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www.kirchefuermorgen.de Biblische Atheisten- Phantasie Legospielen für Fortgeschrittene Hirte oder Bodyguard? Schüler auf der Suche nach neuen Bildern Kommt der Glaube durchs Bild? Der Künstler Martin Burchard 3.2015 Wenn Ohren Augen machen Wort und Bild

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Biblische Atheisten- PhantasieLegospielen für Fortgeschrittene

Hirte oder Bodyguard?Schüler auf der Suche nach neuen Bildern

Kommt der Glaube durchs Bild?Der Künstler Martin Burchard

3.2015

Wenn Ohren Augen machen

Wort und Bild

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In der Geschichte des Christentums wurden Bilder immer wieder kritisch gesehen und gerade die evangelische Kirche versteht sich als eine Kirche des Wortes. Braucht die Kirche also Bilder oder sind sie womöglich eine Gefahr? Jens Schnabel, 1. Vorsitzender von Kfm, fragt nach der Bedeutung von Wort und Bild für die Kirche heute.

Wort und/oder Bild ?!

Positionslicht

die 16-19jährigen zeigen wohin die Reise geht: Das Bild ge-winnt. Der Internetdienst Insta-gram wird bei ihnen immer be-liebter. Während bei facebook auch noch das Posten von Tex-ten – und damit das Wort – eine Rolle gespielt hat, geht es

bei Instagram fast ausschließlich ums Bild.

Der Trend zum Bild ist nicht neu. Er ist nicht gut und nicht schlecht. Aber für eine „Kirche des Wortes“ bringt er Herausforderungen mit sich.

Mit dieser Ausgabe des Zitronenfalters wollen wir dieser Entwicklung nachspüren, um zu sehen, welche neuen Möglichkeiten der Kommunikation des Evangeliums sie eröffnet oder sogar fordert. Ganz verschiedene Blickwinkel sollen helfen, Beziehungen von Wort und Bild zu entdecken und einzuordnen.

Den reformatorischen Versuchen, das Verhält-nis zwischen Wort und Bild zu bestimmen, geht Martin Ilert im Grundsatzartikel nach. Dass man es in der Folge auch im evangelischen Umfeld durchaus verstanden hat, mit Bildern Vorstellungen zu prägen, erhellt Thomas Hoffmann-Dieterich in seiner Beschäftigung mit der Darstellung „Vom breiten und vom schmalen Weg“.

Eine besondere Stellung in diesem Heft nimmt das Gespräch mit Martin Burchard ein. Der Tübin-ger Künstler setzt sich in seinem Werk intensiv mit der wechselseitigen Durchdringung von Wort und Bild auseinander und sucht dafür nach lebens-dienlichen und – im besten Sinne – „Sinn-vollen“, zeitgenössischen und in die Breite wirksamen Ausdrucksformen.

Apropos Zeitgenossenschaft und Wirksamkeit in die Breite: Der Beitrag von Floh Maier reflektiert die Bedeutung der Medienrevolution für das Zusammenspiel von Wort und Bild; und Moritz Staiger stellt mit seiner Lego-Geschichte eine etwas andere „Bilderbibel“ vor.

Schließlich dürfen Sie, liebe Leserinnen und Leser, wenn Sie denn mögen, zum Stift greifen und sich selbst ein Bild vom Wort oder ein Wort vom Bild machen. Wir haben dafür für Sie eine Seite freigelassen…

Das Redaktionsteam des Zitronenfalters wünscht Ihnen eine zitronenfrische Lektüre.

Gerhard MüllerMitglied des Redaktionsteams

Editorial & Inhaltsverzeichnis

Liebe Leserinnen und Leser,

IMPreSSuMDer Zitronenfalter wird herausgegeben von Kirche für morgen e.V., Am Auchtberg 1, 72202 NagoldFon: (0700) 36 69 36 69, [email protected], www.kirchefuermorgen.de

Erscheinungsweise: 3 x jährlich. Bestellung (auch weitere Ex-emplare) bei der Geschäftsstelle. Die Zusendung ist kostenlos.

Bankverbindung: Evangelische Bank eG. KasselIBAN: DE43520604100000 419435BIC: GENODEF1EK1Wir danken allen, die durch ihre Spende die kostenlose Weitergabe des Zitronenfalters ermöglichen.

Redaktionsteam: Gerhard Müller, Sigmaringen (ViSdP);Claudia Bieneck, Malmsheim; Dr. Barbara Fritz, Stuttgart; Pina Gräber-Haag, Gronau; Tabea Hieber, Markgröningen; Dr. Heiko Hörnicke, Stuttgart; Dr. Thomas Hoffmann-Dieterich, Rotten-burg; Carmen Lauble, Remshalden; Werner Lindner, Winnen-den; Johannes Stahl, Göppingen; Karlfriedrich Schaller, Tübin-gen; Reinhard Wenzelmann, Kirchheim/Teck

Layout: AlberDESIGN, FilderstadtDruck: Druck + Medien Zipperlen GmbH, DornstadtVersand: LWV. Eingliederungshilfe Tannenhof UlmRedaktionsadresse: [email protected] und über die GeschäftsstelleAnzeigenpreise: [email protected], FAX: 07195-979759Titelbild: Martin Burchard

Wenn Ohren Augen machen – Wort und Bild

Da sind Bilder von Gott, der als „Burg“, „Schild“, „Schirm“ usw. bezeichnet wird. Es gibt Bilder für die Ewigkeit, die als „Gastmahl“ oder „Wohngemeinschaft“ beschrieben wird. Solche Bilder helfen uns, die Worte zu verstehen und schlie-ßen uns weitere Dimensionen auf. Oder wie es ein arabisches Sprichwort aus-drückt: „Ein guter Erzähler macht aus dem Ohr ein Auge.“

KonsequenzenDas Bild ist Teil der Leiblichkeit des

Wortes. „Das Wort ward Fleisch“ (Joh 1,14), darum können für uns Christen Wort und Bild gar kein Gegensatz sein. Wenn wir die Menschen in ihrer Ganzheit-lichkeit ernst nehmen, dann werden wir Wort und Bild nutzen, um Menschen mit dem Evangelium von Jesus Christus be-kannt zu machen! Oder mit den Worten von Franz von Assisi: „Predige das Evan-gelium zu jeder Zeit und wenn nötig, be-nutze Worte.“

Bilder prägenOb wir es wollen oder nicht, Bilder

haben eine starke Wirkung auf uns Men-schen. Wenn ich von einem schrecklichen Geschehen lese, dann mag mich das be-schäftigen. Die Worte klingen nach. Wenn ich aber Bilder davon sehe, lässt es mich nicht mehr so leicht los. Genauso ist es bei positiven Ereignissen. Bilder prägen uns. Sie sind stärker als Argumente. Jeder Begriff, jedes Wort, ist im Gehirn mit Bil-dern verknüpft. Was ich innerlich vor Au-gen habe, prägt mein Handeln.

Bilder brauchen WorteBilder können aber auch täuschen, kön-

nen von wichtigen Dingen ablenken. Wir brauchen Hilfen, um mit der täglichen Bil-derflut umgehen zu können. Es braucht Worte, die erklären, einordnen, gewich-ten. Worte, die deuten, vertiefen oder war-nen.

Worte schaffen Klarheit. Sie helfen, Dinge eindeutig fest zu legen, sei es in Verträgen, Gesetzestexten oder Absichts-erklärungen. Auch in jeder Beziehung braucht es Worte, die Verlässlichkeit ge-ben, braucht es ein klares „Ja“ oder ein deutliches „Nein“. Für Dinge, auf die ich mich felsenfest verlassen kann, braucht es Worte, nicht nur Bilder. Das lächelnde Gesicht des Partners allein ist es noch nicht. Es braucht auch den Satz: „Ich liebe dich!“

Worte brauchen BilderAuf der anderen Seite brauchen Worte

Bilder. Worte, die mit keinen inneren Bil-dern verknüpft sind, bleiben abstrakte Begriffe. Wir haben die Taufe und das Abendmahl als „Wort-Zeichen“. Hier sind Worte mit Bildern auf elementare Weise verknüpft. Von Jesus sind viele Zeichen-handlungen überliefert. Unsere biblische Tradition ist voll von Bildern.

editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 2

Wort und BildKfm-Positionslicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 3Jens Schnabel zum Titelthema

Die Kirchen der reformation und ihr umgang mit Bildern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Seite 4Kirchenhistorische Grundlagen von Dr. Martin Ilert (EKD)

Porträt Martin Burchard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 6Karlfriedrich Schaller über den Tübinger Künstler

Mach Dir selbst ein Bild! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 8Gestalten Sie Ihre Vorstellung von Wort und Bild

Die Symbiose von Wort und Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 9Karlfriedrich Schaller zur Verschränkung von Sehen und Sagen

Der Herr ist mein Bodyguard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 10Gerhard Müller fragt nach zeitgemäßen Bildworten

Bausteine Der breite und der schmale Weg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 12Thomas Hoffmann-Dieterich auf den Spuren eines prägenden Bildes

Der Weiterweg in Gschwend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 15Nahaufnahme eines Werkes von Martin Burchard

Medienrevolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 16Floh Maier zu den Herausforderungen neuer Kommunikation

Faszination Lego-Bibel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Seite 18Tabea Hieber und Moritz Staiger über Klötzchen-Kreationen

Kfm-internDr. Willi Beck: Aus der Synode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Seite 19

Ingo Sramek: einladung zum Forum 2016 . . . . . . . . . . . . . . Seite 19

Zu guter LetztSchlussbild: Die Baumarktwerbung und das Wort . Seite 20

einladung: Christmas rock in Nürtingen. . . . . . . . . . . . . . . . Seite 20

Dr. Jens Schnabel, Gemeindepfarrer in Sindelfingen, 1. Vorsitzender von Kirche für morgen

Für Dinge, auf die

ich mich felsenfest

verlassen kann,

braucht es Worte,

nicht nur Bilder.

Wie es ein ara-

bisches Sprichwort

ausdrückt: „Ein

guter Erzähler

macht aus dem

Ohr ein Auge.“

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eine problematische erzählungEs gibt kaum einen Beitrag zum Bild aus evan-

gelischer Perspektive, der nicht eine Nacherzäh-lung der Auseinandersetzungen um die Bilder in der Reformationszeit enthält. Der Tenor dieser Zu-sammenfassung lautet meistens ungefähr so: „Den Reformatoren begegneten Bilder vor allem als Kultobjekte: Altäre, Statuen, Andachtsbilder und viele andere Gegenstände dieser Art. Die Re-aktion der Reformatoren auf die Verehrung dieser Bilder fiel unterschiedlich aus: Der reformierte Flü-gel ächtete die Bilder und verbannte sie aus sei-nen Kirchen, die Lutheraner beschnitten die Funk-tion der Bilder auf den Unterricht für die Gläubi-gen. Beide Flügel der Reformation gaben damit der Kunst ihre Autonomie. Sie befreiten die Kunst von der religiösen Indienstnahme und wurden so zu Geburtshelfern der Neuzeit“. Auch Kunsthistoriker haben diese Narration immer wieder gern nacher-zählt. Unkritisch sollten wir sie allerdings nicht

übernehmen, denn ihr liegt der Fortschritts-glaube des 19. Jahrhunderts zugrunde, der sich selbstgefällig in eine Linie mit Aufklä-

rung und Moderne bringt. Dem histori-schen Befund entspricht das nur zum Teil. Dafür beinhaltet es – unausge-sprochen – ein ökumenisch fatales

Fremdbild des Katholizismus und der Orthodoxie als unaufgeklärte und rück-

ständige Formen des Christentums.

Die Bild-Thematik im ökumenischen Dialog

Gerade wer sich in der Tradition der Aufklärung sieht, sollte die Argumente der Anderen zur Kennt-nis zu nehmen, bevor die eigene Position entfaltet wird. Mit Blick auf die Bilder: Zuerst müssen wir von den ökumenischen Partnern hören, warum sie mit den Bildern so umgehen wie sie es tun. Im Di-alog mit der Orthodoxie, in diesem Fall den Vertre-

Mit diesem Monat endet das Themen-Jahr „Bild und Bibel“ im Rahmen der Reformations-Dekade.

Wie der Protestantismus zu Bildern steht, verrät auch etwas über seine Sicht auf die ökume-nischen Partner. Dr. Martin Illert, Oberkirchenrat in der EKD, teilt seine Beobachtungen, was evan-gelische Christen zu Bildern zu sagen haben.

Die Ablehnung der Bilder überwinden

tern des Ökumenischen Patriarchats, führte das Auf-einander-Hören dazu, dass die Vertreter der EKD ihr Bedau-ern über die Bilderzerstörung der Re-formation zum Ausdruck brachten. An-gesichts des heute auch in der Kirche gelebten, beinahe ununterbrochenen Umgangs mit Bildmedien, regten die evangelischen Teilnehmer an, die Positi-onen der Reformationszeit kritisch zu re-zipieren und vor allem die theologischen Potenziale der bildlichen Reden in den bi-blischen Texten und in der neueren pro-testantischen Theologie auszuleuchten. Eine Grundeinsicht dieser Gespräche lau-tete, dass – entsprechend der Meinung der Orthodoxen und der römisch-katholischen Glaubensgeschwister – Gott sich nicht in einem Bild fixieren lässt. Wer auch heute noch die eigene Bildlosigkeit mit diesem (freilich reformatorischen!) Argument verteidigt und die Gegenposition so darstellt, hat im Dialog nicht zu-gehört oder hat gar einen Dialog noch nie geführt. Wer im Zeitalter von IS die Gewalt bei den Zerstö-rungen von religiösen Bildern als eine Art Kollate-ralschaden der Aufklärung rechtfertigt (auch dies ist im Themenjahr geschehen!), muss sich fragen lassen, ob er dies auch für die Hexenprozesse tun würde. Denn in ihrer Dämonisierung des zu Ver-nichtenden weist die Hassrede gegen die Bilder ja erschreckende Entsprechungen zu den Parolen der Hexenverfolger auf („Gott heisst die Bild zer-brechen“ und „Huss mit inen in ein fhür“ schreibt der Zürcher Reformator Ludwig Hätzer über die Bil-der). Diese Dämonisierung unter einer Erzählung des Voranschreitens auf dem Weg zur Aufklärung zu begraben, scheint mir historisch fragwürdig und theologischen wenig dialogoffen zu sein.

Die eigene konfessionelle realität wahrnehmen

Zu Recht spricht man mit Blick auf die Verbrei-tung des Buchdrucks von der Epoche der Reforma-tion als einem Zeitalter der medialen Revolution. Ebenso unbestreitbar scheint es mir, dass wir heu-te erneut einen medialen Umbruch erleben. Die computergestützten Bilder erzeugen global eine virtuelle Realität, der wir uns nicht den Hinweis auf die Bildlosigkeit der eigenen Religion verweigern können, sondern an der wir ungefragt teilhaben. Die Frage, welche Bilder Leben zerstören und wel-che es fördern, ist daher angemessener als die pauschale Verurteilung der religiösen Bilder.

Längst hat sich der „pictorial turn“ vollzogen: Alltäglich und in allen Lebensbezügen sind wir von Bildern überschwemmt. Nur wenn wir über die Re-ligion sprechen, dann tun manche noch immer so,

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als seien wir noch im sechzehnten Jahrhundert und als seien wir frei, uns auch für die Bildlosigkeit zu entscheiden. Ist das womöglich ein protestan-tischer Selbstbetrug in einer Welt, in der selbst ein Aufsatz, der die Bilder für die Religion verwirft, nicht ohne Illustrationen auskommt? Gilt es nicht vielmehr heute, zu unterscheiden zwischen den Bildern, die Leben fördern und denen, die es zer-stören, zwischen Idolatrie und Frömmigkeit?

Ökumenischer Dialog ist Arbeit an Bildern

Eine solche, differenzierende Fragestellung wäre ökumenisch anschlussfähig. Aus meiner Sicht ist auch das eigene Ökumene-Verständnis nicht vom Bildverständnis zu trennen, denn auch hier arbei-ten wir mit Selbst- und Fremdbildern, mit Projekti-on und Verzerrungen. Unverzichtbar aber ist die Arbeit an diesen Bildern, die Differenzierung und das Aufbrechen der Stereotypen. Wo das Bil-derthema im ökumenischen Dialog bearbeitet wurde und dies dazu beitrug, Selbst- und Fremd-bilder kritisch zu überprüfen, ist jedenfalls ein Schritt auf diesem Weg getan.

Dr. Martin Illert,Oberkirchenrat für Orthodoxie, Ökumene und Stipendien

Zuerst müssen wir von

den ökumenischen Partnern hören,

warum sie mit den Bildern

so umgehen wie sie es tun.

Wenn Ohren Augen machen

Die Frage, welche Bilder Leben zerstören und welche es fördern, ist daher angemessener als die pauschale Verurteilung der religiösen Bilder.

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tion? Liedermacher gibt es wie Sand am Meer, Bildermacher – sind eher selten!

Bei Lobpreisliederbüchern folgt Auflage auf Auflage. Aber kennen sie Lobpreis- bilder? Dabei erfolgt heutzutage die erste Kommunikation bei den Menschen in unseren Breitengraden über das Bild. Sie öffnen eine Seite mit dem Handy und wenn das Bild interessant genug ist, lesen sie weiter. Die meisten kirchlichen Homepages seien verkappte Internet- Zeitungen mit meist textüberfrachteten Informationen und Neuigkeiten über das, was die Institution Kirche macht. Wo blei-ben da die Verkündigung und der Glau-bensinhalt? Solche Fragen treiben Martin Burchard um.

Verkündigung mit BreitenwirkungEr will eine Renaissance der „biblia pau-

perum“, der verständlichen Verkündigung mit Breitenwirkung.

Er will Menschen dazu einladen, in den Reichtümern des christlichen Glaubens und seiner Spiritualität nach Antworten zu suchen. Der Publikumserfolg z. B. beim Weiterweg in Gschwend gibt ihm dabei Recht. Dort treffen sich z.B. der Schützen-verein und Betriebsausflüge ebenso wie Kirchengemeinden und Heimatvereine. Und wenn sie dann am großen Abend-mahlstisch versammelt sitzen (bis zu 60 Personen an einem Tisch), dann scheint ein Stückweit jener Ort auf, den Jesus so oft in seinen Gleichnissen vom Himmel-reich mit Worten vorgemalt hat.

– das damals schnellste Kommunikati-onsmittel –, die sehr häufig aus einem Bild und einem kurzen Text bestanden. Eben diese Tradition des 16. Jahrhun-derts, einer „Kurzpredigt für das Auge“ versucht Martin Burchard mit seinen ge-stalterischen Mitteln wieder zu beleben. Die Freude und Dankbarkeit über die Auf-erweckung Jesu hat ihn veranlasst, einen Kreuzweg Teil II zu gestalten, an welchem Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten als Glaubensaussage ihren lebensbejahen-den Stellenwert wieder erhalten.

Der Kreuzweg Teil I mit Fasten, Grün-donnerstag, Karfreitag und Samstag ist geprägt durch Leid, Schmerz, Schuld und Tod. Das ist auch das Vorurteil von vielen Menschen, die immer weniger Ahnung vom lebendigen Kern des christlichen Glaubens haben. Dagegen möchte Martin Burchard seine „biblia pauperum“, seine Botschaft vom neuen Leben im befreien-den Geist Gottes setzen. Seine „Zeig-Wer-ke des Glaubens“ elementarisieren und machen neugierig, bringen Aha-Effekte hervor und heben das Vorurteil auf, dass der christliche Glaube eine Ansammlung moralinsaurer Vorschriften sei. Dabei be-dient er sich einer Bildsprache und kurzer Texte, die jede und jeder versteht.

Hochschule für visuelle Glaubenskommunikation?

Seltsam, es gibt eine Hochschule für Kirchenmusik, die OrganistInnen und KantorInnen ausbildet. Wo ist die Hoch-schule für visuelle Glaubenskommunika-

In Tübingen lebt seit vielen Jahren Mar-tin Burchard. Inzwischen ist er ein be-kannter christlicher Künstler geworden. Seine großen Installationen auf dem „Weiterweg“ bei Gschwend, dem „Le-bensweg“ auf der Landesgartenschau in Schwäbisch Gmünd 2014 und z.B. seine neuen Arbeiten in Mundingen (s. Titelsei-te) lassen Menschen inne halten und staunen. Auch seine Andachtsgegenstän-de und Postkarten sind einladende Ge-staltungen für die Frohe Botschaft und Bestandteil seines „Christus-Projektes“, einer Kooperation mit dem Verlag buch+musik des ejw. Weitere Arbeiten von Martin Burchard sind der mobile Jako-busaltar, der insbesondere für Multifunk-tionsräume entwickelt wurde, Gestaltun-gen von Kirchen und Andachtsräumen, die Malerei und Rauminstallationen.

Prediger für das AugeDas Wort Künstler hört Martin Burchard

zu seiner Person gar nicht gern. Denn mit dem, was oft unter dem Dialog zwischen Kunst und Kirche verstanden wird, hat sein Anliegen wenig gemein. Kunst, das ist seiner Meinung nach oft eine bildungs-bürgerliche Veranstaltung mit erklärungs-bedürftigen Kunstwerken.

Er ist lieber „Zeig-Werker“ oder ein ‚Pre-diger für das Auge‘. Er will – wie damals in der Reformationszeit – das Bild wieder in den Dienst der Verkündigung stellen. Ein wesentlicher Bestandteil des reformatori-schen „Erfolges“ waren die Flugschriften

Liedermacher gibt es wie Sand am Meer, Bildermacher – sind eher selten!

Er will –

wie damals in der

Reformationszeit

– das Bild wieder

in den Dienst

der Verkündigung

stellen.

Mart inBurchard

Zur Person

Martin Burchard, geboren 1956,

Studium der Diplom-Pädagogik,

Ausbildung zum Schreiner,

1999-2002 Ausbildung an der Akademie für Gestaltung, ulm; Abschluss mit Auszeichnung.

Seit 2002 freischaffender Künstler.

Hinwendung zum christlichen Glauben im Alter von 36 Jahren

ein Porträt Im Internet: www.atelier-burchard.de www.weiterweg.infowww.christus-projekt.de www.jakobusaltar.de

Angefangen hat alles in der Tübinger Jakobusgemeinde. Da wuchs bei Martin Burchard der Wunsch, die frohe Botschaft sichtbar zu machen. Heute ist er ei-ner der wenigen Künstler, die dezidiert christliche Inhalte veranschaulichen.

Karlfriedrich Schaller, Tübingen, Pfarrer i.R., engagiert im Gemeindeaufbau

Karfreitag: Kreuz: Holzwerkstoff schwarz, Höhe 3,2 Meter, Breite 6 Meter;

Figuren mit Stoff und Plastikfolie umhüllt

Himmelfahrt: Papierbahn

18 Meter lang

Wenn Ohren Augen machen

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Wenn Ohren Augen machen

Schaller, Karlfriedrich, Tübingen, Pfarrer i.R., engagiert im Gemeindeaufbau

Am Anfang war – das Wort? Im Anfang war das Bild!

Ob das die Höhlenzeichnungen unserer Vorfah-ren sind oder das Urpferdchen aus der Lonetal-höhle, wir haben keine sprachlichen Zeugnisse aus jener Zeit. Spät erst – vermittelt durch die Schrift - rekonstruieren wir das Wort!

Am Anfang war das Bild? Im Anfang war das Wort!

„und Gott sprach!“ so beginnt die Bibel.

Ist also alles eine Sprachschöpfung? Was BILDet die Wirklichkeit tiefer ab? Unser Gehörsinn, wel-cher ja der erste und der letzte Sinn eines Men-schenlebens ist, oder der Sehsinn, mit dem wir wahrnehmen, was wir für wirklich halten? (Wobei nichts leichter gefälscht werden kann als ein Bild! Das nennt man dann Ein-Bild-ung)

Oder sind das einfach nur zwei Schwerpunkte der beiden Kulturen, aus denen unser christlicher Glaube gewachsen ist. Von einer jüdischen Mutter geboren und unter einem griechischen Vater groß geworden, wundert solch eine Mischung von Wort und Bild nicht mehr.

Der Hebräer schreibt, was er sieht. In der griechi-schen Kultur lernt man durch Hören!

Der Herr ist mein Fels und meine Burg! Gott ist allmächtig (Ps 18,3; 31,3f; 71,3)

Der Garten der Wonne (eden)Das Paradies

Wenn der Vater Zwiebeln isst und die Mutter Knoblauch, kann mannicht erwarten, dass der Sohn gut riecht! Jugendliche Schwierigkeiten auf Grund des Milieus

Siehe(!) ich sage(!) euch (1 Kor 15,51)… Was gibt’s zu sehen, wenn wir hören oder vergeht einem das Hören und Sehen?

Wo bleibt das Bild (der Sehsinn) in der neuen Schöpfung? An was hat die Mirjam aus Migdal ih-ren geliebten Herrn erkannt? Am Sehen oder am Klang der Stimme? Und umgekehrt: An was haben

die Jünger in Emmaus den auferweckten Jesus er-kannt? An seiner Stimme, die sie zwei Stunden lang gehört haben bei ihrem Gang nach Hause oder an einer Zeichenhandlung? Gibt es im Him-melreich außer den Chören der Engel viel um die Ohren, oder gibt’s da mehr zu sehen? Wenn Jesus in BILD-WORTEN (Gleichnissen) vom Bereich sei-nes Vaters gesprochen hat, sind Feste, offene Va-terarme und viele Wohnungen zu sehen.

Bilder prägen sich tief ein, wobei jedes Bild seinen begrenzenden Rahmen hat. Das Bild vom guten Hirten z.B. hat seine Grenze, wo der behütende Hüter sein Schaf dem Metzger abliefert! Ich kenne keinen Hirten (lat.: pastor) bei dem die Schafe an Altersschwäche sterben.

Bei aller Wortlastigkeit, im Grunde ruht in jedem Wort ein Bild.

Am Anfang war das Wort – am Ende die Phrase! (Stanislaw Jerzy Lec!)

Der Turmbau zu Schwafel lässt grüßen!

Wer mag, kann sein Bild einscannen und an [email protected] mailen. Wir werden die Bilder auf der Homepage von Kirche für morgen präsentieren und eine Auswahl auch auf unserer facebook-Seite posten, wenn uns die jeweiligen Urheber dafür die Erlaubnis geben.

Mach dir selbst ein Bild! Die Symbiose von Wort und Bild

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Die Beziehung von Wort und Bild ist so unauflöslich verschränkt wie das Ei und die Henne. Das eine gibt es nur, weil es das andere gibt und was zuerst da war, ist eine rein theoretische Frage.

Wenn Ohren Augen machen

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Wenn Ohren Augen machen

Gerhard Müller ist Pfarrer im Schuldienst und lernt von seinen Schülern mindestens genau so viel wie sie von ihm.

Der Herr ist mein Bodyguard – eine Polemik

Regalen, über denen „Religion“ steht, nähert Gerhard Müller sich nur zögerlich und christliche Buchläden betritt er mit

größter Vorsicht. Religionsunterricht erteilt er dagegen mit großer Freude.

Beides hat für ihn mit Bildern zu tun.

Fünf Beispiele für Schülerentwürfe: Ein Kreuz, an dem sich in zentraler Position eine Weltkugel befindet, befestigt mit einem Anker. Ein Kreuz, aus dem grüne Zweige und Rosen heraustreiben. Ein übergroßes Smartphone – auf dem Display eine Auswahl ganz verschiedener Kreuz-Apps, die je nach Gefühlslage – verliebt, leidend, chaotisch… angeklickt werden können. Ein Kreuz in Form eines Hashtags – Symbol für Verbundenheit, Kommunikation, Gemeinschaft. Ein Kreuz in Form eines facebook-f mit Gekreuzigtem und einem Gefällt-mir-Button.

Auch wenn das alles theologisch disku-tabel ist – es ist allemal spannender und innovativer als das, was einem sonst viel zu häufig vor die christliche Netzhaut kommt.

Es atmet reformatorische Luft.

Wo ist von Aktienhändlern die Rede (au-ßer in moralisierenden politischen Predig-ten), die nach dem besonders wertvollen Fonds suchen und alles andere dafür her-geben? Und wo hören wir Gleichnisse von barmherzigen Muslimen oder Juden?

Von Schülern sehen lernenIch möchte an dieser Stelle anregen, die

Joelverheißung (Joel 3,1) ernster zu neh-men, die das Vertrauen beinhaltet, dass die Alten auch etwas von den Jungen ler-nen könnten. Meine Schülerinnen und Schüler machen es nämlich besser als die Art-Direktoren der Erbauungsliteratur.

Ich lasse meine Fünftklässler den Psalm 23 neu schreiben. Sie übertragen die Schutzfunktion des Hirten (sie kennen üb-rigens nur Schäfer) gegenüber der Herde auf Berufe aus ihrer Lebenswelt: Der Herr ist mein Bodyguard, Tierpfleger, Arzt, Leh-rer, Polizist. Sie machen sich Gedanken über die Tragweite und die Grenzen ihrer Bilder. Auch das Bild vom guten Hirten hat ja seine Grenze. Am Ende wird das Schaf geschlachtet und gebraten.

Meine Neuntklässler transformieren biblische Metaphern in ihre Welt. Wo von Gott als Feuer die Rede ist, spiegeln sie das Motiv der Wärme in einer Heizung. Wenn von Gottes Stimme die Rede ist, assoziieren sie Gesang – vielleicht weil das gesungene Wort besondere Tiefen erreicht. Wenn von Gottes Treue und Verlässlichkeit die Rede ist, sehen sie Gott als Freund – was im Blick auf Joh. 15,13 sehr treffend ist. Wo die Bibel Gott als Fels und Zuflucht beschreibt, fällt den Schülerinnen und Schülern Bett, Sofa, Ba-dewanne, TV, Massage, Schokolade, und Musik ein. Das mag alles nicht der from-men Korrektheit letzter Schluss sein. Aber es entstehen Bilder, die neu sind, aufre-gend und weiterführend im Gespräch über Gott, Glaube und Lebenserfahrung.

Die Zehntklässler bekommen die Aufga-be sich vorzustellen, dass für das alte Kreuz in ihrer Kirche ein Ersatz gesucht wird.

Ich kann sie nicht mehr hören, diese ganzen Licht-Weg-Tür-Baum Bild-worte in Predigten, An-dachten, Liedern und Grußworten. Nein, ich mache es dem Evangelis-ten Johannes nicht zum Vorwurf, dass er Jesus sich als Weg, Licht und Tür bezeichnen lässt und auch beim Sänger von Psalm 1 beklage ich mich nicht über den Baum am Bachufer.

Was mich erschreckt ist, wie häufig, wie variantenarm, wie fantasielos diese Bild-worte repetiert und strapaziert werden.

Ich kann sie nicht mehr sehen, diese ganzen süßlichen Naturidyllen und ab- genutzten Symbolbilder auf Kalender-blättern, Bucheinbänden und Zeitschrif-tencovers christlicher Verlage. Rosenblü-ten in Nahaufnahme, Schmetterlinge auf Pusteblumen, Wege zwischen wogenden Weizenfeldern, Mohn im Getreidefeld, Brücken vor Wasserfällen, Wanderer unter Gipfelkreuzen und Zypressen in Hügel-landschaften, Leuchttürme in Dünen. Und auch das immer und immer wieder.

Aber welchen Gehalt, welche Zeitansa-ge, welche frohe Botschaft transportieren solche Bilder? Sollte ich mir bei so viel Sehnsucht nach Ruhe, Idylle, Heimat, Ori-entierung, Geborgenheit und teutonischer Naturverbundenheit nicht lieber gleich ei-nen Buddha aus dem Baumarkt holen. Soll ja auch ungeheuer beruhigend wir-ken…

Sollte ich mir bei

so viel Sehnsucht

nach Ruhe,

Idylle, Heimat,

Orientierung,

Geborgenheit

und teutonischer

Naturverbunden-

heit nicht lieber

gleich einen

Buddha aus dem

Baumarkt holen?

Wo tauchen

auf unseren

Bucheinbänden

Schatzsucher mit

Detektoren auf

oder Pizzabäcker

beim Teigkneten?Welcher Gemütlichkeits-Äs-thetik opfern wir unseren gu-ten Geschmack?Welches Samthandschuh-Image wird dem christlichen Glauben hier verpasst?Welche Milieus werden mit

diesen Motiven bedient und welche ausgegrenzt?

Blindenheilung erwünschtMan hört ja immer wieder, dass einen

der Glaube neu sehen lehrt. Davon merkt man aber nicht viel, wenn man immer wie-der die gleichen Bildworte und Bilder vor-gesetzt bekommt.

Bildende Künstler bemühen sich um solch ein neues Sehen. Aber nur selten er-reichen sie eine ähnliche Breitenwirkung wie die volkstümliche Hitparade banaler Bilder.

Zugegeben: Jesus hat auch von den Lili-en auf dem Felde gesprochen, von Vögeln im Senfbusch und von einer still wachsen-den Saat. Aber eben auch von Frauen beim Teigkneten, von Verwaltern beim Be-trügen, von Söhnen beim Schweinehüten, von Kaufleuten auf Perlensuche, von listi-gen Schatzentdeckern und barmherzigen Ausländern. Seine Bildsprache vom Reich Gottes hatte eine große Bandbreite und hat sich nicht auf die immer gleichen Na-turmotive gestützt.

Wo tauchen auf unseren Bucheinbän-den Schatzsucher mit Detektoren auf oder Pizzabäcker beim Teigkneten?

Wenn Ohren Augen machen

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Charlotte reihlen (1805 – 1868)Das „Zwei-Wege-Bild“ wurde von Char-

lotte Reihlen, einer umtriebigen Organisa-torin des schwäbischen Pietismus, 1866 konzipiert und nach ihren Vorstellungen von einem Grafiker umgesetzt. Die Pfar-rerstochter, die schon mit 12 Jahren den Haushalt für die kranke Mutter führen musste, hatte als 25 jährige ein Erwe-ckungserlebnis in einem Gottesdienst. Sie wurde eine rührige Organisatorin des Pietismus in Württemberg. In Stuttgart gründet sie etwa eine Diakonissenanstalt und eine Schule für Mädchen ohne Be-rufsausbildung, die Mägdeanstalt, und das evangelische Mörike-Gymnasium.

Für die Farblithografie der zwei Wege or-ganisierte sie Druck und Verteilung des Bildes, das weit über Württemberg hinaus Anklang fand. Das Bild ist mit unzähligen Bibelstellen und Einzelszenen ausge-schmückt. Deshalb werden hier nur vier Bildausschnitte im Detail vorgestellt.

Bausteine

Auch die

Unzucht lockt

am Sonntag.

Das Bild vom breiten und vom schmalen Weg –

eine Ikone pietistischer Frömmigkeit

Gehet durch die enge Pforte, denn der Weg ist breit, welcher zur Verdammnis und ins Nichts führt, und viele gehen diesen Weg. Der Weg, der zum Leben führt, ist schmal und die Pforte ist eng und wenige finden diesen Weg.

(aus der Bergpredigt, Matthäus Kapitel 7 Verse 13 und 14)

Der eingangsbereich des Bildes Die Mächtigen und Reichen, die Welt-

klugen gehen nicht mehr in die Kirche sondern suchen sogar am Sonntag ihr Vergnügen. Die feine Gesellschaft amü-siert sich im Biergarten bei Kartenspiel und Alkohol, einer ist schon zu Boden ge-gangen, ohne dass dies die anderen be-kümmert. Auch die Unzucht lockt am Sonntag, der erste Freier wird rechts schon mit einem Fingerschnipsen ins tur-martige Bordell gelockt, während das ge-hobene Bürgertum sich im Theater verlus-tiert. Kein Wunder, denn das Willkommen zum bequemen breiten Weg wird ja von den Götzen Venus und Bacchus gehalten.

endstation Verderben oberer Teil des Bildes

Tierquälereien, Theaterbesuche, Lotte-rien und Streit sind nur der Anfang auf dem Weg ins Verderben. Die Apokalypse kann auch durch staatliche Gewalt, Milita-rismus und Technik herbeigeführt werden. Dies wird durch die Dampfeisenbahn und Kriegsszenen oben im Bild angedeutet.(siehe Abb. 2)

Bessert Euch,

indem ihr

Euch anstrengt

und euren Sinn

ändert!

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Bausteine

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Martin Burchard lebt und arbeitet in Tübingen / www.weiterweg.info / www.atelier-burchard.de

Bausteine

Wenn man Nicht-Christen auf einladende Art und Weise vom Glauben erzählen will, hat man einen schweren Stand. Wenn man gar auf die Zehn Gebote zu sprechen kommt, wird es noch schwieriger, weil die Menschen dann befürchten, dass sie in ih-rer Freiheit und Lebenslust eingeschränkt werden sollen. Dabei haben die Zehn Ge-bote ja eine lebensfördernde Funktion, weil sie uns vor Verletzungen beschützen wollen. Das gilt sowohl für das Verletzen anderer, als auch für Verletzungen, die wir uns selbst durch Fehlverhalten zufügen.

Leitplanken des LebensDie Zehn Gebote sind einfach gute Leit-

planken! Dies wird auf dem „weiterweg“ mit der Station ‚Leitplanken des Lebens – Die Zehn Gebote‘ erfahrbar gemacht. An allen Stationen des „weiterwegs“ gibt es zwei Texttafeln. Auf der einen ist eine Bibelstelle bzw. ein christlicher Text zu lesen. Bei der Station ‚Leitplanken des Lebens – Die Zehn Gebote‘ ist es dieser: „Ich freue mich über den Weg, den deine Mahnungen zeigen, wie über großen Reichtum. Ich habe Freude an dei-nen Geboten, sie sind mir sehr lieb.“ (Ps 119, 14 +47)

Zugängliche SpracheAuf der anderen steht ein Lebensweis-

heitstext, der bewusst auf christliches Vo-kabular verzichtet. An dieser Station lautet er:„Stellen Sie sich bitte eine Passstraße mit Leitplanken vor. Die Leitplanken bewah-ren Sie vor dem Sturz in den Abgrund. Kleine Unfälle, Dellen und Kratzer gehö-ren wohl dazu. In allen menschlichen Ge-meinschaften gibt es Leitplanken in Form von Regeln und Gesetzen, welche die Menschen vor dem Absturz bewahren. Lassen Sie sich schützen! Halten Sie sich an die Spielregeln. Niemand, dem das Le-ben lieb ist, stürzt sich freiwillig in den Abgrund. Nutzen Sie die Leitplanken, die

Ihnen einen geschützten Weg durch das Leben ermöglichen.“

Auf diese Art und Weise haben glau-bensferne Besucherinnen und Besucher die Wahlfreiheit, ob sie christliche Texte lesen wollen oder nicht. Das führt jedoch bei fast allen dazu, dass sie beide Tafeln lesen und den christlichen Text als ein freundliches, freibleibendes Angebot ver-stehen, sich mit christlichem Gedanken-gut auseinander zu setzen. Christliche Le-serinnen und Leser wiederum bekommen einen Hinweis darauf, wie man mit nicht-religiösen Worten von den Reichtümern des Glaubens berichten kann.

Das Bild sprichtDie Zehn Leitplanken – jede davon acht

Meter hoch – sprechen aber auch für sich. Sie sind zum Himmel hin ausgerichtet, weil sie uns einen beschützten Weg durch diese Welt ermöglichen wollen, der letzt-lich himmelwärts geht.

Der schmale Weg zur erlösung

Aufrecht mit erhobenem Haupt kommen nur die Kinder durch die enge schmale Pforte. Durch die schwere Last ihrer Schuld werden die Erwachsenen wie von einem Felsbrocken niedergedrückt. (siehe Abb. 3)

Aber sobald sie sich bücken und ihre Last abgegeben, können sie schon ihren Durst löschen und leichter den schmalen Weg zur Erlösung voranschreiten. Kinder-kirche, Zeltmission, Abendmahl und sozial-diakonisches Engagement sind für Char-lotte Reihlen wichtige Stationen auf dem Pilgerweg in den Himmel. (siehe Abb. 4)

Neue Bilder sind nötigViele Aussagen des Bildes sind heute

noch aktuell – etwa die Kritik an unersätt-licher Macht und Reichtum, an grenzenlo-sem Konsum und Vergnügungssucht. Auch 100 Jahre nach Entstehung des Bil-des haben Reformkräfte wie die Öko- und Friedensbewegung das Narrativ vom be-quemen Weg, der ins Verderben führt, bei Charlotte Reihlen abgeschaut. Von Bill und Melinda Gates bis hin zu Papst Fran-ziskus wird soziales- und umweltpoliti-sches Engagement eingefordert. „Bessert Euch, indem ihr Euch anstrengt und Euren Sinn ändert!“ wird den Menschen von Kanzel und Altar, in Kassenzimmern und Parlamenten zugerufen.

Eine frohe Botschaft sieht anders aus! Da kommt der Zuspruch vor dem Anspruch! Theologisch bleibt dieser Erlösungsweg eine Herausforderung. Wo fängt hier die Werkfrömmigkeit an und wo bleibt die Gnade?

150 Jahre nach dem „Zwei Wege Bild“ brauchen wir neue Bilder, welche die Bot-schaft des Evangeliums neu fassen, viel-leicht Bilder vom Sabbat, als Weg zu den Freuden im himmlischen Jerusalem. Wenn im Johannesevangelium Kapitel 14 Vers 6 Christus als Weg und wahres Leben be-schrieben wird, ist das Bild vom fröhlichen Tausch, wo der Herr zum Knecht wird und die Magd zur Chefin, eine neue kreative Herausforderung.

Die Zehn

Leitplanken – jede

davon acht Meter

hoch – sprechen

aber auch für sich.

Dr. Thomas Hoffmann-Dieterich plädiert als Kulturwissenschaftler für mutige Bilder, die das Evangelium in ein neues Licht rücken.

Eine frohe

Botschaft sieht

anders aus!

Der „weiterweg“ in Gschwend – ein Zeigwerk des GlaubensAnhand einer Station des ‚weiterwegs‘, den ich gestaltet habe, möchte ich Ihnen exemplarisch erläutern, wie es hier gelungen ist, ‚Mission im Grünen‘ zu machen, die viele Menschen – auch Nicht-Christen – erreicht.

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Flo(rian) Maier, Nufringen, Diakon. Hat im Job und in der Freizeit immer mit „Digitalkram“ zu tun. Für mehr Infos: www.digitalkram.de

Das Kommunikationsverhalten differen-ziert sich aus. Da braucht es für die Kom-munikation mit der Zielgruppe 20+ noch facebook. Für die Altersklassen darunter WhatsApp (gehört auch facebook) oder, wenn mehr mit Bildern gearbeitet wird (und ein gutes Bild sagt eben wirklich mehr als 1000 Worte) den Bilderdienst In-stagram (man hat es geahnt: gehört auch Facebook). Schafft man es, gute Videos zu produzieren, braucht es YouTube. Wer Inhalte sofort und live ins Netz bekommen will, braucht Dienste wie Periscope oder Twitter, denn hier geschieht Echtzeitkom-munikation. Wer noch näher an der Ju-gend sein will, das Tool Snapchat. Gute Wortbeiträge wie Predigten oder Vorträge gehören in Podcasts oder auf Plattformen wie Soundcloud.

Früher war es einfach: Man hat einen Text in eine E-Mail geschrieben und es war klar: sie wird gelesen. E-Mails sterben ge-rade aus. In der Echtzeitkommunikation sind sie zu langsam, zu angestaubt. Man skypt, schreibt sich WhatsApp-Nachrich-ten, iMessages. Selbst in Firmen verliert die E-Mail immer häufiger gegen Chats oder eigene, interne soziale Netzwerke.

Kommunikationsgewohnheiten ernst nehmen

Schöne neue Welt? Wenn man nicht tag-täglich mit der Materie zutun hat, vermut-lich nicht. Eher pures Chaos und blankes Entsetzen über so eine Kommunikations-vielfalt. Ein Pfarrer meinte unlängst zu mir: „das ist langsam wie beim Turmbau zu Babel.“ Ich gebe es zu: Es ist nicht leicht, den Überblick zu behalten. Und auch ich installiere in der Zwischenzeit nicht jede neue Kommunikations-App auf meinem Smartphone, wohlwissend, dass manche dieser Trends und Start-ups nicht ewig le-ben werden. Aber es kann auch Spaß ma-chen, Dinge auszuprobieren.

Wer ernsthaft seine Botschaft unter die

„Nichts ist beständiger als der Wandel“, sagt der Volksmund. Schaut man sich die Veränderung der Medien des letzten Jahr-zehnts an, dann trifft dieser Satz voll ins Schwarze. Jeden Monat starten, meist im Silicon Valley, neue Start-ups mit Kommu-nikationsdiensten, die das Ziel haben, un-sere Kommunikation nachhaltig zu verän-dern. 2005 nutzte man SMS und E-Mails. Gefühlt wurden unsere kirchlichen Ver-bandszeitschriften noch gelesen. Auf je-den Fall wurden sie in großer Stückzahl gedruckt und verschickt. Damals konnte man sich das leisten. Das Porto war be-zahlbarer als heute. Jemanden mit einem Anliegen zu erreichen, war einfach.

2006 kam das iPhone und mit ihm et-was, von dem ich selbst nicht geglaubt habe, dass es einmal so wichtig werden würde: das Internet wanderte allmählich vom Schreibtisch in die Hosentasche. Nachrichten und Kommunikation wurden einfacher, aber auch schneller. 2015 gibt es im aktuellen „Krieg der Kommunikati-onsmittel“ einen klaren Gewinner: Mark Zuckerberg und sein Imperium.

Menschen bringen möchte, der muss sei-ne Zielgruppe und deren Kommunikati-onsverhalten kennen und bedienen. Man muss nicht jede der oben genannten Plattformen nutzen. Aber man muss sein Ohr an den eigenen Zielgruppen und de-ren Kanälen haben. Was nützt der schöns-te Flyer, die redaktionell hochwertigste Zeitschrift, wenn sie nicht von der rele-vanten Zielgruppe gelesen wird? Man muss sich klar machen: Wen will ich errei-chen und wie wird dort kommuniziert? Im Zweifel heißt das: Ängste überwinden und Dinge ausprobieren.

Neue Sites aufschlagenAls kleine Agentur haben wir gerade

eine Webseite für eine Kirchengemeinde umgesetzt (www.eki-boe.de). Sie sieht anders aus als der klassische Gemeinde-baukasten. Dieser spricht eben auch nur eine bestimmte Zielgruppe an. Wir haben auf dieser Webseite viel neu und auch viel anders gemacht. Weg von viel Information und langen Texten, hin zu großen Bildern und mehr Emotionalität. Dass es den Ge-meindebrief auch digital gibt, ist selbst-verständlich. Und natürlich gibt es die Predigten zum Nachhören – nicht auf Kas-setten, sondern als Podcast. Dass die Ab-rufzahlen nicht in den Tausenden liegen, ist klar. Das wäre aber auch nicht realis-tisch. Das Ziel war: Jüngere Menschen mit ihrem Kommunikationsverhalten und ih-rer Mobilität abzuholen. Da ist natürlich noch Luft nach oben - aber man muss auch seine Ressourcen kennen. Ist dieser Kommunikationsmix nun die Lösung? Vielleicht. Einen Versuch ist es allemal wert. Aber es wird auch für diese Gemein-de eine Aufgabe bleiben, die Zielgruppe und ihr Kommunikationsverhalten weiter im Blick zu behalten.

Und es gibt einen klaren Verlierer: uns. Denn wir, die mit unseren Nachrichten und Anliegen Menschen erreichen wollen, müssen viel mehr Dinge beachten und auf so vielen Plattformen wie noch nie unsere Informationen spielen.

Neue Dienste legen zu

Wer heute unterschiedliche Milieus und Altersgruppen erreichen will, braucht mehr als facebook. Erreichte man noch 2012 viele Jugendliche dort, ist das Netzwerk in der Zwischenzeit von „den Alten überflu-tet worden“ – so die Jugend. Und wie es immer ist, wenn Räume der Jugend auch von Erwachsenen eingenommen werden – es entstehen neue Nischen und Plätze.

Medien(r)evolution – oder: Wer nicht kommuniziert, geht verloren

Ein Plädoyer für eine eindeutige Identifikation von Zielgruppen und für mehr Respekt vor ihren Kommunikationsgewohnheiten

Wer ernsthaft

seine Botschaft

unter die Men-

schen bringen

möchte, der muss

seine Zielgruppe

und deren Kommu-

nikationsverhalten

kennen und

bedienen.

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Moritz Staigerbesucht inzwischen die 8.Klasse des HGG Markgröningen. Tabea Hieber unterrichtet dort seit vielen Jahren sehr gerne evangelische Religion.

Faszination Lego-Bibel

Brendan Powell Smith ist Atheist; und seine Umsetzung der Hebräischen Bibel mithilfe von Lego-Szenarien (The Brick Testament) wurde ein Riesenerfolg. Legosteine hält er für ein

„really interesting art medium“, mit dem sich Vorstellungen von einem liebenden Gott und blutige Geschichten aus der Bibel in iro-nischer Brechung aufeinander beziehen lassen. Überaus anregendes Material für die Arbeit mit Jugendlichen, wie Tabea Hieber feststellen durfte.

Dr. Willi Beck UniSASulzbach/MurrDiakon und Gemeindeleiter

Fokus: GemeindeeinbindungJe verbundener Menschen sich mit ihrer Gemein-

de fühlen, desto wahrscheinlicher weisen sie eine religiöse Praxis und ein christliches Einstellungs-profil auf.1 Wo Menschen in keine geistliche Ge-meinschaft eingebunden sind, ist ein schleichen-der Prozess in die religiöse Indifferenz wahrnehm-bar, die schließlich zum Austritt führt. Die Kirche der Zukunft sollte deswegen alles tun, damit sich „Vergemeinschaftung“ ereignen kann. Das ist für mich verknüpft mit dem Bild von Gemeinde als Ge-meinschaft von Brüdern und Schwestern, in der sich eine hohe Verbundenheit herausbilden kann.

Problemfeld: Vergemeinschaftung

Was die einen anziehend finden, stößt andere ab. Längst ist klar, dass sich nicht jede mit jedem vergemeinschaften lässt. Zwar lassen sich milieu-orientierte Angebote platzieren, die den kirchen-fernen Milieus punktuell entgegen kommen. Als Landeskirche haben wir möglicherweise Zugänge zu allen Milieus. Die notwendige Vergemeinschaf-tung ist damit jedoch noch nicht im Blick. Dazu sind strukturelle und mentale Veränderungen nö-tig. Ansonsten werden uns die Menschen weiter-hin davonlaufen.

Kfm Forum 2016 – reformation heute

Wir freuen uns sehr, schon jetzt zu einer der wichtigsten Veranstaltun-gen von Kirche für morgen einzula-den: das Forum am Sonntag, 26. Juni 2016 in Stuttgart.Ganz im Zeichen des anstehenden Re-formationsjubiläums werden wir uns visionär und zugleich bodenständig mit der Zukunft unserer Kirche befas-sen und uns von Luther inspirieren las-sen „Wenn nicht jetzt, wann denn?“

Für dieses besondere Forum haben wir einen besonderen Veranstaltungsort gefunden: den Hospitalhof. Tradition trifft Erneuerung, mitten in Stuttgart, mitten bei den Menschen. Was könnte besser zum Reformations-Forum von Kfm passen?Auch einen Ausblick auf das Pro-gramm können wir schon geben: Gastfreundschaft im Sinne Luthers erleben. Interessante Gäste: u.a.

Dr. Fabian Vogt, Theologe und Schriftsteller, Best-of-Kirchen- kabarett mit Duo Camillo, Musik, Markt der Möglichkeiten, Kinderbe-treuungsangebot und viele Impulse für das Reformationsjahr und für die Kirche der Zukunft. Gemäß dem Kfm-Motto „Andere feiern Jubiläen. Wir gestalten Zukunftskongresse“.

Also am besten schon jetzt vormerken!

Vision und Kirchenbild: Vielfältige Gemeinden

Will man kirchenferne Milieus nachhaltig mit dem Evangelium erreichen, wird man in den Mili-eus Vergemeinschaftungsprozesse als Gemeinde-bildung anstoßen müssen. Eine Beheimatung in konventionellen kirchennahen Milieus gelingt nicht mehr. Wir brauchen ein Kirchenbild, das eine vielfältige Gemeindegründungsbewegung integ-rieren kann – um der Menschen willen. Wir spre-chen von FreshEx-Projekten und Initiativen – aber das ändert nichts daran, dass eine solche Arbeit am Ende auf Gemeindegründung hinausläuft, wenn Nachhaltigkeit im Fokus ist.

Aufbruchsimpuls: Duale Ausbildung

Will Kirche aufbrechen, wird sie Pioniere aufspü-ren und fördern, die das Evangelium dorthin zu tragen fähig sind, wo die bestehende Kirchenge-stalt und -kultur an ihre Grenzen kommt. Das könnten Familienväter oder junge Mütter sein, Bauingenieure, Kfz-Mechaniker, Bürokauffrauen oder Vorruheständler. Sie wird differenzierte Mög-lichkeiten schaffen, diese Pioniere nebenberuflich auszubilden und die Ausbildung an konkrete Gründungsprojekte innerhalb der Landeskirche knüpfen. Sie wird versuchen, sich an die Spitze einer Gründungsbewegung zu setzen, die bereits im Gange ist – außerhalb der Landeskirche. Die notwendigen Ressourcen hätte sie.

Kirchen- und Gemeindebilder fördern oder behindern lebendige Kirchenentwicklung. Eine zukunftsfähige Kirche muss neue Gemeinden gründen und ein dementspre-chendes Bild von Kirche finden. Dafür steht Kirche für morgen (Kfm) von Anfang an. Willi Beck skizziert, warum er dieses Anliegen in die Synode einträgt.

reformanstoß: Neue Gemeinden braucht das Land!

Dies hat mich

angespornt,

selber eine

Geschichte aus

der Bibel mit

meinen

Lego-Steinen

nachzubauen.

Kfm-intern

1 Engagement und Indifferenz. V. EKD-Erhebung über Kirchenmit-gliedschaft 2014, S.43ff.; Wachsende Kirche – Auf der Suche nach Zugangswegen, Beck, Willi 2012, S.280.

Begeistert habe ich den Schülerinnen und Schülern der 6. Klasse die Legobibel* gezeigt. Nach den Ferien überraschte mich ein Schüler und präsentierte mir sei-ne mit Lego-Steinen nachgebaute bibli-sche Geschichte aus dem NT. Sie bildete die Grundlage für einen Schulgottes-dienst, den die Klasse zum Ende des Schuljahres gestaltete.

Drei Fragen an Moritz: 1. Was hat dich motiviert, eine biblische Geschichte mit Legos nachzubauen?Im Religionsunterricht wurde uns eine Bi-bel gezeigt mit Geschichten, die aus Lego nachgebaut wurden. Dies hat mich ange-spornt, selber eine Geschichte aus der Bi-bel mit meinen Lego-Steinen nachzubau-en. Und natürlich, weil es Spaß macht mit Lego zu bauen.

2. Welche Überlegungen hattest du im Blick auf die Gestaltung?Ich wollte so viele Details wie möglich nachbauen.

3. Warum hast du dir gerade diese Ge-schichte „Fischzug des Petrus” ausge-sucht?

Die Geschichte war einfach nachzubau-en. Zumindest dachte ich das, bis ich dann angefangen habe und die Geschichte immer mehr ausschmückte… Es ist auch eine schöne Geschichte.

*Brendan Powell Smith, Das Alte Testament in ganz neuem Gewand, Lübbe

am Sonntag, 26. Juni 2016 in Stuttgart

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Schlussbild - Schlusswort

Zu guter Letzt

Ein Baumarkt setzt aufs Wort. Das Wortspiel ist es, was wirkt.Das Bild im Hintergrund bleibt austauschbar.

Plakate, Spots, Clips, ganzseitige Anzeigen in Hochglanzoptik. In der Werbung wird viel Geld in Bil-der investiert. Aber sind es nicht – wie bei dieser Werbung - die Sprüche, die sich in unser Gedächtnis eingraben?

Die längste Praline der Welt? Die Leistung aus Leidenschaft?Die besten Filme aller Zeiten?Und die Steine, auf die Sie bauen können?Vieles ist sogar in unsere Alltags-sprache eingewandert:Das „Wisch und Weg!“, das „Da weiß man, was man hat!“, das „Nichts ist unmööööööglich!“ und das „Und läuft und läuft und läuft…“ sowieso.

Bleiben die Bilder auch in Erinne-rung? Wirken auch sie noch länger nach?Das Bild in der Werbung ist der Eye-Catcher. Der Effekt für den Moment, das Medium für Aufmerksamkeit, für die schnelle Emotion und die spontane Attraktivität.Gewiss setzt es sich auch irgendwo in uns fest und prägt uns.Aber es verblasst rasch.

Was lebendig bleibt, ist der Spruch, der Slogan, das Wortspiel.Wir übernehmen ihn, spielen mit ihm, nutzen ihn humorvoll und kre-ativ in neuen Zusammenhängen. Er bereichert unseren Sprachschatz und fördert unsere Fantasie.

Vielleicht ist das – mitten in der Bil-derflut und von einer Seite, von der man es nicht unbedingt erwartet hätte – eine gute Nachricht für eine Kirche des Wortes: Dass es am Ende doch das Wort ist, das bleibt.Ein Freibrief zur Bilderfaulheit ist das aber nicht: Wenn wir wollen, dass das Wort mitten in der Bilder-flut überhaupt wahrgenommen werden kann, dann muss es mit den besten Bildern verknüpft wer-den, die wir finden können.

Gerhard Müller

www.kirchefuermorgen.de