abflachenden Ende, wenn sich die Kurve der maxima-

len Verbreitung der Innovation in der jeweiligen Population annähert (Abbildung 4).

Verbreitung wie

von alleine –

leider eine Aus-

nahme

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Wie diese Kurve im Einzelfall, d. h. für eine einzelne Innovation aussieht, hängt von Details

dieser Innovation ab. Als mögliche Faktoren werden unter anderem die Attraktivität der In-

novation – also deren subjektiv eingeschätzte Bedeutung – und der Grad der Vernetzung

innerhalb der Zielgruppe genannt.

Zeit

Verbreitung

Schwellenwert / Auslöser

Vorreiter („Early Adopters“)

Nachzügler („Late Adopters“)

Innovation 1

Innovation 2 Innovation 3

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

ABBILDUNG 4: SCHEMATISCHE VERBREITUNGSKURVEN UNTERSCHIEDLICHER INNOVATIONEN (JÄGER, 2004,

S. 89, IN ANLEHNUNG AN ROGERS, 2003)

Eine Diffusionskurve hat weiterhin einen Bereich, innerhalb dessen die anfangs flache Kurve

plötzlich steil ansteigt. Dieser steile Anstieg bedeutet, dass sich die Innovation nun selbst

trägt, beispielsweise dadurch, dass sich aufgrund einer engen Vernetzung der Zielper-

sonen sowie einer attraktiven, nutzbringenden Idee eine Art Schneeballeffekt der

Verbreitung einstellt.

Die Bewertung der inhaltlichen Relevanz der Innovation, d. h. der Vergleich zwischen

nötigem Aufwand und erwartetem Nutzen, der durch die Innovation erzielt wird, gibt

entscheidende Impulse für deren Akzeptanz und Umsetzung. Die wahrgenommene inhaltli-

che Relevanz ist auch aus der Sicht der Motivations- und Interessentheorie ein bestimmen-

der Faktor (z. B. KRAPP/PRENZEL, 1992).

3.1.2 PERSON

Zwei Aspekte sind bei der Betrachtung der an Transferprozessen beteiligten Personen be-

deutsam; beide entstehen durch die Verknüpfung der Inhalte mit den Personen:

Sind die beteiligten Personen erstens motiviert, aktiv an der Verbreitung mitzuwirken,

und besitzen sie zweitens auch die Kompetenz, dies zu tun? Eine Erweiterung der

Kompetenz der Lehrkräfte beispielsweise zur Anwendung von HAVAS 5 ist im Rahmen

einer Schulung gut möglich, sofern die betroffenen Personen motiviert sind, sich mit

diesem Thema zu befassen. Motivationsunterstützung ist jedoch nicht anhand einer

einzelnen Schulung möglich. Nach Deci & Ryan (1993) sind dazu unterstützende Akti-

vitäten in drei Bereichen nötig: Kompetenzunterstützung, Autonomieunterstützung sowie

soziale Einbindung. Im Werkstattteil (Kap. 4) werden Möglichkeiten zur Motivationsunter-

stützung vorgestellt.

Fähigkeit und

Motivation för-

dern

Projektmanage-

ment und positi-

ves Führungs-

handeln

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3.1.3 STRUKTUR

Unter Struktur werden die Gestaltungsmerkmale des Arbeitsumfelds, die den Transfer be-

einflussen, zusammengefasst. Die Struktur im Zielkontext umfasst also die Regeln und Be-

ziehungen, die Arbeitsprozesse und Zuständigkeiten der empfangenden Organisation. Hier

ergeben sich die bedeutsamen Einflussfaktoren durch die Kombination mit den angrenzen-

den Sektoren. Wir müssen also Ziele und die Steuerung der Umsetzung im Hinblick auf die-

se Ziele einerseits betrachten (Verknüpfung von Inhalt und Struktur), wir müssen anderer-

seits die Zusammenarbeit und die Aufgabe der Führung – die Verknüpfung von Per-

sonen und Struktur im Auge behalten.

Orientiert man sich an Erkenntnissen der Projektmanagementforschung (z. B. Lechler,

1997), dann zeichnen sich erfolgreiche Projekte durch eine transparente Planung und

Zieldefinition, durch eine gute Kommunikation und Kooperation der Beteiligten sowie

durch eine verlässliche Unterstützung durch das Top-Management aus. Da die Ent-

wicklung pädagogischer Institutionen ebenfalls in Projektstrukturen stattfindet, sollten die

Erkenntnisse der Projektmanagementforschung auch hier gelten. Insbesondere bietet die

Praxis des Projektmanagements zahlreiche Anregungen, wie Ziele definiert und verfolgt

werden können. Auch für die Themen Kooperation und Führung gibt es anerkannte Emp-

fehlungen (ausführlich etwa bei Neuberger, 2002)

3.2 TRANSFER PRAKTISCH FÖRDERN Transfer zu fördern bedeutet also, bislang nicht an einer Entwicklung beteiligte Personen

vom Sinn dieser Entwicklung zu überzeugen, sie bei der erstmaligen Umsetzung und An-

wendung zu unterstützen und für eine fortdauernde Anwendung zu sorgen. Diese Maß-

nahmen können ebenfalls nach den drei Aspekten Inhalt, Person und Struktur getrennt be-

leuchtet werden. Bei der praktischen Umsetzung ist es zusätzlich hilfreich, die unterschied-

lichen Einflussmöglichkeiten der angesprochenen Zielgruppen im Blick zu behalten (Tabelle

1):

TABELLE 1: HEURISTISCHES RAHMENMODELL (MARITZEN, 2006), AUFBAUEND AUF ABBILDUNG 3 (JÄGER,

2004).

Inhalte Strukturen Personen

normative Ebene

Einbettung in curri-culare Zielvorgaben, Rahmensetzungen für Schulentwicklung

Vorgaben für Verbind-lichkeitsstrukturen, Dienstanweisungen

Professionelle Stan-dards, Aufgabenbe-schreibungen, Pflichten-hefte

strategi-sche Ebene

Empirische Flächen-analysen, Standard-programme mit Variabilität, Infor-mationsoffensive

Globale Ressourcenkon-zepte, Institutionelle Vernetzung, Systempfle-ge, Evaluationssysteme

Multiprofessionelle Kooperationsstrukturen, Beratung/ Qualifizierung

operative Ebene

Materialien, Tools, Verfahren, Instru-mente

Verantwortungsstruktu-ren u. Handlungsrahmen, Monitoringsystem, Tech-nische Infrastruktur

Professionelle Lernge-meinschaften, Nachweis von Lernerfolgen bei Kindern und Personal

Der Transfer von FÖRMIG findet einerseits auf einer operativen Ebene statt. Hier sind päda-

gogisches Personal, Einrichtungs- und Schulleitungen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von

Umsetzung des

Wellenmodells in

die Realität der

Bildungsadmi-

nistration

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Initiativen und Vereinen angesprochen, also alle diejenigen, die an der direkten Anwendung

der erarbeiteten Materialien sowie an der Umsetzung der Prozesse vor Ort beteiligt sind.

Auf der strategischen Ebene werden die Konzepte von FÖRMIG mit anderen Initiativen ver-

netzt, der Ressourceneinsatz geplant und die operative Umsetzung unterstützt. Hier sind al-

so vor allem Personen und Organisationen angesprochen, die eine Steuerungs- und/oder

Unterstützungsfunktion inne haben. Aufsichts- und Kontrollgremien, Aus- und Fortbildungs-

institute, wissenschaftliche Begleitung und Forschung sind hier als Akteure angesprochen.

Auf einer normativen Ebene sind die Vorgaben und Richtlinien angeordnet. Hier geht es ei-

nerseits um die Entscheidungen der Bildungspolitik und Anordnungen der oberen Bildungs-

administration, andererseits um professionelle Standards und etablierte Prozesse.

Aus beiden Ansätzen, also der Trennung von Planung/Unterstützung und Umset-

zung/Anwendung einerseits sowie den Aspekten Inhalt, Person und Struktur andererseits

lassen sich Empfehlungen zur Gestaltung von Transferprozessen ableiten.

3.2.1 ZUR PLANUNG VO N TR ANS FER

Folgende Planungsschritte für die Unterstützung von Transfer sind ratsam. Sie sind den Be-

reichen Inhalt, Struktur oder Person zugeordnet:

IN H A L T

1. KLA R E BE S CH R E I B U N G D E R Z I E LE : Die eigenen Ziele schriftlich zu fixieren und in-

nerhalb der Organisation abzustimmen ist eine notwendige Aufgabe im Rahmen

von Innovationen. Erfolgreiche Projekte zeichnen sich einerseits durch klare, ak-

zeptierte Ziele und andererseits durch wenige Änderungen ihrer Ziele aus (LECHLER,

1997; JÄGER, 2004). Die Ergebnisse aus anderen Modellversuchsprogrammen (z. B.

QuiSS: PRENZEL u. a., 2004) zeigen eine große Streubreite in der Qualität der Zielbe-

schreibungen – und entsprechende Variation in den Ergebnissen. Zur Unterstüt-

zung des Transfers sollte FÖRMIG daher großen Wert auf klar definierte und akzep-

tierte Ziele legen. Entscheidend ist nicht, eine umfassende Lösung aller Probleme

zu versprechen, sondern die eigenen Angebote möglichst detailliert, nachvollzieh-

bar und realistisch zu formulieren.

2. NU T Z E N V O N FÖ RM I G F Ü R D I E B E T E I L I G T E N U N D B E T R O F F E N E N PE R S O N E N

V E R D E U T L I C H E N : Die direkt am Projekt beteiligten Personen ziehen für sich per-

sönlich erheblichen Nutzen aus dem Projekt, einerseits in Form von sozialer Ein-

bindung durch die Kooperation mit anderen, andererseits als konkrete Anregungen

für die eigene pädagogische Arbeit. In anderen Programmen wird von den unmit-

telbar an der Entwicklung beteiligten Personen trotz einer objektiv vorhandenen

Mehrarbeit eine vergleichsweise niedrige Belastung berichtet. Gleichzeitig werden

positive emotionale Effekte deutlich. Für die (noch) nicht beteiligten Personen ist

dieser Nutzen jedoch weniger offensichtlich. Eine entscheidende Aufgabe besteht

somit darin, den noch nicht beteiligten Personen den Nutzen von FÖRMIG zu ver-

deutlichen – unter Berücksichtigung des Aufwands.

S T R U K T U R

3. BE T E I L I G U N G D E R LE I T U N G : Die Leitung der Schule oder der Einrichtung über-

nimmt eine wesentliche Rolle für den inneren Transfer. Sie könnte zusätzlich im

Austausch mit anderen Schulen oder Kitas zu einer Verbreitung der Innovation bei-

Klare Ziele und

Kosten-Nutzen-

Analyse

Leitung immer

beteiligen

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tragen. Beteiligung der Leitung bedeutet dabei nicht nur die stillschweigende Dul-

dung des Entwicklungsvorhabens oder die einmalige Zustimmung am Beginn der

Arbeit, sondern die kontinuierliche Mitarbeit und Unterstützung im Entwicklungs-

und Umsetzungsprozess. Schließlich treten bei der Umsetzung von Innovationen

meist Fragen zu Ressourcen und Verantwortung auf, die zumindest von der Leitung

mitgetragen, wenn nicht sogar entschieden werden müssen.

4. UN T E R S T Ü T Z U N G D U R CH C H A N G E AG E N T S : In den Entwicklungsphasen der un-

terschiedlichen Programme waren jeweils externe Personen beratend, steuernd

und unterstützend tätig (OSTERMEIER, 2004; PRENZEL u. a., 2004). Aufgrund der theo-

retischen und durch empirische Belege gestützten Überlegungen aus der Diffusi-

onstheorie (Rogers, 2003) und der Schulentwicklungsforschung (Fullan, 2001) ist

diese Rolle für eine erfolgreiche Verbreitung hilfreich. Somit sollte auch nach dem

Ende der eigentlichen Entwicklungsarbeit diese Unterstützung weiter geleistet

werden. Personen aus den Unterstützungssystemen in den Ländern, also den Lan-

desinstituten, der Schulaufsicht, Lehrkräfte bzw. Pädagog(inn)en mit besonderer

Qualifikation oder Unterstützungsstrukturen der Träger könnten diese weiterge-

hende Unterstützung bieten. Dies erfordert allerdings strategische und normative

Weichenstellungen (vgl. Tabelle 1) und ist keineswegs ein automatisch ablaufender

Prozess, wie Erkenntnisse aus dem Umfeld des BLK-Programms SINUS-Transfer

zeigen (Jäger, 2006).

5. VE R P F L I C H T U N G Z U R DO K U M E N T A T I O N : Die teilnehmenden Projekte und deren

Basiseinheiten erstellen bereits eine fortlaufende Dokumentation ihrer Arbeit.

Durch diese Dokumentation kann sowohl eine Reflexion der eigenen Arbeit als

auch eine Grundlage zur Weitergabe an nicht beteiligte Personen und Organisatio-

nen geschaffen werden. Ungefiltert, d. h. ohne Berücksichtigung der Nachfrage des

Zielkontexts, macht allerdings die Weitergabe dieser Dokumentation wenig Sinn.

Die derzeit gewählte Form der Reflexion am Ende des Länderberichts stellt dage-

gen ein gutes Beispiel einer Verdichtung von Erfahrungen dar.

6. EN T W I CK LU N G I N K O O P E R A T I V E N ST R U K T U R E N : Ein starker Einfluss auf Transfer

wird übereinstimmend in den Erfahrungsberichten und den Forschungsarbeiten

durch die Kooperation der beteiligten Personen erreicht. Die soziale Einbindung in

eine Arbeitsgruppe fördert dabei einerseits die Motivation zur Mitarbeit; anderer-

seits wird gleichzeitig über die inhaltliche Kooperation eine an Produkten orientier-

te Rückmeldung möglich. Dies trägt zur Professionalisierung der beteiligten Perso-

nen bei. Schulübergreifende Kooperationsstrukturen zeigten übrigens im BLK-

Programm QuiSS keinen ausgeprägten Effekt; die Vernetzung mit außerschulischen

Organisationen war dagegen durchaus transferrelevant. Damit ist FÖRMIG in der

Anlage der Basiseinheiten auf einem erfolgversprechenden Weg.

PE R S O N

7. AU S W A H L U N D FÖ R D E R U N G G E E I G N E T E R PE R S O N E N : Das pädagogische Personal

nimmt an den aktuell stattfindenden Modellversuchsprogrammen überwiegend

freiwillig teil. Die positiven Auswirkungen für die Motivation und damit auch für

das Arbeitsergebnis legen nahe, von diesem Vorgehen nicht abzuweichen. Aller-

dings stellt sowohl die Projektarbeit selbst als auch die Rolle des Change Agents

von den üblichen Arbeitsinhalten abweichende Anforderungen, zu denen mögli-

cherweise nur in geringem Umfang entsprechende Kompetenzen vorhanden sind.

Als Reaktion auf diese Ausgangslage bietet sich eine Kombination von Selektion

Change Agents

zur Unterstüt-

zung der Um-

setzung

Knappe Reflexi-

on der Erfahrun-

gen: Gute Um-

setzung in den

Länderberichten

Zusammenarbeit

ermöglicht ver-

besserte Pla-

nung durch

Feedback

Freiwilligkeit der

Entwicklungsar-

beit vs. Verbind-

lichkeit der Um-

setzung

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und Förderung an. Insbesondere die Rolle des Change Agents könnte über einen

kriteriengeleiteten Auswahlprozess besetzt werden und diese Entscheidung auch

durch eine prozessbegleitende Evaluation überprüft werden. Langfristig stellt die

aktive Arbeit in der Entwicklung von Bildungseinrichtungen jedoch Anforderungen

an das Personal, die nur durch eine Anpassung der Ausbildung bzw. spezifische

Fortbildungen erfüllt werden können.

3.2.2 ZUR UMS ET ZUNG DES TRAN S FER S

Die dargestellten Grundsätze der Planung und Entwicklung wirken sich während der Durch-

führung und Umsetzung weiter aus. Zusätzlich lassen sich für die Durchführung noch weite-

re Schlussfolgerungen ableiten:

IN H A L T

8. RE G E LM Ä ß I G E VE R Ö F F E N T L I CH U N G D E S UM S E T Z U N G S F O R T S C H R I T T S U N D I N -

T E R N E R AU S T A U S CH : Sofern nicht die gesamte Institution an der Umsetzung be-

teiligt ist, besteht die Gefahr, dass sich die aktiv an der Umsetzung beteiligten vom

Rest des Kollegiums abkoppeln und Merkmale einer Gruppenkohäsion entwickeln

(Argyle, 1990). Dies ist für den Transfer der Innovation eher hinderlich. Schließlich

ist eine der Grundlagen der schnellen Verbreitung einer Innovation der Grad der

Vernetzung des sozialen Systems, eine Spaltung in „Insider“ und „Outsider“ wäre

ein grober Rückschlag. Dem Effekt der Gruppenkohäsion kann durch eine Intensi-

vierung des internen Austauschs entgegengewirkt werden; regelmäßige und offe-

ne Kommunikation über Ziele und Fortschritte der Umsetzung sind dazu sinnvoll.

S T R U K T U R

9. EV A LU A T I O N U N D ST E U E R U N G D E S PR O J E K T S : Die Ziele des Transfers bzw. der

Umsetzung sollten regelmäßig im Hinblick auf ihren Fortschritt überprüft und ge-

gebenenfalls angepasst werden. Erfahrungen bestehen hier einerseits mit etablier-

ten Qualitätsmanagementverfahren (EFQM-Modell in der Schulentwicklung, Ree-

se, 2005), andererseits auch mit weniger formalisierten Verfahren wie z. B. Quali-

tätszirkeln (SCHNOOR/LANGE/MIETENS, 2006). Zur Einführung von Qualitätszirkeln

siehe auch die Checkliste unter 4.1.1.

10. VE R LÄ S S L I CH E UN T E R S T Ü T Z U N G S S T R U K T U R E N A U F B A UE N : Mit dem Ende der

Projektlaufzeit fallen die projektspezifischen Unterstützungsstrukturen weg. Für

die weitere interne Verbreitung sowie die Weitergabe an andere Organisationen

steht nur dann eine weitergehende fachliche Beratung zur Verfügung, wenn be-

reits während der Projektlaufzeit die Unterstützungsstrukturen geschaffen wur-

den. Die Ergebnisse zur Rolle der regulären Unterstützungssysteme im Umfeld von

SINUS-Transfer (Jäger, 2006) legen nahe, sich um die zukünftige Rolle von Unter-

stützungssystemen bei FÖRMIG aktiv zu bemühen.

PE R S O N

11. MO T I V A T I O N S U N T E R S T Ü T Z E N D E MA ß N A H M E N F Ö R D E R N TR A N S F E R : Während

der Umsetzung und beim Transfer können sowohl die Change Agents als auch die

jeweiligen Leitungen die Motivation der Zielgruppen zur Übernahme der Entwick-

lung positiv beeinflussen. Die aus der Selbstbestimmungstheorie sowie der päda-

gogisch-psychologischen Interessentheorie bekannten Einflussfaktoren Autono-

mieunterstützung, Kompetenzunterstützung, Verbesserung der sozialen Einbin-

Kommunikation

ist auch während

der Umsetzung

ein Erfolgsfaktor

Steuerung nach

professionellen

Standards

Regelunterstüt-

zungssysteme

müssen explizit

eingebunden

werden

Motivationsun-

terstützung

bleibt auch bei

der Umsetzung

wichtig

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dung sowie Verdeutlichung der inhaltlichen Relevanz (KRAPP/PRENZEL, 1992;

DECI/RYAN, 1993) wirken für die Verbreitung der Innovation förderlich. Praktisch

bedeutet dies beispielsweise, den Personen in den Zielorganisationen Freiräume

zum Ausprobieren der Innovation zu lassen sowie qualifizierte und konstruktive

Rückmeldungen zu geben und zu akzeptieren. Insbesondere ein offenes Ohr der an

der FÖRMIG-Entwicklung Beteiligten für Rückmeldung, eine Möglichkeit der Rück-

kopplung der bei der Umsetzung gemachten Erfahrungen an die ursprünglichen

Entwickler und ein sich daraus entspinnender Dialog könnten helfen, FÖRMIG län-

gerfristig als Markenzeichen zu etablieren.

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4 WERKSTATTTEIL1 Der Werkstattteil soll als Anregung zur Planung und Steuerung von Transfer dienen. Er teilt

sich auf in die beiden Schritte der Vorbereitung (Kap. 4.1) sowie der Durchführung des

Transfers (Kap. 4.2). Allerdings kann dieser Abschnitt keine ausführliche Anleitung zum Pro-

jektmanagement geben. Weitere hilfreiche Überlegungen finden sich außerdem bei

KRIEGESMANN u.a. (2006).

4.1 TRANSFER VORBEREITEN UND PLANEN Im Abschnitt 4.1.1 folgt zunächst eine Checkliste zum Start eines Qualitätszirkels. Diese Liste

kann ebenso zur anfänglichen Einschätzung eines Transferthemas verwendet werden. An-

schließend wird das Thema „Ziele finden und formulieren“ nochmals ausführlicher aufge-

griffen (4.1.2). Abschnitt 4.1.3 thematisiert die Frage, wie geeignete Ansprechpartner für

die Umsetzung gefunden werden können. Das letzte Praxisbeispiel in diesem Abschnitt

zeigt einen Kommunikationsplan (4.1.4), der die Planung und Umsetzung eines Transfers

strukturieren hilft.

4.1.1 CHECK LI ST E ZUM ST AR T EIN ES QUALIT ÄT S ZIR KELS

1. Grundfrage: Welches Thema soll (muss) bearbeitet werden? (Schritt 1 entfällt ge-

gebenenfalls bei einem extern vorgegebenen Thema – sinnvoll wäre es aber in je-

dem Fall, die eigenen Bedarfe gegen das zu transferierende Angebot zu stellen).

a. Problemanalyse b. Stärken-Schwächen-Analyse c. Priorisierung der Probleme

2. Checkfragen:

a. Ist das Thema für die Schule von hoher Wichtigkeit? b. Ist das Thema allgemein akzeptiert? c. Bin ich persönlich an diesem Thema interessiert? d. Interessieren sich auch andere Zielgruppen für dieses Thema?

i. Wenn ja, welche? ii. Wenn nein, welche müssen gewonnen werden, und wie?

e. Sind diese Zielgruppen im Arbeitsprozess beteiligt? i. Wenn nein, werden sie regelmäßig informiert?

f. Sind positive Konsequenzen zu erwarten? i. Wenn ja, welche?

ii. Wenn nein: Werden negative Konsequenzen vermieden? 1. Wenn ja, welche? 2. Wenn nein: Abbruch! Neues Thema suchen!

g. Ist das Thema konfliktbelastet? i. Wenn ja, Konfliktanalyse durchführen.

h. Ist das Thema überschaubar, sind die Aufgaben also bereits klar? i. Wenn ja: Verteilung der Aufgaben: Wer macht was bis wann mit wel-

cher Unterstützung, und wie wird das Ergebnis festgehalten? ii. Wenn nein: Zu 3. Gliederung der Ziele und Aufgaben.

3. Einschränkung und Konkretisierung auf einzelne Ziele und Aufgaben:

a. Konkrete Formulierung der Aufgabe, z. B. durch i. Positive Kaskade: Wie kann erreicht werden, dass…?

1 Der Werkstattteil basiert auf Material, das zum Teil bei Tagungen von FÖRMIG oder bei an-

deren Entwicklungsprogrammen (z. B. JÄGER/REESE, 2008) eingesetzt wurde.

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ii. Negative Kaskade: Wie kann die Situation noch verschlimmert wer-den?

b. Sind die Ziele SMART – Spezifisch, Messbar, Akzeptiert, Realistisch und Ter-miniert?

i. Spezifische Ziele: 1. Ist klar formuliert, was erreicht werden soll? 2. Ist klar formuliert, was nicht erreicht werden soll?

ii. Messbarkeit der Ergebnisse 1. Sind die Kriterien nachvollziehbar? 2. Sind die Kriterien messbar bzw. beobachtbar? (Indikatoren) 3. Sind die Instrumente passend zu den Indikatoren und leicht an-

wendbar? iii. Akzeptierte Ziele

1. Sind die Ziele abgestimmt? 2. Wie werden Bedenken aufgenommen? 3. Gibt es einen Advocatus Diaboli? 4. Wer ist an der Umsetzung noch beteiligt oder von den Auswir-

kungen betroffen? iv. Realistische Ziele

1. Welche Umsetzungsideen gibt es? i. Überprüfen der Ziele nach Beeinflussbarkeit, Dringlichkeit, Er-

trag, Aufwand, Bedeutung. ii. Priorität der Ziele festlegen

1. Gibt es bereits Beispiele für eine erfolgreiche Umsetzung? v. Terminierte Ziele

1. Ist der Zeitrahmen bereits in einer ersten Version festgelegt? 2. Ist der Zeitrahmen noch veränderbar? 3. Ist die Kommunikation von Zwischen- und Endergebnissen be-

rücksichtigt? 4. Ressourcenplanung

a. Sind personelle Ressourcen vorhanden? i. Wenn nein: Wie können Personen gewonnen werden?

1. Mögliche Hindernisse? i. Fehlende Qualifikation

ii. Fehlende Motivation iii. Fehlender Spielraum

b. Sind finanzielle Ressourcen vorhanden? i. Wenn nein, wie können Ressourcen gewonnen werden?

5. Aufgabenplanung

a. Verteilung der Aufgaben: Wer macht was bis wann mit welcher Unterstützung und wie wird das Ergebnis festgehalten?

i. Zeitplanung: Gibt es Ressourcenkonflikte oder Überschneidungen, Be-lastungsphasen?

ii. Sind Zwischenziele festgelegt? b. Transferplanung

6. Steuerung und Zwischenüberprüfung

a. Drei Parameter der Steuerung: i. Qualität

ii. Zeit iii. Personalressourcen

b. Regeln der Zusammenarbeit c. Protokolle d. Kommunikation von Zwischenständen e. Transfer

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4.1.2 Z IELE DEFINI ER EN 2

Ziele sind die gedankliche Vorwegnahme des erwünschten zukünftigen Zustandes, der

durch das Handeln des Projektteams erreicht werden soll. Der erstrebte Zustand wird posi-

tiv beschrieben, anstatt negativ festzuhalten, was nicht eintreten soll (sog. „Vermeidungs-

ziel“). Positive Ziele haben eine höhere Anziehungskraft, setzen mehr schöpferische Kräfte

frei und sind damit motivierender. Die Aufmerksamkeit wird direkt auf das gelenkt, was er-

reicht werden soll.

Durch die zeitliche Festlegung ist definiert, wann überprüft werden kann, wie weit das an-

gestrebte Ziel umgesetzt werden konnte. Ein Ziel stellt immer eine Herausforderung dar,

wodurch Energie und Durchhaltewillen gestärkt werden können. Etwas, das man sowieso

irgendwann ohne weitere Bemühungen erreichen wird, ist kein Ziel. Die Ziele sollen schließ-

lich mehr sein als „gute Vorsätze“!

Wichtig bleibt, sich realistische Ziele zu setzen, um die Balance zu halten zwischen dem mo-

tivierenden Charakter von Zielen und dem Druck, den sie nach sich ziehen, wenn man sich

zu viel vorgenommen hat.

WAS IST EIN "IDEALES" ZIEL?

spezifisch:

Ein konkretes (Teil-)Ziel ist angegeben.

messbar:

Der Grad der Zielerreichung lässt sich beobachten oder messen.

akzeptiert:

Im Kollegium besteht Konsens darüber, dass dieses Ziel erreicht werden soll.

realistisch:

Das Ziel ist unter den gegebenen Rahmenbedingungen erreichbar.

terminiert:

Ein Zeitpunkt für die geplante Zielerreichung ist angegeben.

ABBILDUNG 5: SMARTE Z IELDEFINITION (REESE, 2007)

Im nächsten Schritt werden diese Ziele schrittweise konkretisiert, bis schließlich einzelne

Aufgaben benannt werden können. Für jede Aufgabe kann so festgelegt werden, was genau

von wem wann getan werden soll. Möglicherweise können zusätzlich Hinweise zur Umset-

zung der Aufgabe (das „wie?“) gegeben werden. Die folgende Grafik zeigt dies anhand eines

Beispiels (Abbildung 6).

2Ausführliche Darstellung bei JÄGER/REESE (2008 S. 222 f.).

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Verbesserung des Chemieunterrichts

Erneuerung Curriculum Ausbildung Lehrkräfte Unterrichtsevaluation

Festlegung Rahmenbedingungen

Formulierung Ziele Formulierung Indikatoren

Zielklärungsworkshop Abstimmung in der Schule

Aufgabenebene:Wer machtwasbis wann undwie?

ABBILDUNG 6: BEISPIEL EINES STRUKTURPLANS ZUR UMSETZUNG EINER ENTWICKLUNG (JÄGER/REESE,

2008 S. 224)

Der Strukturplan erleichtert die Aufteilung einzelner Aufgaben. Ausgehend von den Zielen

werden so lange Teilziele formuliert, bis schließlich eine Ebene erreicht ist, auf der klare

Verantwortlichkeiten mit einem Zeitplan und einer realistischen Durchführungsidee festge-

legt werden.

4.1.3 ANS PR ECHP ART N ER FI NDE N

Ansprechpartner zu finden ist im Rahmen von Transfervorhaben keine leichte Aufgabe. Zum

einen sind kompetente Mitwirkende gefragt – hier gibt Abbildung 7 einen Hinweis auf ein

Suchmuster. Dieses Schema kann dabei helfen, eine erste Vorauswahl der Ansprechpartner

zu treffen. Personen, mit sehr hoher Motivation und Erfahrung sind zwar die erste Wahl als

Mitwirkende und Kooperationspartner eines Transfervorhabens. Allerdings sind diese Per-

sonen häufig in so viele Vorhaben eingebunden, dass die Gefahr der Überlastung droht und

damit keine langfristige Bindung an das Transfervorhaben möglich ist.

Nachdem die Bereitschaft, sich mit der Innovation auseinanderzusetzen, also die Motivati-

on der angesprochenen Personen entscheidender für die nachhaltige Beteiligung ist als de-

ren Vorerfahrung, sollte dies bei der Auswahl auch entsprechend berücksichtigt werden.

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ABBILDUNG 7: AUSWAHL VON GEEIGNETEN PERSONEN NACH ERFAHRUNG UND MOTIVATION

Motivierte Mitarbeit alleine reicht nicht aus, wenn die geeignete Unterstützung fehlt. Ob

und wie Veränderungen in einer Organisation umgesetzt werden, hängt in hohem Maße

vom Einfluss der Personen ab, die diese Veränderungen unterstützen. Somit stellen sich ei-

nige Fragen:

Welche Personen müssen als Erstes zur Unterstützung gewonnen werden?

Wer hat besonderen Einfluss, kann Entwicklungen besonders fördern oder brem-

sen?

Wie können diese Personen erreicht werden?

Diese Fragen können durch das Erstellen eines Einflussnetzwerks beantwortet werden.

Nachfolgend werden die wesentlichen Elemente eines

Einflussnetzwerks dargestellt.

zentrale Personen:

stehen mit vielen anderen im direkten Kon-

takt; führen zahlreiche Gespräche; genießen

hohes Ansehen.

Meinungsmacher:

haben ebenfalls ein großes Netzwerk, stehen

aber weniger in der Öffentlichkeit. Sie sind

selbst weniger sichtbar, aber mindestens ge-

nauso wichtig wie die zentralen Personen. ABBILDUNG 8: ZENTRALE PERSONEN

HABEN VIELE ANSPRECHPARTNER

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Verbindungsleute:

verknüpfen zwei oder mehr eigenständige Netzwerke miteinander.

Schleuse:

Verbindungsleute werden zur

Schleuse, wenn sie die einzige

Möglichkeit der Informationswei-

tergabe zwischen den Netzwerken

darstellen. Dann ist die Mitarbeit

dieser Personen unabdingbar.

Mit unterschiedlichen Linien lassen sich

im Einflussnetzwerk funktionierende oder

gestörte oder auch undefinierte Kommunikationskanäle symbolisieren.

Für den Transfer steht an erster Stelle, die Meinungsmacher zu identifizieren und zu über-

zeugen sowie zu verhindern, dass eine Person mit Schleusenfunktion Informationen über

den Transfer zurückhält.

4.1.4 KOMMUNIK ATION P L AN EN

Der Kommunikationsplan soll sicherstellen, dass alle Beteiligten und Betroffenen rechtzeitig

und umfassend über die Projektbelange informiert sind. Dazu sind folgende Schritte sinn-

voll:

Beteiligte und Betroffene (Stakeholder) ermitteln

Kernbotschaften festlegen

Kommunikationsmedien auswählen

Kommunikation in Abstimmung mit Projektverlauf planen

Querverbindungen zu anderen laufenden Initiativen herstellen (sonst Gefahr der

Doppelarbeit sowie von ungewollter Konkurrenz)

Kommunikation durchführen und überprüfen

ABBILDUNG 10: BEISPIEL EINES KOMMUNIKATIONSPLANS. STANDPUNKT BEZEICHNET DIE GRUNDHALTUNG

DES ANSPRECHPARTNERS ZUM TRANSFERVORHABEN (POSITIV, NEUTRAL, ABLEHNEND).

ABBILDUNG 9: VERBINDUNGSLEUTE KONTROLLIEREN

DEN INFORMATIONSFLUSS AN NAHTSTELLEN

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Der Kommunikationsplan selbst ist relativ einfach zu halten – konsequent eingesetzt, er-

möglicht er aber nicht nur die Planung zur Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch die Planung

und Kontrolle einer jeden bedeutenden Kommunikation über das Transfervorhaben.

4.2 TRANSFER UMSETZEN Bei der Umsetzung des Transfers kommen vor allem Projektmanagementtechniken zum

Einsatz. Ressourcen steuern (4.2.1), Arbeitsteams entwickeln (4.2.2) sowie Evaluation pla-

nen und umsetzen (4.2.3) sind drei Aspekte dieser Phase.

4.2.1 RES SOUR CEN ST EUERN

Bei der Umsetzung von Projekten bleiben Konflikte nicht aus. Sie sind kein Anzeichen einer

schlechten Planung oder einer ungenügenden Steuerung, sondern zeigen auf, wo besonde-

re Anforderungen auf das Projekt einwirken. Wenn also beispielsweise bei der Unterrichts-

entwicklung ein Kollege im Team die Recherche übernimmt, Ideen und Lösungen aus ande-

ren Schulen analysiert und sie für das eigene Netzwerk aufbereitet, dann hat diese Person

in dieser Phase womöglich eine höhere Arbeitslast als der Rest des Projektteams.

Verzögert sich nun – beispielsweise wegen Krankheit – die Recherche etwas, dann kann

diese Aufgabe nicht einfach auf die übrigen Personen des Teams übertragen werden, da

diese meist die Vorarbeiten des erkrankten Teammitglieds nicht problemlos aufgreifen

können. Somit resultiert dieses Ressourcenproblem (Arbeitszeit ist hier eine wesentliche,

wenn nicht die bedeutsamste Ressource im Entwicklungsprozess) in einer Verschiebung des

Zeitplans.

Prinzipiell wären auch andere Konsequenzen denkbar – alle liegen sie im „Bermuda-Dreieck

der Projektsteuerung“ (Abbildung 11)

verfügbare Ressourcen

Leistung / Qualität

Termine Kosten

ABBILDUNG 11: DAS BERMUDA-DREIECK DER PROJEKTSTEUERUNG (JÄGER/REESE, 2008)

Man könnte sich als Projektteam auch dazu entschließen, die Recherche abzubrechen, da-

mit also die Qualität der Arbeit zu reduzieren. Alternativ könnte auch eine externe Recher-

che beauftragt werden, was allerdings mit erhöhten Kosten verbunden wäre. Schließlich

sind auch alle Mischformen dieser drei Handlungsstränge denkbar.

In dieser Darstellung betrachten wir ausschließlich sachlich begründete Ressourcenkonflik-

te. Der Umgang mit Konflikten auf emotionaler Ebene ist ein Thema, das hier nicht ange-

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messen gewürdigt werden kann. Hilfestellung bieten beispielsweise Gesprächstechniken,

wie sie in der Themenzentrierten Interaktion oder der nondirektiven Gesprächsführung be-

schrieben sind (z. B. LANGMAACK, 2001; SCHULZ VON THUN/RUPPEL/STRATMANN, 2003).

4.2.2 TEAMS ENTWI CK ELN

Projektteams durchlaufen bei ihrer Arbeit eine Entwicklung, die Tuckman (1965; SCHULZ VON

THUN/RUPPEL/STRATMANN, 2003) ausführlich beschrieben hat. Auch wenn das von ihm aufge-

stellte Phasenmodell nicht immer im Detail zu beobachten ist, machen viele Projektgruppen

zu Beginn ihrer Arbeit eine ernüchternde Erfahrung: Hochmotivierte und erfahrene Lehr-

kräfte treffen sich beispielsweise, um fächerverbindende Elemente in ihrem Unterricht aus-

zubauen und ihre Unterrichtskonzepte aufeinander abzustimmen. Auch nach der anfängli-

chen Vorstellungsrunde gehen jedoch die Ideen zur Umsetzung ihres Vorhabens weit ausei-

nander. Während ein Kollege bereits zahlreiche gute Erfahrungen mit Rückmeldung zu sei-

nen Konzepten gemacht hat, erlebte eine Kollegin gerade erst destruktive Kritik und ist da-

her sehr vorsichtig beim Offenlegen ihrer Ideen.

Das Team funktioniert somit in der Anfangsphase nicht miteinander, die einzelnen Perso-

nen wären alleine sogar deutlich leistungsfähiger, da sie nicht durch die zusätzliche Zeit zur

Abstimmung sowie die gegenseitigen Bedenken und Vorbehalte von ihrer individuellen Un-

terrichtsvorbereitung abgehalten würden. Das Entwicklungsteam durchläuft eine im Hin-

blick auf die zielgerichtete gemeinsame Weiterentwicklung der Inhalte frustrierende Phase

– ein Tal der Tränen (Abbildung 12).

Leistung

Qualität der Kooperation

Arbeitsgruppe

Ansatzweise funktionierendesTeam

Dysfunktionales Team

Team

Hochleistungsteam

Tal der Tränen

ABBILDUNG 12: ANFÄNGLICHE PROBLEME SIND DIE REGEL, NICHT DIE AUSNAHME!

Erst wenn die jeweiligen Stärken und Schwächen im Hinblick auf die gemeinsame Arbeit

bekannt sind und genutzt bzw. berücksichtigt werden, leistet die Gruppe gemeinsam mehr

als die einzelnen Gruppenmitglieder alleine könnten. Die gegenseitige Anregung und damit

die Weiterentwicklung der individuellen Ideen fußt auf einem Vertrauen, dass sich die ein-

zelnen Gruppenmitglieder in der Anfangsphase erst erarbeiten müssen. Durch vertrauens-

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bildende Maßnahmen, gemeinsame Aktivitäten und das Verdeutlichen der gemeinsamen

Ziele können diese Prozesse beschleunigt werden.

4.2.3 EVALUATION P LAN EN

Die nachfolgende Checkliste zur Planung einer Evaluation wurde in Anlehnung an die Eva-

luation Design Checklist (Stufflebeam, 2004) entworfen.

1. Was ist der Evaluationsgegenstand? Wer ist der Auftraggeber und will durch die

Evaluation über diesen Gegenstand Informationen erhalten?

2. Neben dem Auftraggeber gibt es möglicherweise weitere Interessenten, die eben-

falls über die Evaluationsergebnisse informiert werden sollten. Wer sind diese?

Wer aus diesem Personenkreis wird mit den Evaluationsergebnissen weiterarbei-

ten?

3. Vertreter aller Interessengruppen sollten bereits bei der Konzeption der Evaluation

beteiligt werden. Welche Evaluationsfragen gibt es in den einzelnen Gruppen? Gibt

es Anregungen zu Kriterien und Evaluationsinstrumenten? Kann die Zeitplanung

der Evaluation auf die Bedürfnisse der einzelnen Interessengruppen hin optimiert

werden? Gibt es Bedenken im Hinblick auf die Evaluation?

4. Gibt es Personengruppen, die durch die Evaluationsergebnisse möglicherweise

Nachteile erleiden? Gerade kritische Stimmen sollten vor der Durchführung der

Evaluation gehört werden.

5. Was ist der Hintergrund und Bedeutungszusammenhang des Evaluationsgegen-

stands? Warum ist die Evaluation sinnvoll und / oder nötig? Von welchen Rahmen-

bedingungen wird der Evaluationsgegenstand maßgeblich beeinflusst (politische,

soziale, kulturelle oder historische Einflüsse; spezifische Besonderheiten der Orga-

nisation)?

6. Welche Hindernisse und Schwierigkeiten lassen sich für die Evaluation bereits ab-

sehen (Genehmigungen, Vertraulichkeit der Ergebnisse, Anonymität, Interessen-

konflikte der beteiligten Personen, Gegner der Evaluation oder des zu untersu-

chenden Evaluationsgegenstands, ethische Bedenken, Probleme aufgrund kulturel-

ler oder sprachlicher Unterschiede, Finanzierungslücken)?

7. Wurde dieser Evaluationsgegenstand bereits früher untersucht? Mit welchem Er-

gebnis? Gibt es andere Evaluationen zu ähnlichen Themen?

8. Wie soll der Evaluationsbericht gestaltet werden? Geht es um eine Ist-Analyse, eine

Begleitung einer Maßnahme, eine abschließende Bewertung oder um eine Zu-

sammenfassung bestehender Evaluationsdaten aus unterschiedlichen Quellen?

9. Sollen im Evaluationsbericht neben den Schlussfolgerungen auch Vorschläge zur

weiteren Vorgehensweise, z. B. zur Verbesserung des Unterrichts, zur besseren

Profilierung der Einrichtung etc. enthalten sein?

10. Welche Unterstützung wird für die Durchführung dieses Plans von den beteiligten

und betroffenen Personen benötigt? Wenn diese Unterstützung oder andere ein-

geplante Ressourcen gekürzt werden: Welche Anpassungsmöglichkeiten gibt es?

11. Wie sieht – unter Berücksichtigung der bislang bekannten Rahmenbedingungen –

der Evaluationsplan aus? Dieser sollte zusammen mit dem Auftraggeber durchge-

sprochen und verabschiedet werden. Dazu gehören u. a. die anzuwendenden

Grundprinzipien der Evaluation, Kernfragen, Bewertungsgrundlagen, Zeitplanung,

Berichtsumfang und Kostenrahmen. Wenn die Evaluation im Sinne einer Selbstver-

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gewisserung durchgeführt wird, sollte diese Fragen ebenfalls berücksichtigt wer-

den, um einen durchdachten Plan für die Durchführung der Evaluation zu besitzen.

12. Abschließend sollte auch mit dem Auftraggeber abgestimmt sein, was nicht Teil der

Evaluation ist bzw. aufgrund der Rahmenvorgaben auch nicht sein kann. Das Er-

gebnis selbst kann für den Auftraggeber überraschend sein, der Umfang der Er-

gebnisse sollte es aber nicht sein.

5 NACH VORN GEBLICKT! Transfer ist schwer – aber keinesfalls unmöglich. Rechtzeitige Planung, Einbinden der Betei-

ligten und Betroffenen, Transparenz des Vorgehens, klare Ziele und Vertrauen in die Zieler-

reichung sind hilfreich. FÖRMIG ist ein starkes Programm – und auf dieser Basis ist Transfer

machbar.

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