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SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde Jazz across the border
Mit Günther Huesmann
Sendung: 03. Februar 2018
Redaktion: Martin Roth
Produktion: SWR 2018
Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
Service: SWR2 Musikstunde können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de
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SWR2 Musikstunde: Jazz across the border
SWR2, 03. Februar 2018
9.05-10.00 Uhr
Manuskript: Günther Huesmann
Redaktion: Martin Roth
Mit Günther Huesmann am Mikrofon, guten Morgen! Willkommen zu einer aktuellen
Ausgabe von Jazz across the border, neue Alben mit kreativen Sounds zwischen
Jazz und globaler Musik.
Sandro Roy, 22, Ausburger, kann Glasunovs Violinkonzert genauso virtuos
interpretieren, wie klassischen modernen Jazz improvisieren. Seine zweite CD unter
eigenem Namen, „Souvenir de Paris“ wurde überwiegend in der Seine-Metropole
produziert, und wenn man den Titel wörtlich nimmt, dann bringt jeder Track ein
anderes spannendes Mitbringsel. Bunt eingepackt mal im Stile von Django Reinhardt
und Stephane Grappelli, dann wieder in der Folie von Richard Galliano oder Jean-
Luc Ponty. Als Begleitung hat sich Sandro Roy dafür die Musiker des Jermaine
Landsberger Trios gewählt.
Und der Junge hat Mut: in dem Irving Berlin-Klassiker „Let’s Face the Music and
Dance“ „kreuzt“ er seinen Geigenbogen gleichsam zum Florettgefecht mit einem
anderen virtuosen Violinisten des Gypsy-Jazz, mit Roby Lakatos. Ein musikalisches
Duell ohne Verlierer, hier spielen zwei Freunde in swingender Konkurrenz.
1) Let’s Face The Music And Dance
Komponist: Irving Berlin
Interpret: Sandro Roy
CD: Skip SKP 9138-2, LC 10482
Track 1, 5:07
Die beiden Sinti-Geiger Sandro Roy und Robyn Lakatos.
Monty Alexanders Aufstieg in den Jazzolymp war eng verbunden mit der Plattenfirma
MPS in Villingen. Der Produzent Hans-Georg Brunner-Schwer hatte den Tipp von
seinem Lieblingspianisten Oscar Peterson bekommen: da gebe es einen jungen
Musiker aus Jamaika, der so wahnsinnig gut swingen könne, meinte Peterson, den
solle sich Brunner-Schwer mal anhören.
Und so entstanden viele frühe Monty-Alexander-LPs für das Schwarzwald-Label
MPS. Schön, dass diese lange nur in Sammelforen erhältlichen Klassiker nun wieder
auch offiziell zu haben sind, Alben wie zum Beispiel „Here Comes the Sun“ von 1971,
neu abgemischt.
Und man hört da, wie fantasievoll Alexander damals improvisieren konnte. Auch
wenn er hier und da auf einen theatralischen Show-Effekt setzt - was die Verbindung
von karibischer Musik und Modern Jazz angeht, hat Monty Alexander Pionierarbeit
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geleistet. Virtuos versteht er es, die karibischen Farben von Calypso, Ska und
Reggae in swingende Musik zu verwandeln.
2) Montevideo
Komponist: Richard Evans
Interpret: Monty Alexander
Label: MPS 02212406MSW, LC00979
CD: Here Comes the Sun
Track 1, 4:21
“Montevideo” eine Kostprobe von dem Album “Here Comes the Sund”, das der
jamaikanische Pianist Monty Alexander 1971 eingespielt hat; Eugene Wright,
Kontrabass; Duffy Jackson, Schlagzeug und Montego Joe, Perkussion.
“Pelagos” nennt der Italiener Stefano Battaglia sein aktuelles Solo-Doppel-Album, auf
dem er teils Balladen, teils Sounds auf einem a la John Cage präparierten Klavier
spielt. Auf “Pelagos” richte er den Fokus auf die Sounds einer leidgeprüften Region,
sagt er: auf die des Balkans und des Mittelmeerraumes. Battaglia ist dabei ein
Pianist, der den Keith Jarrett-Ansatz ganz bewusst aufs Einfachste konzentriert – im
positiven Sinne. Es gehe ihm beim Improvisieren darum, das Licht um die Melodie
herum zu schützen. Und die beste Weise in der man das tun könne, ist indem man
mit Bedacht spiele, und mit großem Respekt vor einer anderen Kultur. Battaglia
schafft das in dem orientalischen Song “Lamma Bada Yatahanna” – und sogar noch
ein bisschen mehr: nämlich gleichzeitig eigene Ideen in diese uralte arabische
Melodie einzuflechten, einem Liebeslied voller Sehnsucht und Verlangen, es stammt
aus dem 10. Jahrhundert und hat ein 10-Achtel-Metrum.
3) Lamma Bada Yatahanna
Komponist: trad.
Interpret: Stefano Battaglia
Label: ECM 2570/71, LC 02516
CD: Pelagos
CD 1, Track 4 4:51
Stefano Bataglia improvisierte über die Melodie “Lamma Bada Yatahann”, ein
Ausschnitt aus seiner Doppel-CD “Pelagos”.
1976 verkaufte der aus Puerto Rico stammende Posaunist Juan Tizol seine Rechte
an einer Eigen-Komposition an Irving Mills. Dieses Stück, zu dem Tizols damaliger
Chef Duke Ellington den Mittelteil beigetragen hat, entwickelte sich zu einem
veritablen Hit. Tizol konnte von Glück reden, dass Mills ihm später einen Teil des
Copyrights zurückgab. Denn „Caravan“ wurde zu einem Jazzklassiker. Zuerst
aufgenommen hat das ‚Stück 1936 der Ellington-Klarinettist Barney Bigard, aber
schon ein Jahr später nahm der Duke das Stück fest in sein Orchester-Repertoire
auf. Heute gehört es zu den meistgespielten Jazz-Standards.
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Es spricht für die Vielschichtigkeit und das Einfühlungsvermögen der improvisierten
Musik, dass ausgerechnet eines der frühen Zeugnisse des Latin-Jazz sich
atmosphärisch und kulturell in eine andere Welt hinein versetzt: denn das Stück
spielt mit orientalischen Farben und Mustern, es schildert den Zug einer Karawane
durch die Wüste.
4) Caravan
Komponist: Juan Tizol/Irving Mills/Duke Ellington
Barney Bigard und seinen „Jazzopators“
Label: Pro art
cdd 482
„Caravan“, der große Jazz-Klassiker, komponiert vom Posaunisten Juan Tizol, zum
ersten Mal wurde er von dieser Small Group aufgenommen; am 19. Dezember 1936,
vom Klarinettisten Barney Bigard und seinen „Jazzopators“.
Auch der in München lebende Schlagzeuger Diego Pinera, der vor 17 Jahren sein
Geburtsland Uruguay verlassen hat, interpretiert genau diesen Song auf sein
aktuelles Album „Despertando“. Die CD bringt zur einen Hälfte Eigenkompositionen,
zur anderen Hälfte enthält sie Interpreationen von Musik aus Lateinamerika und des
Latin-Jazz. Neben „Caravan“ sind das auch Titel von Gato Barbieri, Ernesto Lecuona
und Emiliano Salvador.
Das ist aber kein Nostalgie-Projekt. Pinera sagt, er wolle herausfinden, wie diesen
„alten Songs“ klingen, wenn er sie als der Diego von heute spiele.“ Und der Diego
von heute, das ist ein Schlagzeuger, der in seiner Version von „Caravan“ die
Stellschrauben in rhythmische Hinsicht um ein paar Drehungen komplexer anzieht
und dennoch der Atmosphäre des Originals treu bleibt.
5) Caravan
Komponist: Juan Tizol/Irving Mills/Duke Ellington
Interpret: Diego Pinera
Label: ACAT 9854-2, LC 07644
CD: Despertando
Track 2, 3:32
Die Band des Schlagzeugers Diego Pinera mit „Caravan“.
Auf seinem zweiten Album mit seinem Ensemble „Siwan“ entwickelt der norwegische
Keyboarder Jon Balke eine musikalische Utopie. Ausgangspunkt ist für Balke seine
Auseinandersetzung mit der Kultur von Al-Andalus, dem Herrschaftsbereich auf der
iberischen Halbinsel vom Jahr 730 bis 1492.
Was, so fragt sich Balke auf dem Album, wäre geschehen, wenn es die Inquisition
und die Reconquista NICHT gegeben hätte? Wie würde die Musik der iberischen
5
Halbinsel nach Al Andalus klingen, wenn jüdische, muslimische und christliche
Menschen im historischen Spanien weiter friedlich zusammen gelebt hätten?
Das Ergebnis ist eine Sound-Fantasie in der die Musik Andalusiens, die Ladino-
Sounds der Sepharden, die Barockmusik und die arabische Musik in ein
eigentümliches Neben- und Miteinander treten. Mitgewirkt haben an dem Album
„Nahnou Houm“ Jazzmusiker genauso wie klassische Streicher, solistisch treten
besonders die algerische Sängerin Mona Boutchebak und der türkische Kemence-
Spieler Derya Turkan in Aktion.
Es entsteht hier weniger der Eindruck einer Fusion, sondern der eines Chores der
Unterschiede und Vielstimmigkeit. Interessant sind dabei allerdings weniger die
Brüche. Spannend ist vielmehr, dass sich an den Nahtstellen von scheinbar
gegensätzlichen Gattungen, Traditionen und Stilen immer wieder Ähnlichkeiten und
Parallelen ergeben.
6) Desmayar Se
Komponist: Jon Balke
Interpret: Jon Balke und Ensemble „Siwan“
Label: ECM
Bestellnummer: 2572
LC: 02516
CD: Siwan
Track 2, 2:35
7) Castigo
Komponist: Jon Balke
Interpret: Jon Balke und Ensemble „Siwan“
Label: ECM
Bestellnummer: 2572
LC: 02516
Track 3, 4:45
8) Del Rey
Komponist: Jon Balke
Interpret: Jon Balke und Ensemble „Siwan“
Label: ECM
Bestellnummer: 2572
LC: 02516
Track 4, 5:05
Der norwegische Pianist und Keyboarder Jon Balke, die algerische Sängerin Mona
Boutchebak und das Ensemble „Siwam“ „Nahnou Houm‘“ heißt ihr aktuelles Album,
und das bedeutet so viel wie: „Ich bin ihr“.
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Auf seinem elften Album unter eigenem Namen zieht der Trompeter Ibrahim Maalourf
den Hut vor Dalida. In zwölf Sogns verneigt sich Maalouf tief vor dem Ouevre der
1987 th verstorbenen französischen Pop-Diva. Aufgewachsen ist Dalida als Kind
italienischer Einwanderer in Kairo, sie wurde 1954 zur „Miss Agypten“ gewählt, ihre
größten Erfolge aber feierte sie als „Königin der Jukebox“ in den 1950-er und 60-er
Jahren.
Maalouf schwört, dass Dalidas Platenfirma Barclay ihn nicht unter Druck gesetzt
habe, dass er auf dem Album „Dalida“ alles – von der Wahl der Mitmusiker bishin
zur Besetzung der Big-Band –selbst bestimmt habe. Aber so ganz wird man beim
Anhören des Albums den Eindruck nicht los, dass der Trompeter hier weit unter
seinen eigenen solistischen Möglichkeiten bleibt. So imposant er ist, der Reigen der
Stars, den Maalouf auffährt– von Sängern wie Raoka Traoré bis Arno - leider vergisst
der Trompeter über seine Freude an den Dalida-Songs fast ganz seine fantastischen
improvisatorischen Fähigkeiten. Und er singt auch, wie hier an der Seite von Melody
Gardot.
9) J’Attendrai
Komponist: Nino Rastelli/Dino Oliveri/arr. Louis Poderat
Interpret: Ibrahim Maalouf feat. MElody Gardot
CD: Dalida by Ibrahim Maalouf
Track 3, 4:19
Ibrahim Maalouf und Melody Gardot interpretierten den Dalida-Hit “J’Attendrai”.
Bleiben wir bei einem Trompeter, aber gehen wir nach Südafrika: Als er 16 war,
bekam er von Louis Armstrong eine Trompete geschenkt. Da also schon, in einer
Holzhütte in einem Township nahe von Johannesburg zeigte sich, was für ein
Riesen-Talent er war. Hugh Masekela; Jahrgang 1939, wurde zu einer
herausragenden Stimme des südafrikanischen Jazz. Gemeinsam mit Abdullah
Ibrahim, der damals noch Dollar Brand hieß, gründete er 1969 “The Jazz Epistels”,
mit denen er die erste moderne südafrikanische Jazzplatte aufnahm. “Township
Bebop” nannnten sie ihre Musik, Kwela- und Zulumelodien mit Bebop verbindend.
Später wurde Hugh Masekela in den USA ein erfolgreicher Fusion-Musiker, der
virtuos zwischen Jazz, Weltmusik und Pop pendelte. Er war eine führende Stimme im
Kampf gegen das Apardheit-Regime und einer der prominentesten
KulturbotschafterAfrikas. Vor wenigen Tagen ist er im Alter von 79 Jahren gestorben.
Wir verneigen uns vor diesem Musiker, indem wir einen Titel aus den 1970-er Jahren
spielen, da interpretiert Hugh Masekela auf seine ganz eigene Weise den
brasilianischen Hit von Jorge Ben, “Masquenada”.
Und das war die heutige Ausgabe der SWR2 Musikstunde mit Jazz across the
border. Mein Name ist Günther Huesmann. Ich wünsche Ihnen ein schönes
Wochenende.
10) Masquenada
Komponist Jorge Ben
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Interpret: Hugh Masekela
Label: Verve 06007 5328250
CD: The Best of Hugh Masekela presented by Till Brönner
6:25