Wesen und erfassung des schizophrenen

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Wesen und Erfassung des Schizophrenenl). Von Kurt Schneider (KSln a. Rheim). (Ei~jegangen am 5. September 1925.) Man kann kaum behaupten, dal~ das Problem einer Systematik der endogenen Psychosen durch die Erweiterung der Dementia prae- cox zur Sehizophrenie vereinfacht wurde. Bleuler wiirde sagen, dies sei kein Gesiehtspunkt, denn es komme nur auf Richtigkeit und Un- richtigkeit, nicht aber auf Vereinfachung und Bequemliehkeit an. Zwei- fellos ist diesem Grundsatze zuzustimmen, aber man darf doch die Be- hauptung wagen, dal~ das Kriterium der Richtigkeit auf medizinisch- naturwissenschaftliehem Gebiet etwas anderes ist als auf psycholo- gischem, dem die Idee der Schizophrenie angehSrt. Ich m6chte keines- falls so weit gehen wie K6rtke, der innerhalb der psyehisehen Reihe nur die Frage gelten lassen will: ,,Wie sollen wires nennen?", fiir den also die Einteilung der endogenen Psychosen eine reine Frage der Nomenklatur w~re, aber niemand wird doch bestreiten, dab etwa das Urteil, es seien sehizophrene Assoziationsst6rungen vorhanden, und die Ansicht, es sei richtig, sie zu Grundsymptomen zu erheben, eine sehr viel subjektivere Angelegenheit ist als die neurologische Diagnostik und Systematik. Und um Heraushebung und Ordnung rein psychologiseher Tatbest~nde handelt es sich doch nun einmal bei den endogenen Psychosen. Sie sind keine ,,grol~en" Krankheits- einheiten, die Somatisches und Psychisches umschliel~en, sondern ,,kleine" Krankheitseinheiten, die sich mit der Leitidee: ,,gleiche seelische Symptome -- gleicher seelischer Ausgang" lediglich innerhalb der Gren- zen des Psyehologischen bewegen. Was ihnen die Geltung gro[~er Krankheitseinheiten geben will, ist bis heute Hypothese, und immer mehr nehmen ja auch die Zweifel zu, dal~ sie es sind; ich erinnere an Bumkes Auffassung der Schizophrenien als exogene Reaktionsformen. Jedenfalls: der gemeinsame Morbus dementiae praeeocis oder schizo- phreniae ist eine Theorie, ein Postulat, eine Hoffnung. Bei der Gruppierung soleher psychischer Tatbest~nde kann es nun m. E. keine seharfen Abgrenzungen im Sinne der medizinischen Diffe- 1) Vortrag im DeutschenVerein fiir Psychiatrie. Kassel, 2. September 1925.

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Wesen und Erfassung des Schizophrenenl). Von

Kurt Schneider (KSln a. Rheim).

(Ei~jegangen am 5. September 1925.)

Man kann kaum behaupten, dal~ das Problem einer Systematik der endogenen Psychosen durch die Erweiterung der Dementia prae- cox zur Sehizophrenie vereinfacht wurde. Bleuler wiirde sagen, dies sei kein Gesiehtspunkt, denn es komme nur auf Richtigkeit und Un- richtigkeit, nicht aber auf Vereinfachung und Bequemliehkeit an. Zwei- fellos ist diesem Grundsatze zuzustimmen, aber man darf doch die Be- hauptung wagen, dal~ das Kriterium der Richtigkeit auf medizinisch- naturwissenschaftliehem Gebiet etwas anderes ist als auf psycholo- gischem, dem die Idee der Schizophrenie angehSrt. Ich m6chte keines- falls so weit gehen wie K6rtke, der innerhalb der psyehisehen Reihe nur die Frage gelten lassen will: ,,Wie sollen wires nennen?", fiir den also die Einteilung der endogenen Psychosen eine reine Frage der Nomenklatur w~re, aber niemand wird doch bestreiten, dab etwa das Urteil, es seien sehizophrene Assoziationsst6rungen vorhanden, und die Ansicht, es sei richtig, sie zu Grundsymptomen zu erheben, eine sehr viel subjektivere Angelegenheit ist als die neurologische Diagnostik und Systematik. Und um Heraushebung und Ordnung rein psychologiseher Tatbest~nde handelt es sich doch nun einmal bei den endogenen Psychosen. Sie sind keine ,,grol~en" Krankheits- einheiten, die Somatisches und Psychisches umschliel~en, sondern ,,kleine" Krankheitseinheiten, die sich mit der Leitidee: ,,gleiche seelische Symptome -- gleicher seelischer Ausgang" lediglich innerhalb der Gren- zen des Psyehologischen bewegen. Was ihnen die Geltung gro[~er Krankheitseinheiten geben will, ist bis heute Hypothese, und immer mehr nehmen ja auch die Zweifel zu, dal~ sie es sind; ich erinnere an Bumkes Auffassung der Schizophrenien als exogene Reaktionsformen. Jedenfalls: der gemeinsame Morbus dementiae praeeocis oder schizo- phreniae ist eine Theorie, ein Postulat, eine Hoffnung.

Bei der Gruppierung soleher psychischer Tatbest~nde kann es nun m. E. keine seharfen Abgrenzungen im Sinne der medizinischen Diffe-

1) Vortrag im Deutschen Verein fiir Psychiatrie. Kassel, 2. September 1925.

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rentialdiagnose, sondern immcr nur Typenbildungen gcben. In der allgemeinen Psychopathologie haben wir uns damit abgefunden, in den herausgearbeiteten Ph~nomcnen nur Typen zu sehen, die Symptomen- komplexe, die ,,Einheiten zweiter Ordnung" Hoches, sind uns nur Typen, die psychopathischen PersOnlichkeiten sind Typen -- warum sollte es auf dem Gebiete der Psychoscn nun auf einmal anders sein ? In der Fiille ihrer m6glichen Bilder sind Schizophrenic und Zyklothymie Typen, denen viele F~ille ganz, manche halbwegs, andere gar nicht entsprechen.

Damit wird die Einteilung dcr endogenen Psychosen relativer, damit verliert auch auf diesem Wege die ,,Richtigkcit" ihre Strenge, der Kampf der Systeme und Schulen seine Schiirfe, damit hat es z. B. keinen Sinn mehr zu streiten, ob die Riickbildungsmelancholie zum manisch-dcpressiven Irresein ,,gehSre", sondern nur, ob es praktisch ist, sic zu ihr zu zhhlen, oder ob es handlicher wSre, das nicht zu tun. Genau dasselbe gilt der Schizophrenic gegeniiber v o n d e r Dementia paranoides, den Paraphrenien, dem pr~isenilen Beeintr~chtigungswahn Kraepelins, der Involutionsparanoia Kleists, dem sensitiven Bezie- hungswahn Kretschmers. Sind solche Typen einmal gesehen, fragt es sich nur, ob es sich lohnt, mit ihnen in Zukunft als eigenen Formen, an denen man messen und sich orientieren kann, zu a r b e i t e n - und mir scheint, es ist praktischer, von solchen Sch6pfungen Gebrauch zu machen, als allm~hlich wieder eine Einheitspsychose zu haben. Praktischer auch dann, wenn sich bei allen diesen Formen gewisse gemeinsame Ziige linden lieBen und man sich ihrer Typenhaftigkeit und damit nicht nur der M6glichkeit, sondern der Sicherheit yon lJbergangen bewuBt bleibt.

~ber die letzte biologische , ,Richtigkeit" von Scheidungen und Ver- einigungen psychotischer Bilder wird, so hoffen wir, einmal somatische Forschung entscheiden, obschon, das diirfen wir heute schon vermuten, ihre Ergebnisse die psychischen Tatbest~inde nicht psychologisch ordnen, sondern psychologisch Zusammengeh6riges auseinanderreil3en werden, so dal3, will man nicht iiberhaupt auf klinische Psychiatric verzichten, die Aufgabe einer psychologischen Gruppierung immer bleiben wird. Dies aber ist eine Ordnung nach brauchbaren Typen: klinisehe Psychia- tric ist eine pragmatisti~che Wissenschaft.

Es erhebt sich die weitere Frage: Soll sich diese Typologie nach den Zustandsformen oder nach den Verl~ufen richten ? Wir werden beides brauchen. Da die Verl~ufe ja nut Abfolgen und Entwicklungen yon Zustandsbildern sind, wird die Aufstcllung der Zustandstypen immer vorausgehen mtissen. Unabweisbar aber ergibt sich sodann die fiir die ~trztliche und soziale Psychiatrie so wichtige Aufgabe, in ihnen nach Merkmalen zu suchen, die auf Grund der Erfahrung Schliisse auf Ver-

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lauf und Ausgang erlauben. Dies wird stets die Frage bleiben, die man an uns stellt. --

Fassen wir die Sehizophrenie im Sinne eines Verlaufstypus, so fassen wir damit zugleich ihre unumstrit tene Kerngruppe: psychotische Prozesse, die zerstSren oder zum mindesten umbauen, die grunds~tz- lich irreparabel sind und deren ~tiologien und somatische Grundlagen man nicht kennt. Es handelt sich also um eine Erfassung aus dem Verlau[, und dies ist die erste Art der Erfassungsm6glichkeit der Schizo- phrenie, die erste MSglichkeit, ihr Wesen zu sehen. Die Nachteile liegen auf der Hand: diese Fassung arbeitet mit der Zeit, mit der Zukunft und kann nach Art einer ,,Diagnose" nur insoweit verwendet werden, als der Verlauf hinter dem Zeitpunkt der Betrachtung liegt, vielfaeh also, insofern er den Krankheitsbeginn bedeutet. Wir kennen seit Jaspers die Grundbegriffe: Entwicklung und ProzeiL Auch sie sind Typen und erlauben daher Uberg~nge, und jeder yon uns kennt F~tlle, in denen diese Fragestellung nicht weiterhalf. Sie aufzugeben, liegt darum kein Grund vor, und trotz Anerkennung ganz schleichender Entwicklung yon Prozessen aus bestimmten Charakteren heraus m6chte ich die Erfassung der Schizophrenie nach dem Verlauf noeh immer ffir die brauchbarste halten. Es scheint mir fiir unsere klinischen Ziele ratsam, sich mit dem Schizophreniebegriff an diese Effassung zu halten. Keine der rein zust~ndlichen Erfassungsarten, die im folgen- den kritisch gewfirdigt werden sollen, kommt ihr an klinischer Brauch- barkeit gleich.

Der Schritt yon der Dementia praecox zur Schizophrenie bedeutete neben einer Zurtickstellung der Wichtigkeit des Verlaufs als Beginn und Ausgang vor allem eine Verfeinerung und Vertiefung der Sympto- matik, die yon Inhalten, Ausdrucksabnormit~ten, gr6beren Erscheinun- gen aller Art zur Struktur vorzudringen suchte. Wir heil~en daher diese zweite Form, das Wesen der Schizophrenie zu erfassen, die Erfassung aus der Struktur. Bleuler hat sie in einer ihr eigentfimlichen Denk- st6rung, die er Assoziationsst6rung heft3t, und, wohl weniger streng, in St6rungen des Geffihlslebens gesehen. W o u n d warm diese Struktur vorliegt, ist, wenn ich ihn recht verstehe, Schizophrenie, wo sie nieht vorliegt, ist sie nicht. Niemand wird bezweifeln, dal3 jene hohen Grade gedanklicher Zerfahrenheit und seltsamer assoziativer Verbindungen, die Bleuler so anschaulich gezeigt und auch nach ihrem Zustandekommen analysiert hat, nut bei Prozessen in dem oben festgelegten Sinne beob- achtet werden, aber niemand wird auch bestreiten, dal3 ihre leichten und leichtesten Grade auch sonst, insbesondere in Zust~nden der Be- nommenheit jeder Art und bei der epileptischen Demenz, vorkommen. Ihr Nachweis als Struktur des Traumes, als pr~logisches Denken fiber- haupt, nimmt ihnen schon grunds~tzlich die Bedeutung einer ffir die

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Prozesse spezifischen StSrung und macht sie zu einer allgemein mensch- lichen Denk- und Erlebnisform, die in diesen zerstSrenden Prozessen nur besonders deutlich wird, dutch sie gewissermai]en aufgedeckt zutage liegt. Wie sehr unterliegen ferner diese leichten AssoziationsstSrungen der subjektiven Deutung und Evidenz. Keine Frage: diese Assozia- tionsstSrungen sind gerade gegenfiber den zweifelhaften und beginnen- den F~llen eine ffagwiirdige Hilfe, und auf der anderen Seite reichen sie wieder welter, als die Prozesse reichen. Der Schizophreniebegriff verlSre jede klinische Handlichkeit, wollte man ihn auf diese Asso- ziationsstSrungen grfinden. In wohl noch hSherem Grade bleibt die Feststellung von AffektstSrungen der Evidenz des Betrachters iiber- lassen. Nichts ist schwerer zu beurteilen und vollends anderen zur gleichen Beurteilung zu vermitteln als Grad, Adiiquatheit und Echt- heit yon Geffihlen. Es ist sicher, dal] die Anschauungen Bleulers viel- fach dazu verfiihrt haben, den aus anderen, z .B. anamnestischen, Grfinden als Proze6kranken Erkannten gewisserma~en keine echten Ge- ffihle mehr zuzutrauen, in ihre Gefiihls~u~erungen Untiefe hineinzu- deuten, w~hrend man in anderen F~llen, die klinisch etwa als depressive Phasen einleuchten, nicht daran d~ichte, dies zu tun. Wer wiirde nich~ derartige Depressive kennen, deren StShnen den Eindruck des Mecha- nischen, Leeren, Blechernen macht ? Wit geben zu, dal] zwar nicht das Ph~nomen der Geffihlsver5dung, das den organischen Prozessen auch eigen ist, aber jene Steifheit, Sprunghaftigkeit und fehlende Modula- tionsf~higkeit der Geffihle in ausgesprochenen AusprSgungen nur bei den schizophrenen Prozessen vorkommt, aber allzu leicht werden da Spuren davon entdeckt, wo Verlauf und andere Symptome einem Pro- zel~ nahelegen und wo man sie in anderen F~llen nicht finden wfirde. Alles in allem: die schizophrene Struktur ist in ihrer Erfassung zu sub- jektiv und in ihrem Vorkommen zu weit, um die psychotischen Pro- zesse als Hauptsymptom in klinisch brauchbarer Weise kennzeichnen zu kSnnen, so sehr sie als F~rbung der Zustandstypen stets zu beachten sein wird. Und au6erdem gibt cs psychotische Prozesse, die auch bei bestem Willen des Betrachters diese Struktur nicht aufweisen -- und gerade Bleuler gesteht ihnen keine klinische Sonderstellung zu. Schizo- phrenie im Sinne der Struktur und Schizophrenie im Sinne des Prozesses deckt sich nicht. Man kSnnte abhelfend yon Zustandschizophrenie und Verlaufschizophrenie reden, jedenfalls empfiehl~ es sich, stets zu sagen, welche Form man meint.

Eine dritte MSgliehkeit der Erfassung ist die aus dem Erlebnis, also eine ph~nomenologische. Es gibt wohl solche spezifische Proze$- erlebnisse, und zwar scheinen sie alle auf dem Gebiete des Aktivit~ts- bewuBtseins zu liegen: es handelt sich um ein prim~res Fehlen des Be- wuBtseins der Eigenaktiviti~t bei funktionalen Vollzfigen, um jeno

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,,autochthonen Ideen" Wernickes, gemaehten Gedanken, gemachten Willenshandlungen, gemachten Impulse. Neuerdings hat insbesondere Kron/eld auf diese StSrungen als auf spezifische ProzeBsymptome hingewiesen. Man muB diese Heraushebung weniger, gut umgrenz- barer Erlebnisqualit~ten unterseheiden yon dem groL~ angelegten Ver- such Berzea, die ganze Schizophrenie mit allen ihren Symptomen aus einer primi~ren Insuffizienz der psyehischen Aktivit~t theoretiseh abzuleiten. Weder KOrperhalluzinationen irgendwelcher Art, noch selbst Gedankenlautwerden und Gedankenentzug, noeh prim~re Wahn- erlebnisse scheinen diese spezifische Bedeutung fiir die ProzeBeffassung zu haben wie diese Erlebnisse primer verlorenen Aktivit~tsbewuBtseins, m6gen jene Symptome auch am h~ufigsten und ausgepr~gtesten bei Prozessen vorkommen. Auch bei ihnen scheint es sich, wie bei der schizophrenen Struktur und, wie ich vorwegnehmend bemerke, auch bei den schizophrenen Ausdrucksanomalien, um allgemeine psycho- pathologische Mechanismen zu handeln, die in den endogenen Ver- bl6dungsprozessen nur am reinsten und breitesten blol3gelegt werden. Spezifisch dagegen sind der bisherigen Erfahrung nach jane St6rungen des Aktivit~tsbewuBtseins, aber da sie nicht gerade sehr h~ufig sind, wird man die Annahme yon ProzeBpsychosen nicht yon ihrer Existenz abh~ngig machen k6nnen.

Die vierte M6glichkeit dcr Erfassung, die aus dem Ausdruclc, hatte friiher einmal groi3e Bedeutung fiir die Diagnose der Dementia praecox. tteute bedarf sie in diesam Zusammenhang kaum mehr der Erw~hnung. Wir wissen, da[t katatonische Erscheinungen aller Art, auch Manieren und Wortneubildungen, auch anderswo, vor allem bei Epileptikern in. und auBerhalb von D~mmerzust~nden vorkommen.

Es gibt noch eine fiinfte und letzte M6gliehkeit, schizophrene Pro- zesse zu erfassen. Ieh maine das, was man die Frage des Rapportes oder Kontaktes zu heiBen pflegt, und ieh nenne diese M6glichkeit die Erfassung aus der Beziehung. Man geht kaum fehl, wenn man be- hauptet, dab dies im t~iglicheu klinischen Leben der Weg ist, Schizo- phrenien, insbesondere leichtere FMle, zu erkennen. Man k6nnte diese Methode als Reaktion des Unsehizophrenen auf die sehizophrenen Denk- und Gefiihlsst6rungen auffassen, doch spricht dagegan, dab wir den Eindruck des Schizophrenen vielfach auch da haben, wo er sich selbst bei weitherziger Annahme der Bleulersehen Grundsymptome nicht in ihrem Sinne objektivieren l~i[~t. Man k6nnte weiter daran denken, dal~ wir ihn aus Feinheitan schizophranen Ausdrucks, deren Vcrgr6be- rung wir als Steifheit, Unnatiirlichkeit, Verschrobenheit in vielen ausgepr~igteren F/~llen gesehen haben, erschliel3en. Dagegen spricht jedoch, (tab selbst relativ Ungeiibte raseh dieses ,,Gefiihl" fiir das Schizophrene zu bekommen pflegen. GewiB gibt es auch bier viele

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Tauschungen, auch fiir den Erfahrensten, und gewiB ist die Erfassung aus der Beziehung noch subjektiver als die aus der Struktur. Immer- hin gibt die ~bereinstimmung verschiedener Untersueher im einzelnen Falle zu denken. Es scheint aueh nicht so zu sein, dab ,,sehizoide" Beobachter schleehtere Barometer ffir diese Art der Erfassung von Schizophrenen sind als andere, wie andererseits diese vielleicht nicht weiter zuriickfiihrbare Erkenntnisquelle die ProzeBsehizophrenen aus den ,,schizoiden" Psychopathen herauszuheben scheint. Alle ProzelL psychotischen erfaBt jedoch aueh sie nicht, denn bei manchen, vor allem jenen ,,pyknischen" Schizophrenen yon Mauz, ist die Beziehung durch- aus ungestSrt. Und ferner werden wit mitunter yon Schizophrenem aueh da ,,angeweht", wo dann Anamnese und Befund das Vorliegen einer sehizophrenen ProzeI~psychose ausschlieBen lassen. Hat man einen solchen Eindruck am kliniseh unrechten Ort, so gilt dasselbe wie bei der Erfassung aus der Struktur : es ist etwas Zustandschizophrenes da, das eben weiter reicht als die Verlaufschizophrenie. --

Zusammen/assend komme ich zu folgenden Aufstellungen: Vom Standpunkt einer pragmatistischen klinischen Psychiatrie, die nur Typen kennt, scheint es zweckmaI~ig, yon der Schizophrenie als Struk- tur wieder zur Prozel~sehizophrenie (Verlaufsehizophrenie) zuriiek- zukehren und in ihrem Rahmen, ebenfalls als Typen, zahlreiehe und sicher noeh vermehrbare Unterformen stehenzulassen. Prozesse lassen sieh zwar in seltenen Fallen aus gewissen Erlebnissen, aber weder aus der Struktur noeh aus dem Ausdruck noch aus der Beziehung sicher er- fassen. Die kliniseh brauchbarste Methode ist die Erfassung aus dem Verlauf. Da$ aueh sie im Einzelfalle versagen kann, liegt an der Typenhaftigkeit aller psyehopathologischer Abgrenzungen.