Wider Willen in der Psychiatrie: Zwangseinweisung, Unterbringung, Maßregelvollzug Vorlesung 27....
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Wider Willen in der Psychiatrie: Zwangseinweisung, Unterbringung, Maßregelvollzug
Vorlesung 27. Februar 2012
Dr. Udo FrankZfP Südwürttemberg - Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie Weissenau
Gesetzliche Voraussetzungen für die Anwendung von Zwang in der Psychiatrie
Unterbringung & Behandlung
Gesetzliche Voraussetzungen für die Anwendung von Zwang in der Psychiatrie
Zivilrechtlich Betreuungsrecht (BGB)
Öffentlich-rechtlich Unterschiedlich ausgestaltete Landesgesetze zur
Gefahrenabwehr (PsychKG); in Baden-Württemberg Unterbringungsgesetz (UBG)
Strafrechtlich
(forensische Unterbringung nach StGB) in einem psychiatrischen Krankenhaus (§63 StGB) in einer Entziehungsanstalt (§64 StGB)
Das Betreuungsrecht (Bundesrecht, BGB §§ 1896 – 1908i)
Anordnung durch Vormundschaftsgericht
nicht möglich gegen den freien Willen
Soll dem Betreffenden nützen
Betroffener kann infolge einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen
nur für erforderliche Aufgabenkreise
Das BetreuungsrechtEinwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB)
Gesonderte Anordnung durch das Vormundschaftsgericht
nur bei aufgehobener freier Willensbestimmung
zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für das Vermögen oder die Person des Betreuten
Das BetreuungsrechtUnterbringung mit Freiheitsentziehung (§ 1906 BGB)
Antragstellung durch Betreuer
Genehmigung durch das Amtsgericht
Nur zum Wohle des Betreuten
Verhinderung einer Selbstgefährdung (Suizidgefährdung, erheblicher Gesundheitsschaden)
Notwendige Heilbehandlung kann ohne Unterbringung nicht durchgeführt werden
Unterbringungsgesetz (UBG) Baden - Württemberg
Unterbringung einer Person gegen deren Willen in einer Psychiatrischen Klinik
Erduldung medizinisch erforderlicher Maßnahmen (zwangsweise Verabreichung von Medikamenten aktuell durch BVerfG als )
Antrag durch untere Verwaltungsbehörde (AföO) oder eine Psychiatrische Anstalt
Anordnung durch das Amtsgericht nach einer Anhörung
Unterbringungsgesetz (UBG) BWVoraussetzungen
geistige oder seelische Krankheit, Behinderung oder erhebliche Störung
erhebliche (akute) Selbstgefährdung oder Fremdgefährdung (erhebliche gegenwärtige Gefahr für Rechtsgüter Dritter)
Gefahr kann nicht anders abgewendet werden (Verhältnismäßigkeit)
Was tun mit psychisch kranken Rechtsbrechern?
Begutachtung und Behandlung als Aufgabe der Forensischen Psychiatrie
Schuldfähigkeit
Schuldfähigkeit (§§ 20/21 StGB)
Aufhebung (§ 20 StGB) oder Verminderung (§21 StGB) der Schuldfähigkeit
Eingangsmerkmale krankhafte seelische Störung tiefgreifende Bewusstseinsstörung Schwachsinn schwere andere seelische Abartigkeit
Funktionsbeeinträchtigungen Einsichtsfähigkeit Steuerungsfähigkeit
Maßregelvollzug (MRV)Maßregeln der Besserung und Sicherung
§ 63 StGB Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
§ 64 StGB Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
(§ 66 StGB Sicherungsverwahrung)
Unterbringung nach § 63 StGB
Anordnung durch eine große Strafkammer eines Landgerichtes in einer Hauptverhandlung
Zuvor vorläufige Unterbringung (§126 a StPO), vergleichbar mit der Untersuchungshaft
Auftrag ist „Besserung und Sicherung“
Behandlungsansätze wie in allg. Psychiatrie
Klientel in BaWü ca. 60 % Psychose-Kranke
„Sexualstraftäter“ stellen nur eine kleine Gruppe im MRV dar (Mehrzahl in JVA)
Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 63 StGB
überdauernde psychische Erkrankung bzw. Störung
sicher festgestellte verminderte oder aufgehobene Schuldfähigkeit
erhebliche Straftat (mind. mittelschwere Kriminalität) in Zukunft zu erwarten
fortbestehende erhebliche Allgemein-gefährlichkeit
Durchführung der Unterbringung nach § 63 StGB
Zeitlich unbefristet
Jährliche Anhörungen durch die Strafvollstreckungskammer
Aussetzung zur Bewährung, wenn zu erwarten ist, dass keine rechtswidrigen Taten mehr begangen werden
Unterbringung nach § 64 StGB
Entziehungsbehandlung bei Abhängigkeit von Suchtmitteln (Hang), die zu einer erheblichen Straftat mit Wiederholungsgefahr geführt hat
Nur bei hinreichend konkreter Erfolgsaussicht
Zeitlich befristet auf 2 Jahre (zuzüglich 2/3 der verhängten Freiheitsstrafe)
Je hälftig Patienten mit Alkohol- und Drogenabhängigkeit
Fall 1
48 Jahre alter Mann, V.a. chronische Schizophrenie seit vielen Jahren mit erheblichem Alkoholmissbrauch
sozial völlig isoliert, wehrt sich massiv gegen jede Kontaktaufnahme
„Haus“ völlig vermüllt
gesetzliche Betreuung wurde vom Ordnungsamt beim Vormundschaftsgericht bereits beantragt
Hat jetzt zur Abwehr „böser Geister“ das ganze Haus mit Kupferdraht und Blechdosen umspannt und unter Strom gesetzt.
Maßnahmen Fall 1
A: Unterbringung nach Betreuungsrecht (BGB)
B: Unterbringung nach Unterbringungsgesetz (UBG)
C: Keine Unterbringung da bisher niemand zu Schaden kam und er auch nicht selbstmordgefährdet ist.
D: Maßregelvollzug § 63 StGB (psychiatrisches Krankenhaus), da wahrscheinlich ein versuchtes
Tötungsdelikt vorliegt
E: Maßregelvollzug § 64 StGB (Entziehungsanstalt), da ein Alkoholmissbrauch besteht
Fall 2
22 Jahre junger Mann, lebt zuhause bei Eltern
Schizoaffektive Psychose; Polytoxikomanie
bereits mehrere Psychiatrieaufenthalte, z.T. nach UBG wegen Gewalt gegen Eltern und Geschwister
Keine Krankheitseinsicht, jeweils rasches Absetzten der Medikamente
Heftiger Streit mit Vater wegen Geld; verletzt ihn mit 20 cm langem Küchenmesser am Oberarm; zersticht Türblatt als Vater flüchtet und sich einschließt. Wird anschließend widerstandslos von Polizei festgenommen.
Maßnahmen Fall 2
A: Freiwillige Einweisung in die Psychiatrie, da er sich widerstandslos festnehmen ließ
B: Unterbringung nach Unterbringungsgesetz (UBG), da er bereits früher nach UBG untergebracht
wurde.
C: Maßregelunterbringung in einer Entziehungsanstalt (§64 StGB), da eine Polytoxikomanie besteht
D: Maßregelunterbringung in einem Psychiatrischen Krankenhaus (§63 StGB), da eine Psychose vorliegt und er auch zukünftig erheblich gefährlich bleibt
E: Unterbringung nach Bereuungsrecht (BGB)
Fall 3
33 Jahre alte Frau, lebt in sozialpsychiatrischer WG
chronische Schizophrenie
wiederholte Suizidversuche, mehrere stationär psychiatrische Behandlungen auf freiwilliger Basis
umfassende gesetzliche Betreuung (BGB) seit 1½ J.
zunehmender Rückzug seit mehreren Tagen, isst nicht mehr; redet nicht mehr mit Mitbewohner und sozial-psychiatrischem Dienst; Neuroleptika zuletzt weggelassen.
Wehrt sich nicht gegen den Arztbesuch
Maßnahmen Fall 3
A: Antrag auf Unterbringung nach dem Betreuungsgesetz (BGB), da seit 1 ½ J. eine gesetzliche Betreuung besteht
B: Unterbringung nach dem Unterbringungsgesetz (UBG), da sie nicht mehr isst und die Neuroleptika nicht mehr genommen hat
C: Normale Einweisung in eine psychiatrische Klinik
Fall 4 44 Jahre alter Mann, Alkoholabhängigkeit
leichtgradige kognitive Störungen, seit 1 Jahr arbeitslos (Industriemechaniker)
mehrere Entgiftungen ohne anhaltenden Erfolg, bisher keine Langzeitentwöhnung
Ehefrau will sich trennen zündet massiv alkoholisiert das gemeinsame Wohnhaus an; brennt vollständig ab; Frau, Sohn und er erleiden starke Rauchvergiftungen.
Wird noch im Krankenhaus von Polizei festgenommen, Richter erlässt Haftbefehl.
Maßnahmen Fall 4
A: Verbringung in Psychiatrie nach UBG, Auflage einer anschließenden Entwöhnungsbehandlung
B: Gerichtsverhandlung mit Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) bei Rauschtat und Alkoholkrankheit
C: Gerichtsverhandlung mit Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) wegen
der psychischen Belastung in der Trennungssituation
D: Beantragung einer Betreuung durch Ehefrau
Fall 5
35 jährige Frau, seit ca. 10 Jahren rezidiv. auftretende psychotische Schübe bei paranoid – halluzinatorischer Schizophrenie, bisher 8 x stationär in der Psychiatrie
umfassende gesetzliche Betreuung (BGB) seit 4 Jahren, wird seither in einer Mietwohnung sozialpsychiatrisch betreut
Zuletzt wiederholt Nachbarn beschuldigt, sie im Auftrag von Scientology auszuspionieren. Angst geklont zu werden.
Wegen Vergiftungsängsten wenig getrunken und gegessen, Medikamente (Neuroleptika + RR) verweigert. Wiederholt mit Schlafsack (Sommer) im Wald genächtigt.
Patientin verweigert seit 1 Wochen jeden Kontakt zum Betreuer und sozialpsychiatrischem Dienst. Vermieter droht mit Kündigung
Maßnahmen Fall 5
A: Keine akute Suizidgefahr oder Fremdgefährlichkeit Keine Unterbringung in der Psychiatrie gegen ihren
Willen.
B: Patientin wird gegen ihren Willen wegen potentieller Selbstgefährdung von Betreuer und
sozialpsychiatrischem Dienst in die Psychiatrie gebracht (fürsorgliche Gefahrenabwehr )
C: Notfallmäßige Einweisung der Patientin mit Polizei in die Psychiatrie und Antrag auf Unterbringung nach UBG
D: Antrag auf Unterbringung nach BGB durch den Betreuer an das Amtsgericht