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NATUR.RAUM. MANAGEMENT N r . 28 02 / 2016 DAS FACHJOURNAL DER NATURRAUMMANAGERI NNEN WERTE DER NATUR Ermittlung, Bewertung, Ausblick

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NATUR.RAUM.MANAGEMENT

Nr . 280 2 / 2 0 1 6

DAS FACHJOURNAL DER NATURRAUMMANAGERINNEN

WERTE DER NATUR Ermittlung, Bewertung, Ausblick

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NATUR.RAUM.MANAGEMENT

INHALT

3 Leitartikel

4 Wertsache Natur – wie man Naturleistungen in Euro misst

6 Studie „Werte der Natur – Ergebnissefür fünf Ökosystemleistungen“

8 Ideologische Klippen überwinden

10 Schutzschild Wald – Funktion & Wertder Bundesforste-Schutzwälder

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NATUR. RAUM. MANAGEMENT | Ausgabe 02/2016 – Nr. 28 3

WAS IST (UNS) UNSERE NATUR WERT?

LEITARTIKEL

D as Schwerpunktthema dieses Heftesist der Abschluss des ersten Teils desProjektes „Werte der Natur – Die Öko-

systemleistungen der Bundesforste“. Ein ver-gleichbares Projekt mit diesem Thema ist mirnicht bekannt. Erstmalig wurde seitens einesdie natürlichen Ressourcen bewirtschaftendenUnternehmens versucht, seine aus der Naturund durch seine Bewirtschaftung beeinfluss-ten Naturräume wohlfahrtsökonomisch zu be-werten. Und zwar auf der gesamten von denBundesforsten betreuten Fläche, die immerhin10% des Staates bzw. 15% des Waldes repräsen-tiert. Damit werden die Kenntnisse über Öko-systemleistungen gesamthaft erfasst und diedurch die Natur hervorgebrachten Leistungenquantifiziert, qualitativ bewertet, monetär ver-gleichbar und somit kommunikativ verständli-cher gemacht.

Wir folgen damit internationalen Studien, die aufglobaler oder nationaler Ebene versuchten, denWert der Ökosysteme zu erfassen. Wir führen diesallerdings auf einer bereits sehr konkreten Ebenedurch – nämlich auf jener der Waldorte. Damitsollen den Stakeholdern der ÖBf und der Gesell-schaft der Nutzen, den uns die Natur stiftet, aberauch die Grenzen dieser Nutzungen näher ge-bracht werden. Dies erhöht die Akzeptanz fürUmwelt- und Ressourcenpolitik und die Zielge-nauigkeit der eigenen Maßnahmen. Wir verste-hen daher dieses Projekt ganz im Sinne von Ste-fan von Grünigen1 „immer als ergänzendes Kon-zept und nicht als Einziges“, denn das „Marktfä-hig-Machen“ einzelner Ökosystemleistungen ins-besondere aus den Bereichen Gesundheit, Schutzund Biologische Vielfalt haben wir von vorne he-rein ausgeschlossen.

Damit soll auch eine Bestätigung für einenachhaltige multifunktionale Forstwirtschafterfolgen, in der neben dem Nützen von Res-sourcen auch Schutz und Erhalt des Ökosys-tems differenziert je nach Erfordernis ange-wendet wird. Dies entspricht auch ziemlich ge-nau der Erwartungshaltung der Österreiche-

rInnen, wie die im Zuge der Erhebungen zurÖkosystembewertung durchgeführten Mei-nungsumfragen zeigen. Darin werden als Zielefür die Bundesforste die Aufrechterhaltung derSchutzwaldfunktionen, Naturschutz und dieBetreuung von Schutzgebieten sowie die nach-haltige Bewirtschaftung der Wälder am häu-figsten erwähnt.

Wir haben mit dieser Untersuchung weiteresNeuland betreten, denn auch für die Biologi-sche Vielfalt hat die TU Wien mit dem BüroECO flächendeckend für die ÖBf eine qualitati-ve und wohlfahrtsökonomische Bewertungdurchgeführt. Im Vergleich zu einem hypothe-tischen Referenzszenario mit einer rein kom-merziell ausgerichteten Forstwirtschaft ergibtdie aktuell ausgeübte nachhaltige, zugleichaber ökonomisch erfolgreiche Bewirtschaftungder ÖBf für die Biodiversität einen wohlfahrts-ökonomischen Vorteil von rd. € 60 Mio. jähr-lich. Die Herleitung dieses Nutzens wurde übereine Berechnung eines relativen Biodiversitäts-index für die Fläche der Bundesforste vorge-nommen. Dieser bezieht u.a. Schutzgebiete,Vorkommen von Arten aber auch unsere Struk-turdaten wie Baumartenvielfalt oder Baumar-tenschichtungen aller Waldorte ein und ergibtfür knapp über 60% einen guten bzw. mittle-ren Biodiversitätswert. Und diese Strukturenwerden durch die Forstleute maßgeblich be-einflusst – also ein wichtiger Hinweis wo wiransetzen müssen.

Interessant ist aber, dass es aus Sicht der Öf-fentlichkeit auch Grenzen für Naturschutzgibt. Wären damit Kosten für den Einzelnenverbunden, würde eine großzügige Auswei-tung der Naturschutzmaßnahmen mehrheit-lich abgelehnt. Das zeigt eine Umfrage im Rah-men des Werteprojektes. Ebenso wird aberauch die rein kommerzielle Nutzung der Natur-ressourcen abgelehnt. Für die Praxis bedeutetdies, dass der ausgewogene Mix von Nützenund Schützen die zahlreichen Ansprüche andie Natur bestmöglich sicherstellt. <<

GERALD PLATTNERLeiter [email protected]

ANMERKUNG:1 Energie- und Umweltökonom und

Bereichsleiter beim privaten Bera-tungs- & Forschungsunterneh-men econcept AG; siehe NRM-Journal Nr. 22, S. 10-11

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ANSICHTEN

NATUR.RAUM.MANAGEMENT

Wie viel (uns) die Natur wertist, lässt sich auch in Geldwer-ten darstellen. Um solche Werterichtig einzuordnen, ist eine In-terpretationshilfe von Vorteil.

D ie wirtschaftliche Perspektive auf denWert der Natur ergibt sich aus zweieinfachen Überlegungen: Der Schutz

der Natur sichert einerseits eine unendlichgroße Bandbreite an Ökosystemleistungen, diefür Menschen wohlfahrtssteigernd sind – alsoverschiedenste Bedürfnisse befriedigen: Nah-rung, Kleidung, Rohstoffe, kulturelle, spirituelleBedürfnisse etc. Andererseits haben menschli-che (insbesondere wirtschaftliche) AktivitätenAuswirkungen auf die Natur, und der Natur-schutz erfordert „produktive Ressourcen“ (Flä-chen, Personalaufwand, Investitionen). Diese Ressourcen sind knapp. D. h., ihre Nut-zung für den Naturschutz bedeutet den Ver-zicht auf andere Nutzungen (z. B. Herstellungvon Konsumgütern, Widmung einer Fläche fürdie Stadterweiterung anstatt für Naturschutz).

SZENARIEN VERGLEICHENDas Konzept der Ökosystemleistungen ver-sucht, die wirtschaftlichen Dimensionen desWertes der Natur zu systematisieren und fürökonomische Bewertungsmethoden zugäng-lich zu machen. In ökonomischen Bewertungs-studien ist es jedoch kaum möglich (und oftwenig sinnvoll), einen absoluten „Wert der Na-tur“ zu bestimmen. Das heißt, eine Aussage,wieviel ein Vogel, ein Baum, oder ein Feuchtge-biet insgesamt wert sind, kann nicht getroffenwerden. Der ökonomische Ansatzpunkt liegt

vielmehr in einer Bewertung von Veränderun-gen der Umweltqualität, etwa bei verschiede-nen Bewirtschaftungsformen. Statt also einenabsoluten Wert für Quellwasser an sich zu be-rechnen, geht es darum, den Status quo auf ei-ner bestimmten Fläche (derzeitige Wasserqua-lität und -quantität) mit einem Referenzszena-rium zu vergleichen – z. B. einer theoretischen

intensiveren forstwirtschaftlichen Nutzung,bei der sich die Wasserqualität eventuell ver-schlechtert. Der Verzicht auf eine solch intensi-vere forstliche Nutzung erbringt somit eineVerbesserung der Wasserqualität im Vergleichzu diesem Referenzszenarium.Vor einer ökonomischen Bewertung ist somitdie wesentliche Grundfrage zu stellen, wie sichder derzeitige Zustand der Ökosystemleistun-gen darstellt und welche Veränderungen durchdas Management der Flächen zu erwartensind. Diese Beschreibungen sind für alle zu be-wertenden Ökosystemleistungen in gleicherWeise zu erarbeiten.

4 NATUR. RAUM. MANAGEMENT | Ausgabe 02/2016 – Nr. 28

WERTSACHE NATURWie man Naturleistungen in Euro misst

Langbathsee in Oberösterreich

„ES IST KAUM MÖGLICH (UND OFTWENIG SINNVOLL), EINEN ABSOLUTEN „WERT DER NATUR“ZU BESTIMMEN.“Michael Getzner

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KNAPPHEIT & WERTSCHÄTZUNGDie vielfältigen ökonomischen Bewertungsme-thoden resultieren somit in einer Bewertung inEuro, die ausdrückt, wie „knapp“ eine Ressourceist. Diese Knappheit ergibt sich aus den ökologi-schen Veränderungen und aus der menschlichenBewertung der Ressource. Ist beispielsweiseWasser im Überfluss vorhanden, und führt eineVeränderung der Nutzung von Waldflächenkaum zu einer Veränderung der Wasserqualität,so ist der ökonomische Wert dieser Veränderun-gen (im Vergleich des „Status quo“ zum Refe-renzszenarium) entsprechend klein. Ebenso istder ökonomische Wert gering, wenn die ökologi-schen Veränderungen einer Umweltressourcezwar groß sind, in der Bevölkerung jedoch keinePräferenzen für ihren Schutz bestehen, oder dieUmweltressource nicht als wichtig wahrgenom-men wird. Dies bedeutet, dass die ökonomischenBewertungsmethoden jene menschlichen Be-wertungen (individuell und gesellschaftlich) er-fassen, deren Stärke nicht beispielsweise inForm einer qualitativen Punktebewertung odereines Meinungsbildes (z. B. „Naturschutz istnicht/etwas/sehr wichtig“) ausgedrückt wird.Vielmehr wird versucht, den einheitlichen, leichtvergleichbaren und vielfach gewohnten Maß-stab von Geldeinheiten zu nutzen.

KEIN MARKTPREISDie Bewertung einer Ökosystemleistung inGeldeinheiten drückt in den meisten Fälleneine gesellschaftliche Bewertung nicht markt-gängiger (verkaufbarer) Güter und Leistungenaus, aber keinen Marktpreis. Ergibt also eineökonomische Bewertung zum Beispiel, dassvon einer bestimmten Naturschutzfläche der-zeit ein Wert von einer Million Euro in Formvon sauberem Trinkwasser ausgeht (im Ver-gleich zu einer Situation, bei der die Flächeforstlich intensiv genutzt wird), dann kann da-raus nicht geschlossen werden, dass die Öko-systemleistung um diesen Marktpreis „ver-kauft“ werden kann und daraus Einnahmen indieser Höhe zu erwarten sind.

SUMMIEREN & ÜBERTRAGENÖkosystemleistungen können auch in einemKonflikt zueinander stehen. So führt zum Bei-spiel ein strengerer Naturschutz zu größererArtenvielfalt und möglicherweise zu einer grö-ßeren Wertschätzung dafür, aber eventuell

ebenso zu einer Verringerung der Erholungs-möglichkeiten in einem Ökosystem. Es ist da-her nicht ohne weiteres möglich, die einzelnenWerte zu addieren. Immer ist zu beachten,dass die einzelnen Funktionen der Natur sichergänzen, und die Betrachtung einzelner Ele-mente eines Ökosystems folglich nur einenkleinen Ausschnitt der Wirklichkeit bietet. So-mit ist auch eine Übertragung von Bewertun-gen problematisch, beispielsweise einfachesÜbernehmen von Bewertungsansätzen aus an-deren Untersuchungen ohne Berücksichtigungder jeweiligen Zusammenhänge.

UNSICHERHEITEN & ANNAHMENÖkonomische Bewertungsstudien und -ergeb-nisse sind grundsätzlich mit Vorsicht zu inter-pretieren – nicht nur aus kritischer Sicht denBewertungsmethoden gegenüber. Auch dieDatengrundlagen über ökologisch-naturwis-senschaftliche Zusammenhänge können un-vollständig oder mit großen Unsicherheitenbehaftet sein. Ebenso beruht die Beschreibungvon alternativen Nutzungsformen für die be-troffenen Flächen (Referenzszenarien) notwen-digerweise auf Annahmen. Daher liefert dieökonomische Bewertung auch aus dieser Sichtkeinen „Wert der Natur“, sondern bietet auf-grund ihres spezifischen methodischen Zu-gangs eine Fülle an Informationen für gesell-schaftliche, politische und unternehmerischeEntscheidungen. <<

NATUR. RAUM. MANAGEMENT | Ausgabe 02/201 6 – Nr. 28 5

Dr. Michael Getzner ist Univ.-Prof. und Leiter des De-partments für Raumplanung ander Technischen Universität Wiensowie einer der Autoren der Studie„Werte der Natur“

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Ziel: Erfassen, Beschreiben, Verorten und ökonomisches Bewerten ausgewählterÖkosystemleistungen auf der gesamten ÖBf-Fläche und allenfalls zusätzlich in Mo-dellregionen:> Wasserversorgung – Modellregion: Forstbetrieb (FB) Pinzgau> Erosionsschutz – FB Pinzgau, Inneres Salzkammergut, Wienerwald, Donau-Auen> Lokale Klimaregulation – FB Pinzgau, Inneres Salzkammergut, Wienerwald, Do-

nau-Auen> Erholungsleistung – österreichweit> Biologische Vielfalt – österreichweit

Laufzeit: Sept. 2014 – Feb. 2016

Durchführung:> Technische Universität Wien, Fachbereich Finanzwissenschaft und Infrastruktur-

politik (IFIP) im Department für Raumplanung> E.C.O. Institut für Ökologieunter Beiziehen externer ExpertInnen

Auftraggeber: Österreichische Bundesforste

FORSCHUNGSPROJEKT „WERTE DER NATUR“

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ANSICHTEN

NATUR.RAUM.MANAGEMENT

Die Bundesforste wollten esals erstes Unternehmen Öster-reichs flächendeckend wissen:Welche wohlfahrtssteigerndeWirkung entfalten „Dienstleis-tungen“ der Natur? Die Studie„Werte der Natur“ liefert Auf-schlüsse.

D urch Schutz und nachhaltige Pflege si-chern die Bundesforste eine Reihe von„Natur-Dienstleistungen“, die der Allge-

meinheit zu Gute kommen. Nur in welchem Aus-maß? Die Studie „Werte der Natur“ macht dieseWohlfahrtswirkung für Volkswirtschaft und Ge-sellschaft auf der gesamten Bundesforstefläche(850.000 ha bzw. 10 % der Staatsfläche) sichtbar1:Für fünf ausgewählte Ökosystemleistungen wur-den Ausmaß, Nutzen und künftige Entwicklungs-szenarien2 erhoben. Die Studie verglich die mo-mentanen Ökosystemleistungen (Status quo) miteinem Referenzszenario, bei dem eine äußerst in-tensive, eigentlich nur theoretisch mögliche

Forstwirtschaft betrieben wird. Sie ist unter ande-rem charakterisiert durch Ausweitung von Mono-kulturen oder Kahlschlägen und Verkürzung vonUmtriebszeiten3 sowie der Reduktion der Natur-schutzaufgaben. Aus dem Unterschied beiderSzenarien wurde der Nutzen der momentanen„Natur-Dienstleistungen“ abgeleitet, ausgedrücktin Geldwerten4. Alle fünf Ökosystemleistungen

zusammen entsprechen demnach einem Gegen-wert von 92 bis 114 Mio. Euro pro Jahr (109 - 135Euro pro ha und Jahr). Die StudienautorInnenkommen zum Schluss, „dass für den Erhalt unddie weitere Sicherung der Ökosystemleistungenauf ÖBf Flächen ein hohes öffentliches Interessebesteht“.

WASSERVERSORGUNGTrinkwasser, das ohne Aufbereitung genossenwerden kann, ist eine zentrale Lebensgrundlagedes Menschen. Quellen in 1.822 Wasserschutzge-bieten liefern auf Bundesforsteflächen hochge-rechnete 74 Mio. m3 Wasser pro Jahr (detaillierteDaten liegen nur für den Pinzgau vor).

Der Wert der Ökosystemleistung „Wasserversor-gung“ wird für die gesamten Bundesforsteflä-chen mit rd. 1,4 Mio. bis 7,6 Mio. Euro pro Jahr ver-anschlagt – je nach den zugrunde liegenden An-nahmen (Bewertung über den Wasserzins oderüber Kosten für technische Aufbereitung und al-ternative Zuleitungsnetze, die bei Verunreinigungbestehender Quellen anfielen). Dieser vergleichs-weise niedrige Wert lässt sich u. a. damit erklären,dass qualitativ hochwertiges Trinkwasser inÖsterreich kein „knappes Gut“ ist. Nur etwa einbis zwei Prozent des heimischen Trinkwasserdar-gebots werden derzeit überhaupt genutzt. BeiBeeinträchtigung von Quellen könnte in denkommenden Jahrzehnten trotz Bevölkerungsan-

6 NATUR. RAUM. MANAGEMENT | Ausgabe 02/2016 – Nr. 28

STUDIE „WERTE DER NATUR“Ergebnisse für fünf Ökosystemleistungen

Wienerwald

„FÜR DEN ERHALT UND DIE SICHE-RUNG DER ÖKOSYSTEMLEISTUN-GEN AUF ÖBf-FLÄCHEN BESTEHTEIN HOHES ÖFFENTLICHES INTERESSE.“ Studie „Werte der Natur“

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ANMERKUNGEN:1 aufbauend auf einer Vorstudie;

siehe NRM-Journal Nr. 22, S. 8-92 unter Annahme eines „Busi-

ness-as-usual“-Szenarios (keineÄnderungen der gesetzlichenund unternehmenspolitischenZielvorgaben)

3 Zeitraum von der Gründung ei-nes Waldbestandes bis zur Holz-nutzung

4 zur Methodik siehe Seite 4-55 Über 300 Metern ist schwer ab-

schätzbar, welcher Anteil derKühlleistung auf den Wald zu-rückzuführen ist.

6 Aufbauend auf einer Befragung,bei der Zahlungsbereitschaftenfür drei ÖBf-Bewirtschaftungs-szenarien (mit unterschiedlichstarkem Naturschutz- bzw.Forstwirtschaftsschwerpunkt)geäußert werden konnten.

7 Werte, deren Bewahrung einemwichtig ist, auch ohne dass manvorhat, sie unmittelbar zu nut-zen

8 anhand von (unterschiedlichgewichteten) Parametern wieSchutzgebietsausstattung, Bio-diversitätspotenzial (Arten, Le-bensraumstruktur), Zerschnei-dungsgrad

WEBTIPP:> www.bundesforste.at/natur-

erlebnis/natur-schutz/biodiver-sitaet/werte-der-natur.html

stieg und Klimawandel daher ohne größeren Auf-wand auf andere Wasservorkommen „ausgewi-chen“ werden.

EROSIONSSCHUTZDie Ökosystemleistung „Erosionsschutz“ wird aufBundesforsteflächen mit rd. 2,9 bis 14,7 Mio. Eurojährlich bewertet. Details dazu finden Sie auf denSeiten 10-11.

LOKALE KLIMAREGULATIONWälder verbessern das Mikroklima in ihrem Um-kreis, z. B. durch Kühleffekte im Sommer. Rund427.000 ÖsterreicherInnen profitieren potenziell

davon, weil sie weniger als 300 Meter von einerBundesforstefläche entfernt wohnen.5 Die lokaleKlimaregulation besitzt somit zentrale Bedeu-tung für die Lebensqualität, ist aber naturwissen-schaftlich noch wenig erforscht. Dennoch ist ihrvolkswirtschaftlicher Zusatznutzen auf allen Bun-desforsteflächen unter der derzeitigen Bewirt-schaftungsweise vergleichsweise gering: rd. 1,1Mio. Euro (auf Basis ersparter Kühlkosten).Durch Klimawandel und wachsende Ballungszen-tren ist jedoch davon auszugehen, dass v. a. stadt-nahe Wälder und Grünflächen (z. B. Wienerwald)künftig bedeutsamer für die lokale Klimaregulati-on sein werden, aber auch unter erhöhtem Nut-zungsdruck stehen werden.

ERHOLUNGSLEISTUNG„Die Flächen der ÖBf sind zentral für die Freizeit-gestaltung der Menschen in Österreich“, hält dieStudie „Werte der Natur“ fest. Auf ihnen stehen u. a. rd. 3.900 km Wander- und Spazierwege, 2.100 km Mountainbike- oder Radfahrstrecken,660 km Reitwege, 152 Themenwege und 40 Na-turbadeplätze zur Verfügung. Sie leisten zudemeinen wichtigen Beitrag zur BesucherInnenlen-kung. Der Studie zufolge sind von 850.000 haBundeforsteflächen österreichweit nur 0,01 % (rd. 120 ha) durch Lärm hochrangiger Verkehrs-infrastruktur beeinträchtigt – v. a. im Wienerwaldund in manchen Talbereichen Salzburgs. Die Na-

tur bietet demnach noch viel Raum für Erholungund Stressabbau.Im Sommer 2015 wurden rd. 1.500 ÖstereicherIn-nen nach ihren aktuellen Erholungsaktivitäten be-fragt. Auf Basis ihrer Angaben wurde der Erho-lungs- und Freizeitwert errechnet, der durch diemomentane Waldbewirtschaftung auf den Flä-chen der Bundesforste gesichert wird. Er beträgtvorsichtig geschätzt rd. 25,75 Mio. Euro pro Jahr.Und zwar ausschließlich bezogen auf die kurzfris-tige, tageweise Naherholung. Immerhin habenrund zwei Millionen ÖsterreicherInnen die Mög-lichkeit, in weniger als drei Kilometern EntfernungBundesforsteflächen zur Erholung zu nutzen. Die

Studie sagt zudem voraus, dass die Bedeutung derErholungsfunktion in Zukunft noch steigen wird.

BIOLOGISCHE VIELFALTDurch den Schutz biologischer Vielfalt auf Bun-desforsteflächen entsteht der österreichischenGesellschaft und Volkswirtschaft konservativ ge-schätzt ein Wohlfahrtsgewinn von annähernd60,5 Mio. Euro jährlich.6 Dieser „non-use value“7

erreicht somit den höchsten Wert unter den fünfuntersuchten Ökosystemleistungen.

Im Rahmen der Studie wurde auch ein „relativerBiodiversitätswert“ entwickelt, mit dem die (po-tenzielle) Bedeutung von Flächen für den Schutzder Biodiversität dargestellt werden kann8. Dem-nach weist zwar keine Bundesforstefläche einensehr hohen, rund 18 % aber einen hohen Biodiver-sitätswert auf (besonders die sogenannten „Ne-bengründe“, also Nicht-Waldflächen wie Feucht-gebiete und Gewässer sowie viele alpine Gebie-te). 43 % der Flächen besitzen einen mittleren, rd. 34 % einen niedrigen und rd. 5 % einen sehrniedrigen relativen Biodiversitätswert.

Beim Schutz der Biodiversität rechnen die Studi-enautorInnen künftig mit keinen wesentlichenÄnderungen, sofern das momentane Bewirt-schaftungsszenario auf Bundesforsteflächen bei-behalten wird. <<

NATUR. RAUM. MANAGEMENT | Ausgabe 02/2016 – Nr. 28 7

DURCH DEN SCHUTZ BIOLOGISCHER VIELFALT AUF ÖBf-FLÄCHEN ENT-STEHT DER ÖSTERREICHISCHEN GESELLSCHAFT UND VOLKSWIRTSCHAFTEIN WOHLFAHRTSGEWINN VON ANNÄHERND 60,5 MIO. EURO JÄHRLICH.

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EINSICHTEN

NATUR.RAUM.MANAGEMENT

Kobernaußerwald, Oberösterreich

Wie sind die Ergebnisse derStudie „Werte der Natur“ ein-zuordnen? Bundesforste-Vor-stand Rudolf Freidhager überwissenschaftliche Korrektheit,ideologische Klippen und denersten Schritt auf Weltreisen.

Die Studie „Werte der Natur“1 erfasst Ökosys-temleistungen auf Bundesforsteflächen undordnet ihnen Geldwerte zu. Was war die Ver-anlassung zu dieser Studie?Freidhager: Die Bundesforste sind ja eigent-lich ein mittelständisches Unternehmen – zu-mindest von der Wirtschaftsleistung her. Diebildet aber nur einen geringen Teil unserer ge-samtgesellschaftlichen Bedeutung ab. Von derFläche her sind wir dagegen ein „Riese“. Eben-so von den Leistungen der Natur, die diese Flä-chen für die Bevölkerung bereitstellen. DieseLeistungen wollten wir jetzt konkret quantifi-zieren. Und zwar wissenschaftlich abgesichertund in Euro bewertet.

Wozu?Freidhager: Um eine gute Grundlage zu schaf-fen, auf der man künftig eine qualifizierte Dis-kussion weiterführen kann. Wobei man sagenmuss: Die Werte der Natur abzusichern istnicht nur Aufgabe der Waldbesitzer, sondernder gesamten Gesellschaft. Weil im Natur-raum viele Interessen zusammenkommen: z. B.Forstwirtschaft, Jagd, Tourismus. Dieses Bün-del an Interessen unter einen Hut zu bringenwird nur funktionieren, wenn jeder ein Stückweit gegenseitiges Verständnis aufbringt.

Stichwort Verständnis: Sind die ermitteltenGeldwerte erklärungsbedürftig?Freidhager: Absolut. Denn so eine Studiekönnte in der Öffentlichkeit dahingehend ver-standen werden: Der Wert von Naturleistun-gen wurde ermittelt, um danach Geld dafür zuverlangen. Das möchte ich entschieden ver-meiden.

Und zwar wie?Freidhager: Die Studie jemandem ohne weite-re Erklärung in die Hand zu geben, das wirdnicht reichen. Denn da kann es tatsächlich zuFehlinterpretationen kommen. Ich glaube, dieStudie lebt nicht nur von den ermittelten Wer-ten, sondern auch von der weitreichenden Er-klärung dahinter. Und genau das ist für michder zentrale Wert der Studie: dass wissen-schaftlich korrekt und für jeden nachvollzieh-bar erklärt wird, wie wir zu diesen Summenbzw. zu dieser Bewertung kommen.Was nicht heißt, dass unsere Studie die abso-lute Wahrheit ist. Ich weiß natürlich, dass Zah-len immer in Frage gestellt werden können.Wahrscheinlich gibt’s auch noch andere Me-thoden, um Werte der Natur herzuleiten. Dasmacht aber nichts. Denn wenn jemand sagt:„Ich hätte da aber eine andere Methode ge-

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„IDEOLOGISCHE KLIPPENÜBERWINDEN“Rudolf Freidhager über die „Werte der Natur“

DI Dr. Rudolf Freidhager istVorstandssprecher und fürForstwirtschaft und Natur-schutz der ÖsterreichischenBundesforste verantwortlich.www.bundesforste.at

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ANMERKUNGEN:1 Details: Seite 4-5 bzw. 6-72 Details: Seite 7

NATUR. RAUM. MANAGEMENT | Ausgabe 02/2016 – Nr. 28 9

wählt!“, dann haben wir trotzdem schon vielgeschafft. Dann diskutieren wir nämlich be-reits auf der Sachebene. Und die Studie hat alsLeiter gedient, um die Klippe der Ideologie zuüberwinden.

Besteht die Gefahr, dass die einzelnen Wertegegeneinander ausgespielt werden? Im Sinnevon: „Für den Erhalt des Trinkwassers braucheich mich nicht so stark engagieren wie für dieBiodiversität, weil sie, in Euro ausgedrückt,weniger „wert“ ist?Freidhager: Gegen eine solche Aufrechnungwerde ich mich verwehren. Denn ein gesunder,nachhaltig bewirtschafteter Wald liefert nichtnur einen Wert, sondern gleich eine ganze Fül-le. Je nach Eigentümer und Region wird natür-lich immer eine andere Waldleistung im Vor-

dergrund stehen. Beispiel Trinkwasser: DieStadt Wien hat vor vielen Jahren in Nieder-österreich und in der Steiermark Wälder ge-kauft, um die Schüttung der Quellen abzusi-chern. Das war eine sehr vorausschauende Ent-scheidung – Wien hätte ein riesiges Problem,wenn diese Quellen beeinträchtigt würden!

Laut Studie sehen Herr und Frau Österreicherdie Kernaufgabe der Bundesforste in der Er-haltung des Naturraumes. Erst später bei denNennungen: der wirtschaftliche Erfolg. Wirdda ein Wirtschaftsunternehmen mit einerNon-Profit-Organisation im Naturschutzbe-reich verwechselt?Freidhager: Nein, wenn ich das so sehen wür-de, würde ich vermutlich einen Fehler machen.Das Schützen wird in Umfragen fast immerhöher bewertet als das Nutzen. Ich bin aberüberzeugt, dass wir beides vereinbaren kön-nen. Diese Kunst müssen wir zustande brin-gen. Ein Beispiel: Wenn es nur um die Ökologieginge, dann wäre es völlig egal, ob wir in ei-nem Bergwald eingreifen oder nicht. Nichtegal ist es aber, wenn unten im Tal Menschenleben. Wenn wir heute diesen Wald entspre-chend nutzen und bewirtschaften, dann ma-chen wir ihn nicht nur widerstandsfähiger ge-

genüber dem Klimawandel und fördern dieBiodiversität, sondern schützen auch die Men-schen, die dort leben, vor Naturgefahren. Des-wegen bin ich so ein Verfechter einer nachhal-tigen, ökologischen Waldbewirtschaftung.

Die Studie hält fest, dass rd. 40 % der ÖBf-Flä-chen einen unterdurchschnittlichen relativenBiodiversitätswert2 haben. Was tun mit diesenFlächen?Freidhager: Das Ziel muss sein, dass aus 40 %einmal 30 % werden. Nicht null, das wäre un-realistisch. Im Rahmen des Projektes „Ökologieund Ökonomie“ haben wir konkrete Maßnah-men zur Biodiversitätsförderung erarbeitet:Strukturvielfalt erhöhen, Totholz anreichern,Wildverbiss reduzieren, geeignete Holzernte-verfahren auf empfindlichen Standorten ein-

setzen. Ich glaube, dass wir hinsichtlich Erhö-hung der Biodiversität damit bereits auf demrichtigen Weg sind. Und jede Weltreise beginntja mit dem ersten Schritt, wie man so schönsagt. Was sich zudem einprägen muss, ist dieErkenntnis, dass ein Stück mehr Ökologie auchein Stück mehr ökonomischer Nutzen ist.

Weil…?Freidhager: Weil wir auch finanziell schlechtberaten sind, wenn wir das, was uns die Naturgibt, nicht gerne annehmen. Zum Beispielkann ich Aufforstungskosten sparen, indemich mehr auf die Naturverjüngung setze oderdas Wildtiermanagement entsprechend ge-stalte. Wir müssen aus der Falle heraus, dasssich Ökologie und Ökonomie immer zwangs-läufig widersprechen.

Lässt sich schon abschätzen, wie es mit demÖBf-Forschungsprojekt „Werte der Natur“ ins-gesamt weitergeht?Freidhager: Die Ergebnisse sind in jedem Fallvielversprechend. Für die Planung der nächs-ten Schritte werden wir noch die abschließen-de Beurteilung abwarten. <<

Die Fragen stellte Uwe Grinzinger.

„WIR MÜSSEN AUS DER FALLE HERAUS, DASS SICH ÖKOLOGIE UND ÖKONOMIE IMMER ZWANGSLÄUFIG WIDERSPRECHEN.“Rudolf Freidhager

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Hallstatt am Hallstätter See

Schutzwälder verdeutlichen,welcher Nutzen der Allge-meinheit aus einer intaktenUmwelt erwächst. Die aktuelleStudie „Werte der Natur“gießt diesen Nutzen in Zahlen.

K napp 20 % des österreichischen Waldessind Schutzwald1, auf Bundesforsteflä-chen sind es sogar fast 30 % (152.000 ha).

Jeder fünfte Quadratmeter „Schutzwald“ inÖsterreich2(19,37 %) wird von den Bundesfors-ten betreut. Diese „Objektschutzwälder“ be-wahren Menschen und Sachwerte (z. B. Gebäu-de, Bahntrassen, Straßen, Stromleitungen, Lifte)vor Lawinen, Muren oder Steinschlag – odermindern zumindest deren Auswirkungen. DieBundesforstewälder leisten somit einen Beitragzur Sicherheit in Berggebieten, der unentbehr-lich ist, aber keineswegs selbstverständlich.

GEFÄHRDUNGOb ein Wald seine Schutzfunktion erfüllenkann, hängt vom Waldzustand ab. Er kanndurch mehrere Faktoren bedroht sein:> Verbiss (durch Wild und Weidetiere) kann be-

wirken, dass kaum Jungwald aufkommt. DasResultat sind überalterte Schutzwälder, diesich v. a. nach „Störungen“ (z. B. Windwurf,Schneebruch) nur langsam „erneuern“.

> Bestimmte Baumarten werden vom Wildstärker „geschädigt“ als andere. Es bestehtdie Gefahr, dass der Anteil „beliebter“ Baum-arten wie Laubbäume oder Tanne immermehr zurückgeht („Baumartenentmi-schung“). Gerade diese Arten sind aber fürdie Ökologie und die Stabilität von Schutz-wäldern bedeutend.

> Der Klimawandel kann Schutzwälder Hitze-und Trockenstress aussetzen, ebenso häufi-geren Stürmen oder Eisbruch. Zudem ist da-mit zu rechnen, dass der Borkenkäfer in Hö-hen vordringt, die er bislang verschont hat.3

PFLEGEWo Verbiss, Baumartenentmischung oder Kli-mawandel dem Schutzwald zusetzen, muss ihmunter die Äste gegriffen werden. Forstliche Ein-griffe in den Schutzwald sind schließlich nichtgenerell verboten. Im Gegenteil: Oft bedarf essogar rechtzeitiger Pflege, damit ein beeinträch-tigter Schutzwald seine Schutzfunktion nichtauf Jahrzehnte verliert. Etwa, indem man geringvertretene, stabilisierende Mischbaumarten för-dert. Ziel ist eine standortgerechte Artenzusam-mensetzung im Schutzwald, die auch auf künf-tige Klimabedingungen abgestimmt ist. Oderindem man die kleinräumige Strukturvielfalt er-höht. Denn der „ideale Schutzwald“ ist einMischwald, in dem sich alte und junge Bäumeebenso nebeneinander finden wie lichte unddichte Bereiche. Nach Windwürfen schließlichbedarf es zweier Maßnahmen: rechtzeitigesAufarbeiten von Schadholz und Nachpflanzenvon Jungbäumen4. Allein 2014 haben die Bun-desforste eine halbe Million Jungbäume in ih-ren Schutzwäldern gepflanzt. Weil Schutzwäl-der teils schwer zugänglich sind, ist ihre Pflegeallerdings aufwändig und teuer.

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ANSICHTEN

NATUR.RAUM.MANAGEMENT

SCHUTZSCHILD WALDFunktion & Wert der Bundesforste-Schutzwälder

Page 11: WERTE DER NATUR -  · 2019-04-16 · ANSICHTEN NATUR.RAUM.MANAGEMENT Wie viel (uns) die Natur wert ist, lässt sich auch in Geldwer-ten darstellen. Um solche Werte richtig einzuordnen,

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WERTDie Studie „Werte der Natur“5 beziffert die ak-tuelle Objektschutzfunktion von Bundesforste-wäldern vor direkten gravitativen Naturgefah-ren6 mit rd. 14,7 Mio. Euro pro Jahr. Und zwarauf Basis technischer Verbauungen, die mansich bei der momentanen, multifunktionalenForstwirtschaft „ersparen“ kann.

Ein anderer Bewertungsansatz legt Marktprei-se für Immobilien zugrunde. Hier geht die Stu-die davon aus, dass diese Preise um zwei bisfünf Prozent sinken, wenn die Immobiliendurch Naturgefahren bedroht sind. Aus diesemPreisunterschied leitet sie den Mehrwert vonBundesforste-„Schutz“wäldern ab. Er ist, trotzdes sehr hohen geschützten Immobilienwerts(rd. 14.600 Gebäude im Gesamtwert von 6,4Mrd. Euro österreichweit), relativ gering: rd. 2,9Mio. Euro pro Jahr. Allerdings ist diese Berech-nungsmethode mit größeren Unsicherheitenbehaftet, da nur schwer abzuschätzen ist, bei

welchem Immobilienanteil ein solcher Preisab-schlag für die Bedrohung durch Naturgefahrenbereits jetzt berücksichtigt ist.

AUSBLICKDie Studie „Werte der Natur“ geht davon aus,dass sowohl das Gefahren- als auch das Schad-potenzial künftig (2015 – 2050) steigen wird:Durch den Klimawandel werden Wetterextre-me voraussichtlich vermehrt auftreten, durchdie Ausweitung der Siedlungs- und Verkehrsflä-chen werden sich häufiger Menschen und zuschützende Objekte in gefährdeten Bereichenbefinden. Aus beiden Gründen wird die Bedeu-tung von Schutzwäldern künftig noch zuneh-men. Ihrem umfassenden Schutz und ihrer ge-wissenhaften Pflege durch die Bundesforstekommt daher besondere Bedeutung zu, ebensoder Vermeidung von allgemeinen Umweltschä-den durch Luftschadstoffe und Klimawandel-auswirkungen im Sinne einer gesamtgesell-schaftlichen Verantwortung. <<

ANMERKUNGEN:1 Lt. österr. Waldinventur. Je nach

Schutzwald-Definition & Me-thodik der Datenerhebung kur-sieren auch andere Werte.

2 eigentlich handelt es sich ge-mäß dem Projekt „Gravimod“um Wälder in Sturzbahnen vonLawinen und Steinschlag

3 zu möglichen Klimawandelaus-wirkungen auf den Wald sieheu. a. NRM-Journal Nr. 12, S. 1 bzw.Nr. 21, S. 11

4 Die Bundesforste führen immerwieder Aufforstungsaktionendurch – auch im Rahmen vonUnternehmenskooperationen,wie mit der Helvetia Versiche-rung.

5 siehe Seite 4-5 bzw. 8-96 z. B. Lawinen, Muren, Stein-

schlag

SCHUTZWALD-WEBTIPPS:> www.waldwissen.net >

Suchbegriff „Schutzwald“> www.waldinventur.at> http://bfw.ac.at/rz/bfwcms.

web?dok=9831> www.wildeinflussmonitoring.at

Seit März 2015 sind Sie Naturraummanagerin inMittersill. Haben Sie sich schon eingewöhnt?An das Leben am Land ja, die Bergkulisse ist sehrbeeindruckend, wenn auch noch etwas ungewohnt.Schließlich war ich nach meinem Vegetationsökolo-gie-Studium weiterhin im Flachland tätig: zehn Jah-re Artenschutz- und Umweltpädagogikprojekte inder Nationalparkverwaltung Donau-Auen.

Und nun also Salzburg…Genau. Hier bin ich für Flachgau, Tennengau, Pon-gau und Pinzgau zuständig.

Und für welchen Personenkreis?Einerseits für externe Kunden, die Infrastrukturpro-jekte umsetzen möchten, wie etwa Steinbrucher-weiterungen. Weil sie dabei Naturraum beeinträch-tigen, müssen sie Ausgleichsmaßnahmen oder Er-satzleistungen erbringen1. Ihnen bieten wir an, dienötigen Konzepte zu erstellen und sie auf Bundes-forsteflächen umzusetzen. Andererseits für die Kol-legen in den Bundesforste-Betrieben, die ich in Na-turschutzfragen berate.

Inwiefern?Momentan geht es zum Beispiel darum, zusam-men mit BirdLife Österreich „Biodiversitätsinseln“auszuweisen2. Oder mit dem NaturschutzbundWildbienen zu schützen. Für den Forstbetrieb Pon-gau erstelle ich ein Naturschutzhandbuch, das alle

Naturschutzflächen und Ausgleichsmaßnahmenerfasst. Im Ramsar-Gebiet3 Wasenmoos, einemMoorkomplex am Pass Thurn, der im Jahr 2004 re-naturiert wurde, überprüfen wir, wo wir eventuellnoch nachbessern müssen.

Was zeichnet die Arbeit im Naturraummanage-ment aus?Die gute Mischung von Kolleginnen und Kollegenaus Forstwirtschaft, Biologie oder Naturschutz. Da-durch werden viele Sichtweisen zusammengeführt.

Was beschäftigt Sie sonst gerade?Mehrere kleinere Ausgleichs- und Ersatzmaßnah-men – aber auch große, wie für die 380 kV-Hoch-spannungsleitung in Salzburg. Sie ist zwar nochnicht abschließend genehmigt, dennoch wollen wiruns schon jetzt darauf vorbereiten Das ist dasSpannende an meinem Aufgabenbereich: dass erso breit gefächert ist.

Kontakt: Maga. Constanze RakÖBf-NaturraummanagementKlausgasse 11, 5730 MittersillTel.: +43 (0)664 / 819 75 [email protected]

1 siehe NRM-Journal Nr. 192 siehe NRM-Journal Nr. 27, S. 6-73 Ramsar = internationale Konvention zum Schutz von

Feuchtgebieten

WHO IS WHO?

CONSTANZE RAKÖBf-NATURRAUMMANAGERIN ©

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NATUR.RAUM.MANAGEMENT

Medieninhaber (Verleger) und Herausgeber:Österreichische Bundesforste AG NaturraummanagementPummergasse 10–12 | 3002 PurkersdorfTel.: +43 2231 600-3110E-Mail: [email protected]: Pia Buchner, Uwe Grinzinger, Andrea Kaltenegger, Gerald PlattnerTexte: Michael Getzner, Gerald Plattner, Uwe GrinzingerLektorat: Ad Verbum Übersetzungen, [email protected]: Breiner&BreinerGestaltung: Breiner&Breiner, [email protected]: Titelbild und Seite 10: ÖBf-Achiv/F. Pritz; Umschlagseite 2: ÖBf-Archiv/F. Kovacs; Seiten 4, 6, 8: ÖBf-Achiv/W. Simlinger; Druck: Druckerei Berger, HornVerlags-, Herstellungs- und Erscheinungsort: PurkersdorfOffenlegung gemäß § 25 Mediengesetz: www.bundesforste.at/naturraummanagement>ÖBf-Fachjournal Natur.Raum.Management

Namentlich gekennzeichnete Gastartikel und Interviews geben nicht unbedingt die Meinung von Redaktion und Herausgeber wieder.

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Lesen Sie in der nächsten Ausgabe desNATUR.RAUM.MANAGEMENT-Journalsu. a. über folgendes Thema:> Wildnis, Schutzgebiete & Borkenkäfer

AUSSICHTEN

UW 686 DAS | Papier: Claro-Bulk | Druck: F. Berger & Söhne Ges.m.b.H., 3580 Horn. Das Unternehmen ist PEFC-zertifiziert und hat für dieses Produkt Papier eingesetzt, das nachweislich aus nachhaltiger Waldwirtschaftstammt. Die Herstellung ist nach der Umweltzeichen-Richtlinie UZ 24 für schadstoffarme Druckerzeugnisse erfolgt.