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55 DATEN UND PROGNOSEN ifo Schnelldienst 8 / 2019 72. Jahrgang 25. April 2019 ZUNEHMENDE WIRTSCHAFTLICHE UNGLEICHHEIT Nach einer Studie des Internationalen Währungs- fonds (IWF) hat sich die Kluſt zwischen Arm und Reich in den meisten entwickelten Ländern seit 1990 deutlich vergrößert (vgl. Dabla-Norris et al. 2015). In den Schwellen- und Entwicklungsländern ist die Ungleichheit im gleichen Zeitraum durch- schnittlich stabil geblieben; absolut gesehen ist sie höher als in den Industrieländern. Einige Schwel- len- und Entwicklungsländer in Asien und Osteu- ropa verzeichneten einen deutlichen Anstieg der Ungleichheit, während sie in anderen Ländern, bei - spielsweise in vielen Ländern Lateinamerikas, zurückging. Technologischer Fortschritt und Veränderungen in den Arbeitsmarktinstitutionen sind nach Ansicht des IWF die Hauptverursacher dieser Entwicklung. Demnach trug der kompetenzbasierte technologi - sche Fortschritt fast zu einem Drittel an der zuneh- menden Einkommensschere bei. Neue Technologien vergrößern die Differenz zwischen den Löhnen quali - fizierter und den Löhnen ungelernter Arbeitnehmer, indem sie die Nachfrage nach qualifizierten Arbeits- kräſten im Vergleich zu der Nachfrage nach gering- qualifizierten und ungelernte Arbeitskräſten über- proportional erhöhten. Um festzustellen, ob die WES-Experten diesen Ergebnissen zustimmen, sollten die Umfrageteilneh- mer zu Beginn angeben, ob sich die wirtschaſtliche Ungleichheit in ihrem jeweiligen Land in den letz- ten fünf Jahren erhöht hat. 1 Abbildung 1 zeigt die Antworten: In Lateinamerika gibt es einige Länder, in denen sich nach Meinung der Experten die wirt- 1 Die genaue Frage lautete: »Wie hat sich die wirtschaftliche Un- gleichheit in Ihrem Land in den letzten fünf Jahren verändert?« Die WES-Experten konnten aus fünf verschiedenen Antwortkategorien wählen: signifikant reduziert, reduziert, gleichgeblieben, erhöht, signifikant erhöht. Dorine Boumans und Marc Stöckli WES-Sonderfrage: Ungleichheit aus der Perspektive von Wirtschaftsexperten weltweit Wirtschaſtliche Ungleichheit ist ein drängendes internationales Problem. 72,3% der Exper- ten gaben bei der WES-Umfrage vom April 2017 an, dass die zunehmende Einkommensun- gleichheit eines der größten wirtschaſtlichen Probleme sei, mit denen ihr Land derzeit kon- frontiert sei (vgl. Boumans 2017). Eine WES-Sonderfrage befasste sich mit der wirtschaſtli- chen Ungleichheit: Die Experten wurden nach ihrer Wahrnehmung von Ungleichheit sowie zu möglichen Lösungsansätzen befragt. schaſtliche Ungleichheit in den letzten fünf Jah- ren verringert hat. In den meisten Ländern waren die Experten jedoch der Ansicht, dass die Ungleich- heit insgesamt gleichgeblieben oder gestiegen sei. Bei Betrachtung einzelner Regionen fällt auf, dass vor allem in Süd- und Osteuropa sowie in Schwe- den und Norwegen die WES-Experten durchschnitt- lich von einer Zunahme der wirtschaſtlichen Ungleichheit ausgingen. In Asien hingegen berich- teten die WES-Experten im Durchschnitt, dass die wirtschaſtliche Ungleichheit in den letzten fünf Jah- ren gleichgeblieben sei. Auch in den Vereinigten Staaten, Russland und Australien berichteten die Umfrageteilnehmer über eine zunehmende wirt- schaſtliche Ungleichheit. Vergleicht man diese Ergeb- nisse mit der Änderung des Gini-Koeffizienten der verfügbaren Einkommen zwischen 2008 und 2013, 2 so ist in Spanien, Italien und Griechenland ein An- stieg des Gini-Koeffizienten zu sehen. Für Norwegen und Schweden sank der Gini-Koeffizient für das ver- fügbare Einkommen sogar. In den meisten lateiname- rikanischen Ländern ist die wirtschaſtliche Ungleich- heit dem Gini-Koeffizienten zufolge gesunken, wie zum Beispiel in Brasilien (um – 1,0) oder Argenti - nien (um – 2,0); die befragten Experten berichte- ten dagegen von einem Anstieg der Ungleichheit in diesen Ländern. In den asiatischen Ländern, für die Daten zum Gini-Koeffizienten vorliegen, verringerte sich die Ungleichheit. Eine Ausnahme ist Indonesien, dort messen die Gini-Koeffizienten eine Zunahme der Ungleichheit. In den Vereinigten Staaten nahm die wirtschaſtliche Ungleichheit laut Gini-Koeffizienten ebenfalls zu. In Russland und Australien zeigen die Gini-Koeffizienten dagegen eine rückläufige Tendenz der wirtschaſtlichen Ungleichheit für den Zeitraum zwischen 2008 und 2013. 2 Daten aus der SWIID Version 5.1, aufgerufen von: htp://fsolt.org/swiid/.

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DATEN UND PROGNOSEN

ifo Schnelldienst 8 / 2019 72. Jahrgang 25. April 2019

ZUNEHMENDE WIRTSCHAFTLICHE UNGLEICHHEIT

Nach einer Studie des Internationalen Währungs- fonds (IWF) hat sich die Kluft zwischen Arm und Reich in den meisten entwickelten Ländern seit 1990 deutlich vergrößert (vgl. Dabla-Norris et al. 2015). In den Schwellen- und Entwicklungsländern ist die Ungleichheit im gleichen Zeitraum durch- schnittlich stabil geblieben; absolut gesehen ist sie höher als in den Industrieländern. Einige Schwel-len- und Entwicklungsländer in Asien und Osteu- ropa verzeichneten einen deutlichen Anstieg der Ungleichheit, während sie in anderen Ländern, bei-spielsweise in vielen Ländern Lateinamerikas, zurückging.

Technologischer Fortschritt und Veränderungen in den Arbeitsmarktinstitutionen sind nach Ansicht des IWF die Hauptverursacher dieser Entwicklung. Demnach trug der kompetenzbasierte technologi-sche Fortschritt fast zu einem Drittel an der zuneh-menden Einkommensschere bei. Neue Technologien vergrößern die Differenz zwischen den Löhnen quali-fizierter und den Löhnen ungelernter Arbeitnehmer, indem sie die Nachfrage nach qualifizierten Arbeits-kräften im Vergleich zu der Nachfrage nach gering-qualifizierten und ungelernte Arbeitskräften über-proportional erhöhten.

Um festzustellen, ob die WES-Experten diesen Ergebnissen zustimmen, sollten die Umfrageteilneh-mer zu Beginn angeben, ob sich die wirtschaftliche Ungleichheit in ihrem jeweiligen Land in den letz-ten fünf Jahren erhöht hat.1 Abbildung 1 zeigt die Antworten: In Lateinamerika gibt es einige Länder, in denen sich nach Meinung der Experten die wirt-1 Die genaue Frage lautete: »Wie hat sich die wirtschaftliche Un-gleichheit in Ihrem Land in den letzten fünf Jahren verändert?« Die WES-Experten konnten aus fünf verschiedenen Antwortkategorien wählen: signifikant reduziert, reduziert, gleichgeblieben, erhöht, signifikant erhöht.

Dorine Boumans und Marc Stöckli

WES-Sonderfrage: Ungleichheit aus der Perspektive von Wirtschaftsexperten weltweit

Wirtschaftliche Ungleichheit ist ein drängendes internationales Problem. 72,3% der Exper-ten gaben bei der WES-Umfrage vom April 2017 an, dass die zunehmende Einkommensun-gleichheit eines der größten wirtschaftlichen Probleme sei, mit denen ihr Land derzeit kon-frontiert sei (vgl. Boumans 2017). Eine WES-Sonderfrage befasste sich mit der wirtschaftli-chen Ungleichheit: Die Experten wurden nach ihrer Wahrnehmung von Ungleichheit sowie zu möglichen Lösungsansätzen befragt.

schaftliche Ungleichheit in den letzten fünf Jah-ren verringert hat. In den meisten Ländern waren die Experten jedoch der Ansicht, dass die Ungleich-heit insgesamt gleichgeblieben oder gestiegen sei. Bei Betrachtung einzelner Regionen fällt auf, dass vor allem in Süd- und Osteuropa sowie in Schwe-den und Norwegen die WES-Experten durchschnitt- lich von einer Zunahme der wirtschaftlichen Ungleichheit ausgingen. In Asien hingegen berich-teten die WES-Experten im Durchschnitt, dass die wirtschaftliche Ungleichheit in den letzten fünf Jah-ren gleichgeblieben sei. Auch in den Vereinigten Staaten, Russland und Australien berichteten die Umfrageteilnehmer über eine zunehmende wirt-schaftliche Ungleichheit. Vergleicht man diese Ergeb-nisse mit der Änderung des Gini-Koeffizienten der verfügbaren Einkommen zwischen 2008 und 2013,2 so ist in Spanien, Italien und Griechenland ein An- stieg des Gini-Koeffizienten zu sehen. Für Norwegen und Schweden sank der Gini-Koeffizient für das ver-fügbare Einkommen sogar. In den meisten lateiname-rikanischen Ländern ist die wirtschaftliche Ungleich-heit dem Gini-Koeffizienten zufolge gesunken, wie zum Beispiel in Brasilien (um – 1,0) oder Argenti-nien (um – 2,0); die befragten Experten berichte-ten dagegen von einem Anstieg der Ungleichheit in diesen Ländern. In den asiatischen Ländern, für die Daten zum Gini-Koeffizienten vorliegen, verringerte sich die Ungleichheit. Eine Ausnahme ist Indonesien, dort messen die Gini-Koeffizienten eine Zunahme der Ungleichheit. In den Vereinigten Staaten nahm die wirtschaftliche Ungleichheit laut Gini-Koeffizienten ebenfalls zu. In Russland und Australien zeigen die Gini-Koeffizienten dagegen eine rückläufige Tendenz der wirtschaftlichen Ungleichheit für den Zeitraum zwischen 2008 und 2013. 2 Daten aus der SWIID Version 5.1, aufgerufen von: htp://fsolt.org/swiid/.

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DATEN UND PROGNOSEN

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UNGLEICHHEIT UND WACHSTUM

Der Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Wirtschaftswachstum wird derzeit intensiv und kontrovers diskutiert (vgl. z.B. Fratzscher 2016; Fuest 2017). Es gibt weder Einigkeit darüber, ob Ungleichheit das Wachstum erhöht oder verringert, noch wie stark die beiden Faktoren miteinander kor-reliert sind (vgl. Cingano 2014).3

Neuere empirische Studien finden, dass Ungleich-heit das Wirtschaftswachstum tatsächlich hemmt. Der IWF argumentiert zum Beispiel, dass ein höhe-rer Netto-Gini-Koeffizient – ein gängiges Maß für Ungleichheit, das Steuern und Transfers gegenrech-net – mittelfristig mit einem geringeren Produktions-wachstum verbunden ist (vgl. Ostry, Berg und Tsan-garides 2014) und identifiziert mehrere Arten und Weisen, wie sich die Ungleichheit negativ auswirken kann (vgl. Dabla-Norris et al. 2015). Erstens wirkt sich Ungleichheit auf das Wachstum aus, da Haushalte ins-gesamt weniger Sach- und Humankapital aufbauen können und sich somit die Gesamtnachfrage verrin-gert. Zweitens dämpft Ungleichheit die Investitionen, da die wirtschaftliche, finanzielle und politische Insta-bilität zunimmt. Drittens kann Ungleichheit zu Aktio-nen gegen wachstumsfördernde Politiken, z.B. pro-tektionistische Maßnahmen gegen Globalisierung und marktorientierte Reformen, führen. Die OECD hat erst kürzlich negative Auswirkungen von Ungleichheit auf das Wachstum vermutet (vgl. Cingano 2014). Die Organisation bezieht sich in ihrer Argumentation auf die Chancenhypothese, die besagt, dass arme Haus-3 Eine aktuelle Meta-Analyse von 28 Studien zum empirischen Zu-sammenhang zwischen Ungleichheit und Wachstum findet teilweise positive und teilweise negative Korrelationen. Ihre Ergebnisse deu-ten darauf hin, dass es keine robuste empirische Beziehung gibt. Für weitere Informationen vgl. Neves, Afonso und Silva (2016).

halte nicht den optimalen Betrag in Bildung investie-ren, was wiederum die zukünftigen Einkommen beein-trächtigt und so zu einem langsameren Wachstum im Vergleich zu jenem mit optimalen Bildungsinvestitio-nen führt.

Die Validität dieser empirischen Erkenntnisse ist jedoch nicht unbestritten. Im Hinblick auf die OECD-Studie zeigten Replikationen, die sich auf alternative Datenquellen stützten, dass die Ergeb-nisse je nach Modellspezifikation stark variieren (vgl. Niehues 2014). Bezüglich einer Stichprobe mit ent-wickelten und sich entwickelnden Volkswirtschaften finden Kolev und Niehues nur für weniger entwickelte Länder einen negativen Einfluss auf das Wachstum, keinen signifikanten oder sogar einen positiven Effekt für alle anderen Länder (vgl. Kolev und Niehues 2016). Diese Ergebnisse stimmen eher mit der Anreizhypo-these überein: Einkommensunterschiede motivieren Menschen, unter anderem härter zu arbeiten oder länger zu studieren, was sich positiv auf das Wachs-tum auswirkt (vgl. OECD 2015). Außerdem gibt es ohne finanzielle Belohnungen weniger Anreize für riskantes Unternehmertum oder Innovationen. Dies trifft insbe-sondere in entwickelten Ländern zu.

Um zu ermitteln, Inwieweit die WES-Experten ebenfalls der Meinung sind, dass Einkommens- oder Vermögensungleichheit das Wirtschaftswachstum in ihrem Land hemmt, wurden sie in der WES-Befragung um eine Einschätzung hierzu gebeten. Tabelle 1 zeigt den Durchschnitt der Antworten der WES-Experten für ihre jeweiligen Länder und scheint die Ergebnisse von Kolev und Niehues zu bestätigen, wonach nega-tive Auswirkungen der Einkommensungleichheit nur für Entwicklungsländer festgestellt wurden. Im Durch-schnitt liegen die Bewertungen der Befragungsteil-nehmer aus den am weitesten fortgeschrittenen

Quelle: ifo World Economic Survey (WES) III/2017. © ifo Institut

Veränderungen der wirtschaftlichen Ungleichheit in den letzten fünf Jahren

Keine Daten

Abgenommen

Gleichgeblieben

Zugenommen

Abb. 1

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DATEN UND PROGNOSEN

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Tab. 1

Der Grad, zu dem wirtschaftliche Ungleichheit Wachstum hemmt

Einkommensungleichheit Vermögensungleichheit Einkommensungleichheit Vermögensungleichheit Gar nicht Gar nicht Mittel stark Mittel stark Singapur 1,0 Singapur 1,0 Paraguay 3,0 Portugal 3,0 Schweiz 1,6 Schweiz 1,6 Ecuador 3,0 Zypern 3,0 Niederlanden 1,6 Finnland 1,7 Bangladesch 3,0 Argentinien 3,0 Norwegen 1,6 Niederlande 1,7 Israel 3,0 Indonesien 3,0 Tschechische Republik 1,6 Tschechische Republik 1,8 Algerien 3,0 Pakistan 3,0 Luxemburg 1,7 Norwegen 1,8 Senegal 3,0 Israel 3,0 Finnland 1,7 Slowenien 1,9 Mosambik 3,0 Senegal 3,0 Österreich 1,8 Schweden 1,9 Angola 3,0 Tansania 3,0 Schweden 1,8 Swasiland 3,0 Äthiopien 3,0 Slowenien 1,9 Niger 3,0 Angola 3,0 Etwas Etwas Ungarn 3,0 Niger 3,0 Dänemark 2,0 Dänemark 2,0 Usbekistan 3,0 Sierra Leone 3,0 Zypern 2,0 Österreich 2,0 Ukraine 3,0 Benin 3,0 Uruguay 2,0 Uruguay 2,0 Albanien 3,0 Usbekistan 3,0 Vietnam 2,0 Neuseeland 2,0 Kirgistan 3,0 Kirgistan 3,0 Burkina Faso 2,0 Vietnam 2,0 Mazedonien 3,0 Mazedonien 3,0 Äthiopien 2,0 Malawi 2,0 Griechenland 3,1 Rumänien 3,0 Malawi 2,0 Estland 2,0 Indien 3,1 Taiwan 3,2 Estland 2,0 Deutschland 2,1 Pakistan 3,1 Paraguay 3,2 Deutschland 2,0 Georgien 2,2 Simbabwe 3,2 Sri Lanka 3,2 Belgien 2,1 Kanada 2,2 Kasachstan 3,2 Simbabwe 3,2 Georgien 2,1 Irland 2,3 Argentinien 3,2 Kasachstan 3,2 Irland 2,1 Luxemburg 2,3 Dem. Rep. Kongo 3,2 Mexiko 3,2 Australien 2,2 USA 2,3 Sambia 3,2 Lesotho 3,2 Slowenien 2,2 Australien 2,3 Rumänien 3,2 Ukraine 3,2 Malaysia 2,2 Ver. Arab. Emirate 2,3 Guatemala 3,3 Brasilien 3,2 Kanada 2,3 Tunesien 2,3 Kap Verde 3,3 Guatemala 3,3 Ver. Arab. Emirate 2,3 Mauritius 2,3 Philippinen 3,3 Ecuador 3,3 Japan 2,4 Kosovo 2,3 Sri Lanka 3,3 Elfenbeinküste 3,3 USA 2,4 Belgien 2,4 Lesotho 3,3 Aserbaidschan 3,3 Neuseeland 2,4 Slowakei 2,4 Sierra Leone 3,3 Kap Verde 3,4 Großbritannien 2,5 Großbritannien 2,4 Madagaskar 3,3 Nigeria 3,4 Frankreich 2,5 Japan 2,4 Benin 3,3 Dem. Rep. Kongo 3,4 Hongkong 2,5 Malaysia 2,4 Aserbaidschan 3,3 Sambia 3,4 Indonesien 2,5 Chile 2,5 Mexiko 3,4 Südafrika 3,5 Tansania 2,5 Mauretanien 2,5 Brasilien 3,4 Peru 3,5 Mauretanien 2,5 Sudan 2,5 Kolumbien 3,4 Dom. Republik 3,5 Korea 2,5 Thailand 2,6 Peru 3,4 Philippinen 3,5 Polen 2,6 Polen 2,6 Nigeria 3,4 Kenia 3,5 China 2,6 Litauen 2,6 Namibia 3,4 Marokko 3,5 Chile 2,6 Türkei 2,6 Dome. Republik 3,5 Togo 3,5 Lettland 2,6 Frankreich 2,7 Marokko 3,5 Madagaskar 3,5 Bolivien 2,7 Bolivien 2,7 Togo 3,5 Bosnien u. Herzegowina 3,5 Tunesien 2,7 Spanien 2,7 Uganda 3,5 Armenien 3,5 Mauretanien 2,7 Korea 2,7 Serbien 3,5 Sudan 2,7 China 2,7 Armenien 3,5 Kosovo 2,7 Hongkong 2,8 Extrem stark Extrem stark Italien 2,7 Bangladesch 2,8 Südafrika 3,6 Kolumbien 3,6 Elfenbeinküste 2,8 Ungarn 2,8 Ägypten 3,7 Ägypten 3,7 Bosnien u. Herzegowina 2,8 Bulgarien 2,8 El Salvador 3,8 Namibia 3,8 Thailand 2,8 Italien 2,8 Venezuela 4,0 Venezuela 4,0 Litauen 2,8 Lettland 2,8 Trinidad und Tobago 4,0 El Salvador 4,0 Gesamt 2,8 Russland 2,8 Burundi 4,0 Trinidad und Tobago 4,0 Taiwan 2,8 Indien 2,8 Ghana 4,0 Algerien 4,0 Türkei 2,8 Kroatien 2,9 Komoren 4,0 Burundi 4,0 Portugal 2,9 Gesamt 2,9 Republik Kongo 4,0 Ghana 4,0 Spanien 2,9 Griechenland 2,9 Burkina Faso 4,0 Russland 2,9 Mosambik 4,0 Kenia 2,9 Uganda 4,0 Kroatien 2,9 Swasiland 4,0 Bulgarien 2,9 Komoren 4,0 Republik Kongo 4,0 Serbien 4,0 Albanien 4,0

Quelle: ifo World Economic Survey –WES III/2017.

Tab. 1

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DATEN UND PROGNOSEN

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Ländern in den Kategorien »gar nicht« und »leicht«, während die Kategorien »mittel« und »extrem« über-wiegend von Experten aus Schwellen- und Entwick-lungsländern gewählt wurden. Ein sehr ähnliches Bild zeichnet sich bei der Vermögensungleichheit ab.

BEVORZUGTE INSTRUMENTE ZUR BEKÄMPFUNG VON UNGLEICHHEITEN

Die meisten entwickelten Volkswirtschaften grei-fen auf Ex-post-Umverteilungsmaßnahmen – insbe-sondere progressive Steuern und Sozialtransfers – zurück, um Ungleichheit zu verringern. Weitere Mög-lichkeiten sind die Regulierung des Arbeitsmarktes, die Erhöhung des Mindestlohns, die Verbesserung des Bildungssystems und die Stärkung der Gewerkschaf-ten. In einigen Ländern, beispielsweise in Deutsch-land, der Schweiz4 oder Finnland, wird die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens in den Medien diskutiert. Während einige Politiken darauf abzielen, Ressourcen (z.B. Steuern und Transfers) neu zu verteilen, versuchen andere, die Chancengleich-heit zu verbessern, z.B. durch die Verbesserung des Bildungssystems.

Um zu erfahren, welche Maßnahmen von den Wirtschaftsexperten bevorzugt werden, wurden sie im WES-Survey befragt, welche Maßnahmen die Regierung ihres Landes ihrer Meinung nach am bes-ten gegen die Ungleichheit (falls vorhanden) ergreifen sollten. Tabelle 2 zeigt die Ergebnisse. Nach Ansicht der WES-Experten sollten Regierungen das Steuersys-tem, die Arbeitsmarktregulierung und die Verbesse-rung des Bildungssystems nutzen, um wirtschaftliche Ungleichheiten zu beseitigen. Die Einführung eines Grundeinkommens, das sehr häufig im Nahen Osten und Nordafrika sowie in Subsahara-Afrika gewählt wurde, war insgesamt das unbeliebteste Instrument zur Bekämpfung von Ungleichheit.

4 In der Schweiz wurde 2016 ein Verfassungsreferendum über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens durchgeführt.

FAZIT

Zusammenfassend lässt sich anhand der Bewertun-gen der WES-Experten festhalten, dass sich wirt-schaftliche Ungleichheit in den letzten fünf Jahren weltweit unterschiedlich entwickelt hat. Nur in weni-gen Ländern ist nach den Angaben der Befragungsteil-nehmer die Ungleichheit gesunken. Interessant sind besonders die Ergebnisse der Umfrage aus Europa, wo vor allem südeuropäische und skandinavische Län-der eine Zunahme der Ungleichheit meldeten. Diese wahrgenommene Entwicklung in Europa spiegelt nur teilweise die tatsächlichen, anhand des Gini-Koeffi-zienten gemessenen Entwicklungen wider (mit Aus-nahme von Schweden und Norwegen). Der Gini-Koeffi-zient misst eine Abnahme der Ungleichheit in Latein-amerika, die sich jedoch nicht in den Antworten der WES-Experten aus Lateinamerika wiederfindet. Die Mehrzahl der Experten in Asien berichteten im Durch-schnitt, dass die wirtschaftliche Ungleichheit in den letzten fünf Jahren gleichgeblieben ist. Betrachtet man jedoch die Gini-Koeffizienten für diese Region, gibt es einen rückläufigen Trend. Ob wirtschaftliche Ungleichheit das Wirtschaftswachstum tatsächlich hemmt, scheint vom Entwicklungsstand des jeweili-gen Landes abzuhängen. In allen Regionen sind jedoch die beiden bevorzugten Instrumente zur Bekämpfung von wirtschaftlicher Ungleichheit das Steuersystem und die Verbesserung des Bildungssystems.

LITERATUR

Boumans, D. (2017), ifo World Economic Survey 16(2), verfügbar unter: http://www.cesifo-group.de/ifoHome/publications/docbase/DocBase_Content/ZS/ZS-World_Economic_Survey/zs-wes-2017/11142017002000.htm.

Cingano, F. (2014), »Trends in Income Inequality and its Impact on Economic Growth«, OECD Social, Employment and Migration Wor-king Papers No. 163, OECD Publishing, verfügbar unter: http://dx.doi.org/10.1787/5jxrjncwxv6j-en.

Dabla-Norris, E., K. Kochhar, N. Suphahiphat, F. Ricka und E. Tsounta (2015), »Causes and Consequences of Income Inequality: A Glo-bal Perspective«, IMF Staff Discussion Notes No. No. 15/13, verfügbar unter: https://www.imf.org/en/Publications/Staff-Discussion-Notes/

Tab. 2 Instrumente, die genutzt werden sollten, um wirtschaftliches Wachstum anzukurbeln

Euroraum und/oder

G7

Andere fortge-

schrittene Volkswirt-schaften GUS

Schwellen- und Ent-

wicklungs-länder Asiens

Schwellen- und Ent-

wicklungs-länder

Europas Latein-

amerika

Naher Osten und Nordafrika

Sub- sahara- Afrika

Steuersystem 64,1 59,3 53,0 26,8 65,1 57,9 63,2 62,0 Arbeitsmarkt- regulierung 33,4 28,5 34,8 34,8 48,1 46,0 26,3 43,0 Verbesserung des Schulsystems 68,5 57,7 57,6 32,0 77,4 86,5 42,1 79,3 Einführung eines Grund- einkommens 12,2 8,9 10,6 13,1 14,2 9,5 21,1 26,6 Steigerung des Mindestlohns 19,8 26,0 27,3 13,1 33,0 11,1 36,8 31,4 Prozentzahl der Experten, die diese Maßnahmen befürworten, um wirtschaftliche Ungleichheit zu verringern.

Quelle: ifo World Economic Survey –WES III/2017.

Tab. 2

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DATEN UND PROGNOSEN

ifo Schnelldienst 8 / 2019 72. Jahrgang 25. April 2019

Issues/2016/12/31/Causes-and-Consequences-of-Income-Inequali-ty-A-Global-Perspective-42986.

Fratzscher, M. (2016), Verteilungskampf – Warum Deutschland immer ungleicher wird, Carl Hanser, München.

Fuest, C. (2017), »Inequality Reduces Growth«, in B. S. Frey und D. Iselin (Hrsg.), Economic Ideas You Should Forget, Springer International Publis-hing, Cham, 63–64.

Kolev, G. und J. Niehues (2016), The Inequality-Growth Relationship, IW-Re-port 7/2016, Institut der deutschen Wirtschaft, Köln.

Neves, P. C., Ó Afonso und S. T. Silva (2016), »A Meta-Analytic Reassess-ment of the Effects of Inequality on Growth«, World Development 78, 386–400.

Niehues, J. (2014), »Subjektive Ungleichheitswahrnehmung und Umver-teilungspräferenzen«, IW-Trends Discussion Papers Nr. 2/2014, Institut der deutschen Wirtschaft, Köln:

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Ostry, J. D., A. Berg und C. G. Tsangarides. (2014), »Redistribution, Ine-quality, and Growth«, IMF Staff Discussion Notes Nr. 14/02, verfügbar unter: https://www.imf.org/en/Publications/Staff-Discussion-Notes/Issues/2016/12/31/Redistribution-Inequality-and-Growth-41291.